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Natürliche Gesundheit für die Augen

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Jacob Liberman<br />

<strong>Natürliche</strong><br />

<strong>Gesundheit</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Augen</strong><br />

Sehstörungen<br />

beheben,<br />

<strong>die</strong> Sehkraft<br />

verbessern<br />

Mit vielen praktischen Übungen


Das <strong>Augen</strong>buch<br />

«Nimm deine Brille ab und sieh» lautet<br />

der kühne Imperativ, den Dr. Jacob<br />

Libermann an den Beginn jeder<br />

<strong>Augen</strong>therapie stellt. Denn <strong>für</strong> ihn ist<br />

der klare Blick nicht nur eine Sache der<br />

<strong>Augen</strong> - auch unsere „innere Brille"<br />

kann getrübt sein durch Streß, Trauer<br />

oder verdrängte Wut. Inneres und<br />

äußeres Sehvermögen bilden eine<br />

Einheit und können daher auch nur als<br />

Ganzes beeinflußt werden.<br />

Anhand klarer strukturierter visueller<br />

Mediationen, Atem- und Sehübungen<br />

zeigt Dr. Libermann, wie man <strong>die</strong><br />

Selbstheilungskräfte der <strong>Augen</strong> aktiviert,<br />

um <strong>die</strong> Sehkraft zu stärken und den<br />

geistigen Blickwinkel zu erweitern.<br />

INTEGRAL<br />

Jacob Liberman<br />

geboren 1947, Doktor<br />

der Optometrie, arbeitet<br />

seit 1973 als <strong>Augen</strong>arzt<br />

und Therapeut. In seinem<br />

Center for Energy<br />

Medicine in Aspen/<br />

Colorado hat er bereits<br />

mehr als 20 000<br />

Patienten behandelt.<br />

Sein bahnbrechendes<br />

Buch über Die heilende<br />

Kraft des Lichts<br />

(Scherz 1993) hat inter<br />

national Aufsehen<br />

erregt.<br />

ISBN 3-502-25001-4


Jacob Liberman<br />

<strong>Natürliche</strong> <strong>Gesundheit</strong><br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Augen</strong><br />

Sehstörungen beheben,<br />

<strong>die</strong> Sehkraft verbessern<br />

Aus dem Englischen<br />

von Diane vonWeltzien<br />

Integral


Dieses Buch ist dem inneren Kind in uns allen,<br />

das schon immer sehen konnte, gewidmet.<br />

Erste Auflage 1997<br />

Copyright © 1995 by Jacob Liberman, O.D., Ph. D.<br />

Published by Arrangement with Author.<br />

Titel des Originals «Take Off Your Glasses and See»<br />

Alle deutschsprachigen Rechte beim Scherz Verlag,<br />

Bern, München, Wien, <strong>für</strong> den Integral Verlag.<br />

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Funk, Fernsehen,<br />

fotomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art<br />

und auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.<br />

Einbandgestaltung: Zembsch' Werkstatt, München


«Man sieht nur mit dem Herzen gut.<br />

Das Wesentliche ist <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> unsichtbar.»<br />

Antoine de Saint-Exupéry<br />

Der kleine Prinz


Inhalt<br />

Vorwort von Gary Zukav 9<br />

Einführung: Mit dem Herzen sehen 15<br />

Teil I: Sehen ist mehr als man auf den<br />

ersten Blick sieht<br />

1 «Keine Sorge, Sie werden sich daran gewöhnen!» .... 22<br />

2 Auf dem College <strong>für</strong> Optometrie 38<br />

3 Die Arbeitsweisen des Geistes 56<br />

4 Offener Fokus: Setzen Sie <strong>die</strong> Sehkraft<br />

Ihrer <strong>Augen</strong> frei! 69<br />

5 Die Angst durchschauen 93<br />

6 Visionssuche 115<br />

Teil II: Eine neue Realität<br />

7 Veränderte Sehkraft, verändertes Leben! 120<br />

8 Nimm deine Brille ab und sieh! 132<br />

9 Ein Tag im Leben Ihrer neuen Sichtweise 176<br />

10 Wie man <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> spazierenführt 187<br />

11 Präsent sein und im Fluß bleiben 198<br />

12 Visionssuche 218<br />

7


Teil III: Von der Sehkraft zur Einsicht<br />

13 Das Unsichtbare sehen 224<br />

14 Die Wahrheit über das Denken 244<br />

15 Müheloses Sehen, müheloses Lernen 254<br />

16 Wie man ohne Anstrengung lernt 270<br />

17 Visionssuche 294<br />

Epilog: Offene Lebensführung 298<br />

Anmerkungen 303<br />

Dank 309<br />

Literaturverzeichnis 311<br />

Wichtige Adressen 313<br />

Personen- und Sachregister 314<br />

8


Vorwort<br />

Dieses Buch, das Jacob Liberman ursprünglich Seeing (Sehen)<br />

nennen wollte, ist viel mehr als der Rat eines früheren<br />

Optometristen zum Thema Sehkraft. Es ist eine zutiefst transformierende<br />

Annäherung an das Sehen in einem viel weiteren<br />

Sinne.<br />

Wir verstehen Sehen im übertragenen Sinn als <strong>die</strong> Wahrnehmung<br />

eines Sehers, eines Visionärs, <strong>die</strong> über das Normale hinausgeht.<br />

«Visionäre» Künstler zum Beispiel sind jene, <strong>die</strong> uns «Visionen»<br />

schenken, <strong>die</strong> mehr als eine bloße Weiterfuhrung des<br />

Gegenwärtigen sind. Ein Visionär ist ein Mensch, der sieht, was<br />

kommt, und sich entsprechend darauf vorbereitet.<br />

Im Zusammenhang mit dem Körper bezieht sich Sehen auf das<br />

Sehvermögen der <strong>Augen</strong>. Diese beiden Interpretationen verschmelzen<br />

nun zu einer umfassenderen und erweiterten Erfahrung<br />

des Sehens.<br />

Die Menschheit macht augenblicklich eine noch nie dagewesene<br />

Übergangszeit durch. Die Erfahrung dessen, was es bedeutet,<br />

Mensch zu sein, unterliegt derzeit einem tiefgreifenden Wandel.<br />

Zu <strong>die</strong>ser Veränderung gehört <strong>die</strong> Erweiterung der menschlichen<br />

Wahrnehmung über <strong>die</strong> Grenzen der fünf Sinne hinaus. Während<br />

immer mehr Menschen Informationen sammeln und nutzen,<br />

<strong>die</strong> von den fünf Sinnen nicht geliefert werden können, erweitert<br />

9


sich <strong>die</strong> Bedeutung des Wortes «Sehen» über <strong>die</strong> Fähigkeit der<br />

<strong>Augen</strong> hinaus, körperlich vorhandene Gegenstände wahrzunehmen.<br />

Wenn beispielsweise eine Mutter «sieht», wie ihre Tochter auf<br />

dem Weg zur Schule mit dem Auto von der Straße abkommt, und<br />

in dem <strong>Augen</strong>blick zusammenzuckt, in dem das Fahrzeug auf <strong>die</strong><br />

Bäume zurast, dann hat sie eine Vision, deren Ursprung nicht in<br />

ihren physischen <strong>Augen</strong> liegt.<br />

Wenn ein Mann, der sich in tiefer Narkose befindet, auf einem<br />

Operationstisch liegend das Vorgehen der Ärzte und Krankenschwestern<br />

«beobachtet» und <strong>die</strong> Farbe ihrer Socken «sieht»,<br />

dann be<strong>die</strong>nt er sich einer Sehkraft, <strong>die</strong> nicht auf das beschränkt<br />

ist, was <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> wahrnehmen.<br />

Dieses Buch handelt von der Erweiterung des «Sehens». Es ist<br />

Widerspiegelung und zugleich Erzeugnis des Beginns der evolutionären<br />

Übergangszeit. Jacob Libermann hat mit dem Erweiterungsprozeß<br />

seines ursprünglichen Faches - <strong>die</strong> Optometrie -<br />

begonnen, um <strong>die</strong> sich erweiternde Realität der Menschen zu<br />

erfassen, <strong>die</strong> nicht auf <strong>die</strong> Wahrnehmung ihrer fünf Sinne<br />

beschränkt ist.<br />

Ein solcher Erweiterungsprozeß findet augenblicklich in jedem<br />

Bereich menschlicher Erfahrung statt. Besonders auffallend<br />

erweist er sich in den Wissenschaften, <strong>die</strong> noch bis vor kurzem ihre<br />

Kraft aus dem rigorosen Ausschluß all dessen, was nicht mit den<br />

fünf Sinnen wahrgenommen und daher nicht empirisch verifiziert<br />

werden kann, schöpften.<br />

Die <strong>Gesundheit</strong> zum Beispiel ist, wie man inzwischen anerkennt,<br />

nicht nur auf den Körper beschränkt, und selbst bei der<br />

rein körperlichen <strong>Gesundheit</strong> geht man nun ebenfalls davon aus,<br />

daß sie auch nichtkörperliche Wurzeln hat. Der Zusammenhang<br />

von Streß - einem emotionalen Gift - und körperlicher <strong>Gesundheit</strong><br />

wird damit ebenso augenscheinlich wie der Zusammenhang<br />

von Körpergiften und rein physischer <strong>Gesundheit</strong>.<br />

Dieses Buch beabsichtigt, den größeren Zusammenhang des<br />

Sehens herzustellen und dabei auch das Sehvermögen einzubeziehen.<br />

Es ist daher <strong>für</strong> all jene von Wert, deren Selbst-Wahrneh-<br />

10


mung über das mit körperlichen Mitteln Mögliche hinausgeht -<br />

also keineswegs nur <strong>für</strong> Brillenträger.<br />

Das Buch steht <strong>für</strong> <strong>die</strong> natürliche Entwicklung einer Disziplin,<br />

<strong>die</strong> sich mit dem Sehen befaßt. Unter den Bedingungen <strong>die</strong>ses<br />

Faches legt es <strong>die</strong> Erweiterung über das Maß der körperlichen<br />

Möglichkeiten hinaus fest, <strong>die</strong> schon bald jede menschliche Tätigkeit<br />

bestimmen werden.<br />

Die Vorstellungen, <strong>die</strong> Jacob Liberman mit dem Leser teilt,<br />

verbessern nicht nur das «visionäre Sehen», sondern auch das<br />

Sehvermögen. Dieser Aspekt des Buches ist <strong>für</strong> seinen Titel<br />

verantwortlich. Ich selbst habe, von meiner Schulzeit bis zu dem<br />

Moment, da ich mit der Lektüre <strong>die</strong>ses Buches begann, eine Brille<br />

getragen. Jetzt setze ich sie nur noch zum Autofahren auf, obwohl<br />

ich zuvor, wenn ich <strong>die</strong> Brille <strong>für</strong> mehr als eine halbe Stunde<br />

abnahm, unter Kopfschmerzen litt, <strong>die</strong> ich auf eine «Überanstrengung»<br />

der <strong>Augen</strong> zurückführte. Die Sehschärfe meiner <strong>Augen</strong><br />

verbesserte sich von 6/21, was einer Sehleistung von 63,8%<br />

entspricht, ohne Sehhilfe auf 6/18 oder 69,9% - um eine ganze<br />

Zeile auf der <strong>Augen</strong>tafel -, nur weil ich <strong>die</strong>sen Anweisungen<br />

Jacob Libermans folgte: «Schließen Sie <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>, atmen Sie<br />

dabei ein. Atmen Sie weich aus, und öffnen Sie währenddessen<br />

sacht <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>. Schauen Sie dabei nicht auf <strong>die</strong> Sehprobentafel.<br />

Lassen Sie es zu, daß <strong>die</strong> Tafel Sie anblickt. Versuchen Sie nicht,<br />

mit Ihrem Verstand einen Strich an sich zu reißen. Schauen Sie<br />

einen Buchstaben an, und gestatten Sie ihm, sich scharf einzustellen.»<br />

Buchstaben auf der 6/15 (76,5% )-Zeile sehe ich mittlerweile <strong>für</strong><br />

kurze Zeit scharf - genauso erging es mir anfangs mit der 6/18<br />

(69,9%)-Zeile, <strong>die</strong> ich jetzt lesen kann. Eine solche Entwicklung<br />

wird von den meisten Optometristen und <strong>Augen</strong>ärzten <strong>für</strong><br />

unmöglich gehalten.<br />

Mehr als alles andere hat <strong>die</strong>ses Buch jedoch Bewußtheit und<br />

einen Zustand des Seins zum Thema, den Jacob Liberman «müheloses<br />

Lernen» und «mühelose Lebensführung» nennt. Unter den<br />

Bedingungen der körperlichen Sehkraft zeigt er: «Je mehr man<br />

sich müht zu sehen, desto weniger kann es gelingen.» Diese<br />

11


Erfahrung weitet er über den Sehbereich hinaus aus. Die Kernaussage,<br />

<strong>die</strong> Jacob Liberman uns hier mitteilt, hat nichts mehr mit<br />

Sehhilfen und Sehvermögen zu tun. Die von ihm angebotenen<br />

«Übungen» - tatsächlich stark in Anspruch nehmende Spiele -<br />

zapfen ein Erkenntnisvermögen an, zu dem der Verstand allein<br />

keinen Zugang mehr hat.<br />

Erstmals kam ich als Student in Harvard mit mühelosem Lernen<br />

in Berührung. Meine Kleinstadterziehung hatte mich nicht<br />

ausreichend auf Harvard vorbereitet, und ich war dort ein mittelmäßiger<br />

Student. Ich strengte mich sehr an, aber es gelang mir<br />

kaum, gute Noten zu erzielen.<br />

Eine Aufgabe bestand damals beispielsweise darin, Freuds<br />

Totem und Tabu mit Emile Durkheims Die elementaren Formen<br />

des religiösen Lebens zu vergleichen, einem dicken kleingedruckten<br />

Band mit geringen Zeilenabständen, der mir äußerst geisttötend<br />

vorkam. Keinerlei andere Interessen vorausgesetzt, hätte<br />

ich einen Monat benötigt, um Durkheims Buch zu lesen. Ich schob<br />

<strong>die</strong> Arbeit immer wieder auf, bis zum vorletzten Tag des Abgabetermins.<br />

Als ich mich vor <strong>die</strong> Schreibmaschine setzte, hatte ich nicht<br />

einmal <strong>die</strong> Zeit, auch nur zu versuchen, <strong>die</strong> beiden Bücher zu<br />

lesen. Ich überflog Freuds Buch, blätterte es von vorn bis hinten<br />

durch und unterstrich dabei alles, was mir interessant zu<br />

sein schien. Dann wiederholte ich den gleichen Vorgang bei<br />

Durkheims Werk. Ich stellte fest, daß sich hier und dort Durkheims<br />

Vorstellungen entweder jenen Freuds entgegenstellten<br />

oder mit ihnen übereinstimmten. Ich markierte <strong>die</strong>se Stellen<br />

und hackte dann alles in <strong>die</strong> Schreibmaschine, was mir über <strong>die</strong><br />

beiden einfiel. Ich hatte keine Wahl. Ich mußte irgend etwas<br />

abgeben.<br />

Dieses Papier war das erste und einzige A plus, das ich in<br />

Harvard bekommen habe. Es zu schreiben war interessant und<br />

machte Spaß. Ich war entspannt und genoß es - soweit ich konnte<br />

- wissend, daß ich wohl ein F oder bestenfalls ein D bekommen<br />

würde. Ich konnte nicht begreifen, daß so wenig Anstrengung so<br />

ein großartiges Ergebnis zeitigen konnte. Ich hatte mir vorge-<br />

12


stellt, daß ich mich mit meinen begrenzten intellektuellen Fähigkeiten<br />

sehr anstrengen müßte, um in Harvard meine Scheine zu<br />

machen, und ich hatte mich daran gewöhnt, mich überfordert zu<br />

fühlen.<br />

Meine nächste Erfahrung mit mühelosem Lernen hatte ich etwa<br />

fünfzehn Jahre später, als ich Die tanzenden Wu Li Meister - Der<br />

östliche Pfad zum Verständnis der modernen Physik: Vom<br />

Quantensprung zum Schwarzen Loch schrieb. Ich hatte niemals<br />

zuvor ein Buch geschrieben und mich mit Physik befaßt, aber ich<br />

fand Freude daran, beides zum ersten Mal zu tun, und das Buch<br />

gewann den American Book Award.<br />

Meine Erfahrungen mit müheloser Lebensführung begannen,<br />

zu meiner großen Überraschung und Freude, erst vor kurzem.<br />

Dieses Buch führt den Leser direkt zu mühelosem Lernen und<br />

zu müheloser Lebensführung. Beide sind unverzichtbare Bestandteile<br />

der Art des Sehens, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ses Buch entwickeln will. Sie<br />

sind ein Ziel, das alle Menschen erreichen wollen - ob sie eine<br />

Brille tragen oder nicht. Sie resultieren aus Veränderungen des<br />

Bewußtseins, nicht der Optik, und spiegeln damit <strong>die</strong> zutagetretende<br />

Gewißheit der im Aufbruch befindlichen Menschheit<br />

wider, daß Bewußtheit alle Erfahrungen ohne Ausnahme verändert.<br />

Gary Zukav<br />

13


Einführung<br />

Mit dem Herzen sehen<br />

Was bedeutet es zu sehen? Wie sehen wir? Funktionieren unsere<br />

<strong>Augen</strong> wirklich genauso wie das Objektiv einer Kamera? Sehen<br />

wir überhaupt mit unseren <strong>Augen</strong>? Warum glauben wir, daß <strong>die</strong><br />

<strong>Augen</strong> als einziger Bestandteil des Körpers keine Selbstheilungskräfte<br />

besitzen? Warum erfährt <strong>die</strong> moderne Welt eine geradezu<br />

epidemische Ausbreitung von Sehproblemen? Warum gehen<br />

<strong>Augen</strong>spezialisten fast einhellig davon aus, daß eine präventive<br />

oder heilende Behandlung der <strong>Augen</strong> bestenfalls Wunschdenken<br />

ist? Warum verschreiben wir fortgesetzt Brillen bei Sehbeschwerden,<br />

obwohl sich <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> danach nur weiter verschlechtern?<br />

Könnte es tatsächlich sein, daß das Tragen einer Brille zur<br />

Verschlechterung des Sehvermögens beiträgt? Welches sind <strong>die</strong><br />

Zusammenhänge zwischen unserer Sehkraft, unseren Überzeugungen<br />

und unserem emotionalen Zustand?<br />

Ich hatte vor zwanzig Jahren gerade angefangen, als Optometrist<br />

zu praktizieren, als entscheidende Fragen in meinem Kopf<br />

schwer zu wiegen begannen. Ich hatte das Gefühl, ich müßte<br />

irgend etwas tun, um Antworten auf sie zu finden. Meine Lösung<br />

fand ich darin, daß ich mit dem Funktionieren meiner eigenen<br />

Sehkraft experimentierte. Das erstaunliche Resultat war eine<br />

spontane Heilung - meine <strong>Augen</strong> verbesserten sich nahezu augenblicklich<br />

von fast 6/60 (20%) auf 6/6 (100% Sehleistung). Mir war<br />

15


sofort klar, daß ich auf etwas sehr Wichtiges gestoßen war, denn<br />

man hatte mir beigebracht, daß solche Veränderungen schlicht<br />

unmöglich sind. Die Erklärungen, <strong>die</strong> ich <strong>für</strong> meine Erfahrungen<br />

fand, widersprachen fundamental allem, was ich am College <strong>für</strong><br />

Optometrie gelernt hatte. Also wandte ich mich von den Inhalten<br />

meiner Ausbildung ab und der Entwicklung eines neuen Ansatzes<br />

zu, welcher, basierend auf den grundsätzlich vorhandenen Selbstheilungseigenschaften<br />

des Körper-Geist-Systems, der natürlichen<br />

Verbesserung der Sehfähigkeit <strong>die</strong>nen sollte.<br />

Als ich meinen Patienten <strong>die</strong>se neue Herangehensweise vorstellte,<br />

stellte ich fest, daß sie ihnen auch über <strong>die</strong> Verbesserung<br />

ihrer Sehfähigkeit hinaus entscheidend half. Tatsächlich war <strong>die</strong><br />

Sehverbesserung nur ein kleiner Teil der sich ereignenden bedeutenden<br />

Transformationen. In den zwanzig Jahren, <strong>die</strong> seither<br />

vergangen sind, habe ich immer wieder beobachtet, daß Veränderungen<br />

des Sehens einer Lebensveränderung gleichkommen.<br />

Jonathan Swift hat vor langer Zeit einmal gesagt, daß «Sehen <strong>die</strong><br />

Kunst ist, das Unsichtbare wahrzunehmen». Meine Erfahrungen<br />

mit der <strong>Augen</strong>heilkunde haben gezeigt, daß er vollkommen recht<br />

hat - sich klare Sicht zu verschaffen, gestattet es uns im wahrsten<br />

Sinne des Wortes, Teile unseres Selbst und unseres Lebens zu<br />

sehen, <strong>die</strong> vorher unsichtbar waren.<br />

In den alten Traditionen hatte der Begriff «Sehen» wenig mit<br />

den <strong>Augen</strong> zu tun; er wurde sinnverwandt mit Weisheit verstanden.<br />

Wirkliche Weisheit, selbst jene, <strong>die</strong> wir als Genialität<br />

bezeichnen, hat ihre natürliche Quelle in der Klarheit unserer<br />

Wahrnehmung. Die Annahme, daß Sehen nur in unseren <strong>Augen</strong><br />

stattfindet, engt mehr als nur unseren Gesichtskreis ein; sie<br />

beschränkt unsere gesamte Weltsicht. Die <strong>Augen</strong> sind äußerst<br />

zutreffend als Fenster der Seele beschrieben worden. Die Energie<br />

des Lichts gelangt durch unsere <strong>Augen</strong> in unser Wesen, aber<br />

unsere Sichtweise der Wirklichkeit wird weit stärker durch das<br />

bestimmt, was wir mit unserem geistigen als mit unserem körperlichen<br />

Auge wahrnehmen. Ich habe sogar herausgefunden, daß <strong>die</strong><br />

Sehkraft sich weitgehend darauf beschränkt, unsere Sicht der<br />

Wirklichkeit wiederzugeben. Wenn also der Geist klarer zu sehen<br />

16


eginnt, dann verbessert sich automatisch auch das Sehvermögen<br />

der <strong>Augen</strong> - und <strong>die</strong>se Veränderung kann sehr plötzlich stattfinden.<br />

Ich verbringe nun den größten Teil meiner Zeit damit, überall<br />

in der Welt Vorträge zu halten und Workshops zu veranstalten.<br />

Wohin ich auch reise, überall stoße ich auf Menschen, <strong>die</strong> auf<br />

wundersame Weise ihre Sehkraft verbessert haben. Sie alle sahen<br />

plötzlich neue Möglichkeiten.<br />

Sehen ist so viel mehr als Sehkraft. Die <strong>Augen</strong> sind einfach nur<br />

ein Brennpunkt in einem gewaltigen Wahrnehmungsfeld. Leben<br />

wir jedoch in einem Dauerzustand von Angst oder Wut,<br />

schrumpft unsere sinnliche Wahrnehmungsfähigkeit; wir werden<br />

im wahrsten Sinne des Wortes eng-stirnig. Nach einer gewissen<br />

Zeit fühlt sich <strong>die</strong>se verengte Wahrnehmung «normal» an. Die<br />

meisten von uns scheinen <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> vor bestimmten Aspekten<br />

der Wirklichkeit zu verschließen. Selbst Menschen mit 100%<br />

Sehschärfe können unter mangelndem «Sehvermögen» leiden.<br />

Ob Sie also Kontaktlinsen tragen oder nicht, <strong>die</strong>ses Buch kann Sie<br />

dazu anleiten, klarer zu sehen und müheloser zu leben, Ihre<br />

spontane Heilung oder Ihr eigenes Wunder selbst herbeizuführen.<br />

In unserer Gesellschaft scheinen «schlechte <strong>Augen</strong>» ein allgemein<br />

akzeptierter, ja sogar normaler Ersatz <strong>für</strong> Selbst-Bewußtsein<br />

und Gefühlsausdruck geworden zu sein. Dieses Buch wird<br />

darlegen, auf welche Weise <strong>die</strong> Unterdrückung von Gefühlen und<br />

Wahrnehmungen <strong>die</strong> körperlichen, psychologischen und energetischen<br />

Wurzeln der epidemisch auftretenden Sehschwächen<br />

geschaffen hat. Ich werde auch beschreiben, was ich als wichtigste<br />

Voraussetzung zur Verbesserung der Sehfähigkeit erkannt habe:<br />

<strong>die</strong> Rückkehr zu jenen Erfahrungen, <strong>die</strong> unsere Wahrnehmungsbereitschaft<br />

ursprünglich «getrübt» haben.<br />

Dieses Buch wird erklären, wie der Prozeß der Transformation<br />

in Gang gebracht werden kann, und Herangehensweisen beschreiben,<br />

<strong>die</strong> ihn unterstützen und verstärken. Wir werden<br />

feststellen, auf welche Weise sich eine Verschlechterung des<br />

Sehens aus dem Zusammenspiel unserer Gedanken, Gefühle,<br />

17


Verhaltensweisen und unserer sozialen Umgebung herleitet.<br />

Dabei werden wir erfahren, wie man <strong>die</strong>sen Prozeß vorantreiben<br />

und mit neuen Gewohnheiten, <strong>die</strong> unsere Fähigkeit, klar zu<br />

sehen, unterstützen, verwandeln kann.<br />

Der erste Teil <strong>die</strong>se Buches gilt der Erweiterung unserer Einsichten<br />

zum Thema «Sehen und Sehkraft». Teil zwei beschreibt<br />

praktische Techniken zur Verbesserung der Sehkraft, mit denen<br />

<strong>die</strong> <strong>Augen</strong> von physischem Streß und emotionalen Blockaden<br />

befreit werden. Der dritte Teil schließlich legt dar, wie unsere Art<br />

des Sehens mit unserer Denkweise und Auffassung von Lernen<br />

zusammenhängt und macht überraschend einfache, effektive und<br />

unterhaltsame Vorschläge <strong>für</strong> <strong>die</strong> Neueichung unseres gesamten<br />

Körper-Geist-Systems auf klares Sehen und müheloses Lernen.<br />

Im allgemeinen gilt, je mehr wir unser Selbst-Bewußtsein weiten,<br />

desto tiefer transformieren wir unser Sehvermögen. Doch<br />

können <strong>die</strong> in <strong>die</strong>sem Buch beschriebenen Herangehensweisen<br />

und Techniken sich nahezu in jeder beliebigen Kombination <strong>für</strong><br />

Sie als wirkungsvoll erweisen. Es steht Ihnen also frei, <strong>die</strong>ses Buch<br />

als Handbuch zu nutzen, das Sie Schritt <strong>für</strong> Schritt durcharbeiten,<br />

oder als Hilfsmittel, in das Sie je nach Bedarf eintauchen, oder<br />

einfach nur als inspirierende Geschichte. Die wichtigste Voraussetzung<br />

<strong>für</strong> klares Sehen ist einfach <strong>die</strong> Bereitschaft, neue Ideen in<br />

Betracht zu ziehen und das zu erproben und zu entdecken, was<br />

Ihnen am meisten nützt.<br />

Unser altes Verständnis des Sehens hat dazu geführt, daß wir<br />

<strong>die</strong> Welt in Ausschnitten statt als Ganzes wahrnehmen, doch wir<br />

sind dazu ausersehen, so viel mehr zu sehen. Wie Goethe auf<br />

seinem Sterbebett sagte: «Öffnet den zweiten Fensterladen,<br />

damit mehr Licht hereinkommen kann.» Das wahre Ziel <strong>die</strong>ses<br />

Buches ist es, Sie auf eine Reise mitzunehmen, auf der Sie das<br />

Unsichtbare sehen, statt <strong>die</strong> Welt durch ein Loch wahrzunehmen.<br />

18


Teil I<br />

Sehen ist mehr<br />

als man auf den ersten Blick sieht


Bevor Sie weiterlesen...<br />

Sie sind dabei, sich auf eine Reise zu begeben, deren Ziel es ist,<br />

<strong>die</strong> Schärfe Ihrer inneren und äußeren Sehkraft zu steigern. Da<br />

manche Menschen, nachdem sie von der Idee gehört haben,<br />

bereits von der Verbesserung ihrer Sehfähigkeit berichten, ist es<br />

wichtig, daß Sie den Zustand Ihrer <strong>Augen</strong> überprüfen, bevor Sie<br />

weiterlesen. Diese Überprüfung ersetzt keinen professionellen<br />

Test. Es handelt sich lediglich um eine rasche Methode, mit der<br />

Sie sich zu Hause einen groben Überblick über <strong>die</strong> eigene Sehschärfe<br />

verschaffen können. Folgen Sie einfach den folgenden<br />

Anweisungen (am leichtesten wird es Ihnen fallen, wenn Sie sich<br />

dabei von einem Partner helfen lassen):<br />

1. Bitten Sie Ihren Partner, <strong>die</strong> Sehprobentafel auf den Seiten<br />

(159-163) zu photokopieren und zusammenzusetzen. Sie oder<br />

er soll <strong>die</strong> Tafel so in <strong>Augen</strong>höhe an einer Stelle an einer Wand<br />

befestigen, daß Sie sich in drei Metern Entfernung aufstellen<br />

können. Blicken Sie nicht auf <strong>die</strong> Tafel, während <strong>die</strong> folgenden<br />

Schritte ausgeführt werden.<br />

2. Entfernen Sie Ihre Sehhilfe - ob Brille oder Kontaktlinsen.<br />

3. Messen Sie drei Meter ab, und richten Sie Ihren Blick auf <strong>die</strong><br />

Sehprobentafel. Tun Sie einen tiefen Atemzug und entspannen<br />

Sie sich. Fangen Sie mit den größten Buchstaben in der<br />

ersten Zeile an, und lesen Sie alle Buchstaben laut, ohne Ihre<br />

<strong>Augen</strong> dabei zusammenzukneifen oder anzustrengen (was<br />

vielleicht dazu führt, daß Ihre Sehkraft besser oder schlechter<br />

als normal erscheint). Ihr Helfer oder Ihre Helferin wird dabei<br />

neben der Sehprobentafel stehen, um festzustellen, ob Sie<br />

richtig lesen. Er oder sie sollte Ihnen jedoch nichts über Ihre<br />

Trefferquote sagen, bis Sie zum Ende gelangt sind.<br />

4. Wenn Sie so weit gekommen sind, wie es Ihnen möglich war,<br />

dann lassen Sie sich von Ihrem Helfer oder Ihrer Helferin das<br />

Zahlenpaar am Rand neben der letzten Testzeichenzeile, <strong>die</strong><br />

Sie korrekt lesen konnten, sagen. Dies beschreibt Ihre Grund-<br />

20


Sehschärfe. (Sollten Sie bis zu den Zeilen mit den vielen<br />

kleinen Buchstaben gekommen sein, dann sind ein oder zwei<br />

Fehler gestattet, sofern Sie den Rest richtig lesen.) Sollten Sie<br />

den größten Buchstaben der Sehprobentafel nicht lesen können,<br />

dann liegt Ihre Grundsehschärfe unter 6/120 (3,3% Sehleistung).<br />

In <strong>die</strong>sem Fall nähern Sie sich der Sehprobentafel<br />

langsam, bis Sie den obersten Buchstaben erkennen. Ihre<br />

Grundsehschärfe beträgt dann in <strong>die</strong>ser Entfernung 6/120.<br />

Zum Beispiel: 6/120 bei zwei Metern.<br />

5. Wenn Sie fertig sind, decken Sie <strong>die</strong> Sehprobentafel ab, damit<br />

Sie sie nicht jedes Mal sehen, wenn Sie an ihr vorbeigehen.<br />

Wenn Ihr Helfer oder Ihre Helferin ebenfalls seine oder ihre<br />

Sehschärfe überprüfen will, verschieben Sie <strong>die</strong>s auf einen<br />

späteren Zeitpunkt oder auf den nächsten Tag, damit er oder<br />

sie Zeit hat, <strong>die</strong> Buchstabenfolge zu vergessen, <strong>die</strong> er oder sie<br />

auf der Sehprobentafel gesehen hat.<br />

Wenn Sie jetzt mit der Lektüre <strong>die</strong>ses Buches beginnen, dann<br />

werden Sie Ihre Sehkraft auf neue Weise wahrnehmen und<br />

vielleicht visuelle Veränderungen feststellen. Im zweiten Teil<br />

fordere ich Sie dazu auf, Ihre Sehschärfe erneut zu überprüfen,<br />

und Sie erhalten weitere Anregungen, um mit der Sehprobentafel<br />

<strong>die</strong> Heilung Ihrer <strong>Augen</strong> zu unterstützen.<br />

21


1<br />

«Keine Sorge, Sie werden sich<br />

daran gewöhnen!»<br />

Es ist weniger dabei, als auf den ersten Blick zu<br />

sehen ist.<br />

Tallulah Bankhead<br />

Hat man Ihnen gesagt, daß Sie unter progressiver Myopie (Kurzsichtigkeit),<br />

unter Hypermetropie (Weitsichtigkeit), Astigmatismus<br />

(Hornhautverkrümmung) oder Presbyopie (Altersweitsichtigkeit)<br />

leiden? Hat man Ihnen mitgeteilt, daß Sie immer eine<br />

Brille werden tragen müssen, mindestens aber bei bestimmten<br />

Aktivitäten? Hat man Ihnen klargemacht, daß der Körper keinen<br />

natürlichen Weg kennt, Sehfehler rückgängig zu machen?<br />

Die meisten Menschen haben <strong>die</strong>se Aussagen das eine oder<br />

andere Mal zu hören bekommen und glauben, daß sie wahr sind -<br />

aber sind sie es auch wirklich? Haben Sie sich je gefragt, warum<br />

unsere <strong>Augen</strong> - <strong>die</strong> unsere wichtigste Sinneswahrnehmung, das<br />

Sehvermögen, verkörpern - offenbar <strong>die</strong> einzigen Organe in unserem<br />

so wunderbar sich selbst regenerierenden Körper sind, denen<br />

es unmöglich ist, ihre Schwächen selbst zu korrigieren? Warum<br />

fällt es Ärzten leichter, an eine Spontanremission bei Krebs zu<br />

glauben, als an eine sich selbst regulierende Kurzsichtigkeit?<br />

<strong>Augen</strong>ärzte lassen uns wissen, daß neunzig Prozent von uns zu<br />

irgendeinem Zeitpunkt in unserem Leben eine Brille werden<br />

tragen müssen. Weitere siebzig Prozent der Menschheit, selbst<br />

jene mit einer Sehschärfe von 100%, leiden, ohne es zu wissen,<br />

unter Sehbeschwerden, <strong>die</strong> nicht einmal mit der üblichen <strong>Augen</strong>untersuchung<br />

überprüft werden. 1<br />

22


Und doch habe ich im Verlauf meiner zwanzigjährigen Behandlung<br />

von Sehschwächen immer wieder erlebt, daß <strong>die</strong> Verbesserung<br />

der Sehkraft praktisch jedem offen steht. Ich bin Tausenden<br />

von Menschen begegnet oder habe von solchen gehört, <strong>die</strong> ihr<br />

Sehvermögen verbessert haben. Es ist offenbar von keinerlei<br />

Bedeutung, wie «schlecht» ihre <strong>Augen</strong> sind, seit wann ihre Sehprobleme<br />

bestehen oder welche Sehschwächen sie haben. Es<br />

scheint so, als ob <strong>die</strong> wichtigste Voraussetzung <strong>für</strong> <strong>die</strong> natürliche<br />

Verbesserung des Sehvermögens der Geist ist und nicht <strong>die</strong><br />

<strong>Augen</strong>! Im Verlauf <strong>die</strong>ses Buches werden wir uns damit beschäftigen,<br />

wie <strong>die</strong> Art unseres Denkens über <strong>die</strong> Qualität unseres<br />

Sehens entscheidet -, und daß etwas so Einfaches wie eine<br />

Bewußtseinsveränderung dazu fähig ist, eine sofortige Verbesserung<br />

unserer Sehkraft zu erreichen.<br />

Über <strong>die</strong> Hälfte der amerikanischen Landesbevölkerung muß<br />

auf eine Sehhilfe zurückgreifen. Doch fast alle könnten sehr viel<br />

schärfer sehen, wenn sie nur den Versuch wagen würden, ihre<br />

Vorstellungen über das Sehen zu revi<strong>die</strong>ren. Als ich Mitte der<br />

siebziger Jahre meine Praxis als Optometrist eröffnete, schokkierte<br />

mich meine wachsende Überzeugung, daß unsere konventionellen<br />

Vorstellungen vom Sehen Millionen von Menschen zu<br />

reduzierter Sehkraft und begrenztem Selbst-Bewußtsein verdammen!<br />

Aber mir ist jetzt klar, daß <strong>die</strong> Hauptströmung der Optometrie,<br />

in deren Methoden ich zunächst ausgebildet wurde, nicht<br />

dazu geschaffen ist, Sehprobleme zu behandeln (oder zu heilen),<br />

sondern lediglich dazu, <strong>die</strong> Symptome zu maskieren. Doch treten<br />

<strong>die</strong>se Symptome nicht zufällig auf - sie sind dringende Signale<br />

da<strong>für</strong>, daß etwas im Körper-Geist-System aus dem Gleichgewicht<br />

geraten ist und der Beachtung bedarf. Indem <strong>die</strong> offizielle medizinische<br />

Sichtweise <strong>die</strong>se Signale unter den Teppich kehrt, vermehrt<br />

sie <strong>die</strong> Probleme möglicherweise noch, statt sie zu lösen.<br />

Mit einer neuen Weltsicht war es mir möglich, meine eigene<br />

Sehkraft dramatisch zu verbessern und vielen tausend Menschen<br />

dabei zu helfen, das Sehvermögen zurückzuerlangen, das ihnen<br />

von Geburt an zusteht.<br />

23


«Keine Sorge, Sie werden sich daran gewöhnen!»<br />

Als ich am College <strong>für</strong> Optometrie meinen Abschluß machte, hatte<br />

ich schon jahrelang eine Brille getragen, also glaubte ich, alles<br />

über <strong>die</strong> Korrektur von Sehfehlern zu wissen, sowohl als Patient<br />

wie auch als Arzt. Es schien mir ziemlich einfach zu sein: Mein Job<br />

als Optometrist war es, den Leuten zu größerer Sehschärfe zu<br />

verhelfen, nicht wahr? Aber als ich meine Praxis eröffnete,<br />

entwickelten sich <strong>die</strong> Dinge nicht so, wie ich es erwartet hatte.<br />

Anfangs hatte ich nicht allzuviel zu tun - es war also niemand<br />

da, an dem ich üben konnte -, aber glücklicherweise hatte ich<br />

mich mit einem Optometristen zusammengetan, der gut etabliert<br />

war, und so sah ich ihm zu Beginn einfach bei seiner Arbeit zu.<br />

Mir fiel bald auf, daß sein Vorgehen einem immer gleichen<br />

Muster folgte, das sich auch nicht änderte, als ich meine ersten<br />

eigenen Patienten empfing.<br />

Menschen aller Altersgruppen betraten <strong>die</strong> Praxisräume. Ob<br />

sie nun sechs oder zwanzig Jahre alt waren, sie alle hatten <strong>die</strong><br />

gleichen Beschwerden: «Ich kann nicht scharf sehen.» Kinder<br />

erkannten <strong>die</strong> Tafel nicht, junge Erwachsene konnten den Führerschein<br />

nicht machen. Personen in mittlerem Alter klagten, daß<br />

ihre Arme nicht lang genug waren, um zu lesen. Ältere Jahrgänge<br />

sagten, daß ihre Nachtsichtfähigkeit abnahm. Der Rat des Optometristen<br />

war fast immer der gleiche. Wenn sie das erste Mal in<br />

seiner Praxis waren, verschrieb er ihnen eine Brille. Handelte es<br />

sich um ihren zweiten Besuch, so erhielten sie eine zweite Brille.<br />

War es ihr fünfter, dann bekamen sie auch eine fünfte Brille.<br />

Manchmal erbaten sie Kontaktlinsen statt einer Brille. Mitunter<br />

erhielten sie Rezepte, <strong>die</strong> etwas vom Üblichen abwichen - eine<br />

Brille gegen Weitsichtigkeit, eine Lesebrille, Bifokalbrille, Sonnenbrille<br />

und so fort. Wenn sie mit der Mode gingen, kauften sie<br />

sich verschiedene Brillengestelle oder farbige Kontaktlinsen.<br />

Handelte es sich um einen Wiederholungsbesuch, konnte ich<br />

bei der Durchsicht ihres Krankenblattes feststellen, daß sich ihre<br />

Grundbeschwerden mit der Zeit nicht verändert hatten. Die<br />

24


Patienten kamen immer aufs neue mit den gleichen Problemen,<br />

und ich war darin ausgebildet, ihnen wieder und wieder <strong>die</strong><br />

gleiche Lösung anzubieten. Ich begriff es einfach nicht: Warum<br />

hielten wir an <strong>die</strong>ser Lösung fest, obwohl sich <strong>die</strong> Beschwerden<br />

verschlimmerten? Das schien doch sehr merkwürdig.<br />

Am College <strong>für</strong> Optometrie hatte man mir einen umfangreichen<br />

Test beigebracht, den man in Amerika <strong>die</strong> Einundzwanzig-<br />

Schritte-Untersuchung nennt. Ich brauchte <strong>für</strong> sie bei jedem<br />

Patienten ungefähr eine Stunde. Wenn Sie jemals Ihre <strong>Augen</strong><br />

haben überprüfen lassen, dann kennen Sie den Ablauf. Sie<br />

werden durch eine Abfolge von Sehtests geführt, zu denen Ihnen<br />

so faszinierende Fragen gestellt werden wie: «Was ist besser,<br />

Nummer eins oder Nummer zwei?» und «Sagen Sie mir, wenn<br />

<strong>die</strong>se Buchstaben verschwimmen, sich voneinander entfernen<br />

und wieder zusammenrücken.» Ich mußte feststellen, daß <strong>die</strong>se<br />

Fragen <strong>die</strong> Patienten oft verwirrten, als ob sie sich nicht sicher<br />

waren, ob sie auch <strong>die</strong> richtigen Antworten gaben. Manchmal<br />

wollten sie ein und dasselbe Paar Probiergläser wieder und wieder<br />

überprüfen. Irgendwie vervollständigten wir schließlich <strong>die</strong> Antworten,<br />

und ich hatte nun das Ergebnis der Untersuchung mit<br />

«der Norm» zu vergleichen. (Ab und zu fragte ich mich, wer denn<br />

<strong>die</strong> vorgeschriebene Norm festgelegt hatte, auf deren Grundlage<br />

jede Brille verschrieben wird.)<br />

Im allgemeinen fühlten sich <strong>die</strong> Patienten phantastisch, wenn<br />

sie den Untersuchungsraum verließen. Sie hatten erfahren, daß<br />

sie nicht unter Katarakt (grauer Star) oder Glaukom (grüner Star)<br />

oder anderen <strong>Augen</strong>erkrankungen litten, und eine einfache Brille<br />

würde ihre ganze Sehschärfe wiederherstellen. Eine Woche später<br />

kämen sie zu mir, um ihre neue Brille abzuholen. Doch gleich<br />

nach dem Aufsetzen würden sie innehalten und sagen: «Ja, ich<br />

kann jetzt viel klarer sehen - aber, Mensch, das fühlt sich vielleicht<br />

komisch an. Meine <strong>Augen</strong> fühlen sich an, als würden sie ziehen.<br />

Der Raum fühlt sich an, als sei er verzerrt. Der Fußboden fühlt<br />

sich an, als würde er kippen.» Wie <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>ärzte war ich darin<br />

ausgebildet, darauf mit dem Satz, «Keine Sorge, Sie werden sich<br />

daran gewöhnen», zu reagieren.<br />

25


Ich konnte das einfach nicht begreifen. Der Körper versuchte<br />

uns mitzuteilen, daß sich etwas nicht richtig anfühlte, und wir<br />

antworteten: «Keine Sorge, Sie werden sich daran gewöhnen.»<br />

Während ich <strong>die</strong> Reaktionen meiner Patienten wahrnahm, erinnerte<br />

ich mich daran, daß ich selbst Jahr <strong>für</strong> Jahr eine stärkere<br />

Brille bekommen hatte - und Jahr um Jahr verschlechterten sich<br />

meine <strong>Augen</strong> weiter. Im Jahre 1973 trug ich meine achte Brille.<br />

Ich entsann mich des Gefühls von Unbehagen, das ich bei jedem<br />

neuen Rezept verspürte. Ich dachte daran, wie <strong>die</strong>se Gefühle von<br />

meinem <strong>Augen</strong>arzt beiseitegeschoben worden waren. All das<br />

hatte ich am College <strong>für</strong> Optometrie vergessen, als ich lernte, den<br />

Prozeß wissenschaftlich zu betrachten.<br />

Jetzt erfuhr ich, was wirklich geschah, wenn der typische<br />

Patient eine neue Brille bekam: Bisher war er ohne Brille (oder<br />

mit seiner alten) zurechtgekommen. Doch wenn ihm nun in ein<br />

paar Tagen seine erste (oder neue) Brille ausgehändigt würde, so<br />

hätte er sie <strong>die</strong> ganze Zeit über zu tragen. Wann immer er <strong>die</strong><br />

Brille versuchsweise absetzen würde, käme ihm alles verschwommen<br />

vor - viel verschwommener als jemals zuvor. Sobald er den<br />

Versuch machen würde, seinem Arzt dazu Fragen zu stellen,<br />

würde er als Antwort erhalten: «Keine Sorge, Sie werden sich<br />

daran gewöhnen.» Innerhalb weniger Wochen würde er ohne<br />

seine neue Brille fast nichts mehr sehen, aber er würde es nicht<br />

bemerken, da er niemals mehr versuchen würde, ohne sie zu<br />

sehen. Er würde vollkommen abhängig sein und es nicht einmal<br />

wissen. Er würde glauben, daß es normal sei, <strong>die</strong> ganze Zeit eine<br />

Brille zu tragen, weil ihm sein Arzt <strong>die</strong>sen Eindruck vermittelt<br />

hatte.<br />

Ein Jahr später würde er wieder vor seinem <strong>Augen</strong>arzt stehen,<br />

und seine Sehbeschwerden wären im wesentlichen <strong>die</strong>selben wie<br />

im Jahr zuvor: «Ich sehe <strong>die</strong> Tafel nicht», oder «Ich kann den<br />

Computerbildschirm nicht erkennen», oder «Ich sehe nachts beim<br />

Autofahren nichts». Der Arzt würde wieder <strong>die</strong> gleichen Tests<br />

und Fragen mit ihm durchgehen. Der Patient würde wieder<br />

verlangen: «Kann ich bitte Nummer eins noch einmal sehen?»<br />

Und der Rat des Arztes wäre wieder derselbe: eine stärkere<br />

26


Brille. Dieser vertraute Ablauf würde sich bei jedem neuerlichen<br />

Arztbesuch wiederholen. Daher könnte er, nachdem er einige<br />

Jahre Erfahrung mit dem medizinischen Vorgehen gesammelt<br />

hat, eines Tages einfach verlangen: «Herr Doktor, ich brauche<br />

eine stärkere Brille.» Da er wüßte, was der Arzt vorschlagen<br />

würde, brauchte er sich gar nicht mehr <strong>die</strong> Mühe machen, seine<br />

Symptome zu beschreiben.<br />

So liefe es Jahr um Jahr ab. Normalerweise würde der Patient<br />

keine Fragen stellen. Nur manchmal könnte ein mutiger Patient<br />

oder eine mutige Mutter wissen wollen: «Was hat das zu bedeuten?<br />

Johnnys <strong>Augen</strong> werden seit fünf Jahren zunehmend schlechter.<br />

Wird er sein <strong>Augen</strong>licht verlieren?» Und der Arzt würde<br />

antworten: «Keine Sorge, Frau Brown. Ihr Sohn hat nur eine<br />

progressive Myopie.» Dabei wäre dem <strong>Augen</strong>arzt jedoch nicht<br />

klar, daß <strong>die</strong> medizinische Vorgehensweise, <strong>die</strong> er abzurufen<br />

gelernt hatte, tatsächlich <strong>die</strong> Verschlechterung der <strong>Augen</strong> förderte.<br />

Das Thema vorbeugende Maßnahmen käme kaum zur Sprache.<br />

Normalerweise würde der Patient nicht den Mut haben,<br />

danach zu fragen. Schließlich könnte sich der Arzt vielleicht<br />

darüber ärgern und den Patienten in Verlegenheit bringen oder<br />

beschämen. «Was <strong>für</strong> eine dumme Frage», würde der Arzt vielleicht<br />

sagen. «Das weiß doch schließlich jeder, daß man auf <strong>die</strong><br />

Sehkraft keinen Einfluß hat!» Ich begreife, warum der typische<br />

<strong>Augen</strong>arzt auf <strong>die</strong>se Weise reagieren würde. Fast alle <strong>Augen</strong>ärzte<br />

tragen selbst eine Brille, und da man ihnen beigebracht hat, daß<br />

vorbeugende Maßnahmen unmöglich sind, haben nur sehr wenige<br />

von ihnen <strong>die</strong>s je selbst ausprobiert. Wie also sollten sie etwas<br />

darüber wissen? Nur der Arzt ist ein wirklicher Heiler, der ein<br />

lebendes Beispiel seiner eigenen Arbeit ist. «Arzt, heile dich<br />

selbst», heißt es in der Bibel, und selbst heute noch basiert Heilen<br />

auf unseren Erfahrungen und nicht auf Wissen oder Zeugnissen.<br />

Als ich <strong>die</strong>ses Muster immer und immer wieder beobachtete,<br />

fragte ich mich, warum <strong>Augen</strong>ärzte bei ein und demselben<br />

Lösungsansatz bleiben, obwohl <strong>Augen</strong>probleme weiter zunehmen.<br />

Haben Sie sich schon einmal darüber gewundert, daß Ihre<br />

27


<strong>Augen</strong> jedes Jahr schwächer werden? Haben Sie eine ähnliche<br />

Entwicklung bereits an irgendeinem anderen Teil Ihres Körpers<br />

beobachtet? Was geschieht, wenn ein anderes Körperteil in seiner<br />

Funktion nachläßt? Angenommen zum Beispiel, Sie spielen häufig<br />

Tennis und entwickeln einen Tennisarm. Sie gehen wahrscheinlich<br />

zu Ihrem Arzt und sagen: «Mein Ellbogen ist steif und<br />

schmerzt, wenn ich ihn bewege.» Was wäre, wenn Ihr Arzt Ihnen<br />

antworten würde: «Kein Problem, wir werden ihn einfach schienen<br />

...<strong>für</strong> den Rest Ihres Lebens»? Sie würden schnell eine zweite<br />

Meinung einholen! Aber bei unserem <strong>Augen</strong>spezialisten denken<br />

wir nicht an so etwas. Er macht uns klar: «Von jetzt an müssen Sie<br />

eine Brille tragen», und wir nehmen <strong>die</strong>sen Urteilsspruch, der <strong>für</strong><br />

den Rest unseres Lebens gilt, einfach hin. Wir sind derartig<br />

indoktriniert, daß wir <strong>die</strong>se Mitteilung nicht einmal hinterfragen.<br />

Aber in Wahrheit sind unsere Brillengläser keine Gefängniszellen,<br />

<strong>die</strong> unsere <strong>Augen</strong> zu einem harten, unveränderlichen Fokus<br />

zwingen, der einzig auf Beurteilung und Unterscheidung basiert<br />

oder auf der Frage: «Was ist besser, <strong>die</strong>s oder jenes?» Aber<br />

besteht das Sehen nur aus der Fähigkeit, in einem schmalen,<br />

dunklen Raum kleine schwarze Buchstaben in sechs Metern<br />

Entfernung zu erkennen? Messen denn Tests wirklich etwas<br />

anderes als unsere Reaktion auf den Test selbst? Ist es tatsächlich<br />

möglich, unsere Sehkraft einmal im Jahr zu messen und zu<br />

«korrigieren»? Oder wird unsere Sehfähigkeit nicht vielmehr<br />

mit jedem neuen Atemzug, mit jedem neuen Gewahrwerden<br />

erneuert, genau wie der Rest unseres Körpers?<br />

Kinder wissen, wie wenig Sehen mit dem Lesen der Buchstaben<br />

auf der Sehprobentafel zu tun hat. Eines Tages kamen ein kleiner<br />

Junge und seine Mutter in meine Praxis. Eine routinemäßige<br />

<strong>Augen</strong>untersuchung hatte ergeben, daß der Junge leicht kurzsichtig<br />

war. Der <strong>Augen</strong>arzt des Kindes hatte eine Brille verschrieben,<br />

und <strong>die</strong> Mutter versuchte sich darüber klarzuwerden, ob sie sie<br />

anschaffen sollte oder nicht. Während unseres Gesprächs bat ich<br />

den Jungen, aus meinem Fenster zu den kilometerweit entfernten<br />

Bergen auf der anderen Seite des Flusses zu blicken: «Wie sehen<br />

sie aus?» wollte ich von ihm wissen. Er antwortete: «Ich kann alles<br />

28


wunderbar erkennen. Nur <strong>die</strong> Buchstaben auf der Tafel kann ich<br />

nicht lesen!»<br />

Einer der beeindruckendsten Aspekte unserer genetischen Ausstattung<br />

ist <strong>die</strong> Fähigkeit des Körpers, sich fortwährend zu<br />

erneuern, ins Gleichgewicht zu bringen und sich selbst zu heilen.<br />

Ich konnte einfach nicht begreifen, daß <strong>Augen</strong>ärzte <strong>die</strong>ses Phänomen<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> ausschlossen. Da sie ein Teil meines Lebens<br />

war, ließ mich <strong>die</strong>se Frage einfach nicht mehr los. Warum war es<br />

meinem Körper nicht möglich, meine <strong>Augen</strong> zu heilen? Obwohl<br />

ich meine Brille nicht gerne trug, konnte ich einfach nicht gut<br />

genug sehen, um auf sie zu verzichten. In Wahrheit fand ich es<br />

sogar schwer, ohne sie gut zu hören. Manchmal konnte ich ohne<br />

sie nicht einmal denken!<br />

Also entschied ich mich dazu, zu den Wurzeln zurückzukehren,<br />

um nach einer Antwort zu suchen. Was wußte ich tatsächlich über<br />

das Sehen?<br />

Die <strong>Augen</strong> genauer betrachtet<br />

Wir wissen, daß unser <strong>Augen</strong>paar mit weitem Abstand unser<br />

wichtigstes sinnliches Wahrnehmungsorgan ist. In der Tat nehmen<br />

wir mit den <strong>Augen</strong> ein weiteres Informationsspektrum wahr,<br />

als mit all unseren übrigen Sinnesorganen zusammengenommen -<br />

ungefähr neunzig Prozent aller lebenslang gespeicherten Informationen<br />

sammeln wir über <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>. 2 Unser Sehsinn setzt sich aus<br />

drei Komponenten zusammen: Aus der sensorischen, der integrativen<br />

und der motorischen. Die sensorische Komponente empfängt<br />

Informationen, <strong>die</strong> integrative vergleicht den visuellen<br />

Input mit unseren Erfahrungen aus der Vergangenheit und verarbeitet<br />

ihn mit Hilfe geistiger Filter, und <strong>die</strong> motorische Komponente<br />

ist das resultierende Ergebnis - <strong>die</strong> Worte, <strong>die</strong> wir wählen,<br />

unsere Bewegungen und Handlungen. Damit ist <strong>die</strong> Sehkraft<br />

unserer vorrangiger Empfangskanal des Lernens wie auch unser<br />

29


Navigationssystem, mit dem wir uns in unserer Welt zurechtfinden<br />

und sie beeinflussen.<br />

In der Tat bezieht das Sehvermögen das gesamte Körper-Geist-<br />

System mit ein - direkt oder indirekt beeinflußt es all unsere<br />

Gedanken, Gefühle und Bewegungen. Die grundlegende Verbindung<br />

zwischen Sehen und Bewegung scheint unsere Körperhaltung<br />

zu sein, <strong>die</strong> Art, wie wir in der Welt stehen. «Das Sehsystem<br />

beeinflußt <strong>die</strong> Haltung - und <strong>die</strong> Haltung beeinflußt das Sehsystem.<br />

Verzerrungen, Lücken oder Verzögerungen an einer behebigen<br />

Stelle innerhalb des Sehsystems bewirken eine Irreleitung<br />

der neurologischen Impulse in den Hals und Rücken. Normalerweise<br />

führen solche Irreleitungen zu Muskelverspannungen.»<br />

Ganzheitlich orientierte Optometristen haben herausgefunden,<br />

daß Sehtherapie Abhilfe bei solch verschiedenen Symptomen wie<br />

chronische Muskelschmerzen, Schwindelgefühle, Zähneknirschen,<br />

Bettnässen, Klaustrophobie und Reisekrankheit schaffen<br />

kann, <strong>die</strong> bisher auf keinerlei andere Abhilfemaßnahmen reagiert<br />

haben. 3 (Spätere Abschnitte in <strong>die</strong>sem Buch werden sich detaillierter<br />

mit der Verbindung zwischen Sehen, Denken und Bewegung<br />

befassen.)<br />

Bei den <strong>Augen</strong> handelt es sich um außerordentlich raffinierte<br />

und empfindliche Lichtrezeptoren. Ein einzelnes Auge besteht<br />

ungefähr aus einer Billion Bestandteile und ist damit weit komplizierter<br />

als zum Beispiel ein Raumschiff der NASA. Aber am<br />

erstaunlichsten ist vielleicht <strong>die</strong> Tatsache, daß <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> in<br />

Wirklichkeit eine physische Erweiterung des Gehirns darstellen -<br />

<strong>die</strong> Antennen unseres kognitiven Netzwerks (s. Abb. auf S. 31)<br />

Die <strong>Augen</strong> sind einfach ein nach außen verlagerter Teil der<br />

Fähigkeiten des Gehirns, zu bewerten, zu lernen und zu wissen.<br />

Dr. Arnold Gesell, eine international anerkannte Autorität auf<br />

dem Gebiet der Kindesentwicklung (was auch <strong>die</strong> Entwicklung<br />

der Sehfähigkeit einschließt), hat gezeigt, daß «<strong>die</strong> höchsten<br />

Darbietungen der Sehkraft dem höchsten Reich abstrakten Denkens<br />

zuzurechnen sind». 4<br />

Wenn man darüber nachdenkt, sagt einem der gesunde<br />

Menschenverstand, daß unsere Gedanken, Einstellungen und<br />

30


Die <strong>Augen</strong> als Außenstellen des Gehirns<br />

(Zeichnung von Bunji Tagawa zum Artikel «Neurophysiology of<br />

Binocular Vision» von John D. Pettigrew in Scientific American,<br />

August 1972. Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift.)<br />

Überzeugungen weitgehend von dem beeinflußt, vielleicht sogar<br />

bestimmt werden, was wir in der uns umgebenden Welt sehen.<br />

Jedoch haben sich bisher wenig Menschen Gedanken über <strong>die</strong><br />

umgekehrte Vorstellung gemacht: Was wir sehen, wird weitgehend<br />

beeinflußt, vielleicht sogar bestimmt, von dem, was wir<br />

glauben. Diese Sichtweise ist nicht nur in gleicher Weise stichhaltig,<br />

sondern möglicherweise sogar noch grundlegender. Das alte<br />

Sprichwort «Sehen heißt glauben» ist, wenn man es umdreht,<br />

vielleicht zutreffender - «Glauben heißt sehen».<br />

Da Geist und Sehkraft nicht voneinander zu trennen sind,<br />

beginnt man <strong>die</strong> Heilung der <strong>Augen</strong> am wirkungsvollsten, indem<br />

man den Verstand betrachtet. Fast jeden Tag berichtet man mir<br />

von einem Menschen, der sein Sehvermögen erheblich verbessert<br />

hat, weil er <strong>die</strong> Art seines Denkens verändern konnte. Auch das<br />

Gegenteil ist zutreffend: Bestimmte physische Veränderungen,<br />

wie beispielsweise das Entfernen der Kontaktlinsen, unterstützen<br />

Bewußtseinsveränderungen. Dieses Buch wird <strong>die</strong> Umsetzung<br />

beider Herangehensweisen beschreiben.<br />

31


Die wirkungsvollste geistige Voraussetzung <strong>für</strong> eine Verbesserung<br />

des Sehens ist <strong>die</strong> Bewußtseinsveränderung. Was hat das zu<br />

bedeuten? Wenn man uns sagt: «Sie haben von jetzt an eine Brille<br />

zu tragen», kommt <strong>die</strong>s, wenn wir der Aussage Glauben schenken,<br />

einer Prophezeiung gleich, in der <strong>die</strong> Erfüllung bereits<br />

enthalten ist. Wir «wissen», daß schlechte <strong>Augen</strong> nicht mehr<br />

besser werden. Und dennoch kenne ich eine Reihe von Personen,<br />

<strong>die</strong> spontane, bleibende Verbesserungen ihrer Sehkraft erfahren<br />

haben, einfach weil sie an <strong>die</strong> Möglichkeit glaubten und ihre sie<br />

begrenzenden Überzeugungen aufgaben. Weil sie es lernten, auf<br />

eine neue Weise zu denken, lernten sie auch, auf eine neue Art zu<br />

sehen. Indem sie ihren Geist veränderten, taten sie gleiches auch<br />

<strong>für</strong> ihre Sehkraft.<br />

Um <strong>die</strong>se heilende Transformation zu erreichen, ist es erforderlich,<br />

unseren Fokus von der äußeren Welt auf unsere eigenen<br />

Gefühle und Erfahrungen zu verlagern. Seit der Kindheit haben<br />

wir uns angewöhnt, zuerst darauf zu sehen, was andere Menschen<br />

<strong>für</strong> richtig halten. Die heilende Bewußtseinsveränderung kann<br />

stattfinden, wenn wir <strong>die</strong>se Haltung durch <strong>die</strong> Frage ersetzen:<br />

«Was ist <strong>für</strong> mich richtig?» Um unsere Sehkraft zu heilen, ist es<br />

notwendig, daß wir dem in uns selbst aufsteigenden Wissen<br />

wieder vertrauen lernen, statt uns danach zu richten, was vermeintlich<br />

alle anderen Menschen glauben.<br />

Der quantenmechanische Körper<br />

Auch in der Gesellschaft als Ganzes findet augenblicklich <strong>die</strong>ser<br />

Übergang von äußerer Autorität zu innerer Führung statt. Im<br />

medizinischen Bereich stoßen Bestsellerautoren wie Deepak<br />

Chopra, Larry Dossey und Bernie Siegel weitverbreitete und<br />

allgemein anerkannte Vorstellungen von Heilung und Krankheit<br />

vom Sockel. Wir sind gerade dabei, <strong>die</strong> wahren Dimensionen<br />

<strong>die</strong>ser neuen Sicht unseres Selbst zu entdecken, <strong>die</strong> Deepak<br />

Chopra als den «quantenmechanischen Körper» bezeichnet.<br />

32


Vor allem Dr. Chopra beschreibt faszinierende neue Forschungsergebnisse,<br />

<strong>die</strong> bestätigen, daß Körper und Geist nicht<br />

voneinander abtrennbare Teile des Menschen sind, sondern interaktive<br />

holographische Felder innerhalb unseres Bewußtseins. Die<br />

Holographie ist ein revolutionärer neuer photographischer Prozeß,<br />

durch den eine außerordentlich große Menge an Daten<br />

gespeichert und abgerufen werden kann. Statt einer zweidimensionalen,<br />

flachen Photographie kann mit Hilfe der Holographie<br />

ein dreidimensionales Bild - ein Hologramm - hergestellt werden.<br />

Die meisten Menschen haben <strong>die</strong>se dreidimensionalen Abbildungen,<br />

<strong>die</strong> sogar lebensnahe Bewegungen zeigen können, schon<br />

einmal gesehen. Doch ist <strong>die</strong> faszinierendste Eigenschaft des<br />

Hologramms, von seinem Unterhaltungswert einmal abgesehen,<br />

daß jeder einzelne Punkt alle Informationen über das ganze Bild<br />

enthält. Zerschneiden Sie ein normales Photo, dann benötigen Sie<br />

alle Teile, um das Bild wieder zusammenzusetzen. Bei einem<br />

Hologramm jedoch ist, wegen seiner Fähigkeit, immense Mengen<br />

von Informationen zu speichern, bereits ein Bruchstück ausreichend,<br />

um das Bild vollständig zu rekonstruieren. Durch <strong>die</strong>ses<br />

Buch werden Sie verstehen lernen, daß das Sehen ebenfalls ein<br />

holographischer Prozeß ist. Ich habe herausgefunden, daß Sehen<br />

nicht durch ein isoliertes Organ - unsere <strong>Augen</strong> - stattfindet,<br />

sondern durch den gesamten Körper und das ihn umgebende<br />

Energiefeld.<br />

Wir wollen uns daher etwas genauer mit den neuen Forschungsergebnissen<br />

befassen, da sie <strong>die</strong> Grundlage <strong>für</strong> ein neues Verstehen<br />

des Sehens sind. Bis vor kurzem glaubten Ärzte noch, daß<br />

Geist und Körper voneinander abgetrennte Funktionen haben,<br />

<strong>die</strong> durch das Gehirn, den «Denkapparat», der unsere wichtigsten<br />

Entscheidungen trifft, miteinander verknüpft werden. Im Rahmen<br />

<strong>die</strong>ser Vorstellung analysiert das Gehirn <strong>die</strong> hereinkommenden<br />

Informationen und produziert physiologische Reaktionen,<br />

indem es elektrische Signale durch das Zentralnervensystem an<br />

<strong>die</strong> Zellen des Körpers schickt.<br />

In den siebziger Jahren wurde <strong>die</strong>ses Modell aufgrund einer<br />

Reihe von Entdeckungen langsam ersetzt. Zunächst fand man<br />

33


heraus, daß sich das Gehirn chemisch und nicht elektrisch mitteilt.<br />

Ein elektrischer Schalter kennt nur zwei Möglichkeiten, an oder<br />

aus, aber eine chemische Botschaft kann weitaus komplizierter<br />

sein und subtile Variationen und feinabgestimmte Bedeutungen<br />

transportieren. Es stellte sich bald heraus, daß <strong>die</strong> Sprache des<br />

Gehirns weitaus raffinierter ist, als zunächst angenommen wurde.<br />

Wie Chopra es ausdrückt: «Das Vokabular des Gehirns umfaßt<br />

Tausende von Kombinationen einzelner Signale, ohne daß ein<br />

Ende der Entdeckungen in Sicht wäre, da ständig in kurzen<br />

Abständen immer neue (chemische Botenstoffe) entdeckt werden.»<br />

5<br />

Diese neu entdeckten chemischen Botenstoffe nannte man<br />

«Neurotransmitter», und ihre Aufgabe ist es, <strong>die</strong> Reaktionen des<br />

Gehirns - Gefühle, Überzeugungen und Absichten - in alle<br />

Bereiche des Körpers weiterzuleiten. «Neurotransmitter berühren<br />

das Leben jeder Zelle», sagt Chopra. «Wohin auch immer ein<br />

Gedanke gehen möchte, dorthin müssen auch <strong>die</strong>se Substanzen<br />

gehen. Andererseits können ohne sie Gedanken nicht existieren. » 6<br />

Die Vermutung schien einleuchtend, <strong>die</strong>se «Gedankenmoleküle»<br />

seien im Gehirn angesiedelt, aber dann entdeckte man sie<br />

völlig unerwartet im Immunsystem, welches jeden Teil des Körpers<br />

durchdringt.<br />

Diese Erkenntnis war schockierend. Sie legte nahe, daß <strong>die</strong><br />

Zellen des Immunsystems denken und fühlen können, daß sie wie<br />

Hirnzellen auf Gedanken und Gefühle zu reagieren vermögen.<br />

Weitere Forschungsergebnisse haben seither bestätigt, daß unser<br />

Immunsystem glücklich ist und gerne arbeitet, wenn wir selbst<br />

ebenfalls glücklich sind, und daß es niedergedrückt und weniger<br />

lebendig ist, wenn wir selbst traurig sind. Daher erkennen <strong>die</strong><br />

meisten Ärzte inzwischen an, daß langanhaltende Depression<br />

möglicherweise das Immunsystem schwächt und daß Glück und<br />

Zufriedenheit ein mächtiges Heilmittel sein können.<br />

Ich habe festgestellt, daß unsere <strong>Augen</strong> ebenfalls aus denkenden<br />

Zellen bestehen, genauso wie alle übrigen Teile des menschlichen<br />

Körpers. Wenn wir traurig sind oder uns <strong>für</strong>chten, dann sehen wir<br />

auch auf depressive und furchtsame Weise; wenn wir uns als offen<br />

34


und mitteilsam erleben, dann öffnen wir uns im wahrsten Sinne<br />

des Wortes selbst <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>.<br />

Die nächste Entdeckung war sogar noch erschreckender: Jede<br />

Körperzelle produziert ihre eigenen Neurotransmitter. Jede einzelne<br />

unserer Zellen «fühlt» unsere Gefühle und «denkt» unsere<br />

Gedanken. Sie alle materialisieren aus dem Nichts heraus Botenstoffe,<br />

um unsere physiologischen Reaktionen zu regulieren. Die<br />

Entdeckung, daß jede Zelle das Bewußtsein des Ganzen enthält,<br />

wurde zur Grundlage eines neuen holographischen Physiologiemodells.<br />

Mit den Worten Deepak Chopras: «Der Geist ist aus<br />

dem Gehirn ausgebrochen.» 7 Dies zeigt auch, daß der Körper viel<br />

eher aus dem Geist entsteht - wie Weise und Gurus es schon<br />

immer gelehrt haben - als umgekehrt, wie man es mir am College<br />

<strong>für</strong> Optometrie beibrachte.<br />

Dann stieß man auf einen weiteren chemischen Botenstoff, der<br />

auch außerhalb des physischen Körpers in Aktion tritt. Wissenschaftler<br />

wissen seit Jahren, daß Pflanzen, Insekten und Tiere<br />

einander über «Pheromone» Informationen übermitteln, geruchlose<br />

Soziohormone, <strong>die</strong> von einer rätselhaften kleinen Drüse in<br />

der Nase wahrgenommen werden. Es scheint so, als ob auch<br />

Menschen ununterbrochen solche Pheromone herstellen und ausscheiden.<br />

Diese Wirkstoffe werden wie Neurotransmitter durch<br />

unsere Gedanken und Gefühle ausgelöst, der Körper gibt sie<br />

jedoch in <strong>die</strong> Umgebung ab, wo sie <strong>für</strong> andere Menschen wahrnehmbar<br />

sind - selbst dann noch, wenn wir den Raum bereits<br />

verlassen haben! Diese unsichtbaren Pheromone scheinen <strong>die</strong><br />

subtilste Form körperlicher Kommunikation zu sein, <strong>die</strong> bisher<br />

entdeckt wurde, und sie könnten eine physiologische Erklärung<br />

<strong>für</strong> unsere intuitive Fähigkeit sein, unausgesprochene Gedanken<br />

und Gefühle wahrzunehmen.<br />

Welch beeindruckende nonverbale Kommunikation! Ununterbrochen<br />

setzen wir innerhalb unseres Körpers Neurotransmitter<br />

und nach außen hin Pheromone frei und verströmen damit unsere<br />

Absichten wellenförmig in <strong>die</strong> Atmosphäre. Wenn wir also so<br />

klare Botschaften ausschicken, wieso lesen wir dann nicht <strong>die</strong><br />

ganze Zeit gegenseitig unsere Gedanken? Es scheint so, als ob wir<br />

35


mit dem berühmten «Gefühl im Bauch» genau das tun. Aber wir<br />

haben gelernt, es zu ignorieren oder abzulehnen. Ich habe jedoch<br />

festgestellt, daß unsere Wahrnehmungsfähigkeit zunimmt, je<br />

mehr wir auf <strong>die</strong>se Botschaften hören. Wie Chopra es ausdrückt:<br />

«Die Gefühle, <strong>die</strong> Sie im Bauch spüren, sind vielleicht sogar<br />

genauer als das Denkvermögen Ihres Gehirns, weil sie sich noch<br />

nicht zu Selbstzweifeln entwickelt haben.» 8<br />

Die neue Medizin<br />

Diese Vorstellungen unterscheiden sich sehr stark von dem, was<br />

wir in der Schule gelernt haben und womit wir groß geworden<br />

sind. Der britische Biologe J. B. S. Haidane faßt sie eindrucksvoll<br />

zusammen: «Das Universum ist nicht nur wunderlicher, als wir<br />

annehmen, sondern sogar wunderlicher, als wir annehmen können.<br />

» Solche Forschungsergebnisse revolutionieren unsere nüchternen<br />

Annahmen über Körper und Geist mit so unwiderlegbarer<br />

Beweiskraft, daß der Geist nicht nur aus dem Gehirn, sondern aus<br />

dem Körper selbst ausgebrochen zu sein scheint. Jede Zelle<br />

besitzt Gedanken, Gefühle, Überzeugungen und Absichten und<br />

ist beständig im Austausch mit anderen Zellen, sowohl <strong>die</strong>sseits<br />

als auch jenseits der Haut. Außerdem sind «Geist» und «Körper»<br />

einfach nur verschiedene Aspekte unseres holographischen Seins,<br />

welche als «der Geist» entstehen und sich als «der Körper»<br />

manifestieren.<br />

Im «quantenmechanischen Körper» drückt sich jedes Ungleichgewicht<br />

zugleich physisch, mental und emotional aus. Was also ist<br />

<strong>die</strong> tatsächliche Ursache von Sehschwächen? Haben sie ihren<br />

Ursprung in den <strong>Augen</strong>, wie es <strong>die</strong> Vertreter der offiziellen<br />

<strong>Augen</strong>heilkunde annehmen, oder im Geist und in den Gefühlen,<br />

wie <strong>die</strong>ses neue wissenschaftliche Paradigma vermuten läßt? Ich<br />

habe festgestellt, daß sich Körper, Geist, Gefühle, Verhalten und<br />

Umgebung alle gegenseitig in der Erzeugung von Sehbeschwerden<br />

beeinflussen. Aber der eigentliche Prozeß scheint erst dann<br />

36


einzusetzen, wenn wir <strong>die</strong> harmonische Beziehung zu uns selbst<br />

verlieren - wenn wir den Blick auf unsere Beziehung zum Leben als<br />

Ganzes einbüßen.<br />

Ein solcher Verlust wird oft von einer Art emotionaler Streß<br />

ausgelöst. Dieser Streß kann das Ergebnis einer offensichtlich<br />

traumatischen Erfahrung sein oder von einem alltäglichen Kindheitserlebnis<br />

herrühren, er kann von einem Umzug oder dem<br />

Hinzukommen eines neuen Geschwisterchens verursacht werden.<br />

Der entscheidende Faktor, der aus normalem Streß ein körperliches<br />

Symptom werden läßt, könnte unser Umgang mit unangenehmen<br />

Gefühlen sein. Haben wir als Kinder gelernt, Angst und<br />

Wut anzuerkennen und offen auszudrücken, oder hat man uns<br />

beigebracht, <strong>die</strong>se Gefühle zu unterdrücken, indem wir irgendwie<br />

«das Thema wechseln» und uns von unserer eigenen Erfahrung<br />

abtrennen?<br />

Die meisten Menschen haben sehr früh im Leben gelernt,<br />

Gefühle lieber zu unterdrücken, statt sie zu spüren und mitzuteilen.<br />

Aber auch wenn wir unsere Gefühle gewohnheitsmäßig<br />

übergehen, müssen sie einen Weg des Ausdrucks finden - im<br />

allgemeinen geschieht <strong>die</strong>s im Körper. Im Verlauf <strong>die</strong>ses Buches<br />

werden wir feststellen, daß Sehbeschwerden oft das Ergebnis des<br />

Wunsches sein können, <strong>die</strong> Konfrontation mit irgendeinem<br />

Lebensaspekt zu vermeiden.<br />

Früher war es <strong>die</strong> Aufgabe des Arztes, das zu reparieren, was an<br />

unserem physischen Körper kaputtgegangen war. Es wurde nicht<br />

von uns erwartet, <strong>die</strong> Verantwortung <strong>für</strong> unsere <strong>Gesundheit</strong> selbst<br />

zu übernehmen; wir taten einfach, wozu der Arzt uns aufforderte.<br />

Die neue Medizin verlangt von uns, daß wir uns in weit höherem<br />

Maße einbringen und verpflichtet fühlen.<br />

Als ich meine Ausbildung am College <strong>für</strong> Optometrie abschloß,<br />

war mir nicht klar, daß alles, was ich über das Sehen gelernt hatte,<br />

auf einem überholten Verständnis von Heilung beruhte, aber in<br />

den letzten zwanzig Jahren haben mich meine persönlichen und<br />

medizinischen Erfahrungen zu einer neuen Sicht der Dinge<br />

geführt - und ich fing an, mir das, was ich gelernt hatte, genauer<br />

anzusehen.<br />

37


Auf dem College <strong>für</strong> Optometrie<br />

Erziehung ist nicht so plötzlich wie ein Massaker,<br />

aber sie ist auf lange Sicht weit tödlicher.<br />

Mark Twain<br />

Auf welche Weise wirkt sich unser Begreifen des Körper-Geist-<br />

Systems auf das Sehen aus? Unser Vorgehen fußt noch immer in<br />

überwältigendem Maße auf den Annahmen des alten medizinischen<br />

Paradigmas. Wir wollen uns einmal ansehen, was ich auf<br />

dem College <strong>für</strong> Optometrie gelernt habe. Die meisten der dort<br />

vertretenen Vorstellungen werden Ihnen wahrscheinlich vertraut<br />

sein. Vermutlich halten Sie sie sogar <strong>für</strong> wahr. Doch zeigen meine<br />

Erfahrungen (und <strong>die</strong> Hunderter anderer <strong>Augen</strong>spezialisten),<br />

daß <strong>die</strong>se alten Vorstellungen in der Tat eine der Hauptursachen<br />

<strong>für</strong> unsere heutige geradezu epidemische Verbreitung von Sehschwächen<br />

sind.<br />

Man hat mir beigebracht, daß das Sehen ein mechanischer<br />

Vorgang ist, der ebensogut von einem Objektiv geleistet werden<br />

kann - das Auge als «Kamera». In meinem Lehrbuch ging dem<br />

Kapitel über das Funktionieren des Auges ein Kapitel über<br />

allgemeine Optik voraus. Erst lernten wir, wie Licht durch Linsen<br />

und Prismen gebrochen wird, und dann übertrugen wir <strong>die</strong>ses<br />

Wissen auf den Sehprozeß. Ja, wir stu<strong>die</strong>rten das Auge wie eine<br />

Kamera, <strong>die</strong> eben zufällig im Kopf angebracht war.<br />

Die Fähigkeit, klar zu sehen, nannten wir «Sehschärfe» und<br />

maßen sie als das Vermögen eines Menschen, Testzeichen einer<br />

bestimmten Größe aus einer Entfernung von sechs Metern (in<br />

38


Amerika <strong>die</strong> Standardentfernung) klar zu erkennen. Wir wählten<br />

sechs Meter, weil in <strong>die</strong>ser Entfernung <strong>die</strong> Lichtstrahlen, <strong>die</strong> in<br />

das Auge gelangen, annähernd parallel sind und daher als<br />

«optisch unendlich» definiert werden. Mit anderen Worten, das<br />

Ansehen eines Gegenstands aus sechs Metern Entfernung entspricht<br />

optisch der Betrachtung eines Gegenstands, der kilometerweit<br />

oder sogar Lichtjahre entfernt ist. Obwohl <strong>die</strong>s <strong>für</strong> eine<br />

gläserne Linse zutreffen mag, muß <strong>die</strong>s, so fand ich heraus, noch<br />

lange nicht <strong>für</strong> das menschliche Auge, welches eine viel größere<br />

Anpassungsfähigkeit besitzt, der Fall sein.<br />

Wie auch immer, «normales» Sehvermögen wird mit dem<br />

Zahlenpaar 6/6 definiert. Dies bedeutet einfach, wenn Sie in sechs<br />

Metern Entfernung von der Sehprobentafel stehen, dann sind <strong>die</strong><br />

kleinsten Testzeichen, <strong>die</strong> Sie lesen können, jene, auf <strong>die</strong> sich<br />

<strong>Augen</strong>ärzte geeignet haben, daß sie ein Mensch mit «normalem»<br />

Sehvermögen aus sechs Metern Entfernung lesen können sollte.<br />

Die erste Zahl steht <strong>für</strong> <strong>die</strong> tatsächliche Testentfernung (also<br />

sechs Meter); <strong>die</strong> zweite <strong>für</strong> <strong>die</strong> Entfernung, aus der ein Mensch<br />

mit einem Sehvermögen von 6/6 <strong>die</strong> Buchstaben lesen kann.<br />

Nimmt Ihre Sehschärfe ab, dann bleibt <strong>die</strong> erste Zahl immer <strong>die</strong><br />

gleiche (weil <strong>die</strong> Testentfernung stets sechs Meter beträgt) und <strong>die</strong><br />

zweite Zahl steigt an. So bedeutet zum Beispiel ein Ergebnis von<br />

6/60, daß das kleinste Testzeichen, welches Sie auf einer sechs<br />

Meter entfernten Sehprobentafel noch erkennen können, von<br />

einer Person mit einer Sehschärfe von 6/6 noch aus sechzig Metern<br />

Entfernung erkannt wird.<br />

Wie wurde <strong>die</strong>se Norm, auf der alle verschriebenen Sehhilfen<br />

basieren, entwickelt? Der Urheber der Methode, Dr. Hermann<br />

Snellen, maß einfach das Sehvermögen eines Assistenten, von<br />

dem er meinte, daß er gut sah, und machte das Ergebnis zu der<br />

Meßlatte, mit deren Hilfe unser aller Sehkraft bewertet wird! 1 Es<br />

scheint nicht möglich, objektiv zu bestimmen, welches <strong>die</strong> ideale<br />

Sehkraft sein «sollte». Es könnte also sein, daß «normale» Sehkraft,<br />

weit über unsere Vorstellung von 6/6 hinausgeht.<br />

Korrekturgläser werden mit Angaben in Dioptrien verschrieben,<br />

welches eine Maßeinheit <strong>für</strong> <strong>die</strong> brechende Kraft einer Linse<br />

39


ist. Die kleinste Einheit ist eine Viertel-Dioptrie. Damit ist das<br />

Minimum einer Brillenverschreibung 0,25 Dioptrien; je höher der<br />

Zahlenwert ist, desto stärker ist <strong>die</strong> brechende Kraft der Linse.<br />

Eine Verschreibung von 5,50 Dioptrien hat daher eine zweiundzwanzigfache<br />

Brechkraft des Minimums von 0,25 Dioptrien und<br />

entspricht einer sehr starken Korrektur. Konkave (nach innen<br />

gewölbte) Linsen, welche <strong>die</strong> Kurzsichtigkeit aufheben, werden<br />

in der Verschreibung mit einem «Minus» gekennzeichnet, wie<br />

zum Beispiel -5,50 Dioptrien; sie werden daher auch Minusgläser<br />

genannt. Konvexe (nach außen gewölbte) Linsen, welche <strong>die</strong><br />

Weitsichtigkeit korrigieren, werden in der Verschreibung mit<br />

einem «Plus» gekennzeichnet, wie zum Beispiel +5,50 Dioptrien;<br />

sie werden Plusgläser genannt. Eine Linse, welche einen Astigmatismus<br />

(Hornhautverkrümmung) korrigieren soll, kann aus zwei<br />

Minus-Angaben oder aus einer Kombination von Plus- und<br />

Minus-Angaben bestehen.<br />

Wenn <strong>die</strong> Sehkraft ein rein mechanischer Prozeß wäre, müßte<br />

daraus folgen, daß <strong>die</strong> Klarheit unserer Sicht nicht durch das, was<br />

wir sehen, wie wir uns fühlen, während wir es betrachten, oder<br />

welche Gefühle wir in <strong>die</strong>sem Moment uns selbst gegenüber<br />

besitzen, beeinflußt werden kann. Ferner würden <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>, da<br />

sie ja wie <strong>die</strong> Objektive einer Kamera funktionieren, sicherlich<br />

nicht auf sich verändernde psychologische oder äußere Bedingungen<br />

reagieren oder sich ihnen anpassen.<br />

Wenn unsere Sehkraft also wie eine Maschine funktioniert und<br />

<strong>die</strong> Maschine nicht richtig arbeitet, dann muß mit irgendeinem<br />

Teil etwas nicht stimmen, nicht wahr? Jede Abweichung von der<br />

Norm wurde als «Refraktionsfehler» bezeichnet - «ein Zustand in<br />

dem das Auge, während es sich im Ruhezustand befindet, unfähig<br />

ist, das Bild eines entfernten Gegenstands auf der Netzhaut scharf<br />

zu stellen.» 2 (Wie wir jedoch noch sehen werden, befindet sich das<br />

Auge in seinem natürlichen Zustand niemals im Ruhezustand,<br />

auch nicht im Schlaf.) Als Refraktionsfehler werden Kurzsichtigkeit,<br />

Weitsichtigkeit, Astigmatismus, Altersweitsichtigkeit und so<br />

fort bezeichnet. Man brachte mir bei, daß <strong>die</strong>se Beschwerden<br />

angeborene Fehler oder Begrenzungen in der Ausstattung des<br />

40


Auges seien und daß wir sie nur untersuchen könnten, indem wir<br />

<strong>die</strong> physische Struktur des Auges analysierten. Auf <strong>die</strong>se Weise<br />

«entdeckten» wir, daß Kurzsichtigkeit durch einen langen Augapfel<br />

und Weitsichtigkeit durch einen kurzen Augapfel hervorgerufen<br />

wurde.<br />

Diese physikalische Definition des Sehens ist <strong>die</strong> Grundlage <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> beiden Methoden, <strong>die</strong> von den meisten <strong>Augen</strong>ärzten bei der<br />

Entscheidung über das Rezept angewendet wird - <strong>die</strong> «subjektive»<br />

und <strong>die</strong> «objektive» Annäherung. Die «subjektive»<br />

Methode ist der vertraute Teil der <strong>Augen</strong>untersuchung, in welcher<br />

der Arzt fragt: «Was ist besser, Nummer eins oder Nummer<br />

zwei?» Sie heißt «subjektiv», weil sie von Ihnen verlangt, basierend<br />

auf Ihrer Wahrnehmung <strong>die</strong> Klarheit der beiden Möglichkeiten<br />

zu beurteilen.<br />

Die «objektive» Methode auf der anderen Seite ist streng<br />

genommen eine rein mechanische Annäherung, mit dem Ziel,<br />

Ihre Wahrnehmung vollkommen zu umgehen. Diese Methode<br />

mißt bei jedem Auge, als wäre es ein Kameraobjektiv, <strong>die</strong> Fähigkeit,<br />

Licht auf der Netzhaut zu fokussieren - wie gut Sie tatsächlich<br />

sehen können, spielt keine Rolle. Der <strong>Augen</strong>arzt beginnt<br />

damit, indem er Ihr Auge in einen Ruhezustand versetzt - <strong>die</strong>s<br />

geschieht entweder, indem er eine Linse vor Ihr Auge schiebt, <strong>die</strong><br />

alles verschwimmen läßt, oder indem er Tropfen in Ihr Auge gibt,<br />

<strong>die</strong> das Auge lähmen und damit das Fokussieren verhindern.<br />

Dann wird ein Lichtstrahl in Ihr Auge geschickt, und <strong>die</strong> Fähigkeit<br />

des Auges zu fokussieren wird mit einer Serie optischer Linsen<br />

abgestimmt. (Dieser Vorgang wird «Skiaskopie» genannt.) Der<br />

Arzt weiß, daß <strong>die</strong> richtige Korrektur gefunden ist, sobald der<br />

Lichtstrahl seinen Brennpunkt durch <strong>die</strong> Linsen hindurch direkt<br />

auf der Netzhaut und nicht vor oder hinter ihr findet.<br />

Das hört sich ziemlich wissenschaftlich an, nicht wahr? Unglücklicherweise<br />

läßt <strong>die</strong> Methode außer acht, was ich als einen<br />

der entscheidenden Faktoren im Zusammenhang mit Sehschärfe<br />

betrachte. Sie vernachlässigt <strong>die</strong> Tatsache, daß sich das Auge,<br />

wenn es richtig arbeitet, niemals in einem Zustand der Ruhe<br />

befindet, sondern ununterbrochen in Bewegung ist. Später wer-<br />

41


den wir noch feststellen, daß unser Sehfeld verschwimmt, sobald<br />

<strong>die</strong> <strong>Augen</strong> aufhören, sich zu bewegen. Außerdem ignoriert <strong>die</strong><br />

Methode, daß das Körper-Geist-System sein gewohntes Streßniveau<br />

oder seine Anspannung, <strong>die</strong> beide vielleicht <strong>die</strong> Sehschärfe<br />

beeinträchtigen, aufrechterhalten wird, auch wenn <strong>die</strong> <strong>Augen</strong><br />

künstlich «ruhiggestellt» sind. Und schließlich ist <strong>die</strong> Methode<br />

schon deshalb unfähig, <strong>die</strong> tatsächliche Sehleistung zu ermitteln,<br />

weil, wie wir später noch sehen werden, das Sehen tatsächlich viel<br />

eher ein projektiver als ein rezeptiver Prozeß ist.<br />

Zur Verschreibung von Korrekturgläsern be<strong>die</strong>nen sich<br />

<strong>Augen</strong>ärzte im allgemeinen einer Kombination aus objektivem<br />

(«Skiaskopie») und subjektivem («Was ist besser?») Test. In<br />

formellen Stu<strong>die</strong>n zur Überprüfung der Sehverbesserung ist<br />

jedoch <strong>die</strong> objektive Messung der einzige Test, von dem man<br />

glaubt, daß er wissenschaftlich <strong>die</strong> qualitative Veränderung des<br />

Sehens beweist. Später werden wir feststellen, daß <strong>die</strong> Ergebnisse<br />

der beiden Tests stark voneinander abweichen können und daß<br />

beide oft wenig damit zu tun haben, wie gut wir tatsächlich sehen,<br />

wenn wir an einem sonnigen Tag draußen Spazierengehen.<br />

Warum ist das so? Der objektive Ansatz lähmt künstlich <strong>die</strong><br />

natürliche Funktion unserer <strong>Augen</strong>, vernachlässigt <strong>die</strong> Verbindung<br />

zwischen Sehen und Geist und basiert auf der fragwürdigen<br />

Annahme, daß eine objektive Beurteilung möglich ist. Der subjektive<br />

Test andererseits mißt nur einen winzigen Aspekt unseres<br />

Sehens und unterschlägt <strong>die</strong> Möglichkeit, daß Überzeugungen<br />

und Geisteszustand des Betrachters <strong>die</strong> Messung beeinträchtigen<br />

könnten. Beide Tests fußen auf der falschen Annahme, unsere<br />

Sehkraft sei physisch bestimmt und daß wir nur mit den <strong>Augen</strong><br />

sehen. Sie sperren also all <strong>die</strong> nichtmechanischen Aspekte aus, <strong>die</strong><br />

unser Sehen erst zum Leben erwecken.<br />

Infolgedessen hat <strong>die</strong> tatsächliche Qualität Ihres Sehens vielleicht<br />

nur sehr wenig mit der Beurteilung Ihrer Sehschärfe durch<br />

einen <strong>Augen</strong>spezialisten zu tun. Der Unterschied zwischen beidem<br />

ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn es um <strong>die</strong><br />

Definition der Sehverbesserung (oder Sehverschlechterung) geht.<br />

Beispielsweise würde eine objektive Messung meiner <strong>Augen</strong> zei-<br />

42


gen, daß ich noch immer etwas kurzsichtig und verhältnismäßig<br />

stark astigmatisch bin, obwohl ich jetzt lebendig und klar sehe<br />

(und sogar Dinge wahrnehmen kann, <strong>die</strong> allgemein <strong>für</strong> unsichtbar<br />

gehalten werden). Dies würde <strong>für</strong> viele <strong>Augen</strong>ärzte bereits ausreichen,<br />

um mir mitzuteilen, daß ich noch immer eine Brille brauche,<br />

obwohl ich sie nicht brauche, um klar zu sehen.<br />

Obgleich es also eine nachweisbare Tatsache ist, daß ich ohne<br />

Brille klar sehen kann, existiert <strong>die</strong> Verbesserung meiner <strong>Augen</strong><br />

nach der objektiven Messung einfach nicht. Mein Fall ist typisch<br />

<strong>für</strong> Tausende anderer, <strong>die</strong> sehr viel klarer sehen (oder in manchen<br />

Fällen sehr viel unklarer), als <strong>die</strong> Form ihres Augapfels vermuten<br />

läßt. Die <strong>Augen</strong>heilkunde konnte Erfahrungen wie <strong>die</strong>se bisher<br />

übergehen, weil sie Sehverbesserungen nur als Veränderung der<br />

physischen <strong>Augen</strong>form definiert, statt danach zu fragen, ob wir<br />

tatsächlich besser oder schlechter sehen. Die mechanistische<br />

Definition des Sehens geht davon aus, daß beides das gleiche ist,<br />

aber das ist nicht der Fall.<br />

In der Regel wurde allen <strong>Augen</strong>spezialisten <strong>die</strong> gleiche Doktrin<br />

eingeimpft wie mir: Mangelnde Sehschärfe (wie zum Beispiel<br />

Kurzsichtigkeit) ist auf <strong>die</strong> Form des Augapfels zurückzuführen,<br />

und <strong>die</strong> Form des Augapfels ist genetisch festgeschrieben - damit<br />

ist <strong>die</strong> Verbesserung der Sehkraft unmöglich.<br />

Seit meiner Ausbildung haben <strong>Augen</strong>ärzte ständig neue chirurgische<br />

Techniken entwickelt (wie zum Beispiel <strong>die</strong> Keratoplastik),<br />

um den vorderen Teil des Augapfels, <strong>die</strong> Hornhaut, umzubilden<br />

und so <strong>die</strong> Sehschärfe ohne Sehhilfe zu verbessern. Solche<br />

radikalen und stark eingreifenden «Behandlungen» sind das<br />

natürliche Resultat, wenn man den mechanistischen Ansatz konsequent<br />

bis zu seinem logischen Ende verfolgt. Obwohl solche<br />

operativen Eingriffe auf der Vorstellung des Auges als beliebiges<br />

optisches System beruhen, sind <strong>die</strong> Resultate erstaunlich unvorhersagbar<br />

und haben mitunter sogar ungewollte Folgen. Die<br />

Ursache hier<strong>für</strong> liegt in der Tatsache, daß das, was auf den ersten<br />

Blick so aussieht, als könne das Auge einfach nicht genug Sehschärfe<br />

herstellen, tatsächlich ein tief verwurzeltes neurologisches<br />

Muster ist, das jeden Aspekt unseres Verhaltens beeinflußt. In<br />

43


<strong>die</strong>sem Muster eine dramatische Veränderung vorzunehmen,<br />

kann sich so auswirken, als verändere man das fein abgestimmte<br />

Lenksystem eines Wagens, ohne dem Fahrer etwas davon zu<br />

sagen.<br />

In der herkömmlichen Auffassung werden Sehbeschwerden in<br />

den meisten Fällen einfach nicht <strong>für</strong> bedeutend genug gehalten.<br />

Dr. Raymond Gottlieb, ein Verfechter des ganzheitlichen Ansatzes,<br />

sagt: «Sehbeschwerden sind im allgemeinen gar nicht als<br />

wirkliches Problem anerkannt. Kurzsichtigkeit wird von den meisten<br />

<strong>Augen</strong>ärzten und Kurzsichtigen als ein normaler Bestandteil<br />

des Lebens betrachtet.» 3<br />

Dr. Gottlieb legt außerdem dar, daß sehr wenig getan wurde,<br />

um den Ursprung der Kurzsichtigkeit wissenschaftlich zu klären:<br />

«Die Forschung ist durch Inkonsequenz und Verwirrung gekennzeichnet.<br />

Weil Schlußfolgerungen fehlen und man meint, daß<br />

daran wenig zu ändern ist, werden <strong>die</strong> Ursachen (<strong>für</strong> sich verschlechternde<br />

Sehkraft) in der Ausbildung selten erwähnt und<br />

den Studenten wird der Eindruck vermittelt, daß <strong>die</strong>se Zustände<br />

wie der kleine Hans.» Obwohl also <strong>die</strong> Forschung<br />

in <strong>die</strong>ser Hinsicht keineswegs abgeschlossen ist, wird den<br />

meisten Optometristen und wahrscheinlich allen <strong>Augen</strong>ärzten<br />

noch immer beigebracht, daß der Vorgang des Sehens ein rein<br />

mechanischer Prozeß ist.<br />

Wenn <strong>die</strong> erbliche Form des Augapfels wirklich <strong>die</strong> Ursache <strong>für</strong><br />

vermindertes Sehvermögen ist, warum haben dann unsere Vorfahren<br />

nicht unter dem gleichen Problem gelitten? Den meisten<br />

Menschen ist nicht klar, daß sich Sehbeschwerden - vor allem <strong>die</strong><br />

Kurzsichtigkeit - mit geradezu epidemischer Geschwindigkeit in<br />

der industrialisierten Welt ausgebreitet haben, während man in<br />

weniger entwickelten Gesellschaften noch kaum etwas von Kurzsichtigkeit<br />

gehört hat. Das Auftreten von Kurzsichtigkeit scheint<br />

innerhalb einer einzigen Generation zuzunehmen, da <strong>die</strong> Bildung<br />

allgemein-wächst und <strong>die</strong> Menschen mehr Zeit im Haus verbringen.<br />

Gottlieb nennt mehrere Untersuchungen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se<br />

Zusammenhänge bestätigen: «Young (1969) hat festgestellt, daß<br />

59 Prozent der Sechstklässler bei den Eskimos unter Kurzsichtig-<br />

44


keit leiden, aber nur fünf Prozent ihrer Eltern und niemand unter<br />

ihren Großeltern.» 1964 stellte Sato in Japan in einem Zeitraum<br />

von 25 Jahren, während der Industrialisierungs- und Verwestlichungsphase,<br />

ein Ansteigen von Kurzsichtigkeit auf das Zweibis<br />

Dreifache fest. 4 Obwohl also <strong>die</strong> Genetik zweifelsfrei eine<br />

Rolle spielt, sind doch unübersehbar auch andere Faktoren von<br />

Bedeutung.<br />

Selbst in der modernen Welt ist das Vorkommen von Kurzsichtigkeit<br />

unter der bäuerlichen Landbevölkerung geringer als unter<br />

hervorragend ausgebildeten Personen und Fachkräften. 5 Tatsächlich<br />

scheint es so - je höher der Ausbildungsstandard ist,<br />

desto größer ist <strong>die</strong> Wahrscheinlichkeit der Kurzsichtigkeit. Statistisch<br />

sieht <strong>die</strong>s etwa folgendermaßen aus: 6<br />

Alter oder Ausbildungsniveau<br />

Bei der Geburt<br />

Fünf bis neun Jahre<br />

Zehn bis zwölf Jahre<br />

Nach Abschluß der achten Klasse<br />

Nach dem Abitur<br />

Nach Hochschulabschluß<br />

Nach Universitätsabschluß<br />

Kurzsichtigkeit<br />

weniger als 1%<br />

3%<br />

8%<br />

20%<br />

40%<br />

60-80%<br />

80% 7<br />

Die Wechselbeziehung zwischen dem Ausbildungsniveau und der<br />

Kurzsichtigkeit ist so stark, daß «Kurzsichtigkeit in unserer Gesellschaft<br />

sogar <strong>für</strong> eine positive Anpassung gehalten wird». 8<br />

Warum hat sich <strong>die</strong> Ärzteschaft und <strong>die</strong> Öffentlichkeit so wenig<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong>se Epidemie abnehmender Sehkraft interessiert? Natürlich<br />

können wir unser Sehvermögen korrigieren, indem wir auf Brillen<br />

und Kontaktlinsen zurückgreifen, aber <strong>die</strong>s kann auch einfach ein<br />

bequemer Weg sein, das Problem unter den sprichwörtlichen<br />

Teppich zu kehren. Die Wahrheit ist, «daß Linsen, <strong>die</strong> das<br />

Symptom der Kurzsichtigkeit beeinflussen, kompensierende Linsen<br />

sind; sie verdecken <strong>die</strong> ernste Natur <strong>die</strong>ses Zustands». 9 Die<br />

herkömmliche Herangehensweise in der medizinischen <strong>Augen</strong>heilkunde<br />

erkennt <strong>die</strong> Möglichkeit einfach nicht an, daß <strong>Augen</strong>-<br />

45


probleme lösbar sein könnten; <strong>die</strong>se Einstellung wird von M. J.<br />

Hirsch mit den Worten zusammengefaßt: «Wenn etwas anderes<br />

als [eine Korrektur] nicht möglich ist, dann ist es besser, <strong>die</strong>s<br />

einzusehen und Kinder so zu unterweisen, daß sie sich damit<br />

abfinden können, statt ihnen und ihren Eltern falsche Hoffnungen<br />

zu machen.» 10<br />

Die Chinesen haben festgestellt, daß <strong>die</strong> mit der modernen<br />

Erziehung einhergehende Kurzsichtigkeit umkehrbar ist, vorausgesetzt<br />

es besteht ein öffentliches Interesse daran, das Sehen zu<br />

verbessern. 1949 entschied <strong>die</strong> chinesische Regierung, etwas<br />

gegen <strong>die</strong> sich häufenden Vorfälle von Kurzsichtigkeit zu unternehmen.<br />

Also machen seither chinesische Schüler und Fabrikarbeiter<br />

zweimal am Tag anhand einer offiziellen Vorlage, einem<br />

Plakat, jeweils zehn Minuten <strong>Augen</strong>übungen. Die Chinesen<br />

behaupten, daß sie damit <strong>die</strong> Zunahme von Kurzsichtigkeit nicht<br />

nur gestoppt hätten, sondern daß sie sogar rückläufig sei (siehe<br />

Seite 47). 11<br />

Es fällt schwer, all <strong>die</strong>se Entdeckungen mit der Theorie in<br />

Einklang zu bringen, daß mangelnde Sehschärfe einfach nur auf<br />

einem mechanischen Defekt der <strong>Augen</strong>form zurückzuführen sein<br />

soll. Eine alternative Erklärung wurde erstmals in den zwanziger<br />

Jahren von Dr. William Bates angeboten. Bates war ein angesehener<br />

<strong>Augen</strong>arzt in New York, als er <strong>die</strong> Wirksamkeit korrigierender<br />

Gläser bei der Behandlung von Sehbeschwerden zu hinterfragen<br />

begann. Er entwickelte eine radikal neue Erklärung <strong>für</strong><br />

Sehschwächen und ihre Behandlung, <strong>die</strong> durch das damalige<br />

medizinische Establishment entschlossen zurückgewiesen wurde<br />

(auch heute noch).<br />

Bates' Arbeit ist <strong>die</strong> Grundlage <strong>für</strong> den natürlichen Ansatz zur<br />

Verbesserung der Sehkraft. Er ging davon aus, daß Sehschwächen<br />

ihre Ursache nicht in den mechanischen Faktoren innerhalb der<br />

<strong>Augen</strong> haben, sondern eine Kombination aus physischen, emotionalen<br />

und mentalen Reaktionen auf eine von ungesundem Streß<br />

bestimmte Umgebung ist. Dr. Gottlieb weist darauf hin, daß<br />

<strong>die</strong>ser holistische Ansatz auch heute noch, beinahe 75 Jahre,<br />

nachdem er erstmals vorgestellt wurde, erstaunlich aktuell klingt:<br />

46


<strong>Augen</strong>übungen aus der Volksrepublik China<br />

1. Halten Sie <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> während der Übung geschlossen.<br />

2. Die Fingernägel sollten kurz und <strong>die</strong> Hände sauber sein.<br />

3. Massieren Sie leicht und langsam, bis der massierte Bereich ein klein<br />

wenig weh tut; üben Sie keinen übertriebenen Druck aus.<br />

4. Machen Sie Ihre <strong>Augen</strong>übungen zweimal täglich - einmal morgens und<br />

einmal nachmittags - während Sie, <strong>die</strong> Ellbogen aufgestützt, an einem<br />

Tisch sitzen.<br />

ÜBUNG I<br />

Benutzen Sie <strong>die</strong> Daumen, um links und rechts der Nasenwurzel <strong>die</strong><br />

Unterseiten der <strong>Augen</strong>brauen zu massieren, und legen Sie dabei Ihre<br />

übrigen Finger leicht gebeugt auf der Stirn ab. (Achtmal)<br />

ÜBUNG II<br />

Massieren Sie mit Daumen und Zeigefinger <strong>die</strong> Nasenwurzel. Drücken<br />

Sie erst nach unten und dann nach oben. (Achtmal)<br />

47


ÜBUNG III<br />

Während <strong>die</strong> Daumenballen unter dem oberen Teil des Unterkiefers<br />

liegen, befinden sich Zeige- und Mittelfinger auf den Jochbögen auf der<br />

Höhe der Nasenflügel. Dann senken Sie <strong>die</strong> Mittelfinger und massieren<br />

<strong>die</strong> Wangen dort, wo <strong>die</strong> Zeigefinger liegenbleiben. (Achtmal)<br />

ÜBUNG IV<br />

Mit gebeugten Fingern und den Daumen links und rechts der Stirn nutzen<br />

Sie <strong>die</strong> Seitenflächen der Zeigefinger um, dem Schema folgend,<br />

nach außen zu reiben: 2-3-4-6-5. (Achtmal)<br />

48


«Die moderne Zivilisation zwingt das Individuum zu einem Leben<br />

in beständiger Anspannung, Besorgnis, einem Zustand der<br />

Gedankenverlorenheit und mit der Überprüfung vergangener<br />

Erfahrungen befaßt, durch <strong>die</strong> unsere gegenwärtigen Erfahrungen<br />

gefiltert werden. Erst im letzten Jahrzehnt hat sich <strong>die</strong> breite<br />

Aufmerksamkeit auf... streßbedingte Krankheiten gerichtet, ein<br />

Zusammenhang, den Bates schon vor über sechs Jahrzehnten<br />

herstellte.» 12<br />

Wie Bates selbst 1920 schrieb: «Wenn [der primitive Mensch] es<br />

sich gestattet hätte, nervös zu werden, dann wäre [er] unverzüglich<br />

ausgelöscht worden; aber der zivilisierte Mensch überlebt und<br />

vererbt seine geistigen Eigenschaften der Nachkommenschaft.» 13<br />

Bates' Gegner weisen darauf hin, daß sein Ansatz niemals<br />

«wissenschaftlich» seine Wirksamkeit bewiesen hat - aber können<br />

wir wirklich jene Tausende von Menschen, <strong>die</strong> in den letzten 75<br />

Jahren von einer natürlichen Verbesserung der Sehkraft profitiert<br />

haben, mit der Behauptung wegerklären, daß sie sich nur einbilden,<br />

ohne ihre Brillen sehen zu können? Es scheint so, als sei <strong>die</strong><br />

tatsächliche Barriere, <strong>die</strong> eine weitgehende Annahme der<br />

Methode von Bates verhindert, <strong>die</strong> Tatsache, daß sie auf einem<br />

vollkommen neuen Verständnis des Sehens beruht. Sein Ansatz<br />

unterscheidet sich so sehr von den «akzeptierten Theorien der<br />

physiologischen Optik» 14 - der mechanistischen Erklärung des<br />

Sehens -, daß er vielleicht nicht einmal ohne ein neues «psychophysisches<br />

Modell» des Sehens überprüfbar ist. Gottlieb beispielsweise<br />

geht davon aus, daß <strong>die</strong> gegenwärtigen Methoden der<br />

Erforschung von Sehveränderungen unzulänglich sein dürften,<br />

was nicht sonderlich überraschend wäre, da ja im Licht der<br />

akzeptierten Lehre Veränderungen des Sehens sowieso ausgeschlossen<br />

sind.<br />

Bates' Vorstellungen wurden während meiner Ausbildung mit<br />

keinem Wort erwähnt. Wir bekamen zu hören, daß Verhaltensoptometristen<br />

den beim Lesen entstehenden Streß <strong>für</strong> <strong>die</strong> vorrangige<br />

Ursache von Sehbeschwerden hielten. Solche <strong>Augen</strong>spezialisten<br />

behaupteten, daß Lesen eine biologisch inakzeptable<br />

Tätigkeit sei, <strong>die</strong> physiologischen Streß verursache und damit<br />

49


<strong>die</strong> Struktur des Augapfels beeinträchtige. Dieser Theorie wurde<br />

jedoch vom Großteil der <strong>Augen</strong>ärzte keine große Bedeutung<br />

beigemessen. Vorrangig war stets <strong>die</strong> Annahme, daß Sehbeschwerden<br />

nicht verhindert oder geheilt werden können. Also<br />

wurden wir einfach darin ausgebildet, das Problem zu messen, es<br />

mit dem Standard normalen Funktionierens zu vergleichen und<br />

dann entsprechende Korrekturgläser zu verschreiben, um <strong>die</strong><br />

Sehschwäche zu beheben.<br />

Auch <strong>die</strong> psychologischen Aspekte des Sehens wurden kaum<br />

erwähnt. Doch erkannten wir, daß der Sehsinn unser wichtigster<br />

Sinn ist, das Steuerruder unseres neurologischen Netzwerks. Was<br />

wir sehen, beeinflußt tiefgreifend unser geistiges und emotionales<br />

Befinden und umgekehrt. Aber darauf würde man, ausgehend<br />

von dem, was ich während der Ausbildung gelernt habe, nie<br />

kommen!<br />

Wie <strong>die</strong> meisten anderen Optometristen lernte ich, <strong>die</strong> standardisierte<br />

Einundzwanzig-Schritte-Prüfung des Sehvermögens<br />

durchzuführen - eine umfassende Serie spezialisierter Sehtests, zu<br />

der auch <strong>die</strong> bereits erwähnte subjektive und <strong>die</strong> objektive<br />

Methode gehören. Dieses Verfahren mißt - isoliert - nahezu<br />

jeden Aspekt des Sehvorgangs und analysiert dann, auf welche<br />

Weise sie miteinander in Beziehung stehen. Ich stellte fest, daß<br />

nicht einmal <strong>die</strong>ses Untersuchungsgeschütz wirkliches Sehen, <strong>die</strong>ses<br />

zusammengesetzte System dessen, wie wir tatsächlich im Alltag<br />

wahrnehmen, auswerten kann. Die individuellen Bestandteile<br />

schienen sich niemals zu der ganzen Person zusammenzufügen.<br />

In der Praxis wird jedoch <strong>die</strong> amerikanische Einundzwanzig-<br />

Schritte-Prüfung des Sehvermögens ohnehin nur selten vollständig<br />

durchgeführt. Meistens mißt der Optometrist oder der <strong>Augen</strong>arzt<br />

also nur einen winzigen Bruchteil der tatsächlichen Sehkraft<br />

eines Patienten, der wiederum nur ein kleiner Aspekt des Sehens<br />

ist.<br />

Außerdem findet <strong>die</strong> Standardaugenuntersuchung in einer Umgebung<br />

statt, <strong>die</strong> nicht einmal annähernd den natürlichen Bedingungen<br />

entspricht, unter deren Einwirkung unsere <strong>Augen</strong> zu<br />

funktionieren geschaffen sind. Statt dessen ist <strong>die</strong> Testumgebung<br />

50


sorgfältig so beschaffen, um dem Arzt das Isolieren und Messen<br />

verschiedener Aspekte des Sehens zu erleichtern. In <strong>die</strong>sem Test<br />

hat <strong>die</strong> Genauigkeit einen höheren Stellenwert als das Begreifen<br />

der tatsächlichen Natur des Sehens. Damit wird ein weiterer<br />

unglücklicher Nebeneffekt des mechanistischen Modells offenbar:<br />

<strong>die</strong> Annahme, daß <strong>die</strong> Faktoren, <strong>die</strong> wir mit Hilfe von Zahlen<br />

messen können, auch <strong>die</strong> wichtigsten Aspekte der <strong>Gesundheit</strong><br />

sind. Was <strong>für</strong> eine Definition des Sehens (oder des Lebens)<br />

erhalten wir, wenn wir so unmeßbare Elemente wie Einsicht,<br />

Schönheit und Wohlbefinden vernachlässigen?<br />

Normalerweise gehen sowohl der Arzt als auch der Patient<br />

davon aus, daß <strong>die</strong> Messungen, <strong>die</strong> der Arzt oder Optometrist<br />

vornimmt, in direktem Zusammenhang damit stehen, wie klar der<br />

Patient außerhalb der Arztpraxis sehen kann. Wie wir bereits<br />

gesehen haben, vernachlässigen <strong>die</strong>se Messungen <strong>die</strong> nichtkörperlichen<br />

Aspekte des Sehens - <strong>die</strong> Auswirkungen von Gedanken,<br />

Gefühlen und Absichten -, <strong>die</strong> jedoch alle untrennbar mit<br />

unserer <strong>Gesundheit</strong> und auch damit, wie gut wir sehen, verbunden<br />

sind. <strong>Augen</strong>spezialisten sind sich dessen bewußt, daß sich <strong>die</strong><br />

tatsächliche Sehschärfe nicht direkt in der verschriebenen Brillenstärke<br />

eines Rezepts ausdrückt. Dies trifft zu, unabhängig von der<br />

Art der Messung, <strong>die</strong> <strong>für</strong> das Rezept vorgenommen wurde. Aber<br />

der Unterschied kann beeindruckend sein, wenn nur <strong>die</strong> objektive<br />

Methode (wie in meinem Fall) genutzt wird, da <strong>die</strong>ser Test unsere<br />

eigene Wahrnehmung von unserer Sehkraft vernachlässigt.<br />

<strong>Augen</strong>ärzte wundern sich im allgemeinen nicht lange über den<br />

Unterschied zwischen unserer natürlichen Sehkraft im Freien und<br />

den Testergebnissen, auf deren Basis das Rezept ausgestellt wird.<br />

Normalerweise ist ihnen auch nicht bewußt, wie groß <strong>die</strong> Diskrepanz<br />

zwischen beidem sein kann.<br />

Eine Optometristin, Jennifer Nelson, machte <strong>die</strong>se «unerklärliche»<br />

Diskrepanz zum Thema ihrer Doktorarbeit. Die Resultate<br />

vorangegangener Stu<strong>die</strong>n zitierend, fragte sie sich:<br />

Wie erklärt sich <strong>die</strong> Tatsache, daß unter [jenen mit einem<br />

Rezept <strong>für</strong> -1.00 Dioptrien] <strong>die</strong> Sehschärfe zwischen 6/30 und<br />

51


6/9 liegen kann...? Wie kommt es, daß eine kurzsichtige<br />

Person mit einer unkorrigierten Sehschärfe von 6/120 plötzlich<br />

während der Hypnose eine unkorrigierte Sehschärfe von 6/15<br />

aufweist...? Wie kann es sein, daß eine [Person mit einer<br />

Brillenverschreibung <strong>für</strong> -5.00 Dioptrien] und einer unkorrigierten<br />

Sehschärfe von 6/240 nach einem visuellen Biofeedbacktraining<br />

ohne <strong>die</strong> Hilfe einer Brille plötzlich eine Sehschärfe<br />

von 6/9 hat.. .? 15<br />

Weitere Beispiele unserer Fähigkeit, ungeachtet der im Rezept<br />

angegebenen Gläserstärke, klar zu sehen, werden im Verlauf des<br />

Buches folgen. Tatsächlich habe ich festgestellt, daß solche Veränderungen<br />

<strong>für</strong> nahezu jeden möglich sind - und zwar ohne <strong>die</strong><br />

Unterstützung von Hypnose und Biofeedback. Meine <strong>Augen</strong> zum<br />

Beispiel liefern bei der objektiven Methode immer noch ein<br />

Sehschärfenergebnis von ungefähr 6/60, und dennoch sehe ich im<br />

allgemeinen mit einer Klarheit, <strong>die</strong> über das Normale hinausgeht.<br />

Mir sind Tausende anderer Menschen begegnet, <strong>die</strong> bedeutend<br />

besser sehen, als <strong>die</strong> ihnen verschriebenen Brillenrezepte vermuten<br />

lassen. Zudem gibt es auch viele, <strong>die</strong> weit schlechter sehen, als<br />

sie es aufgrund ihrer Verschreibung sollten.<br />

Dieser Unterschied zwischen subjektiver, selbst eingeschätzter<br />

Sehschärfe und dem objektiven Meßergebnis ist tatsächlich ein<br />

weit verbreitetes Phänomen, das bereits in zahlreichen Stu<strong>die</strong>n<br />

ermittelt wurde. Das Problem ist jedoch, daß ihm normalerweise<br />

kein Wert beigemessen wird, weil es nicht in <strong>die</strong> wissenschaftliche<br />

Definition klaren Sehens, in <strong>die</strong> objektive Messung paßt. So zieht<br />

beispielsweise ein Artikel in einer Zeitschrift <strong>für</strong> Optometrie den<br />

Schluß, daß <strong>die</strong> Stu<strong>die</strong>nergebnisse der Sehverbesserung (in denen<br />

verschiedene Techniken, darunter Bates' Methode untersucht<br />

werden) «nicht besonders ermutigend waren», weil ihr «einziger<br />

Vorteil eine verbesserte Sehschärfe sein könnte». 16 Ist das nicht<br />

unglaublich? Der Autor warnt weiter vor der Möglichkeit, daß<br />

selbst <strong>die</strong>se Verbesserung vielleicht nur darauf zurückzuführen<br />

sei, daß der Patient sich <strong>die</strong> Testzeichenfolge auf der Sehprobentafel<br />

eingeprägt habe, ein Faktor, den bisherige Untersuchungen<br />

52


hätten berücksichtigen müssen. Kein Wunder also, daß Gottlieb<br />

nahelegt, daß wir optimierte Methoden benötigen, um <strong>die</strong> Verbesserungen<br />

der Sehkraft zu untersuchen.<br />

Hier und dort sehen einige wenige Forscher langsam ein, daß<br />

vielleicht doch irgendwelche nichtkörperlichen Faktoren das Sehvermögen<br />

beeinflussen. So wird in einem Textauszug erklärt:<br />

«Die Veränderung der Sehschärfe trotz fehlender Refraktionsverschiebung<br />

läßt auf eine Anpassung der Sinneswahrnehmung<br />

an das verschwommene Bild schließen. Doch ist <strong>die</strong> aufgetretene<br />

Veränderung der Sehschärfe offenbar geringer, als subjektiv<br />

berichtet; folglich kann ein psychologischer Input nicht ausgeschlossen<br />

werden.» 17 . Oder in klaren Worten: «Unser Test hat<br />

gezeigt, daß <strong>die</strong> Testpersonen besser sehen konnten, als wir es<br />

erwartet hatten, und <strong>die</strong>ser Unterschied ist nicht nur auf eine<br />

bessere Interpretation des verschwommenen Bildes zurückzuführen.<br />

Also können wir nicht sicher sein, daß <strong>die</strong> fehlende Erklärung<br />

nicht doch psychologischer Natur ist.» Und dennoch, achten Sie<br />

darauf, wie vorsichtig <strong>die</strong>se Autoren sogar damit sind, eine solche<br />

Möglichkeit auch nur anzunehmen!<br />

Ein neuer Ausblick auf <strong>die</strong> Behandlung<br />

von Sehschwächen<br />

Trotz unseres reichen wissenschaftlichen Wissens über <strong>die</strong> Mechanik<br />

des Auges verbreitet sich <strong>die</strong> Epidemie der Sehschwächen<br />

weiter ungehindert. Die meisten <strong>Augen</strong>spezialisten denken nicht<br />

groß darüber nach, ob mit unserem Ansatz in der <strong>Augen</strong>heilkunde<br />

vielleicht etwas Wesentliches nicht stimmt. Sie fahren einfach<br />

weiter fort, Sehhilfen zu verschreiben, wie sie es gelernt haben.<br />

Hier und dort tauchen in den Randbereichen der medizinischen<br />

<strong>Augen</strong>heilkunde jedoch revolutionäre neue Ideen auf. Immer<br />

mehr <strong>Augen</strong>spezialisten beginnen, das, was sie an ihren Hochschulen<br />

gelernt haben, zu hinterfragen. Ab und zu hören sie von<br />

Fällen, <strong>die</strong> einfach nicht wegerklärt werden können. Die am<br />

53


weitesten verbreitete Geschichte erzählt von einer Person, <strong>die</strong><br />

eigentlich eine Brille tragen mußte, sie aber trotzdem nicht mehr<br />

aufsetzte - und damit ihre Sehkraft verbesserte. Von Rechts<br />

wegen soll so etwas einfach nicht vorkommen, aber selbst viele<br />

<strong>Augen</strong>ärzte haben Dinge erlebt, von denen man ihnen beigebracht<br />

hat, sie seien physisch unmöglich. Hier folgt nun <strong>die</strong><br />

Geschichte von Larry Simons, einem Optometristen aus Kalifornien,<br />

der 1986 an einem meiner Wochenend-Workshops teilnahm<br />

(Larrys Sehschärfe lag, wie zuvor festgestellt worden war, bei 6/60<br />

also 20% Sehleistung):<br />

54<br />

Am ersten Tag nahm ich meine Brille ab, damit Jacob meine<br />

Sehkraft testen konnte. Während ich <strong>die</strong> Testzeichen auf der<br />

Sehprobentafel zu erkennen suchte, erinnerte er mich daran zu<br />

atmen, und zu meiner großen Überraschung sah ich <strong>die</strong> Prüfzeichen<br />

auf der Tafel immer klarer und klarer. Wir benutzten eine<br />

Tafel mit Zahlen, <strong>die</strong> mir nicht vertraut war, und ich war mir<br />

daher sicher, daß ich mich nicht einfach nur an <strong>die</strong> Testzeichen<br />

erinnerte. Tatsächlich gelang es mir, bis zu der 6/7,5-Zeile<br />

(96% Sehleistung) zu lesen - es war unglaublich!<br />

Danach setzte ich meine Brille wieder auf, aber später an<br />

<strong>die</strong>sem Nachmittag bat mich Jacob, sie wieder abzunehmen. Er<br />

untersuchte sie einen Moment lang und sagte dann: «Die<br />

brauchen Sie nicht mehr.» Ich entgegnete: «Doch, ich brauche<br />

sie.» Er sagte: «Nein, das tun Sie nicht.» Er weigerte sich, sie<br />

mir zurückzugeben! Ein paar Stunden später händigte er mir<br />

<strong>die</strong> Brille doch wieder aus und fragte mich, als ich sie aufsetzte:<br />

«Wie fühlt sich das jetzt an?» Mir kam es so vor, als ob sie<br />

wirklich eng saß - ich konnte mich nicht daran erinnern, daß mir<br />

<strong>die</strong>s schon früher aufgefallen war. Jacob regte an, daß ich <strong>für</strong><br />

den Rest des Wochenendes auf <strong>die</strong> Brille verzichten sollte, was<br />

ich tat. Es überraschte mich, daß ich mich nach nur einem<br />

Wochenende ohne Brille schon so wohlfühlen konnte. Nach<br />

dem Workshop fuhr ich nach Hause - von San Diego nach Los<br />

Angeles -, und meine Brille lag neben mir auf dem Beifahrersitz.


Inzwischen, mehr als sechs Jahre nach <strong>die</strong>sem Wochenende,<br />

liegt meine Sehschärfe bei etwa 6/12 (83,6% Sehleistung). Ich<br />

trage keine Brille. Ich sehe alles, was ich sehen will, und tue<br />

alles, was ich tun will - ohne sie. Ich treibe Sport, praktiziere als<br />

Optometrist und fahre jeden Tag vierzig Kilometer zwischen<br />

Arbeitsplatz und meinem Zuhause hin und her. Ich mache mir<br />

keine Sorgen wegen einer Brille. Ohne sie lebt es sich viel<br />

besser.<br />

Verhilft uns also eine Brille wirklich zu besserer Sicht? Oder hält<br />

sie uns vielleicht doch in einem winzigen Bereich unserer «seherischen»<br />

und emotionalen Möglichkeiten gefangen?<br />

Ich habe festgestellt - aus meiner eigenen Erfahrung heraus und<br />

auch aus den Erfahrungen Tausender anderer Menschen -, wenn<br />

man wirklich klar sehen will, dann muß man seine Brille abnehmen!<br />

In den nächsten Kapiteln werde ich beschreiben, wie ich<br />

meine Sehschärfe von 6/60 (20% Sehleistung) auf 100% Sehleistung<br />

und darüber hinaus verbessern konnte, und der Rest des<br />

Buches soll Ihnen als Anleitung <strong>die</strong>nen, damit auch Sie <strong>die</strong><br />

Gelegenheit haben, Ihre Sehkraft zu optimieren. Nach zwanzig<br />

Jahren medizinischer Erfahrung mit der Verbesserung der Sehkraft<br />

weiß ich, daß jeder, der ausreichend motiviert ist, das<br />

erreichen kann, was mir gelungen ist.<br />

Es begann alles mit einem einfachen Experiment.<br />

55


Die Arbeitsweisen des Geistes<br />

Nicht, daß sie <strong>die</strong> Lösung nicht sehen. Das Problem<br />

ist, daß sie sie nicht als solche erkennen.<br />

G. K. Chesterton<br />

Die Überraschungen, <strong>die</strong> ich im ersten Jahr nach meiner Praxiseröffnung<br />

erlebte, hatten eine Menge Fragen aufgeworfen. Können<br />

wir tatsächlich <strong>die</strong> Sehkraft eines Menschen bewerten, indem<br />

wir seine <strong>Augen</strong> untersuchen, oder hat es mit dem Sehen mehr auf<br />

sich, als auf den ersten Blick zu sehen ist? Ist Sehen auf das Auge<br />

oder sogar auf das Gehirn beschränkt? Ist es einfach nur ein<br />

Mittel, um sich in der physischen Welt zurechtzufinden? Erfolgt<br />

das Sehen von außen nach innen, oder strömt es umgekehrt aus<br />

uns heraus? Ich frage mich, ob wir <strong>die</strong> Antworten auf <strong>die</strong>se Fragen<br />

tatsächlich kannten oder ob irgend jemand sonst sie sich stellte.<br />

War <strong>die</strong>s der Fall, dann behielten <strong>die</strong>se Menschen es jedenfalls <strong>für</strong><br />

sich. Keiner meiner Kollegen schien sich <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Fragestellung<br />

zu interessieren, und mir fiel niemand sonst ein, mit dem ich sie<br />

hätte diskutieren können.<br />

Anfang 1976 entschloß ich mich, daß ich irgend etwas unternehmen<br />

mußte, um wenigstens ein paar Antworten zu finden. Vor<br />

allem wollte ich wissen, ob es eine Beziehung - und wenn ja,<br />

welcher Art - zwischen Sehen und Geist gab. Damals wurden<br />

schon viele Bücher über den Zusammenhang zwischen Geist und<br />

Körper veröffentlicht, aber ich las nicht besonders gerne, und mir<br />

wurde bald klar, daß ich auf eigene Faust experimentieren<br />

konnte, indem ich mich selbst beobachtete. Ich nannte meine<br />

56


Entdeckungsreise «Ein Experiment zu den Arbeitsweisen meines<br />

Geistes». Durch den Zugang, den ich zu verschiedenen meditativen<br />

Zuständen erlangt hatte, war in mir <strong>die</strong> Vorstellung entstanden,<br />

daß sich irgendwo in meinem Kopf ein Knopf <strong>für</strong> «klare<br />

Sicht» befinden mußte. Wenn ich <strong>die</strong> Stelle, an der sich <strong>die</strong>ser<br />

Knopf befand, mit meiner Bewußtheit fände, dann würde ich den<br />

Teil von mir, der nicht fähig war zu sehen, «was los war», in<br />

Bewegung setzen und mir mit ihm «<strong>die</strong> <strong>Augen</strong> öffnen».<br />

Jeden Nachmittag, etwa zu der Zeit, zu der Eltern ihre Kinder<br />

aus der Schule abholen, war wenig Betrieb in meiner Praxis. Ich<br />

entschloß mich dazu, <strong>die</strong>se freie Zeit <strong>für</strong> mein Experiment zu<br />

nutzen. Wir hatten eigens einen Raum <strong>für</strong> Sehtherapie, wo wir mit<br />

Kindern arbeiteten, <strong>die</strong> sehbedingte Lernschwächen hatten. Ich<br />

entschloß mich, jeden Nachmittag in <strong>die</strong>sem Raum eine Zeitlang<br />

meine Brille abzunehmen, um herauszufinden, was geschehen<br />

würde. Am ersten Tag setzte ich mich hin, nahm meine Brille ab<br />

und legte sie auf den Tisch neben dem Stuhl. Dann saß ich einfach<br />

da und sah mich um. Es schien nichts Besonderes zu passieren.<br />

Als ich so dasaß, griff meine rechte Hand nach der Brille und<br />

setzte sie zurück auf meine Nase. Es war mir nicht einmal bewußt,<br />

daß sie <strong>die</strong>s tat! Bevor ich noch darüber nachdachte, war ich<br />

wieder wie immer in meinem Büro bei der Arbeit.<br />

Der gleiche Ablauf wiederholte sich an den folgenden Tagen.<br />

Jeden Tag ging ich in den Raum, nahm meine Brille ab und setzte<br />

sie nach ein paar Minuten unbewußt wieder auf. Nachdem ich <strong>die</strong>s<br />

eine Weile verfolgt hatte, fiel mir ein unbehagliches, ängstliches<br />

Gefühl auf, das hochzukommen schien, kurz bevor ich nach der<br />

Brille griff. Ich versuchte, ein klein wenig länger zu warten, um<br />

herauszufinden, was nach dem unbehaglichen Gefühl folgen<br />

würde. Je länger ich wartete, desto unruhiger wurde ich. Aus der<br />

Unruhe wurde Besorgnis. Die Besorgnis verwandelte sich in<br />

Angst. Die Angst setzte andere Gefühle frei - Trauer, Wut oder<br />

das Gefühl von Kontrollverlust. Je länger ich auf meine Brille<br />

verzichtete, desto mehr Gefühle kamen an <strong>die</strong> Oberfläche.<br />

Sobald ich <strong>die</strong> Brille aufsetzte, verschwanden sie. Als ich versuchte,<br />

<strong>die</strong>se Vorgänge zu verstehen, fragte ich mich, ob ich<br />

57


vielleicht meine Brille benutzte, um meinen Gefühlszustand zu<br />

beeinflussen, ähnlich wie ein Alkoholiker <strong>die</strong>s mit Alkohol tut.<br />

Ich hatte eine erste Ahnung davon, wie süchtig <strong>die</strong>se Korrekturgläser<br />

einen machen konnten.<br />

Eines Tages, nachdem ich eine Viertelstunde lang ohne meine<br />

Brille gesessen hatte, wunderte ich mich darüber, wie das Absetzen<br />

einer Brille derartig mächtige Gefühle auslösen konnte. Dann<br />

ging mir ein Licht auf, und ich erkannte, daß ich das Pferd von<br />

hinten aufzäumte: Die Korrekturgläser verdeckten <strong>die</strong> unangenehmen<br />

Gefühle, sie verhinderten, daß ich mir ihrer bewußt<br />

wurde. Diese Gefühle also mußten Aspekte meines Lebens sein,<br />

<strong>die</strong> zu sehen, ich nicht ertragen konnte. Ich hatte sie unscharf<br />

gestellt und dann unwissentlich ausra<strong>die</strong>rt, indem ich eine Brille<br />

trug. Je länger ich das Aufsetzen der Brille hinauszögerte, desto<br />

mehr <strong>die</strong>ser Gefühle würden hochkommen. Diese Theorie bestätigte<br />

meine Erfahrungen, aber konnte sie denn zutreffen? Keiner<br />

meiner Lehrer am College <strong>für</strong> Optometrie hatte einen Zusammenhang<br />

zwischen dem Sehen und Gefühlen erwähnt.<br />

Als ich ein paar Tage später so ohne meine Brille dasaß, fiel<br />

mein Blick auf <strong>die</strong> Sehprobentafel, <strong>die</strong> an der gegenüberliegenden<br />

Wand hing. Sie sah irgendwie anders aus. Dann wurde mir klar,<br />

daß ich <strong>die</strong> 6/24- und <strong>die</strong> 6/21-Zeilen - <strong>die</strong> ungefähr nur halb so<br />

groß sind wie <strong>die</strong> 6/60-Testzeichen - klar erkennen konnte. Eine<br />

Sehschärfe von 6/60 war seit Jahren das Beste gewesen, was ich<br />

zustande gebracht hatte! Ich konnte es kaum glauben. Ich war<br />

unheimlich aufgeregt! Ich wollte <strong>die</strong>se wunderbare Neuigkeit<br />

unbedingt mit meinen Kollegen teilen. Also erzählte ich einem<br />

von ihnen: «Ich habe <strong>die</strong>ses Experiment gemacht, und meine<br />

Sehkraft war danach doppelt so gut wie zuvor!» Er sah mich<br />

schräg an und meinte: «Das ist sicher nur auf eine bessere<br />

Interpretation des Gesehenen zurückzuführen», als wollte er<br />

eigentlich sagen: «Wie kannst du nur so naiv sein?» Alle anderen<br />

Optometristen, denen ich von meiner Erfahrung berichtete, reagierten<br />

auf <strong>die</strong> gleiche Art. Ich fühlte mich wie ein dummer<br />

Schuljunge, dem man ins Gesicht geschlagen hatte. Sie wollten<br />

nicht einmal etwas über das Experiment erfahren. Denn schließ-<br />

58


lich hatte ich ja keine Kontrollgruppe oder statistisch relevante<br />

Stu<strong>die</strong> vorzuweisen - ich befaßte mich ja lediglich mit meinen<br />

eigenen Erfahrungen.<br />

Ich machte trotzdem weiter, dehnte <strong>die</strong> Zeit, <strong>die</strong> ich ohne Brille<br />

dasaß, immer weiter aus, und meine Sehkraft schien zunehmend<br />

besser zu werden. Je länger ich auf meine Brille verzichtete, desto<br />

schärfer konnte ich sehen. Schließlich entschloß ich mich, <strong>die</strong><br />

Stärke der mir verschriebenen Brille zu überprüfen. Denn eigentlich<br />

sollten <strong>die</strong> Sehtests, wenn sie ein Abnehmen der Sehkraft<br />

feststellen konnten, auch dazu in der Lage sein, ein Zunehmen zu<br />

messen. Wenn <strong>die</strong>se Erfahrung real war und nicht bloß eine<br />

Erfindung meiner Einbildung, dann sollte meine Sehschärfe<br />

merkbar zugenommen haben.<br />

Ich setzte mich in den Untersuchungsstuhl und schob das<br />

Testgerät vor mein Gesicht. Dann vollzog ich an mir <strong>die</strong> vollständige<br />

Testserie. Es war sehr lehrreich. Zum ersten Mal stellte ich<br />

mir selbst <strong>die</strong> berühmte Frage: «Was ist besser, Nummer eins oder<br />

Nummer zwei?» Wie verwirrend es war, zugleich Arzt und Patient<br />

zu sein!<br />

Es erschien mir auch sehr merkwürdig, daß mir <strong>die</strong>ses riesige<br />

optische Instrument mein ganzes Sichtfeld verbaute. Ich wußte,<br />

daß <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> visuelle Informationen sowohl zentral als auch<br />

peripher verarbeiten. Zentrales Sehen ist das, worauf wir unsere<br />

<strong>Augen</strong> scharf einstellen; es ermöglicht uns, <strong>die</strong> Details und<br />

Farben eines unbewegten Objekts im Zentrum unseres Brennpunkts<br />

wahrzunehmen. Zentrales Sehen erfolgt vornehmlich<br />

während des Tages, da es am besten unter großer Lichteinwirkung<br />

funktioniert. Peripheres Sehen gestattet es uns, Formen und<br />

Bewegungen zu erkennen. Damit tasten wir das Objekt im<br />

Umfeld des zentralen Brennpunkts ab. Peripheres Sehen findet<br />

fortwährend statt und ist im Dunkeln, bei geringer Lichtstärke in<br />

der Nacht, unsere vorherrschende Wahrnehmungsform. Zwar<br />

befand ich mich jetzt in einem vollkommen dunklen Raum, in<br />

dem ich peripheres Sehen anwenden sollte, aber ich war vollkommen<br />

durch <strong>die</strong>ses große optische Instrument blockiert. Mir wurde<br />

klar, daß <strong>die</strong> mir verschriebene Brillenstärke auf meinen verwirr-<br />

59


ten Antworten auf Fragen beruhte, <strong>die</strong> sich einfach nicht richtig<br />

anfühlten. Ein Gefühl in meinem Bauch sagte mir, daß <strong>die</strong> ganze<br />

Testanordnung einfach nicht stimmte.<br />

Trotz <strong>die</strong>ses Gefühls von Orientierungslosigkeit zeigte <strong>die</strong><br />

beendete Untersuchung tatsächlich, daß meine erforderliche Brillenstärke<br />

wirklich geringer war als zuvor. Obwohl ich nicht gerne<br />

eine Brille trug, war ich so begeistert von den niedrigeren Werten,<br />

daß ich es kaum erwarten konnte, meine neue Brille in Händen zu<br />

halten. In der Zwischenzeit setzte ich meine alte Brille weiterhin<br />

immer weniger auf -jedesmal wenn ich den Eindruck hatte, daß<br />

ich sie nicht wirklich brauchte, verzichtete ich auf sie.<br />

Als <strong>die</strong> neue Brille kam, setzte ich sie auf - und etwas äußerst<br />

Unerwartetes geschah. Sobald ich sie auf der Nase hatte, meinte<br />

ich zu spüren, wie mein ganzes Sein sich in mein Inneres zurückzog.<br />

Meine <strong>Augen</strong> fühlten sich eng, fast schmerzhaft eng an. Mein<br />

Bewußtsein schien nach innen gesogen zu werden, und der lebenspendende<br />

Energiefluß in meinem Solarplexus kam mir wie abgeschnitten<br />

vor. Was in aller Welt ging hier vor?<br />

Die Welt durch ein Loch sehen<br />

Da ich zuvor meine Brille nicht mehr so oft getragen hatte, kam<br />

das Aufsetzen der neuen einer dramatischen Veränderung meiner<br />

Wahrnehmung gleich. Dieselbe einengende und zusammenziehende<br />

Wirkung tritt übrigens jedesmal auf, wenn wir eine Brille<br />

aufsetzen, aber im allgemeinen sind wir so daran gewöhnt, daß wir<br />

es nicht mehr bemerken. Vielleicht erinnern Sie sich an ein<br />

ähnliches Gefühl, als Sie zum allerersten Mal eine Brille aufsetzten<br />

oder als Sie <strong>die</strong> alte durch eine stärkere vertauschten. Es ist<br />

der gleiche Teil Ihres Bewußtseins, der sich mit, «Mensch, das<br />

fühlt sich vielleicht komisch an!» zu Wort meldet. Wir unterdrükken<br />

normalerweise <strong>die</strong> Wahrnehmung <strong>die</strong>ses Unbehagens, weil<br />

wir den Worten unseres Arztes vertrauen: «Keine Sorge, Sie<br />

werden sich daran gewöhnen.»<br />

60


Als ich <strong>die</strong> neue Brille aufsetzte, entdeckte ich mit ihr den<br />

wirklichen Unterschied zwischen dem Sehen mit und dem Sehen<br />

ohne Brille. Wir meinen in der Regel, daß wir ohne Brille nicht so<br />

klar sehen können, aber was wir als weniger klar empfinden, ist in<br />

Wahrheit einfach nur anders. Mir fiel auf, daß <strong>die</strong> Brille <strong>die</strong><br />

Situation des langen, schmalen Untersuchungsraums vor meinem<br />

Gesicht zu reproduzieren schien. Sie engte mein peripheres<br />

Wahrnehmungsvermögen auf <strong>die</strong> gleiche Weise ein, wie ich es<br />

auch während der Untersuchung erfahren hatte. Sie schien mir<br />

eine einengende Art des Sehens und Denkens aufzuzwingen, <strong>die</strong><br />

auf analytischer Einsicht beruht. Es kam mir vor, als ob ich mich<br />

bei allem, was ich sah, ständig fragen müßte: «Was ist besser,<br />

<strong>die</strong>ses oder jenes?» Raymond Gottlieb, der ganzheitlich orientierte<br />

Optometrist, erklärt, daß sich <strong>die</strong>se analytische Form aus<br />

zwei geistigen Prozessen zusammensetzt - aus dem Einordnen<br />

(«Was ist es?») und dem Beurteilen («Was folgt daraus?») -, auf<br />

<strong>die</strong> wir zurückgreifen, um unsere Aufmerksamkeit zu konzentrieren,<br />

vor allem wenn wir uns bedroht fühlen. 1 Ich stellte einfach<br />

fest, daß ich meine Welt nicht mehr fühlen oder ihre Einheit nicht<br />

mehr wahrnehmen konnte, wenn mein Bewußtsein derartig auf<br />

einen Punkt konzentriert war. Ich fragte mich: Gibt es vielleicht<br />

Bereiche der Wahrnehmung, <strong>die</strong> wichtiger sind, als das scharfe<br />

Sehen von Details, Bereiche, <strong>die</strong> uns fehlen, wenn wir uns auf<br />

Korrekturgläser verlassen?<br />

Wie konnte das Aufsetzen einer Brille ein derartiges Gefühl der<br />

Einschränkung erzeugen? Ich kannte Untersuchungen, <strong>die</strong> darauf<br />

hinwiesen, daß sich Sehen nicht einfach aus Geradeaussehen und<br />

peripherem Sehen zusammensetzt. 2 Zentrales Sehen, auf das sich<br />

alle Sehtests konzentrieren, ist der Aspekt unseres inneren<br />

Auges, der analysiert, der <strong>die</strong> Details unserer Welt genau prüft.<br />

Peripheres Sehen, das selten untersucht wird, es sei denn, es liegt<br />

ein pathologischer Befund vor, ist der Aspekt unseres inneren<br />

Auges, der <strong>die</strong> Welt als Ganzes empfindet. Diese umfassende<br />

Perspektive gestattet es ihm, ununterbrochen <strong>die</strong> ganze Weite<br />

unseres Gesichtsfelds zu überprüfen und zu entscheiden, was als<br />

nächstes in den Brennpunkt gerückt werden soll.<br />

61


Der periphere Aspekt des Sehens wird durch das Tragen einer<br />

Brille stark eingeschränkt. Erinnern Sie sich an das kleine Lineal,<br />

mit dem der Optiker den Abstand zwischen Ihren Pupillen mißt?<br />

Auf der Grundlage <strong>die</strong>ser Messung kann er <strong>die</strong> verschriebene<br />

Brillenstärke genau über den Mittelpunkt jeden Auges bringen.<br />

Wenn Sie Ihre Brille vorsichtig untersuchen, dann gelingt es<br />

Ihnen vielleicht, <strong>die</strong>sen optischen Mittelpunkt zu entdecken. Es<br />

ist jedoch problematisch, daß <strong>die</strong>se standardisierte Ausführung<br />

von Brillengläsern <strong>die</strong> Tatsache nicht berücksichtigt, daß Ihre<br />

<strong>Augen</strong> ununterbrochen in Bewegung sind. Immer dann, wenn<br />

Ihre <strong>Augen</strong> nicht durch den optischen Mittelpunkt der Ihnen<br />

verschriebenen Brillengläser blicken, entspricht <strong>die</strong> Korrektur<br />

nicht mehr dem Soll. Ihr <strong>Augen</strong>arzt sagt Ihnen davon nichts, weil<br />

er <strong>die</strong>s aufgrund seiner Ausbildung nicht <strong>für</strong> wichtig hält.<br />

Wie wichtig aber ist es? Wenn Sie durch den optischen Mittelpunkt<br />

Ihrer Brille blicken, dann sehen Sie klar und scharf. Sie<br />

sehen alle Details eines Objekts, als ob Sie durch ein Mikroskop<br />

oder ein Teleskop schauen würden. Sobald Sie Ihre <strong>Augen</strong> nach<br />

rechts, links, oben oder unten bewegen - überallhin nur nicht<br />

geradeaus blicken -, entspricht <strong>die</strong> Korrektur nicht mehr dem<br />

Soll, und das Bild verschwimmt. Es entsteht ein prismatischer<br />

Effekt, der <strong>die</strong> Klarheit Ihres Sehens verzerrt. Ihre <strong>Augen</strong> reagieren<br />

auf <strong>die</strong>se mangelnde Schärfe, indem sie immer wieder zum<br />

optischen Mittelpunkt Ihrer Brillengläser zurückkehren und<br />

schließlich dort bleiben.<br />

Indem sie uns dazu bringt, immer nur geradeaus zu schauen,<br />

wird <strong>die</strong> Brille zu einem im höchsten Maß effektiven Rückkopplungsinstrument,<br />

das <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> dazu anhält, ein und <strong>die</strong>selbe<br />

Position beizubehalten - sie bringt uns im wahrsten Sinne des<br />

Wortes bei, <strong>die</strong> Realität durch einen einzigen festen Punkt in<br />

unserem Gesichtsfeld wahrzunehmen. Jedoch ist der Teil unserer<br />

Sehkraft, der geradeaus blickt, lediglich dazu fähig, zu analysieren<br />

und zu unterscheiden. Je mehr wir uns also auf unsere Sehhilfe<br />

verlassen, desto mehr lernen wir, <strong>die</strong> Welt zu beurteilen, statt sie<br />

zu empfinde!»,, desto mehr verlieren wir unsere angeborene Fähigkeit,<br />

ihre Ganzheitlichkeit zu spüren.<br />

62


Die Schlüssel zum Geist<br />

Der durch eine Brille künstlich geschaffene Rückkopplungseffekt<br />

blockiert nicht nur unser peripheres Sehvermögen, sondern<br />

begrenzt auch den Umfang unserer <strong>Augen</strong>bewegungen. Normalerweise<br />

messen wir den winzigen Bewegungen unserer <strong>Augen</strong><br />

keine große Bedeutung zu, aber wenn wir unsere <strong>Augen</strong> weniger<br />

bewegen, dann verringern wir damit tatsächlich den Zugang zu<br />

unseren eigenen Gefühlen. Wie kann <strong>die</strong>s geschehen? Psychologen<br />

haben festgestellt, daß wir unsere <strong>Augen</strong> nach einer bestimmten<br />

Richtung hin ausrichten müssen, wenn wir den Zugang zu<br />

einer bestimmten Art von Informationen oder Erinnerungen in<br />

unserem Gehirn erlangen wollen.<br />

Hier folgt nun ein Experiment, damit Sie sich eine Vorstellung<br />

machen können, wie <strong>die</strong>s funktioniert. Ich schlage vor, daß Sie<br />

den Anweisungen ohne Brille folgen, da <strong>die</strong> Wirkung dann<br />

wahrscheinlich deutlicher zutage treten wird. Sie können <strong>die</strong><br />

Übung allein machen, aber sie fällt Ihnen möglicherweise leichter,<br />

wenn Sie einen Partner haben. Machen Sie das Experiment<br />

allein, dann beantworten Sie im stillen <strong>die</strong> folgenden Fragen und<br />

achten dabei darauf, wie sich Ihre <strong>Augen</strong> bewegen, während Sie<br />

nach den Antworten suchen. Machen Sie das Experiment mit<br />

einem Partner, dann lesen Sie der anderen Person <strong>die</strong> Fragen vor<br />

und beobachten, wie sich ihre <strong>Augen</strong> bei jeder Antwort bewegen<br />

(<strong>die</strong> Fragen müssen nicht laut beantwortet werden):<br />

- Welches war <strong>die</strong> Farbe Ihres ersten Fahrrads?<br />

- Wie würde Ihre Mutter mit hellgrünen Haaren aussehen?<br />

- Wie fühlt es sich an, eine Katze zu streicheln?<br />

- Welche Melo<strong>die</strong> hat Ihre Nationalhymne?<br />

Sie werden feststellen, daß jede Frage eine bestimmte <strong>Augen</strong>bewegung<br />

oder eine Kombination aus mehreren auslöst - nach<br />

oben, unten, rechts und so fort. Diese Bewegungen sind <strong>die</strong><br />

Schlüssel zu den Ablagearchiven in Ihrem Gehirn, in denen «<strong>die</strong><br />

63


Farbe des ersten Fahrrads» oder allgemein <strong>die</strong> Informationen<br />

abgelegt sind, nach denen Sie suchen. Es gibt keine «richtige»<br />

Richtung, in <strong>die</strong> Sie Ihre <strong>Augen</strong> bewegen müssen, aber <strong>die</strong><br />

meisten Menschen haben abhängig von der Art der gesuchten<br />

Information ein voraussagbares Bewegungsmuster. Ich zum Beispiel<br />

blicke nach oben links, um mich an <strong>die</strong> «Farbe des Fahrrads»<br />

zu erinnern, und nach oben rechts, um mir meine «Mutter mit<br />

hellgrünen Haaren» vorzustellen. Um mich zu erinnern, wie es<br />

sich anfühlt, eine Katze zu streicheln, schaue ich nach unten<br />

rechts, und nach der Melo<strong>die</strong> der Nationalhymne suche ich ganz<br />

weit links im Bereich meines Gesichtsfeldes.<br />

All unsere vergangenen Erfahrungen sind in <strong>die</strong>sen Ablagearchiven<br />

aufbewahrt, und wir wissen instinktiv, daß wir schmerzhafte<br />

und unangenehme Erfahrungen ausblenden können, indem<br />

wir das Bewegungsspektrum unserer <strong>Augen</strong> einschränken. Das<br />

Tragen einer Brille führt leicht zur Unterdrückung von natürlichen<br />

<strong>Augen</strong>bewegungen, und oft entwickeln wir <strong>die</strong> Angewohnheit,<br />

<strong>die</strong> Bewegung der <strong>Augen</strong> durch <strong>die</strong> des Kopfes zu ersetzen.<br />

Diese Verhaltensweisen sorgen da<strong>für</strong>, daß <strong>die</strong> schwierigen<br />

Gefühle, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Erinnerung wachgerufen werden könnten,<br />

in den Ablagearchiven eingesperrt bleiben. Andererseits kann ein<br />

übermäßiges Bewegen des Kopfes auch zu unnötigen Spannungen<br />

im Nacken- und Schulterbereich führen und sogar <strong>die</strong> Entwicklung<br />

von Astigmatismus fördern. Da ungenutzte Muskeln<br />

erschlaffen und ihren Tonus verlieren, geschieht <strong>die</strong>s auch mit den<br />

ungenutzten <strong>Augen</strong>muskeln, <strong>die</strong> hart und unbeweglich werden.<br />

Zugleich büßen wir auch den Zugang zu unseren authentischen<br />

Gefühlen ein.<br />

Viele Menschen haben mich in <strong>die</strong>sem Zusammenhang gefragt:<br />

«Was ist mit Kontaktlinsen? Sind sie nicht besser als eine Brille?<br />

Ganz egal, wohin man <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> dreht, sie blicken immer durch<br />

den optischen Mittelpunkt der Kontaktlinsen.» Das jedoch ist<br />

auch genau ihr Problem: Wenn man Kontaktlinsen den ganzen<br />

Tag trägt (wie es <strong>die</strong> meisten Menschen tun), dann können <strong>die</strong><br />

<strong>Augen</strong> niemals der vom Arzt verschriebenen einzigen Brennweite<br />

entkommen. Bei einer Brille haben <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> wenigstens <strong>die</strong><br />

64


Möglichkeit, ab und zu aus dem optischen Mittelpunkt fortzuwandern.<br />

Außerdem ist es komplizierter, Kontaktlinsen einzusetzen<br />

und wieder herauszunehmen. Weil es schwieriger ist, sie wirklich<br />

nur dann zu benutzen, wenn sie gebraucht werden, ist der Wechsel<br />

zur Brille <strong>für</strong> manchen Langzeitbenutzer bereits ein entscheidender<br />

Schritt, um sich Kontaktlinsen abzugewöhnen. Andere<br />

ziehen es vor, zunächst zu weichen Kontaktlinsen zu wechseln und<br />

dann langsam <strong>die</strong> Korrekturstärke zu reduzieren. Obwohl sie auf<br />

der sehtherapeutischen Ebene schwerer einzusetzen sind, finde<br />

ich doch, daß sich Kontaktlinsen <strong>für</strong> manche Menschen gut als<br />

Übergang zu einer schwächeren Sehhilfe eignen.<br />

Das Sehvermögen einfrieren<br />

Alle korrigierenden Sehhilfen erschweren und verhindern letztlich<br />

flexibles Sehen. Man könnte sagen, daß sie das wertvollste<br />

Talent unserer <strong>Augen</strong> zur Wüste verkommen lassen. Die <strong>Augen</strong><br />

können nur dann klar sehen, wenn sie beständig in Bewegung<br />

sind, sich dauernd an neue Entfernungen, Lichtgegebenheiten<br />

und so fort gewöhnen müssen. Wann immer wir unsere <strong>Augen</strong><br />

durch Starren oder das Fixieren des Brennpunkts ruhigstellen,<br />

sehen wir weniger klar. Hier folgt eine leichte Übung, <strong>die</strong> zeigt,<br />

was geschieht, wenn sich <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> nicht mehr bewegen: Entledigen<br />

Sie sich Ihrer Brille oder Ihrer Kontaktlinsen. Blicken Sie von<br />

der Buchseite auf, und schauen Sie auf einen Punkt oder einen<br />

Gegenstand, den Sie relativ klar erkennen können. Fixieren Sie<br />

den Punkt mit den <strong>Augen</strong>; erlauben Sie Ihren <strong>Augen</strong> nicht, sich zu<br />

bewegen. Blicken Sie den Gegenstand so lange, ohne zu blinzeln,<br />

an, bis sich das Bild verändert. Was geschieht mit der Klarheit und<br />

Ihrem Gesichtsfeld, während Sie weiterhin auf den Punkt starren?<br />

Die meisten Menschen machen <strong>die</strong> Erfahrung, daß sich bei<br />

längerem Hinstarren ein zunächst klares Bild langsam verzerrt<br />

und daß das Gesichtsfeld kleiner und trüber wird.<br />

Es ist natürlich <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>, in Bewegung zu sein. In der Tat<br />

65


hören sie tatsächlich erst dann auf, sich zu bewegen, wenn wir in<br />

ihr normales Funktionieren eingreifen und ein bestimmtes Sehen<br />

erzwingen. Wann immer wir ein Objekt intensiv und <strong>für</strong> längere<br />

Zeit fixieren, verzerrt sich das Bild, und das Gesichtsfeld wird<br />

kleiner. Diese einfache Tatsache ist beim Verstehen und bei der<br />

Heilung von Sehschwächen von enormer Bedeutung. Es ist <strong>die</strong><br />

Grundlage der Bates-Methode, des ersten Systems einer natürlichen<br />

Verbesserung der Sehkraft. William Bates ging davon aus,<br />

daß Sehschwächen durch ungesunde Sehgewohnheiten hervorgerufen<br />

werden und durch geistige und emotionale Anspannung<br />

beginnen: «Jede mentale Anstrengung, einerlei welcher Art,<br />

nicht zuletzt Erholungs- und Schlafmangel, verursacht eine<br />

bewußte oder unbewußte <strong>Augen</strong>anspannung, und wenn <strong>die</strong>se<br />

dazu führt, angestrengt sehen zu wollen, so entsteht immer ein<br />

Brechungsfehler. (...) Unbekannte Sehobjekte rufen Sehanstrengungen<br />

und als Folge Brechungsfehler hervor, weil ihr<br />

Anblick zunächst dem Auffassungsvermögen Mühe und Anstrengung<br />

bereitet.» 3<br />

Könnte hierin der Grund da<strong>für</strong> liegen, daß so viele Menschen<br />

sagen, ihr Sehvermögen würde während einer <strong>Augen</strong>untersuchung<br />

nachlassen? Dr. Bates gibt ein Beispiel: «Ein Schüler las<br />

leicht und spielend <strong>die</strong> unterste Zeile der drei Meter entfernten<br />

Sehtafel, als aber <strong>die</strong> Lehrerin ihm befahl, aufzupassen, konnte er<br />

das große C, der Buchstabe, der bei normalem Sehen aus sechzig<br />

Metern Entfernung gelesen werden kann, nicht mehr deutlich<br />

erkennen.» 4<br />

Der Schriftsteller Aldous Huxley wurde durch <strong>die</strong> Bates-Methode<br />

auf wundersame Weise von einer Fastblindheit geheilt.<br />

Danach schrieb er Die Kunst des Sehens, ein ausgezeichnetes<br />

Buch über <strong>die</strong> Verbesserung des Sehvermögens. Huxley schildert<br />

den Prozeß, der zu mangelhaftem Sehen führt, wie folgt:<br />

66<br />

In unserem Übereifer [zu sehen], machen wir unbewußt unsere<br />

<strong>Augen</strong> unbeweglich... Das Ergebnis ist, daß wir auf den Teil<br />

des Blickfeldes, den wir wahrzunehmen versuchen, zu starren<br />

beginnen. Wer aber starrt, betrügt sich selbst; denn statt mehr


zu sehen schwächt er durch <strong>die</strong> Immobilisierung seiner Sinnesorgane<br />

... automatisch seine Sehkraft. Diese ist, wie wir gelernt<br />

haben, von der ständigen Bewegung der wahrnehmenden <strong>Augen</strong><br />

abhängig, wie auch von der Beweglichkeit des auswählenden<br />

und erkennenden Verstandes.<br />

Dazu kommt, daß das Starren ... immer von übermäßiger und<br />

ununterbrochener Spannung begleitet ist, <strong>die</strong> wiederum ein<br />

Gefühl der psychischen Überanstrengung hervorruft. Wo aber<br />

übermäßige und ununterbrochene Spannung herrscht, ist eine<br />

normale Funktion unmöglich... Um <strong>die</strong> Folgen der Funktionsstörung<br />

loszuwerden, starrt [<strong>die</strong> Person] noch mehr und sieht<br />

trotz verstärkter Anstrengung immer weniger. Und so geht es<br />

endlos weiter. 5<br />

Korrekturlinsen, insbesondere Kontaktlinsen, legen unsere<br />

<strong>Augen</strong> auf einen einzigen unverrückbaren Brennpunkt fest, der<br />

jede visuelle Aufgabe erfüllen muß - ein Brennpunkt, der bestimmt<br />

wird in einer Situation, in der sich unsere <strong>Augen</strong> auf ihrem<br />

niedrigsten Leistungsniveau befinden. Brauchen wir tatsächlich<br />

<strong>für</strong> das Lesen eines Buches am Strand eine ebenso starke Brille<br />

wie <strong>für</strong> eine nächtliche Autofahrt? Nein! Wenn Sie den ganzen<br />

Tag Ihre Kontaktlinsen tragen, dann sind Ihre <strong>Augen</strong> den ganzen<br />

Teil des Tages, den Sie wach verbringen, auf den Brennpunkt<br />

eingestellt, den Ihr <strong>Augen</strong>arzt festgelegt hat, indem er Ihnen<br />

Fragen gestellt hat, <strong>die</strong> Ihr Körper gar nicht erst verstanden hat.<br />

(Manche ganzheitlich orientierten Optometristen werden Ihnen<br />

Bifokalbrillen verschreiben, damit Sie <strong>für</strong> kurze Distanzen eine<br />

geringere Korrektur haben als <strong>für</strong> große. Das ist ein Schritt in <strong>die</strong><br />

richtige Richtung.)<br />

Wie Huxley sagt: «Es ist offensichtlich, daß das Tragen einer<br />

Brille <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> zu rigider und unwandelbarer struktureller<br />

Bewegungslosigkeit verurteilt. In <strong>die</strong>ser Hinsicht ähneln <strong>Augen</strong>gläser<br />

nicht etwa Krücken..., sondern eher Schienen, Eisenklammern<br />

und Gipsverbänden.» Wenn Sie sich ein Bein brechen<br />

würden, wären Sie dann bereit, <strong>für</strong> den Rest Ihres Lebens einen<br />

Gips oder eine Schiene zu tragen? Je länger wir korrigierende<br />

67


Brillengläser benutzen, desto mehr verlieren unsere <strong>Augen</strong> ihr<br />

nicht genutztes Flexibilitätsspektrum und desto weniger sehen wir<br />

ohne unsere visuell stützenden Krücken.<br />

Aber damit noch nicht genug. Unser Körper-Geist-System<br />

übersetzt <strong>die</strong>se visuelle Einschränkung sofort in eine emotionale,<br />

mentale und energetische Beschränkung. Wir bleiben psychologisch<br />

in einem fixierten Blick auf <strong>die</strong> Welt, <strong>die</strong> uns wie eine<br />

Sammlung kleiner Details erscheint, stecken. Unser geistiges<br />

Auge fängt an, <strong>die</strong> alte Weltsicht zu verkörpern: «Fühle nichts.<br />

Drücke nichts aus. Denke nicht selbst. Folge einfach den<br />

Regeln.» Unser visuelles «Stützkorsett» scheint sich hervorragend<br />

zu eignen, um uns ein Leben lang in dem alten Paradigma<br />

festzuhalten, und solange wir es benutzen, wird es uns sehr viel<br />

schwerer fallen, unsere selbstgeschaffenen Grenzen zu überwinden.<br />

68


Offener Fokus: Setzen Sie <strong>die</strong> Sehkraft<br />

Ihrer <strong>Augen</strong> frei!<br />

Sie sehen, aber Sie beobachten nicht aufmerksam.<br />

Sherlock Holmes<br />

Jetzt, da mir klargeworden war, wie unangenehm sich meine<br />

Brille anfühlte, war ich sogar noch mehr motiviert, so viel Zeit<br />

wie möglich ohne sie zu verbringen. Bisher hatte ich etwa eine<br />

halbe Stunde jeden Tag auf meine Brille verzichtet, also verlängerte<br />

ich <strong>die</strong>sen Zeitraum und begann, auch einen Teil meiner<br />

täglichen Arbeit ohne sie zu tun. Nach drei oder vier Wochen<br />

untersuchte ich meine <strong>Augen</strong> erneut. Ich unterwarf mich wieder<br />

der standardisierten Testfolge, saß hinter dem Testgerät und<br />

fragte mich selbst: «Was ist besser, Nummer eins oder Nummer<br />

zwei?» Die Untersuchungsergebnisse zeigten, daß mein Sehvermögen<br />

erneut zugenommen hatte! Ich konnte besser sehen als<br />

noch vor einem Monat. Also reduzierte ich ein zweites Mal meine<br />

Brillenstärke.<br />

Einen Monat später schien es mir so, als ob ich noch deutlicher<br />

sehen würde, als ich jedoch meine <strong>Augen</strong> testete, stellte ich<br />

überrascht fest, daß keine Veränderung eingetreten war. Das<br />

war sehr verwirrend, denn ich ging davon aus, daß <strong>die</strong> Verbesserung<br />

meines Sehvermögens durch <strong>die</strong> Verschreibung schwächerer<br />

Brillengläser bestätigt werden müsse. Noch rätselhafter war<br />

es, daß sich meine <strong>Augen</strong> tatsächlich während des Tests verschlechterten.<br />

Was hatte das zu bedeuten? Ich fragte mich, ob<br />

vielleicht <strong>die</strong> Testsituation eine physiologische Streßsituation<br />

69


geschaffen hatte, <strong>die</strong> sich auf meine Fähigkeit, klar zu sehen,<br />

auswirkte.<br />

Obwohl ich meine Gläserstärke nicht weiter senken konnte,<br />

verlängerte ich auch weiterhin den Zeitraum ohne Brille, bis ich<br />

schließlich den ganzen Tag ohne sie verbrachte. Meine Sehleistung<br />

betrug noch immer nicht 100%, aber ich konnte gut genug<br />

sehen, um zu erkennen, ob meine Patienten <strong>die</strong> Sehprobentafel<br />

richtig ablasen. Allerdings war mir nicht klar, wie ich an <strong>die</strong>sem<br />

Punkt mit dem Experiment fortfahren sollte. Die Testgeräte<br />

legten mir nahe, meinen eigenen <strong>Augen</strong> nicht zu trauen. Alles,<br />

was ich gelernt hatte, sagte mir, daß ich unmöglich besser sehen<br />

konnte, wenn ich nicht zugleich auch eine schwächere Brille<br />

brauchte, und doch war es so. Der Widerspruch zwischen meiner<br />

Selbsteinschätzung und meiner beruflichen Erfahrung schien mir<br />

unauflösbar. Mir war nicht klar, daß das, was ich herauszufinden<br />

im Begriff stand, meine tiefsten Überzeugungen verändern<br />

würde, und nicht nur jene, <strong>die</strong> das Sehen betrafen.<br />

Es fing alles damit an, daß ich mich eines Tages mutig genug<br />

fühlte, um ohne meine Brille Auto zu fahren. Ich konnte es nicht<br />

fassen: Es war überhaupt kein Problem! Ich kam einem anderen<br />

Auto nicht einmal nahe. Meine Brillenstärke hatte sich noch<br />

immer nicht geändert, aber das war mir egal - es fühlte sich<br />

einfach so befreiend an, nach all <strong>die</strong>sen Jahren ohne Brille zu<br />

fahren und zu arbeiten.<br />

Ein paar Tage später - ich war wieder im Auto auf dem Weg<br />

zur Arbeit - bekam ich plötzlich hämmernde Kopfschmerzen.<br />

Das war ungewöhnlich, weil ich selten unter Kopfschmerzen<br />

leide. Ein paar Minuten später war der pochende Schmerz plötzlich<br />

verschwunden. Als ich mich noch fragte, warum er so von<br />

einem auf den anderen <strong>Augen</strong>blick verschwunden war, kehrte er<br />

mit einem Mal zurück. Auch weiterhin kam und ging der Kopfschmerz<br />

ebenso plötzlich, und mir wurde klar, daß ich erst etwas<br />

tat, um ihn hervorzurufen, und dann, um ihn aufzulösen. Es fiel<br />

mir auf, daß der Kopfschmerz zunahm, wann immer ich versuchte,<br />

ihn zu analysieren. Während ich also <strong>die</strong> Straße entlangfuhr,<br />

experimentierte ich mit verschiedenen Bewußtseins-<br />

70


zuständen, bis es mir gelang, immer größere Zeitabschnitte<br />

schmerzfrei zu bleiben. Dann fiel mir plötzlich auf, daß mein<br />

Sehvermögen kristallklar war. Ich konnte jedes kleinste Detail<br />

erkennen, und alles was ich sah, schien vor Leben zu vibrieren -<br />

sogar <strong>die</strong> Luft selbst schien mit funkelnden kleinen Energiepartikeln<br />

aufgeladen zu sein. Nach ein paar <strong>Augen</strong>blicken in <strong>die</strong>sem<br />

Zustand waren meine Kopfschmerzen vollkommen verschwunden.<br />

Ich kam mit einem wunderbaren Gefühl an meinem Arbeitsplatz<br />

an.<br />

Ich wußte nicht, was geschehen war. Es hatte sich so angefühlt,<br />

als ob ich irgendwie mit etwas außerhalb meines Kopfes gesehen<br />

hatte. Ich beschrieb das Gefühl einem meiner Kollegen, und er<br />

schlug vor, ich solle meine <strong>Augen</strong> überprüfen lassen, um sicherzugehen,<br />

daß kein medizinischer Befund vorlag. Es fühlte sich nicht<br />

so an, als ob irgend etwas mit meinen <strong>Augen</strong> nicht in Ordnung sei,<br />

und ich hatte gelernt, meinen eigenen Erfahrungen mehr und<br />

mehr zu vertrauen. Jedesmal, wenn ich mich ins Auto setzte,<br />

versuchte ich <strong>die</strong>sen Zustand wieder wachzurufen. Ich nannte ihn<br />

Offener Fokus®*, weil er mein Gesichtsfeld öffnete wie ein<br />

Weitwinkelobjektiv. Außerdem fühlte es sich so an, als ob meine<br />

Wahrnehmungsfähigkeit nicht auf meine physischen <strong>Augen</strong><br />

beschränkt sei.<br />

Normalerweise verhält es sich mit dem Sehen so wie mit einem<br />

Suchscheinwerfer. Wie <strong>die</strong> meisten Menschen hatte ich mich<br />

immer auf ein Ding im Leben konzentriert. Mal war es beruflicher<br />

Erfolg, das Geldver<strong>die</strong>nen oder das Finden der richtigen Partnerin.<br />

Doch jedesmal, wenn ich nach dem einen suchte, verpaßte ich<br />

alles andere. Es kam mir so vor, als ob <strong>die</strong> wirklich wichtigen<br />

* Offener Fokus (Open Fokus) ist ein Warenzeichen im Besitz der Biofeedback<br />

Computers Incorporated. Ich habe vor kurzem herausgefunden, daß <strong>die</strong>ser<br />

Begriff von Dr. Les Fehmi eingetragen wurde und daß er ihn seit Jahren<br />

benutzt. Seine Herangehensweise ist meiner ähnlich, obwohl er den visuellen<br />

Aspekt der offenen Brennweite nicht hervorhebt. Sie können sich mit ihm in<br />

Verbindung setzen, um bei ihm ein Handbuch und Kassetten zu bestellen, <strong>die</strong><br />

Sie darin unterstützen, den Zustand des Offenen Fokus' aufrechtzuerhalten<br />

(siehe Anhang A).<br />

71


Erfahrungen - <strong>die</strong> Wunder - immer das waren, wonach ich nicht<br />

suchte. Wenn ich also alles andere übersah, weil ich nach einer<br />

Sache forschte, dann, so überlegte ich mir, sollte ich vielleicht<br />

nach gar nichts suchen, um alles zu sehen.<br />

Offener Fokus heißt, nach nichts zu suchen und alles zu sehen.<br />

Diese Sehweise löst <strong>die</strong> Diskrepanz auf zwischen dem, was wir zu<br />

suchen meinen, und dem, wonach wir nicht suchen. Sie gestattet<br />

es unseren <strong>Augen</strong>, sich wie von selbst von dem Bereich unseres<br />

Gesichtsfelds anziehen zu lassen, der in <strong>die</strong>sem <strong>Augen</strong>blick der<br />

Aufmerksamkeit bedarf. Normalerweise handelt es sich dabei<br />

nicht um das Objekt, auf das wir unsere <strong>Augen</strong> sonst scharf<br />

einstellen würden.<br />

Versuchen Sie einmal Folgendes: Entledigen Sie sich Ihrer<br />

Brille oder Ihrer Kontaktlinsen. (Es ist sehr viel schwieriger, sich<br />

auf <strong>die</strong> Sehweise Offener Fokus mit optischen Hilfsmitteln einzustellen.)<br />

Dann blicken Sie auf und suchen sich einen Punkt, auf<br />

den Sie Ihre <strong>Augen</strong> ausrichten. Einen Moment lang fixieren Sie<br />

<strong>die</strong>sen Punkt und versuchen, ihn wirklich scharf zu sehen. Dann<br />

entspannen Sie Ihren Blick und betrachten den Punkt ganz weich.<br />

Achten Sie darauf, daß Sie weniger sehen, je mehr Sie sich auf den<br />

Punkt konzentrieren. Vielleicht bemerken Sie, indem Sie den<br />

Punkt angestrengt fixieren, daß Ihr peripheres Sehvermögen<br />

trüber wird und sich einengt.<br />

Jetzt blicken Sie den gleichen Punkt oder das Objekt an, ohne<br />

Ihre <strong>Augen</strong> darauf auszurichten oder zu fixieren. Machen Sie sich<br />

Ihren Atem und Ihren Körper bewußt. Achten Sie darauf, wie<br />

sich Ihre <strong>Augen</strong> anfühlen - müde, angespannt, taub? Atmen Sie<br />

tief ein und aus, und lassen Sie alle Anspannung in Ihrem Körper<br />

los. Gestatten Sie Ihrem Blick, weicher und weiter zu werden, bis<br />

Sie nicht mehr nur das eigentliche Objekt, sondern auch alles in<br />

seiner Umgebung sehen. Dann beobachten Sie, wie Sie Ihren<br />

Blick noch weiter ausdehnen können, bis Sie alles in Ihrem<br />

Gesichtsfeld wahrnehmen, noch immer ohne sich auf ein<br />

bestimmtes Objekt zu konzentrieren und ohne den Bewegungen<br />

Ihrer <strong>Augen</strong> Zügel anzulegen.<br />

Alles was Sie sehen, ist gleichermaßen wichtig. Jetzt können<br />

72


Ihre <strong>Augen</strong> ihre Aufmerksamkeit auf etwas lenken, was wirklich<br />

von ganz besonderer Bedeutung ist.<br />

Obwohl Sie vielleicht nicht sofort eine Veränderung in der<br />

Klarheit Ihres Sehvermögens feststellen, so ist doch <strong>die</strong>ser Offene<br />

Fokus <strong>die</strong> mühelose Art des Sehens <strong>für</strong> <strong>die</strong> Ihre <strong>Augen</strong>, geschaffen<br />

wurden. Achten Sie, während Sie <strong>die</strong> Sehweise Offener Fokus<br />

praktizieren, darauf, wie Ihre <strong>Augen</strong> beständig in Bewegung sind<br />

und niemals stillstehen. Diese <strong>Augen</strong>bewegungen sind der<br />

instinktive Tanz des Sehens, das Aufsuchen dessen, was im<br />

dynamischen Fluß des Lebens Ihrer Aufmerksamkeit bedarf.<br />

Diese Sehweise führt Sie immer automatisch zum nächsten<br />

Aspekt des Lebens, der betrachtet werden sollte - Sie müssen sich<br />

nie selbst fragen: «Was ist als nächstes dran?»<br />

Warum sehen wir normalerweise mit intensiver, fixierter Konzentration<br />

(was durch das gewohnheitsmäßige Tragen einer Sehhilfe<br />

noch verstärkt wird)? Warum strengen wir uns <strong>für</strong> etwas so<br />

an, was so leicht sein sollte? Zum einen wird uns als Kinder<br />

beigebracht, uns zu konzentrieren, uns noch mehr anzustrengen,<br />

noch mehr Mühe zu geben. Wenn wir das tun, spannen sich unsere<br />

<strong>Augen</strong> an, unser Sehfeld schrumpft, und wir sehen weniger- also<br />

müssen wir uns noch mehr bemühen. Dabei handelt es sich um<br />

den Prozeß, der nach Huxleys Auffassung wie in einer Spirale<br />

«endlos weitergeht» - «Fehlfunktion und Anstrengung», <strong>die</strong> entweder<br />

beginnen «durch Versessenheit auf gutes Gelingen oder<br />

durch unnötige Ängstlichkeit gegenüber möglichen Fehlern.» 1<br />

Um sich mehr anzustrengen, muß das Objekt stärker fixiert<br />

werden. Je mehr wir fixieren, desto mehr beschränken wir uns auf<br />

zentrales Sehen, den Aspekt unseres inneren Auges, der sich auf<br />

Bewertung und Analyse begrenzt. Offener Fokus gestattet <strong>die</strong>sem<br />

unbarmherzigen Analysieren zurückzutreten und macht dem<br />

Empfindungssinn Platz, der uns mehr als zuvor sehen und besser<br />

verstehen läßt.<br />

Offener Fokus hat <strong>die</strong> entgegengesetzte Wirkung der Verengung,<br />

<strong>die</strong> erfolgt, wann immer Sie Ihre Brille gebrauchen oder<br />

Ihre Kontaktlinsen einsetzen. Ich habe festgestellt, daß es beinahe<br />

unmöglich ist, mit Offenem Fokus zu sehen, wenn man dabei<br />

73


Korrekturlinsen trägt, weil <strong>die</strong> Testsituation, aufgrund derer eine<br />

Sehhilfe verschrieben wird, dazu zwingt, das Blickfeld auf einen<br />

Punkt hin zu verengen. Das Sehen mit Offenem Fokus kehrt <strong>die</strong><br />

gewöhnlich einschrumpfende und verengende Wirkung aller Sehhilfen<br />

um. Es erweitert und entspannt alle Ebenen des Bewußtseins<br />

- <strong>die</strong> visuelle, mentale, physische, emotionale und <strong>die</strong><br />

energetische.<br />

Künstler kannten schon immer das Sehen mit Offenem Fokus.<br />

Ein Maler wird dann und wann von seinem Werk zurücktreten<br />

und es aus der Entfernung betrachten. Haben Sie sich je gefragt,<br />

was er dann sieht? Tatsächlich schaut er nicht etwas Bestimmtes<br />

an, sondern er öffnet seinen Fokus, weitet seine Wahrnehmung<br />

und gestattet seinen <strong>Augen</strong>, das Bild als Ganzes zu sehen. Er<br />

weiß, daß seine <strong>Augen</strong>, wenn er das Bild mit Offenem Fokus<br />

betrachtet, sofort von der Stelle angezogen werden, <strong>die</strong> nicht in<br />

den Fluß des Ganzen paßt und noch weiterer Aufmerksamkeit<br />

bedarf. Tritt er zurück und seine <strong>Augen</strong> werden nicht von einem<br />

bestimmten Punkt gefangengenommen, dann ist das Gemälde<br />

vollendet.<br />

Die Sehweise Offener Fokus kann man auch als «nicht-wertendes<br />

Sehen» bezeichnen, weil es eine Art des Sehens ist, <strong>die</strong> allem<br />

Sichtbaren <strong>die</strong> gleiche Bedeutung zumißt. Sie nehmen dann nicht<br />

nur <strong>die</strong> Menschen und Objektive wahr, auf <strong>die</strong> Sie sich normalerweise<br />

konzentrieren würden, sondern auch <strong>die</strong> «unwichtigen»<br />

Dinge, <strong>die</strong> Sie in der Regel leicht übersehen - auch sich selbst als<br />

den Sehenden! -, wenn Sie sich auf <strong>die</strong> analytische, fokussierende<br />

Sehweise beschränken. Wie oft nehmen Sie sich bei Ihrer alltäglichen<br />

Sehweise selbst als den Sehenden wahr? Offener Fokus<br />

heißt, wie in der Meditation zu sehen, ohne den Betrachter von<br />

den betrachtenden Objekten zu trennen. Sie können sogar Ihr<br />

Bewußtsein mit dem, was Sie sehen, verschmelzen lassen. Wenn<br />

ich zum Beispiel in Ihre Richtung blicke, dann weiß ich mitunter<br />

vielleicht nicht mehr, ob ich ich bin, der ich zu Ihnen hinaussehe,<br />

oder ob ich Sie bin, der zu mir hineinsieht. Es kann so scheinen,<br />

als ob mein Sehen von Ihren <strong>Augen</strong> ausgeht.<br />

Vielleicht wollen Sie das Sehen mit Offenem Fokus mit einem<br />

74


Freund ausprobieren, um <strong>die</strong>se Erfahrung selbst zu machen.<br />

Wählen Sie dann Zeit und Ort so, daß Sie nicht gestört werden<br />

können. Nehmen Sie einander gegenüber Platz; machen Sie es<br />

sich bequem. Bemühen Sie sich nicht, eine besondere Wirkung<br />

oder den Blick in <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> Ihres Gegenüber zu erzwingen.<br />

Beschränken Sie sich darauf, einfach nur wahrzunehmen, was<br />

geschieht, wenn Sie mit einem Übungspartner in der Sehweise<br />

Offener Fokus vollkommen anwesend sind. Nehmen Sie sich<br />

mehrere Minuten lang Zeit, schweigend zu üben, dann teilen Sie<br />

einander Ihre Erfahrungen mit.<br />

Beim Sehen mit Offenem Fokus ist weder <strong>die</strong> Person, <strong>die</strong> Sie<br />

ansehen, noch <strong>die</strong> Wand hinter ihr von größerer Wichtigkeit. Das,<br />

wovon Ihre <strong>Augen</strong> sanft angezogen werden, ist in jedem <strong>Augen</strong>blick<br />

das Wichtigste, und Ihre Aufmerksamkeit ist ständig in<br />

Bewegung. Der Bühnenautor John Osborne sagt, daß wir einen<br />

Hang dazu haben, «den größten Teil [unserer] Zeit damit zuzubringen,<br />

nach vorn in <strong>die</strong> Vergangenheit zu blicken». Regelmäßiges<br />

Üben der Sehweise Offener Fokus ist eine wunderbare Art,<br />

das bewußte Sein im <strong>Augen</strong>blick zu üben, das uns zu munteren,<br />

offenen und beweglichen Menschen macht. Beim Sehen mit<br />

Offenem Fokus merken Sie, wenn Sie aus dem <strong>Augen</strong>blick<br />

zurückgetreten sind, weil Ihre <strong>Augen</strong> dann an einem Punkt<br />

festmachen, und Sie können <strong>die</strong>s als Hinweis nutzen, um wieder<br />

zu offener Aufmerksamkeit zurückzukehren. Wie andere Meditationsformen<br />

vermag auch das Sehen mit Offenem Fokus, Ihnen<br />

bereits nach ein paar Minuten täglichen Übens eine neue Perspektive<br />

auf vertraute Erfahrungen zu schenken.<br />

Zum Himmel werden<br />

Als ich <strong>die</strong> Sichtweise des Offenen Fokus' entdeckt hatte, meditierte<br />

ich zunächst jeden Tag. Manchmal verlor ich mich in tiefer<br />

Meditation - mein Bewußtsein schien einfach zu verschwinden.<br />

Während eines <strong>die</strong>ser tiefen meditativen Bewußtseinszustände<br />

75


machte ich eine tiefgründige und überraschende Erfahrung. Obwohl<br />

meine <strong>Augen</strong> geschlossen waren, konnte ich plötzlich alles<br />

sehen - den ganzen Raum und mich selbst in ihm -, und ich wußte<br />

nicht, von wo aus ich <strong>die</strong>s sah! Ich sah nicht von meinen <strong>Augen</strong><br />

oder überhaupt von einem einzelnen Wahrnehmungspunkt aus.<br />

Es schien mir so, als würde ich alles von überallher sehen. Es war<br />

mir, als hätte ich <strong>Augen</strong> in jeder Zelle meines Körpers und in<br />

jedem Gegenstand meines Umfelds. Ich erblickte den Raum<br />

gleichzeitig von oben, von der Seite, von unten, von hinten und so<br />

fort. Es fühlte sich so an, als sei ich zum Himmel geworden.<br />

Von wo aus sehen wir, und wer sieht? Gibt es wirklich einen<br />

einzelnen Teil in uns, der uns sehen macht? In meiner meditativen<br />

Erfahrung, wie auch beim Sehen mit Offenem Fokus, schien es<br />

keinen von dem Gesehenen trennbaren Betrachter zu geben. Es<br />

gab einfach nur Bewußtheit. Jede Zelle innerhalb und außerhalb<br />

von mir enthielt den Anblick des Ganzen. Als mein Sein mit<br />

<strong>die</strong>sem multidimensionalen Netzwerk verschmolz, hatte ich eine<br />

quantensprunghafte Erkenntnis: Wir sehen nicht mit unseren<br />

<strong>Augen</strong>!<br />

Nach der Meditation kehrte ich zu meiner normalen Art des<br />

Sehens - mit meinen <strong>Augen</strong> - zurück, aber auch danach war mein<br />

Sehvermögen außerordentlich klar. Ich <strong>für</strong>chtete, daß <strong>die</strong>ses<br />

Wundersehen so schnell verschwinden würde, wie es gekommen<br />

war, also fuhr ich mit dem Wagen in meine Praxis, um so rasch wie<br />

möglich meine <strong>Augen</strong> zu überprüfen. Ich ging in den Untersuchungsraum,<br />

doch bevor ich mich vor das Testgerät setzte, hängte<br />

ich <strong>die</strong> Sehprobentafel auf und las aus der vorgeschriebenen<br />

Entfernung von sechs Metern problemlos bis noch unter <strong>die</strong><br />

6/6-Zeile - also überdurchschnittliche Sehschärfe! Natürlich<br />

kannte ich <strong>die</strong> übliche Sehprobentafel recht gut, aber ich besaß<br />

auch eine Vielzahl anderer Tafeln mit jeder Art unbekannter<br />

Testzeichen. Ich projizierte sie eine nach der anderen an <strong>die</strong><br />

Wand, bis ich mir des Ergebnisses absolut sicher war. Ja, es gab<br />

keinen Zweifel: Ich sah tatsächlich mit vollkommener Klarheit.<br />

Ich hatte eine vollkommene Remission meiner Kurzsichtigkeit<br />

und meines Astigmatismus erfahren.<br />

76


Dann setzte ich mich hinter das Testgerät. Was als nächstes<br />

geschah, war ein großer Schock <strong>für</strong> mich. Wie <strong>die</strong> Male davor<br />

vollzog ich an mir all <strong>die</strong> Standarduntersuchungen und mußte<br />

feststellen, ich kam zu der gleichen Brillenverschreibung wie<br />

zuvor! Die Ergebnisse der <strong>Augen</strong>untersuchung zeigten, daß<br />

meine <strong>Augen</strong> noch immer ganz erheblich kurzsichtig und astigmatisch<br />

waren, und doch hatte ich jede Sehprobentafel in der Praxis<br />

fehlerlos bis eine Zeile unter 6/6 gelesen! Ich war verblüfft. Wie<br />

konnte das sein? Wenn meine Brillenverschreibung sich nicht<br />

geändert hatte, wieso konnte ich dann <strong>die</strong> Testzeichen auf den<br />

Tafeln erkennen? Um es mit den unsterblichen Worten von<br />

Sherlock Holmes auszudrücken - sobald «man das Unmögliche<br />

ausgeschlossen hat, muß das, was übrigbleibt, wie unwahrscheinlich<br />

es auch sein mag, <strong>die</strong> Wahrheit sein». Als einzige Erklärung<br />

fiel mir ein, daß sich mein Sehvermögen von meinen <strong>Augen</strong><br />

losgelöst haben mußte.<br />

Ich hatte keinerlei Vorstellung, wie sich denn meine Sehkraft<br />

auf <strong>die</strong>se Weise verbessert haben konnte, und es vergingen<br />

mehrere Jahre, bevor mir klar wurde, daß Sehen tatsächlich nicht<br />

in einem isolierten Körperorgan stattfindet. Die Fähigkeit des<br />

Sehens ist im Körper-Geist-System als Ganzem präsent. Jacques<br />

Lusseyran, ein französischer Schriftsteller, Philosoph und Widerstandskämpfer,<br />

der sein <strong>Augen</strong>licht durch einen Unfall in seiner<br />

Kindheit verloren hatte, hat <strong>die</strong>ses Phänomen ebenfalls erfahren.<br />

Kürz nach seinem Unfall stellte er fest, daß er noch immer sehen<br />

konnte, obwohl sein <strong>Augen</strong>licht vollkommen ausgelöscht war. In<br />

seiner Autobiographie, Das wiedergefundene Licht, erzählt er,<br />

was geschah, nachdem <strong>die</strong> Bandagierung seiner <strong>Augen</strong> entfernt<br />

worden war:<br />

Die Menschen um mich herum ... sagten mir, Blindsein bedeute<br />

Nichtsehen. Aber wie konnte ich ihnen Glauben schenken,<br />

da ich doch sah? Nicht sofort, das gebe ich zu. (...) Denn<br />

damals wollte ich noch meine <strong>Augen</strong> gebrauchen, mich von<br />

ihnen leiten lassen. Ich blickte in <strong>die</strong> Richtung, in <strong>die</strong> ich vor<br />

dem Unfall zu blicken pflegte ... Eines Tages jedoch ... merkte<br />

77


ich, daß ich ganz einfach falsch sah, daß ich einen Fehler<br />

machte, wie einer, der <strong>die</strong> Brille wechselt, weil sich sein Auge<br />

den Gläsern nicht anpassen wollte. Ich blickte zu sehr in <strong>die</strong><br />

Ferne und vor allem zu sehr auf <strong>die</strong> Oberfläche der Dinge. ...<br />

Ich begann, mehr aus der Nähe zu schauen. Aber nicht an <strong>die</strong><br />

Dinge ging ich näher heran, sondern an mich selbst. ... Ich sah<br />

das Licht. Ich sah es noch, obwohl ich blind war ... Das<br />

Erstaunliche war, daß es <strong>für</strong> mich keineswegs Magie war,<br />

sondern eine Tatsache, <strong>die</strong> ich ebensowenig hätte ableugnen<br />

können, wie jene, <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> haben, leugnen können, daß sie<br />

sehen. 2<br />

Ich ging auf einer mit Bäumen gesäumten Landstraße, und ich<br />

konnte auf jeden der Bäume entlang der Straße zeigen, selbst<br />

wenn <strong>die</strong>se nicht in regelmäßigen Abständen gepflanzt waren.<br />

Ich wußte, ob <strong>die</strong> Bäume gerade und hoch waren, ob sie ihre<br />

Äste trugen wie ein Körper seinen Kopf oder ob sie, zu Dickicht<br />

verfilzt, den Boden rings umher bedeckten...<br />

Zahlreiche Überlieferungen über okkulte Erscheinungen berichten<br />

sogar, daß der Mensch über ein drittes Auge verfügt, ein<br />

inneres Auge..., das sich auf der Mitte seiner Stirn befindet...<br />

[Der Wissenschaftler] Jules Romain [hat] gezeigt, daß es auch<br />

eine außerhalb der Retina liegende visuelle Aufnahmefähigkeit<br />

gibt, <strong>die</strong> ihren Sitz in gewissen Nervenzentren der Haut hat,<br />

vornehmlich in den Händen, der Stirn, im Nacken und auf der<br />

Brust. Ich hörte vor kurzem, daß <strong>die</strong>selben Untersuchungen<br />

mit dem größten Erfolg nunmehr auch von Physiologen durchgeführt<br />

worden seien, namentlich in der UdSSR.<br />

Indes, was immer <strong>die</strong> Natur des Phänomens sein mag: ... seine<br />

Bedingungen erscheinen mir wichtiger als seine Ursache. 3<br />

Lusseyrans Erfahrung wird in der Geschichte von «Sarah» bestätigt,<br />

wie sie von Larry Dossey in seinem Buch Recovering the<br />

Soul 4 (Die Wiedererlangung der Seele) berichtet wird. Sarah<br />

erwachte nach einer Gallenblasenoperation, während der sie<br />

einen momentanen Herzstillstand erlitten hatte, aus der Narkose<br />

mit einer «klaren, detaillierten Erinnerung an <strong>die</strong> von Verzweif-<br />

78


lung geprägten Gespräche zwischen den Chirurgen und den Krankenschwestern<br />

während ihres Herzstillstands; an den Operationssaal;<br />

<strong>die</strong> Kritzeleien auf dem Operationsplan...; an <strong>die</strong> Farbe der<br />

Tücher, welche den Operationstisch bedeckten; an <strong>die</strong> Frisur der<br />

Krankenschwester, <strong>die</strong> ihr <strong>die</strong> Haare gewaschen hatte; <strong>die</strong> Namen<br />

der Chirurgen, ... <strong>die</strong> in ihrem Aufenthaltsraum auf das Ende<br />

ihrer Operation warteten; und sogar an <strong>die</strong> triviale Tatsache, daß<br />

ihr Anästhesist ... verschiedenfarbige Socken trug».<br />

Obwohl <strong>die</strong> <strong>für</strong> Sarah zuständige Krankenschwester feststellte,<br />

daß «seltsame Geschichten» nach einer Anästhesie nicht ungewöhnlich<br />

waren, ist doch der erstaunlichste Aspekt von Sarahs<br />

Fall <strong>die</strong> Tatsache, daß sie seit ihrer Geburt vollkommen blind ist!<br />

Ihre Erfahrung hat ihr auf lebhafte Weise klargemacht, daß «es<br />

mehr als eine Art des Sehens gibt. (...) Mein Sehvermögen kann<br />

sich nicht vollständig in meinem Körper befinden ... und es kann<br />

sich nicht wirklich auf meine <strong>Augen</strong> und mein Gehirn beschränken.<br />

Als mein Körper während des Herzstillstands in seiner<br />

Funktion am meisten gestört war, liefen meine Sinne zu<br />

Höchstleistungen auf!»<br />

Lusseyran und Sarah konnten sehen, obwohl ihre <strong>Augen</strong> blind<br />

sind. Es gibt auch Menschen, <strong>die</strong> trotz funktionstüchtiger <strong>Augen</strong><br />

nicht sehen können. In seinem faszinierenden Buch Die gemeinsame<br />

Geschichte von Licht und Bewußtsein beschreibt der Naturwissenschaftler<br />

Arthur Zajonc <strong>die</strong> erstaunlichen Schwierigkeiten,<br />

auf <strong>die</strong> Menschen stoßen, <strong>die</strong> als Kinder nicht gelernt haben zu<br />

sehen, und erst als Erwachsene ihr <strong>Augen</strong>licht zurückgewinnen<br />

konnten:<br />

In einer systematischen Untersuchung an 66 Fallgeschichten<br />

von Patienten, <strong>die</strong> von angeborener Blindheit geheilt werden<br />

konnten, gelangte Marius von Senden zu dem Schluß, daß<br />

solche Menschen unzählige und enorme Schwierigkeiten überwinden<br />

müssen, um sehen zu lernen. Für sie ist <strong>die</strong> Welt beim<br />

Erwachen aus der Narkose nicht sogleich mit verständlichen<br />

Lichtern, Farben und Formen erfüllt. Der Versuch, sehen zu<br />

lernen, führt unausweichlich zu einer seelischen Krise im Leben<br />

79


des Patienten, einer Krise, <strong>die</strong> mit der vollkommenen Ablehnung<br />

des Sehvermögens enden kann.<br />

Zajonc zieht den Schluß, daß «zum Sehen weit mehr als ein<br />

funktionsfähiges Organ erforderlich ist. Ohne ein inneres Licht,<br />

ohne ein gestaltgebendes inneres Vorstellungsvermögen sind wir<br />

blind ... Einem Blindgeborenen das Sehen wiederzugeben, ist<br />

mehr <strong>die</strong> Arbeit eines Erziehers als <strong>die</strong> eines Arztes ... Neben<br />

dem äußeren Licht und dem Auge ist das Sehvermögen auch auf<br />

ein angewiesen, ein Licht, welches das vertraute<br />

Außenlicht ergänzt und <strong>die</strong> rohen Sinnesdaten in bedeutungsvolle<br />

Wahrnehmung verwandelt. Das Licht des Bewußtseins muß sich<br />

mit dem Licht der Natur vereinen, um eine Welt hervorzubringen.»<br />

5<br />

Dieses «Licht des Bewußtseins» ist Teil der alten Vorstellung,<br />

daß <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> tatsächlich ebenso inneres Licht abstrahlen, wie sie<br />

äußeres aufnehmen. In der antiken Welt, so erklärt Zajonc,<br />

«bedeutete Sehen Erleuchten», oder in den Worten des großen<br />

deutschen Dichters, Philosophen und Wissenschaftlers Johann<br />

Wolfgang von Goethe: «Das Auge hat sein Dasein dem Licht zu<br />

verdanken. Aus gleichgültigen tierischen Hilfsorganen ruft sich<br />

das Licht ein Organ hervor, das seinesgleichen werde, und so bildet<br />

sich das Auge am Lichte <strong>für</strong>s Licht ... Wäre nicht das Auge<br />

sonnenhaft, wie könnten wir das Licht erblicken?» 6 Ich bin davon<br />

überzeugt, daß eine Art Energieaustausch in beiden Richtungen<br />

der Wahrheit des Sehens näherkommt als <strong>die</strong> mechanistischen<br />

Erklärungen der offiziellen Wissenschaft.<br />

Wie bei Lusseyran und Sarah war mein Sehvermögen so lange<br />

auf den rein physischen Aspekt des Sehens beschränkt, wie ich<br />

glaubte, nur mit meinen <strong>Augen</strong> sehen zu können. Wir haben<br />

jedoch bereits festgestellt, wie klein der Anteil unseres physischen<br />

Sehvermögens tatsächlich ist. Als sich mein Bewußtsein<br />

erweiterte, erhielt ich spontan Zugang zu meiner ganzen Sehkraft.<br />

Ich sah vollkommen klar, obwohl meine Augäpfel ihre<br />

kurzsichtige Verformung beibehielten. Statt also einen winzigen<br />

Ausschnitt unseres Gesichtsfeldes zu betrachten, wollen wir<br />

80


zurücktreten, um das ganze Bild zu sehen - das Flechtwerk des<br />

Lebens.<br />

Das Ganze sehen:<br />

Das Flechtwerk des Lebens<br />

Es ist der fesselndste Aspekt des Hologramms, daß jeder einzelne<br />

Punkt in seinem Inneren alle Informationen des Ganzen enthält -<br />

ein Hologramm ist tatsächlich eine undeutliche Serie von Ganzen<br />

in einem Ganzen. Aus holographischer Perspektive ist unser<br />

gesamtes Bewußtseinsfeld ein einziges System (und schließt das<br />

Körper-Geist-System mit ein), welches wiederum ein Element in<br />

einem sogar noch größeren Ganzen ist, das ich das Flechtwerk des<br />

Lebens nenne. Dieses Flechtwerk des Lebens ist ein ausgedehntes<br />

Energienetz, das alles zu umgeben und zu durchdringen scheint.<br />

Man kann es auch als <strong>die</strong> vitale Energie der Lebenskraft verstehen.<br />

Obwohl <strong>die</strong> Mehrheit der Wissenschaftler im allgemeinen <strong>die</strong><br />

Existenz von Energiefeldern abstreitet, stellt nun eine wachsende<br />

Zahl von Wissenschaftlern <strong>die</strong>se tiefverwurzelte Überzeugung in<br />

Frage. Wahrscheinlich hat der Biologe Rupert Sheldrake <strong>die</strong><br />

stärkste Hypothese <strong>für</strong> ein neues wissenschaftliches Modell, in<br />

dem Energiefelder eine Rolle spielen, aufgestellt. 1981 stellte er<br />

eine radikale und weitreichende Theorie vor, mit deren Hilfe er<br />

mehrere bisher «ungelöste Probleme der Biologie» zu klären<br />

versprach. Unter anderem versuchte Sheldrake mit <strong>die</strong>ser Theorie<br />

<strong>die</strong> Natur des Lebens selbst zu erläutern. Vereinfacht gesagt<br />

stellte er <strong>die</strong> These auf, daß «Form, Entwicklung und Verhalten<br />

von lebenden Organismen durch <br />

gebildet und aufrechterhalten werden. Diese Felder werden<br />

durch Gestalt und Verhalten vergangener Organismen der gleichen<br />

Spezies mittels direktem Kontakt über Zeit und Raum hinweg<br />

geformt.» 7 Mit anderen Worten, alle Mitglieder einer gegebenen<br />

Art sind durch ein unsichtbares Netzwerk miteinander verbun-<br />

81


den, welches es ihnen gestattet, als eine Einheit zu lernen und sich<br />

zu entwickeln.<br />

Diese Hypothese schlägt den augenblicklich akzeptierten fundamentalistischen<br />

Überlegungen gleichsam ins Gesicht, und zwar<br />

keineswegs nur jenen der Biologie, sondern auch der gesamten<br />

wissenschaftlich-materialistischen Basis. Folglich bewirkte Sheldrakes<br />

Theorie in wissenschaftlichen Kreisen eine vehemente<br />

Kontroverse, wobei <strong>die</strong> anerkannte Meinung klar der seinen<br />

widersprach. Doch konnten seine Ideen nicht einfach in Bausch<br />

und Bogen verworfen werden. Ein Kritiker formulierte es in<br />

<strong>die</strong>sem Sinne, als er schrieb: «Wild wie sie einem erscheinen, wird<br />

es dennoch schwer sein, Sheldrakes Thesen überzeugend und<br />

folgerichtig zu widerlegen.» 8<br />

Seine Hypothese ist wissenschaftlich gut überprüfbar, und<br />

mehrere Stu<strong>die</strong>n wurden seither durchgeführt, um ihre Gültigkeit<br />

zu bestimmen. Viele von ihnen haben statistisches Material<br />

geliefert, welches Sheldrakes Theorie klar stützt und sich schwer<br />

auf andere Weise erklären läßt. Bereits 1983 schrieb das englische<br />

Magazin New Scientist, daß Sheldrakes Theorie «einen<br />

Großteil der modernen Wissenschaft herausfordert und viel Zorn<br />

unter Wissenschaftlern hervorgerufen hat. Aber <strong>die</strong> Gewißheit<br />

wächst, daß <strong>die</strong>


jeder von uns besitzt offenbar innerhalb <strong>die</strong>ses Netzwerks sein<br />

eigenes Energiefeld bzw. seinen Energiestrudel.<br />

In meiner Arbeit habe ich durchweg ein Energiefeld wahrgenommen,<br />

welches jeden Menschen zu umgeben scheint. Was ist<br />

<strong>die</strong>ses persönliche Energiefeld? Es scheint der Teil (der ganze<br />

Teil, wenn man es holographisch sieht) des Flechtwerks des<br />

Lebens zu sein, in das unser Körper-Geist-System eingebettet ist.<br />

Es ist das vollkommene Bewußtsein unseres Seins, welches als<br />

Energie manifestiert ist. Obwohl Sie vielleicht annehmen, daß Sie<br />

<strong>die</strong>ses «unsichtbare» Energiefeld noch nie gesehen haben, werden<br />

Sie doch an einer späteren Stelle in <strong>die</strong>sem Buch feststellen, daß<br />

<strong>die</strong> meisten Menschen <strong>die</strong>s durchaus erlernen können. Ich nehme<br />

es normalerweise als eine Art Aura oder einen energetischen<br />

Heiligenschein um den Körper herum wahr. Ein Verfahren,<br />

welches sich «Kirlian-Photographie» nennt, gestattet uns sogar,<br />

<strong>die</strong>ses Energiefeld zu photographieren. Ein Kirlian-Photo eines<br />

Fingers zum Beispiel zeigt uns eine glühende Emanation um <strong>die</strong><br />

Fingerspitze, <strong>die</strong> ein wenig aussieht wie <strong>die</strong> Korona der Sonne<br />

während einer Sonnenfinsternis.<br />

Ich habe herausgefunden, daß <strong>die</strong>ses persönliche Energiefeld<br />

unsere Verbindung mit dem großen Ganzen, dem Flechtwerk des<br />

Lebens ist. Es ist der Kanal, durch den wir all unsere Lebenserfahrungen<br />

empfangen und ausdrücken. Gerade so wie ein großer<br />

Radarschirm weiter «sehen» kann als ein kleiner, nehmen wir<br />

mehr wahr und drücken mehr aus, wenn unser Energiefeld weit<br />

statt eingeengt ist. Die vorrangigen Wahrnehmungsfrequenzen,<br />

über <strong>die</strong> Informationen in <strong>die</strong>ses Feld gelangen, sind unsere<br />

Sinne. Damit ist unser Gesichtsfeld - also der Umfang dessen, was<br />

wir sehen - einfach eine Manifestation unseres Energiefelds - des<br />

Umfangs unseres Bewußtseins.<br />

Warum sollte sich unser Feld zusammenziehen, wenn <strong>die</strong>s doch<br />

bedeutet, daß wir weniger sehen und hören und vom Leben<br />

fühlen? Dies geschieht typischerweise, wenn wir Angst haben und<br />

uns in Gefahr wissen. Unsere Aufmerksamkeit zieht sich auf<br />

einen Punkt hin zusammen, und wir konzentrieren uns auf <strong>die</strong><br />

unmittelbare Bedrohung. In <strong>die</strong>sem Moment verlieren wir zeit-<br />

83


weilig das Ganze aus dem Blick, und folglich schrumpfen wir im<br />

wahrsten Sinne des Wortes. Ich veranschauliche <strong>die</strong>s in meinen<br />

Workshops im allgemeinen, indem ich zwei Teilnehmer auffordere,<br />

in <strong>die</strong> Rolle eines schimpfenden Elternteils und seines<br />

Kindes zu schlüpfen. Die Person, welche <strong>die</strong> Haltung des schimpfenden<br />

Elternteils einnimmt, richtet ihren Finger anklagend auf<br />

ihren Partner. Wie aber reagiert der zweite Mitspieler? Zunächst<br />

will er instinktiv fortlaufen, aber da er <strong>die</strong>s nicht tun kann, fällt er<br />

in sich zusammen, bis er schließlich eine Fötushaltung einnimmt.<br />

Dr. Gottlieb gibt ein weiteres Beispiel da<strong>für</strong>, wie wir instinktiv<br />

unsere Wahrnehmungsfähigkeit einschränken, wenn Gefahr<br />

droht:<br />

Wenn ein Kaninchen einen potentiellen Angreifer wahrnimmt,<br />

wird es wach, stellt innerlich einen Handlungsplan auf (Flucht)<br />

und setzt ihn dann in <strong>die</strong> Tat um. (...) Es wird so schnell wie<br />

möglich in Deckung gehen und dabei mögliche schmackhafte<br />

Beeren entlang des Weges ignorieren. Auf <strong>die</strong>se Weise trifft das<br />

Tier <strong>die</strong> Wahl, auf welche Aspekte seiner Umgebung es achten<br />

will - auf den inneren Plan oder auf äußere Stimulation. Sobald<br />

es in Sicherheit und <strong>die</strong> Gefahr vorüber ist, wird es seine<br />

Umgebung wieder nach Nahrung, einem Sexualpartner [und so<br />

fort] absuchen. Auf <strong>die</strong>se Weise kann es sich selektiv der<br />

äußeren Umgebung öffnen oder sich vor ihr verschließen. 10<br />

Wenn Menschen Angst haben, dann reagieren sie instinktiv,<br />

indem sie ihre Aufmerksamkeit konzentrieren. Während sich<br />

unsere sinnliche Wahrnehmung verengt, kollabiert unser Energiefeld,<br />

und der Körper zieht sich zusammen. Wenn Besorgnis zu<br />

einem chronischen Dauerzustand wird, dem nicht entflohen werden<br />

kann, dann vermindern <strong>die</strong>se gewohnten Zusammenbrüche<br />

<strong>die</strong> Klarheit und Kraft unserer Sinne. Normalerweise wird damit<br />

auch unsere bewußte Wahrnehmung der Angst reduziert, obwohl<br />

ihre Intensität vielleicht noch zunimmt. Der Körper ist sich jedoch<br />

auch dann noch der Angst bewußt, wenn der Geist es nicht mehr<br />

ist. Tatsächlich können wir unsere Verbindung mit dem Flecht-<br />

84


werk des Lebens niemals zerstören (noch nicht einmal im Tod,<br />

wie Berichte über Nahtoderfahrungen zeigen). Jedoch vermögen<br />

wir unseren Zugang zum Flechtwerk des Lebens zu reduzieren<br />

und tun <strong>die</strong>s regelmäßig, indem wir uns seinem ununterbrochenen<br />

Informationsfluß gegenüber taub stellen.<br />

Wie ein Radarschirm ist auch <strong>die</strong> Empfänglichkeit unseres<br />

Wahrnehmungsfeldes abhängig von seiner Größe. Wenn es seine<br />

volle Ausdehnung erreicht, kann es eine unglaubliche Menge von<br />

Informationen aufnehmen. Je mehr es sich jedoch zusammenzieht,<br />

desto weniger empfängt es auch. Anders als ein Radarschirm<br />

fluktuiert unser Feld abhängig von unserem Gefühlszustand<br />

unablässig. Wenn wir uns <strong>für</strong>chten, zieht es sich zusammen.<br />

Sind wir entspannt, dann dehnt es sich aus. Diese Fluktuationen<br />

beeinflussen direkt <strong>die</strong> Klarheit und den Spielraum unserer Sinne.<br />

Die bewußte Wahl, das Bewußtsein zu öffnen oder zu verschließen,<br />

wird außerdem direkt auf der energetischen und auf der<br />

Ebene der Wahrnehmung widergespiegelt. Jedesmal, wenn wir<br />

eine Wahrnehmung, einen Impuls oder ein Gefühl unterdrücken,<br />

werden unsere Sinne zeitweilig geschwächt. Wenn wir unsere<br />

Brille aufsetzen - und damit auf einen Brennpunkt fokussieren -,<br />

stellen wir plötzlich fest, daß wir uns irgendwie kleiner und<br />

geschrumpft fühlen. Es fällt leichter, <strong>die</strong>sen Effekt zu bemerken,<br />

wenn man <strong>die</strong> Brille eine Weile nicht getragen hat.<br />

Obwohl sich das Feld in Reaktion auf einen Schock oder ein<br />

Trauma hin stark zusammenziehen kann, erneuert es sich normalerweise<br />

von selbst. Doch haben wir bereits festgestellt, daß man<br />

unter anhaltendem Streß auch mit einer chronischen energetischen<br />

Kontraktion reagiert. Ein solcher Prozeß wird oft in der<br />

Kindheit ausgelöst, kann aber auch in jedem anderen Alter<br />

vorkommen, wenn wir nicht begreifen, was um uns herum<br />

geschieht, oder wenn wir uns nicht dazu in der Lage fühlen, unsere<br />

Ängste auszudrücken.<br />

Normalerweise erholt sich das Energiefeld eines Kindes, sobald<br />

es sich wieder sicher fühlt, aber viele Kinder leben in einem<br />

Dauerzustand der Angst. Selbst in einer intakten und relativ<br />

glücklichen Familie kann der emotionale Druck, der auf Kindern<br />

85


lastet, manchmal überwältigend sein. (Denken Sie einen <strong>Augen</strong>blick<br />

lang zurück an Ihre eigene Kindheit.) Als Erwachsene<br />

vergessen wir leicht, wie feinfühlend Kinder <strong>die</strong> Gefühle, Bedürfnisse<br />

und Erwartungen anderer wahrnehmen. Viele «normale»<br />

Kinder leben in einem Zustand unablässiger innerer Angst,<br />

obwohl den Menschen ihrer Umgebung <strong>die</strong>s vielleicht gar nicht<br />

auffällt.<br />

Wenn auch Bates und Gottlieb das Energiefeld selbst nicht<br />

erwähnen, so gehen beide doch davon aus, daß Angst, <strong>die</strong> durch<br />

das direkte Umfeld eines Menschen hervorgerufen wird, eine<br />

entscheidende Ursache <strong>für</strong> Kurzsichtigkeit ist. Gottlieb schreibt:<br />

Anhaltende und chronische Beschäftigung mit Anforderungen<br />

wie Lesen oder mit Situationen, <strong>die</strong> hohe aber schwer zu<br />

verstehende Ansprüche stellen (zum Beispiel Situationen in der<br />

Familie oder unter Gleichaltrigen, in der «richtiges» und konformes<br />

Verhalten in Anpassung an eine Realitätsstruktur verlangt<br />

wird, <strong>die</strong> der Betreffende nicht begreift), können zu<br />

chronischen ... Muskelverspannungen und Stoffwechselveränderungen<br />

führen. Diese Arbeit stellt <strong>die</strong> These auf, daß Myopie<br />

eine mögliche Folge solchen Verhaltens ist. Würde man <strong>die</strong><br />

Situation eines Kaninchens, welches zwischen zwei angreifenden,<br />

bellenden Hunden in Angst erstarrt ist, über eine Periode<br />

mehrerer Wochen oder Monate aufrechterhalten, dann würde<br />

<strong>die</strong>s bei dem Kaninchen aller Wahrscheinlichkeit nach zu ...<br />

Muskelkontraktionen und Stoffwechselveränderungen führen,<br />

<strong>die</strong> sich in Gehirn und Körper festsetzen. 11<br />

Unter fortgesetztem Druck zieht sich das Energiefeld wiederholt<br />

zusammen (und kollabiert schließlich.) Dann ist aus der chronischen<br />

Angst des Kindes eine Angst vor dem Leben geworden: Ein<br />

gewohnheitsmäßiger Zustand körperlicher, geistiger, emotionaler<br />

und energetischer Kontraktion. In <strong>die</strong>sem Zustand spürt ein<br />

Kind seine schmerzlichen Gefühle nicht mehr so lebhaft wie<br />

zuvor, aber es kann auch seine Umgebung und seine übrigen<br />

Gefühle nicht mehr so deutlich wahrnehmen. Alle Sinne sind in<br />

86


gewissem Maße eingeschränkt, obwohl vielleicht nicht alle offensichtliche<br />

Symptome entwickeln. Schließlich wird einem <strong>die</strong>ser<br />

Zustand des Benebeltseins irgendwann «normal» vorkommen -<br />

und es wird sich irgendwie immer weniger sicher anfühlen, vollständiger<br />

und schärfer zu sehen, zu hören oder zu empfinden.<br />

So, wie das Energiefeld Ausdehnung und Qualität unseres<br />

Bewußtseins anzeigt, so verweist das Gesichtsfeld auf Ausdehnung<br />

und Qualität unseres Sehsinns. Das Gesichtsfeld ist <strong>die</strong><br />

Manifestation des Energiefelds, es deutet nicht nur <strong>die</strong> rein<br />

physische Ausdehnung der Sehkraft an, sondern auch ihre Klarheit<br />

und Lebendigkeit. Das Gesichtsfeld denken wir uns oft als<br />

eine Art uns umgebende «Seh-Hülle». Wie das Energiefeld dehnt<br />

sich das Gesichtsfeld in allen Richtungen um den Menschen<br />

herum aus. Auch wenn Sie es nur in seiner zweidimensionalen<br />

Ausdehnung «sehen», wird <strong>die</strong>s Ihnen eine Vorstellung von seiner<br />

Größe ermöglichen.<br />

Nehmen Sie sich jetzt einen <strong>Augen</strong>blick Zeit, und strecken Sie<br />

Ihre Arme nach beiden Seiten mit den Daumen nach oben<br />

weisend aus. Blicken Sie geradeaus, und führen Sie Ihre Daumen<br />

langsam vor sich zusammen. Stellen Sie fest, an welcher Stelle<br />

Ihre beiden Daumen in Ihr Blickfeld treten. Diese beiden Punkte<br />

sind der linke und der rechte Rand Ihres Gesichtsfelds.<br />

Jetzt wiederholen Sie den Vorgang, indem Sie einen Arm nach<br />

oben über Ihren Kopf strecken und den anderen nach unten zum<br />

Boden. Auf <strong>die</strong>se Weise zeigen Sie <strong>die</strong> vertikale Grenze Ihres<br />

Gesichtsfelds an.<br />

<strong>Augen</strong>ärzten wird beigebracht, daß nur Krankheit <strong>die</strong> Form des<br />

Gesichtsfelds verkleinern oder verzerren kann, aber in Wahrheit<br />

ist das Gesichtsfeld ein vollkommener Spiegel unseres Energiefelds.<br />

Beide Felder fluktuieren rhythmisch - sie atmen - in<br />

Reaktion auf unsere Gefühle und Erfahrungen. Tatsächlich wird<br />

wegen der engen Verbindung zwischen Sehkraft und dem Gehirn<br />

jede Wahrnehmung und Erfahrung in unserem Gesichtsfeld empfunden<br />

und kann <strong>die</strong> Qualität unseres Sehens beeinflussen.<br />

Die Größe, Form und Klarheit des Gesichtsfelds ist ständig in<br />

Bewegung. Um <strong>die</strong>se Fluktuation wahrzunehmen, ist es am sinn-<br />

87


vollsten, mit der oben beschriebenen Methode das Gesichtsfeld in<br />

unterschiedlichen Situationen zu überprüfen - wenn Sie sich<br />

entspannt, angespannt oder energetisch aufgeladen fühlen, wenn<br />

Sie müde sind, mit und ohne Brille und so fort. Sehr wahrscheinlich<br />

werden Sie feststellen, daß nichts im Zusammenhang mit<br />

Ihrem Sehvermögen starr oder fixiert ist.<br />

Im Verlauf meiner Arbeit hatte ich mit vielen Kindern zu tun,<br />

<strong>die</strong> ein Auge einwärts stellen, also schielen. Da sie immer nur ein<br />

Auge benutzen, haben <strong>die</strong>se Kinder einen großen Teil ihres<br />

Gesichtsfeldes wirkungsvoll stillgelegt, und ihre <strong>Augen</strong> weisen<br />

daher eine ernsthafte Beeinträchtigung ihrer Wahrnehmungsfunktion<br />

auf. Manche schielenden Kinder sind derart energetisch<br />

kontrahiert, daß sie <strong>die</strong> ihrem Alter gemäße Wuchshöhe nicht<br />

erreichen. In einigen Fällen habe ich beobachtet, wie ihr Körper<br />

sich auszudehnen begann, als ihr Gesichtsfeld sich entfaltete.<br />

Diese Kinder öffneten sich der Welt im wahrsten Sinne des<br />

Wortes. Manche von ihnen wuchsen in einem halben Jahr mehr<br />

als fünfzehn Zentimeter.<br />

Durch peripheres Sehen decken wir im Normalfall den ganzen<br />

Umfang unseres Gesichtsfelds ab. Da <strong>die</strong> Brille dazu neigt, <strong>die</strong><br />

periphere Wahrnehmung zu verringern, sorgt sie da<strong>für</strong>, daß sich<br />

das Gesichtsfeld verkleinert. Tatsächlich schafft sie damit das<br />

verbreitete Symptom des Tunnelblicks. <strong>Augen</strong>ärzte werden ausgebildet,<br />

nur dann auf Gesichtsfeldverengung zu überprüfen,<br />

wenn sie eine ausschlaggebende <strong>Augen</strong>erkrankung annehmen,<br />

tatsächlich aber kommt das Symptom auch häufig bei Personen<br />

mit «normaler» Sehkraft vor. Ich habe festgestellt, daß viele<br />

«lernbehinderte» Kinder einfach nur unter einem starken Tunnelblick<br />

leiden. Sie sind nicht behindert; ihr Problem ist chronische<br />

Angst. Wenn wir derart mit Angst beschäftigt sind, dann ist es<br />

sehr schwer, zugleich auch noch hereinkommende Informationen<br />

zu verarbeiten, denn unser Wahrnehmungsnetzwerk ist wie<br />

gelähmt. Ein Tunnelblick ist das offensichtlichste Symptom <strong>die</strong>ser<br />

Selbst-Kontraktion. Es entsteht aus der Unterdrückung des peripheren<br />

Sehens - des erforschenden, vorwegnehmenden Aspekts<br />

unseres Sehens.<br />

88


Machen Sie einmal den folgenden Versuch: Blicken Sie eine<br />

Minute lang von der Buchseite auf. Während Sie geradeaus vor<br />

sich hinschauen, machen Sie sich bewußt, daß Sie zugleich<br />

Objekte auf Ihrer linken und rechten Seite wie auch zwischen<br />

beiden wahrnehmen. Achten Sie darauf, wie Ihr zentrales Sehvermögen<br />

Sie veranlaßt, Ihre Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand<br />

zu fokussieren. Machen Sie sich klar, daß bereits eine winzige<br />

Bewegung am Rande Ihres Gesichtsfelds den Fokus Ihrer Aufmerksamkeit<br />

unmittelbar anziehen kann. Peripheres Sehen führt<br />

uns auf natürliche Weise zum nächsten Aspekt des Lebens, der<br />

unsere Aufmerksamkeit verlangt, und ist damit unser Zugangstor<br />

zur Zukunft.<br />

Ohne peripheres Sehen verlieren wir einen wichtigen Aspekt<br />

der Wahrnehmung, der es uns gestattet, Teile zu einem Ganzen<br />

zusammenzufügen und neue Informationen im Zusammenhang<br />

mit vergangenen Erfahrungen sinnhaft zu erfassen. Ohne peripheres<br />

Sehen ist unser Selbst-Ausdruck begrenzt, was wiederum<br />

den Eingang neuer Informationen verringert. Dies macht verständlich,<br />

warum ein Kind mit einem verengten Gesichtsfeld<br />

enorme Anstrengungen aufbringen muß, um selbst <strong>die</strong> einfachsten<br />

Aufgaben zu lernen.<br />

Peripheres Sehen versorgt uns mit der Information, <strong>die</strong> es uns<br />

ermöglicht, unseren Fokus auf das zu richten, was wir als nächstes<br />

betrachten wollen. Wenn wir dem Beitrag des peripheren Sehens<br />

Grenzen auferlegen (wie wir <strong>die</strong>s durch das Tragen einer Brille<br />

tun), dann können wir zwar noch immer geradeaus blicken, aber<br />

der Rest unserer Wahrnehmung ist eingeschränkt. Unsere Möglichkeiten<br />

sind reduziert. Wir sehen nicht <strong>die</strong> Verbindung zwischen<br />

dem, wo wir augenblicklich stehen, und jenem, wohin wir<br />

als nächstes gehen. Die meisten von uns haben Momente erlebt,<br />

in denen wir uns gesagt haben: «Ich wünschte, ich wüßte, wohin<br />

ich mich als nächstes wenden soll, ich weiß einfach nicht, wohin<br />

ich gehe. Ich scheine in der Vorhölle festzusitzen.» Dies geschieht<br />

im allgemeinen dann, wenn wir stark unter Streß stehen. Unter<br />

Streß konzentrieren wir unsere Energie im Inneren und verlieren<br />

den Blick <strong>für</strong> <strong>die</strong> Peripherie. Wir verlieren den Überblick und <strong>die</strong><br />

89


weiteren Perspektiven des Lebens aus dem Auge. Wir starren<br />

dem Elefanten auf den Schwanz und meinen, das ganze Tier zu<br />

sehen.<br />

In solchen Zeiten suchen wir vielleicht überall im Äußeren nach<br />

Lösungen, obwohl wir instinktiv spüren, daß sie sich irgendwo<br />

direkt vor unseren <strong>Augen</strong> befinden müssen - wenn wir sie doch<br />

nur finden könnten! Schließlich entdecken wir <strong>die</strong> gesuchte<br />

Antwort - indem wir unsere Bemühungen aufgeben und uns an<br />

unsere innere Stimme wenden, statt im Äußeren zu suchen.<br />

Dieser mühelose Prozeß ähnelt dem Sehen mit Offenem Fokus<br />

sehr. Während wir uns sacht und beweglich dem <strong>Augen</strong>blick<br />

zuwenden, halten wir zugleich unsere Verbindung mit der peripheren<br />

Wahrnehmung aufrecht. Dieses unterbewußte «Radarsystem»<br />

überprüft frei unsere Möglichkeiten und wird spontan von<br />

jener mit dem größten Widerhall angezogen. Erst dann wissen wir<br />

wirklich, wohin wir unsere Aufmerksamkeit als nächstes richten<br />

müssen.<br />

Jacques Lusseyran, der Philosoph, der sein <strong>Augen</strong>licht in der<br />

Kindheit verlor, beschreibt <strong>die</strong> Wechselbeziehung zwischen<br />

Aufmerksamkeit, Gefühlszustand und Wahrnehmungsempfänglichkeit<br />

besonders anschaulich. Nachdem er seine äußere (physische)<br />

Sehkraft eingebüßt hatte, fühlte er sich ständig von einem<br />

leuchtenden Strahlen umgeben, welches mit seiner Gefühlsstimmung<br />

fluktuierte:<br />

90<br />

Zu keiner Stunde meines Lebens - weder im Bewußtsein noch<br />

selbst in meinen Träumen - riß <strong>die</strong> Kontinuität des Lichts ab.<br />

(...) [Manchmal] kam ich auf <strong>die</strong> Idee, es auf <strong>die</strong> Probe zu<br />

stellen, ja, ihm Widerstand zu leisten. (...) Ich raffte all meine<br />

Energie, all meinen Willen zusammen und versuchte, den<br />

Strom des Lichts aufzuhalten, so wie man versucht, den Atem<br />

anzuhalten.<br />

Sogleich entstand eine Trübung, oder besser: ein Strudel. Aber<br />

auch <strong>die</strong>ser Strudel war in Licht getaucht. (...) Ich konnte <strong>die</strong>se<br />

Anstrengung nicht sehr lange aushalten, vielleicht zwei oder<br />

drei Sekunden. Gleichzeitig empfand ich eine Angst, als ob ich


etwas Verbotenes täte, etwas, das gegen das Leben gerichtet<br />

war. (...)<br />

Dennoch gab es Zeiten, in denen das Licht nachließ, ja fast<br />

verschwand. Das war immer dann der Fall, wenn ich Angst<br />

hatte.<br />

Wenn ich, anstatt mich von Vertrauen tragen zu lassen und<br />

mich in den Fluß der Dinge hineinzustürzen, zögerte, prüfte,<br />

... stieß oder verletzte ich mich bestimmt. Die einzige Art, mich<br />

... fortzubewegen, war, gar nicht oder möglichst wenig daran<br />

zu denken. Dann wurde ich geführt, dann ging ich meinen Weg,<br />

vorbei an Hindernissen, so sicher, wie man es den Fledermäusen<br />

nachsagt. Was der Verlust meiner <strong>Augen</strong> nicht hatte bewirken<br />

können, bewirkte <strong>die</strong> Angst: Sie machte mich blind.<br />

Dieselbe Wirkung hatten Zorn und Ungeduld, sie brachten<br />

alles in Verwirrung. Wenn mich beim Spiel mit meinen kleinen<br />

Kameraden plötzlich <strong>die</strong> Lust ankam zu gewinnen, um jeden<br />

Preis als erster ans Ziel zu gelangen, dann sah ich mit einem<br />

Schlag nichts mehr. (...)<br />

Ich konnte es mir nicht mehr länger leisten, mißgünstig und<br />

gereizt zu sein, denn sofort legte sich eine Binde über meine<br />

<strong>Augen</strong>, ich war gefesselt, geknebelt, außer Gefecht gesetzt;<br />

augenblicklich tat sich um mich ein schwarzes Loch auf, und ich<br />

war hilflos. Wenn ich dagegen glücklich und friedlich war, wenn<br />

ich den Menschen Vertrauen entgegenbrachte und von ihnen<br />

Gutes dachte, wurde ich mit Licht belohnt. (...) Ich wußte<br />

immer, wo man gehen durfte und wo nicht. Ich hatte nur auf das<br />

große Lichtsignal zu sehen, das mich lehrte zu leben. 12<br />

Auf <strong>die</strong> gleiche Weise, indem wir <strong>die</strong> spontane Ausrichtung<br />

unseres Bewußtseins zulassen, werden wir automatisch zum<br />

nächsten Schritt in unserem Leben geführt. So lange, wie wir<br />

entspannt, aufnahmebereit und auf bewegliche Weise aufmerksam<br />

bleiben, vollzieht sich <strong>die</strong>ser Prozeß ohne jegliche bewußte<br />

Anstrengung. Sobald wir jedoch Angst bekommen oder uns<br />

verkrampfen, stellt <strong>die</strong>ser Mechanismus den Betrieb ein.<br />

Seit Jahrhunderten versucht <strong>die</strong> Wissenschaft das Phänomen<br />

91


Sehen zu verstehen, indem sie jeden Teil des physischen Auges<br />

isoliert und untersucht, aber das Körper-Geist-System ist keine<br />

Ansammlung aus einzelnen Bestandteilen; es ist ein tiefgründig<br />

intelligentes, holographisches System. Diese intelligente Ganzheitlichkeit<br />

ist <strong>die</strong> wahre Quelle unseres Sehvermögens und scheint<br />

der einzige Aspekt des Körper-Geist-Systems zu sein, den <strong>die</strong><br />

Wissenschaft bisher nicht genau erforscht hat.<br />

Bruchstückhafte Methoden des Heilens gehen das Problem nur<br />

am Rande an und überlassen es seinem Kern, sich auf andere<br />

Weise neu zu manifestieren. Ich habe festgestellt, daß wirkliches<br />

Heilen nur aus dem Ganzen heraus erfolgen kann. Es scheint so,<br />

als ob <strong>die</strong> zugrundeliegende Ursache der meisten Sehbeschwerden<br />

ein chronisch kollabiertes Bewußtseinsfeld ist - eine Angst vor<br />

dem Leben.<br />

92


Die Angst durchschauen<br />

Wir müssen uns auf <strong>die</strong> Angst zubewegen.<br />

John Berryman<br />

Wir haben bereits gesehen, daß Blinde, deren <strong>Augen</strong> durch einen<br />

operativen Eingriff in ihrer Sehfähigkeit wiederhergestellt werden,<br />

ausnahmslos eine «seelische Krise» durchleben, wenn sie<br />

versuchen, das Sehen neu zu lernen, und sich vielleicht <strong>die</strong>ser<br />

Herausforderung als nicht gewachsen erweisen. Emotionale<br />

Schwellen vor dem Sehen sind jedoch nicht nur Blinden vorbehalten.<br />

Unsere innere Welt aus Gefühlen, Absichten und Bewußtheit<br />

hat einen entscheidenden Einfluß auf unsere Fähigkeit (oder<br />

Unfähigkeit), scharf zu sehen. In meinen Workshops bitte ich <strong>die</strong><br />

Teilnehmer immer, darüber nachzudenken, was sich in den ein,<br />

zwei Jahren vor dem Einsetzen ihrer Beschwerden in ihrem Leben<br />

ereignet hat. Fast jeder, dem ich bisher begegnete, konnte eine<br />

Erfahrung ausmachen, <strong>die</strong> Gefühle auslöste, mit denen <strong>die</strong> Person<br />

(zum damaligen Zeitpunkt) außerordentlich schwer zurechtgekommen<br />

ist. Die meisten Menschen erkennen rasch ein besonderes<br />

Ereignis (oder eine Kette von Geschehnissen), das (<strong>die</strong>)<br />

ihrer Meinung nach am Anfang ihrer nachlassenden Sehkraft<br />

stand. Sie machen Aussagen wie: «Ich wollte es eben nicht<br />

wahrhaben», oder «Es war so schmerzhaft, daß ich den Anblick<br />

einfach nicht ertragen konnte.»<br />

Hier folgen einige typische Beispiele der Art von Erfahrungen,<br />

<strong>die</strong> Kursteilnehmer beschreiben:<br />

93


94<br />

Zu <strong>die</strong>ser Zeit - kurz bevor ich meine Brille erhielt - waren<br />

meine Eltern beide sehr krank, und ich hatte bei meinen<br />

Großeltern zu leben.<br />

Wir zogen um, und ich mußte <strong>die</strong> Schule wechseln. Dort ging es<br />

ganz anders zu als an meiner vorherigen Schule, und ich hatte<br />

<strong>die</strong> Be<strong>für</strong>chtung, daß ich mich vielleicht nicht würde einfügen<br />

können.<br />

Ich hatte bei meinem Vater, meiner Stiefmutter, meinen<br />

Schwestern und Brüdern gelebt, und dann mußte ich nach New<br />

York zu meiner Mutter ziehen. Das war wirklich eine traumatische<br />

Veränderung, ein großer Verlust. Ich bin sicher, daß ich<br />

vorher nicht kurzsichtig war, denn mein Vater war Optometrist<br />

und überprüfte meine <strong>Augen</strong> regelmäßig. Als ich ihn in meinen<br />

nächsten Ferien besuchte, stellte ich fest, daß ich kurzsichtig<br />

war, und mein Vater gab mir meine erste Brille.<br />

Der Anfang meiner Kurzsichtigkeit trat in der Zeit auf, als mein<br />

Vater abrupt und ohne Erklärung aufhörte, mich <strong>für</strong> Besuche<br />

über das Wochenende abzuholen.<br />

Meine Mutter ließ sich scheiden, als ich ungefähr drei oder vier<br />

war. Schwierig wurde es, als sie wieder heiratete; ich mochte<br />

ihren neuen Mann nicht. Es war eine merkwürdige Zeit, und<br />

damals bekam ich meine Brille.<br />

Meine erste Brille wurde mir verschrieben, als ich zwanzig<br />

Jahre alt war und eine Ausbildung als Krankenschwester<br />

machte. Ich hatte meine Abschlußprüfung nicht bestanden und<br />

war deshalb sehr unglücklich und enttäuscht. Ich fühlte mich als<br />

Versagerin.<br />

Als ich dreizehn Jahre alt war, wurde ich vor der ganzen Klasse<br />

bestraft und gedemütigt, obwohl ich mir keiner Schuld bewußt<br />

war. Ich war so verletzt, daß ich den ganzen Weg nach Hause


annte. Als ich zu Hause ankam, stellte meine Mutter fest, daß<br />

meine Lippen weiß waren und daß ich keine Luft bekam. Eine<br />

Woche lang litt ich beim Sprechen unter Atemnot. Mir wurden<br />

Medikamente verschrieben, und der Arzt sagte, ich hätte ein<br />

schwaches Herz. Ich verlor sehr stark an Gewicht, und mir<br />

wurde <strong>die</strong> Teilnahme am Sportunterricht untersagt. Damals<br />

fingen <strong>die</strong> Probleme mit meinen <strong>Augen</strong> an.<br />

Es scheint so, als ob beinahe jede Art von Trauma zu einer<br />

Verschlechterung der Sehkraft führen kann. Warum löst das<br />

Ereignis bei einem ein anhaltendes <strong>Augen</strong>problem aus, während<br />

es bei anderen offenbar keine wahrnehmbaren Langzeitwirkungen<br />

zeigt? Die Antwort auf <strong>die</strong>se Frage ist, daß <strong>die</strong> Ursache <strong>für</strong><br />

schlechte <strong>Augen</strong> nicht in dem Ereignis selbst, sondern in unserer<br />

Reaktion darauf liegt - bei den Bewältigungsmustern, <strong>die</strong> wir<br />

entwickeln, um mit unangenehmen Gefühlen fertigzuwerden.<br />

Wenn Menschen eine schmerzhafte Erfahrung mit dem Satz, «Ich<br />

konnte es einfach nicht mitansehen, was geschah», beschreiben,<br />

dann sind das mehr als nur zufällig gewählte Worte. Auf einer<br />

bestimmten Ebene haben <strong>die</strong>se Menschen ihre <strong>Augen</strong> tatsächlich<br />

von dem Anblick abgewendet.<br />

Es ist unmöglich, einen Teil unserer visuellen Aufnahme zu<br />

verschließen, ohne zugleich unser Sehvermögen als Ganzes zu<br />

vermindern. Wir werden noch sehen, daß ein solcher Prozeß,<br />

wenn er erst einmal in Gang kommt, <strong>die</strong> Tendenz hat, zu einer<br />

fortschreitenden Spirale der Sehverschlechterung und der emotionalen<br />

Vermeidung zu werden. Für <strong>die</strong> meisten Brillenträger<br />

sind <strong>die</strong> Gefühle, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong>ses ursprüngliche Trauma oder<br />

durch eine maßgebliche Streßsituation hervorgerufen wurden,<br />

noch immer ungelöst. Auf den ersten Blick sind sie vielleicht <strong>für</strong><br />

unsere Belange als Erwachsene nicht maßgeblich, aber auf einer<br />

tieferen Ebene wissen unsere <strong>Augen</strong>, daß wir es auch weiterhin<br />

nicht ertragen, <strong>die</strong>se Erinnerung anzusehen.<br />

Obwohl wir alle unaufgelöste Ängste mit uns herumtragen,<br />

resultiert <strong>die</strong>ser Umstand nicht bei jedem in <strong>Augen</strong>problemen.<br />

Manche von uns drücken <strong>die</strong> vergangene Streßsituation mit den<br />

95


<strong>Augen</strong> aus und leiden unter verminderter Sehkraft, andere sehen<br />

vielleicht gut, neigen aber da<strong>für</strong> mehr zu Magengeschwüren,<br />

einem schwachen Abwehrsystem oder zu Drogen- beziehungsweise<br />

zu Alkoholsucht. Ein kollabiertes Energiefeld wird bis zu<br />

einem gewissen Grad immer das gesamte Körper-Geist-System<br />

beeinträchtigen, aber im allgemeinen haben wir offenbar bevorzugte<br />

Körperbereiche oder Formen, durch <strong>die</strong> wir seine Symptome<br />

manifestieren - und <strong>für</strong> viele von uns sind <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> einer<br />

<strong>die</strong>ser bevorzugten Körperbereiche und der Verlust der gesunden<br />

Sehkraft eine <strong>die</strong>ser Formen.<br />

Ein bestimmtes frühes Thema löst <strong>die</strong> Gewohnheit aus, sich vor<br />

schmerzhaften Erfahrungen mit einem Schleier unscharfer Sicht<br />

abzuschirmen, <strong>die</strong> in der Folgezeit zu einer automatischen Reaktion<br />

auf jegliche schmerzhafte Gefühle wird. Denken Sie jedoch<br />

daran, daß das Energiefeld noch immer jederzeit zu seiner vollen<br />

Ausdehnung zurückkehren kann - und <strong>die</strong>s auch spontan tun<br />

wird, wann immer <strong>die</strong> Angst, <strong>die</strong> seine Verzerrung bewirkt,<br />

vollständig aufgelöst ist. Warum lösen <strong>die</strong>se frühen traumatischen<br />

Erfahrungen typischerweise eine Spirale der Gefühlsunterdrükkung<br />

aus, <strong>die</strong> schließlich zu einer andauernden Lebensangst und<br />

einer zunehmenden Verschlechterung der Sehkraft führen? Die<br />

Verschreibung von Brillengläsern, welche <strong>die</strong> Sehbeschwerden<br />

«korrigieren» sollen, das gesellschaftliche Gebot, welches Analysieren<br />

verlangt und Fühlen ablehnt, und der Streß, der ein Bestandteil<br />

unseres Erziehungssystems ist, sind <strong>die</strong> primären Faktoren, <strong>die</strong><br />

eine Verminderung des Sehvermögens fördern und verstärken.<br />

Ich werde später zu all <strong>die</strong>sen Faktoren zurückkehren, um sie<br />

näher zu erläutern, zunächst aber möchte ich mit der Beschreibung<br />

eines typischen Prozesses der Sehverschlechterung beginnen:<br />

Es fängt damit an, daß Sie in der Kindheit oder der Jugend ein<br />

Erlebnis haben, das Ihnen angst macht oder das Sie beunruhigt,<br />

aber Sie wissen nicht, wie Sie <strong>die</strong> Gefühle, <strong>die</strong> <strong>die</strong>se Erfahrung<br />

ausgelöst hat, ausdrücken sollen. Die Gefühle bleiben in Ihnen<br />

stecken, und Ihr Energiefeld reagiert mit einer chronischen Ver-<br />

96


zerrung. Bald darauf stellen Sie (oder Ihre Eltern beziehungsweise<br />

Ihre Lehrer) fest, daß Sie nicht mehr klar sehen. Also gehen<br />

Ihre Eltern mit Ihnen zum <strong>Augen</strong>arzt.<br />

Als der Arzt Sie fragt, was denn nicht in Ordnung ist, antworten<br />

Sie mit einem Satz wie: «Ich kann <strong>die</strong> Tafel nicht richtig sehen.» In<br />

Wirklichkeit meinen Sie: «Es hat sich etwas ereignet, das wirklich<br />

sehr schmerzhaft ist. Ich weiß nicht, wie ich darüber sprechen soll,<br />

und es ist einfach zu furchterregend, um es näher anzusehen. Also<br />

lösche ich es aus.» Der Arzt ist nur ausgebildet, um zu erkennen,<br />

daß Sie nicht mehr richtig sehen, also verschreibt er Ihnen eine<br />

Brille beziehungsweise Kontaktlinsen, um Ihr Sehvermögen zu<br />

korrigieren.<br />

Sind Sie kurzsichtig geworden, dann sehen Sie in der Nähe<br />

besser, weil Ihr Sehfeld nach innen zusammengebrochen ist. Bei<br />

vielen Kurzsichtigen scheint sich das grundlegende Lebensgefühl<br />

mit den Worten ausdrücken zu lassen: «Sie (<strong>die</strong> äußere Welt) ist<br />

gegen mich. Also muß ich mich nach innen zurückziehen, um<br />

einen Puffer zu schaffen, eine Sicherheitszone zwischen mir und<br />

dem Rest der Welt.»<br />

Sind Sie jedoch weitsichtig geworden, dann hat Ihre Selbstverteidigung<br />

Sie dazu veranlaßt, Ihr Sehfeld von sich fortzuschieben<br />

statt es zu verkleinern. Daher sehen Sie im allgemeinen <strong>die</strong> weiter<br />

entfernten Dinge besser. Das Lebensgefühl des Weitsichtigen<br />

scheint zu sein: «Ich wehre mich dagegen (gegen <strong>die</strong> äußere<br />

Welt). Wenn ich dich schon in großer Entfernung sehe, dann kann<br />

ich eine Reaktion vorbereiten, noch bevor du näher kommst.<br />

Also dehne ich mein Sehfeld so weit wie möglich aus.»<br />

Diese beiden Reaktionsformen sind Verteidigungshaltungen,<br />

<strong>die</strong> beide aus einer ursprünglichen Verkleinerung des Energiefeldes<br />

entstehen - im ersten Fall ziehen wir unser Sehfeld nach innen<br />

zurück, im zweiten Fall stoßen wir es nach außen fort. Kurzsichtige<br />

lassen dem Zusammenbruch ihres Energiefelds den Zusammenbruch<br />

ihres Sehvermögens folgen - ihre vorrangige Reaktion<br />

ist der Rückzug nach innen oder Angst. Weitsichtige kompensieren<br />

den Zusammenbruch ihres Energiefelds, indem sie ihre Sehkraft<br />

von sich fortschleudern - ihre vorrangige Reaktion besteht<br />

97


aus projektivem Widerstand oder Zorn. Diese beiden Wahlmöglichkeiten<br />

scheinen <strong>die</strong> klassischen Reaktionsmuster des Fliehens<br />

oder Kämpfens widerzuspiegeln.<br />

Im traditionellen Modell der <strong>Augen</strong>heilkunde nimmt <strong>die</strong> Kurzsichtigkeit<br />

der meisten Menschen im Alter von vierzig Jahren ab,<br />

oder Personen <strong>die</strong>ser Altersgruppen werden sogar weitsichtig -<br />

sie schildern ihrem <strong>Augen</strong>arzt ihr Problem, indem sie sagen:<br />

«Meine Arme sind zum Lesen nicht mehr lang genug.» Dieser<br />

Zustand wird «Altersweitsichtigkeit» oder «Presbyopie» genannt,<br />

und herkömmliche Theorien legen dar, daß <strong>die</strong>s <strong>die</strong> unabwendbare<br />

Folge der <strong>Augen</strong>alterung ist. Tatsächlich jedoch verändert<br />

sich unser Sehvermögen in Reaktion auf vielerlei Faktoren, und<br />

ich nehme an, daß eine schlechte Ernährung und Umweltgifte<br />

eine große Rolle bei der Entwicklung von Presbyopie spielen. Ich<br />

hatte das Sehvermögen dreier Männer auszuwerten, <strong>die</strong> weit über<br />

vierzig Jahre alt waren (zwei von ihnen befanden sich in den<br />

Sechzigern und einer in den achtzigern) und im Fern- und Nahbereich<br />

gleichermaßen ein hervorragendes Sehvermögen von 100%<br />

besaßen. Gemeinsam war ihnen, daß sie sich <strong>für</strong> <strong>die</strong> Dauer von<br />

zehn oder zwanzig Jahren vegetarisch ernährt und eine «natürliche»<br />

Lebensweise gepflegt hatten.<br />

Ich nehme an, daß <strong>die</strong> Anreicherung mit Umweltschadstoffen<br />

und psychologischen Giften nach und nach zu einer verringerten<br />

Flexibilität des gesamten Körper-Geist-Systems führt. Folglich<br />

braucht auch das Auge länger, um seinen Fokus auf Weit- oder<br />

Nahsicht einzustellen. Der Altersweitsichtige wendet sich in der<br />

Regel an einen Arzt, der ihm eine Brille verschreibt - was<br />

offenbar den Zustand erst auf Dauer fixiert. Und dennoch kann<br />

man wie bei jeder anderen Fehlsichtigkeit auch etwas tun, um<br />

Altersweitsichtigkeit (wie wir später noch sehen werden) zu<br />

reduzieren.<br />

Obwohl Kurzsichtigkeit vor allem in früheren und Weitsichtigkeit<br />

in späteren Lebensabschnitten vorkommen, wurden auffallende<br />

psychologische und physische Unterschiede zwischen überwiegend<br />

kurzsichtigen und überwiegend weitsichtigen Personen<br />

festgestellt. Laut Raymond Gottlieb können <strong>die</strong>se Unterschiede<br />

98


am besten als zwei verschiedene Herangehensweisen betrachtet<br />

werden, mit denen unaufgelöste Gefühle im Körper-Geist-System<br />

festgehalten werden: «Der Schutzpanzer des Kurzsichtigen<br />

ist eine Abwehrhaltung gegen Gefühle und den Ausdruck von<br />

Angst, und jener des Weitsichtigen ist blockierte Wut.» 1 Der<br />

Schutzpanzer besteht aus einer Art erstarrter Wahrnehmung,<br />

welche den Kurzsichtigen in der Erinnerung an vergangene und<br />

den Weitsichtigen in der Erwartung zukünftiger Ereignisse gefangenzunehmen<br />

scheint.<br />

Die Persönlichkeitsprofile, <strong>die</strong> aus <strong>die</strong>sen beiden Bewältigungsmechanismen<br />

resultieren, sind recht bezeichnend. Kurzsichtige<br />

mit ihren typischen Eigenschaften werden durchweg beschrieben<br />

als Menschen, <strong>die</strong> «emotional unbeweglich sind, ein starkes<br />

Bedürfnis nach Zustimmung haben, sich konfliktscheu und vorsichtig<br />

geben, Angst in hohem Maße ertragen, ihre Gefühle<br />

überkontrollieren, eine geringe Neigung zu Veränderungen und<br />

ein starkes Bedürfnis haben, und in Tätigkeiten von hohem<br />

Status erfolgreich zu sein.» 2 Physisch sind sie «oft weniger lebhaft,<br />

ihr Körper ist meist weich, sie stehen auf schwachen Beinen, ihre<br />

Brust ist verspannt und niedergedrückt. Ihr Redefluß ist eher<br />

schnell, <strong>die</strong> Stimmlage häufig höher, und ihre Stimme wird schnell<br />

heiser.» 3 Im Vergleich mit nichtkurzsichtigen Menschen, «scheinen<br />

sie mehr von hohem Status angezogen zu werden und zu<br />

akademisch orientierten Tätigkeiten und solchen, <strong>die</strong> allgemein<br />

introvertierte, hinnehmende Personen mehr ansprechen, zu neigen.»<br />

4<br />

Auf der anderen Seite wird <strong>die</strong> Gruppe der Weitsichtigen «als<br />

eher nach außen gerichtet und meist als ziemlich aggressiv beschrieben.<br />

Sie gelten zu Hause oder in der Schule als häufiger<br />

verhaltensauffällig. Sie sind sich ihrer Umwelt <br />

bewußt und weniger in Tagträumen versunken. Auch gelten sie<br />

als leichter beeinflußbar durch andere. In ihren Körperbewegungen<br />

sind sie lebhaft, teilweise sogar übermäßig lebhaft. Sie haben<br />

steife, starre Körper mit einer eher überentwickelten, hohen und<br />

gefüllten Brust .. .» 5<br />

Obwohl <strong>die</strong>se Merkmale im allgemeinen zutreffen, so ist in der<br />

99


psychologischen Praxis <strong>die</strong> Unterscheidung der kurzsichtigen von<br />

der weitsichtigen Persönlichkeit doch komplizierter, als <strong>die</strong>se<br />

Stu<strong>die</strong>n andeuten. Ich habe Kurzsichtige kennengelernt, <strong>die</strong> aus<br />

sich herausgingen und weder ruhig noch fleißig waren. Ich erinnere<br />

mich auch an Weitsichtige, <strong>die</strong> sich nach innen gekehrt und<br />

detailversessen gaben. Dennoch erhält man in der Regel ein recht<br />

zutreffendes Bild der psychologischen Beschaffenheit eines Menschen,<br />

wenn man Informationen über seine Kurz- oder Weitsichtigkeit<br />

mit anderen Aspekten seiner visuellen Verarbeitungsprozesse<br />

kombiniert, deren Erläuterung hier jedoch zu weit führen<br />

würde.<br />

Lassen Sie uns also davon ausgehen, daß Sie kurzsichtig geworden<br />

sind und daß Sie nach den Messungen des <strong>Augen</strong>arztes statt<br />

aus einer Entfernung von sechs Metern <strong>die</strong> Sehprobentafel nur<br />

aus zweieinhalb Metern klar sehen können. Um Ihre Sehkraft zu<br />

«korrigieren», wird der <strong>Augen</strong>arzt Ihnen Brillengläser verschreiben,<br />

<strong>die</strong> Ihr Sehvermögen scheinbar von zweieinhalb auf sechs<br />

Meter ausdehnen. Sie gehen davon aus, daß <strong>die</strong> Brille Ihren Blick<br />

in <strong>die</strong> Welt erweitert. Aber trifft <strong>die</strong>s auch wirklich zu?<br />

Wenn Sie kurzsichtig sind, nehmen Sie <strong>für</strong> einen <strong>Augen</strong>blick lang<br />

<strong>die</strong> Brille ab. Sind Sie es nicht, dann leihen Sie sich <strong>die</strong> Sehhilfe<br />

eines kurzsichtigen Freundes. Halten Sie <strong>die</strong> Brille in einer<br />

Entfernung von ungefähr dreißig Zentimetern vor Ihr Gesicht.<br />

Richten Sie sie so aus, daß Sie den einen Teil eines Gegenstands<br />

(wie zum Beispiel den Hals einer Rasche) durch das Brillenglas<br />

sehen können und den anderen (den Bauch der Flasche) nicht.<br />

Diesen Vorgang nennt man «Bildsprung».<br />

Stellen Sie den Unterschied fest, zwischen dem, was Sie durch<br />

das Brillenglas sehen, und jenem, was Sie ohne Brille wahrnehmen.<br />

Machen Sie sich bewußt, daß der Bildausschnitt in der Brille<br />

zwar klarer, da<strong>für</strong> aber auch kleiner und näher zu sein scheint als<br />

jener außerhalb der Brille. Bewegen Sie <strong>die</strong> Brille, indem Sie sie<br />

näher an Ihre <strong>Augen</strong> heranbringen und dann wieder von ihnen<br />

entfernen, und achten Sie darauf, welche Veränderungen durch<br />

<strong>die</strong>se Distanzverschiebungen eintreten.<br />

100


Die Brille hat Ihre Realität nicht erweitert, sondern sie zusammenbrechen<br />

lassen. Korrekturlinsen, <strong>die</strong> gegen Kurzsichtigkeit<br />

verschrieben werden, schrumpfen einfach Ihre Welt auf das Maß<br />

Ihres reduzierten Gesichtsfelds ein.<br />

Die offizielle <strong>Augen</strong>heilkunde spricht typischerweise nicht <strong>die</strong><br />

zugrundeliegende Ursache der Sehschwäche an. Sie hilft Ihnen<br />

nicht dabei, <strong>die</strong> Angst oder Wut auszudrücken, auf welche <strong>die</strong><br />

Verschlechterung Ihrer Sehkraft ursprünglich zurückzuführen ist.<br />

Der <strong>Augen</strong>arzt verschreibt Ihnen einfach eine Brille, welche <strong>die</strong><br />

Welt in <strong>die</strong> Form Ihrer Angst gießt und sie auf <strong>die</strong>se Weise wieder<br />

in den Brennpunkt rückt. Dann sagt er: «Wir haben Ihren Sehfehler<br />

korrigiert.»<br />

Nachdem Sie Ihre neue Brille erhalten haben, können Sie wieder<br />

klar sehen - aber Ihre unaufgelösten Ängste sind noch immer da,<br />

und durch <strong>die</strong> Brille werden sie, jetzt wieder klar «sichtbar», in<br />

den Mittelpunkt gerückt. Ihre schützende Unschärfe ist dahin,<br />

und Sie haben noch keine neue Bewältigungsstrategie gelernt, um<br />

mit der Angst umzugehen. Als Sie sich das letzte Mal so gefühlt<br />

hatten, reagierten Sie, indem Sie Ihr Sehfeld verkleinerten oder<br />

verzerrten. Jetzt wird <strong>die</strong>ser Prozeß erneut ausgelöst, um<br />

wiederum eine Schutzzone zu schaffen und <strong>die</strong> angstmachenden<br />

Erinnerungen auszublenden.<br />

Die «schützende» oder «defensive» Rolle, <strong>die</strong> eine Brille spielt,<br />

wird häufig dann offenbar, wenn Personen, <strong>die</strong> viele Jahre eine<br />

Brille getragen haben, zu Kontaktlinsen wechseln. Im Verlauf der<br />

ersten Tage haben sie oft den starken, fast körperlichen Eindruck,<br />

daß ihre <strong>Augen</strong> ungeschützt und ausgeliefert sind. Ohne ihre<br />

«<strong>Augen</strong>rüstung» macht ihnen mitunter sogar <strong>die</strong> Teilnahme an<br />

harmlosen Familienaktivitäten wie an Ballspielen oder <strong>die</strong> Betätigung<br />

einer Nähmaschine angst - solche Tätigkeiten wirken auf <strong>die</strong><br />

<strong>Augen</strong> plötzlich bedrohlich.<br />

Der Prozeß der Sehfeldverengung dauert im allgemeinen mehrere<br />

Jahre. Er wird noch verstärkt durch <strong>die</strong> «normale» soziale<br />

Umgebung, an <strong>die</strong> wir uns im Verlauf des Älterwerdens anzupassen<br />

lernen. Wie Gottlieb feststellt: «Wir haben gelernt, einige<br />

101


echt ungesunde Umstände als normal zu akzeptieren. Die Folgen<br />

... werden eben erst erkannt. (...) Erst im Verlauf der letzten<br />

zehn Jahre ... ist das Interesse <strong>für</strong> streßbedingte Krankheiten<br />

gewachsen, ein Zusammenhang, auf den Bates ... schon vor<br />

Jahrzehnten hinwies.» 6 Er beschreibt weiter, wie nach Bates'<br />

Auffassung das «normale» Schulsystem direkt verschlimmernd<br />

auf Sehbeschwerden wirkt:<br />

Wenn in der Schule Informationen auf uninteressante und<br />

wenig sach<strong>die</strong>nliche Weise präsentiert werden, wenn dem Objekt<br />

solch anhaltender Aufmerksamkeit kein motivierendes<br />

Interesse innewohnt, muß der Schüler einen Weg finden, wie er<br />

Körper und Geist kontrollieren und beide durch Willenskraft<br />

seinem Lehrer unterwerfen kann. Manche Kinder, <strong>die</strong> sich<br />

unter <strong>die</strong>sen Bedingungen entwickeln müssen, halten <strong>die</strong>se<br />

Situation besser aus als andere, aber einige sind der Anstrengung<br />

nicht gewachsen; auf <strong>die</strong>se Weise werden Schulen zur<br />

Brutstätte nicht nur der Kurzsichtigkeit, sondern auch aller<br />

anderer [Sehschwächen]. 7<br />

Obwohl mentaler und emotionaler Streß eine Kontraktion des<br />

Energiefelds auslösen kann, fluktuiert <strong>die</strong>ses eine ganze Weile,<br />

bevor es zu seinem Zusammenbruch und einem «körperlichen»<br />

Symptom kommt. Einer der wichtigsten Streßfaktoren, der den<br />

energetischen Rückzug oft in ein chronisches visuelles «Problem»<br />

verwandelt, ist <strong>die</strong> Art, wie wir zu lesen gelernt haben - nämlich<br />

körperlich angestrengt. Jüngste Stu<strong>die</strong>n haben einen Zusammenhang<br />

zwischen dem Beginn von Kurzsichtigkeit und Tätigkeiten<br />

im Nahbereich der <strong>Augen</strong>, wie beispielsweise Lesen, festgestellt.<br />

Wissenschaftler vermuten, daß «Kinder, <strong>die</strong> Lesen lernen, eine<br />

milde, langsame Form von Musterverlust erfahren». Diese Resultate<br />

haben sogar <strong>die</strong> New York Times dazu bewogen, den Vorschlag<br />

zu machen, «daß ein Kind, welches Lesen lernt, dazu<br />

ermutigt werden sollte, etwa alle fünfzehn Minuten aufzublikken.»<br />

8 (Das achte Kapitel enthält detaillierte Vorschläge <strong>für</strong><br />

streßfreies Lesen.)<br />

102


Unsere <strong>Augen</strong> wurden einfach nicht <strong>für</strong> eine Lebensweise<br />

geschaffen, <strong>die</strong> uns im Inneren eines Hauses verweilen läßt und<br />

uns lange auf Dinge fixieren läßt, <strong>die</strong> in so wenig Abstand vor den<br />

<strong>Augen</strong> ablaufen, wie es beim Lesen der Fall ist. Wenn dazu noch<br />

der Streß kommt, in der Schule oder am Arbeitsplatz erfolgreich<br />

sein zu wollen, und wir hierzu unsere Aufmerksamkeit bündeln<br />

und unsere natürlichen Bedürfnisse unterdrücken müssen, so ist<br />

<strong>die</strong> Verzerrung des Energiefelds sogar noch größer. Während wir<br />

also älter werden, nehmen Körper, Geist und Gefühle eine immer<br />

starrere Haltung ein. Schließlich sagt man uns, daß wir unter<br />

fortschreitender Kurzsichtigkeit, unter Weitsichtigkeit oder<br />

Astigmatismus und so fort leiden. Die Wahrheit ist jedoch, daß<br />

unser Energiefeld angehalten wurde, sein defensives Verhaltensmuster<br />

beizubehalten, und daß der ursprüngliche Auslöser der<br />

Sehschwäche niemals verarbeitet wurde.<br />

Als Optometrist, der sich mit der Entwicklung der Sehfähigkeit<br />

beschäftigt, habe ich mit Tausenden von Kindern gearbeitet. Fast<br />

immer kann ein Kind den emotionalen Streßfaktor klar beschreiben,<br />

welcher der Verschlechterung der Sehkraft vorausgegangen<br />

ist. Im Falle sehr junger Kinder sind <strong>die</strong> Eltern im allgemeinen<br />

dazu in der Lage, eine Streßsituation zu benennen, <strong>die</strong> direkt vor<br />

der Sehverschlechterung des Kindes auftrat. Ich habe festgestellt,<br />

daß andere Faktoren - wie der Streß des Lesens, der Aufenthalt in<br />

geschlossenen Räumen und selbst physische Veränderungen im<br />

Auge -, <strong>die</strong> unser Sehvermögen beeinflussen, ohne Bedeutung<br />

sind, wenn unser energetisches und emotionales Feld nicht bereits<br />

kontrahiert ist. Schrumpft das Energiefeld, so verlieren wir <strong>die</strong><br />

Beziehung zu uns selbstund zur Welt aus dem Blick.<br />

Ein gesundes Feld fluktuiert ständig. Es schrumpft vielleicht<br />

von Zeit zu Zeit in Reaktion auf Streß, aber schon bald dehnt es<br />

sich wieder aus. Wenn wir <strong>für</strong> alle Erfahrungen offen sind, kann es<br />

nicht in einen Dauerzustand der Kontraktion gezwungen werden,<br />

denn dann findet Selbstheilung spontan und mühelos statt. Ist das<br />

Feld jedoch erst einmal verkleinert, fühlt es sich an, als ob wir uns<br />

<strong>für</strong> jede kleinste Veränderung anstrengen müssen. Wie können<br />

wir unser Gesichts- und Energiefeld ausweiten und es davor<br />

103


ewahren, in Reaktion auf einen neuen Streßfaktor zu kollabieren?<br />

Es gibt viele verschiedene Auffassungen des Heilens, doch in<br />

unserer Kultur werden wir dazu angehalten, uns durch geistige<br />

Anstrengung zu transformieren. Ich habe jedoch herausgefunden,<br />

daß wirkliche Veränderung nur zustande kommt, wenn wir<br />

unsere Bemühungen aufgeben und nicht mehr versuchen, etwas<br />

mit dem Willen zu erzwingen, und daß der großartigste Schlüssel<br />

zur Heilung unseres Sehvermögens ebenfalls von der einfachsten<br />

Art ist: Die Ausweitung unseres Bewußtseins.<br />

Die heilende Kraft des Selbst-Bewußtseins<br />

Wie <strong>die</strong> meisten Menschen bin ich mit der Vorstellung aufgewachsen,<br />

daß das Leben ein schmerzhafter Kampf ist. Ich habe gelernt,<br />

mit meinen <strong>Augen</strong> nach den Dingen zu greifen, statt der Welt zu<br />

gestatten, sanft in meine Wahrnehmung einzutreten. Als ich <strong>die</strong><br />

Sehweise Offener Fokus entdeckte, wurde mir klar, daß ich mit<br />

meiner Art des bemühten Hinsehens den Kampf immer mehr<br />

anheizte. Ich sah langsam ein, daß mein Sehvermögen meinen<br />

Gesamtbewußtseinszustand widerspiegelte. Ich erkannte, daß<br />

sich das Leben, wie das Sehen eigentlich vollkommen frei von<br />

Anstrengung vollzieht. Mir wurde klar, daß ich nicht kämpfen<br />

mußte, um meine Vorstellungen von meinem Leben zu realisieren.<br />

In Wirklichkeit machte <strong>die</strong> Anstrengung es nur noch schwieriger.<br />

Ich fing an, nach dem Schlüssel <strong>für</strong> <strong>die</strong> Mühelosigkeit zu<br />

suchen, nach «offener Lebensführung».<br />

In meiner Praxis erlebte ich mit, wie viele Menschen eine<br />

spontane Sehverbesserung erfuhren, indem sie entweder vergessene<br />

Traumata erkannten und zum Ausdruck brachten oder<br />

indem sie einfach <strong>die</strong> Möglichkeit anerkannten, daß eine Veränderung<br />

ihrer Sehkraft möglich ist. Außerdem war da <strong>die</strong> Verwandlung<br />

meines eigenen Sehens nach meiner meditativen Erfahrung<br />

- ich fragte mich, wie solche, vermeintlich körperlichen<br />

Transformationen so schnell stattfinden konnten. Mir wurde<br />

104


klar, daß nur unser Bewußtsein sich derart schnell verändern<br />

kann.<br />

Ich hatte unglaubliche Berichte von angeblich unveränderlichen<br />

physiologischen Zuständen gehört. Multiple Persönlichkeiten<br />

sind ein schlagendes Beispiel. Es ist nicht ungewöhnlich, daß<br />

verschiedene Subpersönlichkeiten in ein und demselben Körper<br />

stark unterschiedliche körperliche Symptome aufweisen, darunter<br />

Narben, Brandmale, Zysten, Links- und Rechtshändigkeit, 9 ,<br />

Gehirnstrommuster, Allergien, Lebensformen, Erinnerungen 10<br />

und selbst <strong>Augen</strong>druck und Hornhautkrümmung. 11 Michael Talbot<br />

stellt fest: «Häufig verschwindet auf geheimnisvolle Weise ein<br />

medizinisches Problem, mit dem eine Subpersönlichkeit behaftet<br />

ist, sobald eine andere Subpersönlichkeit <strong>die</strong> Herrschaft übernimmt.»<br />

12 Er geht dann auf einige der sensationelleren Entdekkungen<br />

im Zusammenhang mit den körperlichen Veränderungen<br />

bei sogenannten «Multiplen» ein:<br />

Durch Persönlichkeitswechsel kann ein [multipler] Mensch auf<br />

der Stelle nüchtern werden, wenn er betrunken ist...<br />

Man weiß von Frauen, <strong>die</strong> zwei- oder dreimal im Monat<br />

menstruieren, da jede ihrer Subpersönlichkeiten ihren eigenen<br />

Zyklus hat.<br />

Der Sprachpathologe Christy Ludlow hat entdeckt, daß das<br />

Stimm-Muster bei jeder Subpersönlichkeit verschieden ist, eine<br />

Leistung, <strong>die</strong> eine so tiefgreifende physiologische Veränderung<br />

bedingt, daß selbst ein hervorragender Schauspieler nicht imstande<br />

ist, seine angestammte Stimme zur Unkenntlichkeit zu<br />

verstellen.<br />

Eine multiple Frau, <strong>die</strong> wegen Diabetes ins Krankenhaus kam,<br />

irritierte ihre Ärzte dadurch, daß sie keinerlei Symptome<br />

zeigte, sobald eine ihrer nicht zuckerkranken Persönlichkeiten<br />

das Regiment übernahm.<br />

Berichtet wird von epileptischen Anfällen, <strong>die</strong> mit dem Persönlichkeitswechsel<br />

kommen und gehen und ... daß sogar Tumoren<br />

verschwinden und wieder auftreten können.<br />

105


In bezug auf Veränderungen des Sehvermögens berichtet Talbot,<br />

daß bei multiplen Persönlichkeiten «<strong>die</strong> Sehschärfe ebenfalls<br />

variieren kann, und manche Multiple müssen zwei oder drei<br />

verschiedene Brillen benutzen, um ihren wechselnden Persönlichkeiten<br />

gerecht zu werden. Eine Persönlichkeit mag farbenblind<br />

sein, eine andere dagegen ist es nicht, und sogar <strong>die</strong><br />

<strong>Augen</strong>farbe kann wechseln.»<br />

Ein Optometrist aus Chicago stellte eine «bemerkenswerte<br />

Abweichung» der Sehschärfe bei Persönlichkeiten fest, <strong>die</strong> durch<br />

<strong>die</strong>selben <strong>Augen</strong> blicken: «Eine Patientin benötigte <strong>für</strong> eine ihrer<br />

Subpersönlichkeiten eine Kurzsichtigkeitskorrektur, <strong>die</strong> beinahe<br />

viermal stärker war als <strong>die</strong> <strong>für</strong> eine andere. Wenn sie zur Sechsjährigen<br />

wurde, verbesserte sich ihre Kurzsichtigkeit so sehr, daß<br />

ihre ursprüngliche Brillenstärke aus der Kindheit ausreichte, um<br />

ihr Sehvermögen zu korrigieren. Ihre Teenager-Subpersönlichkeit<br />

benötigte eine stärkere Brille, sah jedoch besser als ihre<br />

erwachsenen Subpersönlichkeiten.» 13<br />

Was kann das Sehvermögen <strong>die</strong>ser Patienten so plötzlich verändern?<br />

Es widerspricht all unserem vermeintlichen Wissen<br />

über den menschlichen Körper, der Vorstellung, daß er relativ<br />

festgefügt ist. Von unserer physischen Struktur wird höchstens<br />

erwartet, daß sie wächst. Obwohl es so scheint, als ob sich unser<br />

Körper nicht verändert, wissen Ärzte, daß er sich tatsächlich in<br />

einem Zustand ständigen Wandels und fortdauernder Erneuerung<br />

befindet. Das Zeugnis, welches multiple Persönlichkeiten<br />

ablegen, deutet an, welch großes Potential wir tatsächlich haben,<br />

um unseren körperlichen Zustand dramatisch zu verändern.<br />

Das Bewußtsein scheint zu bestimmen, welches Potential der<br />

Körper zu einem beliebigen Zeitpunkt zum Ausdruck bringen soll<br />

- <strong>die</strong> wundersame Veränderung vom Diabetiker zum Nichtdiabetiker<br />

hat ihren Ursprung nicht wirklich im Körper. Sie ist einfach<br />

<strong>die</strong> körperliche Manifestation einer Bewußtseinsveränderung,<br />

<strong>die</strong> uns wie ein Wunder erscheint. Wie Talbot abschließend feststellt:<br />

106


Wir alle sind darauf fixiert, daß <strong>die</strong> Dinge unvermeidlich sind.<br />

Wenn wir schlechte <strong>Augen</strong> haben, meinen wir, daß wir unser<br />

ganzes Leben lang nicht gut sehen werden, und wenn wir an<br />

Diabetes leiden, glauben wir keinen <strong>Augen</strong>blick daran, daß<br />

sich unser Zustand durch einen Wechsel unserer Stimmung<br />

oder unserer Denkweise bessern könnte. Das Phänomen<br />

der multiplen Persönlichkeit jedoch stellt <strong>die</strong>sen Glauben in<br />

Frage und liefert einen weiteren Beweis da<strong>für</strong>, wie sehr unsere<br />

psychische Verfassung <strong>die</strong> Biologie des Körpers beeinflussen<br />

kann. 14<br />

Wenn multiple Persönlichkeiten auch <strong>die</strong> dramatischsten Fälle<br />

der Veränderung darstellen, so steht <strong>die</strong> Möglichkeit, den Körper<br />

durch das Bewußtsein zu verändern, doch jedermann zu allen<br />

Zeiten offen. Jedesmal, wenn sich unsere Weltsicht verändert,<br />

werden wir zu einem neuen Menschen.<br />

Heilen über das Bewußtsein gehört zum Potential jedes Menschen.<br />

Manche von uns lernen erst, Wunder der Heilung zu<br />

erschaffen, wenn wir vor dem Tod stehen oder mit einer «tödlichen»<br />

Diagnose konfrontiert sind - aber warum bis zu <strong>die</strong>sem<br />

Moment warten? Sehbeschwerden können <strong>die</strong> Herausforderung<br />

sein, <strong>die</strong> eine heilende Transformation bewirkt. Indem wir einen<br />

klaren Blick auf das Leben suchen, stellen wir fest, daß <strong>die</strong> <strong>Augen</strong><br />

einfach nur <strong>die</strong> Erweiterung des Bewußtseins sind. Wir stellen<br />

fest, daß wir, indem wir <strong>für</strong> klare Sicht nach außen sorgen, auch<br />

klare Sicht nach innen gewinnen.<br />

Menschliche Homöopathie<br />

Westliche (allopathische) Medizin bietet augenblicklich <strong>die</strong> wirkungsvollste<br />

Behandlung vieler Krankheiten und <strong>Gesundheit</strong>sstörungen.<br />

Ihr Ansatz beruht jedoch nicht auf <strong>Gesundheit</strong>s<strong>für</strong>sorge,<br />

sondern auf Krankheitsbekämpfung, indem sie den Patienten<br />

mit dem Gegenteil der Symptome oder mit dem, was das<br />

107


Gegenteil herbeiführt, behandelt. Wenn Sie zum Beispiel unter<br />

Schmerzen leiden, dann erhalten Sie ein schmerzlinderndes Medikament.<br />

Haben Sie Fieber, so gibt man Ihnen Arzneien, welche<br />

<strong>die</strong> Temperatur senken. Die Möglichkeit, daß der Schmerz oder<br />

das Fieber selbst vielleicht eine wertvolle Rolle im Heilungsprozeß<br />

spielen könnten, ist zu einer theoretischen Streitfrage geworden.<br />

Anders als <strong>die</strong> Allopathie heilt <strong>die</strong> Homöopathie, indem sie in<br />

<strong>die</strong> gleiche Richtung wie das durch <strong>die</strong> Krankheit geschaffene<br />

Ungleichgewicht zielt und das Schwingungsäquivalent der<br />

Erkrankung verordnet - ihr Motto lautet: «Gleiches heilt Gleiches».<br />

Homöopathische Medikamente bestehen aus unglaublich<br />

stark verdünnten Lösungen (im allgemeinen sind nur einige<br />

wenige Moleküle des aktiven Bestandteils enthalten) einer Substanz,<br />

<strong>die</strong> normalerweise <strong>die</strong> vorhandenen Symptome verursachen<br />

würde. So ist zum Beispiel Apis mellifica, der reizende Stoff,<br />

den Bienen beim Stechen ausscheiden, ein häufig verschriebenes<br />

homöopathisches Mittel gegen Insektenstiche.<br />

Als ich mich eingehener mit dem Prinzip «Gleiches zieht<br />

Gleiches an» beschäftigte, fand ich heraus, daß unsere intensivsten<br />

Beziehungen und Erfahrungen wie homöopathische Mittel<br />

als eine Art menschliche Homöopathie wirken. Offenbar wiederholen<br />

wir <strong>die</strong> unaufgelösten Ängste und Verletzungen unserer<br />

Kindheit bis weit in unser Erwachsenendasein hinein. Tatsächlich<br />

machen sie sogar oft den Kern der wichtigsten Herausforderungen<br />

in unserem Leben aus, bis wir es lernen, sie zu heilen oder<br />

aufzulösen. Wahrscheinlich ziehen wir immer wieder Situationen<br />

und Beziehungen an, <strong>die</strong> in unseren verletzlichsten Gefühlen<br />

widerhallen, obwohl wir entschlossen sind, ihnen aus dem Weg zu<br />

gehen.<br />

Die Traumata aus unserer Kindheit schaffen häufig in bestimmten<br />

Lebensbereichen Gefühle tiefer Verletzbarkeit. Um mit ihnen<br />

fertig zu werden, lernen wir, <strong>die</strong>se unangenehmen Emotionen zu<br />

unterdrücken. Das jedoch macht es unmöglich, sie zu heilen oder<br />

zu transformieren, und weil wir es nicht anders kennen, verweigern<br />

wir ihnen auch weiterhin den Zugang zu unserem Bewußt-<br />

108


sein. Da wir nie erfahren haben, wie man unangenehme Erfahrungen<br />

anerkennen und erleben kann, halten wir uns lieber an ein<br />

festgeschriebenes, defensives Drehbuch, das auf vergangenen<br />

Szenarien beruht - unser Verhalten wird wie auf Knopfdruck<br />

ausgelöst, und wir reagieren blind. Indem wie <strong>die</strong>s tun, erzeugen<br />

wir vielleicht gerade eine Art homöopathischen Magnet, der so<br />

lange und immer wieder vergleichbare Situationen in unser Leben<br />

zieht, bis wir endlich wirklich anfangen, sie zu sehen, zu fühlen<br />

und zu heilen. Es scheint so, als ob das Universum auch weiterhin<br />

unbeirrt den Lehrplan bereithält, der <strong>für</strong> <strong>die</strong> Evolution der Art<br />

notwendig ist. Dem wir widerstehen, kann nicht vergehen.<br />

Im allgemeinen wiederholen sich gerade <strong>die</strong> schmerzhaftesten<br />

Gefühle und Ereignisse unseres Lebens. Wir treten wieder und<br />

wieder in ein und dasselbe emotionale Loch. Man möchte meinen,<br />

wir würden nach den ersten paar Malen lernen, <strong>die</strong>se<br />

Erfahrung zu vermeiden. Statt dessen fallen wir auch weiterhin in<br />

unsere Lieblingsgruben. Wir verbringen Jahre damit, uns genau<br />

gegen das zu wehren, was wir brauchen, um unsere «nicht vorhandenen<br />

unheilbaren Störungen» zu heilen.<br />

Da wir typischerweise viele Jahre damit zubringen, <strong>die</strong>sen<br />

schwierigen Gefühlen aus dem Weg zu gehen, kann es eine große<br />

Herausforderung sein, sich ihnen erstmals zu stellen. Wenn wir sie<br />

jedoch zulassen, geraten schmerzhafte, selbstzerstörerische<br />

Gefühlsmuster tatsächlich in Bewegung. Emotionale Heilung<br />

findet statt, indem wir es uns gestatten, den tiefsten Schmerz zu<br />

spüren. Man könnte sagen, daß <strong>die</strong>ser Prozeß etwa wie eine<br />

Fiebererkrankung ist, der man gestattet, ungehindert abzulaufen,<br />

statt sie mit Aspirin zu unterdrücken.<br />

Wann immer eine Person oder ein Ereignis solch unaufgelöste<br />

Angelegenheiten auslösen, sind wir beunruhigt und fühlen uns<br />

unbehaglich. Dieses Unbehagen <strong>die</strong>nt als Erinnerung daran, daß<br />

es einen Bereich gibt, welcher der Heilung bedarf. Sie können das<br />

leicht selbst herausfinden. Denken Sie darüber nach, wann Sie<br />

sich zuletzt so richtig unbehaglich gefühlt haben. Erinnern Sie sich<br />

so lebhaft wie möglich an Ihre Gefühle. Durchleben Sie <strong>die</strong><br />

Erfahrung so vollständig wie möglich. Was fiel vor, um <strong>die</strong>ses<br />

109


Gefühl des Unbehagens auszulösen? Wie sah Ihre automatische<br />

Reaktion aus? Wie haben Sie <strong>die</strong>se Erfahrung interpretiert?<br />

Dann stellen Sie sich selbst <strong>die</strong> Frage: «Habe ich <strong>die</strong>se Gefühle<br />

jemals zuvor gehabt?» Versuchen Sie sich daran zu erinnern, wie<br />

es war, als Sie sich zum ersten Mal so fühlten.<br />

Es ist fast nie das erste Mal, nicht wahr? Wie <strong>Augen</strong>beschwerden<br />

sind auch unsere unangenehmsten Gefühle chronisch. Sie<br />

kehren immer wieder zu uns zurück, bis uns klar wird, daß das<br />

Problem nicht außerhalb von uns in einer anderen Person oder in<br />

einem äußeren Ereignis liegt. Das äußere Ereignis ist nur ein<br />

Widerhall, ein Selbst-Erkennen in unserem Schwingungsfeld.<br />

Wenn wir akzeptieren, daß unsere Gefühle wirklich in uns selbst<br />

sind, sind wir tatsächlich bereit, den Heilungsprozeß zu beginnen.<br />

Nun denken Sie zurück an eine schmerzhafte Erfahrung oder an<br />

ein auf andere Weise problematisches Erlebnis mit starker emotionaler<br />

Aufladung. Sind <strong>die</strong>se Gefühle seither wieder aufgetreten?<br />

Wie lange dauerte es, bis sie erneut zum Vorschein kamen?<br />

Sind Sie dann, unabhängig von den Veränderungen, <strong>die</strong> Sie nach<br />

der ersten Erfahrung beschlossen haben, schließlich wieder in<br />

eine Situation geraten, <strong>die</strong> sich ähnlich anfühlte?<br />

Im allgemeinen werden Sie, noch bevor Sie es bemerken, in<br />

eine neue Erfahrung mit den gleichen Gefühlen geraten. Dieser<br />

Kreis kann unendlich fortgesetzt werden. Wie können wir lernen,<br />

<strong>die</strong> eingetretenen Pfade zu verlassen? Je mehr wir uns darum<br />

bemühen, desto festgefahrener scheinen wir manchmal zu sein.<br />

Aber es gibt ein Heilmittel: Bewußtheit. Bewußt zu leben heißt,<br />

daß unser Energiefeld, unsere Gefühle und all unsere Sinne offen<br />

und empfänglich sind. Die Erweiterung unseres Bewußtseins ist<br />

vielleicht der bedeutendste Schritt in der tiefgreifenden Veränderung<br />

unserer Sicht darauf, wie wir <strong>die</strong> Welt sehen. Es gibt<br />

tatsächlich nicht sehr viel mehr zu tun, denn <strong>die</strong> Bewußtheit selbst<br />

wirkt bereits heilend.<br />

110


Bewußtheit heißt im Hier und Jetzt sein<br />

Was ist volle Bewußtheit, und wie können wir bewußter werden?<br />

Bewußtheit heißt einfach, jeden Moment des Lebens so voll und<br />

ganz wie möglich zu erleben. Größere Bewußtheit stellt sich nicht<br />

ein, wenn wir versuchen, besser aufzupassen - <strong>die</strong>se Anstrengung<br />

setzt Konzentration und damit in Wahrheit eine Verengung des<br />

Gesichtsfeldes voraus. Wirkliche Bewußtheit ist ein sich ausdehnender,<br />

müheloser Prozeß.<br />

Die Menschen haben eine Reihe wunderbarer Tricks entwikkelt,<br />

um «das Sein im <strong>Augen</strong>blick» zu vermeiden. Östliche spirituelle<br />

Lehrer vermuten, daß ein Großteil unserer geistigen und<br />

körperlichen Aktivitäten aus dem Bedürfnis entstehen, uns von<br />

unserer Bewußtheit abzulenken, statt aus irgendeiner sinnvollen<br />

Notwendigkeit. Ich habe festgestellt, daß der Wunsch, den klaren<br />

Blick auf das Leben zu vermeiden (und damit das Leben auch klar<br />

zu spüren), <strong>die</strong> grundlegende Ursache <strong>für</strong> alle Sehbeschwerden<br />

ist. Die meisten Menschen beginnen sich zu langweilen, werden<br />

ängstlich oder unruhig, wenn sie auch nur ein paar Minuten ruhig<br />

sitzen müssen - so wie ich es erlebte, als ich meine Brille abnahm.<br />

Solche aus der Fassung bringende Gefühle sind der Grund,<br />

warum wir beständig nach Ablenkung suchen und warum östliche<br />

spirituelle Traditionen der Meditation eine so große Bedeutung<br />

beimessen.<br />

Meditation ist einfach eine Möglichkeit, unser Bewußtsein zu<br />

beobachten, im allgemeinen indem wir uns einer Sache ganz und<br />

gar widmen, wie zum Beispiel dem Atem, einem heiligen Klang<br />

oder Mantra. Meditation ist ein sehr wirkungsvolles Instrument,<br />

um <strong>die</strong> Bewußtheit des <strong>Augen</strong>blicks zu erlangen, und hat eine<br />

Steigerungswirkung, wenn sie regelmäßig geübt wird. Ein Gefühl<br />

der Wachheit und zentrierten Aufmerksamkeit beginnt, unser<br />

Sein zu durchdringen.<br />

Es gibt viele Wege, <strong>die</strong> zu einem meditativen Zustand führen.<br />

Wie wir bereits erfahren haben, kann Offener Fokus (nichtwertendes<br />

Sehen) eine Form der Meditation sein, eine Möglichkeit,<br />

111


um ganz und gar im <strong>Augen</strong>blick anwesend zu sein. Wenn Sie sich<br />

das nächste Mal gestreßt fühlen oder besorgt sind, dann versuchen<br />

Sie es mit einer kurzen Pause, in der Sie das Sehen mit Offenem<br />

Fokus (wie es im vierten Kapitel beschrieben wird) praktizieren.<br />

Mit ein wenig Übung wird es Ihnen sogar gelingen, während vieler<br />

Ihrer täglichen Aktivitäten mit Offenem Fokus zu sehen. Obwohl<br />

das Praktizieren einer «Meditadtion-in-Bewegung» ein Widerspruch<br />

zu sein scheint, so ist doch ein Zustand voller Bewußtheit<br />

während des Handelns «in der Welt» <strong>die</strong> Zielvorstellung der<br />

meisten Meditationsformen und wird sich natürlich entwickeln,<br />

wenn Sie regelmäßig meditieren.<br />

Sie müssen nicht dreißig Jahre lang meditieren, um <strong>die</strong> Ernte<br />

größter Bewußtheit einzufahren. Jedesmal, wenn Sie <strong>die</strong> Sehweise<br />

Offener Fokus praktizieren oder einfach nur Ihre Aufmerksamkeit<br />

in <strong>die</strong> Gegenwart zurückholen, weiten sich Ihr Energiefeld<br />

und Ihr Sehvermögen ein klein wenig mehr aus. Bedenken<br />

Sie, daß das Energiefeld, während wir unser Bewußtsein einengen,<br />

im allgemeinen im Verlauf eines Prozesses abwechselnder<br />

Ausdehnung und Kontraktion zusammenbricht, wenn wir unsere<br />

Bewußtheit einengen. Wenn wir unsere Bewußtheit erweitern,<br />

kehrt es jedoch im vollen Ausmaß zurück.<br />

Zu Anfang nehmen Sie vielleicht keine Veränderung wahr,<br />

aber wenn Sie fortfahren, sich selbst daran zu erinnern, in der<br />

Gegenwart zu bleiben, werden Sie immer mehr subtile Veränderungen<br />

- <strong>die</strong> ich «gerade noch erkennbare Unterschiede» nenne -<br />

wahrnehmen. Wann bemerken Sie zum ersten Mal, daß Sie klarer<br />

sehen? Wann bemerken Sie zum ersten Mal, daß sich <strong>die</strong> Temperatur<br />

geändert hat? Wann bemerken Sie zum ersten Mal, daß sich<br />

etwas im Zusammenhang mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin<br />

unangenehm anfühlt?<br />

Diese gesteigerte Wahrnehmung ist nur der Anfang - der<br />

nächste Schritt besteht darin, das auszudrücken, was Sie sehen<br />

oder fühlen, und darüber zu sprechen. Dies bedeutet, mit den<br />

Menschen, <strong>die</strong> Ihnen etwas bedeuten, direkt Ihre Gefühle, Ihre<br />

Bedürfnisse und so fort zu teilen. Kommunikation erweitert das<br />

Energiefeld und lädt weitere Bewußtheit ein. In der Tat scheint<br />

112


unsere Begabung, uns der Welt zu öffnen, direkt mit unserer<br />

Fähigkeit, uns zum Ausdruck zu bringen, in Zusammenhang zu<br />

stehen. Der Weg erweiterten Bewußtseins beginnt, indem wir,<br />

ohne zu werten, unsere Erfahrung im <strong>Augen</strong>blick bemerken,<br />

fühlen und weitergeben. Es hört sich so einfach an, und dennoch<br />

haben wir gerade dagegen so tief verwurzelte Vermeidungsgewohnheiten<br />

entwickelt. Wir haben vergessen, daß wir jedesmal,<br />

wenn wir eine Beobachtung oder einen Impuls, uns mitzuteilen,<br />

unterdrücken, unsere Lebenskraft ein klein wenig mehr einschränken.<br />

Manche Menschen glauben, daß sie böse oder ungesunde<br />

Dinge tun werden, wenn sie ihren Impulsen folgen, also versuchen<br />

sie, jede Bewegung zu kontrollieren und zu beurteilen.<br />

Solche Vorstellungen sind das Ergebnis einer Lebensangst, eines<br />

Mangels an Vertrauen in den eigenen heiligen Kern. Meiner<br />

Meinung nach führt uns volle Bewußtheit spontan zu den angemessenen<br />

Reaktionen auf jede Situation. Jedes Tier verläßt sich<br />

auf seine Instinkte, um zu überleben und zu gedeihen. Sind wir<br />

nicht ebenfalls dazu geschaffen, um uns von unserem instinktiven<br />

Selbst führen zu lassen?<br />

Unsere Fähigkeit zu voller Bewußtheit hängt davon ab, mit<br />

wieviel Aufmerksamkeit wir im Hier und Jetzt leben. Wenn wir<br />

dazu neigen, eher zu analysieren, Statt unsere Erfahrung zu<br />

spüren, dann ist <strong>die</strong> Klarheit, Energie und Leidenschaft, <strong>die</strong> wir<br />

ins Leben einbringen, reduziert. Vielleicht fragen wir uns manchmal,<br />

warum wir nicht glücklich sind, warum unser Leben nicht<br />

durch Liebe und Freude bereichert ist. Doch <strong>die</strong> Weisen sagen<br />

uns, daß Glück nichts weiter ist als <strong>die</strong> Fähigkeit, was immer jetzt<br />

geschieht zu würdigen. Je mehr wir im <strong>Augen</strong>blick anwesend sind,<br />

desto mehr Befriedigung, Freude und Liebe können wir sowohl<br />

geben als auch empfangen.<br />

Wir sind darauf geeicht, das Leben <strong>für</strong> einen schweren Kampf<br />

zu halten. Manchmal machen wir schmerzhafte oder frustrierende<br />

Erfahrungen, aber ich habe festgestellt, daß <strong>die</strong> Intensität von<br />

Streß häufig etwas mit unserer Weigerung zu tun hat, voll und<br />

ganz im Jetzt zu sein. Bleiben wir im Jetzt, dann geht ein<br />

113


Sinneseindruck in den nächsten über. Sind wir jedoch verkrampft,<br />

dann reagieren wir, als ob jeder Schmerz <strong>für</strong> immer und ewig, ja<br />

eine Bedrohung <strong>für</strong> unser Überleben sei. Eine solche Einstellung<br />

bedarf einer großen Anstrengung, verbraucht einen Großteil<br />

unserer Lebenskraft und verringert unsere Fähigkeit zu sehen.<br />

Aber es ist möglich, unsere Lebensangst loszulassen und klar zu<br />

sehen.<br />

Um klarer zu sehen, müssen wir uns gestatten, <strong>die</strong> unangenehmen<br />

Gefühle zu spüren, <strong>die</strong> wir aus unserem Leben ausgelöscht<br />

haben. In den Worten von C. G. Jung: «Neurose ist immer ein<br />

Ersatz <strong>für</strong> berechtigtes Leiden.» Man sieht dann durch den Nebel,<br />

wenn man das betrachtet, was sich in ihm verbirgt. Ein Schlüssel<br />

zu spontaner Heilung kann in dem verborgen sein, was immer sich<br />

gerade jetzt in Ihrem Leben ereignet. Er ist nicht in der Vergangenheit<br />

und auch nicht in der Zukunft zu finden.<br />

Wenn einem <strong>die</strong> äußere Welt unklar erscheint, kann <strong>die</strong>s ein<br />

Zeichen da<strong>für</strong> sein, daß im Inneren etwas unklar ist. Wir haben<br />

einfach vergessen, <strong>die</strong>ses Signal richtig zu deuten. Da wir <strong>die</strong><br />

Unklarheit nicht begreifen, glauben wir, daß wir keinen Einfluß<br />

auf sie haben, und nehmen statt dessen <strong>die</strong> «Anpassung» unseres<br />

Sehvermögens mit Hilfe einer Brille vor. Indem wir so reagieren,<br />

verpassen wir eine wichtige Gelegenheit, um mit dem unaufgelösten<br />

Thema, das <strong>die</strong> Unklarheit ursprünglich hervorgerufen hat,<br />

in Kontakt zu treten.<br />

Der zweite Teil des Buches liefert eine Anleitung, wie all <strong>die</strong>s in<br />

<strong>die</strong> Praxis umgesetzt und wie ein klareres Sehvermögen erlangt<br />

werden kann. Hierzu gehört eine Reihe von Methoden und<br />

Praktiken, <strong>die</strong> schon Tausenden von Menschen dazu verholfen<br />

haben, <strong>die</strong> Wirklichkeit mit neuen <strong>Augen</strong> wahrzunehmen. Diese<br />

Möglichkeit steht jedem offen, und der erste Schritt ist eine<br />

Hinwendung zur Bewußtheit - <strong>die</strong> Bereitschaft, sich zu öffnen<br />

und klar zu sehen, worum wir uns in unserem Leben bisher nicht<br />

ausreichend gekümmert haben.<br />

114


6<br />

Visionssuche<br />

Diana Crow kam <strong>für</strong> eine Woche im Juni 1992 zu mir in Therapie.<br />

Sie hatte jeden einzelnen Tag seit ihrem zehnten Lebensjahr eine<br />

Brille getragen und befaßte sich nun seit ein paar Monaten mit<br />

natürlicher Sehverbesserung. Aber bisher hatte sie keine Veränderung<br />

ihres Sehvermögens feststellen können. Sie trug eine<br />

schwächere Brille, als <strong>die</strong> eigentliche Verschreibung es verlangte,<br />

aber da auch <strong>die</strong>se schwächere Sehhilfe bereits über -8.00 Dioptrien<br />

lag, waren auch ihre Linsen ziemlich dick.<br />

Während unserer ersten Sitzung spürte ich, daß ihr Energiefeld<br />

stark zusammengezogen war; es schien so, als ob sie das Leben<br />

sehr ernst nahm und das Gewicht der Welt auf ihren Schultern<br />

trug. Sie stimmte zu, daß sie sich immer sehr darum bemüht hatte,<br />

perfekt zu sein. Ich fragte sie, warum sie in Behandlung gekommen<br />

sei. War sie nur gekommen, um ihre <strong>Augen</strong> zu heilen? Nein,<br />

antwortete sie, tatsächlich war sie hier, um zur Ganzheitlichkeit<br />

zu finden - um ihr ganzes Selbst zu heilen. Ich antwortete: «Dann<br />

wollen wir mit der Arbeit anfangen.»<br />

Ich bat Diana, <strong>die</strong> Brille abzunehmen und <strong>die</strong> Sehprobentafel<br />

zu lesen. Das größte Testzeichen darauf war eine dreißig Zentimeter<br />

große «7» auf der 6/240-Zeile. Eine Person mit einem<br />

hundertprozentigen Sehvermögen hätte sie aus über zweihundert<br />

Metern Entfernung erkennen können. Diana konnte sie aus<br />

115


dreieinhalb Metern Entfernung lesen. Ich schlug ihr vor, daß sie<br />

ausprobieren sollte, ohne <strong>die</strong> Brille auszukommen und sie nur<br />

dann aufzusetzen, wenn sie absolut unverzichtbar war. Sie nahm<br />

sie ab und machte nach unserer Sitzung einen Spaziergang durch<br />

<strong>die</strong> Stadt Aspen, um sich daran zu gewöhnen, <strong>die</strong> Welt durch<br />

ihren Nebel zu sehen.<br />

Am nächsten Tag erzählte sie mir, daß sie immer besser zu<br />

sehen schien, je länger sie umherging. Zu meiner Verwunderung,<br />

denn sie war wirklich hochgradig kurzsichtig, hatte sie sogar<br />

ausprobiert, wie das Autofahren ohne Brille ging. Sie hatte<br />

festgestellt, daß <strong>die</strong> Sehweise Offener Fokus ihr dabei half,<br />

während dem Fahren klar zu sehen, und sie setzte ihre Brille<br />

immer nur dann auf, wenn sie sie brauchte. Im Verlauf der Woche<br />

fuhr sie darin fort, ihre natürliche Sehkraft zu erforschen und<br />

damit langsam ihr Selbstvertrauen aufzubauen.<br />

Wenige Tage später hatte Diana einen regelrechten Durchbruch.<br />

Sie war am Morgen <strong>die</strong>ses Tages nicht besonders gesprächig,<br />

bis ich sie darauf aufmerksam machte, daß wir nun seit zwei<br />

Tagen miteinander gesprochen hatten, ohne daß sie John, mit<br />

dem sie seit 23 Jahren verheiratet war, auch nur einmal erwähnt<br />

hatte. Sie brach in sich zusammen, als ihr plötzlich klar wurde, wie<br />

sehr sie ihre Ehe ablehnte. Seit 23 Jahren hatte sie erfolgreich <strong>die</strong><br />

Tatsache vor sich hergeschoben, daß sie geheiratet hatte, um ihrer<br />

Familie zu entkommen. Sie hatte sich nicht gestattet zu sehen, daß<br />

ihre «perfekte» Ehe eine Illusion war. Jetzt konnte sie <strong>die</strong>s nicht<br />

mehr länger vor sich verbergen. Sie sah <strong>die</strong> Wahrheit - und sie<br />

wollte sich scheiden lassen.<br />

Unmittelbar nach <strong>die</strong>ser bemerkenswerten Bewußtseinsveränderung<br />

überprüfte ich erneut ihr Sehvermögen. Dieses Mal<br />

konnte sie Testzeichen von siebeneinhalb Zentimetern Größe aus<br />

einer Entfernung von sechs Metern lesen - also etwas besser als<br />

6/24. Eine Person mit 100% Sehkraft hätte <strong>die</strong> Testzeichen aus<br />

einer Entfernung von fast 25 Metern erkannt - <strong>für</strong> Diana eine<br />

beeindruckende Verbesserung in so kurzer Zeit.<br />

Im weiteren Verlauf der Woche konnte ich beobachten, daß<br />

Diana sich ohne Brille immer sicherer fühlte, aber ich war den-<br />

116


noch überrascht, als sie mich am Abend nach unserer letzten<br />

Sitzung anrief, um mir mitzuteilen, daß sie <strong>die</strong> ganze Strecke<br />

zurück nach Denver, 260 Kilometer, ohne Brille gefahren war. In<br />

der Tat, sie war sogar über den Independence Paß gefahren - ein<br />

steiler, gewundener Übergang über den Continental Divide, der<br />

<strong>für</strong> jeden Fahrer eine Herausforderung ist, ganz egal wie gut seine<br />

<strong>Augen</strong> sind.<br />

(Im neunten Kapitel wird das Fahren ohne Brille in größerer<br />

Ausführlichkeit behandelt. Diana betonte, daß ihre Entscheidung<br />

nicht spontan war, sondern der Gipfel eines Prozesses der Selbsterforschung<br />

und Heilung. Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt war sie davon<br />

überzeugt, daß sie klar genug sehen konnte, um sicher Auto zu<br />

fahren. Ich möchte hinzufügen, daß <strong>die</strong> Verbesserung Ihrer Sehkraft<br />

Ihnen dabei helfen sollte, sicherer und aufmerksamer zu<br />

fahren. Ich rate Ihnen, immer verantwortungsbewußt zu fahren<br />

und Ihren <strong>Augen</strong>arzt zu Rate zu ziehen, bevor Sie <strong>die</strong> Brille, mit<br />

der Sie fahren, durch eine schwächere ersetzen.)<br />

Als Diana nach Hause kam, teilte sie ihrem Mann mit, daß sie<br />

sich scheiden lassen wollte. Ihr Leben veränderte sich dramatisch,<br />

als sie sich ihrer Angst stellte, zum ersten Mal allein zu leben, und<br />

der Trauer darüber, daß ihre Söhne im Teenageralter lieber bei<br />

ihrem Vater bleiben wollten. Die nächsten drei Wochen trug sie<br />

ihre Brille überhaupt nicht und sah dabei sehr klar. Sie fuhr ohne<br />

Brille überall hin, selbst in <strong>die</strong> Stadtmitte von Denver. Dann<br />

begann ihre Familie auf ihre Entscheidung, sich von John scheiden<br />

zu lassen, zu reagieren, und Selbstzweifel setzten erneut ein.<br />

Sie fühlte sich allein, bedroht und mißverstanden - und fing an,<br />

ihre Brille wieder häufiger aufzusetzen.<br />

Jetzt, zwei Jahre später, besitzt Diana eine Brille mit -4.00<br />

Dioptrien - ungefähr halb so stark wie jene, <strong>die</strong> sie ursprünglich<br />

getragen hatte. Sie benutzt sie nicht <strong>die</strong> ganze Zeit über,<br />

aber sie trägt sie an einem Band um ihren Hals und setzt sie auf,<br />

wenn sie sie braucht. Mit <strong>die</strong>ser neuen Verschreibung kann sie<br />

in der Ferne sehr deutlich sehen. Diana ist davon überzeugt,<br />

daß ihren Sehbeschwerden eine tiefsitzende Angst zugrunde gelegen<br />

war und daß ihre fortgesetzten Bemühungen, <strong>die</strong>se Ängste<br />

117


zu heilen, der Schlüssel zur Verbesserung ihres Sehvermögens<br />

sind.<br />

Dianas Geschichte offenbart ein wichtiges Element <strong>die</strong>ses Prozesses:<br />

Es ist nicht ungewöhnlich, einen «wundersamen» Durchbruch<br />

zu erleben und dann festzustellen, daß <strong>die</strong> Sehkraft wieder<br />

abnimmt, während <strong>die</strong> zugrundeliegenden «verborgenen» Gefühle<br />

langsam nach oben kommen, um aufgelöst zu werden.<br />

Denken Sie daran, daß das Sehvermögen immer um Anpassung<br />

bemüht und ständig in Bewegung ist. Wenn Sie jedoch eine<br />

Sehhilfe tragen, dann werden Ihre <strong>Augen</strong> auf einen unnatürlichen,<br />

starren Brennpunkt festgelegt. Ihre Sehkraft kann eine<br />

Zeitlang, während sie ein beweglicheres Gleichgewicht sucht,<br />

stark fluktuieren - und <strong>die</strong>se Veränderungen sind ein Zeichen<br />

da<strong>für</strong>, daß der Heilungsprozeß normal voranschreitet.<br />

Durch das Abnehmen Ihrer Brille haben Sie einen weitreichenden<br />

Zyklus von Heilung in Gang gesetzt. Wenn es anfangs auch<br />

entmutigend sein kann, daß Ihr Sehvermögen zwei Schritte vor<br />

und einen zurück macht, so wird sich Ihre Sehkraft doch weiter<br />

verbessern, wenn Sie <strong>die</strong>se Fluktuationen begreifen, Ihre Brille<br />

nur dann tragen, wenn es unbedingt notwendig ist, und Ihr<br />

Bewußtsein offenhalten.<br />

118


Teil II<br />

Eine neue Realität


7<br />

Veränderte Sehkraft, verändertes Leben!<br />

Gewohnheit ist Gewohnheit und kann nicht aus dem<br />

Fenster gestoßen, sondern muß eine Stufe nach der<br />

anderen treppab gelockt werden.<br />

Mark Twain<br />

Dieses Kapitel <strong>die</strong>nt als praktischer Führer, um den Schritt zu<br />

ganzheitlichem Sehen zu vollziehen. Es richtet sich an Menschen,<br />

<strong>die</strong> auf optische Hilfsmittel angewiesen sind, aber es ist <strong>für</strong> jene,<br />

<strong>die</strong> es nicht sind, ebenso nützlich. Wenn Sie eine Sehhilfe tragen,<br />

dann werden Sie <strong>die</strong>se visuellen Krücken abnehmen. Wenn Sie<br />

keine Sehhilfe tragen, werden Sie das Rollo hochziehen, das Ihr<br />

inneres Sehen einschränkt. Selbst dann, wenn Ihnen eine gute<br />

Sehschärfe bestätigt wurde, möchten Sie sich vielleicht mit <strong>die</strong>sem<br />

Abschnitt befassen, bevor Sie sich dem dritten Teil des Buches<br />

zuwenden.<br />

Vielleicht ist uns jetzt klar, daß eine Verbesserung der Sehkraft<br />

tatsächlich möglich ist, aber wir wissen noch immer nicht, wie wir<br />

<strong>die</strong>se bewerkstelligen sollen. Selbst nachdem ich das Sehen mit<br />

Offenem Fokus und <strong>die</strong> ganzheitliche Natur des Sehens erfahren<br />

hatte, benötigte ich Jahre der Praxiserfahrung, um meine falschen<br />

Vorstellungen darüber, wie eine Sehverbesserung zustande<br />

kommt, loszuwerden. Ich brauchte lange, bis ich begriff, warum<br />

manche Leute eine sofortige, spontane Sehverbesserung erfahren,<br />

nur weil sie erkennen, daß es möglich ist, während andere<br />

eine langsame Verbesserung während mehrerer Jahre und wieder<br />

andere überhaupt keine Veränderung erleben.<br />

Wir gehen gerne davon aus, daß klareres Sehen eine physische<br />

120


Veränderung in den <strong>Augen</strong>muskeln (oder im Augapfel) verlangt,<br />

und wir richten uns danach, indem wir <strong>Augen</strong>übungen machen.<br />

Jedoch ist <strong>die</strong> Veränderung des Sehvermögens nichts anderes als<br />

eine Bewußtseinsveränderung, und aus unserer Gewohnheit heraus,<br />

uns wirklich anzustrengen, erschweren <strong>die</strong> meisten von uns<br />

<strong>die</strong>se Veränderung mehr als notwendig. Daher sind all <strong>die</strong> Vorschläge<br />

in <strong>die</strong>sem Buch vor allem Bewußtseinsübungen. Zu manchen<br />

von ihnen gehören auch <strong>Augen</strong>bewegungen, aber <strong>die</strong><br />

Bewußtheit, mit der sie vollzogen werden, ist der tatsächliche<br />

Schlüssel zu bleibender Veränderung. Die Bewegungen selbst<br />

bewirken nur eine zeitweilige Veränderung.<br />

In Wahrheit haben selbst <strong>die</strong> praktischsten <strong>die</strong>ser Übungen<br />

nichts mit der Heilung «schlechter» <strong>Augen</strong> zu tun. Sehverbesserung<br />

ist tatsächlich ein dynamischer Prozeß der Wiedererweckung<br />

Ihrer Einsicht, Ihrer inneren Beziehung zur Welt. Nur wenn Sie<br />

<strong>die</strong>sen inneren Prozeß erfahren, können Sie eine maßgebliche<br />

und anhaltende Veränderung in Ihrem äußeren Sehvermögen<br />

erreichen. Wenn Sie bereits das Vorhandensein neuer Möglichkeiten<br />

anerkennen, wenn Sie eine Veränderung Ihrer Einstellungen<br />

zum Sehen bemerken, dann beginnt Ihr Sehvermögen sich<br />

schon zu verbessern, ob Sie es nun «sehen» oder nicht. Ein<br />

offeneres Verständnis beginnt bereits, Aspekte Ihres Potentials<br />

zu beleuchten, <strong>die</strong> Ihnen zuvor verborgen waren.<br />

Die Aufmerksamkeit wird sich in <strong>die</strong>sem zweiten Abschnitt des<br />

Buches nicht auf das Endresultat richten, wie zum Beispiel auf das<br />

fehlerlose Lesen der Sehprobentafel; statt dessen wird es darum<br />

gehen, ihre Aufmerksamkeit immer wieder erneut auf Ihre eigenen<br />

Erfahrungen zu richten. Sie werden nach und nach besser<br />

sehen, aber <strong>die</strong>se größere Sehschärfe ist nur eines der Nebenprodukte<br />

Ihres sich ausweitenden Selbst-Bewußtseins. Während sich<br />

Ihr ganzes Leben vor Ihren <strong>Augen</strong> ausbreitet und in Bewegung<br />

gerät, vergessen Sie vielleicht sogar, daß Ihr ursprüngliches Ziel<br />

Ihre Sehverbesserung war!<br />

Sind Sie bereit, Ihre alten Überzeugungen fahren zu lassen und<br />

sich neuen Möglichkeiten zu öffnen? Sind Sie bereit, Ihr Bedürfnis<br />

aufzugeben, <strong>die</strong> unangenehmen Teile Ihres Lebens auszublen-<br />

121


den? Sind Sie bereit, der Vollkommenheit Ihrer natürlichen<br />

Sehkraft zu vertrauen?<br />

Absichtsvoll Veränderungen herbeiführen<br />

Sie können beginnen, Ihr Sehvermögen zu heilen, indem Sie mit<br />

Ihren Einstellungen und Überzeugungen in bezug auf Sehverbesserung<br />

anfangen. Wenn Sie glauben, daß klares Sehen eine<br />

physische Funktion ist, <strong>die</strong> etwas mit der Form des Auges zu tun<br />

hat, dann ist <strong>die</strong>ser Glaube Ihr erstes Hindernis bei der Verbesserung<br />

Ihrer Sehkraft. Wegen <strong>die</strong>ser Auffassung werden Sie wahrscheinlich<br />

alles, was Sie ohne Ihre Brille sehen, als subjektive<br />

Interpretation des verschwommenen Sehens abstempeln: «Ich<br />

bilde mir das nur ein.»<br />

Die meisten von uns haben noch <strong>die</strong>se Stimme in sich, <strong>die</strong> ihnen<br />

sagt, daß <strong>die</strong> Hoffnung auf besseres Sehen reines Wunschdenken<br />

ist. Nun, da Sie Ihre Brille abgenommen haben, werden Sie<br />

feststellen, daß sich <strong>die</strong>se Stimme dann und wann erheben wird,<br />

um Zweifel an Ihrem Prozeß aufkommen zu lassen. Sie müssen<br />

nicht mit Ihrer inneren Stimme kämpfen oder sie mit Gewalt<br />

«überreden» wollen. Nehmen Sie sie einfach wahr, hören Sie sich<br />

an, was <strong>die</strong>se innere Stimme zu sagen hat, und machen Sie sich<br />

klar, daß sie nur ein Aspekt des Menschen ist, der Sie sind. Es<br />

wird Ihnen bald bewußt werden, daß es noch einen weiteren<br />

Aspekt tief in Ihrem Inneren gibt, der weiß, daß Sie Ihre Sehkraft<br />

verbessern können.<br />

Es ist außerdem wichtig, daß Sie Ihre unbewußten Überzeugungen<br />

zum Thema klares Sehen wahrnehmen. Selbst wenn wir<br />

zu wissen meinen, was wir wollen, schicken wir uns mitunter<br />

immer noch unbewußt unklare Botschaften. Deshalb ist es gut,<br />

wenn Sie sich alle tief verborgenen Zweifel und Vorbehalte ins<br />

Bewußtsein rufen, da sie Ihnen sonst vielleicht im Wege stehen.<br />

Indem Sie «verborgene» Widerstände zulassen und sie spüren,<br />

schaffen Sie tatsächlich bereits Platz <strong>für</strong> neue Erfahrungen.<br />

122


Versuchen Sie es damit, daß Sie sich an einem ruhigen Ort<br />

niedersetzen und sich fragen: «Auf welche Weise möchte ich<br />

wirklich mein Sehen verändern?» Nehmen Sie sich ein paar<br />

Minuten Zeit, um darüber nachzudenken. Betrachten Sie <strong>die</strong><br />

Frage aus unterschiedlichen Perspektiven, und sammeln Sie <strong>die</strong><br />

verschiedenen Antworten. Dann fragen Sie sich: «Wie würde es<br />

sich anfühlen, wenn all <strong>die</strong>se Veränderungen jetzt sofort stattfinden<br />

würden? Auf welche Weise würde sich mein Leben verändern,<br />

wenn ich ohne Brille vollkommen klar sehen könnte?»<br />

Fast jeder Brillenträger fühlt sich unbehaglich, wenn er versucht,<br />

<strong>die</strong>se Frage ehrlich zu beantworten. Schließlich bedeutet<br />

der Verzicht auf <strong>die</strong> Brille, daß Sie mit ihr Ihren schützenden<br />

Burgwall verlieren. (Dies kann sich bei manchen Menschen sogar<br />

als körperlich gespürte Angst ausdrücken - «Ohne meine Brille<br />

fühlen sich meine <strong>Augen</strong> so ungeschützt an.»)<br />

Was ist <strong>die</strong> Essenz oder <strong>die</strong> Quelle Ihres Unbehagens oder Ihrer<br />

Angst? Spüren Sie eine unbewußte Weigerung, klar zu sehen?<br />

Fragen Sie <strong>die</strong>sen Teil Ihres Selbst, was er Ihnen sagen oder <strong>für</strong><br />

Sie tun will. Hören Sie seine Antwort ohne Wertung an, und<br />

danken Sie seinen Bemühungen, <strong>die</strong> er in Ihrem Interesse auf sich<br />

nimmt. Dann können Sie <strong>die</strong>sen Teil Ihres Selbst fragen, ob er<br />

bereit ist, eine neue Art und Weise zu lernen, wie er das gleiche<br />

Ziel (zum Beispiel Sie zu schützen) erreichen und Ihnen damit<br />

zugleich <strong>die</strong> Heilung Ihrer Sehkraft gestatten kann. Wieder hören<br />

Sie, ohne zu werten, zu und verfahren auf gleiche Art mit allen<br />

weiteren Ängsten, Frustrationsgefühlen oder Einwänden, <strong>die</strong><br />

vielleicht noch hochkommen mögen.<br />

Sie können <strong>die</strong>ses Gespräch fortsetzen, bis Sie eine Bereitschaft<br />

spüren, <strong>die</strong> Veränderungen mitzutragen.<br />

123


Eine neue Art der Behandlung von Sehschwächen<br />

Manche Menschen, vor allem jene, <strong>die</strong> seit vielen Jahren eine<br />

starke Brille tragen, werden das Bedürfnis nach einem Seh-<br />

Lehrer oder Sehtherapeuten verspüren, der sie in dem Prozeß<br />

begleitet. (Die übrigen werden auch allein gut zurechtkommen,<br />

indem sie <strong>die</strong> Richtlinien <strong>die</strong>ses Buches dazu verwenden, ihr<br />

eigenes Programm zusammenzustellen, und sich aus dem Anhang<br />

weitere Unterstützung holen.) Da eine natürliche Herangehensweise<br />

an <strong>die</strong> Verbesserung der Sehkraft <strong>für</strong> <strong>die</strong> meisten ein<br />

ungewohntes Territorium ist, kann es hilfreich sein, einen «Reiseleiter»<br />

zu haben, der den Weg vor einem gegangen ist. Wie also<br />

könnten Sie vorgehen, um eine solche Person zu finden?<br />

In der Vergangenheit haben Sie sich wahrscheinlich an Ihren<br />

<strong>Augen</strong>arzt gewandt, wenn Sie Fragen zu Ihrem Sehvermögen<br />

hatten, aber Ihr <strong>Augen</strong>arzt wird Sie meist nicht bei der natürlichen<br />

Sehverbesserung unterstützen können, es sei denn, er ist mit<br />

Vorstellungen vertraut, <strong>die</strong> jenseits der Schulmedizin liegen.<br />

Vertreter der offiziellen <strong>Augen</strong>heilkunde haben gelernt, daß es<br />

unmöglich ist, das Sehvermögen zu verbessern, und ich habe<br />

festgestellt, daß <strong>die</strong> meisten von ihnen an <strong>die</strong>ser Auffassung<br />

festhalten, bis sie selbst andere Erfahrungen gemacht haben.<br />

Jedoch scheint <strong>die</strong>se Berufsgruppe am Beginn einer bedeutenden<br />

Veränderung zu stehen, da mehr und mehr <strong>Augen</strong>ärzte den<br />

Nutzen der ganzheitlichen Perspektive erkennen.<br />

Innerhalb des weiten Felds der Optometrie konzentriert sich<br />

<strong>die</strong> Verhaltensoptometrie auf eine präventive und heilende Behandlung.<br />

Als Ergänzung zu der allgemeinen Ausbildung als<br />

Optometrist haben Verhaltensoptometristen als Postdoktoranden<br />

eine Schulung in ganzheitlicher <strong>Augen</strong>behandlung erhalten.<br />

In der ganzheitlichen Herangehensweise ist <strong>die</strong> Beziehung zwischen<br />

Sehen und Bewegung, Gleichgewicht, Haltung, Orientierung<br />

und Lokalisierung im Raum, räumliche Beurteilung und<br />

Wahrnehmung enthalten. 1 Verhaltensoptometristen werden Brillen<br />

verschreiben, <strong>die</strong> in ihrer Stärke unterhalb des Untersu-<br />

124


chungsergebnisses liegen, um <strong>die</strong> natürliche Sehkraftverstärkung<br />

zu unterstützen.<br />

Außerdem wächst auch <strong>die</strong> Zahl der Sehlehrer. Mehr und mehr<br />

Menschen, <strong>die</strong> selbst eine visuelle Transformation erfahren<br />

haben, bieten ihre Hilfe an, um andere in <strong>die</strong>sem Prozeß zu<br />

unterstützen. Diese Sehlehrer kommen aus unterschiedlichen<br />

Bereichen, sie stammen aus dem Bereich der <strong>Augen</strong>optik, sind<br />

Psychologen oder anderweitig therapeutisch geschult. All <strong>die</strong>s<br />

bedeutet, daß Ihre Chancen, in Ihrer Umgebung auf einen ganzheitlich<br />

arbeitenden <strong>Augen</strong>arzt oder Sehlehrer zu stoßen, der mit<br />

natürlichen Methoden der Sehverbesserung arbeitet, besser stehen<br />

als je zuvor.<br />

Denken Sie während Ihrer Suche nach einem ausgebildeten<br />

Sehtherapeuten daran, daß Sie jemanden suchen, der Ihnen<br />

zuhört, Ihre Erfahrungen mit Ihnen teilt und Ihnen dabei hilft,<br />

sich selbst zu heilen. Die Arzt-Patient-Beziehung wächst rasch<br />

über <strong>die</strong> alte Rollenverteilung hinaus, <strong>die</strong> verlangt, daß ein<br />

Patient mit einem Problem zu einem Arzt geht, welcher glaubt,<br />

<strong>die</strong> Lösung des Problems zu kennen, und es dann <strong>für</strong> den Patienten<br />

löst. Es ist an der Zeit, daß aus der Beziehung zwischen Arzt<br />

und Patient eine echte Partnerschaft wird: Zwei Individuen arbeiten<br />

gemeinschaftlich an dem (gemeinsamen) Ziel der Selbstheilung.<br />

Wenn man <strong>die</strong> kleine Gruppe von ganzheitlich orientierten<br />

Optometristen einmal ausnimmt, so ist <strong>die</strong> große Mehrheit der<br />

Vertreter der offiziellen <strong>Augen</strong>heilkunde nicht mit den natürlichen<br />

Methoden der Sehverbesserung vertraut oder lehnt <strong>die</strong>se<br />

sogar ab. Ophthalmologen - Ärzte, <strong>die</strong> auf <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> spezialisiert<br />

sind - scheinen einem nichtphysischen Ansatz besonders ablehnend<br />

gegenüberzustehen. Doch <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>ärzte sind deshalb<br />

nicht «<strong>die</strong> Bösen» - sie wurden auf <strong>die</strong> gleiche falsche Weise<br />

beeinflußt wie wir selbst, und viele von ihnen beginnen, <strong>die</strong><br />

Grenzen ihrer Berufsausbildung zu erkennen. Bisher jedoch verläßt<br />

sich <strong>die</strong> Mehrheit auch weiterhin auf ihr altes Weltbild.<br />

Eine Frau in einem meiner Workshops erzählte uns <strong>die</strong> folgende<br />

Geschichte: Sie hatte seit vielen Jahren eine starke Brille<br />

125


gegen Kurzsichtigkeit getragen. Dann fing sie an, über natürliche<br />

Methoden der Sehverbesserung nachzulesen und zeitweise auf<br />

ihre Brille zu verzichten. In der Folge verbesserte sich ihr Sehvermögen<br />

so entscheidend, daß sie <strong>die</strong> Brille, von wenigen Ausnahmen<br />

einmal abgesehen, kaum noch aufsetzte.<br />

Eines Tages jedoch zerbrach das Gestell ihrer «Notfall»-Brille.<br />

Da ihre Sehkraft sich so sehr verbessert hatte, entschloß sie sich,<br />

zu einem <strong>Augen</strong>arzt zu gehen, um sich ein Rezept <strong>für</strong> eine neue<br />

Brille zu besorgen. Die Untersuchung lief gut ab, und als sie<br />

vorüber war, bat er sie, ihm ihre alte Brille zu zeigen. Sie nahm sie<br />

aus ihrer Tasche und reichte sie ihm. Er schien verwirrt.<br />

«Das muß ein Irrtum sein. Das ist nicht Ihre alte Brille.»<br />

«Doch, das ist sie.»<br />

«Nein, das kann nicht sein. Diese Brille ist viel stärker als <strong>die</strong><br />

Untersuchungsergebnisse, <strong>die</strong> ich eben erhalten habe.»<br />

«Aber das ist meine Brille. Ich habe sie jahrelang getragen.»<br />

«Das ist unmöglich. Ich glaube Ihnen nicht.»<br />

Er beharrte weiterhin darauf, daß es sich bei der Brille nicht um<br />

ihre alte handeln konnte, und sie bestand darauf, daß es so war.<br />

Schließlich sagte er: «Also gut, wenn <strong>die</strong>s wirklich Ihre alte Brille<br />

ist, dann stimmt etwas mit der Verschreibung, <strong>die</strong> ich Ihnen eben<br />

gegeben habe, nicht. Ich muß Sie noch einmal untersuchen.»<br />

Weil er es unbedingt wollte, gestattete sie ihm, ihre <strong>Augen</strong> ein<br />

zweites Mal zu untersuchen. Er wiederholte den ganzen Untersuchungsprozeß<br />

noch einmal sehr sorgfältig und erhielt wieder <strong>die</strong><br />

gleichen Ergebnisse. «In Ordnung?» fragte sie ihn, in der Hoffnung,<br />

daß er jetzt zufrieden sei. «Nein, das kann einfach nicht<br />

stimmen. Wahrscheinlich haben meine Geräte irgendeinen Fehler.<br />

Lassen Sie es mich noch einmal probieren.»<br />

Er überprüfte ihre <strong>Augen</strong> so lange, bis ihm kein Grund mehr<br />

einfiel, warum mit der Untersuchung etwas nicht gestimmt haben<br />

könnte. Er brachte Stunden damit zu, ihre Sehkraft zu überprüfen,<br />

und <strong>die</strong> Resultate waren immer <strong>die</strong> gleichen, aber er reagierte<br />

noch immer verblüfft. Er war nicht dazu in der Lage, <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

auch nur in Betracht zu ziehen, daß ihre <strong>Augen</strong> sich<br />

verbessert haben könnten.<br />

126


Arzt, heile dich selbst<br />

Mehr und mehr Optometristen und <strong>Augen</strong>ärzte sind bereit, <strong>die</strong><br />

Möglichkeit natürlicher Sehverbesserung zu akzeptieren, und sie<br />

halten es auch <strong>für</strong> möglich, ihr eigenes Sehvermögen zu verändern.<br />

Christa Roser, eine Optometristin aus Lancaster in Pennsylvania,<br />

nahm im April 1992 an einem meiner Seminare teil. Zum<br />

damaligen Zeitpunkt lag ihre Sehschärfe bei 6/60. Trotz der<br />

Skepsis ihrer Kollegen versuchte sie seit Jahren, ihre Kurzsichtigkeit<br />

zu verringern. Mitte 1993 schickte sie mir den folgenden<br />

Bericht über ihre Fortschritte:<br />

Ich habe meine Brille jetzt seit über einem Jahr nicht mehr<br />

aufgehabt. Zuletzt trug ich sie einen Tag vor Ihrem Seminar.<br />

Das ist <strong>für</strong> mich ziemlich erstaunlich angesichts der Tatsache,<br />

daß ich sie seit der sechsten Klasse jeden Tag aufhatte. Jetzt<br />

trage ich nur noch bei Nachtfahrten eine Brille, <strong>die</strong> jedoch nur<br />

ein Viertel so stark ist wie meine alte.<br />

Zum Zeitpunkt Ihres Seminars versuchte ich bereits seit sechs<br />

Jahren, mit allen möglichen Techniken meine Kurzsichtigkeit<br />

zu reduzieren. Während des Seminars wurde mir erstmals klar,<br />

daß ich mich um etwas vollkommen <strong>Natürliche</strong>s bemüht hatte -<br />

darum, daß das Körper-Geist-System sich selbst heilt. Ich hatte<br />

mir <strong>die</strong>s lediglich noch einmal klarzumachen und mir dann der<br />

Veränderungen in meinem Sehvermögen bewußt zu werden.<br />

Meine unkorrigierte Sehschärfe beträgt nun am Tag 6/12 (oder<br />

83,6%) und in der Nacht 6/15 (76,5%). Ich erlebe kurze<br />

Momente klaren Sehens und kann mein Distanzsehvermögen<br />

willentlich verbessern, wenn ich merke, daß es sich eintrübt.<br />

Wenn ich <strong>die</strong>s tue, hat das Ergebnis keinerlei Ähnlichkeit mit<br />

der künstlichen Klarheit, <strong>die</strong> Brillengläser herstellen; es ist<br />

dreidimensionaler, farbiger und lebendiger - kaum zu beschreiben.<br />

Wenn ich meine Bedürfnisse nach Nahrung und Schlaf<br />

vernachlässige oder wenn ich nervös und angespannt bin, dann<br />

läßt meine Sehschärfe nach, aber wenn mein Geist klar ist,<br />

127


entspannt, ausgeruht und zufrieden, ist mein Sehvermögen<br />

hervorragend.<br />

Ich habe nicht mehr halb so viel Angst wie zuvor. Mein<br />

Selbstvertrauen und mein Antrieb wie auch meine körperliche<br />

Kraft sind auf einem hohen Stand. Auch meinem Mann ist<br />

meine größere Kraft und Aufmerksamkeit auf dem Tennisplatz<br />

und im Squashcourt aufgefallen. Ich stelle sogar fest, daß ich<br />

wütend werden kann, ein zuvor wenig vertrautes Gefühl - ein<br />

großartiger Antrieb zu positiven Veränderungen.<br />

Im November 1993 hielt ich einen Workshop vor zehn Optometristen<br />

in Sydney, Australien. Am Morgen des ersten Tages bat ich<br />

sie, an einem Experiment teilzunehmen und <strong>für</strong> <strong>die</strong> Dauer des<br />

gesamten Seminars auf ihre optischen Hilfsmittel zu verzichten.<br />

Sie stimmten dem zu und gestatteten mir auch, ihre wirklichen<br />

Namen in <strong>die</strong>sem Buch zu verwenden.<br />

Die meisten von ihnen waren skeptisch. Obwohl sie ein berufliches<br />

Interesse an meiner Arbeit hatten, zweifelten sie daran, daß<br />

sich ihr eigenes Sehvermögen tatsächlich ändern könnte. Ich habe<br />

jedoch festgestellt, daß jeder Brillenträger eine meßbare Verbesserung<br />

seiner Sehschärfe erfährt, wenn er einfach <strong>für</strong> ein paar<br />

Stunden auf seine Brille verzichtet. Also überprüfte ich an <strong>die</strong>sem<br />

Morgen (bevor sie ihre Brillen fortlegten) ihre Sehleistung, sechs<br />

Stunden später ein zweites Mal und schließlich erneut am<br />

nächsten Morgen (jedoch nur bei jenen, deren Testergebnis unter<br />

6/7,5 lag). Die Überprüfung erfolgte vor Dr. Simon Grbevski, der<br />

den Workshop organisiert hatte (und dessen Sehleistung nicht<br />

überprüft wurde, weil er ausgezeichnete Sehschärfe besitzt).<br />

Was taten wir in den 24 Stunden zwischen der ersten und der<br />

letzten Untersuchung? Ich brachte ihnen keine «Tricks» bei, um<br />

ihr Sehvermögen zu verbessern. Ich redete über Wunder, darüber,<br />

daß sie ständig in unserer Umgebung stattfinden, und<br />

darüber, daß wir ununterbrochen spontane Heilung erzeugen. Ich<br />

zeigte ihnen ein paar einfache «<strong>Augen</strong>-Meditationen» - Sonnenbaden,<br />

Palmieren und das Tibetische Rad (sie werden im achten<br />

Kapitel beschrieben). Hier <strong>die</strong> Ergebnisse der Untersuchungen:<br />

128


Hans Peter Abel<br />

Sue Larter<br />

Soo Tan<br />

Elvira Abel<br />

Jenny Livanos<br />

Paul Dickson<br />

Alan Baily<br />

Neil Craddock<br />

James Sleeman<br />

Vorher<br />

6/75<br />

6/6 -1<br />

6/180<br />

6/120<br />

6/90<br />

6/48 -1<br />

6/6 - 3<br />

6/6<br />

6/9<br />

6 Std. später<br />

6/6 -1<br />

6/60<br />

6/30<br />

6/48<br />

6/9 -2<br />

nicht überprüft<br />

nicht überprüft<br />

6/7,5 -4<br />

24. Std. später<br />

nicht überprüft<br />

nicht überprüft<br />

6/7,5 -3<br />

6/7,5 - " 1<br />

6/7,5 -1<br />

6/6<br />

nicht überprüft<br />

nicht überprüft<br />

nicht überprüft<br />

Wenn Sie <strong>die</strong>se Ergebnisse lesen, dann denken Sie daran, daß 6/6<br />

als «normales» Sehvermögen aufgefaßt wird und daß <strong>die</strong> zweite<br />

Zahl zunimmt, je schlechter Ihre Sehkraft ist. Zum Beispiel<br />

bedeutet ein Ergebnis von 6/60, daß <strong>die</strong> Sehzeichen, welche <strong>die</strong><br />

betreffende Person aus einer Entfernung von sechs Metern erkennen<br />

kann, von jemandem mit einer Sehschärfe von 6/60 aus<br />

sechzig Metern gesehen werden. Die hochgestellte Ziffer(" 1 usw.)<br />

steht <strong>für</strong> <strong>die</strong> Zahl der Zeichen in der letzten gelesenen Zeile, <strong>die</strong><br />

nicht richtig erkannt wurden.<br />

Innerhalb von 24 Stunden erfuhren alle mit einer Sehschärfe unter<br />

6/6 eine Sehverbesserung. Die größten Veränderungen - von<br />

Jenny, Paul, Elvira und Soo -wären nach der offiziellen Lehrmeinung<br />

nichts Geringeres als Wunder. Ursprünglich konnte Soo Tan<br />

<strong>die</strong> Sehprobentafel aus der standardisierten Entfernung von sechs<br />

Metern nur so klar sehen, wie <strong>die</strong>s einem Menschen mit normalem<br />

Sehvermögen aus einer Entfernung von sechzig Metern möglich<br />

wäre, aber innerhalb von 24 Stunden sah sie sie ebenso klar wie<br />

jene, <strong>die</strong> sie aus siebeneinhalb Metern sehen würden.<br />

Solche Resultate sind beeindruckend, aber typisch <strong>für</strong> das, was<br />

jedesmal geschieht, wenn ich eine Gruppe zu <strong>die</strong>sem Experiment<br />

auffordere. Der einzige Unterschied bestand darin, daß sich <strong>die</strong>se<br />

Gruppe aus Optometristen zusammensetzte, denen man gründlich<br />

klar gemacht hatte, daß so etwas unmöglich ist. Was ereignete<br />

sich in <strong>die</strong>sen 24 Stunden, um solche dramatischen Veränderun-<br />

129


gen zu bewirken? Die Testpersonen waren gebeten worden, ihre<br />

Brillen abzusetzen, um zu überprüfen, ob <strong>die</strong> Theorien, in denen<br />

sie ausgebildet worden waren, mit ihren direkten Erfahrungen<br />

übereinstimmten. Später erhielten sie Anweisungen <strong>für</strong> einige<br />

leichte Übungen zur Entspannung der <strong>Augen</strong>muskeln, <strong>die</strong> manche<br />

von ihnen an <strong>die</strong>sem Abend noch machten. Das war alles.<br />

Wie reagierten sie auf <strong>die</strong>se «unmögliche» Veränderung? Ich<br />

bat Soo Tan, welche <strong>die</strong> größte Verbesserung erfahren hatte, ihre<br />

Erfahrung mit ihren eigenen Worten zu beschreiben.<br />

Ich bin 41 Jahre alt und habe seit meinem dreizehnten Lebensjahr<br />

eine Brille getragen. Am ersten Tag sprach Jacob über <strong>die</strong><br />

Möglichkeit der Sehkraftverbesserung. Ich bezweifelte, ob sie<br />

bei mir möglich sein würde. Es schien mir einfach unwahrscheinlich.<br />

Als Optometristin, deren Beruf darauf basiert, den<br />

Leuten Brillen zu verschreiben, war ich mir nicht einmal sicher,<br />

ob ich eine Sehverbesserung überhaupt wollte. An <strong>die</strong>sem<br />

Morgen wurde unsere Sehschärfe gemessen, und bei mir betrug<br />

sie <strong>für</strong> beide <strong>Augen</strong> 6/180, was einer Sehleistung von 0,06%<br />

entspricht. Für den Rest des Tages legte ich meine Brille fort.<br />

Um 16.30 Uhr maß Jacob erneut meine Sehschärfe, und das<br />

Ergebnis lautete 6/60 (20% Sehleistung). Es versetzte mich<br />

nicht in allzu große Aufregung - <strong>die</strong> Verbesserung war einfach<br />

noch nicht groß genug, um mich wirklich zu berühren. Ich fuhr<br />

mit einer Brille nach Hause, <strong>die</strong> nicht so stark war wie jene, <strong>die</strong><br />

ich normalerweise trug, und konnte damit gut sehen. An<br />

<strong>die</strong>sem Abend besprach ich den Vortrag mit meinem Mann, der<br />

seinen Zweifeln Ausdruck verlieh und mich fragte: «Wie willst<br />

du dann weiter Brillen verkaufen?» Ich machte mir Sorgen, daß<br />

seine Einstellung mich davon abhalten könnte, <strong>die</strong>se Herangehensweise<br />

weiter auszuprobieren. Als ich am nächsten Morgen<br />

zum Workshop fuhr, entschied ich mich, gar keine Brille zu<br />

tragen. Auf der Straße war nicht viel Verkehr, weil es ein<br />

Sonntag war. Zweimal setzte ich <strong>die</strong> schwächere Brille auf, um<br />

Straßenschilder besser zu erkennen. Ich war angesichts der<br />

Tatsache, daß ich ohne Brille Autofahren konnte, sehr aufge-<br />

130


egt. Als ich eintraf, überprüfte Jacob erneut meine Sehschärfe,<br />

und ich konnte <strong>die</strong> 6/7,5-Zeile, was 55,6% der Vollsehschärfe<br />

entspricht, mit nur drei Fehlern lesen! Die Zahlen auf der<br />

Sehtafel schienen einen Moment lang doppelt und verschwommen<br />

zu sein und im nächsten vollkommen klar. Es war unglaublich!<br />

Ich war so schockiert, daß ich zehn Minuten weinen<br />

mußte.<br />

Nachdem ich wieder in den Vereinigten Staaten war, schrieb mir<br />

Dr. Tan, daß sie nie wieder zu ihrer alten Brillenstärke zurückgekehrt<br />

war. Sie erlebte noch immer <strong>Augen</strong>blicke des absolut klaren<br />

Sehens, und ihre Grundsehschärfe, <strong>die</strong> sich weiterhin verbesserte,<br />

schwankte jetzt zwischen 6/60 und 6/6. Wenn ihre <strong>Augen</strong> ein<br />

wenig Hilfe brauchten, dann setzte sie eine Brille mit -1,75<br />

Dioptrien auf, <strong>die</strong> damit halb so stark war wie ihre alte Brille.<br />

131


8<br />

Nimm deine Brille ab und sieh!<br />

Man muß <strong>die</strong> Dinge tun, von denen man meint, daß<br />

man sie nicht tun kann.<br />

Eleanor Roosevelt<br />

Als ich vor zwanzig Jahren damit anfing, mich mit dem Thema<br />

Sehverbesserung zu befassen, benutzte ich nur <strong>Augen</strong>übungen,<br />

weil ich glaubte, daß sie zu klarerem Sehen führen würden. Doch<br />

<strong>die</strong>se Herangehensweise schien selten dauerhafte Erfolge zu<br />

bewirken. Die Leute fingen begeistert an und übten ihr Programm<br />

gewissenhaft eine oder zwei Wochen lang. Sie nahmen eine<br />

Verbesserung ihres Sehvermögens wahr, manchmal war sie subtil<br />

und manchmal eindrucksvoll. Dann hörten sie auf, <strong>die</strong> Übungen<br />

zu machen, und es fanden keine weiteren Veränderungen statt.<br />

Wenn sie wieder auf ihre alte Brille zurückgriffen, bildeten sich<br />

vielleicht sogar <strong>die</strong> erreichten Verbesserungen zurück.<br />

Schließlich fielen mir mehr und mehr <strong>die</strong> Personen auf, <strong>die</strong><br />

sofortige, bleibende Sehverbesserungen erlebten, ohne daß sie<br />

dazu überhaupt irgendwelche Übungen machen mußten. Ich<br />

begann mich zu fragen, ob <strong>die</strong> Veränderung durch <strong>die</strong> Übungen<br />

oder nicht doch durch andere Faktoren hervorgerufen wurde. Seit<br />

<strong>die</strong>ser Zeit hat sich meine Vermutung bestätigt, daß der Wechsel<br />

zu einer neuen Auffassung des Sehens nicht physisch ist; er hat<br />

mehr mit der Bereitschaft zu tun, eine erweiterte Sicht auf das<br />

Leben zu akzeptieren. Wenn Sie <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>übungen machen,<br />

ohne <strong>die</strong> Bereitschaft, Ihre Weltsicht zu transformieren, dann<br />

werden <strong>die</strong> Übungen kaum einen bedeutenden, bleibenden Ein-<br />

132


fluß auf Ihr Sehvermögen haben. Begreifen Sie aber, daß Sie sich<br />

eigentlich auf eine «Visions-Suche» begeben, dann befinden Sie<br />

sich auf dem Weg zu tiefgreifender Heilung und Transformation<br />

auf allen Ebenen des Bewußtseins - und <strong>die</strong> Übungen können<br />

Werkzeuge zur Unterstützung Ihres Vorankommens sein.<br />

Ein Moment klaren Sehens<br />

Hier folgt nun ein Beispiel da<strong>für</strong>, wie eine mühelose, nicht<br />

erzwungene Bewußtseinsveränderung das Sehvermögen spontan<br />

verändern kann. Ich arbeitete mit einem Patienten, dem es nicht<br />

gelang, <strong>die</strong> Testzeichen auf der Sehprobentafel zu erkennen - er<br />

bemühte sich redlich, aber er konnte sie trotzdem nicht sehen. Ich<br />

machte ihm den Vorschlag: «Schließen Sie Ihre <strong>Augen</strong>, und<br />

atmen Sie ruhig ein und aus.» Mit hochgezogenen Schultern und<br />

vorgestreckter Brust schnappte er förmlich nach Luft. Dann hielt<br />

er seinen Atem an, öffnete <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> und versuchte wieder, <strong>die</strong><br />

Sehprobentafel zu lesen. Er konnte noch immer nicht besser<br />

sehen. Wie bei vielen von uns bestand sein Problem nicht darin,<br />

daß er nicht wußte, wie er sehen konnte, sondern daß er nicht<br />

wußte, wie er leben sollte.<br />

Ich bat ihn: «Schließen Sie noch einmal Ihre <strong>Augen</strong> und stellen<br />

Sie sich vor, daß Ihr Körper ein Ballon ist, der sich langsam mit<br />

Luft füllt. Wenn er voll ist, dann gestatten Sie dem Ballon, sich<br />

langsam in seinem eigenen Tempo wieder zu leeren. Dann öffnen<br />

Sie ohne jede Absicht ruhig und sacht Ihre <strong>Augen</strong> und gestatten<br />

der Welt, Sie zu sehen.» Als er <strong>die</strong>s tat, konnte er sofort klarer<br />

sehen. Nachdem er <strong>die</strong>ses sanfte Atmen ein paar Minuten lang<br />

geübt hatte, verbesserte sich seine Sehschärfe von 6/60 auf 6/12.<br />

Er hatte lediglich seine Beziehung zur Welt korrigiert.<br />

Später erläuterte er: «Wissen Sie, im ersten <strong>Augen</strong>blick, als ich<br />

meine <strong>Augen</strong> öffnete, war alles kristallklar, und dann verschwamm<br />

es wieder.» Diese Bemerkung erinnerte mich daran,<br />

daß ich selbst <strong>die</strong> gleiche Erfahrung gemacht hatte, als ich anfing,<br />

133


auf meine Brille zu verzichten. Seit damals habe ich festgestellt,<br />

daß wir alle im ersten <strong>Augen</strong>blick, nach dem Öffnen der <strong>Augen</strong>,<br />

absolut klar sehen. Unser Sehvermögen heilen heißt einfach,<br />

<strong>die</strong>sen <strong>Augen</strong>blick länger und länger werden zu lassen, bis er zu<br />

unserer normalen Qualität des Sehens wird.<br />

In <strong>die</strong>sem ersten <strong>Augen</strong>blick bemühen wir uns noch nicht zu<br />

sehen; unsere mentale und emotionale Konditionierung braucht<br />

einen Moment, um zu greifen. Wir sind vollkommen klar, ohne<br />

Anstrengung oder Erwartung, und unser Sehfeld spiegelt <strong>die</strong>se<br />

Offenheit wider. Mein Klient sah <strong>die</strong> Welt <strong>die</strong>sen <strong>Augen</strong>blick lang<br />

klar, weil er klar war. Obwohl wir alle <strong>die</strong>se unverschleierte Sicht<br />

jedesmal erleben, wenn wir unsere <strong>Augen</strong> öffnen, ist <strong>für</strong> manche<br />

von uns <strong>die</strong>ses Aufblitzen so kurz, daß unser Bewußtsein es nicht<br />

mehr registriert. Unser Sehvermögen scheint sofort in seine<br />

normale Verzerrung zu rutschen, wie auch unsere selbstbeschränkenden<br />

Vorstellungen augenblicklich an ihren Platz springen.<br />

Die meisten Menschen können <strong>die</strong>se Klarheit leicht erleben,<br />

indem sie einfach ihre Aufmerksamkeit auf sie richten. Ich werde<br />

Ihnen eine Methode vorstellen, um <strong>die</strong>se Aufmerksamkeit zu<br />

üben, aber denken Sie daran, je mehr Sie sich anstrengen, desto<br />

weniger werden Sie sehen - also verlangen Sie nicht zu viel von<br />

sich! (Um bei den Übungen <strong>die</strong>ses Buches <strong>die</strong> besten Resultate zu<br />

erzielen, nehmen Sie <strong>die</strong> Anweisungen auf Kassette auf und<br />

spielen Sie sich Ihre eigenen Aufnahmen vor. Oder, was noch<br />

besser ist, machen Sie <strong>die</strong> Übungen zu zweit mit einem Freund<br />

oder einer Freundin, der oder <strong>die</strong> Ihnen <strong>die</strong> Übungen vorliest,<br />

während Sie darauf achten, leicht zu atmen und sich dabei nicht<br />

anzuspannen. Dann können Sie <strong>die</strong> Plätze tauschen.)<br />

Beginnen Sie, indem Sie Ihre Brille absetzen oder Ihre Kontaktlinsen<br />

herausnehmen und sich eine bequeme, entspannte<br />

Position suchen. Nehmen Sie sich einen <strong>Augen</strong>blick Zeit, um Ihre<br />

Aufmerksamkeit nach innen zu richten. Lassen Sie sie durch<br />

Ihren Körper wandern, und machen Sie sich jede Anspannung<br />

und jedes Unbehagen bewußt. Während Sie <strong>die</strong>s tun, achten Sie<br />

darauf, daß Ihr Atem weich und ruhig fließt. Vielleicht möchten<br />

Sie das Bild des Ballons benutzen: Stellen Sie sich vor, daß Sie<br />

134


sehr langsam und sanft Ihren Ballonkörper mit Luft füllen. Wenn<br />

Sie meinen, daß Sie jetzt voll sind, hören Sie nicht auf zu atmen<br />

und geraten Sie wegen des Gefühls der Fülle nicht in Anspannung<br />

- gestatten Sie dem Fluß der Luft einfach, sich umzukehren, ohne<br />

sich anzustrengen oder zu pressen.<br />

Atmen Sie weiter, und schließen Sie sanft Ihre <strong>Augen</strong>. Richten<br />

Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihre <strong>Augen</strong>höhlen. Vielleicht spüren<br />

Sie dort ein Gefühl des Festhaltens oder Angestrengtseins.<br />

Versuchen Sie nicht, etwas daran zu ändern, nehmen Sie sich nur<br />

einen Moment Zeit, um <strong>die</strong> Spannung zu spüren. Stellen Sie sich<br />

vor, daß Sie durch Ihre <strong>Augen</strong> ein- und ausatmen. Während Sie<br />

atmen, lassen Sie es zu, daß ein Gefühl der Weichheit und<br />

Leichtigkeit langsam in Ihre <strong>Augen</strong>höhlen einfließt. Spüren Sie<br />

bewußt, wie sich das Gefühl des Festhaltens von selbst verändert.<br />

Erfreuen Sie sich eine Weile an <strong>die</strong>sem Prozeß.<br />

Dann gestatten Sie Ihren <strong>Augen</strong>, sich sehr weich und langsam<br />

zu öffnen, während Sie ausatmen. Richten Sie Ihre <strong>Augen</strong> jetzt<br />

auf nichts Bestimmtes, und machen Sie sich keine Sorgen, ob Sie<br />

scharf sehen. Gestatten Sie dem Raum, Sie zu betrachten. Wenn<br />

Ihre <strong>Augen</strong> dann geöffnet sind, beginnen Sie wieder einzuatmen<br />

und gestatten ihnen, sich ohne Anstrengung wieder zu schließen.<br />

Es ist nicht notwendig, <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> zusammenzukneifen; erlauben<br />

Sie Ihren <strong>Augen</strong>muskeln, <strong>die</strong> ganze Zeit über weich und locker zu<br />

sein. Fahren Sie fort, Ihre <strong>Augen</strong> mit Ihrem Atem sanft zu öffnen<br />

und zu schließen.<br />

Jetzt bemerken Sie eine Bewegung oder eine Art Flattern, das<br />

immer dann aufzutreten scheint, wenn Sie Ihre <strong>Augen</strong> öffnen.<br />

Während Sie Ihre <strong>Augen</strong> weiterhin öffnen und schließen, gestatten<br />

Sie Ihrer Aufmerksamkeit, sich auf <strong>die</strong>ses Flattern zu richten.<br />

Achten Sie darauf, wie es im ersten <strong>Augen</strong>blick des <strong>Augen</strong>öffnens<br />

fast so scheint, als ob der Raum sich bewegt oder verschiebt.<br />

Machen Sie sich klar, daß Ihr Sehen in <strong>die</strong>sem Moment anders ist<br />

als in dem stabilisierten Zustand gleich danach - nicht besser oder<br />

schlechter, einfach anders.<br />

Fahren Sie damit ein paar Minuten fort, bis Sie anfangen, sich<br />

damit zu langweilen oder bemerken, daß Sie sich wieder anstren-<br />

135


gen. Wenn Sie erst einmal herausgefunden haben, wie es geht,<br />

können Sie es jeden Tag üben. Es erscheint Ihnen vielleicht zu<br />

einfach, aber <strong>die</strong> Herausforderung bei der Übung besteht darin,<br />

sich so wenig wie möglich anzustrengen und sehr viel offener zu<br />

sein. Je mehr Sie üben, desto häufiger werden Sie ein spontanes<br />

Aufblitzen vollkommen scharfen Sehens erleben, nicht nur während<br />

der Übung, sondern auch im Verlauf des Tages. Sie werden<br />

<strong>die</strong>ses Aufblitzen jedoch nicht wahrnehmen können, bevor Sie<br />

nicht den wichtigsten Schritt zur Stärkung Ihrer Sehkraft tun und<br />

<strong>die</strong> Krücken vor Ihren <strong>Augen</strong> entfernen!<br />

Die Jalousie hochziehen<br />

Die beiden wichtigsten Voraussetzungen <strong>für</strong> besseres Sehen sind<br />

<strong>die</strong> Erkenntnis, daß Veränderung möglich ist und der Verzicht auf<br />

eine Sehhilfe (oder zumindest <strong>die</strong> Verschreibung einer schwächeren<br />

Brille). In meinen Workshops stelle ich immer wieder fest,<br />

daß <strong>die</strong>se beiden Schritte ausreichen, um bei den meisten Teilnehmern<br />

<strong>die</strong> Sehkraft erheblich zu verbessern. Typischerweise wird<br />

jeder Fehlsichtige eine meßbare Verbesserung innerhalb weniger<br />

Stunden erfahren, wenn er nur seine Brille absetzt und <strong>die</strong><br />

Möglichkeit einer Veränderung in Betracht zieht.<br />

Damit auch Sie <strong>die</strong>se Erfahrung machen können, versuchen Sie<br />

das folgende Experiment: Zunächst einmal setzen Sie Ihre Brille<br />

ab und bücken sich um. Wie gut sehen Sie jetzt? Die Welt sieht<br />

recht verschwommen aus, nicht wahr? Erinnern Sie sich an <strong>die</strong><br />

Sehprobentafel, <strong>die</strong> Sie aus dem Buch kopiert (Seite 159ff.) und<br />

an der Wand befestigt haben? Verwenden Sie <strong>die</strong>se Tafel jetzt<br />

erneut, um Ihre Sehkraft zu überprüfen, gleich nachdem Sie Ihre<br />

Brille abgesetzt haben. (Wenn Sie bereits begonnen haben, auf<br />

Ihre Sehhilfe zu verzichten, dann setzen Sie sie jetzt nicht wieder<br />

auf. In <strong>die</strong>sem Fall werden Sie durch <strong>die</strong> folgende Übung vielleicht<br />

nicht so spektakuläre Ergebnisse erzielen, da Ihr Sehvermögen<br />

bereits begonnen hat, sich zu regenerieren.) Sie müssen nicht<br />

136


das genaue Ergebnis Ihrer Sehschärfe errechnen; hängen Sie<br />

einfach <strong>die</strong> Sehprobentafel an <strong>die</strong> Wand, und finden Sie heraus,<br />

bis zu welcher Zeile Sie klar sehen können, ohne sich anzustrengen<br />

oder <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> zusammenzukneifen.<br />

Setzen Sie danach Ihre Brille nicht wieder auf! Gehen Sie ins<br />

Freie, und machen Sie einen gemächlichen Zwanzig-Minuten-<br />

Spaziergang, während dem sie Ihre Brille zu Hause oder in Ihrer<br />

Tasche lassen. Unter dem Gehen atmen Sie tief ein und aus und<br />

strengen sich nicht an, um <strong>die</strong> Welt zu sehen. Stellen Sie einfach<br />

nur fest, was Sie sehen, ohne es mit «Es ist verschwommen» oder<br />

«Es ist klar» zu bewerten.<br />

Wenn Sie zurückkehren, überprüfen Sie Ihr Sehvermögen<br />

erneut, wie Sie es zuvor getan haben.<br />

Die meisten Menschen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>sen Versuch machen, stellen<br />

eine deutliche Verbesserung ihrer Sehschärfe fest. Wie kann es<br />

sein, daß das Absetzen der Brille zu klarerem Sehen führt? Indem<br />

Sie <strong>die</strong> Brille abnehmen, gestatten Sie Ihren <strong>Augen</strong>, sich wieder<br />

daran zu gewöhnen, ohne Hilfe zu sehen. Je länger Sie auf <strong>die</strong><br />

Brille verzichten, desto mehr wird Ihnen <strong>die</strong> ununterbrochene<br />

Fluktuation Ihrer Sehkraft auffallen. Manchmal werden Sie ein<br />

Aufblitzen vollkommen klaren Sehens erfahren, dann wieder<br />

wird es Ihnen so vorkommen, als ob Ihre <strong>Augen</strong> schlechter<br />

geworden seien. Dieses dynamische Schwanken ist ein Zeichen<br />

da<strong>für</strong>, daß eine gesunde Sehfunktion sich wieder einstellt, nachdem<br />

sie viele Jahre zu einem fixierten Fokus gezwungen war. Ihn<br />

aufzulösen ist der erste Schritt, um Ihr natürliches klares Sehvermögen<br />

wiederzufinden.<br />

Ende 1993 besuchte ich meine Freunde Nada und Simon<br />

Grbevski in Australien. (Simon war der Gastgeber des Workshops,<br />

den ich im vorangegangenen Kapitel beschrieben habe.)<br />

Nada trug seit Jahren eine starke Brille, und ich schlug ihr ein<br />

kleines Experiment vor. Sie nahm ihre Brille ab und las weniger<br />

als eine Viertelstunde später <strong>die</strong> 6/12-Zeile auf der Sehprobentafel<br />

mit nur einem Fehler. Danach machten wir einen Spaziergang.<br />

Sie war von der Klarheit ihres Sehens so überwältigt, daß sie es<br />

nicht ertragen konnte und mir erklärte: «Ich versuchte <strong>die</strong> Worte<br />

137


auf einer entfernten Reklametafel zu erkennen. (Schließlich)<br />

waren sie kristallklar! Panik und Erregung überraschten und<br />

überwältigten mich gleichermaßen. Das Gefühl der Panik war so<br />

stark, daß ich mich zwang, fortzusehen und zu meiner gewohnten<br />

verschwommenen Sicht zurückzukehren.»<br />

Nada setzte ihre Brille nach unserem Experiment wieder auf,<br />

und schon am nächsten Tag, als ich ihre Sehkraft erneut überprüfte,<br />

konnte sie nur mehr <strong>die</strong> 6/120-Zeile lesen! Die gleichen<br />

Testzeichen, <strong>die</strong> sie am Tag zuvor aus einer Entfernung von<br />

122 Metern sehen konnte, nahm sie heute nur noch aus einer<br />

Entfernung von zwölf Metern wahr. Sobald sie ihre Brille auch<br />

nur <strong>für</strong> einen Tag aufsetzte, so mußten wir feststellen, verschlechterte<br />

sich ihr Sehvermögen bedeutend. Ein paar Monate später<br />

schrieb sie mir, daß <strong>die</strong> Erfahrung einen so tiefen Eindruck auf sie<br />

gemacht habe, daß sie seither auf ihre Brille verzichtete. Sie teilte<br />

mir mit, daß ihre Sehschärfe jetzt wieder bei 6/12 lag und daß sie<br />

gelernt habe, je nach Bedarf völlig klar zu sehen.<br />

Wenn Sie eine starke Brille tragen, schlage ich vor, daß Sie sich<br />

eine schwächere verschreiben lassen - eine «Übergangsbrille» -,<br />

um sich von der maximalen Korrektur zu entwöhnen und ihr<br />

natürliches Sehvermögen zurückkehren zu lassen. Die Brille ohne<br />

Übergang aufzugeben kann wie jeder abrupte Suchtentzug zu<br />

einem «cold turkey», zu massiven Entzugserscheinungen, fuhren.<br />

Nachdem Sie sie seit Jahren benutzen, halten Sie es anfangs<br />

vielleicht nur kurze Zeit ohne Brille aus. Vielleicht macht Sie das<br />

Fehlen der Sehhilfe ängstlich, oder Sie fühlen sich ohne Ihre Brille<br />

unwohl, oder Sie meinen, nicht klar genug zu sehen, um zur<br />

Arbeit zu fahren. Aber jedesmal, wenn Sie auf <strong>die</strong> Korrekturgläser<br />

verzichten, kommen Sie Ihrer natürlichen Fähigkeit, klar zu<br />

sehen, ein wenig näher. Jedesmal jedoch, wenn Sie Ihre Brille<br />

wieder aufsetzen, zieht sich Ihre Sehkraft erneut zusammen, und<br />

je stärker <strong>die</strong> Sehhilfe ist, desto größer ist <strong>die</strong> Kontraktion, zu der<br />

<strong>die</strong> <strong>Augen</strong> gezwungen werden.<br />

Sie brauchen eine Brille <strong>für</strong> <strong>die</strong> Arbeit oder zum Fahren, <strong>die</strong><br />

Ihre fortschreitende Sehverbesserung unterstützt - <strong>die</strong> geringstmögliche<br />

noch sichere Korrektur <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Tätigkeiten statt <strong>die</strong><br />

138


größtmögliche. Es wird Sie überraschen, wie problemlos es möglich<br />

ist, <strong>die</strong> Korrektur zu reduzieren und trotzdem noch sicher zu<br />

fahren und effektiv zu arbeiten.<br />

Wenn Sie sowohl eine Brille als auch Kontaktlinsen benutzen,<br />

dann entschließen Sie sich vielleicht dazu, eine Zeitlang lediglich<br />

<strong>die</strong> (schwächere) Brille zu tragen. Sie werden schon bald feststellen,<br />

daß Sie Ihre Sehhilfe gar nicht so oft brauchen, wie Sie<br />

gedacht hatten, und es ist viel einfacher, <strong>die</strong> Brille auf- und<br />

abzusetzen, als <strong>die</strong> Kontaktlinsen herauszunehmen und wieder<br />

einzusetzen. Vielleicht ist es <strong>für</strong> Sie auch hilfreich, wenn Sie Ihre<br />

Brille an einem Band um den Hals tragen. Auf <strong>die</strong>se Weise<br />

können Sie immer dann leicht auf sie zurückgreifen, wenn Sie sie<br />

tatsächlich brauchen.<br />

Ganz gleich, wie «schwach» Ihre <strong>Augen</strong> sind, sehr wahrscheinlich<br />

tragen Sie Ihre Sehhilfe mehr, als es eigentlich notwendig ist.<br />

Die meisten Menschen erkennen, daß es in Wahrheit sehr wenige<br />

Aktivitäten gibt, <strong>für</strong> <strong>die</strong> man eine Brille aufsetzen muß, <strong>die</strong> so<br />

stark ist, wie sie <strong>Augen</strong>ärzte gewöhnlich verschreiben, denn<br />

solche Rezepte basieren auf den allerschlechtesten Voraussetzungen<br />

<strong>für</strong> klares Sehen. Brauchen wir wirklich eine ebenso starke<br />

Brille, wenn wir im Freien an einem sonnigen Tag ein Buch lesen<br />

wie wenn wir nachts durch den Regen fahren? Auf gar keinen<br />

Fall! Wenn Sie also kurzsichtig sind, dann machen Sie es sich zur<br />

Angewohnheit, Ihre Brille grundsätzlich zum Essen, Lesen und<br />

bei allen anderen Tätigkeiten abzunehmen, <strong>die</strong> dicht vor Ihren<br />

<strong>Augen</strong> stattfinden. Brauchen Ihre <strong>Augen</strong> tatsächlich Unterstützung,<br />

dann greifen Sie so oft wie möglich auf Ihre schwächere<br />

Brille zurück. Bewahren Sie sich Ihre stärkste Brille <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Tätigkeiten mit den größten Anforderungen auf, zum Beispiel <strong>für</strong><br />

das Autofahren in der Nacht.<br />

Indem Sie <strong>für</strong> alle Aktivitäten immer den gleichen weit entfernt<br />

liegenden Brennpunkt benutzen, sorgen Sie da<strong>für</strong>, daß das Auge<br />

es verlernt, sich neuen Situationen anzupassen. Da man <strong>die</strong><br />

Fähigkeiten, auf <strong>die</strong> man nicht zurückgreift, verlernt, ist es<br />

wichtig, daß Sie Geduld mit Ihren <strong>Augen</strong> aufbringen, wenn sie<br />

ihre seit Jahren nicht genutzten natürlichen Funktionen wieder in<br />

139


Betrieb nehmen sollen. Immer wenn Sie versuchen, etwas zu<br />

sehen, das Ihnen verschwommen erscheint, dann nehmen Sie sich<br />

ein paar ungehetzte <strong>Augen</strong>blicke Zeit, um zu atmen, bevor Sie<br />

sagen: «Ich kann es nicht sehen.» Geben Sie Ihren <strong>Augen</strong> eine<br />

Chance, richtig zu reagieren und sich daran zu erinnern, wie<br />

natürliches Sehen funktioniert.<br />

Nehmen Sie sich wirklich <strong>die</strong>sen Moment Zeit, um Ihren <strong>Augen</strong><br />

zu gestatten, sich der Situation anzupassen, dann werden Sie sich<br />

wundern, wie gut Sie ohne Ihre Brille sehen können. Sie werden<br />

bemerken, daß Sie meist dann nach Ihrer Brille greifen, wenn Sie<br />

sich ängstlich oder unsicher fühlen, nicht aber, weil Sie sie<br />

wirklich brauchen. Die meisten Menschen stellen fest, daß ihre<br />

Brille <strong>für</strong> solche allgemeinen Tätigkeiten wie Essen, Sport treiben,<br />

Lesen, Schreiben, ein Gespräch führen, Einkaufen, Kochen,<br />

Abwaschen oder <strong>für</strong> den Gang ins Bad nicht erforderlich ist.<br />

Wenn Sie Ihre Brille also nicht benötigen, dann nehmen Sie sie<br />

ab! Je länger Sie auf sie verzichten, desto mehr Tätigkeiten<br />

werden Sie entdecken, bei denen Ihre Brille überflüssig ist. Das<br />

Tragen einer Brille ist wie jede andere Gewohnheit auch: Je häufiger<br />

man es tut, desto schwerer fällt es einem, es sein zu lassen; je<br />

weniger man es tut, desto leichter ist es, darauf zu verzichten.<br />

Sehmeditationen<br />

Nun wollen wir uns einigen praktischen Vorschlägen zuwenden,<br />

<strong>die</strong> der Unterstützung des Prozesses Ihrer Sehverbesserung <strong>die</strong>nen<br />

sollen. Wieder möchte ich Sie zunächst daran erinnern, daß<br />

<strong>die</strong> Übungen <strong>die</strong> Veränderung nicht herbeiführen, sondern den<br />

Prozeß lediglich unterstützen. Der Bewußtseinszustand, in dem<br />

Sie <strong>die</strong> Übungen machen, ist tatsächlich wichtiger als jede mögliche<br />

physische Bewegung. Ich nenne <strong>die</strong>se Praktiken lieber<br />

«Sehmeditationen» als «<strong>Augen</strong>übungen», um ihren meditativen<br />

Gehalt hervorzuheben.<br />

Die meisten Menschen finden, daß es Spaß macht und wenig<br />

140


Mühe, ein paar Sehmeditationen in ihren Tagesablauf einzufügen.<br />

Der einfachste Einstieg ist es, sich im Verlauf des Tages<br />

immer wieder zu fragen: «Was sehe ich jetzt?»<br />

Atembewußtsein<br />

Der Atem ist der Fluß unserer Lebenskraft, unsere Verbindung<br />

zum Flechtwerk des Lebens. Die Art, wie wir Luft in unsere<br />

Lungen ziehen, ist ein Spiegel dessen, wie wir das Leben in unser<br />

Bewußtsein einlassen. Wenn wir uns angespannt fühlen, unterdrücken<br />

wir automatisch unseren Atem oder halten <strong>die</strong> Luft an.<br />

Sind wir entspannt, so fließt unser Atem frei dahin, vermindert<br />

Streß und fördert <strong>die</strong> Selbstintegration. Da müheloses, entspanntes<br />

Atmen nicht in einem eingeengten Feld stattfinden kann, steht<br />

es uns sogar frei, den Atem einzusetzen, um unser Energie- und<br />

Gesichtsfeld zu entspannen und auszuweiten.<br />

Die meisten westlichen Menschen denken nicht allzuviel über<br />

das Atmen nach. Wir gehen davon aus, daß es einfach eine Art ist,<br />

um Luft in unsere Lungen hinein- und wieder hinauszupumpen.<br />

Die indischen Yogis wußten jedoch schon immer, daß der Atem<br />

ein Spiegelbild unseres Bewußtseins ist. Bija Bennett, eine Yoga-<br />

Therapeutin, hat ein wunderbares Buch mit dem Titel Breathing<br />

into Life (Sich lebendig atmen) darüber geschrieben, wie man den<br />

Atem zur Steigerung des Bewußtseins und der Heilung einsetzen<br />

kann. Zunächst beschreibt sie <strong>die</strong> «Macht des Atems»:<br />

Es ist wahr, daß jedes Gefühl, jeder Körperzustand, jeder<br />

Widerstand, jede Störung oder Anspannung mit Ihrem Atem<br />

verbunden ist.<br />

Bemerken Sie überhaupt, daß Sie <strong>die</strong> Luft anhalten? Erinnern<br />

Sie sich daran, was Sie tun, wenn Sie Angst haben, angespannt<br />

oder wegen irgend etwas besorgt sind?<br />

Oder wie Ihr Atem sich anfühlt, wenn Sie den ganzen Tag am<br />

Schreibtisch sitzend verbracht haben?<br />

Es ist der Atem, der <strong>die</strong> Botschaft trägt.<br />

141


Der Atem kann Ihr bester Freund sein. Er kann Ihr Werkzeug<br />

sein, um ins Gleichgewicht zu gelangen, um Entspannung zu<br />

finden und um Ihren Geist und Ihren Körper zu befreien. Er<br />

schenkt Ihnen Kraft und Mut. Er beruhigt Sie oder versorgt Sie<br />

mit Energie.<br />

Atmen ist eine Kunst.<br />

Aber Sie müssen nicht lernen, wie man atmet.<br />

Atmen muß nicht gelehrt, sondern befreit werden.<br />

Sanft, bewußt, fließend, in Bewegung -<br />

<strong>die</strong> Macht des Atems. 1<br />

Da Atembewußtsein das Tor zu einem meditativen Zustand ist, ist<br />

es auch der erste Schritt bei allen Übungen und Vorschlägen in<br />

<strong>die</strong>sem Buch. Es ist jederzeit leicht möglich, sich auf seinen Atem<br />

einzulassen.<br />

Entledigen Sie sich Ihrer Sehhilfe, und nehmen Sie sich einen<br />

<strong>Augen</strong>blick Zeit, um sich Ihres Atems bewußt zu werden. Die<br />

Luft strömt ein - und wo geht sie hin? Fließt Sie in Ihren<br />

Brustraum? In Ihren Bauchraum? Oder vielleicht irgendwo<br />

anders hin? Fühlt sie sich an irgendeiner Stelle in Ihrem Körper<br />

blockiert oder eingefroren an? Kommt Ihnen Ihr Atem flach oder<br />

tief, schnell oder langsam, leicht oder schwergängig vor? Sind Sie<br />

sich irgendeiner Anstrengung bei der Aufnahme oder Abgabe<br />

Ihrer Atemluft bewußt?<br />

Die meisten von uns beschränken ihren Atem auf den oberen<br />

Brustraum, was auf Festhalten und Einengung schließen läßt.<br />

Yogis praktizieren im allgemeinen eine Art Bauchatmung, aber<br />

ein voller Atemzug macht auch im Bauch noch nicht halt, und wir<br />

alle können lernen, <strong>die</strong> Reichweite unseres Atems fließend und<br />

spontan auszudehnen.<br />

Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den Atem. Atmen Sie<br />

leicht und ohne Anstrengung. Gestatten Sie Ihrem Atem, sich frei<br />

zu bewegen. Früher oder später stellen Sie fest, daß Ihr Atem sich<br />

scheinbar vertieft hat. Nehmen Sie <strong>die</strong>s einfach wahr, und halten<br />

Sie Ihre Aufmerksamkeit weiterhin auf den Atem gerichtet. Nach<br />

ein paar weiteren tiefen Atemzügen spüren Sie vielleicht, wie sich<br />

142


Ihre Schultern und Ihr Rücken entspannen, als ob sie eine<br />

schwere Last abzuwerfen hätten. Dann beginnt sich möglicherweise<br />

Ihr unterer Körperbereich zu öffnen, während Ihr Atem<br />

mühelos durch Ihren ganzen Leib bis in Ihre Beine hineinfließt.<br />

Wann immer Sie feststellen, daß Ihr Geist sich in eine andere<br />

Richtung wendet, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit erneut auf<br />

Ihren Atem.<br />

Während Sie Ihren Atem beobachtet haben, ist Ihnen aufgefallen,<br />

daß Sie über etwas anderes nachdachten? Ist Ihr Geist<br />

plötzlich zu anderen Ufern aufgebrochen? Es ist <strong>für</strong> den Geist wie<br />

<strong>für</strong> das Auge normal zu wandern, wenn wir jedoch denken, dann<br />

sind wir in der Regel nicht voll bewußt. Wann immer Sie also<br />

feststellen, daß Sie denken, führen Sie <strong>die</strong> Aufmerksamkeit sanft<br />

wieder zu Ihrem Atem zurück. Nach einer Weile werden Sie<br />

bemerken, daß Ihr Geist immer ruhiger wird.<br />

Atembewußtsein hat nichts mit Entspannung oder Beruhigung<br />

des Geistes oder mit irgendeiner anderen gewollten Veränderung<br />

zu tun. Es ist einfach eine Übung, um ganz und gar bewußt zu sein.<br />

Indem Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das richten, was auch immer<br />

Ihr Atem tun will, öffnen Sie sich und lassen mehr und mehr<br />

Lebenskraft in Ihr Körper-Geist-System ein.<br />

Wenn Sie Atembewußtsein im Liegen weiter üben, dann merken<br />

Sie vielleicht, wie Sie bis zu Ihren Zehenspitzen hin mit<br />

Lebenskraft angefüllt werden. Lassen Sie sich darauf ein, und<br />

machen Sie sich bewußt, wie offen und entspannt Sie sind: So fühlt<br />

sich ein offenes Energiefeld an. So sollten wir <strong>die</strong> ganze Zeit leben<br />

und sehen. Nun öffnen Sie Ihre <strong>Augen</strong> einen <strong>Augen</strong>blick lang und<br />

vergegenwärtigen sich, was Sie sehen, während Sie weiterhin in<br />

<strong>die</strong>sem fließenden, entspannten Zustand des Atembewußtseins<br />

verharren. Vielleicht stellen Sie zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt eine Veränderung<br />

Ihres Sehvermögens fest, vielleicht aber auch nicht. Heißen<br />

Sie, ohne zu urteilen, alles willkommen, was Sie sehen.<br />

Atembewußtsein ist sehr wichtig. Möglicherweise entschließen<br />

Sie sich dazu, kleine Schilder anzubringen - an der Badezimmertür,<br />

am Kühlschrank oder auch in Ihrem Auto -, <strong>die</strong> Sie zum<br />

Atmen auffordern und Sie an <strong>die</strong> Macht des Atems erinnern.<br />

143


Blinzeln<br />

Normalerweise nehmen wir Blinzeln als gegeben hin. Es geschieht<br />

eben automatisch, nicht wahr? Nicht unbedingt. Dr. William<br />

Bates war der erste, der darauf hingewiesen hat, daß chronische<br />

Sehbeschwerden etwas mit einem nicht durch Blinzeln unterbrochenem<br />

Starren zu tun zu haben scheinen. Aldous Huxley erklärt<br />

hierzu:<br />

Im Zustand der dynamischen Entspannung blinzeln <strong>die</strong> <strong>Augen</strong><br />

häufig und locker. Bei Überanstrengung nimmt <strong>die</strong> Häufigkeit<br />

des Blinzeins ab, und <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>lider arbeiten verkrampft. (...)<br />

Die... Verminderung der Bewegungen wird dann also nicht<br />

nur auf <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>, sondern auch auf <strong>die</strong> Lider übertragen. Wer<br />

starrt, schließt <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>lider nur in großen Abständen. (...)<br />

Solange aber <strong>die</strong> Lider gespannt und relativ unbeweglich sind,<br />

bleiben auch <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> gespannt und relativ unbeweglich. (...)<br />

Wer also <strong>die</strong> Kunst des Sehens richtig erlernen will, muß sich<br />

häufiges und unangestrengtes Blinzeln zur Gewohnheit machen.<br />

2<br />

Obwohl wir uns im allgemeinen dessen nicht bewußt sind, daß wir<br />

starren, können wir mit ein wenig Aufmerksamkeit lernen zu<br />

spüren, wann wir unsere <strong>Augen</strong>lider ununterbrochen offen halten.<br />

Starren kommt besonders häufig in Streßsituationen vor.<br />

Wann immer Sie sich angespannt oder müde fühlen oder wenn Sie<br />

Ihre Brille abnehmen, dann machen Sie ein paar rasche, weiche<br />

Lidschläge - «Blinzeln wie ein Schmetterling». Pressen Sie Ihre<br />

<strong>Augen</strong>lider ab und zu <strong>für</strong> eine Sekunde fest zusammen - damit<br />

können Sie zum Beispiel das <strong>Augen</strong>reiben ersetzen.<br />

Die Gewohnheit, im Verlauf des Tages häufig zu blinzeln, sorgt<br />

da<strong>für</strong>, daß Ihre <strong>Augen</strong> weich und entspannt bleiben. Wann immer<br />

Sie feststellen, daß sich Ihr Sehen angespannt oder verschwommen<br />

anfühlt, wirkt Blinzeln Wunder - vor allem in Verbindung<br />

mit der Sehweise Offener Fokus (siehe Kapitel Vier).<br />

144


<strong>Augen</strong>wandern<br />

William Bates fand als erster heraus, daß ein fortwährendes<br />

Imitieren der ununterbrochenen Bewegung gesunder <strong>Augen</strong><br />

erheblich zur Verbesserung der Sehschärfe und zum Aufgeben<br />

des Starrens beitragen kann. Er machte den Vorschlag, mit den<br />

<strong>Augen</strong> auf den Rändern und Umrissen von Gegenständen entlangzuwandern:<br />

Setzen Sie Ihre Brille ab, und blicken Sie von der Buchseite auf.<br />

Stellen Sie fest, was Ihre <strong>Augen</strong> tun - halten Sie Ihre <strong>Augen</strong><br />

weit geöffnet und versuchen Sie, alles um Sie her auf einmal zu<br />

sehen? Jetzt schließen Sie <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> und stellen sich vor, was<br />

Sie eben gesehen haben. Fühlt sich Ihr inneres Bild vollständig<br />

an? Erscheinen Ihnen Ihre inneren <strong>Augen</strong> klar oder «irgendwie<br />

abgeschnitten» von Ihrem Sehvorgang?<br />

Öffnen Sie Ihre <strong>Augen</strong> wieder. Blinzeln Sie, und machen Sie<br />

ein paar tiefe Atemzüge. Achten Sie darauf, daß Ihre <strong>Augen</strong>,<br />

wenn Sie entspannt sind, einen Drang zur Bewegung haben und<br />

nicht zum Starren. Lassen Sie es zu, daß sie von dem hervorstechendsten<br />

Gegenstand oder Objekt angezogen werden. Wählen<br />

Sie einen Punkt an seiner Kante aus. Beginnen Sie, mit den<br />

<strong>Augen</strong> am Rand des Gegenstands entlangzuwandern. Versuchen<br />

Sie nicht, das Objekt als Ganzes zu sehen. Verfolgen Sie<br />

einfach <strong>die</strong> Umrisse und hervorstehenden Bestandteile, indem<br />

Sie Punkt <strong>für</strong> Punkt vorankommen.<br />

Jetzt schließen Sie <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> wieder und stellen sich vor, was<br />

Sie soeben gesehen haben. Erscheint Ihnen Ihr inneres Bild<br />

vollständiger, genauer als bei dem vorangegangenen Versuch?<br />

Haben Sie das Gefühl, daß Sie mit dem, was Sie gesehen haben,<br />

jetzt mehr in Verbindung sind?<br />

Man hat mich gefragt: «Widerspricht denn nicht<br />

dem Sehen mit Offenem Fokus? Schließlich sehen wir mit Offenem<br />

Fokus <strong>die</strong> ganze Szene mit der gleichen Klarheit, und jetzt<br />

schlagen Sie vor, daß wir genau das Gegenteil tun sollen!» Die<br />

145


Verbindung zwischen <strong>die</strong>sen beiden Praktiken ist <strong>die</strong> ununterbrochene<br />

Bewegung der <strong>Augen</strong>. Bei der Sehweise Offener Fokus<br />

lassen wir zu, daß es_spontan geschieht, und beim <strong>Augen</strong>wandern<br />

tun wir es gewußt, aber in beiden Fällen sind <strong>die</strong> <strong>Augen</strong><br />

andauernd in Bewegung. Unsere gewohnte angestrengte Art des<br />

Sehens jedoch fixiert das Auge in einem blinzelfreien Starren auf<br />

einem Gegenstand. Huxley macht einen interessanten Vorschlag<br />

zum <strong>Augen</strong>wandern, das er «Blickverschiebungen» nennt:<br />

Fehlsichtige Leute pflegen dann am stärksten und hartnäckigsten<br />

zu starren, wenn sie mit ihren Mitmenschen sprechen.<br />

Gesichter sind <strong>für</strong> uns sehr wichtig, denn indem wir ihren<br />

wechselnden Ausdruck beobachten, gewinnen wir äußerst<br />

wertvolle Hinweise... [Also] starren [wir] noch mehr als gewöhnlich.<br />

Das Ergebnis ist ein unangenehmes Gefühl und<br />

Verlegenheit bei dem, der angestarrt wird, und ein Absinken<br />

des Sehvermögens bei dem, der starrt. (...) Starren Sie [also]<br />

nicht auf Gesichter in der vergeblichen Hoffnung, alle Einzelheiten<br />

auf einmal deutlich zu sehen. Lassen Sie vielmehr den<br />

Blick schnell über das Gesicht wandern, das Sie betrachten, von<br />

Auge zu Auge, von Ohr zu Ohr, vom Mund zur Stirn. Sie<br />

werden <strong>die</strong> Einzelheiten des Gesichts und seinen Ausdruck<br />

deutlicher sehen; und gleichzeitig werden Sie bei der Person,<br />

<strong>die</strong> Sie anschauen, nicht den Eindruck des Starrens erwecken -<br />

sondern daß Sie sie in entspannter und lockerer Weise anschauen,<br />

mit <strong>Augen</strong>, <strong>die</strong> dank der schnellen, kleinen Blickbewegungen<br />

lebhaften Glanz ausstrahlen. 3<br />

Selbst ein paar Minuten <strong>Augen</strong>wandern kann <strong>die</strong> Klarheit Ihres<br />

Sehvermögens bereits entscheidend verbessern. Um <strong>die</strong>s wirklich<br />

zu erkennen, könnten Sie sich zu Beginn jeden Tages zwanzig<br />

Minuten Zeit nehmen, um mit Offenem Fokus, Blinzeln, Atembewußtsein,<br />

<strong>Augen</strong>wandem und Schwingen (<strong>die</strong> nächste <strong>Augen</strong>meditation)<br />

zu spielen. Sie werden überrascht sein, wie schnell Ihr<br />

Sehen klar wird, wenn Sie erst einmal <strong>die</strong> Brille abgelegt haben<br />

und Ihre <strong>Augen</strong> sich wieder bewegen!<br />

146


Schwingen<br />

Schwingen ist eine weitere Übung, <strong>die</strong> Spaß macht, Ihnen hilft,<br />

Ihren ganzen Körper zu entspannen und Ihre <strong>Augen</strong> dabei unterstützt,<br />

ihre natürliche, ruhig fließende Bewegung wiederzufinden:<br />

Legen Sie Ihre Brille ab, und stellen Sie sich bequem aufrecht<br />

mit etwa schulterbreit voneinander entfernten Füßen und an<br />

Ihren Seiten frei herunterhängenden Armen hin. Machen Sie<br />

einen tiefen Atemzug, gestatten Sie Ihren Schultern zu entspannen,<br />

und drehen Sie Ihren Körper sanft nach links. Machen Sie<br />

sich bewußt, daß Ihr Gewicht sich beim Schwung nach links auf<br />

den linken Fuß verlagert und daß sich <strong>die</strong> rechte Ferse vom<br />

Boden hebt. Wenn Sie <strong>die</strong> Grenze Ihres Bewegungsspielraums<br />

erreicht haben, dann schwingen Sie ebenso gleichmäßig auf <strong>die</strong><br />

rechte Seite. Achten Sie auf <strong>die</strong> Entspannung, <strong>die</strong> sich dabei<br />

entlang Ihrer Wirbelsäule ausbreitet.<br />

Der Prozeß des Schwingens<br />

147


Während Sie sich bewegen, bewahren Sie sich einen weichen<br />

Blick und stellen sich vor, daß Ihre <strong>Augen</strong> ein Pinsel sind, mit<br />

dem Sie eine horizontale Linie in Ihr Gesichtsfeld malen.<br />

Machen Sie sich bewußt, daß <strong>die</strong> Welt in umgekehrter Richtung<br />

an Ihnen vorbeizufliegen scheint.<br />

Sollten Sie <strong>die</strong>se Bewegung nicht wahrnehmen, dann blinzeln,<br />

atmen und schauen Sie, ohne sich anzustrengen, in <strong>die</strong> Luft,<br />

während Sie von Seite zu Seite pendeln. Versuchen Sie nicht,<br />

einen der vorbeifliegenden Gegenstände zu fokussieren oder<br />

anzusehen.<br />

Fangen Sie mit zehn bis fünfzehn Schwingungen an, und erhöhen<br />

Sie ihre Anzahl langsam auf fünfzig. Lassen Sie zu, sich<br />

jedes <strong>Augen</strong>blicks ganz und gar bewußt zu sein, während Sie<br />

von Seite zu Seite schwingen.<br />

Offener Fokus<br />

Dies ist eine geeignete Stelle, um <strong>die</strong> Sehweise Offener Fokus zu<br />

wiederholen, denn Sie werden häufig auf <strong>die</strong>se Meditation<br />

zurückgreifen, wenn Sie auf Ihre Brille verzichten. Offener Fokus<br />

erinnert uns daran, daß unsere Sehkraft, je weniger wir Sehen zu<br />

erzwingen suchen, mühelos immer klarer wird. Das Sehen mit<br />

Offenem Fokus so oft am Tag zu üben, wie es möglich ist, trägt<br />

dazu bei, Ihr Sehvermögen offen und entspannt zu halten.<br />

Nehmen Sie Ihre Brille ab oder Ihre Kontaktlinsen heraus, und<br />

blicken Sie in Ihre Umgebung. Machen Sie jeden Gegenstand<br />

aus, den Sie einigermaßen klar sehen können, und experimentieren<br />

Sie mit der Brennweite. Fokussieren Sie den Gegenstand<br />

so fest wie möglich, und dann sehen Sie ihn etwas weicher an.<br />

Machen Sie sich klar, je mehr Sie sich auf den einen Gegenstand<br />

konzentrieren, desto weniger sehen Sie von allem übrigen.<br />

Achten Sie darauf, daß sich Ihr peripheres Sehen einengt, wenn<br />

Sie den Gegenstand besonders intensiv ins Auge fassen.<br />

Nun blicken Sie das gleiche Objekt an, ohne zu fokussieren<br />

148


oder sich anzustrengen. Machen Sie sich Ihren Atem bewußt.<br />

Gestatten Sie Ihrem visuellen Fokus weicher zu werden und<br />

sich so weit auszudehnen, bis Sie nicht nur den ursprünglichen<br />

Gegenstand, sondern alles in seiner Umgebung mit Offenem<br />

Fokus sehen können. Werden Sie gewahr, daß Sie Ihr Sehen so<br />

weit ausdehnen können, bis Sie alles im Bereich Ihres Gesichtsfelds<br />

wahrnehmen, noch immer ohne zu fokussieren oder Ihren<br />

Blick auf etwas zu fixieren. Alles was Sie sehen, ist gleichermaßen<br />

wichtig, und Ihre <strong>Augen</strong> befinden sich in fortgesetzter<br />

spontaner Bewegung.<br />

Palmieren<br />

Palmieren, das Zudecken der <strong>Augen</strong> mit den Händen, wurde in<br />

den zwanziger Jahren von Dr. William Bates entwickelt und ist ein<br />

hervorragendes Mittel, um Ihr Körper-Geist-System zu erfrischen<br />

und zugleich Ihr Sehvermögen zu verbessern. Außerdem ist es<br />

eine wunderbar einfache Methode, um es sich gut gehen zu lassen.<br />

Jedesmal wenn Sie das Zudecken der <strong>Augen</strong> mit den Händen<br />

praktizieren, öffnet sich Ihr Feld, und Lebenskraft kann mühelos<br />

durch Sie hindurchfließen. Wenn Sie Palmieren regelmäßig<br />

machen, werden Sie sich mehr in Ihrer Mitte und weniger gestreßt<br />

fühlen.<br />

Palmieren kann jederzeit erfolgen und so lang und oft Sie<br />

wollen. Ich schlage vor, daß Sie vor und nach allen übrigen<br />

Sehmeditationen das Zudecken der <strong>Augen</strong> mit den Händen üben,<br />

um Ihren <strong>Augen</strong> nach jeder Aktivität etwas Ruhe zu gönnen.<br />

Schieben Sie Ihren Stuhl an einen Tisch, auf dem Sie einige<br />

Stöße Bücher so aufgebaut haben, daß Sie Ihre Ellbogen<br />

bequem darauf abstützen können, ohne sich vornüberbeugen<br />

zu müssen. Damit sorgen Sie da<strong>für</strong>, daß Ihr Nacken, Rücken<br />

und Ihre Schultern entspannt und unterstützt sind. Suchen Sie<br />

sich eine bequeme Sitzposition, und halten Sie Ihre Füße flach<br />

auf dem Boden.<br />

149


Wärmen Sie Ihre Hände an, indem Sie sie aneinander reiben.<br />

Stützen Sie dann Ihre Ellbogen auf den Büchern ab, schließen<br />

Sie Ihre <strong>Augen</strong>, und bewegen Sie dann Ihre leicht gewölbten<br />

Hände auf Ihr Gesicht zu. Kommen Sie Ihren Händen mit dem<br />

Gesicht ein wenig entgegen - erschrecken Sie sich nicht selbst.<br />

Gestatten Sie Ihren Händen, eine natürliche Bewegungslinie zu<br />

Ihren <strong>Augen</strong> zu verfolgen. Lassen Sie eine Hand über <strong>die</strong><br />

andere fallen, so wie es in den Illustrationen auf <strong>die</strong>ser Seite<br />

dargestellt ist, damit der Mittelpunkt jeder Handfläche sich<br />

direkt über dem darunterliegenden Auge befindet (es jedoch<br />

nicht berührt). Der Ballen der Hand stützt sich dabei auf den<br />

Wangenknochen ab. Legen Sie Ihre Hände so um <strong>die</strong> Nase, daß<br />

Ihre Atmung nicht beeinträchtigt ist. Weder auf Ihrer Nase,<br />

noch auf Ihren Wangen oder <strong>Augen</strong> sollte Druck lasten.<br />

Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Atem, atmen Sie<br />

leicht und ohne sich anzustrengen. Machen Sie sich bewußt, wie<br />

<strong>die</strong> vollkommene Dunkelheit Ihre <strong>Augen</strong> beruhigt und Ihrem<br />

Körper-Geist-System Entspannung ermöglicht. Wenn Sie sich<br />

beim Denken ertappen, leiten Sie Ihre Aufmerksamkeit wieder<br />

zurück zu Ihrer Atmung. Wenn Sie das Gefühl haben, daß Sie<br />

genug haben, nehmen Sie Ihre Hände langsam weg und öffnen<br />

<strong>die</strong> <strong>Augen</strong>. Bevor Sie wieder in Ihren Alltag eintauchen,<br />

nehmen Sie sich ein paar <strong>Augen</strong>blicke, um zu spüren, wie weich<br />

150<br />

Palmieren: Das Zudecken der <strong>Augen</strong> mit den Händen


Sie sich jetzt anfühlen. Machen Sie sich bewußt, daß Ihr Sehen<br />

jetzt schärfer und heller ist als zuvor. Versuchen Sie, sich <strong>die</strong>ses<br />

weiche Gefühl zu erhalten, wenn Sie zu Ihrer Tätigkeit zurückkehren.<br />

Ich schlage vor, daß Sie mit zwanzig Sitzungen täglich zu je einer<br />

Minute beginnen, aber Sie können <strong>die</strong> Dauer jeder Sitzung auch<br />

nach Ihren Bedürfnissen verlängern. Palmieren und Atembewußtsein<br />

können morgens sanftes Erwachen fördern und abends<br />

das Einschlafen. Falls Sie Palinieren im Bett liegend machen,<br />

sollten Sie Ihre Ellbogen mit ein paar Kissen unterstützen.<br />

Sonnenbaden<br />

Auch <strong>die</strong>se Technik wurde von Dr. Bates entwickelt, der sie zur<br />

Verbesserung der Sehkraft einsetzte, aber ihr Beitrag reicht weit<br />

über eine bloße Schärfung der Sehkraft unserer <strong>Augen</strong> hinaus.<br />

Unser Körper ist tatsächlich eine lebende photoelektrische Zelle,<br />

<strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Lichtenergie der Sonne stimuliert und reguliert<br />

wird. Gute <strong>Gesundheit</strong> verlangt eine tägliche Dosis Sonne, und<br />

dennoch bekommen <strong>die</strong> wenigsten von uns ihre tägliche Minimaldosis<br />

an Lichtenergie. Amerikaner beispielsweise verbringen im<br />

Durchschnitt nur drei Prozent ihres Lebens im Freien.<br />

Sie wissen sicher, wie sich Jet-lag anfühlt, jene typischen<br />

Schwierigkeiten, <strong>die</strong> man nach langen Flugreisen mit der Zeitumstellung<br />

hat. Nun, viele Menschen befinden sich ständig in <strong>die</strong>sem<br />

Zustand und sind einem Flugzeug noch nicht einmal nahe gekommen.<br />

Die meisten von uns benutzen nichtverschreibungspflichtige<br />

Stimulanzien und Beruhigungsmittel (wie Koffein, Zucker, Alkohol<br />

und Nikotin) jeden Tag. Mit der Zeit verändern <strong>die</strong>se Substanzen<br />

unsere innere biologische Uhr, und ihre Synchronisation mit<br />

dem natürlichen Zyklus, der durch Licht und Dunkelheit geregelt<br />

wird, geht verloren. Sich zweimal am Tag, bei Sonnenaufgang und<br />

bei Sonnenuntergang, der Sonne auszusetzen, bringt Sie wieder in<br />

Einklang mit dem Rhythmus der Natur.<br />

151


Setzen Sie zunächst Ihre Brille ab oder nehmen Sie Ihre<br />

Kontaktlinsen heraus, und begeben Sie sich in direktes Sonnenlicht.<br />

(Wenn es warm genug ist, ziehen Sie Ihre Schuhe aus, um<br />

mit bloßen Füßen auf der Erde zu stehen.) Schließen Sie <strong>die</strong><br />

<strong>Augen</strong>, beugen Sie Ihre Knie leicht. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit<br />

auf Ihren Atem. Beginnen Sie, indem Sie Ihren Kopf<br />

langsam nach rechts drehen, und baden Sie Ihre geschlossenen<br />

<strong>Augen</strong>lider im Sonnenlicht. Wenn Sie Ihren Kopf so weit nach<br />

rechts gedreht haben, wie es Ihnen möglich ist, dann bewegen<br />

Sie ihn sehr langsam nach links. Fahren Sie fort, Ihren Kopf<br />

nach links zu bewegen. Halten Sie Ihre <strong>Augen</strong> sachte geschlossen,<br />

und richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auch weiterhin auf<br />

den Atem. Wiederholen Sie <strong>die</strong>se langsam schwingende horizontale<br />

Bewegung mehrmals.<br />

Dann vollführen Sie <strong>die</strong> Bewegung in der Vertikale: Lassen Sie<br />

Ihren Kopf langsam auf Ihre Brust sinken, und dann heben Sie<br />

ihn wieder, so lange bis er in Ihrem Nacken liegt und <strong>die</strong> Sonne<br />

Ihr Gesicht und Ihren Schädel überall erreicht hat. Wiederholen<br />

Sie <strong>die</strong>se langsame Vor-und-zurück-Bewegung mehrmals.<br />

Öffnen Sie danach nicht sofort Ihre <strong>Augen</strong>. Bedecken Sie Ihre<br />

<strong>Augen</strong> mit den Handflächen und atmen Sie, bis mögliche<br />

Nachbilder verschwunden sind.<br />

Diese Übung kostet Sie nur wenige Minuten und ist eine schöne<br />

Morgen- und Abendmeditation. Regelmäßiges Sonnenbaden ist<br />

insbesondere <strong>für</strong> lichtempfindliche Menschen wichtig. Während<br />

Ihre <strong>Augen</strong> durch <strong>die</strong> geschlossenen Lider Sonnenlicht aufnehmen,<br />

gewinnen Sie auch ihre Fähigkeit zurück, sich starkem Licht<br />

ohne Anstrengung anzupassen. Daher ist <strong>die</strong>se Methode sehr<br />

hilfreich, um uns von Sonnenbrillen zu entwöhnen und um allgemein<br />

<strong>die</strong> Lichtempfindlichkeit zu reduzieren.<br />

Sie können Ihre <strong>Augen</strong> jederzeit im Verlauf des Tages dem<br />

Sonnenlicht aussetzen, aber am leichtesten fällt es früh morgens<br />

und am späten Nachmittag, wenn <strong>die</strong> Sonne noch nicht so hoch am<br />

Himmel steht und Sie Ihren Nacken nicht überanstrengen müssen.<br />

Diese Technik ist auch an einem wolkigen oder regnerischen<br />

152


Tag wirksam. Selbst dann ist das Sonnenlicht, welches durch <strong>die</strong><br />

Wolkendecke hindurchdringt, noch viel heller als künstliches<br />

Licht. Ist das Wetter wirklich schlecht, dann finden Sie vielleicht<br />

einen geschützten Platz, an dem Sie Ihre <strong>Augen</strong> trotzdem sonnen<br />

können. Hinter einem Fenster hat es jedoch nur geringen Wert,<br />

da Glas einen Teil des natürlichen Lichtspektrums ausschließt.<br />

Manche Menschen mit denen ich gearbeitet habe, leben in<br />

Hochhäusern oder an Berghängen, wo <strong>die</strong> Sonneneinstrahlung<br />

gering ist. Ich habe ihnen vorgeschlagen, auf eine Hundertfünfzig-<br />

Watt-Reflektorlampe zurückzugreifen. Sie kann als Ersatz <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Sonne eingesetzt werden, wenn man etwa einen Meter von ihr<br />

entfernt steht. Jedoch ist es immer besser, ins Freie zu gehen,<br />

denn in Wahrheit gibt es <strong>für</strong> natürliches Sonnenlicht keinen<br />

Ersatz.<br />

Passives Sehen<br />

Nun folgt eine interessante Reihe von Sehmeditationen, <strong>die</strong> uns<br />

darin unterstützen, unseren festgelegten Brennpunkt aufzugeben<br />

und ohne Anstrengung zu sehen. (Ich möchte Raymond Gottlieb<br />

danken, daß er sie mir gezeigt hat.) Sie können sich hier<strong>für</strong> jeden<br />

Tag ungefähr zehn Minuten Zeit nehmen. Fangen Sie langsam an,<br />

und atmen und blinzeln Sie während der Übung fließend. Erlegen<br />

Sie sich keine Zwänge auf. Indem Sie <strong>die</strong>se Übung mit weichem,<br />

sanftem Bewußtsein machen, wird sie Sie in einen meditativen<br />

Zustand führen, in dem müheloses Sehen stattfinden kann:<br />

Stellen Sie einen Stuhl ungefähr anderthalb bis zwei Meter<br />

entfernt von einem großen Fenster oder einer Glastür auf.<br />

Setzen Sie sich auf den Stuhl, und regulieren Sie Ihre Sitzposition<br />

so lange, bis Ihr Kopf sich ungefähr auf der Höhe der<br />

Fenstermitte befindet. Malen Sie ein großes X auf acht Blätter<br />

farbiges Papier oder auf acht gelbe Post-it-Zettel, und kleben<br />

Sie sie in jede Ecke und auf halbe Höhe zwischen den Ecken auf<br />

das Fenster (siehe Abbildung S. 154).<br />

153


Setzen Sie sich nun auf den Stuhl, und atmen Sie ein paarmal<br />

weich ein und aus. Dann, indem Sie <strong>die</strong> Zettel als Markierung<br />

benutzen, bewegen Sie Ihre <strong>Augen</strong> horizontal zwischen den<br />

beiden Markierungen auf <strong>Augen</strong>höhe hin und her. Bewegen<br />

Sie Ihre <strong>Augen</strong> etwa einmal pro Sekunde rhythmisch hin und<br />

her.<br />

Bewegen Sie Ihre <strong>Augen</strong> horizontal (Mitte rechts nach Mitte<br />

links), dann vertikal (Mitte oben nach Mitte unten) und schließlich<br />

diagonal (von Ecke zu Ecke, von links oben nach rechts<br />

unten und von rechts oben nach links unten). Während Sie Ihre<br />

<strong>Augen</strong> bewegen, atmen und blinzeln Sie weiterhin und machen<br />

sich mögliche Anspannungen oder Verkrampfungen in Ihrem<br />

Körper bewußt.<br />

Lassen Sie Ihre <strong>Augen</strong> sich leicht und rhythmisch hin und her<br />

bewegen - und sie werden es bald von ganz allein <strong>für</strong> sie tun.<br />

«Versuchen» Sie sich nicht willentlich zu entspannen, wenn Sie<br />

sich noch immer verkrampft fühlen, lassen Sie den Atem <strong>die</strong>se<br />

Aufgabe übernehmen.<br />

Positionen zum Aufkleben der farbigen Zettel auf das Fenster <strong>für</strong> passives<br />

Sehen. Kleben Sie <strong>die</strong> Zettel auf <strong>die</strong> mit X bezeichneten Stellen. Der Kreis<br />

in der Mitte des Vierecks zeigt <strong>die</strong> ideale Kopfposition an.<br />

154


Diese Übung verlangt von Ihnen eine sehr einfache Tätigkeit -<br />

viel einfacher als zum Beispiel Lesen. Doch wie verhielt es sich mit<br />

Ihrem Atem, während Sie Ihre <strong>Augen</strong> hin und her bewegten. Sie<br />

sind sich nicht sicher? Dann versuchen Sie es noch einmal.<br />

Die meisten Menschen hören entweder auf zu atmen oder<br />

versuchen, ihren Atem mit dem Rhythmus der <strong>Augen</strong>bewegung<br />

zu synchronisieren. Aufmerksamkeit setzt jedoch nicht voraus,<br />

daß Sie Ihren Atem mit Ihrer Tätigkeit synchronisieren müssen.<br />

Nur weil Sie <strong>die</strong> Kontrolle nicht verlieren wollen, hören Sie auf,<br />

spontan zu atmen. Diese Meditation macht Ihnen <strong>die</strong>se Zusammenhänge<br />

bewußt und hilft Ihnen, sie aufzulösen.<br />

Sobald Sie mit dem Ablauf vertraut sind, können Sie ihn nach<br />

Ihren eigenen Bedürfnissen abwandeln und überall praktizieren.<br />

Immer dann, wenn Sie warten müssen oder in einer Schlange<br />

anstehen, ist <strong>die</strong>se Übung eine gute und nützliche Beschäftigung -<br />

denken Sie nur daran zu atmen, zu blinzeln und sich Anspannungen<br />

bewußt zu machen. Hier folgen noch einige Variationen, mit<br />

denen Sie spielen können:<br />

1. Vergrößern oder verkleinern Sie den Abstand zu Ihren<br />

Zielobjekten.<br />

2. Wenn Sie ein Metronom besitzen, können Sie es einsetzen,<br />

um <strong>die</strong> Geschwindigkeit der Bewegung zu verändern, halten<br />

Sie jedoch dabei immer einen meditativen Zustand aufrecht.<br />

Werden Sie allmählich schneller oder langsamer. Verändern<br />

Sie <strong>die</strong> Geschwindigkeit jedesmal, wenn Sie <strong>die</strong> Übung<br />

machen, aber nur, wenn es Ihnen ohne Anstrengung und<br />

nach Ihren eigenen Vorstellungen möglich ist.<br />

3. Plazieren Sie ein Objekt (wie zum Beispiel einen Taschenkalender)<br />

in Leseentfernung und auf <strong>Augen</strong>höhe, und wählen<br />

Sie ein zweites Objekt jenseits des Fensters. Lassen Sie Ihre<br />

<strong>Augen</strong> zwischen dem nahen und dem entfernten Zielobjekt<br />

hin und her pendeln. Während sich Ihre <strong>Augen</strong> hin und her<br />

bewegen, achten Sie darauf, ob sich das nahe und das<br />

entfernte Ziel im Brennpunkt befinden. Wenn Ihre <strong>Augen</strong><br />

gut zusammenarbeiten, dann werden Sie das fokussierte<br />

155


Ziel einmal, das nicht fokussierte jedoch doppelt sehen.<br />

Wenn Sie <strong>die</strong>s nicht wahrnehmen, fahren Sie mit <strong>die</strong>ser<br />

Meditation fort, bis es Ihnen gelingt.<br />

Das tibetische Rad<br />

Wenn <strong>Augen</strong> und Geist entspannt sind, ist unsere <strong>Augen</strong>muskulatur<br />

beweglich und paßt sich sofort all unseren visuellen Bedürfnissen<br />

an; aber so, wie eine übermäßige Abhängigkeit von Krücken<br />

<strong>die</strong> Muskulatur schwächt, so schwächt auch <strong>die</strong> übermäßige<br />

Abhängigkeit von einer Brille <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>muskeln. Ungenutzte<br />

Muskeln werden nicht nur inflexibel, tatsächlich schwächen sie<br />

sogar das ganze System, da sich der Körper den künstlichen<br />

Grenzen seiner normalen Funktionen anpaßt. Das tibetische Rad<br />

stellt eine Möglichkeit dar, um ungenutzte <strong>Augen</strong>muskeln bei der<br />

Wiedergewinnung ihrer früheren Beweglichkeit zu unterstützen.<br />

Unsere <strong>Augen</strong>bewegungen verschaffen uns Zugang zu Informationen,<br />

<strong>die</strong> in unseren Erinnerungsarchiven gelagert sind,<br />

unterdrücken wir <strong>die</strong>se <strong>Augen</strong>bewegungen jedoch aufgrund von<br />

Streß, verlieren wir auch einen Teil ihrer spontanen Fähigkeit.<br />

Die Arbeit mit dem tibetischen Rad sorgt da<strong>für</strong>, daß unsere<br />

<strong>Augen</strong>muskulatur sich entspannt, damit <strong>die</strong>ses Archiv wieder<br />

leichter und ohne Anstrengung zugänglich wird. Sie dehnt alle<br />

<strong>Augen</strong>muskeln, auch jene, <strong>die</strong> nicht regelmäßig zum Einsatz<br />

kommen. Um bestmögliche Resultate zu erzielen, machen Sie<br />

<strong>die</strong>se Übung zweimal täglich, einmal am frühen Morgen (vor dem<br />

Frühstück) und einmal am frühen Abend (vor dem Abendessen).<br />

Photokopieren und vergrößern Sie (auf etwa 22 x 28 cm) <strong>die</strong><br />

Illustration auf S. 157. Befestigen Sie sie so an einer <strong>für</strong> den Zweck<br />

geeigneten Wand, daß ihr Mittelpunkt sich auf gleicher Höhe mit<br />

Ihrer Nasenspitze befindet. Legen Sie Ihre Sehhilfe ab, und<br />

stellen Sie sich in einer <strong>für</strong> Ihre <strong>Augen</strong> angenehmen Entfernung<br />

direkt vor <strong>die</strong> Abbildung. Sie werden vermutlich anfangs weiter<br />

entfernt stehen und dann langsam immer dichter an das Bild<br />

herangehen, sobald Ihre <strong>Augen</strong>muskulatur flexibler wird. Am<br />

156


Das tibetische Rad<br />

157


einfachsten können Sie <strong>die</strong>s überprüfen, wenn Sie Ihre Standposition<br />

am Boden mit einem Stück Klebeband markieren und es<br />

einmal <strong>die</strong> Woche zwei, drei Zentimeter zur Wand hin verschieben.<br />

Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Ihren Atem. Wenn Sie<br />

bereit sind, dann suchen Sie sich einen Punkt irgendwo am<br />

Außenbereich des Rades, und verfolgen Sie mit Ihren <strong>Augen</strong><br />

sehr langsam im Uhrzeigersinn den äußeren Rand jeden einzelnen<br />

Arms und auch der Kugeln, aus denen sich das Rad<br />

zusammensetzt, bis Sie wieder am Ausgangspunkt ankommen.<br />

Halten Sie Ihren Kopf ruhig, und bewegen Sie nur Ihre <strong>Augen</strong>.<br />

Erzwingen Sie nichts, und überanstrengen Sie sich nicht. Achten<br />

Sie darauf, im Verlauf der Übung zu atmen und zu blinzeln.<br />

(Wird Ihnen <strong>die</strong> Übung unangenehm, dann brechen Sie sie ab,<br />

bedecken Sie Ihre <strong>Augen</strong> <strong>für</strong> eine Weile mit den Händen, um zu<br />

palmieren, und fahren sie später fort.)<br />

Palmieren Sie eine Minute lang, und wiederholen Sie <strong>die</strong><br />

Übung dann gegen den Uhrzeigersinn. Nach Abschluß der<br />

gesamten Übung bedecken Sie Ihre <strong>Augen</strong> so lange mit den<br />

Händen, bis sie sich weich und entspannt anfühlen.<br />

Wie immer ist auch hier das Atembewußtsein von ausschlaggebender<br />

Bedeutung. Diese Meditation ist von geringem Wert,<br />

wenn sie nicht mit freifließendem Atem gemacht wird. Dann<br />

stellt sie nur eine weitere Anstrengung <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>muskulatur<br />

dar.<br />

Wie man <strong>die</strong> Sehprobentafel benutzt<br />

Es ist möglich, <strong>die</strong> Sehprobentafel einzusetzen, um sich der<br />

konstanten Veränderung Ihrer Sehschärfe und Ihrer Reichweite<br />

besser bewußt zu werden. (Wenn Sie <strong>die</strong> Sehprobentafel noch<br />

nicht zusammengesetzt haben, dann möchten Sie vielleicht jetzt<br />

den <strong>die</strong>sbezüglichen Anweisungen auf Seite 20 folgen.) Von jetzt<br />

158


an werden Sie <strong>die</strong> Sehprobentafel regelmäßig benutzen, suchen<br />

Sie also eine Stelle an einer Wand, <strong>die</strong> Sie jeden Morgen sehen.<br />

Der ideale Platz ist Ihrem Bett direkt gegenüber, damit Sie <strong>die</strong><br />

Tafel morgens als erstes und abends als letztes sehen. Um wirkungsvoll<br />

zu sein, sollte <strong>die</strong> Tafel am besten in <strong>Augen</strong>höhe und<br />

etwa drei Meter von der Stelle entfernt sein, an der Sie sich im<br />

Bett aufrecht hinsetzen.<br />

Verstehen Sie <strong>die</strong> Arbeit mit der Sehprobentafel nicht als eine<br />

Prüfung Ihres Sehvermögens, <strong>die</strong> Sie jeden Morgen durchführen -<br />

<strong>die</strong>s ist kein Sehschärfetest. Es handelt sich lediglich um eine<br />

einfache Art, sich <strong>die</strong> natürliche Fluktuation Ihrer Sehkraft zu<br />

verdeutlichen; in Wahrheit machen Sie eine Sehmeditation mit<br />

offenen <strong>Augen</strong>. Sie können <strong>die</strong> Sehweise Offener Fokus üben,<br />

während Sie auf <strong>die</strong> Tafel blicken, oder aber auch einfach entspannen<br />

und <strong>die</strong> Umrisse der Formen in Ihrem Blickfeld mit den<br />

<strong>Augen</strong> umwandern - oder sich auch nur Ihren Atem bewußt<br />

machen und - Ihrem natürlichen Bedürfnis folgend - blinzeln.<br />

Bald werden Sie feststellen, daß <strong>die</strong> Veränderungen Ihrer Sehkraft<br />

beispielsweise mit Ihrem Bewußtseinszustand in Zusammenhang<br />

stehen, mit der Tageszeit, der vorhandenen Lichtmenge,<br />

der Wettersituation, Ihrer Ernährung und so fort.<br />

Wie fühlen Sie sich, wenn Sie klar sehen? Wie fühlen Sie sich,<br />

wenn Ihnen alles verschwommen erscheint? Können Sie spüren,<br />

wie auch Ihr Energiefeld fluktuiert, während sich Ihr Sehvermögen<br />

verändert?<br />

Wenn Sie regelmäßig mit der Sehprobentafel arbeiten, werden<br />

Sie mit Ihren Sehschwankungen vertraut. Sie werden feststellen,<br />

auf welche Weise Ihr Sehvermögen Ihren inneren Zustand widerspiegelt.<br />

Wenn wir fröhlich sind, sehen wir im allgemeinen mit<br />

größerer Klarheit, als wenn wir depressiv oder ängstlich sind. Das<br />

Tragen von optischen Hilfsmitteln hat <strong>die</strong> Tendenz, <strong>die</strong>sen inneren<br />

Streß zu konservieren oder sogar zu verstärken. Wenn wir <strong>die</strong><br />

Brillenstärke reduzieren oder ganz auf <strong>die</strong> Brille verzichten, hilft<br />

<strong>die</strong>s jedem Teil des Körper-Geist-Systems.<br />

164


Ratschläge <strong>für</strong> den Alltag<br />

Selbst nachdem Sie gelernt haben, auf Ihre Brille zu verzichten,<br />

entspannt zu atmen und zu blinzeln, gibt es noch viele alltägliche<br />

Situationen - wie Lesen, Femsehen, <strong>die</strong> Arbeit am Bildschirm<br />

und das Tragen einer Sonnenbrille - <strong>die</strong> sich ungünstig auf <strong>die</strong><br />

<strong>Gesundheit</strong> Ihrer <strong>Augen</strong> auswirken können. Für <strong>die</strong> meisten von<br />

uns ist es einfach undenkbar, <strong>die</strong>se Aktivitäten aus unserem<br />

Leben zu verbannen, aber es kann bereits hilfreich sein, sich ihre<br />

Auswirkungen auf unser Sehvermögen bewußt zu machen. Also<br />

folgen hier ein paar Tips und Vorschläge zur <strong>Augen</strong>pflege, <strong>die</strong> Sie<br />

darin unterstützen, Ihre Visionssuche auch in <strong>die</strong>sen Bereich<br />

auszuweiten.<br />

Plusgläser zur Reduzierung von Nahpunktstreß<br />

Das menschliche Auge ist vor allem geschaffen <strong>für</strong> den Blick in <strong>die</strong><br />

Ferne bei natürlichem Sonnenlicht, nicht <strong>für</strong> Tätigkeiten in kurzer<br />

Entfernung bei künstlichem Licht. Also erfahren <strong>die</strong> meisten<br />

Menschen ein gewisses Maß an visueller Überanstrengung, wenn<br />

sie Arbeiten in kurzer Distanz verrichten - Verhaltensoptometristen<br />

nennen <strong>die</strong>s «Nahpunktstreß». Es weist einiges darauf hin,<br />

daß <strong>die</strong> Epidemie der abnehmenden Sehkraft etwas mit <strong>die</strong>sem<br />

Nahpunktstreß zu tun hat. Beispielsweise stellte man in Amerika<br />

anhand einer großangelegten Stu<strong>die</strong> mit mehr als 160 000 Schulkindern<br />

fest, daß achtzig Prozent der Kinder ohne entsprechende<br />

präventive Vorkehrungen gegen Ende der fünften Klasse meßbare<br />

<strong>Augen</strong>beschwerden entwickeln. 4 Diese Folgen wurden unter<br />

anderem auch auf den Nahpunktstreß während des Lesens<br />

zurückgeführt.<br />

Verhaltensoptometristen beschäftigen sich seit den zwanziger<br />

Jahren mit <strong>die</strong>sem Problem und haben ein wirkungsvolles Mittel<br />

zu seiner Linderung entdeckt: Plusgläser. Bei ihnen handelt es<br />

sich um leicht vergrößernde Linsen ähnlich jenen, <strong>die</strong> bei Weit-<br />

165


sichtigkeit verschrieben werden; sie sind jedoch erheblich schwächer<br />

als <strong>die</strong>se. Wenn Plusgläser auch im allgemeinen nicht dazu<br />

herangezogen werden, <strong>die</strong> Sehschärfe zu korrigieren, hat man<br />

doch festgestellt, daß sie auch andere bedeutende therapeutische<br />

Auswirkungen haben können.<br />

Untersuchungen haben gezeigt, daß Plusgläser physiologischen<br />

Streß reduzieren - also Blutdruck, Atemfrequenz, Pulsfrequenz<br />

und dergleichen. Diese Entspannung wird vermutlich durch <strong>die</strong><br />

subtile Diffusion des Fokus, welche durch <strong>die</strong> Linsen entsteht,<br />

erreicht. Sobald man sie aufsetzt, wird man darin unterstützt, <strong>die</strong><br />

Welt mit weicherem Blick zu sehen, und das Sehfeld dehnt sich<br />

unter <strong>die</strong>sem Einfluß im allgemeinen aus. Indem Sie den Streß<br />

reduzieren, scheinen Plusgläser direkt auf das verengte Sehfeld zu<br />

wirken - das den meisten Sehschwächen zugrundeliegende Problem.<br />

Dies ist vielleicht der Grund, warum sie häufig wirkungsvoll<br />

gegen Kurzsichtigkeit im Friihstadium bei Kindern eingesetzt<br />

werden. Sie scheinen wie eine Art Keil zu wirken, der dem<br />

verengten Feld auf subtile Weise einen Anstoß gibt, sich wieder zu<br />

öffnen.<br />

Plusgläser sind <strong>für</strong> Schüler aller Altersklassen nützlich, und <strong>die</strong><br />

meisten Menschen profitieren davon, wenn Sie sie bei Tätigkeiten<br />

in kurzer Distanz tragen (Kurzsichtige würden mit der gleichen<br />

Wirkung statt auf Plusgläser auf eine geringere als <strong>die</strong> ihnen<br />

verschriebene Brillenstärke zurückgreifen). Jedoch sind sie offenbar<br />

bei Kindern mit Lernbeschwerden am wertvollsten, sie vermögen<br />

deren Leistungen in der Schule zu steigern und zukünftige<br />

Sehbeschwerden zu verhindern. Plusgläser nehmen unmittelbar<br />

positiven Einfluß auf Verhalten und Leistungen eines Kindes,<br />

darunter auf Lesevermögen, Gedächtnis, allgemeine Koordination<br />

und auf soziale Fertigkeiten.<br />

Wie ist es möglich, daß Plusgläser Abhilfe bei Lernbeschwerden<br />

schaffen, ohne dabei <strong>die</strong> Sehschärfe nennenswert zu<br />

beeinflussen? Wissenschaftler entdecken gerade, daß es tiefgreifende<br />

Zusammenhänge zwischen Sehbeschwerden, Lernschwächen<br />

und antisozialem Verhalten geben muß (im 15. Kapitel<br />

werden <strong>die</strong>se Zusammenhänge näher erläutert). Sie haben her-<br />

166


ausgefunden, daß <strong>die</strong> am weitesten verbreiteten Sehschwächen<br />

wahrscheinlich gar nichts damit zu tun haben, wie gut oder<br />

schlecht wir sehen. Die meisten der als Nichtleser oder als Jugendkriminelle<br />

eingestuften Kinder haben zwar eine Sehschärfe von<br />

100%, aber dennoch bedeutende Sehbeschwerden (wie beispielsweise<br />

auffallend regellose <strong>Augen</strong>bewegungen, geringe <strong>Augen</strong>koordinationsfähigkeit<br />

und Schwierigkeiten beim Fokussieren),<br />

<strong>die</strong> sich tiefgreifend auf ihr Verhalten und auf ihre Lernfähigkeit<br />

auswirken.<br />

In einer wissenschaftlichen Untersuchung wurde an 96% jugendlicher<br />

Schwerverbrecher bedeutende Sehschwächen festgestellt<br />

(obwohl ihre Sehschärfe nicht beeinträchtigt war). 5 Nachdem<br />

sie an einem Sehtherapieprogramm teilgenommen hatten,<br />

fiel ihre Wiederverhaftungsrate von fünfzig auf ungefähr zehn<br />

Prozent zurück, und ihre Lesefertigkeiten steigerten sich um vier<br />

Klassenstufen. Außerdem nahmen auch ihr Selbstwertgefühl,<br />

Intelligenzquotient und ihre positiven Eigenschaften zu.<br />

Plusgläser machen es einem Kind, das normalerweise Schwierigkeiten<br />

hat, einen Ball zu fangen, ohne ihn wieder fallen zu<br />

lassen, möglich, genau im richtigen Moment zuzupacken. Sie<br />

helfen einem Kind, das daran gewöhnt ist, Wort <strong>für</strong> Wort zu<br />

buchstabieren, flüssig zu lesen. Ja, ich habe sogar Kinder erlebt,<br />

<strong>die</strong> mit Plusgläsern plötzlich zwei bis drei Stufen besser lesen!<br />

Tips zur Streßreduzierung beim Lesen<br />

Es ist gut, <strong>die</strong> Brille beim Lesen abzusetzen, vor allem wenn Sie<br />

kurzsichtig sind. Das Buch befindet sich in der idealen Position,<br />

wenn <strong>die</strong> Distanz zum Auge am wenigsten physiologischen Streß<br />

verursacht. Im allgemeinen ergibt sich <strong>die</strong>se Distanz durch <strong>die</strong><br />

Strecke, <strong>die</strong> zwischen dem Knöchel Ihres Zeigefingers und Ihrem<br />

Ellbogen liegt. Wenn Sie in <strong>die</strong>ser Entfernung ohne Ihre Brille<br />

nicht klar sehen können, dann halten Sie das Buch so, daß Sie es<br />

leicht lesen können, und nähern Sie den Abstand jeden Tag ein<br />

wenig mehr der idealen Distanz an.<br />

167


30 cm<br />

Türstopper<br />

45 cm<br />

Die Lesestütze<br />

Außerdem sollte das Buch so geneigt sein, daß es sich parallel<br />

zu Ihrem Gesicht befindet. Eine verstellbare Lesestütze oder<br />

Tischplatte ist hilfreich, um das Buch im richtigen Winkel zu<br />

halten. Es ist leicht, sich eine solche Lesestütze selbst zu bauen,<br />

sie brauchen nichts als zwei standardisierte Türstopper und ein<br />

Brett im Format von 30 x 45 cm. Schrauben Sie <strong>die</strong> Türstopper im<br />

rechten Winkel an <strong>die</strong> Unterseite des Brettes, wie es <strong>die</strong> Abbildung<br />

auf <strong>die</strong>ser Seite zeigt. Gebrauchen Sie <strong>die</strong> Lesestütze, indem<br />

Sie sie mit dem Gefälle zu sich weisend auf einen Tisch setzen (<strong>die</strong><br />

beiden Türstopper sind dann an dem von Ihnen weiter entfernten<br />

oberen Rand des Brettes). Dann legen Sie Ihr Buch oder Ihr<br />

Lesematerial auf <strong>die</strong> Lesestütze.<br />

Das «Blick-auf!»-Lesezeichen<br />

Dieses wunderbare Hilfsmittel verhindert Überkonzentration<br />

während des Lesens oder des Lernens, indem es da<strong>für</strong> sorgt, <strong>die</strong><br />

<strong>Augen</strong> entspannt und das Sehfeld offen zu halten. Ich wünschte,<br />

seine Handhabung würde allen Kindern gleich nach ihrer Einschulung<br />

beigebracht. Wäre <strong>die</strong>s der Fall, so würde das Auftreten<br />

von Kurzsichtigkeit bei Schulkindern ganz erheblich reduziert. Es<br />

168


ist eine gute und lustige Art, um alle Leser in Ihrer Familie dazu zu<br />

bewegen, dann und wann von ihrer Lektüre aufzublicken:<br />

Verwenden Sie ein Stück dünnen Karton, um jedem Familienmitglied<br />

ein eigenes Lesezeichen zu machen, auf dem<br />

steht: «Stopp! Blicke auf. Sieh weiter weg. Atme! Jetzt leg mich<br />

zwei Seiten weiter wieder ein.» Schieben Sie das Lesezeichen<br />

zwei Seiten weiter zwischen <strong>die</strong> Seiten, und leisten Sie der Aufforderung<br />

jedesmal Folge, wenn Sie zu dem Lesezeichen gelangen.<br />

Um sich dazu anzuhalten, während der Schreibtischarbeit ab<br />

und zu aufzublicken, ist es hilfreich, wenn sich Ihr Schreibtisch vor<br />

einem Fenster befindet oder wenn Sie an ihm sitzend in einen<br />

anderen Raum hineinblicken - Sie sollten keinesfalls auf eine<br />

direkt vor Ihnen befindliche Wand sehen. Je weiter Sie schauen<br />

STOPP!<br />

Blicke auf.<br />

Sieh weiter weg.<br />

Atme!<br />

Jetzt leg mich<br />

zwei Seiten weiter<br />

wieder ein.<br />

Das «Blick-auf!»-Lesezeichen<br />

169


können, desto besser. Richten Sie beim Lesen oder bei der Arbeit<br />

Ihre <strong>Augen</strong> dann und wann auf ein weit entferntes Objekt, warten<br />

Sie, bis Sie es klar und deutlich erkennen, und üben Sie dann<br />

einen Moment lang <strong>die</strong> Sehweise Offener Fokus.<br />

Wie man <strong>die</strong> «Bildschirmkrankheit» verhindern kann<br />

In unserem Zeitalter der Kommunikation liefert <strong>die</strong> Arbeit am<br />

Bildschirm rasch eine der Hauptursachen <strong>für</strong> visuellen Streß.<br />

Wenn Sie regelmäßig am Computer arbeiten oder spielen, dann<br />

haben Sie bereits wahrgenommen, wie schnell Ihre <strong>Augen</strong> müde<br />

werden und überanstrengt sind. Ist Ihnen auch schon aufgefallen,<br />

daß Sie nicht mehr so klar sehen wie zuvor, wenn Sie Ihren<br />

Computerarbeitsplatz verlassen?<br />

Wenn auch bereits eine Reihe von <strong>Gesundheit</strong>srisiken mit<br />

Computerbildschirmen in Verbindung gebracht werden, ist doch<br />

der visuelle Aspekt dessen, was ich <strong>die</strong> «Bildschirmkrankheit»<br />

nenne, einfach nur eine neue Variante des Nahpunktstresses.<br />

Unsere <strong>Augen</strong> arbeiten dann am besten, wenn ihre Sichtlinien<br />

parallel sind oder leicht auseinanderlaufen, wie es beim Blick in<br />

<strong>die</strong> Ferne auf natürliche Weise der Fall ist. Sobald wir versuchen,<br />

etwas zu fokussieren, was weniger als sechs Meter entfernt ist,<br />

müssen unsere <strong>Augen</strong> <strong>die</strong> Blicklinien zusammenlaufen lassen,<br />

was auf Dauer anstrengend ist.<br />

Bei der Entfernung, <strong>die</strong> gewöhnlich zwischen einem Bildschirm<br />

und den <strong>Augen</strong> liegt, ist <strong>die</strong> resultierende Konvergenz (und damit<br />

<strong>die</strong> Anstrengung) recht groß. Wenn <strong>die</strong>ser Brennpunkt in kurzer<br />

Entfernung stundenlang ohne Unterbrechung aufrechterhalten<br />

wird, verursacht <strong>die</strong>s Streß im gesamten Körper-Geist-System -<br />

<strong>die</strong> Muskeln spannen sich an, der Atem wird flach, <strong>die</strong> Aufmerksamkeit<br />

beginnt zu wandern, unsere Sehkraft läßt nach... wir<br />

fühlen uns mental, emotional und physisch ausgelaugt. Je mehr<br />

Zeit wir vor dem Computer verbringen, desto leichter prägt sich<br />

<strong>die</strong>ses Sehen auf kurze Distanz in unser System ein und erschwert<br />

es uns, den Brennpunkt wieder in <strong>die</strong> Ferne zu verschieben - und<br />

170


so, wie unsere Blicklinien nach innen fallen, so verengt sich auch<br />

unser gesamtes Sein.<br />

Diese Verengung wird durch <strong>die</strong> oft hohe Geschwindigkeit und<br />

hohe Konzentration erfordernde Bildschirmarbeit noch verstärkt.<br />

Aber selbst <strong>die</strong> Menschen, <strong>die</strong> den ganzen Tag vor einem<br />

Computerbildschirm zubringen müssen, können mit ein paar<br />

grundlegenden Schritten etwas gegen <strong>die</strong> Auswirkungen <strong>die</strong>ser<br />

Arbeitsweise tun:<br />

1. Strengen Sie sich nicht an, um zu sehen. Das künstliche Licht<br />

eines Monitors ist vielleicht auch dann noch schwer zu<br />

ertragen, wenn Sie <strong>für</strong> andere Tätigkeiten in kurzer Distanz<br />

bereits keine Brille mehr brauchen. Zögern Sie nicht, Ihrem<br />

Bedürfnis nach Unterstützung durch eine Sehhilfe - aber nur<br />

in der geringstmöglichen Stärke - nachzugeben, um damit<br />

Überanstrengung und das Zusammenkneifen der <strong>Augen</strong> zu<br />

vermeiden. Erinnern Sie sich daran, tief ein- und auszuatmen<br />

und häufig zu blinzeln, um nicht ins Starren zu geraten.<br />

2. Machen Sie <strong>die</strong> Meditation Passives Sehen (auf Seite 153),<br />

um Ihre <strong>Augen</strong> flexibel und aktiv zu halten. Legen Sie, wann<br />

immer möglich, eine Entspannungspause <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> ein:<br />

Bewegen Sie Ihre <strong>Augen</strong> zwischen links und rechts, oben<br />

und unten wie auch in den Diagonalen des Bildschirms hin<br />

und her. Dann schweifen Sie mit ihrem Blick mehrmals<br />

zwischen dem Monitor und der Ferne hin und her (wie es<br />

weiter oben bereits <strong>für</strong> das Lesen beschrieben wurde).<br />

3. Erstellen Sie sich eine Erinnerungskarte mit den Worten,<br />

«Stopp! Blicke auf. Sieh weiter weg. Atme!» und befestigen<br />

Sie sie an einer Stelle in der Nähe Ihres Bildschirms, auf <strong>die</strong><br />

Ihre <strong>Augen</strong> häufig fallen. Dies wird Sie daran erinnern,<br />

bewußt zu atmen und so oft aufzublicken, wie es Ihnen<br />

möglich ist. Nehmen Sie im Verlauf des Tages jede Gelegenheit<br />

wahr, um Ihre <strong>Augen</strong> in <strong>die</strong> Ferne schweifen zu lassen.<br />

4. Schicken Sie Ihre <strong>Augen</strong> häufig in <strong>die</strong> Miniferien: Wechseln<br />

Sie zu der Sehweise Offener Fokus, indem Sie Ihr Bewußtsein<br />

auf Ihr gesamtes Gesichtsfeld ausdehnen. Dies ist be-<br />

171


eits schon dann hilfreich, wenn Sie nur ein paar Momente<br />

da<strong>für</strong> übrig haben, bevor Sie sich Ihrer Arbeit wieder zuwenden<br />

müssen. Jedesmal, wenn Sie ein paar Minuten Leerlauf<br />

haben, bedecken Sie <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> mit den Handflächen (Palmieren,<br />

Seite 150).<br />

Verbessern Sie <strong>die</strong> Lichtqualität an Ihrem Arbeitsplatz:<br />

Wenn möglich vertauschen Sie <strong>die</strong> vorhandenen Lichtquellen<br />

mit natürlichem Sonnenlicht oder mit Vollspektrumlicht,<br />

das natürliches Sonnenlicht simuliert. Wenn Sie zu<br />

Hause arbeiten, dann überprüfen Sie <strong>die</strong> Möglichkeit, Ihren<br />

Arbeitsplatz direkt an ein Fenster zu verlegen. Selbst in<br />

einem großen fensterlosen Büro ist es Ihnen vielleicht möglich,<br />

eine kleine Vollspektrumlampe zu installieren. Versuchen<br />

Sie, in Frühstücks- oder Mittagspausen in den Genuß<br />

von direktem Sonnenlicht (nicht durch ein geschlossenes<br />

Fenster) zu kommen, palmieren und baden Sie Ihre <strong>Augen</strong><br />

im Sonnenlicht.<br />

Probieren Sie es mit einer Lochbrille<br />

Die Lochbrille, basierend auf einer Entdeckung von Leonardo da<br />

Vinci, macht als Sehhilfe Spaß und nützt bei zahlreichen Fokussierbeschwerden.<br />

Sie besteht aus einem normalen Brillengestell,<br />

in dem <strong>die</strong> Gläser durch schwarzes Plastik ersetzt und mit vielen<br />

kleinen Löchern durchstoßen sind und deshalb Licht direkt auf<br />

<strong>die</strong> Netzhaut fokussieren. Eine Lochbrille macht es dem normalen<br />

Brillenträger möglich, sehr viel klarer zu sehen - ohne seine<br />

eigentliche Brille (siehe Anhang A <strong>für</strong> weitere Informationen).<br />

Die Lochbrille läßt nur parallele Lichtstrahlen in das Auge<br />

eintreten, also muß weniger fokussiert werden. Die Erfahrung<br />

verbesserten Sehens ohne Brille, Anstrengung und Starren kann<br />

einem wie ein entscheidender Durchbruch vorkommen.<br />

Wenn man sie das erste Mal aufsetzt, kann eine Lochbrille wie<br />

ein Wunder wirken - «Ich kann ohne Korrektur vollkommen klar<br />

sehen!» Außerdem sieht sie interessant aus, und es kann Spaß<br />

172


Die Lochbrille<br />

machen, sie zu tragen. Da jedoch das schwarze Sieb Ihr Gesichtsfeld<br />

einschränkt, ist es besser, sie nicht den ganzen Tag und auch<br />

nicht in der Nacht oder beim Autofahren zu tragen. Außerdem<br />

sollte man daran denken, daß <strong>die</strong> Lochbrille selbst keine bleibende<br />

Verbesserung Ihres Sehvermögens schaffen kann. Sie<br />

könnte jedoch eine hervorragende Übergangslösung sein, um Sie<br />

dabei zu unterstützen, Ihre normale Brille nicht mehr <strong>die</strong> ganze<br />

Zeit zu tragen. Beispielsweise setzen manche Leute <strong>die</strong> Lochbrille<br />

beim Fernsehen oder im Kino auf, um auf ihre eigentliche Brille<br />

verzichten zu können, während sie ihre natürliche Sehkraft<br />

zurückerlangen.<br />

Verzichten Sie auf Ihre Sonnenbrille<br />

Die Sonnenbrille wurde <strong>für</strong> <strong>die</strong> Flugzeugpiloten des Ersten Weltkriegs<br />

entwickelt und durch Kriegsfilme aus Hollywood popularisiert.<br />

Ich habe festgestellt, daß der regelmäßige Gebrauch von<br />

Sonnenbrillen <strong>die</strong> Photorezeptoren in den <strong>Augen</strong> desensibilisiert<br />

und dadurch eine künstliche Überempfindlichkeit gegen Sonnenlicht<br />

verursacht. Paradoxerweise unterdrücken Sonnenbrillen<br />

auch <strong>die</strong> Signale, <strong>die</strong> Ihnen mitteilen, wann das Sonnenlicht<br />

tatsächlich zu hell ist, um noch ertragen zu werden - in den<br />

seltenen Fällen, in denen Sie wirklich eine Sonnenbrille brauchen,<br />

zum Beispiel am Strand oder wenn Sie an einem sehr sonnigen<br />

Tag auf Skiern einen schneebedeckten Abhang hinunterfahren.<br />

Wenn Sie gewohnheitsmäßiger Sonnenbrillenträger sind, dann<br />

173


ist <strong>die</strong> Fähigkeit Ihrer <strong>Augen</strong>, Lichtschwankungen zu erkennen<br />

und sich ihnen anzupassen, stark verringert. Doch gewinnen sie<br />

ihre normale Anpassungsfähigkeit zurück, sobald Sie sich den<br />

übermäßigen Gebrauch der Sonnenbrille abgewöhnen. Sollten<br />

Sie tatsächlich eine Sonnenbrille tragen müssen, dann wechseln<br />

Sie zu einer neutralen grauen Tönung. Trendfarben wie gelb,<br />

rosa, blau oder rot wirken sich besonders ungünstig auf <strong>die</strong> <strong>Augen</strong><br />

aus und können andere schädliche Auswirkungen auf Ihre<br />

<strong>Gesundheit</strong> haben.<br />

Seit kurzem sehe ich immer wieder Kinder und sogar Babys mit<br />

Sonnenbrillen, offenbar als Reaktion auf <strong>die</strong> Me<strong>die</strong>nberichte<br />

über <strong>die</strong> Gefahr von UV-Licht. Ich rate dringend davon ab,<br />

irgendeinem Kind eine Sonnenbrille aufzusetzen, es sei denn in<br />

besonderen Ausnahmefällen. Die Langzeitauswirkung, <strong>die</strong> das<br />

Tragen einer Sonnenbrille auf <strong>die</strong> Entwicklung eines Kindes<br />

haben kann, können wir heute einfach noch nicht absehen, und<br />

Tests haben gezeigt, daß unsere <strong>Augen</strong> das vollständige Spektrum<br />

natürlichen Lichts aufnehmen müssen (auch UV-Licht), um eine<br />

optimale Körperentwicklung zu ermöglichen. (Mein erstes Buch<br />

Die heilende Kraft des Lichts bietet mehr Informationen über<br />

<strong>die</strong>se Forschungen und über <strong>die</strong> Auswirkungen, <strong>die</strong> das Tragen<br />

von Sonnenbrillen hat.)<br />

Die Angewohnheit, sowohl drinnen wie draußen getönte Gläser<br />

oder eine Sonnenbrille zu tragen, ist schädlich, da <strong>die</strong>s nicht<br />

nur ganz erheblich <strong>die</strong> Lichtmenge reduziert, <strong>die</strong> das Auge empfängt,<br />

sondern auch das natürliche Spektralgleichgewicht, welches<br />

im Sonnenlicht vorhanden ist, verzerrt. Daher kann ich auch<br />

selbsttönende Brillen, <strong>die</strong> automatisch dunkler werden, wenn <strong>die</strong><br />

Sonneneinstrahlung zunimmt, nicht empfehlen. Die Anpassung<br />

an das Licht ist eine natürliche nützliche Funktion der <strong>Augen</strong>.<br />

Warum sollte man eine Aufgabe, <strong>für</strong> welche <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> bereits<br />

vorzüglich eingerichtet sind, durch ein Paar künstliche Linsen<br />

bewältigen lassen?<br />

Um also Ihre Sehkraft zu verbessern, müssen Sie auf Ihre<br />

getönte Brille oder auf Ihre Sonnenbrille verzichten (ebenso wie<br />

auf Ihre normale Brille). Wenn Sie <strong>die</strong>s tun, werden Ihre <strong>Augen</strong><br />

174


anfangs wahrscheinlich besonders empfindlich auf Licht reagieren.<br />

Wenn Sie regelmäßig Ihre <strong>Augen</strong> sonnenbaden, werden Sie<br />

mit der Zeit immer stärkeres Licht ertragen können.(Es ist nichts<br />

dagegen einzuwenden, an einem besonders hellen Tag eine Sonnenbrille<br />

aufzusetzen}- machen Sie es sich jedoch auf keinen Fall<br />

zur Gewohnheit, sie jedesmal zu tragen, wenn Sie das Haus<br />

verlassen. Je weniger Sie Ihre Sonnenbrille benutzen, desto seltener<br />

werden Sie sie benötigen - und desto mehr Licht werden Ihre<br />

<strong>Augen</strong> ertragen, ohne sich zu überanstrengen.<br />

175


9<br />

Ein Tag im Leben Ihrer neuen Sichtweise<br />

Selbst wenn Sie sich schon auf dem richtigen Weg<br />

befinden, Sie werden überfahren, wenn Sie dort<br />

einfach sitzenbleiben.<br />

Will Rogers<br />

Für viele Menschen liegt <strong>die</strong> größte Hürde beim Beginn, wenn<br />

sie etwas Neues ausprobieren wollen. Daher möchte ich Sie<br />

Schritt <strong>für</strong> Schritt durch einen hypothetischen ersten Tag ohne<br />

Ihre Brille führen. Wenn Sie auf Ihre Brille verzichten, verliert<br />

Ihr Alltag vielleicht das Gesicht des Gewohnten. Möglicherweise<br />

haben Sie sogar den Eindruck, daß Sie <strong>die</strong> einfachsten Tätigkeiten<br />

neu erlernen müssen. Statt <strong>die</strong>s als Belastung zu empfinden -<br />

wie es sich zum Beispiel in den Worten, «Ich bin ohne meine<br />

Brille vollkommen blind!» ausdrückt -, machen Sie sich klar,<br />

daß es Ihnen <strong>die</strong> Gelegenheit gibt, ab <strong>die</strong>sem Moment <strong>für</strong> all<br />

Ihre Aktivitäten eine meditative Bewußtheit zu entwikkeln.<br />

Wählen Sie als ersten Tag ohne Brille möglichst einen Tag aus,<br />

an dem Sie Ihrer eigenen Zeiteinteilung folgen und ohne Hast voll<br />

und ganz bewußt sein können - wie beispielsweise an einem<br />

Wochenendtag. Je mehr Bewußtheit Sie aufbringen, desto mehr<br />

Gewinn werden Sie aus dem Prozeß ziehen. Wenn Sie über <strong>die</strong><br />

Vergangenheit und <strong>die</strong> Zukunft nachdenken, werden Sie nicht<br />

wirklich sehen und empfinden, was in der Gegenwart geschieht.<br />

Sobald Sie ein paarmal an Wochenenden auf Ihre Brille verzichtet<br />

haben, versuchen Sie <strong>die</strong>sen Verzicht auch auf normale Wochentage<br />

auszudehnen. Das folgende Beispiel beschreibt Situationen,<br />

176


denen Sie sowohl am Wochenende als auch an Wochentagen<br />

begegnen könnten.<br />

Lassen Sie uns am Anfang des Tages beginnen. Jeden Morgen,<br />

wenn wir erwachen, haben wir <strong>die</strong> Gelegenheit, unsere Sehkraft,<br />

unsere Beziehung zum Leben bewußt wiederherzustellen: Wie<br />

fühlen Sie sich, wenn Sie <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> öffnen? Fühlen Sie sich<br />

friedlich oder in Eile, als ob das Leben an Ihnen vorbeihasten<br />

könnte? Machen Sie sich Ihren Atem bewußt. Entlassen Sie sich<br />

aus allen Absichten, irgend etwas zu tun oder zu erreichen.<br />

Blicken Sie, während Sie noch im Bett liegen, weich zur Decke<br />

auf. Sehen Sie mit Offenem Fokus, und gestatten Sie Ihren<br />

<strong>Augen</strong>, sich frei zu bewegen. Nehmen Sie einfach wahr, was Sie<br />

sehen, gleichgültig ob es nun klar oder verschwommen ist. Wenn<br />

Sie irgendwelche Geräusche hören oder Sie etwas ablenkt, dann<br />

lassen Sie es vorüberziehen. Stellen Sie fest, wie anders sich das<br />

anfühlt im Vergleich zu Ihrem gewohnten Alltagsbewußtsein.<br />

Spüren Sie <strong>die</strong> Offenheit Ihres Energiefelds?<br />

Blicken Sie weiterhin zur Decke auf, und erlauben Sie Ihren<br />

<strong>Augen</strong>, in einen endlosen Tanz zu fließen. Erinnern Sie sich an <strong>die</strong><br />

Meditationen Atembewußtsein und Palmieren (Seite 150). Sie<br />

werden im Verlauf des Tages immer wieder auf sie zurückgreifen.<br />

Bereits jetzt können Sie damit beginnen. Sie können auch jede<br />

andere in <strong>die</strong>sem Buch geschriebene Sehmeditation machen, an<br />

der Sie Freude haben.<br />

Sobald Sie bereit sind, verlassen Sie das Bett und halten dabei<br />

noch immer <strong>die</strong>se weiche Bewußtheit aufrecht. Setzen Sie Ihre<br />

Brille nicht auf, und setzen Sie Ihre Kontaktlinsen nicht ein.<br />

Gehen Sie sacht ins Badezimmer und machen Sie sich bewußt, wie<br />

friedlich sie sich noch immer fühlen. Machen Sie sich klar, daß sie<br />

genau das sehen, was Sie sehen müssen. Vollziehen Sie Ihre<br />

gewohnten Morgenhandlungen, und atmen Sie dabei ohne<br />

Anstrengung. Lassen Sie es zu, daß Sie sich in einer langsamen,<br />

angenehmen Geschwindigkeit bewegen.<br />

Dann ziehen Sie sich an. Achten Sie darauf, welche Kleidungsstücke<br />

Sie auswählen. Fällt es Ihnen schwer, ohne Brille eine<br />

Wahl zu treffen? Werden Sie von anderen Kleidungsstücken<br />

177


angezogen, als Sie normalerweise gerne tragen? Fragen Sie sich,<br />

ob Ihre Kleidung zerknittert aussehen oder ob <strong>die</strong> einzelnen<br />

Stücke vielleicht nicht zusammenpassen könnten? Sind Sie unsicher,<br />

ob Sie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Welt ohne Brille präsentierbar sind? Nehmen<br />

Sie alles wahr, was Sie fühlen, und bleiben Sie währenddessen<br />

auch weiterhin bei Ihrem Atem.<br />

Nachdem Sie sich angezogen haben, nehmen Sie <strong>die</strong>se weiche<br />

Bewußtheit mit nach draußen und verbinden sich mit der Natur.<br />

Spüren Sie <strong>die</strong> Erde unter Ihren Füßen und den Windhauch, der<br />

Ihren Körper berührt. Atmen Sie <strong>die</strong> frische Luft ein und <strong>die</strong><br />

Geräusche und Gerüche der Natur. Nehmen Sie <strong>die</strong> Sonne und<br />

den Himmel über sich wahr. Begrüßen Sie <strong>die</strong> Sonne mit einem<br />

Ritual, das Sie mögen, und sonnen Sie Ihre <strong>Augen</strong> wie bereits<br />

beschrieben (Seite 151). Wenn Sie in einer großen Stadt leben,<br />

haben Sie dann vielleicht einen Balkon oder ein offenes Fenster,<br />

durch das Sie <strong>die</strong> Sonne willkommenheißen können? Ist in der<br />

Nähe ein Park? Ganz egal, wo Sie leben, in der Regel sind mehr<br />

Möglichkeiten vorhanden, um den Kontakt zur Natur herzustellen,<br />

als Sie vielleicht auf den ersten Blick sehen.<br />

Nun blicken Sie sich um. Zunächst stellen Sie möglicherweise<br />

nur fest, daß Ihre neue Sehkraft verschwommen ist, und Sie<br />

vermissen unter Umständen einige der Dinge, <strong>die</strong> zu sehen Sie<br />

gewohnt sind. Statt sich damit zu beschäftigen, was Sie nicht<br />

wahrnehmen können, achten Sie darauf, was Sie sehen können.<br />

Manche Menschen stellen fest, daß Färb- und Tiefenwahrnehmung<br />

ohne Brille besser sind.<br />

Machen Sie einen kurzen Spaziergang, und bewahren Sie sich<br />

dabei Ihr offenes Bewußtsein. Atmen Sie, und üben Sie <strong>die</strong><br />

Seh weise Offener Fokus, damit der Spaziergang zu einer Meditation<br />

in Bewegung wird. Gestatten Sie Ihren <strong>Augen</strong>, <strong>für</strong> Sie zu<br />

sehen, ohne dabei Ihr Sehvermögen als verschwommen oder klar<br />

einzustufen. Blättern Sie zum folgenden Kapitel («Wie man <strong>die</strong><br />

<strong>Augen</strong> spazieren führt») vor, um sich weitere Anregungen zu<br />

holen.<br />

Inzwischen denken Sie vielleicht darüber nach, daß Sie gerne<br />

etwas essen würden. Stimmen Sie sich darauf ein, und finden Sie<br />

178


heraus, ob Sie wirklich hungrig sind oder ob Sie nur essen wollen,<br />

um Gefühle der Angst zu lindern. Wenn Sie noch nicht wirklich<br />

hungrig sind, möchten Sie unter Umständen erst etwas über Ihre<br />

Empfindungen und Erfahrungen aufschreiben oder Ihren Spaziergang<br />

an der frischen Luft noch etwas ausdehnen. Für was auch<br />

immer Sie sich entscheiden, bleiben Sie bei Ihrem Atem und bei<br />

Ihren Gefühlen. Unterdrücken Sie sie nicht.<br />

Wie lange ist es her, daß Sie Ihre Mahlzeiten ohne optisches<br />

Hilfsmittel eingenommen haben? Wenn Sie eine starke Brille<br />

tragen, liegt es vielleicht mehrere Jahre zurück. Genauso wenig<br />

wie Sie <strong>die</strong> falschen Kleidungsstücke angezogen haben, weil Sie<br />

Ihre Brille nicht aufhatten, werden Sie jetzt <strong>die</strong> falschen Speisen<br />

zu sich nehmen. Atmen Sie auch weiterhin fließend, üben Sie <strong>die</strong><br />

Seh weise Offener Fokus, wann immer es ihnen gelegen erscheint,<br />

bereiten Sie Ihr Frühstück zu, und essen Sie es. Nehmen Sie wahr,<br />

wie anders sich <strong>die</strong> Küche ohne Ihre Brille anfühlt. Sie brauchen<br />

vielleicht zur Zubereitung der Mahlzeit etwas länger, setzen Sie<br />

sich also nicht unter Druck.<br />

Wenn Sie bereit sind zu essen, setzen Sie sich an einen ruhigen<br />

Platz und richten Ihre ganze Aufmerksamkeit auf Ihre Mahlzeit,<br />

be<strong>die</strong>nen Sie sich aller Sinne. Lesen Sie während dem Essen<br />

weder <strong>die</strong> Zeitung, sehen Sie nicht fern, und führen Sie auch kein<br />

anregendes Gespräch. Diese Angewohnheiten vermindern<br />

Bewußtheit und führen eventuell zu einer schlechten Verdauung.<br />

Achten Sie darauf, wie Sie essen. Essen Sie langsamer als normalerweise?<br />

Schmecken <strong>die</strong> Speisen anders als sonst? Wie fühlt sich<br />

Ihr Magen an, während Sie essen? Aufmerksames Essen ist eine<br />

kleine Meditation und besonders hilfreich <strong>für</strong> Menschen, <strong>die</strong><br />

unter Gewichtsproblemen, Verdauungsbeschwerden oder Eßstörungen<br />

leiden.<br />

Die Nahrungsaufnahme ist ein anderer Aspekt des Lebens, den<br />

wir gerne ausblenden, während wir uns auf «wichtigere» Dinge<br />

konzentrieren. Wie kann jedoch <strong>die</strong> Ernährung unseres Körpers<br />

unwichtig sein? Vielleicht haben Sie <strong>die</strong> Redensart gehört: «Man<br />

ist, was man ißt.» Manchmal frage ich mich, ob der Satz, «Man ist,<br />

179


wie man ißt», nicht zutreffender wäre. Wie oft nehmen wir unsere<br />

Nahrung mit Dankbarkeit und Bewußtheit <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Gabe auf?<br />

Wie oft hasten wir durch <strong>die</strong> Mahlzeit, als ob es sich um eine<br />

unangenehme Verpflichtung handelt, und lenken uns dabei so viel<br />

wie möglich vom Essen ab? Ich frage mich, ob <strong>die</strong>ser Bewußtheitsmangel<br />

auf entscheidende Weise zu den in großem Ausmaß<br />

zunehmenden Beschwerden in Zusammenhang mit Verdauung,<br />

Körpergewicht und Eßgewohnheiten beitragen könnte.<br />

Jetzt ist es an der Zeit herauszufinden, wie es sich anfühlt, ohne<br />

Brille in <strong>die</strong> Welt hinauszugehen. Vielleicht fahren Sie zur Arbeit,<br />

besuchen Freunde, erledigen Besorgungen oder experimentieren<br />

einfach. Wenn Sie zu Fuß gehen oder öffentliche Verkehrsmittel<br />

benutzen, tragen Sie Ihre Brille an einem Band um den Hals, um<br />

sie <strong>für</strong> den Notfall in greifbarer Nähe zu haben. Setzen Sie sie nur<br />

dann auf, wenn es gar nicht anders geht - beispielsweise um sicher<br />

zu sein, daß Sie in den richtigen Bus oder <strong>die</strong> richtige U-Bahn<br />

einsteigen. Nehmen Sie wahr, wie anders <strong>die</strong> Welt aussieht, wenn<br />

sie sich Ihnen durch Ihr natürliches Sehvermögen erschließt.<br />

Wann immer Sie ängstlich werden, konzentrieren Sie sich auf<br />

Ihren Atem, und üben Sie Sehen mit Offenem Fokus, statt<br />

automatisch nach Ihrer Brille zu greifen.<br />

Wenn Sie mit dem Auto fahren wollen, dann gehen Sie und<br />

setzen sich in das Fahrzeug. Nehmen Sie Ihre Brille ab, und legen<br />

Sie sie auf den Beifahrersitz neben sich. Für <strong>die</strong> meisten Menschen<br />

ist <strong>die</strong> Feststellung, daß sie ohne Brille Auto fahren können,<br />

<strong>die</strong> tiefgreifendste Veränderung im gesamten Prozeß ihrer Sehverbesserung.<br />

Früher oder später werden Sie genug Vertrauen in<br />

Ihre Sehverbesserung haben, um <strong>die</strong>sen Schritt zu tun. Jetzt aber<br />

nehmen Sie sich nur einige <strong>Augen</strong>blicke Zeit, um sich eine neue<br />

Art des Fahrens vorzustellen:<br />

Fangen Sie damit an, indem Sie sich an <strong>die</strong> letzten paar Male<br />

erinnern, als Sie mit Ihrer Brille Auto fuhren. Sie konnten sehr<br />

klar sehen, aber wie fühlte es sich an? Waren Sie im Streß und in<br />

Eile? Waren Ihre Schultern angespannt? Umklammerten Sie das<br />

Lenkrad verkrampft? Fuhren Sie schneller, als Sie es hätten<br />

180


sollen? Haben Sie wirklich auf <strong>die</strong> Straße geachtet, oder waren Sie<br />

im Geiste schon weit voraus? Dachten Sie darüber nach, was<br />

geschehen würde, sobald Sie Ihr Ziel erreicht haben würden, oder<br />

was sich ereignete, bevor Sie aufbrachen, so mußten Ihre <strong>Augen</strong><br />

in Ihrem gesamten Gesichtsfeld umherschießen, um nach Erinnerungen<br />

zu suchen und neue Bilder zu erzeugen. Ihre <strong>Augen</strong> waren<br />

zu sehr beschäftigt, um sich auf <strong>die</strong> Straße zu konzentrieren. Ihre<br />

Aufmerksamkeit war auf etwas anderes gerichtet. Ich habe festgestellt,<br />

daß sich <strong>die</strong> meisten Verkehrsunfälle ereignen, weil wir<br />

nicht anwesend sind, und wenig damit zu tun haben, daß wir nicht<br />

sehen können. Wenn wir einem Unfall nur knapp entgangen sind,<br />

dann fragen wir uns sogar oft: «Wie konnte das geschehen? Wo<br />

war ich nur mit meinen Gedanken?»<br />

Noch immer in Ihrem Auto sitzend, visualisieren Sie jetzt, wie<br />

Sie ohne Ihre Brille <strong>die</strong> Straße entlangfahren, klar sehen und<br />

entspannt und ohne Anstrengung sind. Sehen Sie sich, wie Sie<br />

atmen und aufmerksam fahren, während Sie das Lenkrad in<br />

lockerem Griff halten, das Gaspedal betätigen und mit den <strong>Augen</strong><br />

<strong>die</strong> Straße überprüfen. Gestatten Sie sich, vollkommen bewußt zu<br />

sein. Erfreuen Sie sich an der Geschwindigkeit, <strong>die</strong> sich sicher und<br />

angenehm anfühlt.<br />

Auf welche Weise unterscheidet sich <strong>die</strong>se von Ihrer vorangegangenen<br />

Visualisation? Welche fühlt sich sicherer an?<br />

Sie haben Ihre Brille noch immer nicht wieder aufgesetzt.<br />

Blicken Sie sich um, und schätzen Sie <strong>die</strong> Situation ein. Wie gut<br />

sehen Sie im <strong>Augen</strong>blick wirklich? Brauchen Sie Ihre Brille, um<br />

das Fahrzeug aus der Garage oder der Einfahrt zu lenken?<br />

Müssen Sie sich sofort in dichten Verkehr einfädeln, oder gelangen<br />

Sie in eine ruhige Seitenstraße? Nehmen Sie den Teil Ihres<br />

Selbst wahr, der sich <strong>für</strong>chtet, und atmen Sie eine Zeitlang mit<br />

<strong>die</strong>ser Furcht.<br />

Natürlich müssen Sie sich, bevor Sie ohne Brille fahren, vergewissern,<br />

ob Sie <strong>die</strong>s auch sicher tun können. Beraten Sie sich mit<br />

einem solchen Dingen gegenüber aufgeschlossenen Optometristen,<br />

und lassen Sie sich eine Brille verschreiben, <strong>die</strong> Ihre <strong>Augen</strong><br />

so unterstützt, daß Sie sich noch innerhalb der gesetzlichen<br />

181


Bestimmungen befinden. Ob Sie dann Ihren Wagen mit <strong>die</strong>ser<br />

schwächeren Brille oder ganz ohne sie lenken, ist Ihre Entscheidung<br />

- aber achten Sie darauf, verantwortlich zu fahren! Sie<br />

müssen sich nichts beweisen, wenn Sie ohne Brille fahren. Wenn<br />

Sie auch nur den geringsten Zweifel haben, dann lassen Sie Ihre<br />

normale Brille beim Autofahren so lange auf, bis Sie davon<br />

überzeugt sind, daß Sie klar genug sehen, um mit einer schwächeren<br />

Brille zu fahren.<br />

Wenn Sie noch nicht dazu bereit sind, mit einer schwächeren<br />

Brille zu fahren, können Sie so tun, als ob Sie Fahrschüler seien -<br />

mit Ihrer Brille auf der Nase lenken Sie an einem Sonntag Ihren<br />

Wagen aus der Garage und suchen sich einen leeren Parkplatz.<br />

Nehmen Sie <strong>die</strong> Brille ab, sobald Sie dort angelangt sind, und<br />

üben Sie, über den Platz zu fahren, während Sie dabei atmen,<br />

blinzeln und das Sehen mit Offenem Fokus praktizieren. Sobald<br />

Sie genug haben, setzen Sie Ihre Brille wieder auf und fahren nach<br />

Hause. Denken Sie daran, es gibt keinen Grund, sich übereilt zum<br />

Fahren ohne Brille zu zwingen.<br />

Sobald Sie tatsächlich anfangen, ohne Ihre Brille zu fahren,<br />

denken Sie daran zu atmen, und setzen Sie Ihre Sehhilfe sofort<br />

auf, wenn Sie sie brauchen. Machen Sie sich bewußt, wann Sie<br />

ängstlich zu werden beginnen. Was hat es mit <strong>die</strong>sem Unbehagen<br />

auf sich? Welcher Anteil <strong>die</strong>ser Angst bezieht sich darauf, daß Sie<br />

wirklich nicht sehen können, und welcher besteht aus ängstlichen<br />

Erwartungen oder Abhängigkeit? Sie können Ihre Brille jederzeit<br />

wieder aufsetzen; doch tun Sie es bewußt und nicht, weil Sie Ihre<br />

Gefühle verleugnen.<br />

Sollten Sie mit Ihrer Brille gefahren sein, dann nehmen Sie sie<br />

ab, sobald Sie das Auto wieder abstellen. Wie wirkt Ihr Sehvermögen<br />

jetzt auf Sie im Vergleich zu den ersten Minuten des Tages, als<br />

Sie aufwachten? Stellen Sie fest, wieviel verschwommener alles<br />

wirkt, selbst nachdem Sie Ihre Brille nur <strong>für</strong> ein paar Minuten<br />

getragen haben. Machen Sie sich, während Sie im Tagesverlauf<br />

Ihre Brille wiederholt auf- und absetzen, den Einfluß bewußt, den<br />

<strong>die</strong>s auf Ihr Sehvermögen hat.<br />

Denken Sie, während Sie <strong>die</strong> Straße entlanggehen, daran,<br />

182


achtsam zu atmen und das Sehen mit Offenem Fokus zu praktizieren.<br />

Achten Sie darauf, wie anders <strong>die</strong> Menschen um Sie her<br />

aussehen, und wie auch sie Sie mit anderen <strong>Augen</strong> zu betrachten<br />

scheinen. Es liegt nicht daran, weil Sie ohne Ihre Brille besser<br />

aussehen. Indem Sie auf Ihr optisches Hilfsmittel verzichten,<br />

vergrößert sich Ihr Gesichtsfeld, und Sie treten in einen Zustand<br />

entspannter Offenheit ein, was auf Ihre Mitmenschen sehr anziehend<br />

wirkt. Tief in unserem Inneren würden wir alle gerne so<br />

offen sein.<br />

Nun wollen wir uns vorstellen, daß Sie heute arbeiten müssen.<br />

Die meisten Leute können während der Arbeit Atembewußtsein,<br />

das Sehen mit Offenem Fokus, Palmieren und <strong>Augen</strong>wandern<br />

praktizieren oder haben zumindest in ihren Arbeitspausen dazu<br />

Gelegenheit. Sie haben <strong>die</strong> Gelegenheit, <strong>die</strong>se «Sehmeditationen»<br />

beim Aufsuchen des Waschraums zu üben, vor und nach<br />

dem Mittagessen, zwischen abgeschlossenen Arbeitsgängen oder<br />

Schulstunden und so fort. Wenn Ihr Tag hauptsächlich aus Nahpunktstreß<br />

verursachender Arbeit besteht - Lesen, Schreibtischund<br />

Bildschirmarbeit -, dann ist es wichtig, sich daran zu erinnern,<br />

daß Sie regelmäßig aufblicken müssen. Sie könnten ein<br />

kleines Schild auf Ihrem Tisch oder bei Ihrem Computer aufstellen,<br />

auf dem steht: «Blicke auf. Sieh weiter weg. Atme!» Besteht<br />

Ihr Tag zu einem Großteil daraus, mit anderen Menschen zusammenzuarbeiten,<br />

dann erinnern Sie sich daran, zu atmen und <strong>die</strong><br />

Gesichter, <strong>die</strong> Sie ansehen, mit den <strong>Augen</strong> abzutasten.<br />

Teilen Sie Ihren Mitarbeitern mit, welchem Experiment Sie<br />

sich unterziehen, bevor Sie sich mit der Annahme unwohl fühlen,<br />

daß sie sich vielleicht darüber wundern, was Sie tun. Manche<br />

werden <strong>für</strong> Ihren Versuch kein Verständnis aufbringen, aber sehr<br />

wahrscheinlich werden Sie andere damit neugierig machen und sie<br />

dazu anregen, es ebenfalls zu versuchen. Sie könnten ihnen von<br />

Ihrem Experiment berichten und ihr Interesse fördern. Wenn Sie<br />

sich gegenseitig unterstützen, kommen Sie alle schneller voran.<br />

Früher oder später im Verlauf des Tages werden Sie möglicherweise<br />

mit all Ihren Ängsten und Zweifeln konfrontiert. Es kann<br />

sich anfühlen, als seien Sie «gegen eine Wand gelaufen» - wie bei<br />

183


einem Süchtigen, der ein zwanghaftes Bedürfnis nach der<br />

nächsten Zigarette, dem nächsten Drink oder dem nächsten<br />

Schuß verspürt..., außer daß Sie nach Ihrer Brille greifen werden,<br />

statt nach einer wie auch immer gearteten Substanz.<br />

Inzwischen haben Sie vermutlich den Punkt, an dem Sie normalerweise<br />

Ihre Brille aufgesetzt hätten, längst schon überschritten.<br />

Bevor Sie Ihrem Drang nachgeben, gestatten Sie sich, Ihre<br />

Gefühle wirklich zu fühlen. Fühlen Sie sich verletzlich, hilflos,<br />

ungeduldig, verärgert? Was immer es ist, machen Sie sich klar,<br />

daß Sie <strong>die</strong>ses Gefühl nicht mehr verdrängen müssen. Machen Sie<br />

es sich bewußt, und atmen Sie frei, in dem Wissen, daß Sie sich<br />

gestatten, das zu fühlen, was immer Sie im <strong>Augen</strong>blick tatsächlich<br />

empfinden.<br />

Mittlerweile hat Ihr Verstand wahrscheinlich ein halbes Dutzend<br />

Gründe ersonnen, warum Sie Ihre Brille wieder aufsetzen<br />

und <strong>die</strong> ganze Angelegenheit vergessen sollten: «Was ist so<br />

schlimm daran, eine Brille zu tragen? So ist es einfach zu unpraktisch,<br />

außerdem werde ich mein Sehvermögen ja doch nie ändern<br />

können. Ich finde mich einfach damit ab, <strong>für</strong> den Rest meines<br />

Lebens eine Brille zu tragen.» Nehmen Sie <strong>die</strong>se Gedanken wahr,<br />

aber denken Sie daran, daß Sie ihnen keinen Glauben schenken,<br />

sie verändern, mit ihnen rechten oder sonst etwas anfangen<br />

müssen. Erkennen Sie sie einfach an, und lassen Sie sie spontan<br />

vorbeiziehen. Sie in einem Tagebuch festzuhalten, kann eine sehr<br />

nützliche Übung sein, um derartigen emotionalen Druck aufzulösen.<br />

Indem Sie auf Ihre Brille verzichten, erhalten Sie automatisch<br />

Zugang zu größerer Empfindsamkeit und Offenheit. Zunächst<br />

mag es sich wie Angst, Unbehagen oder Verletzlichkeit anfühlen<br />

- aber dahinter verbirgt sich auch Sanftheit, Lachen, Freude,<br />

Entspannung. Die meisten Menschen fühlen sich ohne ihre Brille<br />

weicher, weniger angespannt, lockerer. Bitten Sie Ihre Familie,<br />

Ihre Freunde und Mitarbeiter irgendwann einmal, Ihr Auftreten<br />

mit Brille mit jenem ohne Brille zu vergleichen.<br />

Wenn Sie das nächste Mal ein anregendes Gespräch führen<br />

oder ein <strong>für</strong> Sie bedeutendes Gefühl mitteilen möchten, dann<br />

184


nehmen Sie vorher Ihre Brille ab, und finden Sie heraus, was<br />

geschieht. Die meisten Menschen behaupten, daß sie ihre<br />

Gefühle tiefer erleben und besser ausdrücken können, wenn Sie<br />

<strong>die</strong> Brille nicht aufhaben! Sobald Sie erst einmal den Unterschied<br />

wahrgenommen haben, werden Sie immer dann Ihre Brille automatisch<br />

abnehmen, wenn Sie mit dem Herzen kommunizieren<br />

wollen.<br />

Falls Sie Therapeut sind oder Heiler oder Ihre Arbeit etwas mit<br />

persönlichen Gesprächen zu tun hat, werden Sie es bald als<br />

hilfreich empfinden, während Ihrer Arbeit so viel wie möglich auf<br />

Ihre Brille zu verzichten. Sie denken vielleicht, daß Sie auf <strong>die</strong>se<br />

Weise weniger sehen, aber wenn Sie damit experimentieren, dann<br />

stellen Sie vielleicht fest, daß Sie ohne Ihre Brille einfach besser<br />

zuhören, sich besser mitteilen, stärker empfinden und stärker<br />

anwesend sein können.<br />

Gehören das Fahren eines Wagens und andere gefährliche<br />

Tätigkeiten zu Ihrem Beruf, dann müssen Sie eventuell Ihre<br />

Brillenstärke langsam reduzieren, um sich eine sichere Arbeitsumgebung<br />

zu erhalten. Halten Sie sich an alle Bestimmungen, <strong>die</strong><br />

das Tragen einer Brille von Ihnen verlangen. Achten Sie jedoch<br />

darauf, daß Sie Ihren <strong>Augen</strong> mit Ihrer Brille nicht mehr Unterstützung<br />

bieten, als sie eigentlich brauchen - tragen Sie <strong>die</strong><br />

schwächste Brille, <strong>die</strong> möglich ist, ohne Sicherheit zu gefährden<br />

und Bestimmungen zu verletzen, und nicht <strong>die</strong> stärkste! Selbst<br />

wenn Sie Ihre Brille bei der Arbeit aufsetzen müssen, nehmen Sie<br />

jede Gelegenheit wahr, um sie abzusetzen: Pausen, Wochenenden,<br />

nach Arbeitsschluß, Ferien. Denken Sie daran, daß Ihre<br />

Bereitschaft, etwas zu verändern, und Ihr Wissen, daß Sie etwas<br />

verändern können, bereits <strong>die</strong> wichtigsten Voraussetzungen <strong>für</strong><br />

eine Sehverbesserung sind.<br />

Während der Tag weiter voranschreitet und sich langsam körperliche<br />

Erschöpfung einstellt, werden auch unsere <strong>Augen</strong> müde<br />

- bringen Sie also gegen Ende des Tages mehr Geduld mit sich<br />

auf. Viele Menschen haben das Empfinden, daß sie ihren <strong>Augen</strong><br />

bei schwindendem Sonnenlicht mehr Unterstützung geben müssen.<br />

Selbst wenn Sie am Morgen mit einer schwächeren Brille zur<br />

185


Arbeit gefahren sind, so benötigen Sie vielleicht bei der Heimfahrt<br />

doch wieder Ihre alte. Sobald Sie zu Hause ankommen,<br />

nehmen Sie Ihre Brille wieder ab und begeben sich auf einen<br />

Spaziergang. Atmen und blinzeln Sie, und praktizieren Sie Offener<br />

Fokus. Bevor Sie das Haus betreten, baden Sie Ihre <strong>Augen</strong><br />

wieder in Sonnenlicht.<br />

Für den Fall, daß Sie nach Einsetzen der Dunkelheit fahren<br />

oder nach draußen gehen, machen Sie sich klar, wie anders sich<br />

Ihr Sehvermögen in der Nacht anfühlt. Viele von uns hatten als<br />

Kinder Angst vor der Dunkelheit, und andere leben in Städten<br />

und fühlen sich nicht sicher genug, um nachts in eine dunkle<br />

Straße zu treten. Im allgemeinen denken wir nicht darüber nach,<br />

auf welche Weise solche Ängste auf unser Sehvermögen Einfluß<br />

nehmen könnten. Das Vorherrschen peripheren Sehens in der<br />

Nacht in Verbindung mit unserer Angst vor der Dunkelheit führt<br />

dazu, daß wir nachts sehr viel mehr mit unseren Gefühlen in<br />

Berührung sind als am Tage. Wenn wir uns mit solchen Gefühlen<br />

nicht wohlfühlen, dann mag unsere Nachtsicht tatsächlich schwächer<br />

sein.<br />

Um Ihre Nachtsicht zu verbessern, üben Sie es, nachts spazierenzugehen<br />

und sich umzusehen. Sie müssen ja nicht sehr weit<br />

gehen und können sich an einen Ort begeben, wo Sie sich sicher<br />

fühlen. In der Nacht nehmen wir vor allem durch peripheres und<br />

nicht durch zentrales Sehen wahr, also üben Sie das Sehen mit<br />

Offenem Fokus im Dunkeln, statt zu versuchen, Objekte wie am<br />

Tag zu fokussieren.<br />

Wenn Sie mögen, machen Sie auch am Abend einige der<br />

Sehmeditationen. Palmieren und <strong>die</strong> Sehweise Offener Fokus<br />

sollten Ihre letzten Übungen sein, bevor Sie zu Bett gehen, so wie<br />

sie morgens nach dem Erwachen <strong>die</strong> ersten sein sollten. Dann<br />

gleiten Sie mühelos in einen erholsamen, tiefen Schlaf, und in<br />

Ihren Träumen werden Sie früher oder später mit einer Klarheit<br />

sehen, <strong>die</strong> über alles hinausgeht, was Sie sich bisher erträumt<br />

haben.<br />

186


10<br />

Wie man <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> spazierenführt<br />

Das Leben ist <strong>die</strong> Reise, nicht das Ziel.<br />

Robert Anthony<br />

Bisher haben wir <strong>die</strong> tiefgreifende Verbindung zwischen Sehen<br />

und Bewußtsein betrachtet, aber Sehen heißt auch Bewegung.<br />

Wie unsere <strong>Augen</strong> sehen spiegelt sich darin wider, wie unser<br />

Körper sich bewegt und umgekehrt. Die Sehkraft ist viel eher ein<br />

aktiver Sinn als ein rein wahrnehmender. Wir meinen, daß wir<br />

durch unsere <strong>Augen</strong> lediglich visuelle Informationen aufnehmen,<br />

aber der Prozeß des Sehens ist in Wahrheit doch komplizierter.<br />

Das, was wir sehen, sind <strong>die</strong> Interpretationen, <strong>die</strong> sich unser<br />

Gehirn von den Lichtimpulsen macht, <strong>die</strong> in unsere <strong>Augen</strong><br />

gelangen. Das Gehirn zögert nicht, offenbar fehlende Informationen<br />

zu improvisieren oder zu ergänzen.<br />

Darüber hinaus sind <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> außerdem auch unser Navigationssystem.<br />

Sie sind der Teil des Gehirns, auf den wir zurückgreifen,<br />

um uns in der Welt zu orientieren. Jede körperliche Bewegung<br />

wird geleitet von unserer visuellen Orientierung in der Welt.<br />

Wenn Sie das nächste Mal einen Leichtathleten beobachten, dann<br />

machen Sie sich klar, wie jede seiner Bewegungen durch sein<br />

visuelles Bewußtsein geführt wird. Sogar «offensichtlich» blinde<br />

Menschen müssen sich selbst in Beziehung zu der physischen Welt<br />

visualisieren, um klarzukommen. Wenn wir das Sehen ohne <strong>die</strong><br />

Bewegung einschätzen wollen, nehmen wir nur einen Bestandteil<br />

unseres Sehsinns wahr. Unsere visuelle Beziehung zur Welt formt<br />

unsere Körperhaltung von Kopf bis Fuß.<br />

187


Deshalb ist ein täglicher Spaziergang eine der wirkungsvollsten<br />

«<strong>Augen</strong>meditationen», <strong>die</strong> Sie machen können. Ein Spaziergang<br />

hilft uns außerdem, <strong>die</strong> Lebenskraft, <strong>die</strong> uns umgibt, zu würdigen,<br />

und gestattet es uns, unser Feld mit einem größeren Ganzen zu<br />

verbinden. Indem sich <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> mit der uns umgebenden Schönheit<br />

und Energie anfüllen, werden sie dazu motiviert, sich zu<br />

öffnen und sogar noch mehr wahrzunehmen.<br />

Wenn ein Spaziergang generell auch eine wunderbare Möglichkeit<br />

ist, dem ganzen Körper-Geist-System zu <strong>die</strong>nen, wollen<br />

wir uns hier nur darauf konzentrieren, wie wir ihn als Meditation<br />

nutzen können, um unser inneres und äußeres Sehen in Bewegung<br />

zu bringen. Wenn Sie ohnehin schon regelmäßig Spazierengehen,<br />

dann probieren Sie nächstes Mal einige der folgenden Vorschläge<br />

aus. Sollten Sie es nicht gewohnt sein spazierenzugehen, dann<br />

könnten Sie <strong>die</strong>se «<strong>Augen</strong>meditationen» vielleicht zusammen mit<br />

einem Freund oder einer Freundin ausprobieren, der oder <strong>die</strong><br />

ebenfalls eine Brille trägt. Es wäre sogar denkbar, daß Sie eine<br />

Selbsthilfegruppe <strong>für</strong> Leute ins Leben rufen, <strong>die</strong> sich treffen, um<br />

jeden Morgen oder jeden Abend ihre <strong>Augen</strong> spazierenzuführen.<br />

Die Wahl des Weges<br />

Die Wahl des Ortes, an dem Sie Spazierengehen wollen, ist ebenso<br />

wichtig wie <strong>die</strong> Wahl eines Platzes <strong>für</strong> jede beliebige andere<br />

Meditation. Sie möchten in einer einigermaßen ungestörten Umgebung<br />

gehen - ein ruhiger Landweg ist ideal! Wenn ein solcher<br />

Ihnen nicht zur Verfügung steht, dann versuchen Sie, so oft wie<br />

möglich an Wochenenden und während der Ferien aus der Stadt<br />

herauszukommen. Falls Sie in der Stadt leben, könnte ein großer<br />

Stadtpark oder eine ruhige Wohnstraße gute Möglichkeiten <strong>für</strong><br />

einen Spaziergang bieten.<br />

Ich lebe in den Rocky Mountains im Staat Colorado, wo man<br />

entweder immer nach oben oder nach unten unterwegs ist. Sie<br />

werden feststellen, daß Sie am meisten von Wegen profitieren, <strong>die</strong><br />

188


Steigungen und Gefälle haben, nicht so sehr wegen des Trainings,<br />

welches Sie damit Ihrem Herz-Kreislauf-System angedeihen lassen,<br />

sondern weil <strong>die</strong>se «Bewußtseinsübung» Ihre Einstellung zu<br />

Steigen und Fallen miteinbezieht. Die Erfahrung des Aufwärtsund<br />

Abwärtsgehens ergänzt Ihren Gang um eine psychologische<br />

Schlüsselkomponente und bietet Ihnen einen kraftvollen Zugang<br />

zu Ihren Ängsten und selbstauferlegten Begrenzungen. Wenn Sie<br />

an Steigungen nicht gewöhnt sind, könnten Sie sich mit der Zeit<br />

steigern. Aber ich hätte Ihnen ohnehin empfohlen, einen hügeligen<br />

Pfad zu wählen - außer natürlich Sie leiden unter einer stark<br />

angegriffenen <strong>Gesundheit</strong> -, dem Sie in einer Ihnen angenehmen<br />

Geschwindigkeit folgen (wie <strong>die</strong>s grundsätzlich <strong>für</strong> alle Körperübungsprogramme<br />

gilt, ziehen Sie auch in <strong>die</strong>sem Fall Ihren Arzt<br />

zu Rate, falls Sie Bedenken bezüglich Ihrer körperlichen Fitneß<br />

haben). Sollte es in Ihrer näheren Umgebung keine Berge oder<br />

Hügel geben, versuchen Sie, am Wochenende steilere Wege zu<br />

finden.<br />

Außerdem ist es wichtig, in einem Gebiet spazierenzugehen, in<br />

dem Sie ein offenes Blickfeld haben, um Ihnen Gelegenheit zu<br />

geben, <strong>die</strong> ganze Ausdehnung Ihres Gesichts- und Energiefelds zu<br />

spüren. Falls Sie kurzsichtig sind, ist <strong>die</strong>s besonders wichtig.<br />

Kurzsichtige Menschen beschränken sich häufig auf nahegelegene<br />

visuelle Tätigkeiten und vermeiden offenes Gelände, welches auf<br />

sie vielleicht unbewußt bedrohlich wirkt. Die meisten Städter, <strong>die</strong><br />

durch ihren Lebensstil zum Aufenthalt in Gebäuden gezwungen<br />

sind, sehen selten <strong>die</strong> ganze Ausdehnung der Erde von Horizont<br />

zu Horizont - außer vielleicht im Fernsehen oder im Kino.<br />

Jemand, der im Zentrum einer Großstadt wohnt, kann nur dann<br />

in <strong>die</strong> Ferne blicken, wenn er seine <strong>Augen</strong> auf das kleine Stück<br />

Himmel richtet oder indem er in den obersten Stock eines Wolkenkratzers<br />

fährt - aber dort oben kann man keinen Spaziergang<br />

machen!<br />

Während Sie Ihre <strong>Augen</strong> spazierenführen, werden Sie keine<br />

Brille tragen, aber wenn es Sie zu sehr beängstigt, sie daheim<br />

zurückzulassen, stecken Sie Ihre Brille in <strong>die</strong> Tasche oder hängen<br />

Sie sie an einem Band um den Hals. Wann immer Sie dann<br />

189


während Ihres Gangs den Drang verspüren, sie aufzusetzen,<br />

fragen Sie sich zuerst, ob Sie sie wirklich brauchen, oder ob Sie<br />

lediglich Angst verspüren, <strong>die</strong> Sie vielleicht auch ohne <strong>die</strong> Brille<br />

aufzusetzen überwinden können.<br />

Sollten Sie normalerweise auf Spaziergängen eine Sonnenbrille<br />

tragen, dann verzichten Sie während solcher speziellen Gänge<br />

auch auf <strong>die</strong>se. Je häufiger Sie Ihre Sonnenbrille nicht aufsetzen,<br />

desto schneller werden Ihre <strong>Augen</strong> ihre natürliche Lichttoleranz<br />

zurückgewinnen. Tragen Sie statt dessen einen Hut oder eine<br />

Baseballmütze. Aber mit der Zeit werden Sie auch <strong>die</strong>se Schattenspender<br />

daheim lassen wollen, außer vielleicht an einem sehr<br />

hellen sonnigen Tag. Man kann sich an sie ebenso gewöhnen, wie<br />

an eine Sonnenbrille oder an andere Sehhilfen. Um <strong>die</strong> natürliche<br />

Sonnenlichttoleranz Ihrer <strong>Augen</strong> wieder anzuregen, baden Sie<br />

Ihre <strong>Augen</strong> in Sonnenlicht und praktizieren Sie Palmieren (siehe<br />

Seite 150) vor, während und nach Ihrem Spaziergang.<br />

Gehmeditation<br />

Das Spazierenfuhren der <strong>Augen</strong> ist eine Art Gehmeditation.<br />

Bewegen Sie sich fließend und rhythmisch. Richten Sie Ihre<br />

Aufmerksamkeit auf Ihren Atem und lassen Sie Ihr Bewußtsein<br />

zu einem Sehen mit Offenem Fokus werden. Wann immer Sie<br />

feststellen, daß Sie denken, nehmen Sie <strong>die</strong>ses geistige Geplapper<br />

als Zeichen wahr, um Ihre Aufmerksamkeit wieder auf Ihren<br />

Atem zu lenken. Je mehr wir denken, desto schwerer fällt uns das<br />

Atmen, aber Atmen wird leichter und fließender, wenn wir mit<br />

Offenem Fokus sehen und zum Atembewußtsein zurückfinden.<br />

Gedanken sind wie Wolken, <strong>die</strong> über den Himmel unseres<br />

Bewußtseins ziehen. Manchmal verwechseln wir <strong>die</strong> Wolken mit<br />

dem Himmel - wir meinen, daß unsere Gedanken unser Bewußtsein<br />

sind. Beim Sehen mit Offenem Fokus können alle Gedanken<br />

mühelos durch uns hindurchgleiten.<br />

Während Sie mit Offenem Fokus sehend dahinschreiten, gestat-<br />

190


ten Sie Ihren <strong>Augen</strong>, alles, was Sie sehen, zu umwandern. Es ist<br />

nicht entscheidend, ob Sie klar sehen, folgen Sie mit den <strong>Augen</strong><br />

einfach nur dem äußeren Rand all dessen, was Sie sehen. Achten<br />

Sie darauf, daß Sie, während Sie in einer geheimnisvollen Verschwommenheit<br />

Linien verfolgen, plötzlich etwas in vollkommener<br />

Klarheit aufblitzen sehen oder eine intuitive Eingebung empfangen,<br />

um welche Art von Objekt es sich handelt. Halten Sie Ihre<br />

<strong>Augen</strong> ständig in Bewegung. Beschäftigen Sie sich eher mit dem,<br />

was Sie sehen können, als mit jenem, was Ihnen verborgen bleibt.<br />

Machen Sie sich auch bewußt, ob Sie nicht vielleicht etwas in der<br />

«unsichtbaren» Luft wahrnehmen.<br />

Der natürliche Rhythmus gehender Füße ist eine wunderschöne<br />

Bewegung, <strong>die</strong> wir in der Regel als gegeben hinnehmen<br />

oder einfach vernachlässigen. Nehmen Sie sich jetzt einen<br />

Moment Zeit, um sie wirklich zu würdigen. Gestatten Sie Ihren<br />

Füßen, sich leicht und anmutig zu bewegen: Während der Fuß<br />

vom Boden abhebt, läßt der Druck auf den Knöchel nach. Statt<br />

den Fuß nun sofort wieder aufzusetzen, gestatten Sie dem Knöchel,<br />

fließend loszulassen. Indem sich der Fuß wieder der Erde<br />

nähert, «blickt er nach unten», als ob sich <strong>Augen</strong> an seiner Sohle<br />

befänden (nur <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> in den Füßen sehen nach unten, nicht<br />

aber <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> im Kopf). Dann lassen Sie Ihre Ferse sanft<br />

«landen», gefolgt von der restlichen Fußsohle.<br />

Machen Sie sich bewußt, wie sich Ihr ganzer Körper rhythmisch<br />

und anmutig bewegen will. Ebenso, wie Sie Ihren <strong>Augen</strong> gestatten,<br />

<strong>für</strong> Sie zu sehen, erlauben Sie Ihren Füßen <strong>für</strong> Sie zu gehen<br />

und Ihren Armen an Ihren Seiten <strong>für</strong> Sie zu schwingen. Lassen Sie<br />

Ihren Blick nirgendwo haften bleiben, während Ihre <strong>Augen</strong><br />

umhertanzen. Atmen Sie fließend, und nehmen Sie alle Gefühle<br />

oder Eindrücke wahr, <strong>die</strong> vielleicht hochkommen.<br />

191


Wo sitzt Ihr Kopf?<br />

Während Sie gehen, richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf den<br />

oberen Teil Ihres Körpers - auf Ihren Kopf und Nacken. Stellen<br />

Sie sich vor, daß Ihr Kopf auf einem beweglichen Drehpunkt am<br />

Ende Ihrer Wirbelsäule ausbalanciert ist. Gestatten Sie Ihrem<br />

Kopf und Nacken in Ihrer Bewegung sanft auf <strong>die</strong>sem Punkt auf<br />

und ab zu hüpfen. Jetzt visualisieren Sie, daß Ihr Kopf langsam<br />

abhebt. Ihr Körper ist noch immer geerdet, aber Ihr Hals wird<br />

länger und länger. Ihr Kopf schwebt ungefähr ein bis zwei Meter<br />

über Ihrem Körper. Gehen Sie eine Weile mit einem ein bis zwei<br />

Meter langen Hals weiter, dessen Ende mit einem gut ausbalancierten<br />

Kopf gekrönt ist. Wie fühlt sich das an?<br />

Dann lassen Sie es zu, daß Ihr Hals sich sogar noch weiter<br />

dehnt, bis Ihr Kopf drei Meter über Ihrem Körper schwebt. Der<br />

Rest Ihres Körpers bewegt sich weiterhin mühelos und entspannt.<br />

Spüren Sie so klar wie möglich, wie sich Ihr Kopf drei Meter hoch<br />

in der Luft anfühlt. Wenn ich <strong>die</strong>se Übung mache, dann fühle ich<br />

mich sehr frei, sehr offen, weit entrückt von meinem gewohnten<br />

geistigen Druck.<br />

Nun rufen Sie sich <strong>die</strong> Position Ihres Kopfes und Ihrer <strong>Augen</strong><br />

ins Bewußtsein. Als <strong>die</strong> Speerspitze unseres Navigationssystems<br />

zeigen uns <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>, wo unser Kopf sitzt. Diese innere Orientierung<br />

beginnt in unseren Gefühlen und Einstellungen und manifestiert<br />

sich in unserer Haltung und in unserer Blickrichtung. Man<br />

kann häufig Menschen beobachten, <strong>die</strong> mit dem Blick auf <strong>die</strong> Erde<br />

gerichtet gehen, den Kopf dabei leicht nach vorn gebeugt. Ist<br />

jedoch der Kopf vorgeneigt, schränkt er <strong>die</strong> Atmung im Hals ein.<br />

Haben Sie je bemerkt, daß es schwerer ist zu sprechen, wenn man<br />

den Blick gesenkt hält? Sobald sich Ihr Kopf wieder hebt, öffnet<br />

sich Ihr Hals, und Ihr Atem geht freier. Sie schreiten wieder weiter<br />

voran, atmen leichter und nehmen mehr von dem Leben in Ihrer<br />

Umgebung auf. Es ist also wichtig, den Füßen zu gestatten, <strong>für</strong><br />

Sie zu sehen, wenn Sie gehen. Schauen Sie nicht hinunter; lassen<br />

Sie Ihre Füße <strong>für</strong> Sie herausfinden, welches der beste Weg ist!<br />

192


Hier handelt es sich nicht nur um eine körperliche Veränderung.<br />

Während der Körper sich wandelt, wird auch unser Blick<br />

auf uns selbst in Beziehung zur Welt transformiert. Das Gehen in<br />

einer neuen Haltung kann Gefühle zu Tage fördern, <strong>die</strong> in der<br />

alten «verborgen» waren. Machen Sie sich bewußt, wie es sich<br />

anfühlt, mit erhobenem Kopf zu gehen und was Sie empfinden,<br />

wenn Sie ihn in <strong>die</strong> alte Position zurückrutschen lassen. Ist der<br />

Unterschied spürbar? Scheint das Unbehagen oder <strong>die</strong> Angst<br />

vielleicht weniger zu werden, wenn Ihr Kopf erhoben ist?<br />

Halten Sie Ihre Sichtebene beim Gehen parallel zum Boden -<br />

blicken Sie nicht vor sich auf <strong>die</strong> Erde, um den Weg zu überprüfen!<br />

Heben Sie Ihre <strong>Augen</strong>, und schauen Sie geradeaus. Sollte der<br />

Pfad wirklich sehr uneben sein, dann suchen Sie sich Ihren<br />

Brennpunkt etwa drei Meter vor Ihnen, nicht direkt vor Ihren<br />

Füßen. Fahren Sie darin fort, sich zu entspannen, zu atmen und<br />

<strong>die</strong> Sehweise Offener Fokus zu praktizieren, und Sie werden alles<br />

sehen, was erforderlich ist. Machen Sie sich bewußt, daß Sie sich<br />

jetzt größer fühlen, mehr sehen können und daß Ihre Lungen sich<br />

geweitet haben. Achten Sie darauf, wie sich Ihre Sicht des Lebens<br />

verändert, sobald Sie Ihren Blick neu ausrichten. Wenn Sie sich<br />

im allgemeinen klein, hilflos und ängstlich fühlen, dann machen<br />

Sie sich klar, wie das Emporheben der <strong>Augen</strong> Ihren verengten<br />

Standpunkt auflöst.<br />

Die <strong>Augen</strong> an Ihrem Hinterkopf<br />

Jetzt drehen Sie sich um, mit dem Blick in <strong>die</strong> Richtung, aus der<br />

Sie gekommen sind, und gehen rückwärts (lassen Sie <strong>die</strong>se Übung<br />

aus, falls sie Ihnen zu unangenehm ist). Stellen Sie sich vor, daß<br />

Sie <strong>Augen</strong> an Ihrem Hinterkopf haben, <strong>die</strong> in <strong>die</strong> entgegengesetzte<br />

Richtung Ihrer tatsächlichen <strong>Augen</strong> blicken. Gestatten Sie<br />

den <strong>Augen</strong> in Ihrem Hinterkopf, Ihre Füße zu führen. Achten Sie<br />

dabei auf alle Veränderungen, <strong>die</strong> sich in Ihrer Haltung oder in<br />

Ihren Gefühlen einstellen.<br />

193


Probieren Sie <strong>die</strong>s aus, während Sie einen Berg hinaufgehen,<br />

und machen Sie sich klar, welcher Unterschied besteht, wenn man<br />

einen Hügel vorwärts und wenn man ihn rückwärts erklimmt.<br />

Viele Menschen berichten, daß sie nicht so außer Atem geraten<br />

und daß ihr Herz nicht so heftig arbeitet, wenn sie rückwärts<br />

aufwärts gehen. Ihre Muskulatur scheint mit weniger Anstrengung<br />

zu arbeiten, als ob sie nichts stören würde.<br />

Wir scheinen vorauszusetzen, daß der Weg hinauf schwierig,<br />

daß er ein Kampf ist. Solange unsere <strong>Augen</strong> sehen, daß wir nach<br />

oben gehen, reagiert der Körper entsprechend. Sobald wir uns<br />

jedoch umdrehen und dabei aber weiterhin hinauf marschieren,<br />

glauben unsere <strong>Augen</strong>, <strong>die</strong> nach unten blicken, daß es abwärts<br />

geht. Wir meinen, daß es leicht ist, einen Berg hinabzugehen.<br />

Also fühlt sich <strong>die</strong>se Erfahrung vollkommen neu an. Unser Sinn<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Anstrengung des Hinaufgehens ist nicht mehr länger in<br />

Funktion. Es stimmt natürlich außerdem, daß wir, indem wir<br />

rückwärts steigen, andere Muskelgruppen beanspruchen, aber<br />

dennoch ist leicht zu erkennen, welch großer Anteil der Schwierigkeiten<br />

beim Hinaufgehen von unseren Überzeugungen<br />

geschaffen wird.<br />

Nachdem Sie rückwärts gegangen sind, drehen Sie sich zur<br />

Seite, so daß Ihr ganzer Körper nach rechts weist. Jetzt marschieren<br />

Sie wie eine Krabbe seitwärts den Hügel hinauf, dabei den<br />

Blick immer zur Seite richtend - den Berg ersteigend, indem Sie<br />

mit dem rechten Bein das linke kreuzen und das linke hinter dem<br />

rechten vorbeiführen. Sobald Sie damit gut zurechtkommen,<br />

drehen Sie sich um und blicken in <strong>die</strong> entgegengesetzte Richtung.<br />

Bleiben Sie dabei in der Seh weise Offener Fokus, und atmen Sie<br />

achtsam. Dies ist eine Übung <strong>für</strong> Körperkoordination in einem<br />

meditativen Zustand.<br />

194


Drehen<br />

Nun können Sie sich einigen paradoxen Bewegungsübungen<br />

zuwenden. Solche Visualisationen schalten den linearen Verstand<br />

aus, weil er das, was geschieht, nicht mehr verfolgen kann. Sie<br />

werden weiterhin vorwärts (oder rückwärts) gehen und sich dabei<br />

vorstellen, daß Ihr Körper sich dreht oder rotiert. Diese Übung<br />

bringt Sie wirklich zum Atmen und zum Sehen mit Offenem<br />

Fokus! Die nichtlineare Tätigkeit zieht Ihre Aufmerksamkeit ab<br />

von der chronischen Anspannung, <strong>die</strong> durch das unbedingte<br />

Sehenwollen entsteht, und vielleicht werden Sie wirklich zum<br />

ersten Mal richtig sehen. Nehmen Sie das Ganze nicht zu ernst,<br />

machen Sie es nicht zu einer Leistung - haben Sie einfach Spaß<br />

daran!<br />

Zunächst visualisieren Sie, während Sie weiterhin vorwärts<br />

oder rückwärts gehen, wie Ihr Körper sich langsam nach rechts<br />

dreht. Am besten ist es, wenn Ihre Vorstellung so stark ist, daß Sie<br />

tatsächlich zu spüren meinen, wie Ihr Körper sich dreht. «Sehen»<br />

Sie so deutlich wie möglich, wie Sie sich drehen, während Sie<br />

dabei weiter vorwärts gehen. Nachdem Sie sich eine Weile nach<br />

rechts gedreht haben, stellen Sie sich nun vor, <strong>die</strong> gleiche Bewegung<br />

nach links zu vollziehen.<br />

Nun gehen Sie weiter vorwärts und visualisieren dabei, daß Sie<br />

Rückwärtssalti schlagen - «sehen» Sie, wie Ihr Körper nach<br />

hinten überschlägt, während Sie weiter vorangehen. Diese Übung<br />

löst sehr interessante Gefühle aus. Ihr Körper-Geist-System ist<br />

anfangs vielleicht durch <strong>die</strong> Aufforderung verwirrt, sich vorwärts<br />

zu bewegen, während er sich zugleich im Geiste nach hinten<br />

überschlägt. Dann gehen Sie rückwärts und visualisieren dabei<br />

Vorwärtssalti. Achten Sie darauf, wie Ihr Körper auf Ihre Haltungsveränderungen<br />

reagiert.<br />

Während Sie nun weiter voranschreiten, stellen Sie sich vor,<br />

daß sich Ihr Kopf langsam nach rechts dreht, als würde er von<br />

Ihrem Körper abgedreht werden. Wie fühlt sich das an, vor allem<br />

im Bereich Ihres Halses? Als nächstes machen Sie <strong>die</strong> gleiche<br />

195


Übung gegen den Uhrzeigersinn: Gehen Sie vorwärts, und visualisieren<br />

Sie, wie Ihr Kopf sich langsam um 360 Grad nach links<br />

dreht.<br />

Sobald Sie das Prinzip verstanden haben, können Sie sich viele<br />

weitere paradoxe Visualisationen ausdenken. Vergessen Sie<br />

jedoch nicht, daß sie Spaß machen sollen!<br />

Die letzte Übung ist sehr wichtig: Hüpfen Sie! Während Sie<br />

hüpfen, lachen Sie so herzhaft wie sie können. Wenn Sie Ihren<br />

Spaziergang mit Freunden machen, dann können Sie sich gegenseitig<br />

an den Händen fassen, während Sie hüpfen und laut lachen.<br />

Bleiben Sie eine Weile dabei. Hüpfen Sie, und lachen Sie, und<br />

praktizieren Sie dabei das Sehen mit Offenem Fokus.<br />

Dieser Spaziergang wird Ihnen nicht zu langweilig werden!<br />

Das Spazierenführen Ihrer <strong>Augen</strong> kann Ihr Sehvermögen tatsächlich<br />

verbessern, vor allem wenn Sie es regelmäßig machen. Jeder<br />

einzelne Spaziergang kann eine meßbare Veränderung Ihrer<br />

Sehkraft herbeiführen. 1991 machte ich einen Besuch bei Dr.<br />

Wanda Tort in Puerto Rico. Wanda ist eine Optometristin, <strong>die</strong><br />

schon seit einiger Zeit versucht hatte, ihre Sehkraft zu verbessern.<br />

Ich machte ihr den Vorschlag, unsere <strong>Augen</strong> spazierenzuführen.<br />

Ihre Erinnerung an unseren Spaziergang gibt sie wie folgt wider:<br />

Während des Spaziergangs nahm ich meine Brille ab, und wir<br />

praktizierten das Sehen mit Offenem Fokus und andere merkwürdige<br />

Dinge. Wir gingen rückwärts und visualisierten dabei,<br />

daß wir uns drehten und durch unseren Hinterkopf sahen.<br />

Dann fragte mich Jacob plötzlich, ob ich <strong>die</strong> Zahlen auf einem<br />

Autokennzeichen in einiger Entfernung sehen könnte. Ich<br />

sagte: «Nein!» Ich dachte, das ist unmöglich! Ich nannte ihm<br />

trotzdem <strong>die</strong> Zahlen, <strong>die</strong> ich zu sehen meinte - das ging alles so<br />

schnell, daß ich kaum Zeit hatte, darüber nachzudenken. Dann<br />

gingen wir zu dem Auto, um <strong>die</strong> Entfernung abzumessen. Es<br />

waren ungefähr dreißig Meter, und ich hatte <strong>die</strong> richtigen<br />

Zahlen genannt. Es war unfaßbar. Ich konnte es einfach nicht<br />

glauben, daß ich sie aus <strong>die</strong>ser Entfernung richtig gelesen hatte.<br />

196


Ich glaubte, ich würde es mir nur einbilden oder hätte sie<br />

zufällig richtig erraten.<br />

Wir gingen zurück in mein Büro. Jacob untersuchte meine<br />

<strong>Augen</strong> und fand heraus, daß ich mit einem Drittel meiner<br />

normalen Brillenstärke eine Sehschärfe von hundert Prozent<br />

erreichen konnte. Es fiel mir schwer, das zu glauben, aber <strong>die</strong><br />

meiste Zeit über trage ich jetzt eine Brille, <strong>die</strong> nur halb so stark<br />

ist wie jene, an <strong>die</strong> ich eigentlich gewöhnt bin, und ich habe mit<br />

ihr jetzt eine ausgezeichnete Sehschärfe von hundert Prozent.<br />

Spaziergänge in Kombination mit <strong>Augen</strong>meditation zeigen Ihren<br />

<strong>Augen</strong>, wie sie mit weniger Anstrengung sehen können. Wie<br />

können wir lernen, fortdauernd müheloser zu sehen, zu denken<br />

und zu leben? Wie können wir lernen, unserem angeborenen<br />

Genius zu vertrauen? Ich habe festgestellt, daß eine der wichtigsten<br />

Voraussetzungen eine offene Lebensführung ist - bei allem,<br />

was wir tun, anwesend sein und im Fluß bleiben.<br />

197


11<br />

Präsent sein und im Fluß bleiben<br />

Wir sind erst dann von einem Leiden geheilt, wenn<br />

wir es zur Gänze erfahren haben.<br />

Marcel Proust<br />

Der Verzicht auf <strong>die</strong> Brille enthüllt <strong>die</strong> schwierigen Gefühle,<br />

denen wir mit unserem ersten Brillenrezept aus dem Weg gehen<br />

wollten. Meistens handelt es sich dabei um Gefühle aus der<br />

Kindheit, <strong>die</strong> wir mehr oder weniger unser ganzes Erwachsenenleben<br />

hindurch vermieden haben, selbst nach Jahren der Therapie.<br />

So lange wir eine Brille tragen, schleppen wir eine unsichtbare<br />

Barriere mit uns herum, <strong>die</strong> uns daran hindert, einige unserer<br />

tiefsten Themen zu erkennen und aufzulösen. Diese Brillengläser<br />

haben <strong>die</strong> Eigenschaft, unser Bewußtsein in der Form unserer<br />

unaufgelösten Ängste zu konservieren. Eine meiner Patientinnen,<br />

<strong>die</strong> an ihrer natürlichen Sehverbesserung arbeitete, stellte<br />

fest:<br />

Meine Brille war zu jedem beliebigen Zeitpunkt wie ein<br />

Schnappschuß der Person, <strong>die</strong> ich zu sein glaubte, und dessen,<br />

wie ich mir <strong>die</strong> Welt vorstellte - meine Beziehung zu anderen<br />

Menschen. Die zunehmende Stärke meiner Brille schien ein<br />

Maßstab zu sein <strong>für</strong> eine Verengung oder eine Abgrenzung<br />

dessen, was ich zu sein meinte. Als ich anfing, schwächere<br />

Brillen zu tragen, fiel ich immer dann, wenn ich meine alte,<br />

starke Brille aufsetzte, wieder in <strong>die</strong>ses alte eingezwängte,<br />

engstirnige Muster zurück, in das sie mich einsperrte.<br />

198


Es ist tatsächlich sehr schwer, das eigene Sehvermögen zu vergrößern,<br />

wenn man <strong>die</strong> Welt noch behindert durch ein Paar Scheuklappen<br />

wahrnimmt. Um uns entwickeln und heilen zu können,<br />

müssen wir so frei und unschuldig sehen wie als Kind. Ein<br />

Teilnehmer einer meiner Workshops bemerkte hierzu:<br />

Ungefähr achtzig Prozent der Gruppenteilnehmer haben eine<br />

Sehverbesserung erfahren - und zwar <strong>die</strong> meisten von ihnen<br />

eine recht erhebliche. Offenbar bewirkte emotionale Bewußtheit<br />

<strong>die</strong>se Veränderungen. Das veranlaßte mich dazu, den<br />

emotionalen Aspekt meines eigenen Sehens näher zu untersuchen.<br />

Ich glaube, daß bei mir <strong>die</strong> Freisetzung von Gefühlen <strong>die</strong><br />

Veränderung zu hundert Prozent ausmacht. Ich nehme an, ich<br />

werde mir einfach meiner Gefühle bewußter - was ich fühle und<br />

warum ich das Leben nicht wirklich lebe.<br />

Dieses Zitat (aus dem Talmud) ist mir so richtig im Gedächtnis<br />

haften geblieben. «Wir sehen <strong>die</strong> Dinge nicht, wie sie sind. Wir<br />

sehen sie, wie wir sind.» Wenn wir nicht klar sehen, dann liegt<br />

es daran, daß wir nicht klar sind.<br />

Sobald wir auf unsere Brille verzichten, tauchen unsere verborgenen<br />

Gefühle wieder auf, und wir müssen uns einen neuen Weg<br />

einfallen lassen, wie wir mit ihnen umgehen können, ohne sie so<br />

lange unscharf zu stellen, bis wir sie nicht mehr sehen. Es kann<br />

faszinierend und stärkend sein, jene Aspekte des eigenen Selbst<br />

kennenzulernen, <strong>die</strong> man jahrelang hinter einer Brille versteckt<br />

hat. Es kann jedoch auch sein, daß <strong>die</strong>ser Teil von Ihnen schwer zu<br />

erkennen ist, da er doch so lange unsichtbar war.<br />

199


Schreiben Sie Ihre persönliche Geschichte<br />

des Sehens auf<br />

Vielleicht möchten Sie damit beginnen, ein «Tagebuch des<br />

Sehens» zu schreiben und darin <strong>die</strong> Eindrücke, Erinnerungen,<br />

Gefühle und Träume festhalten, <strong>die</strong> durch Ihren Verzicht auf <strong>die</strong><br />

Brille ausgelöst werden. Dieses Tagebuch könnten Sie mit Ihrer<br />

persönlichen «Geschichte des Sehens» beginnen.<br />

Ihre persönliche Geschichte des Sehens ist eine Darstellung all<br />

dessen, was Sie bezüglich Ihrer Beziehung zu Ihrem Sehen bis<br />

zum heutigen Tage fühlen, erinnern oder wissen. Sie könnte mit<br />

Ihren frühesten visuellen Erinnerungen beginnen und dann <strong>die</strong><br />

Ereignisse beschreiben, <strong>die</strong> zu der Zeit stattfanden, als Sie Ihre<br />

erste Brille erhielten. Welche Gefühle hatten Sie bei <strong>die</strong>sen<br />

Begebenheiten? Wie haben Sie auf <strong>die</strong>se Gefühle reagiert?<br />

(Wenn Sie sich nur an weniges erinnern können, dann wird Ihnen<br />

<strong>die</strong> nächste Visualisation «Das verborgene Ich sehen» helfen, den<br />

Fluß der Erinnerungen in Gang zu setzen.)<br />

Erinnern Sie sich an jedes Mal, als Sie Ihre alte gegen eine<br />

stärkere Brille eintauschen mußten? Was ereignete sich jedesmal<br />

dann in Ihrem Leben, wenn Ihr Sehvermögen weiter abnahm?<br />

Wenn Sie ein Erwachsener sind, haben Sie wahrscheinlich schon<br />

mehr <strong>Augen</strong>untersuchungen über sich ergehen lassen, als Sie<br />

zählen können. Welche Erfahrungen haben Sie mit <strong>Augen</strong>ärzten<br />

und ihren Untersuchungen gemacht, und welche Gefühle hatten<br />

Sie dazu? Welche Einstellung haben Sie allgemein zum Tragen<br />

einer Brille? Hat sie sich mit den Jahren verändert? Wie lange<br />

tragen Sie Ihre Brille jeden Tag? Tragen Sie sie bei allen Tätigkeiten<br />

oder benutzen Sie sie selektiv? Welche Gefühle haben Sie<br />

allgemein zu Ihrer Sehkraft? Ist sie eine Quelle des Stolzes, der<br />

Scham oder irgendwelcher anderer starker Gefühle?<br />

200


Das verborgene Ich sehen<br />

Ihr Sehvermögen befindet sich beständig im Fluß, entwickelt sich<br />

unaufhörlich, aber Ihre Korrekturgläser sind fix. Sie geben Ihrer<br />

Sicht der Realität noch immer <strong>die</strong> Form der Ereignisse, deren<br />

«Anblick» Sie, als Sie Ihre erste Brille erhielten, nicht ertragen<br />

konnten. Hier folgt nun eine Visualisation, <strong>die</strong> Ihnen helfen soll,<br />

mit Ihrem «verborgenen Ich» Kontakt aufzunehmen.<br />

Nehmen Sie Ihre Brille ab oder Ihre Kontaktlinsen heraus, und<br />

schließen Sie <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf<br />

Ihren Atem. Atmen Sie so lange fließend, und machen Sie sich<br />

dabei jede mögliche Anspannung bewußt, bis Sie sich auf den<br />

nächsten Schritt vorbereitet fühlen.<br />

Jetzt rufen Sie sich eine Zeit in Ihrer Kindheit in Erinnerung, in<br />

der Sie wirklich glücklich waren. Wann war das? Wie alt waren<br />

Sie? Wenn Sie sie gefunden haben, dann fühlen Sie <strong>die</strong>ses Glück,<br />

und wiederholen Sie <strong>die</strong> Erfahrung.<br />

Was geschah damals in Ihrem Leben? Was haben Sie zu jenem<br />

Zeitpunkt empfunden? Worüber waren Sie glücklich? Versuchen<br />

Sie sich an so viele Details wie möglich aus <strong>die</strong>ser Zeit zu erinnern.<br />

Stellen Sie sich vor, wie Ihr Gesicht als glückliches Kind aussah.<br />

Lächeln Sie? Blicken Sie sich in <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>. Sehen sie glücklich<br />

aus? Ist in ihnen ein Glänzen, ein Strahlen des Glücks wahrnehmbar?<br />

Nehmen Sie sich einen Moment Zeit, um sich an <strong>die</strong>ser<br />

Erinnerung zu erfreuen.<br />

Nun richten Sie Ihre Aufmerksamkeit wieder eine Weile auf<br />

Ihren Atem. Wenn Sie sich zentriert fühlen, denken Sie darüber<br />

nach, wann Sie zum ersten Mal eine Veränderung in Ihrem Sehen<br />

festgestellt haben oder wann Sie Ihre erste Brille erhielten. Wann<br />

war das? Wie alt waren Sie? Wenn Sie <strong>die</strong> Erinnerung gefunden<br />

haben, fühlen Sie und wiederholen Sie <strong>die</strong> Erfahrung.<br />

Was geschah damals in Ihrem Leben? Welche Gefühle hatten<br />

Sie? Worüber waren Sie wütend, traurig oder unglücklich? Versuchen<br />

Sie sich an so viele Details wie möglich aus <strong>die</strong>ser Zeit zu<br />

erinnern. Wenn es Ihnen schwerfällt, sich zu erinnern, gestatten<br />

201


Sie einfach Ihrem Bewußtsein, in <strong>die</strong>ser mangelnden Erinnerung<br />

anwesend zu sein. Eine Erinnerung kommt vielleicht hoch, wenn<br />

Sie ihr eine Chance geben.<br />

Visualisieren Sie Ihr Gesicht zum damaligen Zeitpunkt. Lächeln<br />

Sie? Sehen Sie sich in <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>. Ist dort noch immer ein<br />

Glänzen, ein Strahlen des Glücks zu sehen? Sehen sie glücklich<br />

aus? Welchen Unterschied erkennen Sie in den beiden Szenen<br />

zwischen Ihren <strong>Augen</strong> und Ihrem Leben?<br />

Können Sie sich an Ihre damaligen Gefühle erinnern? Wenn ja,<br />

haben Sie den Eindruck, daß Sie sie auflösen konnten? Oder<br />

meinen Sie, daß sie noch immer Ihr Leben beeinflussen?<br />

Jeder Mensch, mit dem ich bisher zusammengearbeitet habe, war<br />

dazu in der Lage, in der ein- bis zweijährigen Phase vor der<br />

tatsächlichen Verschlechterung der <strong>Augen</strong> irgendeine bedeutende<br />

emotionale Streßsituation zu entdecken. Die Visualisation<br />

kann Ihnen einen Eindruck <strong>für</strong> den Streß vermitteln, der zu<br />

bedeutend war, als daß Sie sich ihm als Kind hätten stellen<br />

können, und den Ihre Brille zu unterdrücken half. Wenn Sie auf<br />

Ihre Brille verzichten, werden <strong>die</strong>se Gefühle von damals wieder<br />

zum Vorschein kommen, entweder von innen oder (scheinbar)<br />

durch äußere Ereignisse ausgelöst. Wenn <strong>die</strong>s geschieht, wird<br />

Ihre erste Reaktion wahrscheinlich der Griff nach der Brille sein<br />

(oder nach einer stärkeren Brillenverschreibung) - aber damit<br />

würden Sie nur Ihre alte Bewältigungsstrategie wieder in Kraft<br />

setzen.<br />

Als Sie <strong>die</strong> Visualisation machten, haben Sie da festgestellt, daß<br />

Ihre Erinnerungen an <strong>die</strong>se Zeit verschwommen oder unscharf<br />

waren? Oder waren Sie so schmerzhaft, daß Sie sich nicht an sie<br />

erinnern wollten (oder konnten)? Haben Sie im wahrsten Sinne<br />

des Wortes Ihren Blick auf <strong>die</strong>sen Lebensabschnitt so unscharf<br />

gestellt, bis Sie ihn nicht mehr sehen konnten? Wenn Ihre<br />

Antwort auf irgendeine <strong>die</strong>ser Fragen ja lautet, dann zeigt <strong>die</strong>s,<br />

daß <strong>die</strong> emotionalen Angelegenheiten aus <strong>die</strong>ser Zeit noch nicht<br />

aufgelöst sind. Wenn Sie bereit sind, sich <strong>die</strong> Zeit zu nehmen, um<br />

Ihren Zugang zu <strong>die</strong>sen Erinnerungen und Assoziationen neu zu<br />

202


eröffnen, dann werden Sie anfangen zu sehen und den Teil Ihrer<br />

Lebenserfahrung heilen, den Sie so lange verborgen gehalten<br />

haben.<br />

Sie könnten <strong>die</strong> Visualisation als Ausgangspunkt benutzen, um<br />

weiter darüber nachzudenken, was damals geschah. Waren Sie zu<br />

Hause glücklich? Fühlten Sie sich geliebt? Sicher? Wer war Ihr<br />

größter Feind? Hatten Sie erst vor kurzem <strong>die</strong> Erfahrung gemacht<br />

mit<br />

- dem Tod eines Freundes oder Familienmitglieds?<br />

- einem Umzug oder einem Schulwechsel oder mit neuen<br />

Freunden?<br />

- der Scheidung Ihrer Eltern?<br />

- einem neuen Geschwisterchen oder einer Veränderung in<br />

der Zahl der Familienmitglieder?<br />

- Scham oder Verlegenheit?<br />

- emotionalem oder körperlichem Mißbrauch?<br />

Vielleicht wissen Sie, daß sich damals eines oder mehrere <strong>die</strong>ser<br />

Dinge ereigneten und erinnern sich möglicherweise dennoch<br />

nicht, auf welche Weise sie auf Sie Einfluß genommen haben.<br />

Jedes der aufgezählten Ereignisse wäre jedoch ein bedeutender<br />

Streßfaktor <strong>für</strong> ein Kind. Die Unfähigkeit, sich an Streßsituationen<br />

aus der Kindheit zu erinnern, kann ein Bewältigungsmechanismus<br />

sein, mit dem Sie sich vor den Ängsten und Gefühlen, <strong>die</strong><br />

mit der Situation in Zusammenhang stehen, schützen. Gelingt es<br />

Ihnen nicht, sich an einzelne Umstände zu erinnern, wenden Sie<br />

sich den Gefühlen zu, <strong>die</strong> Sie in Verbindung mit <strong>die</strong>ser Zeit<br />

haben, und vertrauen Sie darauf, daß sie auch mit Ihrem Sehvermögen<br />

in Zusammenhang stehen. Es ist nicht wirklich wichtig,<br />

genau zu wissen oder zu verstehen, was damals geschah, solange<br />

Sie sich auf <strong>die</strong> Gefühle, <strong>die</strong> zu den Ereignissen gehören, wirklich<br />

einlassen.<br />

203


Gefühle zum Ausdruck bringen<br />

Ob Sie sich nun an <strong>die</strong> speziellen Ereignisse erinnern oder nicht -<br />

Ihre Sehkraft und Ihre Brille sind dennoch <strong>die</strong> perfekte Ausformung<br />

einer zum damaligen Zeitpunkt defensiven Haltung, selbst<br />

wenn sich <strong>die</strong> Stärke Ihrer Brillenverschreibung in den dazwischenliegenden<br />

Jahren erheblich verändert hat. Sobald Sie eine<br />

Vorstellung davon haben, welcher Art <strong>die</strong>se Gefühle waren,<br />

denken Sie darüber nach, aufweiche Weise sie heute Einfluß auf<br />

Ihr Leben nehmen. Fühlen Sie sich noch immer ungeliebt, unbeschützt,<br />

verlassen, mißbraucht, beschämt? Wie gehen Sie heute<br />

mit <strong>die</strong>sen Gefühlen um? Blockieren Sie sie, oder projizieren Sie<br />

sie auf andere Menschen? Ignorieren Sie sie einfach und hoffen,<br />

daß sie schon verschwinden werden?<br />

Um eine bedeutsame Sehverbesserung zu erreichen und zu<br />

erhalten, müssen Sie eine neue Art finden, mit <strong>die</strong>sen Gefühlen<br />

umzugehen. Der wirkungsvollste Schritt ist zugleich auch der<br />

einfachste: Kommunikation. Kommunikation heißt nicht nur,<br />

einmal <strong>die</strong> Woche den Therapeuten aufzusuchen (obwohl <strong>die</strong>s<br />

sehr hilfreich sein kann). Ziel ist es, Sie so zu trainieren, daß Sie<br />

<strong>die</strong> Gewohnheit aufgeben, <strong>die</strong>se Gefühle zu verdrängen oder auf<br />

Ihre Mitmenschen zu projizieren. Kommunikation steht in Wahrheit<br />

<strong>für</strong> eine neue Art, sich zum Leben in Beziehung zu setzen.<br />

Sich daran zu gewöhnen, Ihre Gefühle dann mitzuteilen, wenn<br />

sie noch frisch sind, ganz gleich, wie ärgerlich, beschämend oder<br />

schmerzhaft sie auch sind, ist wahrscheinlich <strong>die</strong> wichtigste Voraussetzung,<br />

um Ihre innere und äußere Klarheit wiederherzustellen.<br />

Wenn Sie sich mit einer Erfahrung nicht wohlfühlen, dann<br />

drücken Sie es aus! Teilen Sie Ihre Gefühle mit den Menschen, <strong>die</strong><br />

in der unangenehmen Situation mit Ihnen verbunden sind, nicht<br />

nur mit Ihrem besten Freund, Ihrer besten Freundin oder dem<br />

Therapeuten. Es bringt Sie nicht weiter, einen anderen zu<br />

beschuldigen oder ihm Vorwürfe zu machen, weil Sie sich aufregen.<br />

Teilen Sie Ihre Erfahrung mit, und dann hören Sie sich, ohne<br />

ein Urteil zu bilden, an, was <strong>die</strong> andere Person darauf zu entgeg-<br />

204


nen hat. Kommunikation hat nichts damit zu tun, daß man<br />

herausfindet, wer Recht und wer Unrecht hat, wer schuldig oder<br />

unschuldig ist - jeder sieht <strong>die</strong> Welt anders, und Sie beide haben<br />

das Recht, das zu fühlen, was Sie fühlen.<br />

Es scheint so, als ob der natürliche Impuls aller Gefühle einfach<br />

nur darin besteht, durch uns hindurchzugleiten. Erst wenn wir sie<br />

in uns festhalten, bleiben sie in uns stecken. Ein starkes Gefühl<br />

kann nur dann unausgedrückt bleiben, wenn Anstrengung aufgebracht<br />

wird, seine spontane Manifestation zu unterdrücken.<br />

Diese Anstrengung verengt unser Energiefeld und vermindert<br />

unsere Sehkraft. Um <strong>die</strong>se unterdrückten Gefühle loszulassen,<br />

müssen wir lernen, Schmerz, Wut und Angst auszudrücken.<br />

Jedesmal, wenn wir unsere Gefühle in Worte fassen, bauen wir<br />

wieder ein wenig mehr von dem emotionalen Durcheinander in<br />

uns ab. Es ist, als ob wir <strong>die</strong> Abfälle fortbringen würden. Wenn Ihr<br />

Hinterhof voller Müll ist, wird es eine Weile dauern, bis Sie ihn<br />

aufgeräumt haben. Sobald <strong>die</strong>s jedoch erledigt ist, müssen Sie sich<br />

nur noch um <strong>die</strong> täglich anfallende Müllmenge kümmern. Sie<br />

müssen nie wieder den ganzen Hinterhof aufräumen, weil wir eine<br />

solche Ansammlung von emotionalem Abfall nicht mehr zulassen.<br />

Das Finanzamt verlangt von uns, daß wir unsere Steuerunterlagen<br />

fünf Jahre lang aufbewahren. Warum bestehen wir darauf,<br />

unsere emotionale Ablage unser Leben lang mit uns herumzuschleppen?<br />

Die Heilung der Beziehungen<br />

Genauso wie ein Angestellter nicht effektiv arbeitet, wenn er den<br />

ganzen Tag an seinem Schreibtisch sitzt und über seine Schulden<br />

nachdenkt, so können auch wir unser Potential nicht ausleben,<br />

wenn wir emotional nicht im Fluß sind. In bezug auf unsere<br />

emotionalen Beziehungen auf dem Laufenden zu sein ist jedoch<br />

noch wichtiger als in bezug auf unsere Rechnungen. Tatsächlich<br />

205


fällt es den meisten Menschen leichter, Ihre Rechnungen zu<br />

bezahlen als Ihre Gefühle auszudrücken. Wir haben jedoch bereits<br />

festgestellt, wie wichtig der Ausdruck des Selbst ist, wenn wir<br />

unser energetisches und visuelles Feld offen halten wollen. Es fällt<br />

viel schwerer, klar zu sehen, wenn wir unsere Emotionen nicht<br />

klar ausdrücken. Manche Menschen verlassen sich sogar auf<br />

verminderte Sehkraft, um nicht sagen zu müssen, was sie fühlen -<br />

«Aus den <strong>Augen</strong>, aus dem Sinn».<br />

Wenn wir emotional klar sind, tut das all unseren Sinnen gut.<br />

Wir sehen ungehindert und können mitteilen, was wir sehen und<br />

fühlen. Da ist nichts, was unsere <strong>Augen</strong> oder unsere Stimme in<br />

Schranken halten könnte. Wie gelingt es uns, den emotionalen<br />

Ausdruck unseres Selbst zu fördern und <strong>die</strong> unterdrückten<br />

Gefühle fortzuschaffen, welche <strong>die</strong> Wurzel unseres Unwillens<br />

sind, uns auszudrücken?<br />

Es mag so scheinen, als ob <strong>die</strong> anderen Menschen in unserem<br />

Leben <strong>die</strong> Quelle unserer unaufgelösten emotionalen Angelegenheiten<br />

sind, aber was wir <strong>für</strong> ein Problem der anderen halten, hat<br />

in Wahrheit nur sehr wenig mit ihnen zu tun. Sie sind einfach nur<br />

der Spiegel unserer inneren Erfahrungen. Jeder, dem wir im<br />

Leben begegnen, verschafft uns <strong>die</strong> Gelegenheit, uns selbst klarer<br />

zu sehen - nicht nur unser Lebensgefährte, Freunde und Familie,<br />

sondern auch unsere Vorgesetzten, Mitarbeiter, unsere Feinde,<br />

Nachbarn und unsere Alltagsbegegnungen. Wir projizieren <strong>die</strong><br />

Beziehung, <strong>die</strong> wir mit uns selbst pflegen, auf andere Menschen,<br />

genauso wie wir unsere Ängste und unseren Zorn auf <strong>die</strong> Welt als<br />

visuelle Unscharfe projizieren.<br />

Ich glaube, daß wir von Geburt an soziale Wesen sind und<br />

unsere Beziehungen <strong>die</strong> Essenz unseres Lebens darstellen. Indem<br />

wir jedoch unser Sehvermögen reduzieren, vermindern wir auch<br />

unsere Fähigkeit, mit anderen in Kontakt zu treten. Selbst nachdem<br />

der Heilungsprozeß bereits begonnen hat, müssen wir noch<br />

immer auf nach innen gerichtete Praktiken wie Meditation und<br />

Visualisation vertrauen, um unser Selbst-Bewußtsein zu fördern.<br />

Natürlich sind <strong>die</strong>se inneren Praktiken ein wertvolles Werkzeug,<br />

um das Bewußtsein zu weiten. Aber ein wachsendes Selbst-<br />

206


Bewußtsein muß schließlich auch einen äußeren Ausdruck in<br />

gesunden Beziehungen finden.<br />

Ich bin davon überzeugt, daß sich unsere Heilung nicht in der<br />

Isolation vollziehen kann und daß <strong>die</strong> Integration unserer ganzen<br />

Beziehungskapazität - <strong>die</strong> Heilung der Beziehungen also - der<br />

wichtigste Aspekt jeden Heilungsprozesses ist. Auf andere Menschen<br />

zuzugehen, mag einem leicht erscheinen, aber tatsächlich<br />

kann <strong>die</strong>s eine der größten Herausforderungen im Leben darstellen.<br />

Doch werden Sie feststellen^wenn Sie erst einmal den klaren<br />

Vorsatz gefaßt haben, <strong>die</strong> unklaren Bereiche Ihrer Beziehungen<br />

zu klären, dann sind auch Führung und Unterstützung zur Stelle.<br />

Unaufgelöste Gefühle sind im allgemeinen <strong>die</strong> Hauptursache<br />

da<strong>für</strong>, daß wir in unseren Beziehungen nicht voll und ganz<br />

anwesend sind. Sobald Sie auf Ihre Brille verzichten, werden Sie<br />

feststellen, daß <strong>die</strong>se vormals niedergehaltenen Gefühle spontan<br />

in Bewegung geraten. Eine meiner Kolleginnen beschreibt, wie<br />

sie mit den Gefühlen umging, <strong>die</strong> hochkamen, nachdem sie zu<br />

einer schwächeren Brille gewechselt hatte, <strong>die</strong> sie nur noch dann<br />

trug, wenn es wirklich notwendig war:<br />

Ich schuf mir mehr Raum in meinem Leben - mehr Zeit, mehr<br />

Flexibilität in meiner Arbeit und in meinen Beziehungen. Denn<br />

wenn <strong>die</strong>se unangenehmen Gefühle hochkamen, dann mußte<br />

ich <strong>die</strong> Gelegenheit haben, sie durch mich hindurchfließen zu<br />

lassen; ich habe festgestellt, daß <strong>die</strong> Gelegenheit zur Heilung im<br />

<strong>Augen</strong>blick liegt. Und <strong>die</strong> Gefühle treten nicht nur dann in<br />

Erscheinung, wenn man gerade meditiert, sie können während<br />

des ganzen Tages hochkommen, bei der Arbeit, beim Einkaufen,<br />

jederzeit. Um <strong>die</strong>se Gefühle zu durchleben, benutzte<br />

ich Atmung und <strong>die</strong> Bereitschaft, mich auf sie einzulassen.<br />

Jedesmal, wenn mich ein großer Klumpen Gefühle verließ,<br />

konnte ich wieder ein bißchen klarer sehen.<br />

Sie gibt einen wichtigen Hinweis - es ist viel schwerer, Gefühle<br />

durchzuarbeiten, wenn man keine Zeit hat, sie wirklich anzuhören!<br />

Stellen Sie sich jetzt jedoch nicht vor, daß Sie Ihren Beruf und<br />

207


<strong>die</strong> Versorgung Ihrer Familie aufgeben müssen, um Kontakt zu<br />

Ihren Gefühlen aufzunehmen. Planen Sie einfach ein wenig mehr<br />

Zeit <strong>für</strong> sich ein als sonst, und seien Sie bereit, alle Gefühle, <strong>die</strong><br />

hochkommen, wahrzunehmen, selbst dann, wenn sie beschäftigt<br />

oder abgelenkt sind.<br />

Ein Tagebuch führen<br />

Um Ihre Fähigkeit zu entwickeln, Ihre Gefühle mitzuteilen,<br />

möchten Sie vielleicht ein persönliches Tagebuch führen. Die<br />

Wissenschaft hat nun dokumentiert, was viele Therapeuten schon<br />

seit Jahren vermuten: Das spontane Aufschreiben unserer tiefsten<br />

Gefühle kann ein sehr effektiver Weg sein, um unsere<br />

emotionale und körperliche <strong>Gesundheit</strong> zu erhalten. Forscher<br />

haben festgestellt, daß Personen, <strong>die</strong> aufgefordert wurden, an<br />

drei bis fünf Tagen fünfzehn bis zwanzig Minuten lang fortlaufend<br />

ohne Rücksicht auf Rechtschreibung, Grammatik, Satzstellung<br />

etc. über tiefe persönliche Themen zu schreiben, einen besseren<br />

allgemeinen <strong>Gesundheit</strong>szustand aufwiesen (darunter auch<br />

gesteigerte Immunabwehr), bessere Noten erzielten, weniger<br />

Krankheitstage und sogar mehr Erfolg bei der Arbeitsplatzsuche<br />

hatten.<br />

Die Personen, <strong>die</strong> konsequent Ängste, Trauer und andere<br />

Begriffe, <strong>die</strong> mit negativen Gefühlen assoziiert werden, zum<br />

Ausdruck brachten, waren <strong>die</strong>jenigen, <strong>die</strong> ihre körperliche<br />

<strong>Gesundheit</strong> am meisten verbessern konnten. Außerdem fiel <strong>die</strong><br />

häufige Verwendung bestimmter Wörter - wie «verstehen»,<br />

«erkennen», «weil», «Ursache» - unter jenen Personen auf, <strong>die</strong><br />

den größten Nutzen <strong>für</strong> ihre <strong>Gesundheit</strong> aus der Situation ziehen<br />

konnten. Die Forscher stellten fest, daß «der Körper sich zugleich<br />

sprachlich und biologisch ausdrückt», und sie schlössen daraus,<br />

daß «Schreiben... eine wirkungsvolle, therapeutische Technik<br />

ist. Ohne detaillierte Anweisungen oder Kontrollen [entwickelten]<br />

<strong>die</strong> Testpersonen auf natürliche Weise einen gemeinsamen<br />

208


Schreibstil, der <strong>die</strong> physische und psychische <strong>Gesundheit</strong> fördert.»<br />

1<br />

Man hatte <strong>die</strong> Testteilnehmer aufgefordert, <strong>die</strong> gleichen Techniken<br />

anzuwenden, zu denen auch Therapeuten raten: Das Führen<br />

eines Tagebuchs. Dabei kann es sich um eine erstaunlich<br />

angenehme Art handeln, das Verständnis <strong>für</strong> das eigene Selbst zu<br />

erhöhen und Gefühle zum Ausdruck zu bringen, insbesondere<br />

wenn man sich von ihnen überwältigt fühlt. (Wenn Sie bereits ein<br />

Tagebuch führen, könnten Sie es entweder um den Aspekt des<br />

Sehens erweitern oder hier<strong>für</strong> ein neues beginnen.)<br />

Und so funktioniert es: Öffnen Sie Ihr Tagebuch, schreiben Sie<br />

Datum und Uhrzeit auf <strong>die</strong> erste Zeile und beginnen Sie, das<br />

aufzuschreiben, was Sie fühlen. Manche Menschen machen ihre<br />

Tagebucheintragungen immer zur gleichen Tageszeit, aber ich<br />

schlage vor, daß Sie immer dann zum Stift greifen, wenn Sie einen<br />

entsprechenden Impuls verspüren. Lassen Sie Ihren Gefühlen<br />

ganz und gar freien Lauf, während Sie sie aufschreiben. Achten<br />

Sie darauf, wie sie sich durch ihr Aufschreiben verändern. Aber<br />

lassen Sie davon ab, irgend etwas zu analysieren oder zu rechtfertigen.<br />

Schreiben Sie einfach nur auf, was Sie fühlen: «Ich habe<br />

Angst. Mein Herz klopft rasend. Meine Hände sind schweißnaß.<br />

Ich bekomme keine Luft.» Schreiben Sie spontan - machen Sie<br />

sich keine Sorgen wegen der Grammatik oder der Rechtschreibung!<br />

Wenn Sie fertig sind, legen Sie das Buch fort und kümmern<br />

sich nicht mehr um das, was Sie aufgeschrieben haben. Lesen Sie<br />

es nicht am nächsten Morgen nach.<br />

Ein Tagebuch zu führen ist mehr als nur eine Möglichkeit, Ihre<br />

Gefühle auszudrücken und sich neu zu zentrieren, wenn Sie sich<br />

fühlen, als stürzten Sie von einer Klippe. Jedesmal, wenn Sie ein<br />

Gefühl festhalten, wird ein anderes an <strong>die</strong> Oberfläche kommen<br />

und dann wieder eins. Fortschreitend leeren Sie den mit Angst<br />

gefüllten Eimer in Ihrem Inneren.<br />

Brüten Sie nicht über dem, was Sie aufgeschrieben haben, und<br />

lesen Sie es nicht jeden Tag nach. Sie schreiben es auf, um es<br />

loszuwerden. Wenn Sie eines Tages den wirklich starken Drang<br />

spüren, das durchzugehen, was Sie aufgeschrieben haben, dann<br />

209


können Sie all Ihre Tagebücher herausnehmen und in ihnen<br />

blättern. Sich mit Ihnen zu beschäftigen ist, als führten Sie ein<br />

Gespräch mit sich selbst. Wählen Sie einen Abschnitt aus, der<br />

Ihnen besonders weit entfernt von Ihren augenblicklichen Belangen<br />

zu sein scheint. Machen Sie sich, während Sie lesen, klar, wie<br />

Sie immer und immer wieder <strong>die</strong> gleichen Gefühle erfahren<br />

haben. Sich <strong>die</strong>se wiederkehrenden Gefühle bewußt zu machen,<br />

kann wie eine Offenbarung sein. Ich habe gesehen, wie starke<br />

Gefühle - Angst, Verletztsein, Wut - zum Zusammenbruch des<br />

Seh- und Energiefelds führen. Und wenn <strong>die</strong>s geschieht, dann<br />

verlieren wir unsere Beziehung zu Vergangenheit und Zukunft.<br />

Wir können uns nicht einmal mehr daran erinnern, was sich heute<br />

morgen ereignet hat, geschweige denn letzte Woche.<br />

Indem Sie Ihre Tagebücher auf <strong>die</strong>se Weise durchsehen, machen<br />

Sie sich selbst ein Geschenk, denn sie spiegeln Ihr wahres<br />

Selbst <strong>für</strong> Sie wider. Da Sie sich selbst klarer sehen, entwickeln Sie<br />

<strong>für</strong> sich auch ein stärkeres Mitgefühl und mehr Verständnis. Sie<br />

entwickeln eine Bindung an sich selbst, schenken sich selbst <strong>die</strong><br />

Liebe und Zuneigung, <strong>die</strong> wir alle beständig bei anderen suchen.<br />

Es wird Ihnen klar, wie weit Sie es schon geschafft haben, und Sie<br />

können nicht anders, als sich selbst auf <strong>die</strong> Schulter zu klopfen:<br />

«Das hast du wirklich großartig gemacht. Gratuliere!»<br />

«Liebesbriefe»<br />

Ich habe festgestellt, daß ein sehr wirkungsvolles Mittel zur<br />

Klärung aufgestauter Gefühle, <strong>die</strong> einen Menschen davon abhalten,<br />

voll und ganz im Hier und Jetzt zu sein, das Schreiben einer<br />

Serie von «Liebesbriefen» ist. Sie können auch verwendet werden,<br />

um Kommunikation herbeizuführen oder um Konflikte<br />

aufzulösen, aber tatsächlich handeln sie davon, das eigene Spiegelbild<br />

zu sehen und zu verarbeiten. Erstmals begegnete mir das<br />

Konzept der Liebesbriefe vor mehreren Jahren in dem Werk von<br />

John Gray, dem Autor von Männer sind anders. Frauen auch.<br />

210


Wie man einen Liebesbrief schreibt<br />

Erster Schritt: Wut und Tadel ausdrücken<br />

Ich hasse es, wenn ...<br />

Ich mag es nicht, wenn ...<br />

Ich habe genug davon, daß ...<br />

Zweiter Schritt: Schmerz und Trauer ausdrücken<br />

Es macht mich traurig, daß ...<br />

Ich fühle mich verletzt, weil...<br />

Ich fühle mich entsetzlich, weil...<br />

Ich bin enttäuscht, weil...<br />

Dritter Schritt: Angst und Unsicherheit ausdrücken<br />

Ich habe Angst, daß ...<br />

Ich <strong>für</strong>chte mich, weil...<br />

Vierter Schritt: Schuld und Verantwortung ausdrücken<br />

Es tut mir leid, daß ...<br />

Ich bedaure, daß ...<br />

Bitte verzeih mir, daß ich ...<br />

Ich habe nicht beabsichtigt, ...<br />

Fünfter Schritt: Liebe, Vergebung, Verständnis und<br />

Hoffnung ausdrücken<br />

Ich liebe dich, weil...<br />

Ich liebe dich, wenn du ...<br />

Ich danke dir <strong>für</strong> ...<br />

Ich vergebe dir, daß du ...<br />

Ich verstehe, daß du ...<br />

Ich möchte ...<br />

Ich hoffe ...<br />

In Liebe, Dein(e)<br />

211


Sie brauchen eine Menge Papier oder eine Kladde. Auf der<br />

ersten Seite machen Sie eine Aufstellung aller Personen, mit<br />

denen Sie noch etwas zum Abschluß bringen müssen. Dabei kann<br />

es sich entweder um «gute» oder um «schlechte» Angelegenheiten<br />

handeln. In <strong>die</strong>se Liste gehört jeder, der in Ihnen starke Gefühle<br />

auslöst, jede Beziehung, <strong>die</strong> Ihnen nicht «aus dem Kopf geht»,<br />

jedes Zusammentreffen, das Sie mit verletzten oder ärgerlichen<br />

Gefühlen zurückgelassen hat. Ziehen Sie all Ihre Beziehungen in<br />

Erwägung: zu Eltern, Kindern, Freunden, Geschwistern, zum<br />

Ehepartner, früheren Ehepartnern, anderen Beziehungspartnern,<br />

Bettbeziehungen, zu Ihrem Chef oder früheren Chefs, zu<br />

Mitarbeitern, Lehrern, Therapeuten... einfach alle. Vergessen<br />

Sie nicht, auch sich selbst aufzuführen.<br />

Sehen Sie sich den Überblick auf Seite 211 an, der Ihnen zeigt,<br />

«Wie man einen Liebesbrief schreibt». Diese Liste von Einleitungen<br />

führt Sie durch eine Reihe von Gefühlen, angefangen bei<br />

wütenden Vorwürfen bis hin zu Liebe. Auf das obere Ende eines<br />

leeren Blattes schreiben Sie den Namen der Person, <strong>die</strong> auf Ihrer<br />

Liste an erster Stelle steht - zum Beispiel: «Liebe Mama.»<br />

Beginnen Sie mit der ersten Einleitung: «Ich hasse es, wenn...»,<br />

und dann halten Sie alles fest, was <strong>die</strong>se Worte in Ihnen auslösen,<br />

alles, was Sie an <strong>die</strong>ser Person hassen. «Ich hasse es, wenn du<br />

sagst...», «Ich hasse es, wenn du so tust als ob...», «Ich hasse es,<br />

wenn du handelst wie...». Schreiben Sie so lange weiter, bis Sie<br />

alle unter <strong>die</strong>se Rubrik fallenden Gefühle gegenüber <strong>die</strong>ser Person<br />

losgeworden sind.<br />

Dann machen Sie mit der nächsten Einleitung weiter - «Ich mag<br />

es nicht, wenn...», - und verfahren auf <strong>die</strong> gleiche Weise.<br />

Schreiben Sie so lange weiter, bis Ihnen zu <strong>die</strong>sem Thema nichts<br />

mehr einfällt. Verfahren Sie so mit jedem Punkt auf der Liste, bis<br />

Sie das Ende erreicht haben. Sie können Ihre eigenen Einleitungen<br />

einfügen, um sicherzugehen, daß <strong>die</strong> fünf emotionalen Stufen<br />

auch wirklich vollständig sind. Unterzeichnen Sie den Brief: «In<br />

Liebe, Dein(e), (Ihr Name)», und datieren Sie ihn. Dann schreiben<br />

Sie der nächsten Person auf Ihrer Liste.<br />

Schreiben Sie jeder Person auf Ihrer Liste einen solchen Brief,<br />

212


und legen Sie <strong>die</strong> Briefe dann fort. Sehen Sie sie nicht noch einmal<br />

an, und lesen Sie sie nicht wieder; legen Sie sie einfach fort.<br />

Inzwischen Sind Ihnen vielleicht andere Personen <strong>für</strong> Ihre Liste<br />

eingefallen: «Wie konnte ich nur Hans vergessen?» Wenn solche<br />

übersehenen Namen auftauchen, dann tragen Sie sie in Ihre Liste<br />

mit ein und schreiben den betreffenen Personen ebenfalls einen<br />

Brief. Nachdem alle auf Ihrer Liste einen Brief «bekommen»<br />

haben, schreiben Sie ihnen ein paar Wochen später ein zweites<br />

Mal, ohne jedoch vorher <strong>die</strong> ersten Briefe anzusehen. Halten Sie<br />

einfach nur das fest, was Ihnen in den Sinn kommt, und datieren<br />

Sie den Brief. Wieder einige Wochen später schreiben Sie erneut.<br />

(In Wirklichkeit handeln <strong>die</strong> Briefe von Ihnen selbst, und nicht<br />

von irgendeiner anderen Person. Normalerweise sollten Sie sie<br />

niemandem zeigen, es sei denn, Sie können dadurch Raum <strong>für</strong><br />

Heilung schaffen.)<br />

Sofern Sie es beibehalten, alle paar Wochen Briefe zu schreiben,<br />

werden Sie sich eines Tages an Ihre selbstgestellte Aufgabe<br />

setzen und feststellen, daß Sie nichts mehr zu sagen haben. Sie<br />

werden im Zusammenhang mit <strong>die</strong>ser Person keinen Haß mehr<br />

empfinden, sich nicht mehr verletzt fühlen oder vor irgend etwas<br />

Angst haben. All <strong>die</strong> unausgedrückten Gefühle werden aus Ihrem<br />

Körper-Geist-System entlassen sein. Wenn Ihnen nur noch zu<br />

sagen bleibt: «Liebe(r)..., ich liebe dich, weil...», dann sind Sie<br />

in <strong>die</strong>ser Beziehung emotional auf dem neuesten Stand. Dies ist<br />

dann der letzte Liebesbrief, den Sie <strong>die</strong>ser Person schreiben<br />

müssen, und wenn Sie es wollen, könnten Sie ein kleines Ritual<br />

daraus machen, indem Sie zum Abschluß alle an <strong>die</strong>se Person<br />

gerichteten Briefe verbrennen.<br />

Nun, da Sie alle <strong>die</strong>se aufgestauten Gefühle losgelassen und<br />

freigesetzt haben, ist <strong>die</strong> nächste Stufe, im Fluß zu bleiben. Um<br />

<strong>die</strong>s zu erreichen, müssen Sie auch weiterhin mit Ihren Gefühlen<br />

in Tuchfühlung sein und sie gegenüber anderen Menschen zum<br />

Ausdruck bringen, wenn das Bedürfnis hierzu in Ihnen aufsteigt.<br />

Kommen Gefühle hoch, dann teilen Sie sie mit der anderen<br />

Person - ohne dabei sich oder dem anderen Vorwürfe zu machen.<br />

Im Anschluß hören Sie sorgfältig, und ohne zu unterbrechen, zu,<br />

213


wenn <strong>die</strong> andere Person antwortet. Sollten Sie noch etwas hinzuzufügen<br />

haben, so teilen Sie auch <strong>die</strong>s mit und führen so den<br />

Dialog fort. Sie müssen Ihre Gefühle nicht erklären oder rechtfertigen<br />

oder selbiges von der anderen Person erwarten. Teilen Sie<br />

lediglich Ihre Gefühle so offen wie möglich miteinander.<br />

Ein solcher Prozeß wirkt unglaublich klärend. Ihre Beziehungen<br />

werden an Wert zunehmen, indem Sie in ihrem Spiegel tiefe<br />

Ebenen Ihres Seins erkennen. Bald werden Sie an den Punkt<br />

kommen, an dem Sie keinen <strong>Augen</strong>blick mehr warten wollen, um<br />

ein hochkommendes Gefühl mitzuteilen. Sie möchten es sogleich<br />

in Worte fassen. Dies mag sich gleichermaßen wunderbar wie<br />

furchterregend anfühlen.<br />

Je leichter es Ihnen mit der Zeit fällt, Ihre Gefühle in eine<br />

schriftliche Form zu bringen, desto besser werden Sie auch über<br />

sie sprechen können. Wenn Sie sich eines Tages wieder mit<br />

Gefühlen konfrontiert sehen, <strong>die</strong> Sie nicht auszusprechen wagen,<br />

dann setzen Sie sich hin und schreiben der betreffenden Person<br />

einen Brief, bevor Sie mit ihr sprechen. Lassen Sie es zu, daß Ihre<br />

stärksten Emotionen an <strong>die</strong> Oberfläche treten. Nachdem Sie Ihrer<br />

Frustration auf dem Papier Luft gemacht haben, wird es Ihnen<br />

gelingen, auf viel verantwortungsvollere Weise über sie zu reden,<br />

denn Sie haben Ihren Dampf bereits abgelassen. Sie werden sich<br />

offen und ehrlich ausdrücken können, ohne den anderen schlecht<br />

oder ihm Vorwürfe zu machen. Sie kommunizieren von einer sehr<br />

viel ausgeglicheneren Ebene aus.<br />

«Liebesbriefe» können auch zur Konfliktlösung herangezogen<br />

werden. Zeigen Sie Ihrem Konfliktpartner, wie man Liebesbriefe<br />

schreibt, und bitten Sie ihn, nichts, was ihm in den Sinn kommt,<br />

auszulassen. Jeder von Ihnen schreibt nun seinen Liebesbrief und<br />

liest ihn dem anderen dann vor. Während der eine liest, hört der<br />

andere aufmerksam zu, ohne zu unterbrechen oder sich zu verteidigen<br />

-, einfach nur zuhören. Diese sehr wirkungsvolle Übung<br />

kann <strong>die</strong> Luft klären und wirklicher Liebe zum Durchbruch<br />

verhelfen.<br />

«Liebesbriefe» sind auch eine nützliche Technik, um Kommunikationsverbesserungen<br />

in Familien, Gruppen und Organisatio-<br />

214


nen herbeizuführen. Jede Person schreibt jedem anderen Gruppenmitglied<br />

einen Brief. Dann liest jeder seine Briefe in der<br />

Gruppe laut vor. In den meisten Fällen wird <strong>die</strong>s starke aufgestaute<br />

Gefühle zum Vorschein bringen, <strong>für</strong> deren gute Handhabung<br />

eventuell ein neutraler Schlichter notwendig ist.<br />

Offene Lebensführung<br />

Da Sie auf Ihre Brille verzichten und Ihre Gefühle auszudrücken<br />

beginnen, werden <strong>die</strong> Grenzen Ihres Gesichtsfelds ein wenig in<br />

Bewegung geraten. Nach einer Weile bricht das Schloß vielleicht<br />

auf, <strong>die</strong> Tür öffnet sich, und <strong>die</strong> Erinnerungen und Gefühle, <strong>die</strong> in<br />

Ihrem Inneren verborgen waren, purzeln heraus. Zunächst fällt<br />

Ihnen vielleicht nur auf, daß Sie sich anders fühlen. Dann, eines<br />

Tages, wenn Sie gerade gar nicht danach suchen, finden Sie<br />

vielleicht einen neuen Hinweis oder ein bisher unbekanntes Puzzlestück.<br />

Im allgemeinen werden Sie noch keine Vorstellung<br />

davon haben, was er oder es zu bedeuten hat.<br />

Vor einiger Zeit arbeitete ich mit einer Frau - ich werde sie<br />

Pamela nennen -, <strong>die</strong> mir sagte, daß sie <strong>die</strong> Farbe Rot während<br />

unserer Sitzungen sah und keine Ahnung hatte, was <strong>die</strong>s zu<br />

bedeuten habe. Sie bearbeitete Themen, <strong>die</strong> mit ihrer Mutter in<br />

Verbindung standen, also lud ich ihre Mutter ein, sich uns <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

Dauer einer Sitzung anzuschließen. Als Pamela im Verlauf unseres<br />

Gesprächs erwähnte, daß sie wieder «rot» sehe, machte ihre<br />

Mutter ein erstauntes Gesicht und erzählte uns dann <strong>die</strong> folgende<br />

Geschichte: «Als Pamela ungefähr zwei Jahre alt war, sperrte sie<br />

sich versehentlich in der Waschküche ein. Der Türgriff war ein<br />

paar Wochen zuvor zerbrochen, und mein Mann und ich drehten<br />

<strong>die</strong> Tür um und hängten sie verkehrt herum wieder ein. Die Tür<br />

war auf der einen Seite rot angestrichen, und jetzt war <strong>die</strong>se rote<br />

Fläche nach innen, in <strong>die</strong> Waschküche gerichtet. Pamela sperrte<br />

sich in <strong>die</strong>sen Raum mit der roten Tür ein. Sie konnte nicht mehr<br />

heraus und rief um Hilfe.» Sobald Pamela <strong>die</strong>se Geschichte hörte,<br />

215


kamen andere Erinnerungen an <strong>die</strong> Oberfläche - und sie entsann<br />

sich anderer traumatischer Erfahrungen, <strong>die</strong> sie bisher verdrängt<br />

hatte.<br />

Pamelas Erfahrung ist ein Beispiel da<strong>für</strong>, was geschehen kann,<br />

wenn wir uns selbst wieder sehen. Wir begegnen einem winzigen<br />

Fragment unseres verborgenen Selbst, und eines Tages finden wir<br />

heraus, daß es nur eine Szene in einem ganzen Film wiedergibt,<br />

den wir vergessen hatten. Dann strömen alle Gefühle, <strong>die</strong> mit<br />

<strong>die</strong>sem Teil unseres Lebens in Verbindung stehen, wieder zurück<br />

in unser Bewußtsein.<br />

So lange, wie wir <strong>die</strong>se Erinnerungen unterdrücken, können <strong>die</strong><br />

mit ihnen verbundenen Gefühle nicht durch uns hindurchfließen,<br />

und unser Energiefeld ist schließlich so verstopft wie das Abflußrohr<br />

eines Waschbeckens. Unsere Sinne werden dumpfer, während<br />

<strong>die</strong> Lebensenergie, <strong>die</strong> unser körperliches Sein in Bewegung<br />

hält, stagniert. Vielleicht entwickeln wir lästige körperliche Symptome<br />

oder werden sogar krank. Indem wir an <strong>die</strong>se eingesperrten<br />

Gefühle herankommen und sie ausdrücken, bringen wir<br />

unseren Energiestrom wieder zum Fließen. Diese energetische<br />

Freisetzung kann einen unmittelbaren Einfluß auf unser Sehvermögen<br />

haben. Beispielsweise erzählte mir meine Tochter Gina als<br />

kleines Mädchen: «Ich sehe immer besser, nachdem ich geweint<br />

habe.»<br />

Sobald unsere Gefühle wieder im Fluß sind, kehrt unsere<br />

Lebenskraft in ihrer natürlichen Stärke zurück, und unser Feld<br />

weitet sich. Möglicherweise stellen wir plötzlich fest, daß unser<br />

Leben zu eingeengt ist. Wir haben das Bedürfnis nach einer<br />

tiefgreifenden Veränderung unserer gewohnten Einstellungen<br />

und unseres Verhaltens.<br />

Indem wir unsere Gefühlskanäle offen halten, nehmen wir uns<br />

selbst bewußter wahr und entwickeln eine gesündere und liebevollere<br />

Art, zu uns selbst und anderen in Beziehung zu treten.<br />

Mühelos zu sehen - Offener Fokus - ist vielleicht der erste Schritt,<br />

aber müheloses Leben - <strong>die</strong> offene Lebensführung - ist unser<br />

tatsächliches Ziel. Um uns selbst eine offene Lebensführung zu<br />

ermöglichen, müssen wir Zugang zum Wissen des Körpers finden,<br />

216


zu dem sprichwörtlichen Gefühl im Bauch, das, wie Chopra es<br />

ausdrückt, «sich noch nicht in Selbstzweifel verwandelt hat.» 2 Im<br />

dritten Teil des Buches werde ich Ihnen einen erstaunlich erfreulichen<br />

Weg vorstellen, wie man dem Körper-Geist-System einen<br />

neuen Zugang zu <strong>die</strong>ser angeborenen Intelligenz und damit zu<br />

mühelosem Leben und Sehen verschaffen kann.<br />

217


12<br />

Visionssuche<br />

Von Rose Brandt, Aspen, Colorado<br />

Erstmals begegnete ich Jacob Liberman im Frühling 1992 in<br />

Massachusetts. Sein Buch Die heilende Kraft des Lichts hatte in<br />

mir <strong>die</strong> Hoffnung geweckt, daß ich vielleicht eines Tages dazu in<br />

der Lage sein würde, mein Sehvermögen so zu heilen, wie er es bei<br />

sich vermocht hatte. Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt hatte ich <strong>die</strong> starke<br />

Brille gegen meine Kurzsichtigkeit seit dreißig Jahren getragen.<br />

Meine <strong>Augen</strong>korrektur hatte -6,00 Dioptrien erreicht; meine<br />

Sehschärfe betrug <strong>für</strong> das eine Auge 6/240 und war <strong>für</strong> das andere<br />

noch schlechter - «so schlecht, daß es durch <strong>die</strong> Sehprobentafel<br />

nicht mehr erfaßt wird», hatte ein <strong>Augen</strong>arzt mir einmal erklärt.<br />

Die Vorstellung fiel mir nicht schwer, daß eine Sehverbesserung<br />

möglich sein könnte - bei anderen. Ich war alles andere als<br />

überzeugt, daß ich meine eigene Sehkraft jemals würde verbessern<br />

können. In der Tat kam es mir eher wie ein hoffnungsloser<br />

Traum vor. Trotzdem gelang es mir nicht, mir <strong>die</strong>se «unmögliche»<br />

Idee aus dem Kopf zu schlagen.<br />

Jacob schlug mir vor, eine Brille zu tragen, <strong>die</strong> zwanzig Prozent<br />

schwächer als meine eigentliche war, und sie auch nur dann<br />

aufzusetzen, wenn es gar nicht anders ging. Ich nahm seinen<br />

Vorschlag wörtlich und trug im nächsten Monat gar keine Brille.<br />

Diese Zeit war sehr frustrierend, denn ich hatte eine sofortige<br />

Wirkung erwartet, doch schien es zu keiner bemerkenswerten<br />

218


Verbesserung zu kommen. Dennoch, jedesmal, wenn ich in Versuchung<br />

war, meine Brille wieder aufzusetzen, rief ich Jacob an,<br />

und er ermutigte mich, statt dessen meine Gefühle anzusehen. Es<br />

fiel mir schwer, den lebenslangen Rückstand von Gefühlen zu<br />

betrachten, der nach und nach zum Vorschein kam, aber ich<br />

spürte auch ausreichend neue Energie, um Veränderungen in<br />

meinem Leben vorzunehmen. Ich konnte bereits spüren, daß<br />

klare Sicht nur ein Aspekt eines wichtigen Selbst-Transformationsprozesses<br />

war.<br />

In <strong>die</strong>sem Herbst zog ich nach Colorado, gerade rechtzeitig, um<br />

an einem intensiven Workshop teilzunehmen, den Jacob in Aspen<br />

abhielt. Die ersten Worte, <strong>die</strong> er an uns richtete, war der Vorschlag,<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong> Dauer unseres Zusammenseins auf <strong>die</strong> Brille zu<br />

verzichten. Ich trug meine Brille in <strong>die</strong>ser Woche fast gar nicht -<br />

und stellte eine entscheidende Verbesserung meines Sehvermögens<br />

fest. Leicht war es jedoch nicht. Ich erinnere mich gut daran,<br />

wie beängstigend es sich anfühlte, ohne Brille auch nur einen<br />

Bürgersteig entlang zu gehen. Die Erfahrung, <strong>die</strong> mir am meisten<br />

angst gemacht hatte, war jedoch das Betreten eines Lebensmittelgeschäfts<br />

ohne Brille. Als ich <strong>die</strong> Gänge entlangsah überfiel mich<br />

Panik. Ich fühlte mich blind, hilflos und von der «wirklichen»<br />

Welt abgeschnitten.<br />

Nach dem Workshop ging ich dazu über, zeitweise wieder meine<br />

schwächere Brille zu tragen, da ich sie benötigte, um bei der<br />

Arbeit den Computerbildschirm zu sehen. Mein Sehvermögen<br />

nahm wieder ab, aber trotzdem bestand ich den Führerscheintest<br />

von Colorado mit meiner schwächeren Brille. Jacob überprüfte<br />

meine <strong>Augen</strong> nochmals und empfahl mir, meine Brillenstärke<br />

sogar noch weiter zu reduzieren. Im Verlauf des nächsten Jahres<br />

fluktuierte meine Sehkraft sehr stark, aber es war mir dennoch<br />

möglich, <strong>die</strong> Brillenstärke noch mehrmals zu reduzieren. Ich<br />

stellte fest, daß meine <strong>Augen</strong> besser wurden, wenn ich ein paar<br />

Tage ohne Sehhilfe war, und daß sie sich sofort verschlechterten,<br />

wenn ich auch nur <strong>für</strong> ein paar Stunden eine Brille trug.<br />

Kurz nachdem ich begann, meine Brillenstärke zu reduzieren,<br />

verringerten sich <strong>die</strong> regelmäßigen Migräneanfälle, <strong>die</strong> ich seit<br />

219


Jahren hatte, und innerhalb weniger Monate verschwanden sie<br />

ganz. Inzwischen habe ich sie nur noch sehr selten. Ich hatte mich<br />

damit abgefunden, daß sie unvermeidlich und erblich veranlagt<br />

waren. Mittlerweile aber ist mir klargeworden, daß sie in Verbindung<br />

mit der mir verschriebenen Brille standen, da sich jedesmal,<br />

wenn ich sie aufsetzte, alle Muskeln um <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>, in der Stirn<br />

und in den Schläfen verkrampften. Es kam mir so vor, als würde<br />

ich einen Hut, der mir mehrere Nummern zu klein ist, gewaltsam<br />

aufsetzen, und so fühlten sich meine Kopfschmerzen auch an.<br />

Da ich oft unter Migräne litt, wenn ich mich dem offenen<br />

Sonnenlicht aussetzte, zögerte ich erst, als Jacob vorschlug, ich<br />

sollte öfter mal auf meine Sonnenbrille verzichten. Dennoch war<br />

ich bereit, es trotzdem zu versuchen. Ich sonnte meine <strong>Augen</strong>, um<br />

sie an helles Licht zu gewöhnen, und es funktionierte tatsächlich!<br />

Ich liebe <strong>die</strong>se Meditation und übe sie noch immer regelmäßig.<br />

Innerhalb weniger Monate machte mir sogar <strong>die</strong> stechende Sonne<br />

von Colorado nichts mehr aus, und ich habe seither niemals<br />

wieder eine Sonnenbrille getragen.<br />

Heute fluktuiert mein Sehvermögen noch immer stark und<br />

verbessert sich und ist oft außerordentlich klar. In den letzten paar<br />

Monaten lag meine Sehschärfe, immer wenn ich versuchte, eine<br />

Sehprobentafel zu lesen, durchweg bei 6/12. Innerhalb von<br />

Gebäuden ist meine Sicht noch immer leicht verschwommen, aber<br />

im Freien sehe ich mit fast vollkommener Klarheit.<br />

Auf meinem Weg hat es viele Durchbrüche gegeben, aber vor<br />

allem meine erste Erfahrung vollkommen klaren Sehens werde<br />

ich immer in Erinnerung behalten. Es geschah, als ich an einem<br />

sonnigen Tag letzten Sommer zu Jacobs Haus fuhr. Ich saß in<br />

meinem Wagen und praktizierte Blinzeln und <strong>Augen</strong>wandern, als<br />

mir plötzlich bewußt wurde, daß ich vollkommen klar sah und daß<br />

ich <strong>die</strong>s sogar willentlich herbeiführte, indem ich langsam und<br />

entschlossen blinzelte. Ich hatte immer erwartet, daß ich überglücklich<br />

sein würde, wenn ich endlich wieder klar sehen könnte,<br />

aber <strong>die</strong> Kraft meines Sehvermögens brachte statt dessen eine<br />

Aufwallung von Angst in mir hoch, und ich mußte meine Sehkraft<br />

immer wieder klären.<br />

220


Als ich ankam und Jacob berichtete, daß ich ungewöhnlich<br />

scharf sah, zog er sofort eine Sehprobentafel hervor, schritt sechs<br />

Meter ab (mir schienen es eher sechzehn zu sein) und streckte mir<br />

<strong>die</strong> Tafel entgegen, damit ich sie las. Der Raum war von der Sonne<br />

grell erleuchtet, und überall waren Schatten, und <strong>die</strong> Tafel wurde<br />

von hinten angestrahlt - ich konnte sie kaum sehen, geschweige<br />

denn lesen. Ich sagte: «Sieh mal, ich kann <strong>die</strong> Tafel dort, wo du sie<br />

hältst, nicht sehen. Kannst du damit nicht ins Licht treten?» Jacob<br />

bewegte sich keinen Zentimeter, sondern antwortete: «Atme<br />

einfach und folge den Umrissen dessen, was du siehst.» Sobald ich<br />

seinen Anweisungen folgte, sprang <strong>die</strong> ganze Tafel in den Brennpunkt.<br />

Er sagte mir nachher, daß ich bis zur 6/7,5-Zeile richtig<br />

gelesen hatte! An <strong>die</strong>sem Tag klärte sich meine Sicht zum ersten<br />

Mal in über dreißig Jahren - und jetzt geschieht es laufend.<br />

Jedoch ist das Thema meiner Visionssuche nicht wirklich das<br />

Erlernen schärferen Sehens. Ich kann von mir eigentlich nicht<br />

behaupten, daß ich zum Beispiel viel Zeit mit den <strong>Augen</strong>übungen<br />

zugebracht habe. Ich konzentriere mich darauf zu lernen, der<br />

Mensch zu sein, der ich wirklich bin - all <strong>die</strong> Wut, <strong>die</strong> Angst,<br />

Verletzlichkeit, Freude und Liebe zu spüren, <strong>die</strong> in mir verborgen<br />

ist. Ich begreife jetzt, daß meine Kurzsichtigkeit etwas mit meiner<br />

Unfähigkeit zu tun hatte, mit den Gefühlen in Beziehungen<br />

fertigzuwerden. Trotz reicher Therapieerfahrung konnte ich <strong>die</strong>s<br />

nie richtig empfinden, solange ich eine Brille trug.<br />

In den letzten anderthalb Jahren hat sich meine Welt dramatisch<br />

verändert. Ich habe gelernt, das Kämpfen sein zu lassen und<br />

mich statt dessen am Leben zu erfreuen. Ich habe noch mehr echte<br />

und erfüllende Möglichkeiten von Beziehungen entdeckt. Ich<br />

habe gelernt, freundlicher und geduldiger mit mir zu sein. In der<br />

Tat habe ich weit mehr von <strong>die</strong>sem Prozeß profitiert, als ich mir an<br />

dem Tag, als ich <strong>die</strong> Brille zum ersten Mal ablegte, jemals hätte<br />

erträumen können.<br />

221


Teil III<br />

Von der Sehkraft zur Einsicht


13<br />

Das Unsichtbare sehen<br />

Es ist eine weitverbreitete falsche Annahme, daß<br />

<strong>die</strong> Grenzen unserer Wahrnehmungsfähigkeit auch<br />

<strong>die</strong> Grenze der Dinge, <strong>die</strong> es wahrzunehmen gibt,<br />

darstellt.<br />

C. W. Leadbeater<br />

Wir gehen gerne davon aus, daß wir <strong>die</strong> Welt so sehen, wie sie<br />

wirklich ist, daß uns unsere <strong>Augen</strong> ein vollständiges und genaues<br />

Abbild der Wirklichkeit liefern. Doch Physiker sagen uns, daß <strong>die</strong><br />

sichtbare Welt einfach eine von unseren Sinnen geschaffene<br />

Illusion ist, daß selbst <strong>die</strong> «festesten» Objekte nur eine Vibrationsfrequenz<br />

in der unendlichen Weite des leeren Raums sind.<br />

Wir wissen, daß Sehen auf der Wahrnehmung von Licht beruht,<br />

aber was wissen wir über Licht? In den Worten von Albert<br />

Einstein: «Fünfzig Jahre intensiven Nachdenkens haben mich der<br />

Antwort auf <strong>die</strong> Frage, nicht näher<br />

gebracht. Natürlich bildet sich heute jeder Wicht ein, er wisse <strong>die</strong><br />

Antwort, doch da täuscht er sich.» 1<br />

Die paradoxe Natur unserer Wahrnehmung des Lichts wird<br />

durch ein Experiment illustriert, welches der Quantenphysiker<br />

Arthur Zajonc erdachte, und zu <strong>die</strong>sem Zweck eine Lichtbox<br />

konstruierte, in der helles Licht auf das Nichts schien:<br />

Die einfache, aber verblüffende Wirkung wird mittels eines<br />

leistungsfähigen Projektors erzielt, der sein Licht direkt in<br />

einen sorgfältig gefertigten Kasten wirft. Diesen haben wir so<br />

konstruiert, daß das Licht keine Objekte oder Wände in seinem<br />

Inneren berührt. Innerhalb des Kastens gibt es nur reines Licht,<br />

224


<strong>die</strong>ses aber reichlich. Die Frage lautet: Was sieht man? Wie<br />

sieht Licht aus, wenn es vollkommen sich selbst überlassen ist?<br />

Durch eine Öffnung kann ich in den Kasten und in das Licht im<br />

Inneren blicken. Und was sehe ich? Absolute Dunkelheit!<br />

Nichts ist wahrzunehmen als <strong>die</strong> Schwärze des leeren Raumes.<br />

(...) der Raum [ist] nicht leer, sondern mit Licht gefüllt. Doch<br />

ohne ein Objekt, auf welches das Licht fallen kann, erblickt<br />

man nur Dunkelheit. Licht selbst ist immer unsichtbar. Wir<br />

sehen nur Dinge, nur Objekte, kein Licht. 2<br />

Nicht genug, daß wir nicht das sehen, <strong>für</strong> was wir es halten, es ist<br />

darüber hinaus auch noch lediglich ein extrem kleiner Querschnitt<br />

des Universums elektromagnetischer Energie, <strong>die</strong> in unsere Welt<br />

eindringt. Unser körperliches Sehvermögen hat nur zu einem sehr<br />

begrenzten Frequenzbereich innerhalb der ungeheueren Weite<br />

multidimensionaler Realität Zugang - ein winziger Bereich<br />

namens «sichtbarer» Teil des elektromagnetischen Spektrums<br />

(siehe Abbildung auf <strong>die</strong>ser Seite).<br />

Normalerweise nehmen wir an, daß nur moderne Technologie<br />

Informationen spüren kann, <strong>die</strong> durch Fernseher-, Radio-, ultraviolette,<br />

infrarote, Mikrowellen- oder Röntgenstrahlenfrequenzen<br />

transportiert werden. Ich habe jedoch festgestellt, daß wir<br />

Informationen wahrzunehmen beginnen, <strong>die</strong> <strong>für</strong> unsere Sinne<br />

eigentlich unsichtbar sein sollten, sobald sich unser Feld ausweitet.<br />

Wir «wissen» etwas, bevor man es uns mitteilt, wir «fühlen»<br />

Das elektromagnetische Spektrum<br />

(abgedruckt mit freundlicher Genehmigung von General Electric<br />

Corporation, Abteilung Beleuchtung)<br />

225


<strong>die</strong> Bewegung unsichtbarer Energie, oder wir «sehen» ein Ereignis,<br />

noch bevor es stattgefunden hat.<br />

Könnte es sein, daß unser geweitetes Wahrnehmungsfeld einen<br />

größeren Frequenzumfang aufnimmt, so wie eine größere Radarschüssel<br />

weiter «sehen» kann als eine kleinere? Könnte <strong>die</strong>se<br />

außersinnliche Wahrnehmung unser Empfindungsvermögen <strong>für</strong><br />

den unsichtbaren Aspekt des elektromagnetischen Spektrums<br />

sein oder sogar <strong>für</strong> noch subtilere Energiewellenlängen, <strong>die</strong> der<br />

Wissenschaft bisher noch unbekannt sind? Einige unserer<br />

berühmtesten Physiker haben <strong>die</strong> Möglichkeit in Betracht gezogen,<br />

daß es Formen von Energie gibt, deren Existenz <strong>die</strong> Wissenschaft<br />

erst noch anerkennen muß:<br />

Albert Einstein: «Es ist möglich, daß es menschliche Emanationen<br />

gibt, <strong>die</strong> uns noch unbekannt sind. Entsinnen Sie sich<br />

dessen, wie sehr man über elektrische Ströme und gelacht hat? Das wissen über den Menschen steckt<br />

noch in den Kinderschuhen.»<br />

Werner Heisenberg: «Die Gesetze der Physik und Chemie<br />

müssen noch um einiges ergänzt werden, bevor <strong>die</strong> biologischen<br />

Phänomene vollständig verstanden werden können.»<br />

Die Leute machen oft Bemerkungen zu meinen «übersinnlichen»<br />

Einsichten, aber ich habe festgestellt, daß außersinnliche Begabungen<br />

normale menschliche Fähigkeiten sind, <strong>die</strong> zu unterdrükken<br />

wir in der Kindheit gelernt haben. Jeder kann lernen, das<br />

Unsichtbare zu sehen und zu fühlen; unser inneres oder «übersinnliches»<br />

Sehen kommt sofort zum Vorschein, sobald wir <strong>die</strong><br />

Grenzen unseres äußeren Sehens ausweiten - indem wir unser<br />

Sehvermögen öffnen, öffnet sich auch unsere übersinnliche Wahrnehmung.<br />

Dann stellen wir plötzlich fest, daß wir weit über <strong>die</strong><br />

Grenzen unserer körperlichen Sehkraft hinaus wahrnehmen.<br />

Erinnern Sie sich noch an Jacques Lusseyran, den französischen<br />

Widerstandskämpfer, der sehen konnte, obwohl seine <strong>Augen</strong><br />

zerstört worden waren? Er warnte sehbegabte Menschen davor<br />

226


«anzunehmen, daß ihre Art, <strong>die</strong> Welt wahrzunehmen, <strong>die</strong> einzige<br />

ist», und <strong>die</strong> Wissenschaft sammelt inzwischen Beweise, <strong>die</strong> ihm<br />

Recht geben. In einer 1992 durchgeführten Untersuchung wurde<br />

festgestellt, daß «unsichtbare» ultraviolette Strahlung visuelle<br />

Reaktionen in sieben- bis zehnjährigen Kindern auslöst. Die<br />

Wissenschaftler zogen daraus den Schluß: «Die hier gesammelten<br />

Daten zeigen, daß <strong>die</strong> Wahrnehmungskapazitäten mancher Tiere<br />

und jüngerer Menschen vielleicht sehr viel ausgedehnter sind, als<br />

ursprünglich angenommen.» 3 Die Forscher spekulierten, daß<br />

jüngere Kinder wahrscheinlich einen noch größeren Bereich<br />

ultravioletten Lichts wahrnehmen könnten und daß <strong>die</strong>s auch <strong>für</strong><br />

Erwachsene in gewissen Grenzen gilt.<br />

In seinem Buch Human Energy Systems (Menschliche Energiesysteme)<br />

beschreibt der hochangesehene Sensitive Jack<br />

Schwarz ein Experiment an der Universität von Washington, in<br />

dem er Energie bis weit in den ultravioletten und infraroten<br />

Bereich hinein «sehen» konnte - erheblich oberhalb und unterhalb<br />

des «sichtbaren» Teils des elektromagnetischen Spektrums.<br />

Er vertritt <strong>die</strong> Auffassung, daß es lediglich unser Geist ist, der<br />

unserer Wahrnehmung Grenzen auferlegt, und daß unser Sehvermögen<br />

in bestimmten Bewußtseinszuständen unbegrenzt ist. Als<br />

er anfing, das Unsichtbare zu sehen, beschuldigte man ihn, er<br />

habe Halluzinationen, sähe Dinge, <strong>die</strong> es nicht gäbe. Als sich<br />

jedoch sein «Sehen des Unsichtbaren» wissenschaftlich bestätigen<br />

ließ, da vermochten plötzlich auch andere untersuchte Personen<br />

über den normalen Bereich hinauszusehen. 4<br />

Ein anderer «unsichtbarer» Aspekt des Sehens hat etwas mit<br />

unserer Vorstellung zu tun, daß Sehen bedeutet, etwas da draußen<br />

in unser Bewußtsein rücken zu müssen, um es wahrnehmen<br />

und verarbeiten zu können. Sehen ist jedoch gleichermaßen eine<br />

Emanation oder eine Projektion unseres Bewußtseins in <strong>die</strong> Welt,<br />

wie es <strong>die</strong> Wahrnehmung der äußeren Welt darstellt. In den<br />

Worten eines Wissenschaftlers,<br />

Das Auge ist wie <strong>die</strong> Hand (oder der Mund) ein Organ der<br />

Manipulation, und ... wird durch das... Gehirn... gelenkt. Es<br />

227


ist das Gehirn, welches <strong>die</strong> äußere Welt [aufnimmt], ob nun<br />

manuell, oral oder visuell. Dies geschieht durch einen projektiven<br />

Prozeß, aber es ist ein reziproker Prozeß, der in beide<br />

Richtungen geht - ein gerichteter Prozeß, der vom Inneren des<br />

Selbst ausgeht, nach außen tritt und dann wieder nach innen<br />

zurückkehrt. 5<br />

Der Physiker Karl Pribram faßt <strong>die</strong>s in dem Satz zusammen:<br />

«Sehen ist eine holographische Projektion.» Energie (in Form von<br />

Licht) dringt nicht nur in unsere Sinnesorgane ein, sondern sie<br />

entströmt ihnen auch, während unser Geist bedeutungvolle<br />

Muster aus <strong>die</strong>sem Input schafft. Dieser Prozeß wird bisher noch<br />

immer nicht ganz verstanden, muß jedoch nach meiner Erfahrung<br />

Berücksichtigung finden, um ein vollständiges Bild dessen, wie<br />

Sehen funktioniert, zu erhalten. Sehen scheint nicht nur eine<br />

Form der Wahrnehmung zu sein, sondern auch eine Art des<br />

Selbstausdrucks oder der Selbsterschaffung.<br />

Wir meinen zu wissen, was Sehen ist und wie es «aussieht».<br />

Aber sobald wir in das Reich der Wahrnehmung von Unsichtbarem<br />

eindringen, stoßen wir auf eine Form intuitiven Sehens, <strong>die</strong><br />

eine vom physischen Sehen sehr stark abweichende Erscheinung<br />

ist. Meistens behaupten Sensitive, daß sie etwas «sehen», nicht<br />

«hören» oder «berühren». Irgendeine nichtphysische Form des<br />

Sehens scheint <strong>die</strong> vorrangige Weise zu sein, mit der solche<br />

sensiblen Menschen Informationen aufnehmen. Wenn wir <strong>die</strong><br />

Grenzen normalen Sehens überschreiten und in den angeblich<br />

unsichtbaren Teil des elektromagnetischen Spektrums gelangen<br />

(und möglicherweise auch in eine noch unbekannte Energieform),<br />

dann scheint das Sehen, wie wir es begreifen, in ein derart<br />

umfassendes Sehen verwandelt zu werden, daß es vielleicht tatsächlich<br />

das eigentliche Wesen allen Sehens darstellt.<br />

228


Die Aura sehen<br />

Eine der ersten «unsichtbaren» Energien, <strong>die</strong> Sie vielleicht<br />

anfangs sehen, ist <strong>die</strong> Aura, der Teil des Energiefelds, der als ein<br />

den Körper umgebendes strahlendes Licht wahrgenommen wird.<br />

(Manche Menschen sehen <strong>die</strong> Aura beinahe spontan, während<br />

andere Jahre damit zubringen müssen, um <strong>die</strong>se Fähigkeit zu<br />

erlernen.) Die unterschiedlichen Farben der Aura sind einfach<br />

verschiedene Lichtfrequenzen - Wellenlängen der Lichtenergie.<br />

Es scheint so, als ob <strong>die</strong> energetischen Frequenzen, welche <strong>die</strong><br />

Erdoberfläche von der Sonne aus erreichen, derart ausgewogen<br />

sind, um das Leben auf der Erde zu unterstützen. Ich habe jedoch<br />

festgestellt, daß <strong>die</strong> meisten von uns ihr System nur von ausgewählten<br />

Farben wirklich durchdringen lassen. Die Aura<br />

wiederum setzt sich aus jenem Licht zusammen, welches durch<br />

uns hindurch gelangen kann.<br />

Jacques Lusseyran konnte <strong>die</strong> Aura von Menschen erst sehen,<br />

nachdem sein körperliches Sehvermögen vollkommen zerstört<br />

war. Erst danach kehrten «alle Farben des Regenbogens» in sein<br />

inneres Sehvermögen zurück.<br />

Mein Vater, meine Mutter, <strong>die</strong> Leute, denen ich auf der Straße<br />

begegnete oder <strong>die</strong> ich anstieß, sie alle waren in einer Weise<br />

farbig gegenwärtig, wie ich es niemals vor meiner Erblindung<br />

gesehen hatte. Und <strong>die</strong>se Farben prägten sich mir jetzt als ein<br />

Teil von ihnen genau so tief ein, wie es ihr Gesicht vermocht<br />

hätte. 6<br />

Mancher begabte Sensitive kann <strong>die</strong> Aura sehen (oder visualisieren),<br />

während er eine Brille trägt, aber ich habe festgestellt, daß<br />

<strong>die</strong> Aura auf <strong>die</strong>se Weise sehr schwer wahrzunehmen ist. Bevor<br />

ich anfing, auf meine Brille zu verzichten, hatte ich niemals<br />

zuvor eine Aura gesehen - tatsächlich glaubte ich sogar nicht<br />

einmal daran, daß Auras «wirklich» waren. Inzwischen bin ich<br />

davon überzeugt, daß wir in der Kindheit so lange offen <strong>für</strong> ein<br />

229


weiteres Feld außersinnlicher Wahrnehmung sind, bis wir sozialisiert<br />

werden und uns den «normalen» Beschränkungen unterwerfen.<br />

Die unschuldige außersinnliche Wahrnehmung von Kindern<br />

wird durch das bemerkenswerte Buch, The Boy Who Saw True<br />

(Der Junge, der wahr sah), sehr gut illustriert. Hierbei handelt es<br />

sich um das offenbar authentische Tagebuch eines Jungen im<br />

viktorianischen England, der Auras spontan wahrzunehmen vermochte<br />

und offenbar davon überzeugt war, daß alle anderen<br />

Menschen <strong>die</strong>s ebenfalls konnten. (Der Autor wollte nicht, daß<br />

<strong>die</strong>ses aufschlußreiche Dokument während seiner Lebzeiten veröffentlicht<br />

wurde, daher erschien es erstmals in den fünfziger<br />

Jahren.) Am 1. Mai 1885 beklagt er sich darin darüber, daß seine<br />

Eltern sich weigern, ihm seine einfachen Fragen zu beantworten:<br />

«Ich wollte von Mama wissen, warum ihre Lichter [ihre Aura],<br />

während sie in der Kirche war, oft blauer wurden. Und was<br />

glaubst du wohl hat sie geantwortet? Sie hat zu Papa gesagt,


kleinen Jungen besser zu reagieren, als ihn nur zum <strong>Augen</strong>arzt zu<br />

bringen?<br />

Ein begabter Hellsichtiger (wie der oben beschriebene Junge es<br />

wohl war) ist oft dazu in der Lage, deutlich verschiedene Farben<br />

und Formen, <strong>die</strong> vom Körper ausgehen, zu unterscheiden. Bis zu<br />

einem gewissen Grade scheint <strong>die</strong>se Begabung uns allen innezuwohnen<br />

und durch Übung entwickelbar zu sein. Es ist leichter, <strong>die</strong><br />

Aura zu sehen, als Sie vielleicht im ersten Moment annehmen.<br />

Die meisten Menschen sehen eine Aura zuerst als zartes weißes<br />

Glühen in der Umgebung des Kopfes. Möglicherweise haben Sie<br />

<strong>die</strong>se Erscheinung bereits wahrgenommen und als «Übermüdung<br />

der <strong>Augen</strong>» abgetan oder gemeint, daß Ihre <strong>Augen</strong> Ihnen einen<br />

Streich spielen.<br />

Obwohl jeder Mensch von dem vollständigen Farbspektrum<br />

weißen Lichts durchdrungen wird, ist doch jede Aura anders, so<br />

wie auch Gesichter oder <strong>die</strong> Fingerabdrücke einer Hand einzigartig<br />

sind. Da <strong>die</strong> Aura nur <strong>die</strong> Farben widerspiegelt, von denen wir<br />

uns durchdringen lassen, ist sie ständiger Veränderung unterworfen,<br />

während wir auf innere und äußere Reize reagieren. Weil sie<br />

ununterbrochen in Bewegung ist, sich ausdehnt und wieder<br />

zusammenzieht, ist sie ein konstantes Barometer <strong>für</strong> unsere<br />

Beziehung zum Leben in jedem einzelnen <strong>Augen</strong>blick.<br />

Viele Heiler und Hellsichtige sind dazu fähig, den Charakter<br />

einer Person, ihren <strong>Gesundheit</strong>s- und Bewußtseinszustand - sogar<br />

ihre ganze Lebensgeschichte - «abzulesen», indem sie <strong>die</strong>ses<br />

Energiefeld sehen (oder «empfinden»). Obwohl er von seiner<br />

Mutter keine Antworten auf seine Fragen bekam, hatte der Junge<br />

in The Boy Who Saw True bereits herausgefunden, daß bestimmte<br />

Farben in der Aura mit unterschiedlichen Persönlichkeiten und<br />

Gefühlszuständen in Verbindung gebracht werden können. Viele<br />

Jahre später kommentierte er:<br />

Zum damaligen Zeitpunkt war ich zu unerfahren, um zu wissen,<br />

was <strong>die</strong> unterschiedlichen Farben anzeigten. 8 (...) Erst später<br />

fand ich heraus, daß <strong>die</strong> Aura, <strong>die</strong> ich als «ein schmutziges<br />

Durcheinander» beschrieben hatte, ein vollkommenes Fehlen<br />

231


emotionaler Kontrolle mit wenig oder gar keiner Geisteshaltung<br />

bedeutete und daß <strong>die</strong> Aura mit einer festgefügten Konturlinie<br />

ein Festhalten am Herkömmlichen anzeigte. 9<br />

Hier folgt nun eine einfache Übung, <strong>die</strong> Sie darin unterstützen<br />

soll, <strong>die</strong> Aura zu sehen. Manche Menschen nehmen sofort<br />

beeindruckende Folgen <strong>die</strong>ser Übung wahr, während andere<br />

mehr Geduld aufbringen müssen. Es kann nützlich sein, wenn Sie<br />

sich daran erinnern, daß Ihr Bewußtsein bereits weiß, wie man<br />

eine Aura wahrnimmt und liest, so wie Ihre <strong>Augen</strong> wissen, wie<br />

Sehen funktioniert:<br />

Üben Sie an sich selbst, indem Sie in einen Spiegel blicken, der<br />

gegenüber einer hellen, einfarbigen Wand hängt. Stellen Sie sich<br />

vor den Spiegel, und schauen Sie in Richtung Ihres Gesichts, aber<br />

nicht direkt in Ihr Gesicht hinein, so wie beim Sehen mit Offenem<br />

Fokus. Oder aber Sie sehen am Umriß Ihres Gesichts vorbei - so<br />

können Sie <strong>die</strong> Aura in Ihrem peripheren Sehfeld wahrnehmen.<br />

Bei beiden Möglichkeiten müssen Sie darauf achten, Ihre <strong>Augen</strong><br />

in Bewegung zu halten; starren Sie nicht auf einen einzelnen<br />

Punkt.<br />

Während Sie <strong>die</strong>s ausprobieren, sehen Sie vielleicht plötzlich<br />

etwas, was wie das Glänzen eines Lichts oder eine Energie<br />

aussieht, aber sobald Sie es fokussieren wollen, verschwindet es!<br />

Üben Sie, das zu sehen, was Sie wahrnehmen, ohne es direkt<br />

anzusehen.<br />

Sie könnten <strong>die</strong>s so oft und so lange regelmäßig tun, wie Sie<br />

dazu Lust haben. Vor allem aber sollten Sie nichts von dem, was<br />

Sie sehen oder erfahren, <strong>für</strong> ungültig erklären oder analysieren;<br />

lassen Sie es zu, daß Sie Ihren Wahrnehmungen gegenüber<br />

vollkommen offen sind.<br />

Barbara Ann Brennan ist eine bekannte Hellsichtige und Energieheilerin.<br />

In ihrem Buch Licht-Arbeit beschreibt sie, wie sie<br />

entdeckte, daß ihr Sehvermögen der Aura dazu <strong>die</strong>nen könnte,<br />

das Körper-Geist-System ins Gleichgewicht zu bringen und Heilung<br />

herbeizuführen:<br />

232


Als Physikerin war ich zunächst skeptisch, als ich Energiefelder<br />

um den Körper von Menschen sah. Da <strong>die</strong> Phänomene aber<br />

Bestand hatten, selbst wenn ich <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> schloß oder mich im<br />

Zimmer bewegte, schaute ich genauer hin... Ich sah, daß das<br />

Energiefeld eine unmittelbare Beziehung zur <strong>Gesundheit</strong> und<br />

zum Wohlbefinden einer Person hat... (Weil ich Energiefelder<br />

lesen konnte, bin ich dazu) fähig geworden, körperliche und<br />

psychische Probleme zu diagnostizieren und Wege zu ihrer<br />

Lösung zu finden.» 10<br />

Wie kommt es, daß das Licht der Aura unseren Seinszustand so<br />

klar widerspiegelt? Man kann <strong>die</strong>sen Prozeß mit einem Glasprisma<br />

vergleichen (siehe Abbildung auf <strong>die</strong>ser Seite).<br />

Wenn weißes Licht, welches alle sichtbaren Wellenlängen von<br />

Farben enthält, auf einer Seite in ein Prisma eindringt, dann<br />

werden <strong>die</strong> Farben voneinander geschieden, und ein Regenbogen<br />

von Farben verläßt das Prisma auf der anderen Seite. Das Prisma<br />

blockiert keinen Aspekt des Lichts oder hält ihn fest, und daher<br />

gelangt das vollständige Spektrum mit allen Farben durch das<br />

Prisma hindurch. Doch habe ich niemals gesehen, daß von einem<br />

menschlichen Wesen ein Regenbogen ausgeht. Unsere Bereiche<br />

emotionaler und energetischer Verengung gestatten normalerweise<br />

nur wenigen Lichtfrequenzen, frei durch unser System zu<br />

strömen. Mir ist bisher niemand begegnet, der klar genug war, um<br />

einen Regenbogen abzustrahlen.<br />

Sollten wir tatsächlich dazu in der Lage sein, alle Farben<br />

Licht, welches durch ein Prisma fällt<br />

233


hervorzubringen, dann bleiben sie scheinbar nicht wie in einem<br />

Prisma voneinander getrennt, sondern vermischen sich wieder zu<br />

weißem Licht. Wir wissen, daß Künstler traditionell große Heilige<br />

von einem weißen Heiligenschein aus Licht oder Energie umgeben<br />

darstellen. Ich meinte früher, daß der Heiligenschein nur eine<br />

künstlerische Gewohnheit sei, aber es ist kein Zufall, daß Heiligkeit<br />

häufig auf <strong>die</strong>se Weise gezeigt wird. Im Verlauf der<br />

Geschichte wurde häufig von heiligen Personen berichtet, <strong>die</strong> ein<br />

helles Licht verströmten, das jedermann in ihrer Umgebung<br />

wahrnehmen konnte.<br />

Scheinbar trifft Sonnenlicht, welches in einen Erleuchteten<br />

eindringt, weder auf Widerstand noch auf eine Neigung zur<br />

Bindung. Alle Regenbogenfarben verschmelzen und strahlen in<br />

einem vollständigen Spektrum von blendend weißem Licht nach<br />

außen ab. Die Auras solcher Heiliger sind so klar und hell, daß sie<br />

sogar <strong>für</strong> das begrenzte Sehvermögen eines normalen durchschnittlichen<br />

Menschen sichtbar sind. In seinem wunderbaren<br />

Buch Das holographische Universum beschreibt Michael Talbot<br />

einige Beispiele:<br />

In vielen Kulturen wird der Aura eines spirituell herausragenden<br />

Menschen eine solche Helligkeit zugeschrieben, daß sie<br />

auch von normalen Sterblichen wahrgenommen werden kann,<br />

und deshalb umgibt man in verschiedenen Religionen, unter<br />

anderem in der christlichen, buddhistischen und ägyptischen,<br />

den Kopf der Heiligen mit einem Heiligenschein oder einem<br />

ähnlichen kreisförmigen Symbol. In seinem Buch über das<br />

Wunderbare füllt Thurston 11 ein ganzes Kapitel mit Berichten<br />

über Lichterscheinungen bei katholischen Heiligen, und sowohl<br />

Therese Neumann als auch Sai Baba sollen gelegentlich<br />

von einer sichtbaren Lichtaura umhüllt gewesen sein. Der<br />

große Sufi-Mystiker Hazrat Inayat Khan... hat angeblich<br />

manchmal so viel Licht ausgestrahlt, daß man in <strong>die</strong>sem Schein<br />

lesen konnte. 12<br />

Jedes Zusammenziehen unseres Energiefelds (wie es bei Angst<br />

234


oder Anspannung auftritt) blockiert Aspekte der Lichtenergie<br />

ebenso wie unsere Aufnahmefähigkeit bestimmter Gefühle und<br />

Erfahrungen. Diese Aspekte des Lebens werden dann <strong>für</strong> uns auf<br />

gleiche Weise unsichtbar, wie wir Bereiche unserer Wahrnehmung<br />

ausblenden, wenn wir kurz- oder weitsichtig sind. Die<br />

Klärung unseres physischen Sehvermögens führt uns schließlich<br />

an den Punkt, an dem wir mehr von <strong>die</strong>sen unsichtbaren Aspekten<br />

des Lebens wahrnehmen und ausstrahlen. Langsam fühlen wir<br />

uns heiler, authentischer und weniger fragmentiert.<br />

Mein eigenes inneres Sehvermögen begann zu erwachen kurz<br />

nach meiner meditativen Erfahrung, <strong>die</strong> ich «Zum Himmel werden»<br />

genannt hatte. In <strong>die</strong>sem Jahr verbrachte ich meinen Urlaub<br />

in der Karibik und machte einen Ausflug mit einem großen Boot.<br />

Ich entspannte mich im hinteren Teil des Schiffes und genoß das<br />

Sehen mit Offenem Fokus, als ich plötzlich etwas wie Heiligenscheine<br />

um <strong>die</strong> Köpfe meiner Mitreisenden wahrnahm. Erst<br />

glaubte ich, daß mir meine <strong>Augen</strong> einen Streich spielten. Als es<br />

nicht besser wurde, geriet ich in Panik, weil ich <strong>für</strong>chtete, eine<br />

Hornhautablösung zu haben. Ich wollte auf schnellstem Weg zu<br />

einem <strong>Augen</strong>arzt. Aber mit meinen <strong>Augen</strong> war alles in Ordnung.<br />

Es handelte sich nur einfach um meine erste Erfahrung mit dem<br />

Sehen des Lichts, welches jedes menschliche Energiefeld<br />

abstrahlt.<br />

Der Quantensprung des Sehens<br />

Wenn Sie auf eine ebenmäßige Hintergrundsfläche blicken wie<br />

auf den blauen Himmel oder eine weiße Wand, dann können Sie<br />

manchmal kleine glänzende Partikel in der Luft flimmern sehen.<br />

Medizinische Nachschlagewerke nennen <strong>die</strong>ses Phänomen Mouches<br />

volantes (fliegende Mücken) oder Mückensehen und erklären<br />

es als ein Licht, welches von den Zellen in den <strong>Augen</strong><br />

zurückgespiegelt wird:<br />

235


Mouches volantes: Dieser Begriff wird zur Beschreibung von<br />

Pünktchen vor den <strong>Augen</strong> verwendet... Sie werden von den<br />

Schatten der Zellen auf <strong>die</strong> Hornhaut geworfen, <strong>die</strong> normalerweise<br />

im Glaskörper des Auges angetroffen werden oder<br />

von winzigen Entwicklungsüberbleibseln, <strong>die</strong> unter bestimmten<br />

Umständen, wie in Situationen, in denen man einer besonders<br />

gleichmäßig hellen Oberfläche ausgesetzt ist, in allen<br />

<strong>Augen</strong> anzutreffen sind... Manchmal sind sie dem Patienten<br />

lästig oder beunruhigen ihn, aber sie haben keinerlei Bedeutung.<br />

.. Sie treten auf und stören den Patienten so lange, bis<br />

er aufhört, nach ihnen zu suchen, und so ihr Vorhandensein<br />

vergißt. 13<br />

Diese physiologische Erklärung mag weitgehend zutreffend sein,<br />

aber ich vermute, daß doch noch mehr dahintersteckt. Manchmal<br />

scheint es so, als ob wir tatsächlich in <strong>die</strong> vibrierende Essenz<br />

materieller Realität hineinblicken können. Wenn «feste» Körper<br />

tatsächlich aus Vibrationswellen im leeren Raum bestehen, wie<br />

können wir dann sicher sein, daß wir nicht fähig sind, <strong>die</strong>se<br />

Energie zu sehen?<br />

Eine Bewußtseinsforscherin (eine Heilige, <strong>die</strong> unter dem Namen<br />

«Mutter» bekannt wurde) berichtete, daß sie «in eine Unermeßlichkeit<br />

ohne Grenzen, ohne Form» fiel. «Sie war allmächtig,<br />

von unendlicher Reichhaltigkeit. Diese Unermeßlichkeit bestand<br />

wie aus unzähligen unmerklichen Punkten - Punkte, <strong>die</strong> keinen<br />

Raum belegen - von dunklem, warmem Gold. All das war absolut<br />

lebendig, lebte mit einer scheinbar unendlichen Macht. Dennoch<br />

war es unbewegt. Eine vollkommene Unbewegtheit, aber mit<br />

einer Intensität der Bewegung und des Lebens!... Es war... wie<br />

ein Stäuben. ... eine Vielzahl kleiner goldener Punkte, nichts als<br />

das.» Ihr Biograph bemerkte dazu: «Plötzlich schien Mutter in <strong>die</strong><br />

atomare Ebene vorgestoßen zu sein oder ihr Körper <strong>die</strong> Quantenphysik<br />

zu erleben.» 14<br />

Vielleicht hatte Jack Schwarz recht; vielleicht können wir tatsächlich<br />

viel mehr sehen als wir meinen. Beispielsweise nehmen<br />

wir an, daß <strong>die</strong> Luft um uns her unsichtbar ist, aber ist sie es<br />

236


wirklich? Wenn wir auf eine ebenmäßige Hintergrundsfläche<br />

blicken, gibt es dort nichts, was fokussiert werden könnte, und <strong>die</strong><br />

spontane Reaktion hierauf wäre möglicherweise das Sehen mit<br />

Offenem Fokus. Die Sehweise Offener Fokus vermag eine vollkommen<br />

neue Welt dynamischer Energie zu offenbaren. Nachdem<br />

ich meinen Fokus geöffnet hatte, um das ganze Gesichtsfeld<br />

wahrzunehmen, sah ich überall, wohin ich auch blickte, umherwirbelnde,<br />

blendende Energiekonfigurationen.<br />

Die meisten Menschen vermögen <strong>die</strong>se «unsichtbare» Energie<br />

wahrzunehmen, aber im allgemeinen ignorieren wir sie. Vielleicht<br />

wollen Sie in <strong>die</strong>sem Zusammenhang das folgende kleine Experiment<br />

versuchen: Wenn Sie eine Sehhilfe tragen, dann legen Sie sie<br />

ab. Nun blicken Sie weich auf einen ebenmäßigen Hintergrund,<br />

zum Beispiel auf eine leere Wand und öffnen Ihren Fokus, damit<br />

Ihre <strong>Augen</strong> sich spontan bewegen und Sie in Ihrem Gesichtsfeld<br />

alles mit gleicher Klarheit sehen können. Nehmen Sie, während<br />

Ihre <strong>Augen</strong> frei umherwandern, «in der Luft» alles wahr, was Sie<br />

zu sehen vermögen - blicken Sie in <strong>die</strong> Luft hinein, statt an ihr<br />

vorbei. Vielleicht bemerken Sie eine Art bewegliche Struktur<br />

oder ein weiches Schimmern. Gestatten Sie Ihren <strong>Augen</strong>, <strong>die</strong>sem<br />

Schimmern eine Zeitlang zu folgen. Ein Teil dessen, was Sie<br />

wahrnehmen, scheint vielleicht in Ihren <strong>Augen</strong>, ein anderer in der<br />

Luft seinen Ursprung zu haben. Möglicherweise nehmen Sie auch<br />

feine Wellenformen wahr, <strong>die</strong> keinen festen Platz haben.<br />

Diese Übung hat es Ihnen ermöglicht, einen Aspekt der Realität<br />

deutlich wahrzunehmen, der normalerweise deshalb unsichtbar<br />

ist, weil wir mit unserem zentralen Fokus - unserem inneren<br />

Auge, das sich anstrengt, um zu sehen - an ihm vorbei oder durch<br />

ihn hindurchblicken. Das Tragen von Korrekturgläsern versperrt<br />

Ihnen auch <strong>die</strong>sen Gesichtspunkt des Sehens. Das ist der Grund,<br />

warum viele Menschen, <strong>die</strong> eine Weile auf ihre Brille verzichtet<br />

haben, feststellen, wie «flach» und «leer» ihr Sehen sich anfühlt,<br />

wann immer sie <strong>die</strong> Brille wieder aufsetzen.<br />

Beim Sehen mit Offenem Fokus funkelt <strong>die</strong> ganze Welt und<br />

hallt vor Leben wider. Dieses Schimmern scheint eine Lebensenergie<br />

zu sein, <strong>die</strong> alles umgibt und durchdringt, sogar den<br />

237


«leeren Raum». Könnte <strong>die</strong>se vibrierende Energie ein Aspekt der<br />

Quantenrealität sein, aus der sich alles im Universum zusammensetzt?<br />

Sie scheint jedenfalls <strong>die</strong> gleiche Energie zu sein, <strong>die</strong> unsere<br />

Auras und unsere Energiefelder füllt.<br />

Ich habe festgestellt, daß <strong>die</strong> meisten Menschen, indem sie das<br />

Sehen mit Offenem Fokus praktizieren, lernen können, Auras<br />

und unsichtbare Energie wahrzunehmen oder zu spüren. Sobald<br />

wir jedoch <strong>die</strong>ses neue Sehvermögen analysieren, verschwindet<br />

unsere Fähigkeit, das Unsichtbare wahrzunehmen, vorübergehend.<br />

Sie scheint einen besonderen Zustand des Geistes, eine<br />

gewisse meditative Bewußtheit vorauszusetzen. Sobald wir herauszufinden<br />

versuchen, wie es funktioniert, ist es vorbei. Indem<br />

wir nach Beweisen suchen, gelangen wir in einen urteilenden<br />

Zustand und verlassen <strong>die</strong> Sehweise Offener Fokus.<br />

Wir haben uns daran gewöhnt, einen Großteil der Informationen,<br />

<strong>die</strong> durch unsere «normalen» Sinne zu uns kommen - ganz zu<br />

schweigen von außersinnlichen Wahrnehmungen -, zu ignorieren<br />

oder zurückzuweisen. Jedesmal, wenn wir <strong>die</strong> Zeugnisse unserer<br />

Sinne unterdrücken, läßt ihre Empfindungsfähigkeit nach. Indem<br />

wir <strong>die</strong> Brille abnehmen, unser Sehen klären und lernen, das<br />

Unsichtbare wahrzunehmen, kehren wir <strong>die</strong>sen Prozeß um. Wir<br />

richten unsere Aufmerksamkeit wieder auf <strong>die</strong> Informationen,<br />

<strong>die</strong> wir zuvor abgelehnt haben, weil sie nicht in unsere Vorstellung<br />

von der Wirklichkeit paßten. Hier folgt eine Übung, um <strong>die</strong>se<br />

Empfindungsfähigkeit wieder zu erhöhen:<br />

Praktizieren Sie das Sehen mit Offenem Fokus, wann immer Sie<br />

Menschen, Tiere oder Pflanzen betrachten. Nehmen Sie wahr,<br />

auf welche Weise Sie von <strong>die</strong>ser unsichtbaren Energie umgeben<br />

sind, <strong>die</strong> Sie in der vorangegangenen Übung vor der ebenmäßigen<br />

Hintergrundsfläche gesehen haben. Achten Sie darauf, wovon<br />

Ihre <strong>Augen</strong> angezogen werden und auf alle Eindrücke, <strong>die</strong> sich<br />

Ihrem Bewußtsein aufdrängen. Versuchen Ihre <strong>Augen</strong>, Ihnen<br />

eine Mitteilung über <strong>die</strong>se Person zu machen? Spüren Sie, daß<br />

Ihre Energie in bestimmten Bereichen offen fließt oder blockiert<br />

ist?<br />

Vor allem aber: Vernachlässigen und analysieren Sie nichts von<br />

238


dem, was Sie sehen oder erfahren. Gestatten Sie sich einfach, <strong>für</strong><br />

all Ihre Wahrnehmungen vollkommen offen zu sein.<br />

Indem Sie auf Ihre Brille verzichten und den Vorschlägen<br />

folgen, <strong>die</strong> ich Ihnen im zweiten Teil des Buches gemacht habe,<br />

werden Sie feststellen, daß klares Sehen nur ein Aspekt des<br />

Nutzens ist, den Sie erfahren werden. Zum Beispiel kann sich,<br />

während Ihre Fähigkeit wächst, das Unsichtbare wahrzunehmen,<br />

auch Ihr «Traum-Sehen» verändern. Selbst wenn Sie sich normalerweise<br />

an Ihre Träume nicht erinnern, bleiben Ihnen jetzt<br />

vielleicht Traumbilder im Gedächtnis haften, <strong>die</strong> klarer und<br />

farbiger sind als zuvor. Eine Frau, <strong>die</strong> seit mehreren Monaten ihre<br />

Brillenstärke reduzierte und so oft wie möglich auf ihre Sehhilfe<br />

verzichtete, berichtete von der folgenden Traumerfahrung:<br />

Im Dunkeln ist mein Sehvermögen am schwächsten, und ich<br />

benutze daher noch immer meine Kontaktlinsen, wenn ich<br />

nachts fahren muß. Doch in <strong>die</strong>sem Traum fuhr ich in einer sehr<br />

dunklen Nacht und vermochte dennoch alles mit vollkommener<br />

Klarheit zu sehen. Dies war eine sehr lebendige Traumerfahrung,<br />

und ich fragte mich, warum ich so deutlich sehen konnte,<br />

denn ich wußte, daß ich meine Kontaktlinsen nicht trug. Ich<br />

bemühte mich, es zu verstehen. Dann wurde mir mit einem<br />

Schlag klar - das war mein tatsächliches Sehvermögen - ich<br />

würde immer so deutlich sehen können, wenn ich nur bereit<br />

wäre, meine «gewohnte» Kurzsichtigkeit aufzugeben. Ich erwachte<br />

mit dem deutlichen Gefühl, daß ich einen tiefgreifenden<br />

Durchbruch im Verstehen und Klären meines Sehvermögens<br />

erlebt hatte.<br />

Dieser Traum verweist auf das tiefere Verstehen, zu dem wir<br />

Zugang finden, wenn sich unser Wahrnehmungsfeld öffnet. Mit<br />

<strong>die</strong>ser größeren Empfindungsfähigkeit erkennen wir <strong>die</strong> Chancen<br />

übersinnlichen Heilens oder des Blicks in <strong>die</strong> Zukunft, um nur<br />

zwei Möglichkeiten zu nennen, in denen es darum geht, das<br />

Unsichtbare zu sehen. Tatsächlich habe ich sogar festgestellt, je<br />

mehr wir uns öffnen, desto deutlicher erkennen wir, daß es in<br />

239


unserer Natur liegt, <strong>die</strong> Spanne unserer Möglichkeiten fortwährend<br />

auszudehnen. Scheinbar ist tatsächlich nichts «unmöglich».<br />

Wir legen einfach unsere geistigen Grenzen willkürlich fest und<br />

verschieben sie, wenn unser Bewußtsein sich weitet.<br />

Mit unsichtbarer Energie arbeiten<br />

Nachdem ich mir hatte bestätigen lassen, daß ich keine Netzhautablösung<br />

hatte, begann ich, meine Erfahrung auf dem Schiff<br />

tiefgreifender zu erforschen, und ich erkannte, daß ich angefangen<br />

hatte, Auras zu sehen. Von <strong>die</strong>sem Zeitpunkt an nahm ich <strong>die</strong><br />

Aura der mich umgebenden Menschen häufiger wahr. Das war <strong>für</strong><br />

mich ein aufregender Bereich, über den ich wenig wußte, also<br />

entschied ich, experimentell <strong>die</strong> Auras meiner Klienten zu beobachten,<br />

während ich mit ihnen arbeitete. Ich hatte keinerlei<br />

Vorstellung davon, auf was ich stoßen würde. Ich fing einfach an,<br />

wahrzunehmen und mitzuteilen, was ich sah. Schließlich wurde<br />

mir klar, daß ein einfaches «Lesen» der Aura <strong>die</strong> Informationen<br />

einschränkte, <strong>die</strong> ich empfangen konnte.<br />

Unsere <strong>Augen</strong> sind so beschaffen, daß sie sich auf alles, was<br />

in unserem Wahrnehmungsfeld fehl am Platz ist, einzustellen<br />

vermögen. Da <strong>die</strong> Lebenskraft in und um uns ständig in Bewegung<br />

ist, heißt «fehl am Platz» oft stagnierende, verstopfte Energie.<br />

Verkrampftes Nachdenken und blockierte Gefühle sind <strong>die</strong><br />

am weitesten verbreitete Ursache <strong>für</strong> stagnierende Energie. Solche<br />

Muster scheinen kleine Dämme vor dem Fluß unseres<br />

Bewußtseins zu errichten, den unsere Lebenskraft umfließen<br />

muß. Diese Umwege erzeugen überflüssige Anstrengung und<br />

unnötigen Kampf, und <strong>die</strong>se gewohnten energetischen Blockaden<br />

fuhren schließlich oft zu emotionalen und körperlichen Symptomen.<br />

Meine Fähigkeit, unsichtbare Energien wahrzunehmen, schien<br />

sich noch weit über das Auralesen hinaus auszudehnen. Meine<br />

<strong>Augen</strong> werden automatisch von der Stelle in einem Energiefeld<br />

240


angezogen, wo der Energiefluß der betreffenden Person blockiert<br />

oder verstopft ist. Auf <strong>die</strong>se Weise nehme ich im allgemeinen<br />

noch immer das Energiefeld wahr: Durch eine Art «fühlendes<br />

Sehen» oder «intuitives Spüren», welches oft von symbolischen<br />

Bildern begleitet wird.<br />

Manchmal empfange ich <strong>die</strong> Bilder einfach, ohne eine Vorstellung<br />

von ihrer Bedeutung zu haben, aber im allgemeinen steht das<br />

Bild <strong>für</strong> eine therapeutische Öffnung, <strong>die</strong> entweder <strong>für</strong> mich oder<br />

<strong>für</strong> den Klienten ausgesprochen wichtig ist. Es kann beispielsweise<br />

so aussehen, als sei <strong>die</strong> Brust der Person von einem Pfeil<br />

durchbohrt oder als ob irgendein Teil des Körpers leer oder<br />

ausgehöhlt ist. Egal, um welches Bild es sich handelt, wenn ich es<br />

<strong>für</strong> den Klienten beschreibe, reagiert er gewöhnlich mit einem<br />

«Ja, das ist genau das, was sich dort abspielt» oder «Stimmt.<br />

Genau so fühlt es sich an.»<br />

Als ich vor siebzehn oder achtzehn Jahren erstmals <strong>die</strong>se Bilder<br />

empfing, dachte ich: «Das ist ja lächerlich!» Ich entsinne mich<br />

noch gut daran, als ich zum ersten Mal den Mut aufbrachte, ein<br />

solches Bild mitzuteilen. Damals praktizierte ich noch als Optometrist<br />

und nahm in <strong>die</strong>sem Zusammenhang eine <strong>Augen</strong>untersuchung<br />

an einer Frau vor. Aus irgendeinem Grund wurde meine<br />

Aufmerksamkeit immer wieder von ihrem Hals angezogen, wie<br />

ein Künstler, der beim Betrachten seines Gemäldes immer wieder<br />

an der Stelle hängenbleibt, wo noch etwas verbessert werden<br />

kann. Etwas in ihrem Hals kam mir dunkel oder verstopft vor,<br />

aber ich begriff nicht, worum es sich handelte.<br />

Nachdem <strong>die</strong> Untersuchung abgeschlossen war, hatte ich einfach<br />

das Gefühl, daß ich <strong>die</strong> Frau fragen müßte, was denn mit<br />

ihrem Hals nicht stimmte. Sie begann zu weinen und wollte<br />

wissen: «Wie konnten Sie das ahnen?» Sie teilte mir mit, daß sie<br />

an der Schilddrüse operiert worden war und Schilddrüsenmedikamente<br />

einnahm. Außerdem hatte sie das Gefühl, daß ihre Halsbeschwerden<br />

eine tiefe, unaufgelöste Gefühlsangelegenheit mit<br />

ihrer Mutter ausdrückten, <strong>die</strong> ihren Schilddrüsenbeschwerden<br />

vorangegangen war. Als sie mir <strong>die</strong>s erzählte, sah ich das Bild von<br />

einem Vogel, der aus einem Käfig fliegt. Ich spürte, daß das, was<br />

241


in ihrem Hals eingeschlossen gewesen war, sich nun aufgelöst<br />

hatte.<br />

Den Fluß der unsichtbaren Energie zu unterstützen ist mittlerweile<br />

zum wichtigsten Aspekt meiner Energiearbeit geworden.<br />

Oft, wenn ich mit jemandem in einer Gruppe arbeite, sehen auch<br />

andere den stattfindenden Energieaustausch. Hier folgt <strong>die</strong> Beobachtung<br />

einer Teilnehmerin, <strong>die</strong> zusah, als ich mit einer Frau, <strong>die</strong><br />

ich Jane nennen möchte, arbeitete: «Meine Aufmerksamkeit<br />

wurde angezogen, als ich zum ersten Mal Janes gewaltige Aura<br />

sah, eine sehr weite, weiße, wolkenartige Aura, in der sich Ihre<br />

Hände und Arme in einem wundervollen türkis-grünen Licht<br />

umherbewegten. Das Grün war wie jenes, welches Chirurgen im<br />

Operationssaal tragen - es war so, als ob ich nur Janes Aura und<br />

ein Paar grüne Handschuhe, <strong>die</strong> in der Luft um sie herumflogen,<br />

wahrnehmen konnte.»<br />

Wir alle sind dazu geschaffen, <strong>die</strong>se unsichtbare Energie zu<br />

spüren, aber sie ist nur selten sichtbar, wenn wir Korrekturgläser<br />

tragen. Der erste Schritt zur Arbeit mit Energiefeldern ist das<br />

Ablegen der Brille! Dann fangen Sie einfach an, sich bewußt zu<br />

machen, was Sie sehen, und es mit anderen zu teilen.<br />

Als ich anfing, <strong>die</strong> Auras meiner Klienten zu beobachten, da fiel<br />

mir nur auf, daß sie ständig fluktuieren. Dann bemerkte ich, daß<br />

bestimmte Veränderungen der Aura etwas mit bestimmten Geisteszuständen<br />

und visuellen Schwankungen zu tun haben. Eines<br />

Tages stellte ich fest, daß jedesmal, wenn jemand konzentriert<br />

nachdachte oder etwas analysierte, seine Aura so stark zusammenschrumpfte,<br />

daß sie fast vollständig verschwunden war!<br />

Gleichzeitig nahm häufig auch sein Sehvermögen ab.<br />

Diese Feststellung war ein Schock <strong>für</strong> mich. Ich war bereits<br />

davon überzeugt worden, daß <strong>die</strong> Aura der Spiegel des Energiefeldzustands<br />

ist, wie es <strong>die</strong> alten Seher gelehrt hatten. Wenn <strong>die</strong><br />

Aura sich jedesmal zusammenzieht, sobald wir unsere Gedanken<br />

konzentrieren, dann muß auch <strong>die</strong> Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit<br />

unseres Felds jedesmal abnehmen, wenn wir<br />

denken! Ich fragte mich, was wohl in unserem Geist ablaufen<br />

242


mochte, um so beunruhigende Folgen hervorzurufen. Schließlich<br />

hatte man mir doch beigebracht, daß der logische Gedanke der<br />

Gipfel der Evolution war, der entscheidende Unterschied zwischen<br />

Mensch und Tier. Wie kann es da sein, daß er sich nachteilig<br />

auf den Fluß der Lebensenergie auswirkt?<br />

243


14<br />

Die Wahrheit über das Denken<br />

Es scheint so, als ob ich all meine Zeit mit dem<br />

Versuch zugebracht habe, das Leben rationaler zu<br />

gestalten, und daß <strong>die</strong>se Anstrengung vollkommen<br />

nutzlos war.<br />

A. J. Ayer<br />

Ich habe festgestellt, daß <strong>die</strong> in der Welt am weitesten verbreitete<br />

Abhängigkeit nicht jene von Drogen, Zigaretten oder Alkohol ist;<br />

sie tritt vielmehr immer dann zutage, wenn wir uns Gedanken<br />

hingeben, um unsere Gefühle zu vermeiden. Es fällt uns vielleicht<br />

nicht einmal auf, wenn wir uns so verhalten, aber mit konzentriertem<br />

Nachdenken fällt es uns am leichtesten, Unbehagen, Angst<br />

und Schmerz - und Sehen - auszublenden. Wir haben gelernt, das<br />

Denken als gegeben hinzunehmen; es durchdringt jeden Aspekt<br />

unseres Lebens, und wir verstärken seine dominierende Rolle<br />

noch, indem wir Korrekturgläser tragen. Wir meinen, vorausdenkend<br />

und aufmerksam sein und Pläne machen zu müssen, um<br />

unsere Ziele zu erreichen. Doch lenkt uns all <strong>die</strong>ses Planen und<br />

Denken nur davon ab, das Jetzt zu empfinden, <strong>die</strong> Quelle spontanen<br />

Wissens und der Intelligenz.<br />

Was genau wollen wir mit den Begriffen «denken» und «Verstand»<br />

ausdrücken? Wir sind inzwischen so weit, daß wir mit<br />

<strong>die</strong>sen Wörtern jeden Aspekt unserer Fähigkeit, zu wissen, wahrzunehmen,<br />

zu analysieren oder zu unterscheiden, beschreiben. Es<br />

ist jedoch irreleitend, all <strong>die</strong>se unterschiedlichen Geisteszustände<br />

als «denken» zu beschreiben. Ich habe festgestellt, daß es zwei<br />

grundlegende Arten der Wahrnehmung gibt, <strong>die</strong> mit zwei sehr<br />

unterschiedlichen Aspekten des Geistes in Beziehung stehen.<br />

244


Man könnte sie als zwei Kategorien des Wissens bezeichnen: Als<br />

konzentriertes (oder engstirniges) Denken und als müheloses<br />

(oder offenes) Denken.<br />

Diese beiden Arten des Denkens spiegeln unsere beiden Arten<br />

des Sehens wider: Angestrengtes Sehen (Tunnelblick), welches<br />

<strong>die</strong> Folge eines verengten Gesichtsfelds ist, und müheloses Sehen<br />

(mit Offenem Fokus), welches durch <strong>die</strong> Weitung des Gesichtsfelds<br />

bewirkt wird. Tatsächlich scheint es so, daß <strong>die</strong> Art unseres<br />

Denkens <strong>die</strong> Art unseres Sehens festlegt - wie aus der physiologischen<br />

Verbindung zwischen den <strong>Augen</strong> und dem Gehirn gefolgert<br />

werden könnte. Eine weitere Bestätigung erhalten wir durch den<br />

Verhaltenspsychologen Marcel Just, der sich damit befaßte, wie<br />

<strong>die</strong> Pupille des Auges auf <strong>die</strong> Intensität von Gedanken reagiert.<br />

Seine Forschungsergebnisse zeigen, daß «das Auge eine Art<br />

Meßlatte <strong>für</strong> geistige Energie ist». 1<br />

Um zu begreifen, wie wir sehen, müssen wir untersuchen, wie<br />

wir denken - und <strong>die</strong> Veränderung unserer Denkgewohnheiten<br />

kann zur Verbesserung unserer chronischen Sehbeschwerden<br />

führen. Ein Großteil <strong>die</strong>ser geistig/visuellen Veränderung tritt<br />

spontan auf, sobald wir auf <strong>die</strong> Brille verzichten oder ihre Stärke<br />

reduzieren. Aber wir können ihr Zustandekommen auch fördern,<br />

indem wir <strong>die</strong> Zusammenhänge verstehen. Dann kann Heilung<br />

zugleich in den <strong>Augen</strong> und im Geist erfolgen - indem Sie Ihre<br />

<strong>Augen</strong> unterstützen, vollständiger, heiler zu sehen, helfen Sie<br />

auch ihrem Geist, vollständiger, heiler zu sein, und umgekehrt.<br />

Dr. Bates hat <strong>die</strong>se Zusammenhänge schon vor vielen Jahren<br />

erkannt: «Du kannst andere Leute lehren, wie man Brechungsfehler<br />

hervorbringt, wie man schielt, wie man anstatt eines Bildes<br />

deren zwei, neben- oder übereinander oder auch in einem beliebigen<br />

Winkel zueinander sieht, du kannst <strong>die</strong>s, wenn du <strong>die</strong> Leute in<br />

einer besonderen Art zu denken lehrst.» 2 Sehbeschwerden können<br />

durch den Geist sowohl hervorgerufen als auch behoben<br />

werden.<br />

Das am weitesten verbreitete mentale Muster in unserer Kultur<br />

ist angestrengtes Nachdenken. Auf <strong>die</strong>se Weise verarbeiten wir<br />

lineare Information wie Mathematik und logische Beziehungen<br />

245


wie Ursache und Wirkung. Da wir immer dann angestrengt<br />

nachdenken, wenn wir unterscheiden, analysieren oder urteilen,<br />

ist angestrengtes Nachdenken zur Grundlage fast aller Bereiche<br />

moderner Wissenschaft und Technologie geworden. Es steht mit<br />

unserem zentralen Sehen in Verbindung, mit dem wir zwar<br />

wunderbar fokussieren können, aber da<strong>für</strong> den Blick aufs Ganze<br />

verlieren. Weil angestrengtes Nachdenken der fokussierende<br />

Aspekt unseres Geistes (und unseres Sehens) ist, tritt es immer<br />

dann auf, wenn wir versuchen, uns zu konzentrieren oder es mit<br />

der Angst zu tun bekommen.<br />

Angst ist eine mächtige konzentrierende Kraft <strong>für</strong> unsere Aufmerksamkeit,<br />

und der Wechsel von mühelosem Denken (sich<br />

verbunden fühlen) zu angestrengtem Nachdenken (sich abgespalten<br />

fühlen) steht normalerweise mit Angst in Verbindung. Angst<br />

ist einfach eine natürliche Reaktion wie andere Gefühle auch.<br />

Erst wenn wir uns vor der Angst <strong>für</strong>chten, bleiben wir in ihr<br />

stecken. Um uns von ihr abzulenken, flüchten wir uns statt dessen<br />

in unsere Gedanken. Während sich unsere Wahrnehmung verengt,<br />

verkrampft sich der natürliche Rhythmus unseres Energiefelds<br />

- sein fortwährendes Ausdehnen und Zusammenziehen -,<br />

und wir verlieren einen Großteil unserer Offenheit und Beweglichkeit.<br />

Analytisches Denken ist der vorrangige Geisteszustand der<br />

modernen Gesellschaft, doch ist der analysierende Geist unfähig<br />

zu fühlen, weil Fühlen eine eher globale statt eine lineare Funktion<br />

ist. Daraus folgt, daß <strong>die</strong> meisten Menschen heutzutage nicht<br />

gleichzeitig denken und fühlen können. Doch können wir, wenn<br />

wir denken, ohne zu fühlen, nur einen so geringen Teil unserer<br />

Gesamterfahrung wahrnehmen und verarbeiten! Angestrengtes<br />

Nachdenken ist der gewohnte Geisteszustand eines Menschen mit<br />

eingeengtem Verstand, mit Tunnelblick oder mit verengtem<br />

Bewußtseinsfeld. Wenn wir mit Anstrengung nachdenken, dann<br />

sind wir uns der ganzen Bandbreite unseres Wissens, unserer<br />

Wahrnehmung und unseres Verstehens nicht bewußt, weil wir<br />

den Blick auf das Ganze verlieren. Wir scheinen nur zu einem<br />

winzigen Teil unseres Geistes Zugang zu haben, welchen ich den<br />

246


«lokalen Geist» nenne, weil er sich offenbar auf unser Gehirn<br />

oder unseren Kopf beschränkt.<br />

Auf <strong>die</strong>se fokussierte Weise zu sehen und zu denken, spielt eine<br />

entscheidende Rolle in unserem Leben; das Problem hierbei ist<br />

jedoch, daß wir fast ausnahmslos auf <strong>die</strong>se Methoden vertrauen.<br />

Wie Albert Einstein es ausdrückte: «Die Schwierigkeiten, <strong>die</strong> wir<br />

haben, können nicht auf der gleichen Gedankenebene gelöst<br />

werden, auf der wir uns befanden, als wir sie geschaffen haben.»<br />

Es ist uns entfallen, daß es eine andere, ebenso wichtige Sichtweise<br />

auf der Welt gibt. Wir glauben, daß <strong>die</strong> einzige gültige Art<br />

des Denkens daraus besteht, unser Bewußtsein so stark auf einen<br />

Punkt zu konzentireren, bis wir das Ganze aus den <strong>Augen</strong> verlieren.<br />

Dr. Sampooran Singh, der sich mit der Erforschung des<br />

menschlichen Geist-Gehirn-Systems befaßt, glaubt außerdem,<br />

daß es <strong>für</strong> uns an der Zeit ist, ein Gleichgewicht zu schaffen,<br />

indem wir unsere Kapazität des globalen oder offenen Denkens<br />

erhöhen:<br />

Viele bedeutende Wissenschaftler - unter ihnen Einstein, Heisenberg,<br />

Schrödinger -... sind über eine andere Erscheinungsform<br />

des Wissens gestolpert, <strong>die</strong> persönliche, direkte, intuitive<br />

Einsicht, nichtduales Wissen genannt wird...<br />

Die Menschheit muß nun über den analytischen, fragmentierenden,<br />

immer zerlegenden, vergleichenden, bewertenden<br />

Geist hinausgehen und sich einer anderen Form der Wahrnehmung<br />

zuwenden - dem direkten Verstehen des Lebens oder der<br />

Einsicht und dem intuitiven Wissen um <strong>die</strong> wahre Natur des<br />

Lebens. 3<br />

Offenes Denken transzen<strong>die</strong>rt unseren gewohnten lokalen Geist<br />

und unsere lineare Verarbeitungsweise und gestattet den Zugang<br />

zur Intelligenz des nichtlokalen Geistes, zum großen Ganzen des<br />

Hologramms. Ganzheitliche Intelligenz ist eine Erfahrung, <strong>die</strong><br />

sich von linearem Denken stark unterscheidet - vor allem ist sie<br />

fähig zu fühlen. Sie hat «<strong>die</strong> Befähigung, das Leben direkt zu<br />

247


egreifen oder Intuition zu erfahren oder <strong>die</strong> Ganzheitlichkeit des<br />

Lebens. (Sie) hält <strong>die</strong> spirituelle Intuition am Leben. Die Wahrnehmung<br />

der Ganzheitlichkeit befördert <strong>die</strong> Welt der Bedeutung<br />

und der Werte, eine neue ethische Weltanschauung.» 4<br />

In dem Versuch, klarer zu unterscheiden, versucht lineares<br />

Denken, den Gedanken von anderen Formen der Wissenserlangung<br />

(wie mittels Impulsen, Gefühlen und Intuitionen) abzutrennen.<br />

Ganzheitliche Intelligenz jedoch vereinigt all <strong>die</strong>se Quellen<br />

der Einsicht zu einer «ganzheitlichen Wissenserfahrung». Durch<br />

<strong>die</strong>se entstehen Gedanken und Vorstellungen spontan aus dem<br />

berühmten Gefühl im Bauch auf <strong>die</strong> gleiche Weise wie Neurotransmitter<br />

in unseren Zellen. Eine Unterscheidung findet noch<br />

immer statt, jedoch als eine Form des mühelosen Wissens, welches<br />

seinen Ursprung auf einer höheren Wahrnehmungsebene<br />

hat, als dem lokalen Geist zugänglich ist.<br />

In unseren Träumen erfolgt unsere Wahrnehmung und unser<br />

Denken im allgemeinen holographisch - im Sinne von ganzheitlichen<br />

Einheiten. Viele Träume scheinen eher aus einander<br />

überlappenden Gedanken-, Gefühls- und Ereigniseinheiten zu<br />

bestehen, als aus einer logischen Folge von Gedanken oder<br />

Ereignissen. Aus <strong>die</strong>sem Grund sind manche von ihnen <strong>für</strong> unseren<br />

linear arbeitenden Verstand nach dem Erwachen so außerordentlich<br />

schwer zu entschlüsseln. Existiert kein klarer Erzählstrang,<br />

so versucht unser linearer Verstand dem, was sich wie eine<br />

chaotische Traumerinnerung anfühlt, eine Ordnung aufzuprägen.<br />

Selbst in Träumen, <strong>die</strong> wie Geschichten wirken, können wir<br />

gleichzeitig mehrere Rollen in parallelen Erzählsträngen spielen.<br />

Vielleicht erwachen wir nach solchen Träumen mit einem Gefühl<br />

der Enttäuschung, weil sich das holographische Traumbewußtsein<br />

so viel tiefer und reicher anfühlt als unser alltägliches (lineares)<br />

Bewußtsein.<br />

Weitere Beispiele holographischen Denkens finden sich in<br />

jüngsten Forschungsergebnissen zu Reisen außerhalb des Körpers<br />

und zu Nahtoderfahrungen. Obwohl <strong>die</strong>se Bereiche im allgemeinen<br />

noch immer von den Vertretern der offiziellen Wissenschaft<br />

zurückgewiesen werden, hat doch <strong>die</strong> wachsende Zahl hochquali-<br />

248


fizierter Untersuchungen ein klares und folgerichtiges Bild dessen<br />

geliefert, wie holographisches Denken funktioniert. Robert Monroe,<br />

der Autor von Der Mann mit den zwei Leben und Der zweite<br />

Körper und Begründer eines bahnbrechenden Instituts zur Erforschung<br />

von Reisen außerhalb des Körpers, berichtet, daß holographisches<br />

Denken <strong>die</strong> Kommunikationsmethode ist, <strong>die</strong> bei<br />

Außer-Körper-Erfahrungen beziehungsweise bei Exkursionen,<br />

so der wissenschaftliche Begriff, angewendet wird. Er bezeichnet<br />

sie als «Gedankenbälle» oder als nonverbale Kommunikation:<br />

(Nonverbale Kommunikation) ist weit mehr als das, was wir<br />

gewöhnlich als Körpersprache, Telepathie, Hellsehen (etc.)<br />

bezeichnen. Wir sagen, ein Bild sei tausend Wörter wert. Ein<br />

farbiges Bild ist zehntausend Wörter gut. Ein bewegtes farbiges<br />

Bild zählt vielleicht fünfzigtausend Wörter, und <strong>für</strong> ein sprechendes<br />

bewegtes farbiges Bild stehen in der Informationsübertragung<br />

und/oder Kommunikation hunderttausend Wörter.<br />

Nonverbale Kommunikation ist im Vergleich zu einem sprechenden<br />

bewegten farbigen Bild ein Quantensprung. Sie ist<br />

eine direkte sofortige Erfahrung und/oder unmittelbares Wissen,<br />

welches von einem intelligenten Energiesystem ausgesendet<br />

und von einem anderen empfangen wird. 5<br />

Über Nahtoderfahrungen schreibend, bestätigt Michael Talbot<br />

Monroes Beschreibung: «Menschen, <strong>die</strong> in <strong>die</strong>ser Wunderwelt<br />

(der Nahtoderfahrungen) leben... verständigen sich mit telepathischen<br />

.» 6<br />

Es scheint ein universelles Hologramm zu geben, das größte<br />

Ganze, von dem unser Geist etwas empfangen kann, welches <strong>die</strong><br />

ultimative Quelle der Intelligenz, des Wissens ist. Ich bin davon<br />

überzeugt, daß <strong>die</strong>ses ultimative Bewußtsein ununterbrochen<br />

Informationen aussendet, auf ähnliche Weise wie <strong>die</strong> Sonne ihre<br />

Energie ausstrahlt. Ist unser Feld offen, dann empfangen wir<br />

Information intuitiv als «Informationspaket» oder «Gedankenball»,<br />

was spontan zu einer ganzheitlichen Reaktion führt - aus<br />

dem Bauch heraus. Anders ausgedrückt, wenn unser Feld offen<br />

249


ist, dann müssen wir niemals nachdenken, um zu wissen. Der<br />

spontane Fluß des Annehmens und Reagierens bedarf keiner<br />

linearen Verarbeitung. Tatsächlich wird angestrengtes Nachdenken<br />

den Fluß sofort unterbrechen. Im Vergleich zu ganzheitlichem<br />

Denken wirkt lineares Denken flach und fast mechanisch.<br />

In der Regel setzen wir Nachdenken mit Konzentration gleich,<br />

aber Denken verlangt zielgerichtetes Fokussieren ebensowenig<br />

wie Sehen. In der Tat gelingt es uns möglicherweise, <strong>die</strong> kompliziertesten<br />

Informationsebenen zu verarbeiten, indem wir unseren<br />

Gedanken gestatten, ihrer inneren Ordnung gemäß und ohne<br />

Anstrengung zu fließen. Dieser Fluß des Wissens zeichnet künstlerische<br />

Kreativität und Genie in allen Bereichen aus, warum also<br />

gehen wir davon aus, daß offenes Denken weniger intelligent ist<br />

als angestrengtes Nachdenken?<br />

Bei offenem Denken lassen wir nahezu all unsere festgefügten<br />

Vorstellungen, Erwartungen und Urteile zurück. Tatsächlich<br />

fühlt es sich im Vergleich zu angestrengtem Nachdenken beinahe<br />

so an, als ob wir gar keinen Verstand hätten. Wir sind so sehr an<br />

<strong>die</strong> engen Scheuklappen unseres lokalen Verstandes gewöhnt,<br />

daß uns nicht klar ist, wie sehr sie unsere Wahrnehmung einschränken.<br />

Bei offenem Denken fühlt sich unser Bewußtsein<br />

mühelos und unbegrenzt an, so, als ob wir Zugang zum unendlichen<br />

Geist Gottes hätten.<br />

Der geistige Prozeß des offenen Denkens ist <strong>die</strong> Parallele zum<br />

visuellen Prozeß des Sehens mit Offenem Fokus. Wann immer wir<br />

uns in <strong>die</strong> Sehweise Offener Fokus begeben oder einfach voll und<br />

ganz anwesend sind, beginnen wir auch, mühelos zu denken.<br />

Dann erkennen wir durch unsere eigene Erfahrung, daß unser<br />

Geist genauso wie unsere <strong>Augen</strong> keiner Richtungsweisung oder<br />

Kontrolle bedarf. Ein weiterer machtvoller Zugang zur Öffnung<br />

unseres Geistes ist <strong>die</strong> Bewegung (womit sich <strong>die</strong> abschließenden<br />

Kapitel detailliert auseinandersetzen).<br />

Wir glauben, daß lineares Denken der größte Evolutionssprung<br />

ist, der uns <strong>die</strong> «Kontrolle» über das Leben auf Erden gegeben hat<br />

- aber worüber denken wir tatsächlich <strong>die</strong> meiste Zeit nach? Im<br />

allgemeinen machen wir uns einfach Sorgen und versuchen, «<strong>die</strong><br />

250


Kontrolle aufrechtzuerhalten», indem wir wie besessen wie ein<br />

Hamster in einem Tretrad laufen. Besorgnis und angestrengtes<br />

Nachdenken sind einfach ein Anzeichen da<strong>für</strong>, daß wir uns nicht<br />

sicher genug fühlen, um der instinktiven Weisheit unseres<br />

«Bauchverstandes» zu vertrauen, was schließlich zu einer unaufhörlichen<br />

inneren Wiederholung unseres Lebens führt.<br />

Ich höre Leute oft sagen: «Ich bin verwirrt.» Was hat das zu<br />

bedeuten? Gibt es wirklich so etwas wie «Verwirrung»? Sobald<br />

wir nachdenken, nimmt unser Bewußtsein ab. Wir haben zu viel<br />

Angst, um klar zu denken, und wir denken zu angestrengt nach,<br />

um zu fühlen, wieviel Angst wir haben. In <strong>die</strong>ser Situation sagen<br />

wir vielleicht: «Ich bin verwirrt.» Wenn wir es oft genug wiederholen,<br />

dann glauben wir vielleicht, daß <strong>die</strong>s wirklich zutrifft. Doch in<br />

Wahrheit sind einfach nur unsere Gedanken so aktiv, daß wir<br />

unsere Gefühle nicht mehr spüren können. Möglicherweise sagen<br />

wir auch: «Ich bin verwirrt», wenn wir wissen, was wir sehen oder<br />

tun wollen, aber uns zu sehr <strong>für</strong>chten, um es zu sehen oder zu tun! ,<br />

Wenn <strong>die</strong>s der Fall ist, können wir keine Bewegung machen und<br />

keine Entscheidung treffen, ohne daß <strong>die</strong> Angelegenheit «hinauf<br />

zur Prüfungskommission» geschickt wird, wo sie endlos diskutiert<br />

wird. Wir vergleichen <strong>die</strong> Gegenwart mit unserer begrenzten<br />

Erinnerung an <strong>die</strong> Vergangenheit und projizieren sie in <strong>die</strong><br />

Zukunft. Wir vergessen, daß eine vollständige Auflösung unserer<br />

«Verwirrung» nicht möglich ist, ohne den Zugang zur ganzheitlichen<br />

Weisheit in der Gegenwart zu sehen. Auf <strong>die</strong>se Weise halten<br />

wir uns oft in Zweifeln und Verwirrung gefangen.<br />

Gegen Ende seines Lebens begann sich der «visionäre Physiker»<br />

David Böhm auf das Problem des Denkens zu konzentrieren:<br />

Denken, so schlug er vor, ist der Teufel, der uns in unsere<br />

augenblickliche Krise geführt hat. Das Denken hat unsere<br />

undurchführbaren Gesetze erschaffen. Weil das Denken keine<br />

unmittelbare Rückmeldung aus der physischen Welt bekommt,<br />

ist es wahrlich eine Kanone, <strong>die</strong> leicht losgeht.<br />

Bedenken Sie: Wenn wir gehen lernen, ...dann erhalten wir<br />

eine unmittelbare und unbarmherzige Rückmeldung. Wir rut-<br />

251


sehen aus, schlagen hin, stoßen uns, fallen..., und wir lernen<br />

dabei. Für einen verirrten Gedanken existiert jedoch keine<br />

derartige Rückmeldung. Wenn wir erwachsen sind, haben wir<br />

gelernt, geschickt eine volle Teetasse zu heben, aber wir haben<br />

keine Möglichkeit, um herauszufinden, ob \insere Vorstellungen<br />

wasserdicht sind. Unser Denken kann volHg^daneben<br />

sein und ist es auch oft genug, aber unser Gehirn schreit dann<br />

nicht «Autsch!» oder «Daneben!» 7<br />

Wir erhalten keine unmittelbare Rückmeldung, und unglücklicherweise<br />

haben wir uns dadurch eine Welt erschaffen, welche<br />

<strong>die</strong> falsche Vorstellung reflektiert, daß wir nur dann lernen und<br />

erfolgreich sein können und von unseren Mitmenschen geliebt<br />

werden, wenn wir angestrengt nachdenken. Diese Vorstellung hat<br />

einen Teufelskreis aus angestrengtem Nachdenken geschaffen, da<br />

sie den Glauben verstärkt, daß das Leben ein unablässiger Kampf<br />

ist. Immer wenn wir angestrengt nachdenken, halten wir den<br />

Atem zurück, der <strong>die</strong> Lebenskraft transportiert, und zerstören<br />

damit auf subtile Weise unser Körper-Geist-System. Am Ende<br />

finden wir uns in einer Welt voller Probleme wieder, <strong>die</strong> verursacht<br />

werden, weil wir in unseren Köpfen leben und währenddessen<br />

den Atem anhalten.<br />

Durch angestrengtes Nachdenken zerstören wir <strong>die</strong> Beziehung<br />

zu uns selbst wie auch zu unserer Außenwelt. Wir fesseln unseren<br />

Atem, sperren unsere spontane Weisheit aus, lassen unser Energiefeld<br />

zusammenschrumpfen und segmentieren unser Bewußtsein.<br />

Da wir den Zugang zu mühelosem Wissen verlieren, können<br />

wir auch nicht mehr leicht lernen und klar sehen. Wir sind<br />

abgetrennt von der Welt, abgetrennt von anderen und abgetrennt<br />

von uns selbst.<br />

Ich habe an vielen Optometrie-Konferenzen teilgenommen.<br />

Ich konnte <strong>die</strong> Vorgänge dort nie ganz begreifen: Sie löschten alle<br />

Lichter aus, projizierten eine Reihe von Dias auf eine Leinwand<br />

und füllten unsere Köpfe mit Statistiken. Manche der Zuhörer im<br />

Auditorium schliefen darüber ein, andere saßen einfach ruhig da<br />

und taten so, als ob sie nicht gelangweilt wären. Ich fragte mich<br />

252


immer wieder: «Ist <strong>die</strong>sen Ärzten denn nicht klar, daß sie das<br />

Heilmittel sind und nicht ihre Information?» Wir erhielten Informationen,<br />

aber wir begriffen nie <strong>die</strong> wirkliche Botschaft dahinter<br />

- deren Präsenz. Solche Präsentationen blieben mir hinterher nie<br />

lange im Gedächtnis haften; sie gingen mir zum einen Ohr hinein<br />

und zum anderen wieder hinaus. Mein Körper-Geist-System hatte<br />

nichts gehört, was wert war, erinnert zu werden.<br />

Ich erinnere mich, daß ich in der Schule das gleiche Dilemma<br />

hatte. Obwohl ich mich bemühte «aufzupassen», war mir instinktiv<br />

klar, daß der Unterrichtsstoff nichts mit meinen tatsächlichen<br />

Bedürfnissen und Interessen zu tun hatte. Später kam ich durch<br />

meine Arbeit als Berater <strong>für</strong> Sehprobleme bei Kindern wieder in<br />

Schulen. Mir fiel auf, daß Kinder ein weniger stark ausgebildetes<br />

lineares Denkvermögen haben als Erwachsene; wenn sie nicht in<br />

ihrer Gesamtheit an dem Lernprozeß interessiert werden können,<br />

langweilen sie sich einfach. Ich arbeitete mit Kindern, <strong>die</strong> eine<br />

Reihe von Fehlsichtigkeiten ausgebildet hatten, und <strong>die</strong> meisten<br />

von ihnen wurden auf <strong>die</strong> eine oder andere Weise als «lernbehindert»<br />

eingestuft. Ich begann mich zu fragen, ob nicht <strong>die</strong> Epidemie<br />

von Sehproblemen und Lernbeschwerden in unseren Schulen<br />

etwas damit zu tun haben kann, wie wir Kinder im Denken<br />

schulen.<br />

253


15<br />

Müheloses Sehen, müheloses Lernen<br />

Es ist <strong>für</strong> das Auge ebenso natürlich zu sehen wie<br />

<strong>für</strong> den Geist, Wissen zu erwerben, und jede<br />

Anstrengung in beiden Fällen ist nicht nur nutzlos,<br />

sondern führt auch nicht zum Ziel.<br />

William Bates<br />

Wie das Denken so ist auch <strong>die</strong> Fähigkeit des Lernens auf das<br />

innigste mit unserer Art des Sehens verbunden: Neunzig Prozent<br />

dessen, was wir lernen, nehmen wir durch unsere <strong>Augen</strong> auf.<br />

Alles, was unsere visuelle Informationsverarbeitung beeinflußt,<br />

wirkt sich auch auf unser Lernpotential aus. Die meisten Menschen<br />

wissen nicht, daß es sich bei klarem Sehen nur um eine<br />

von vielen Sehfähigkeiten handelt, <strong>die</strong> zum Lesen und Lernen<br />

erforderlich ist. Optometristen, <strong>die</strong> sich mit dem Sehenlernen<br />

beschäftigen, haben herausgefunden, daß «achtzig Prozent der<br />

(... Kinder, <strong>die</strong> beim Lesen eine oder zwei Stufen<br />

hinter ihren Altersgenossen zurückliegen) unter Schwierigkeiten<br />

bei der Kontrolle und Koordination ihrer <strong>Augen</strong> leiden.» 1 Und<br />

«Kinder, denen <strong>die</strong> Kontrolle und Koordination ihrer <strong>Augen</strong><br />

schwer fällt, haben oft eine größere Sehschärfe als der Durchschnitt.<br />

2<br />

Zu den übrigen Fertigkeiten, <strong>die</strong> zum Lesenlernen erforderlich<br />

sind, gehören «<strong>die</strong> Fähigkeit der <strong>Augen</strong>, im Team und koordiniert<br />

zu verfolgen und zu fokussieren (wie auch) visuelle Unterscheidung,<br />

Formwahrnehmung, visuelles Gedächtnis und <strong>die</strong> Zusammenführung<br />

visueller Informationen mit den Wahrnehmungen<br />

anderer Sinnessysteme.» 3 Tatsächlich nennt ein <strong>Augen</strong>arzt sogar<br />

254


zwanzig visuelle Fertigkeiten, <strong>die</strong> notwendig sind, um ohne Streß<br />

zu lesen.<br />

Unglücklicherweise prüfen <strong>Augen</strong>spezialisten viele <strong>die</strong>ser entscheidenden<br />

Fertigkeiten in der standardisierten <strong>Augen</strong>untersuchung<br />

nicht, und so werden <strong>die</strong> meisten der visuell bedingten<br />

Lernstörungen nie als solche erkannt. Doch können ihre Auswirkungen<br />

durchaus ernst sein, da das Kind, welches nicht ohne<br />

bedeutenden visuellen Streß lesen kann, häufig den Mut verliert<br />

und enttäuscht ist: «Eltern und Lehrer bezeichnen oft Kinder als<br />

dumm, faul, unmotiviert, aufmerksamkeitsheischend oder als<br />

schlechte Schüler, während sie in Wahrheit unter einem unentdeckten<br />

Sehfehler leiden. Solche Kinder werden vielfach zu<br />

Aussteigern - nicht nur aus der Schule, sondern aus einem<br />

erfüllten Leben.» 4<br />

Mangelnde Sehfertigkeiten führen häufig zu einer geringen<br />

Selbsteinschätzung und zu Schwierigkeiten, mit dem Leben im<br />

allgemeinen fertig zu werden: «Leseversagen... übertragen auf<br />

<strong>die</strong> Schule (achtzig Prozent der Schularbeit hängt von guter<br />

Lesefähigkeit ab) ... führt schließlich zu Analphabetentum...<br />

erhöhter Ausfall(quote), Drogenmißbrauch und Kriminalität.» 5<br />

Dr. Stanley Kaseno, ein Sehtherapeut, der umfassend mit jugendlichen<br />

Kriminellen gearbeitet hat, sagt: «Wir haben eine unbeschränkte<br />

Wechselbeziehung zwischen Sehstörungen, Lesebeschwerden<br />

und Jugendkriminalität ermittelt. (Und kein Interventions-)<br />

Programm ist erfolgreich, ohne daß der Jugendliche lernt,<br />

zu lesen und problemorientiert zu denken.» 6<br />

Eine effektive und relativ günstige Behandlung ist jedoch<br />

durchaus möglich. Raymond Gottlieb geht davon aus, «daß<br />

neunzig Prozent der... Sehbeschwerden in Zusammenhang mit<br />

Leseschwächen behoben werden können.» 7 Visuell bedingte<br />

Lernschwächen werden in der von Verhaltensoptometristen praktizierten<br />

Sehtherapie behandelt. Sehtherapie basiert auf der Verbindung<br />

zwischen Sehen und Denken: «Wenn Ihre <strong>Augen</strong> durch<br />

einen Optometristen untersucht werden, der Sehtherapie praktiziert,<br />

so kommt <strong>die</strong>s tatsächlich einer Untersuchung Ihrer Gehirnfunktionen<br />

gleich. (...) (Der Optometrist) arbeitet in Wahrheit<br />

255


mit dem Gehirn, dem zentralen Kontrollorgan des Körpers.» 8 Ein<br />

anderer <strong>Augen</strong>arzt bezeichnet Sehtherapie als «eine Art intellektuelles<br />

Training von lebenswichtiger Bedeutung». 9<br />

Sehtherapie beeinflußt mehr als nur unsere Lernfähgikeiten:<br />

«Neue <strong>Augen</strong>bewegungsmuster können auf gleiche Weise in ein<br />

besser im Fluß befindliches Leben umgesetzt werden wie <strong>die</strong><br />

gewohnte visuelle Überanstrengung und Überwachsamkeit sich<br />

zu psychischen und körperlichen Spannungen wandelt.» 10<br />

Tatsächlich nehmen visuell bedingte Lernschwierigkeiten in<br />

unserem Geist auf der Ebene des Bewußtseins ihren Anfang -<br />

Bewußtheit scheint <strong>die</strong> zugrundeliegende Quelle von Lern- wie<br />

Sehproblemen gleichermaßen zu sein. Die Art, wie wir sehen, ist<br />

nur der Spiegel da<strong>für</strong>, wie wir denken, mit Informationen umgehen<br />

und sie verarbeiten. Wenn wir eine Lücke oder eine<br />

Verkehrtheit in unserem Bewußtsein entwickeln, überträgt sich<br />

<strong>die</strong>ser Bruch auf unser Sehen, was sich wiederum auf unsere<br />

Fähigkeit auswirkt, neue Informationen zu empfangen, und damit<br />

einen Teufelskreis der perzeptiven und kognitiven Beschwerden<br />

schafft. Sowohl Seh- als auch Lernprobleme haben ihren Ursprung<br />

in einer viel grundlegenderen Ebene, als das visuelle<br />

System es darstellt, und wir können beide wirkungsvoll transformieren,<br />

wenn wir ihre Quelle in unserem Bewußtsein ansprechen.<br />

Achtgeben<br />

Am lebhaftesten sehen wir <strong>die</strong> Auswirkungen von angestrengtem<br />

Nachdenken in den Klassenzimmern der Grundschulen. Wenn<br />

Kinder eingeschult werden, drücken sie sich meist noch frei aus.<br />

Aber da sie bald herausfinden, daß sie, um geliebt und belohnt zu<br />

werden, lernen müssen, erst nachzudenken, bevor sie sprechen,<br />

werden sie im allgemeinen zu fragmentierenden Denkern,<br />

zögernden Lesern und manchmal sogar zu stotternden Sprechern.<br />

Kinder finden schnell heraus, daß sie nicht <strong>für</strong> ganzheitliches<br />

Denken anerkannt und geachtet werden, sondern da<strong>für</strong> daß sie<br />

256


ihren Verstand von ihren Intuitionen abschneiden und ihre ganzheitliche<br />

Wahrnehmung in «Wissenssegmente» zerstückeln.<br />

Das Stottern ist ein extremes Beispiel <strong>für</strong> <strong>die</strong>se Fragmentierung.<br />

Ich habe mit vielen stotternden Kindern gearbeitet. Es ist<br />

sehr interessant: Sie stottern nicht, wenn sie singen oder sich frei<br />

bewegen beziehungsweise atmen. Zuerst fragte ich mich, warum<br />

das so ist. Dann wurde mir klar, daß sie nicht angestrengt<br />

nachdenken können, während sie <strong>die</strong>sen das ganze Gehirn fordernden<br />

Aktivitäten nachgehen. Sprachliches Stottern scheint das<br />

Spiegelbild eines Bewußtseinsstotterns zu sein, einer fortwährenden<br />

Unterbrechung unserer Beziehung zur Welt.<br />

Man hat uns beigebracht zu lernen, indem wir «achtgeben»,<br />

doch während wir uns bemühen, angestrengt nachzudenken,<br />

bricht unser Feld zusammen und unsere Wahrnehmung verengt<br />

sich. Ein geschrumpftes Energiefeld kann hereinkommende<br />

Informationen nur wie ein Kassettenrecorder verarbeiten, indem<br />

es sie aufnimmt und wieder abspielt. Wir sind nicht dazu in der<br />

Lage, Informationen wirklich aufzunehmen, es sei denn, unser<br />

Wahrnehmungsfeld ist entspannt und offen. Ich begann, mich mit<br />

der Frage zu beschäftigen, wie man während des Lernens einen<br />

erweiterten Bewußtseinszustand aufrechterhalten könnte.<br />

Eines der größten Mißverständnisse in bezug auf Denken,<br />

Sehen und Lernen ist <strong>die</strong> Vorstellung, daß man sich, damit <strong>die</strong>se<br />

Funktionen bestens arbeiten, anstrengen muß. Wir haben bereits<br />

gesehen, aufweiche Weise Anstrengung klares Sehen und unsere<br />

Intelligenz einschränkt - und gleiches gilt auch <strong>für</strong> das Lernen.<br />

Kinder wissen von selbst, wie man global denkt und mühelos<br />

lernt. Man muß ihnen nur gestatten, <strong>die</strong>se angeborenen Fähigkeiten<br />

einzusetzen. Jeder von uns scheint so beschaffen zu sein, daß<br />

er bestimmte Themen wie ein Schwamm aufsaugt. Andere Themen<br />

langweilen uns vielleicht zu Tode, vor allem wenn sie uns wie<br />

zusammenhanglose Fragmente linearer Informationen beigebracht<br />

werden, <strong>die</strong> von geringer Bedeutung <strong>für</strong> unsere eigenen<br />

Erfahrungen sind.<br />

Unser Erziehungssystem versucht, den Geist der Kinder einem<br />

standardisierten Lernprozeß anzupassen (genauso wie <strong>Augen</strong>-<br />

257


ärzte unser Sehvermögen «korrigieren», bis es der Norm entspricht).<br />

Es leugnet das Bedürfnis der Kinder, ihre Bedeutung<br />

und ihren Sinn selbst zu entdecken. Wenn man bedenkt, daß<br />

Kindern auch beigebracht wird, daß sie um Erfolg und Aufmerksamkeit<br />

wetteifern müssen, dann ist es kein Wunder, daß <strong>die</strong><br />

Schule <strong>für</strong> viele von ihnen eine derartige Streßquelle ist. Die<br />

hieraus resultierende Frustration führt zu einer geringen Selbsteinschätzung<br />

und zu einer Verengung des Feldes, was wiederum<br />

sowohl Lern- als auch Sehbeschwerden auslösen kann.<br />

Raymond Gottlieb geht davon aus, daß «eine Hauptursache <strong>für</strong><br />

Kurzsichtigkeit und andere Sehprobleme <strong>die</strong> von unseren<br />

momentanen Erziehungsmethoden geschaffenen Spannungen<br />

sind.» Wie <strong>die</strong>s abläuft beschreibt er in einem Interview in der<br />

Zeitschrift Brain/Mind Bulletin:<br />

Die Betonung des Informationserwerbs führt zu übermäßiger<br />

Konzentration, sagte er. «In der Schule wird uns beigebracht,<br />

so viel wie möglich Informationen zu bündeln und festzuhalten<br />

- um sicherzugehen, daß wir sie auch -, statt sie<br />

freiwillig zu uns kommen zu lassen.»<br />

In der Folge lernen wir, unsere Atmung, unseren Herzschlag<br />

und andere physische Bewegungen - sogar das Blinzeln - zu<br />

unterdrücken, nur um uns zu konzentrieren... Das Erziehungssystem,<br />

so erklärte er, ignoriert oder weist das zurück,<br />

was <strong>die</strong> erste Station auf dem Weg des Lernens sein sollte - das<br />

Selbst-Bewußtsein...<br />

Als Gottlieb seine jungen Patienten bat, «bis zehn zu zählen<br />

und bei fünf in <strong>die</strong> Hände zu klatschen», war vielen von ihnen<br />

nicht bewußt, ob sie <strong>die</strong> Aufgabe richtig erfüllt hatten oder<br />

nicht. «Ihre Antwort war oft: ,<br />

als ob es nicht ihre Angelegenheit sei, solche Dinge zu wissen.»<br />

11<br />

Mehrere wissenschaftliche Untersuchungen haben den Einfluß<br />

von Schulstreß bei der Entstehung von Kurzsichtigkeit nachgewiesen.<br />

Dieser Zusammenhang kann jedoch auch umgekehrt<br />

258


werden: Ein Forscher dokumentierte «ein sehr erhebliches<br />

Abnehmen von Kurzsichtigkeit durch ein Grundschulprogramm,<br />

welches den Streß- und Angstabbau zum Ziel hatte.» 12<br />

Ich werde oft gefragt: «Ist denn nicht ein gewisser Anteil<br />

angestrengten Nachdenkens notwendig, um in der Schule Mathematik<br />

und Lesen zu lernen?» Ich glaube es nicht. Wir vergessen<br />

manchmal, daß <strong>die</strong> Wunder des Lebens nicht auf Blumen oder<br />

Tiere beschränkt sind. Auch <strong>für</strong> Menschen ist es vorgesehen, daß<br />

sie wachsen und sich spontan entwickeln. Aufgrund eines Hirnfunktionsmodells<br />

des Psychiaters William Gray und des Systemwissenschaftlers<br />

Paul La Violette, «be<strong>die</strong>nt sich das Gehirn der<br />

Gefühle, um Informationen Struktur zu geben. Ein <br />

eine innere Empfindung, unterliegt allem, was wir wissen...<br />

Wenn wir von der Färbung durch unsere Gefühle abgeschnitten<br />

werden, dann sind mentale Beziehungen schwer herzustellen.<br />

Das ist der Grund, warum man sich an abstrakte Informationen so<br />

schlecht erinnern kann.» 13 Dieses Modell, welches durch mehrere<br />

wissenschaftliche Untersuchungen gestützt wird, bestätigt, daß<br />

<strong>die</strong> beste Methode, jede Art neuer Informationen zu verarbeiten,<br />

<strong>die</strong> des offenen Denkens ist, <strong>die</strong> uns gleichermaßen den Zugang<br />

zu Gedanken und Gefühlen gestattet.<br />

Kinder wissen, daß Lernen ebenso mühelos sein könnte wie<br />

Spielen. Wirkliches Lernen ist eine zutiefst befriedigende, freudige,<br />

magische Erfahrung, doch viele von uns erinnern sich nicht<br />

daran, jemals <strong>die</strong> Freude des Lernens erlebt zu haben. Im allgemeinen<br />

stellen wir uns vor, daß Lernen eine rein geistige Aufgabe<br />

ist, <strong>die</strong> von einer Autoritätsperson, dem Lehrer, gelenkt wird,<br />

aber <strong>die</strong>se Art des Lernens dringt durch ein Ohr ein, nur um den<br />

Kopf sogleich durch das andere wieder zu verlassen. Überfrachten<br />

wir unseren Geist mit Fakten <strong>für</strong> eine Prüfung, dann haben wir<br />

das, was wir uns so mühsam eingeprägt haben, meist am nächsten<br />

Tag schon wieder vergessen. Wird man jedoch von einem großartigen<br />

Lehrer inspiriert, dann ist Lernen plötzlich ebenso leicht wie<br />

sich verlieben, und was wir durch Erfahrung lernen, bewahren wir<br />

im Herzen. Es ist zu jedem <strong>Augen</strong>blick ein Teil dessen, was wir<br />

sind.<br />

259


Müheloses Lernen<br />

Was ist der Schlüssel zu mühelosem Lernen? Erfahrung scheint<br />

<strong>die</strong> wirkungsvollste Methode zu sein, um neue Informationen zu<br />

erhalten. Wie Tim Gallwey, der Autor von Tennis: Das innere<br />

Spiel, sagt: «Die eigenen Erfahrungen sind der einzige wirkliche<br />

Lehrer. Wirkungsvolles Unterrichten besteht darin, den Schülern<br />

ihre eigenen Erfahrungen bewußter zu machen und nicht <strong>die</strong><br />

anderer Personen.» 14<br />

Bewegung ist offenbar ebenfalls ein Mittel, um <strong>die</strong> Bedeutung<br />

neuer Erfahrungen in unser Bewußtsein einzuprogrammieren.<br />

«Eine Veränderung der Überzeugungen verlangt eine Bewegungsänderung»,<br />

stellt der «Bewegungspsychologe» Stuart Heller<br />

fest. «Es reicht nicht aus, entweder am Körper oder am Geist zu<br />

arbeiten... Die Veränderung des eigenen Denkens macht keinerlei<br />

Eindruck auf den Körper. Ebensowenig hat <strong>die</strong> Auflösung<br />

körperlicher Anspannung Auswirkungen auf <strong>die</strong> ihnen zugrundeliegenden<br />

Überzeugungen. Man kann jedoch auf beide einwirken,<br />

indem man direkt das Bewegungsmuster ändert, welches<br />

beides miteinander verbindet.» 15<br />

Wenn wir neue Einsichten nicht in Körperwissen übersetzen,<br />

können sie nicht vollständig in unser Bewußtsein integriert werden.<br />

Michael Gelb, der Autor von Körperdynamik, stellt fest, daß<br />

«der erste Schritt oft das Entlemen dessen ist, was wir wissen. Die<br />

Langzeitwirkung falschen Körpereinsatzes führt zu falschen<br />

Gewohnheiten, mit denen Wohlbefinden hergestellt werden soll.<br />

Wir müssen aufhören, Dinge gewohnheitsmäßig zu tun, damit <strong>die</strong><br />

natürliche Körper-Geist-Koordination wieder zum Vorschein treten<br />

kann.» 16 Wenn <strong>die</strong>s zutrifft, ist es vielleicht möglich, das<br />

gesamte Körper-Geist-System neu zu programmieren, indem<br />

man der betreffenden Person neue Bewegungsabläufe beibringt.<br />

Möglicherweise führt mühelose Bewegung zu mühelosem Sehen<br />

und zu mühelosem Lernen.<br />

Ist es tatsächlich nach all <strong>die</strong>sen Jahren möglich, eine neue Art<br />

des Denkens und Lernens zu erwerben? Ja. Ich habe Jahre damit<br />

260


zugebracht, einen Bewegungsprozeß zu entwickeln, den ich<br />

Müheloses Lernen nenne. Ich habe festgestellt, daß es sich hierbei<br />

um ein sehr wirkungsvolles Heilmittel handelt, nicht nur zur<br />

Verbesserung des Sehvermögens, sondern auch um gegen eingeschränkte<br />

Bewußtheit, engstirniges Denken und Lernbeschwerden<br />

aller Art anzugehen. Es fußt auf der Vorstellung, daß wir in<br />

der Bewegung ganzheitlich lernen und nicht mittels des linearen<br />

Verstandes. Im Verlauf von Mühelosem Lernen erleben wir<br />

tatsächlich sogar mit, wie unser gewohntes enges Denken Streßsituationen<br />

immer wieder neu erschafft. Mit einem erweiterten<br />

Bewußtsein sind wir dazu in der Lage, uns <strong>für</strong> eine neue, offenere<br />

Herangehensweise zu entscheiden.<br />

Der Prozeß des Mühelosen Lernens stellt eine Aufgabenfolge<br />

zunehmender Komplexität dar. An irgendeiner Stelle im Verlauf<br />

des Prozesses ist Ihr Geist vielleicht davon überzeugt, daß <strong>die</strong><br />

gestellte Aufgabe nicht zu bewältigen ist. Wenn Sie jedoch einen<br />

Versuch wagen, dann werden Sie herausfinden, daß Sie sehr wohl<br />

dazu in der Lage sind, <strong>die</strong> Anforderung zu meistern, auch wenn<br />

Ihr Geist nicht begreift, wie das möglich ist. Dann werden Sie<br />

etwas anstreben, was noch unmöglicher zu sein scheint. Sie geben<br />

sich unendlich viel Mühe, und trotzdem funktioniert es nicht.<br />

Sobald sie jedoch aufhören, sich Mühe zu geben und sich anzustrengen,<br />

werden Sie <strong>die</strong> Aufgabe mit einer nie <strong>für</strong> möglich<br />

gehaltenen Leichtigkeit bewältigen. Nach und nach werden Sie<br />

sich mit einer Art des Lernens und Seins wohler fühlen, <strong>die</strong> nichts<br />

damit zu tun hat, was Sie sich gedanklich zutrauen oder wie sehr<br />

Sie sich anstrengen.<br />

Müheloses Lernen ist der abschließende Schritt der natürlichen<br />

Sehverbesserung. Es erschließt das Körper-Geist-System neu und<br />

verankert das neu erlangte Bewußtsein - <strong>die</strong>se neue Vision - in<br />

einer neuen Art des Seins in der Welt. Indem wir uns ausdehnen,<br />

fangen wir spontan an, mit mehr Vertrauen und weniger Anstrengung<br />

zu leben. Wir beginnen, das unendliche Potential, welches in<br />

uns verborgen ist, neu zu entdecken. Wir spüren tatsächlich, wie<br />

sich unser enges Denkmuster ausweitet, während sich unser<br />

Körper-Geist-System neu eicht.<br />

261


Wie ich meine mühelose Begabung auf<br />

einem Trampolin entdeckte<br />

Nach der Anfangsphase meines Sehverbesserungsprozesses fing<br />

ich an, mich mit meinem lebenslangen Problem, meinen Leseschwierigkeiten,<br />

zu befassen. Ich konnte lesen, aber es war so<br />

anstrengend, daß ich es wo immer möglich vermied. Ich begriff<br />

einfach nicht, was ich las, egal wie oft ich es versuchte. Mit <strong>die</strong>sen<br />

Schwierigkeiten hatte ich bereits in der Grundschule und auf dem<br />

Gymnasium zu kämpfen gehabt und später auch auf der Universität<br />

und während der Ausbildung. Jetzt hatte ich zwar einen<br />

Doktortitel, doch immer noch Leseprobleme - und ein Minderwertigkeitsgefühl.<br />

Wie konnte ich Akademiker sein und zugleich<br />

damit Mühe haben, wissenschaftliche Zeitschriften zu lesen?<br />

Offenbar konnte ich Wissen nur durch <strong>die</strong> direkte Erfahrung<br />

aufnehmen.<br />

Als ich mein Problem mit einigen Freunden an einem pädagogischen<br />

Beratungszentrum besprach, schlugen sie mir vor, zu ihnen<br />

zu kommen und meine Lernschwächen und -stärken testen zu<br />

lassen - aber ich konnte mich dazu nicht durchringen. Ich <strong>für</strong>chtete,<br />

sie würden möglicherweise herausfinden, daß ich nicht<br />

schlau genug sei <strong>für</strong> den Doktorgrad und daß ich irgendwie durch<br />

<strong>die</strong> Hintertür zu ihm gekommen war. Ich war mir sicher, der Test<br />

würde zeigen, daß ich nicht so klug war wie andere Leute. Nach all<br />

<strong>die</strong>sen Jahren war es mir endlich gelungen, mir <strong>die</strong> Illusion zu<br />

bewahren, daß ich etwas wußte, machte ich jedoch <strong>die</strong>sen Test,<br />

dann würden sie <strong>die</strong> entsetzliche Wahrheit über mich herausfinden.<br />

Also lehnte ich das Angebot ab.<br />

Jahrelang hatte ich mit Kindern gearbeitet, <strong>die</strong> unter visuell<br />

bedingten Lernstörungen litten... ein Doktor mit Lernstörungen<br />

behandelt Kinder mit Lernstörungen. (Offenbar werden wir<br />

immer dazu getrieben, uns selbst in anderen zu heilen.) Ich<br />

empfand <strong>die</strong> traditionellen Vorstellungen von «Lernstörungen»<br />

und «Konzentrationsschwächen» als ebenso einschränkend und<br />

bedeutungslos wie <strong>die</strong> standardisierten optometrischen Prozedu-<br />

262


en, <strong>die</strong> man mir in der Schule beigebracht hatte. Ich fragte mich<br />

immer wieder, ob es denn nicht einen besseren Ansatz zum<br />

Verständnis und zur Behandlung von Lernschwierigkeiten gab,<br />

und ich spürte, daß <strong>die</strong> Antwort etwas mit der mächtigen Verbindung<br />

zu tun haben mußte, <strong>die</strong> ich zwischen Sehen, Bewegung,<br />

Atem und Denken wahrnahm. Welcher Art war <strong>die</strong>se Verbindung,<br />

und wie konnte sie in <strong>die</strong> Praxis umgesetzt werden?<br />

Ich hatte von einem Optometristen namens Dr. Robert Pepper<br />

in Oregon gehört, der Lernschwächen mit Trampolinübungen<br />

behandelte und damit auch athletische Leistungen verbesserte.<br />

Seine Arbeit wurde mir von einem Kollegen wärmstens ans Herz<br />

gelegt, also entschloß ich mich, selbst eine Woche in Behandlung<br />

zu gehen. Diese Woche erwies sich als einer der wichtigsten<br />

Wendepunkte meines Lebens sowohl in beruflicher als auch in<br />

privater Hinsicht.<br />

Dr. Pepper ließ mich eine Reihe außergewöhnlicher Übungen<br />

machen, teils mit Trampolin, teils ohne. Es fing damit an, daß ich<br />

auf dem Boden stand. In der ersten Übung zeigte er mir eine Tafel<br />

mit einer Gruppe von Pfeilen, <strong>die</strong> in verschiedene Richtungen<br />

zeigten. Er sagte: «Lesen Sie <strong>die</strong> Zeilen, und nennen Sie <strong>die</strong><br />

Richtungen aller Pfeile.» Das war mir ohne weiteres möglich. Ich<br />

machte vielleicht ein paar Fehler, aber im großen und ganzen ging<br />

es gut. Als ich fertig war, verlangte er: «Nun nennen Sie mir <strong>die</strong><br />

Richtungen der Pfeile und bewegen gleichzeitig beide Hände in<br />

<strong>die</strong> angegebene Richtung.» Okay. Auch das war nicht so schwer.<br />

Dann wies er mich an: «Jetzt wiederholen Sie den Vorgang, aber<br />

<strong>die</strong>smal achten Sie darauf, daß auch Ihre Handflächen in <strong>die</strong><br />

richtige Richtung weisen.» Es war ein klein wenig komplizierter,<br />

aber wieder war es zu bewältigen. Bisher kam mein Geist bei<br />

allem gut mit.<br />

Dann sagte er: «Nun nennen Sie <strong>die</strong> Richtung der Pfeile und<br />

bewegen Ihre Hände dabei in <strong>die</strong> entgegengesetzte Richtung.»<br />

Ich fühlte mich sofort so, als ob ich ersticken müßte. Mein<br />

Verstand leistete Überstunden und schien sich zu verklemmen.<br />

«Oh, mein Gott, oh, mein Gott!» war alles, was ich denken<br />

konnte. Meine Hände gingen in <strong>die</strong> eine und mein Geist <strong>die</strong><br />

263


andere Richtung. «Soll ich sagen? Soll ich sagen?»<br />

Ich hörte auf zu atmen. Mein Sehvermögen nahm ab. Mein<br />

Körper wurde so steif wie ein Brett. Mein Kopf schoß vor, mein<br />

Rücken verspannte sich, und beim ersten Pfeil rief ich laut.<br />

«Lechts!»<br />

Ich erkannte <strong>die</strong>ses Gefühl als genau jenes wieder, welches ich<br />

auch in der Schule gehabt hatte. Immer wenn der Lehrer mir eine<br />

Frage stellte, hatte ich plötzlich einen Kloß im Hals, mein Verstand<br />

und mein Körper froren ein, und ich konnte auf einmal<br />

nichts mehr sehen. Ich erkannte plötzlich, daß mein innerer<br />

Dialog mein ärgster Feind war. Ich hatte gelernt, in meinem Geist<br />

Situationen als anstrengend zu interpretieren und darauf zu reagieren,<br />

indem ich so viel Angst schuf, daß ich nicht mehr richtig<br />

funktionieren konnte. Um mir meine engstirnige Meinung von<br />

mir selbst zu bewahren, hatte ich gelernt, da<strong>für</strong> zu sorgen, daß ich<br />

nicht erfolgreich sein konnte und immer wieder neue Beweise<br />

meiner eigenen Unfähigkeit geliefert.<br />

Da ich regelmäßig das Sehen mit Offenem Fokus praktizierte,<br />

fragte ich mich, warum es mir nicht gelang, während <strong>die</strong>ser<br />

Übungen in <strong>die</strong>sem Zustand zu bleiben. Ich erkannte, daß sie von<br />

mir verlangten, eine Reihe von widersprüchlichen oder nichtlinearen<br />

Anweisungen zu befolgen. Da der bewußte Verstand eine<br />

bestimmte Anzahl gleichzeitig zu verarbeitender Informationen<br />

nicht übersteigen kann, wurde mir klar, daß mein linearer Verstand<br />

von solchen multidimensionalen Aufgaben einfach überfordert<br />

war. Er würde loslassen müssen, damit das Verlangte<br />

von einer anderen Ebene meines Bewußtseins erledigt werden<br />

konnte.<br />

Während <strong>die</strong> Sitzung voranschritt, entspannte ich mich ein<br />

wenig, und es gelang mir, immer schwerere Aufgaben auf dem<br />

Boden stehend zu bewältigen. Dann kletterte ich auf das Trampolin.<br />

Erst verlangte Dr. Pepper von mir nur, zu springen und meine<br />

Hände bei jedem Sprung in kleinen Kreisen zu bewegen. Ich<br />

wußte nicht, daß sich unsere Hände, wenn wir springen, automatisch<br />

im Kreis bewegen. Ich hielt es <strong>für</strong> eine Zusatzanforderung,<br />

auf deren Ausführung ich mich konzentrieren mußte.<br />

264


Dann schrieb er einen Satz auf <strong>die</strong> Tafel: «Der Zug fuhr sehr<br />

schnell vorbei.» Er sagte: «Bei jedem Sprung nennen Sie in der<br />

richtigen Reihenfolge <strong>die</strong> Buchstaben, und wenn Sie zu einem<br />

Wortzwischenraum gelangen, dann klatschen Sie in <strong>die</strong> Hände.»<br />

Nun, ich mußte es mehrmals versuchen, aber ich schaffte es<br />

schließlich. Dann verlangte er: «Jetzt ersetzen Sie jedesmal den<br />

Buchstaben durch eine Farbe.» Ich folgte seiner Anweisung.<br />

Es war nicht allzu schwer. Danach bat er mich: «Nun schweigen<br />

Sie immer dann, wenn Sie zu einem Vokal kommen.» Er fügte<br />

immer mehr hinzu, was ich ersetzen sollte: «Jedesmal wenn Sie<br />

<strong>die</strong>ses erreichen, rufen Sie den Markennamen eines Autos, und<br />

jedesmal wenn Sie jenes erreichen, nennen Sie den Namen eines<br />

Tiers oder eines Staates», und so fort. Am Ende hatte er ungefähr<br />

dreißig Variablen eingesetzt, aber er hatte mich so allmählich<br />

durch <strong>die</strong> Aufgabenstellung hindurchgeführt, daß es mir schließlich<br />

gelang, sie zu erfüllen.<br />

Gerade als ich dachte, wir hätten es geschafft, verlangte er:<br />

«Jetzt drehen Sie sich um und wiederholen das Ganze, ohne dabei<br />

auf <strong>die</strong> Tafel zu sehen.» Wieder konnte ich nur denken: «Oh,<br />

mein Gott. Oh, mein Gott!» Dann geschah etwas Magisches. Als<br />

ich mich umdrehte, sah ich jeden Buchstaben vor meinem inneren<br />

Auge. Ich hatte immer geglaubt, daß Visualisation bedeutet, ein<br />

großes Bild mit allem darauf zu sehen, aber <strong>die</strong>s hier war ganz<br />

anders. Die Buchstaben kamen einer nach dem anderen zu mir,<br />

genau dann, wenn ich sie brauchte. Es war so, als würde das<br />

Universum sagen: «Wenn du wirklich vertraust und geduldig<br />

bist, dann bekommst du genau das, was du brauchst, wenn du<br />

es brauchst - nicht eine Sekunde zu früh oder zu spät.» Ich erkannte,<br />

daß das ganze Leben auf <strong>die</strong>se Weise funktionieren soll.<br />

Wir erhalten genau das, was wir benötigen, zu dem Zeitpunkt,<br />

da wir es benötigen. Das Problem ist, daß unser Verstand es<br />

schon vorher haben will, damit er alles unter Kontrolle halten<br />

kann. -<br />

Sobald ich <strong>die</strong>se Bilder sah, gelang es mir, loszulassen und den<br />

Satz vor meinem inneren Auge zu bewältigen. Dann wollte Dr.<br />

Pepper: «Jetzt wiederholen Sie <strong>die</strong> gleiche Angelegenheit... aber<br />

265


ückwärts.» Das konnte mir unmöglich gelingen! Wieder geriet<br />

mein Verstand in Panik. Ich dachte, wenn es mir glückte, mir den<br />

Satz einzuprägen, dann würde mir <strong>die</strong>s helfen, aber ich konnte<br />

nicht einmal rückwärts denken. Egal, wie sehr ich mich bemühte,<br />

jetzt war ich dran; <strong>die</strong>se Hürde würde ich unmöglich nehmen<br />

können. Schließlich gab mein Verstand auf und entschied, daß es<br />

hoffnungslos war. Als <strong>die</strong>s geschah, sah ich plötzlich, so wie schon<br />

zuvor, <strong>die</strong> richtige Buchstabenfolge vor meinem inneren Auge.<br />

Wieder war es unglaublich leicht! Ich war sicher, <strong>die</strong>s mußte <strong>die</strong><br />

letzte Aufgabe gewesen sein. Also drehte ich mich um und sagte:<br />

«Okay, ich hab's geschafft.»<br />

Dr. Pepper entgegnete: «Nein, nein, bleiben Sie umgedreht.<br />

Jetzt machen Sie es wieder rückwärts, aber nennen den ersten<br />

Buchstaben und dann den letzten, den zweiten und dann den<br />

vorletzten, den dritten und dann den drittletzten», und so fort.<br />

Also das schien nun wirklich vollkommen unmöglich. Doch bisher<br />

hatte ich im Verlauf des Prozesses jedesmal, wenn er den Einsatz<br />

erhöhte, etwas dazugelernt. Mir fiel immer wieder auf, wie meine<br />

mentale Angst mein Vorankommen blockierte und daß ich jedesmal,<br />

wenn ich anfing nachzudenken, aufhörte zu atmen. Also ließ<br />

ich irgendwann im Verlauf der Übungsreihe - ich weiß nicht<br />

mehr, wie es geschah - das Denken sein und fing an zu atmen, und<br />

alles lief wie geschmiert. Tatsächlich fiel mir <strong>die</strong> Aufgabe danach<br />

so leicht, daß ich, bis Dr. Pepper anfing zu klatschen, nicht einmal<br />

merkte, daß ich sie erfolgreich zu Ende gebracht hatte. Ich sagte<br />

nur: «Können wir es noch einmal wiederholen?» Nachdem meine<br />

Sehkraft im Verlauf des Prozesses hin und her geschwankt war,<br />

sah ich nun kristallklar.<br />

Diese Erfahrung war <strong>für</strong> mich so tiefgreifend, daß ich mich, als<br />

wir fertig waren, zugleich lachend und weinend auf das Trampolin<br />

warf. Nach all <strong>die</strong>sen Jahren des Selbstzweifels hatte ich mich<br />

schließlich gefunden. Ich besaß so viel mehr Potential, als ich mir<br />

je hätte erträumen können. Ich wußte, daß ich das unmöglich<br />

bewältigen und zugleich dumm sein konnte. Am Morgen, nachdem<br />

ich nach Hause zurückgekehrt war, betrat ich das Büro<br />

meiner Freunde in dem pädagogischen Beratungszentrum und<br />

266


erklärte ihnen, daß ich bereit sei, mich testen zu lassen. Später<br />

teilten sie mir mit, daß mein Intelligenzquotient sehr hoch sei -<br />

und das war das Ende meines lebenslangen Bangens, daß ich<br />

vielleicht nicht schlau genug war!<br />

Jahre später, nachdem ich beobachtet hatte, daß <strong>die</strong>ser wunderbare<br />

Prozeß <strong>für</strong> Tausende von Menschen <strong>die</strong> entscheidenden<br />

Veränderungen eingeleitet hatte, wurde mir klar, daß Selbst-<br />

Bewußtsein der Schlüssel zu Selbst-Transformation ist. Offenbar<br />

verändert sich unsere grundlegende Natur gar nicht so sehr.<br />

Während wir jedoch <strong>die</strong> Person, <strong>die</strong> wir schon immer waren,<br />

besser zu akzeptieren lernen, weitet sich unsere Selbst-Wahrnehmung<br />

dramatisch aus. Wir lernen, uns selbst leichter zu vertrauen,<br />

wir fangen an, uns selbst auf einer vollkommen neuen Ebene zu<br />

lieben und zu respektieren, und wir treten unserem Alltagsleben<br />

offener und vertrauensvoller entgegen.<br />

Ich machte mich daran, Dr. Peppers Methode in meine Arbeit<br />

zu integrieren. Er hatte sie eingesetzt, um Wettkampfleistungen<br />

zu steigern, aber mein Ziel war ein anderes: Ich wollte <strong>die</strong><br />

Schaffung eines anstrengungsfreien Körper-Geist-Zustands erreichen,<br />

der Lernen und Heilung fördern würde. Also überarbeitete<br />

ich seinen Ansatz, um dessen Kraft als Spiegel des Bewußtseins<br />

noch zu verstärken. Ich wollte, daß sich der Prozeß eher spontan<br />

entwickelte, statt als festgeschriebene Aufgabenliste zum Einsatz<br />

zu kommen. Ich begann, neue Übungen zu ersinnen, <strong>die</strong> den<br />

spezifischen Bedürfnissen der einzelnen Personen, mit denen ich<br />

arbeitete, besser entsprachen. Wenn Sie selbst <strong>die</strong>se Bewegungsarbeit<br />

machen, dann denken Sie daran, daß es sich dabei um einen<br />

dynamischen Prozeß handelt, den Sie niemals ein zweites Mal auf<br />

<strong>die</strong> gleiche Weise machen müssen.<br />

Das war der Anfang meines Konzepts vom Mühelosen Lernen,<br />

welches Sie durch eine fortschreitende Serie paradoxer kognitiver<br />

Prozesse führt, <strong>die</strong> der Verstand allein nicht bewältigen kann. Sie<br />

werden lernen, daß Sie Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Rhythmus,<br />

Tuning, Visualisation, Grob- und Feinmotorik - alle zugleich -<br />

dazu einsetzen können, um etwas zu erreichen, was Ihnen niemals<br />

267


zuvor gelungen ist. Die einzige Voraussetzung hierzu ist, daß Sie<br />

<strong>die</strong> mentale Kontrolle aufgeben.<br />

Müheloses Lernen kann eingesetzt werden, um sowohl bei<br />

Erwachsenen wie auch bei Kindern allgemeines Lernen und<br />

visuelle Fertigkeiten zu fördern. Doch hat sich <strong>die</strong> Methode auch<br />

erfolgreich erwiesen bei Patienten, <strong>die</strong> neurologisch beeinträchtigt<br />

sind, wie beispielsweise Menschen mit zerebraler Lähmung<br />

oder schweren Kopfverletzungen. Manche meiner Klienten hatten<br />

in der Folge von Kopfverletzungen tatsächlich einen großen<br />

Teil ihres Gedächtnisses verloren und lernten, ihre Körper-Geist-<br />

Verbindungen wieder neu aufzubauen.<br />

Abgesehen von ihrem therapeutischen Wert, steigern <strong>die</strong>se<br />

Techniken Körper-Geist-Leistungen auf allen Ebenen. Ich habe<br />

<strong>die</strong> Methode Müheloses Lernen bei Mitgliedern der amerikanischen<br />

Olympiamannschaft und bei anderen Weltklasseathleten<br />

zur Anwendung gebracht. Sie haben sogar Weltmeistern dabei<br />

geholfen, ihre abgewürgten Karrieren wieder voranzutreiben.<br />

Diese Personen erlebten alle gravierende Veränderungen, aber,<br />

was noch wichtiger ist, sie hatten Spaß dabei. Müheloses Lernen<br />

macht Spaß, ist eine Offenbarung und fördert auf dramatische<br />

Weise <strong>die</strong>ilntegration^von Körp_er und_Geist.\<br />

Wie können wir eine Problemlösung angehen, ohne zu denken?<br />

Es ist ein Paradox. Es scheint unmöglich. Wenn Sie versuchen,<br />

denkend durch <strong>die</strong> Übungen zu kommen, dann wird es Ihnen<br />

nicht gelingen. Ihre Bewältigung ist nur ohne Anstrengung aller<br />

Art möglich. Sie werden sich selbst in Erstaunen versetzen, wenn<br />

Sie Ihre mentale Kontrolle aufgeben und anfangen, über Ihre<br />

vormaligen Grenzen hinauszugelangen. Sobald Sie <strong>die</strong>s tun, wird<br />

Ihr Feld sich ausdehnen. Alle eingeengten Bereiche des Bewußtseins,<br />

darunter Sehvermögen, Lernkapazität und Aufmerksamkeitsspanne,<br />

werden anfangen, sich zu öffnen. Körper und Geist<br />

wachsen zunehmend zu einer Einheit zusammen. Sie werden<br />

lernen, mit Ihrem Herzen zu denken und zu handeln, selbst unter<br />

Streß.<br />

Obwohl ich normalerweise mit einem Trampolin oder einem<br />

268


Minitrampolin arbeite, brauchen Sie <strong>die</strong>ses Gerät <strong>für</strong> den Prozeß<br />

des Mühelosen Lernens nicht unbedingt. Es gibt viele wirkungsvolle<br />

Vorgehensweisen, denen Sie auf dem Boden stehend folgen<br />

können. Im nächsten Kapitel schlage ich Ihnen eine Reihe von<br />

Übungen vor, manche davon auf dem Boden, andere auf dem<br />

Trampolin. Für zu Hause könnten Sie sich ein Minitrampolin<br />

zulegen, das man in allen größeren Kaufhäusern und Sportgeschäften<br />

erhält.<br />

Sobald Sie mit der Grundidee vertraut sind, steht es Ihnen frei,<br />

sich eigene Übungen auszudenken. Ob sie kompliziert oder einfach<br />

sind, bleibt Ihrem Geschmack überlassen. Wenn möglich,<br />

arbeiten Sie in Paaren und lassen Sie sich von einer anderen<br />

Person durch <strong>die</strong> Übungen führen; sonst entdecken Sie vielleicht<br />

nicht, wie weit Sie tatsächlich gehen können. Die Methode<br />

Müheloses Lernen eignet sich auch als Familienaktivität. Die<br />

ganze Familie kann mitmachen und dabei Spaß haben.<br />

269


16<br />

Wie man ohne Anstrengung lernt<br />

Man kann es nicht wissen, bevor man es<br />

ausprobiert.<br />

Robert Anthony<br />

Obwohl es natürlich hilfreich ist, mit einem Minitrampolin zu<br />

arbeiten, so können Sie doch zu Hause in den Lernprozeß des<br />

Mühelosen Lernens ohne besondere Ausrüstung einsteigen.<br />

Wenn möglich, finden Sie einen Partner, der Ihnen <strong>die</strong> Anweisungen<br />

gibt, Ihr Vorankommen beobachtet und Ihnen ehrliche,<br />

unterstützende Rückmeldungen gibt. Bevor Sie anfangen, vergewissern<br />

Sie sich, daß sowohl Sie als auch Ihr Partner das Ziel der<br />

Prozedur klar verstehen. Sie könnten beide gemeinsam den folgenden<br />

Abschnitt lesen und miteinander durchsprechen.<br />

Eine der wichtigsten Voraussetzungen <strong>für</strong> Heilung oder Transformation<br />

ist einfach, im JETZT anwesend zu sein. Mehr will der<br />

Prozeß Müheloses Lernen im Grunde nicht erreichen: Er zeigt<br />

uns, wie sehr wir uns anstrengen müssen, wenn wir nicht im Jetzt<br />

leben, und wie mühelos wir erfolgreich sein können, wenn wir in<br />

der Gegenwart anwesend sind.<br />

Der Zweck der Übung ist es nicht, <strong>die</strong> «richtigen» Antworten zu<br />

geben. Es gibt keine «richtigen» oder «falschen» Antworten. Die<br />

zugrundeliegende Vorstellung ist <strong>die</strong>, daß alle auftauchenden<br />

Erfahrungen dazu genutzt werden, um Ihre gewöhnliche Reaktion<br />

auf Streßsituationen wahrzunehmen und zu transformieren.<br />

Was wir normalerweise als «falsche» Antwort bezeichnen, ist<br />

einfach nur ein fühlbarer Wink, daß wir irgendwie aus dem<br />

270


mühelosen Fluß gefallen sind. Statt «Oh, Mist, ich hab's versiebt!»<br />

zu denken, wenn Sie <strong>die</strong>sen Wink bekommen, danken Sie<br />

ihm. Dann fragen Sie sich: «Was ist geschehen?» Sie brauchen<br />

<strong>die</strong>se Frage nicht zu analysieren. Sie müssen den Begründungen<br />

Ihres Verstandes kein Gehör schenken - «Ich bin verwirrt», «Ich<br />

konnte mich nicht an <strong>die</strong> Anweisungen erinnern», «Ich konnte <strong>die</strong><br />

Tafel nicht sehen.» Achten Sie einfach nur darauf, was mit Ihrem<br />

Bewußtsein geschehen ist. Normalerweise erkennen Sie, nachdem<br />

Sie den «Wink» erhalten haben, daß Sie angefangen haben<br />

nachzudenken und sich Sorgen zu machen oder Ihr «Versagen»<br />

ein paar Sekunden zuvor vorausgeahnt haben. Ihr Partner hat<br />

vielleicht bemerkt, wann Sie anfingen, sich anzuspannen und <strong>die</strong><br />

Luft anzuhalten. Was taten Sie in <strong>die</strong>sem <strong>Augen</strong>blick? Wo war Ihr<br />

Geist? Wo war Ihre Bewußtheit?<br />

Sie stellen vielleicht sogar fest, daß Sie immer wieder an ein und<br />

derselben Stelle oder an immer dem gleichen Symbol hängenbleiben.<br />

Dieses Symbol ist Ihr ganz besonderer Freund, also achten<br />

Sie darauf, ihm jedesmal zu danken, wenn Sie seine Rückmeldung<br />

erhalten. Wenn Sie sich noch immer unsicher fühlen, weil Sie<br />

«einen Fehler gemacht haben», so fragen Sie sich, warum <strong>die</strong>s so<br />

ist. Sie machen <strong>die</strong>se Übung nicht, um irgend jemanden zu<br />

beeindrucken; Sie machen sie <strong>für</strong> sich. Löst <strong>die</strong> Anwesenheit<br />

Ihres Partners (der wahrscheinlich ohnehin ein guter Freund ist)<br />

Versagensangst bei Ihnen aus? Fühlen Sie sich im allgemeinen so,<br />

wenn Sie sich in einer Situation befinden, in der Sie meinen, ihren<br />

Mitmenschen etwas «beweisen» zu müssen?<br />

Achten Sie darauf, wie schnell Sie sind. Zu der Gehirnwäsche,<br />

<strong>die</strong> man uns verabreicht hat, gehört <strong>die</strong> Überzeugung, daß schneller<br />

besser ist: «Wer zuletzt kommt, hat verloren!» Diese Vorstellung<br />

bringt uns nur noch mehr in Streß, indem sie uns einen uns<br />

angenehmen inneren Rhythmus aufgeben läßt. Wenn Sie feststellen,<br />

daß Sie sich schneller bewegen, als Ihnen lieb ist, dann<br />

überprüfen Sie, was sich dahinter verbirgt. War <strong>die</strong> Botschaft «Je<br />

schneller, desto besser» Teil Ihrer Ausbildung? Haben Sie<br />

gelernt, in Reaktion auf Streßgefühle bei der Arbeit oder in Ihrem<br />

Alltag noch zu beschleunigen? Wie fühlt sich das an? Veranlassen<br />

271


Sie Ihren Partner, Sie dann und wann daran zu erinnern, daß Sie<br />

sich <strong>die</strong> Erlaubnis geben, in der <strong>für</strong> Sie angemessenen Geschwindigkeit<br />

voranzukommen.<br />

Schließlich, vergessen Sie nicht, daß <strong>die</strong> Methode Müheloses<br />

Lernen nur bei offenem Denken stattfinden kann. Es ist natürlich,<br />

daß Ihnen Ihr analytischer Verstand Widerstand entgegenbringt,<br />

wenn er auf angestrengtes Nachdenken verzichten soll. Wenn Sie<br />

sich jedoch gestatten, in Ihrem eigenen Rhythmus zu atmen, und<br />

wissen, daß Sie mehr sind, als Ihr linearer Verstand, dann werden<br />

Sie spontan in einen weichen, meditativen Zustand eintreten, der<br />

jenem von Tai Chi, Yoga oder den Kampfkünsten ähnelt. Achten<br />

Sie auf das, was Sie von <strong>die</strong>sem mühelosen Fluß abhält. Ist <strong>die</strong>ser<br />

Widerstand Teil eines Musters, das Sie gewöhnlich erfahren? Sie<br />

müssen nichts weiter tun, als es wahrnehmen und zulassen, daß es<br />

durch Ihre spontane Begabung ersetzt wird.<br />

Erster Teil: Der Anfang<br />

Hier nun ein einfacher Ablauf, der es Ihnen gestattet, in Ihrem<br />

eigenen Tempo voranzukommen. Wenn Sie ganz langsam vorgehen<br />

möchten, machen Sie jeden Tag nur einen zusätzlichen<br />

Schritt. Lassen Sie niemals den nächsten Schritt folgen, bevor Sie<br />

den vorangegangenen nicht mühelos bewältigt haben, ohne dabei<br />

einen «Wink» zu erhalten. Anfangs wiederholen Sie <strong>die</strong> ersten<br />

Schritte jedesmal. Nach etwa einer Woche können Sie auf einem<br />

höheren Niveau beginnen.<br />

Wenn Sie planen, eine andere Person im Prozeß des Mühelosen<br />

Lernens zu begleiten, sollten Sie <strong>die</strong>sen Prozeß vorher selbst<br />

erfahren haben. Ihr aus Ihrer Erfahrung resultierendes Verständnis<br />

reicht nur so weit, wie Sie den Prozeß selbst mühelos erfolgreich<br />

durchlaufen haben. Dies ist vor allem dann von Bedeutung,<br />

wenn Sie mit einem Kind arbeiten, weil Sie vielleicht sehr langsam<br />

vorgehen müssen, um nicht das Maß seiner Leistungsfähigkeit zu<br />

überfordern.<br />

272


Die Pfeile-Tafel<br />

Sie benötigen eine Pfeile-Tafel, <strong>die</strong> Sie selbst herstellen können<br />

(siehe oben). Nehmen Sie einen ausreichend großen Karton zur<br />

Hand und zeichnen Sie fünf Reihen mit je fünf bis sechs Pfeilen,<br />

<strong>die</strong> ohne Ordnung in alle vier Hauptrichtungen zeigen - links,<br />

rechts, oben und unten. Die Pfeile können von jeder beliebigen<br />

Breite oder Länge sein, solange sie klar voneinander zu unterscheiden<br />

sind. Hängen Sie <strong>die</strong> Tafel so an eine Wand oder<br />

Staffelei, daß sie sich ungefähr in <strong>Augen</strong>höhe befindet und daß Sie<br />

noch genug Platz haben, in unterschiedlichen Entfernungen während<br />

der Prozedur vor ihr zu stehen.<br />

Legen Sie Ihre Sehhilfe ab, bevor Sie anfangen. Beginnen Sie,<br />

indem Sie sich in einer Entfernung vor <strong>die</strong> Tafel stellen, von der<br />

273


aus Sie <strong>die</strong> Pfeile bequem sehen können. Falls Sie kurzsichtig sind,<br />

fordern Sie sich selbst heraus und treten einen Schritt von der<br />

Tafel zurück, nachdem Sie den ersten Durchlauf erfolgreich zu<br />

Ende gebracht haben. Fahren Sie dann aus <strong>die</strong>ser Distanz mit der<br />

nächsten Übung fort. Dann treten Sie <strong>für</strong> <strong>die</strong> folgende Aufgabe<br />

wieder einen Schritt zurück. Wie fühlt sich das an? Wenn Sie <strong>die</strong><br />

Tafel anfangs verschwommen sehen, geben Sie nicht gleich aufvielleicht<br />

gelingt es Ihnen, <strong>die</strong> Grenzen dessen, was Sie meinen<br />

sehen zu können, zu verschieben. Atmen Sie, blinzeln Sie, spüren<br />

Sie Ihre Angst, und machen Sie <strong>die</strong> Übung trotzdem. Achten Sie<br />

einfach darauf, was geschieht.<br />

In einem Workshop begleitete ich einen Mann, den ich Peter<br />

nennen möchte, durch den Prozeß des Mühelosen Lernens. Peter<br />

trug seit vielen Jahren eine starke Brille. Ich hatte seine Sehschärfe<br />

nicht überprüft, aber ein Blick auf seine Korrekturgläser<br />

sagte mir, daß sie in etwa bei 6/90 liegen mußte. Ich bat ihn, damit<br />

anzufangen, daß er seine Brille abnehmen und sich dort aufstellen<br />

sollte, wo er <strong>die</strong> Tafel bequem sehen konnte. Peter trat vor, bis er<br />

weniger als zwei Meter von ihr entfernt stand. Er sagte, daß er <strong>die</strong><br />

Tafel aus <strong>die</strong>ser Entfernung ohne Mühe sehen konnte, aber ich<br />

merkte, daß er angespannt war und daß er <strong>die</strong> Luft anhielt.<br />

Nach jeder Stufe des Prozesses bat ich ihn, einen Schritt<br />

zurückzutreten. Immer wenn er meiner Anweisung folgte, sah<br />

ich, daß er dachte: «Oh, Gott. Ich sehe einfach zu verschwommen.<br />

Aus so großer Entfernung kann ich <strong>die</strong> Tafel nicht gut genug<br />

erkennen.» Anfangs wurde er noch angespannter, aber dann<br />

geschah etwas Interessantes: Es fing an, ihm Spaß zu machen, und<br />

sein Verstand ließ los. Die Gruppe beobachtete erstaunt, wie er<br />

zunehmend lockerer wurde, wie er mit jedem Schritt, den er sich<br />

weiter von der Tafel entfernte, spontaner und genauer wurde.<br />

Als wir eine Viertelstunde später fertig waren, war Peter bis an<br />

<strong>die</strong> gegenüberliegende Wand zurückgegangen, ungefähr neun bis<br />

zehn Meter von der Tafel entfernt. Er las <strong>die</strong> Tafel ohne Fehler,<br />

hatte viel Spaß dabei und lachte herzlich. Und wir meinen zu<br />

wissen, wo <strong>die</strong> Grenzen unseres Sehvermögens liegen!<br />

274


Sollten Sie <strong>die</strong> Übungen allein machen, dann achten Sie darauf,<br />

daß Sie sich dazu herausfordern, Ihre Grenzen zu überschreiten.<br />

Wenn sich <strong>die</strong> Anweisungen so anhören, als befänden Sie sich im<br />

Rahmen Ihrer Möglichkeiten, dann wird Ihr linearer Verstand<br />

nicht loslassen. Sollten Sie <strong>die</strong> Eingangsschritte leicht bewältigen,<br />

dann fügen Sie so lange komplexere Anweisungen hinzu, bis Ihr<br />

Verstand sagt: «Das kann ich nicht!» Erst an <strong>die</strong>sem Punkt<br />

beginnt der Prozeß des Mühelosen Lernens wirklich.<br />

Anfangs müssen Sie sich vielleicht immer wieder daran erinnern,<br />

mit jeder Bewegung zu atmen. Doch <strong>die</strong>se bewußten<br />

Anweisungen werden schon bald zu einem mühelosen, rhythmischen<br />

Fluß werden, und jede Handlung wird leicht ohne einen<br />

Bruch in Ihrer Bewegung oder in Ihrer Bewußtheit in <strong>die</strong> nächste<br />

übergehen.<br />

Machen Sie sich zu Beginn jeden Schrittes bewußt, wie Sie<br />

automatisch über <strong>die</strong> Anweisungen nachdenken oder sie im Geiste<br />

wiederholen. Es ist jedoch nicht erforderlich, sich auf <strong>die</strong>se<br />

Weise vorzubereiten - das wird Ihnen eher hinderlich sein.<br />

Achten Sie auf <strong>die</strong> Anweisungen, atmen Sie leicht und fangen Sie<br />

an.<br />

Erster Schritt. Nachdem Sie Ihre Brille abgesetzt oder Ihre<br />

Kontaktlinsen herausgenommen haben, suchen Sie sich einen <strong>für</strong><br />

Sie angenehmen Abstand von der Tafel. Stehen Sie entspannt mit<br />

leicht gebeugten Knien, und werden Sie sich Ihrer Atmung<br />

bewußt.<br />

Jetzt bewegen Sie Ihren Kopf langsam und rhythmisch in <strong>die</strong><br />

Richtung, in <strong>die</strong> der erste Pfeil zeigt, und dann wieder zurück zur<br />

Mitte. Dann bewegen Sie Ihren Kopf in <strong>die</strong> Richtung des nächsten<br />

Pfeils. Verfahren Sie auf <strong>die</strong>se Weise bei jedem Pfeil auf der Tafel<br />

- weist der Pfeil zum Beispiel nach rechts, so drehen Sie Ihren<br />

Kopf ebenfalls nach rechts, weist er nach oben, so folgen Sie mit<br />

Ihrem Kopf <strong>die</strong>ser Richtung und so fort. Bewegen Sie sich<br />

rhythmisch, sehr langsam, und atmen Sie zwischen den Pfeilen tief<br />

ein und aus.<br />

Gibt Ihnen einer der Pfeile einen «Wink», weil Sie Ihren Kopf<br />

275


nicht in <strong>die</strong> Richtung des Pfeils gewandt haben, so halten Sie inne<br />

und danken Sie dem Pfeil. Was ist geschehen? Auf welche Weise<br />

hat sich Ihr Bewußtsein aus dem Fluß der Gegenwart verabschiedet?<br />

Dann beginnen Sie von vorn.<br />

Nachdem Sie zum Ende gekommen sind, halten Sie inne und<br />

fragen sich: Haben sich Ihre <strong>Augen</strong> in <strong>die</strong> gleiche Richtung<br />

bewegt wie Ihr Kopf..., oder hingen sie wie festgeklebt an der<br />

Tafel, egal wohin sich Ihr Kopf bewegte? Falls Sie Ihre <strong>Augen</strong> auf<br />

<strong>die</strong> Tafel gerichtet hatten, wiederholen Sie <strong>die</strong> Übung und<br />

machen <strong>die</strong>smal <strong>die</strong> Bewegung des Kopfes mit den <strong>Augen</strong> mit.<br />

Atmen Sie vor jedem neuen Pfeil tief ein und aus, und vertrauen<br />

Sie auf Ihre spontane Reaktion.<br />

Zweiter Schritt. Wiederholen Sie <strong>die</strong> vorangegangene Übung,<br />

doch <strong>die</strong>smal bewegen Sie Ihren Kopf in <strong>die</strong> zu dem Pfeil entgegengesetzte<br />

Richtung - zum Beispiel, wenn der erste Pfeil nach<br />

rechts zeigt, so bewegen Sie Ihren Kopf nach links, weist der<br />

nächste Pfeil nach oben, so senken Sie Ihren Kopf und so fort.<br />

Bei <strong>die</strong>sem und allen folgenden Schritten fahren Sie in der<br />

Prozedur fort, wie im ersten Schritt beschrieben. Folgen Sie der<br />

Tabelle rhythmisch und meditativ, bis Sie ihr Ende erreichen oder<br />

einen «Wink» erhalten. Ist letzteres der Fall, so danken Sie dem<br />

«Wink». Wie haben Sie reagiert, als Sie Ihren «Fehler» bemerkten?<br />

Wo war Ihre Bewußtheit unmittelbar vor <strong>die</strong>sem Moment?<br />

Wie lange haben Sie gebraucht, um festzustellen, daß Ihre<br />

Bewußtheit Sie verlassen hat? Wird der Zeitabschnitt zwischen<br />

jedem «Wink», den Ihnen ein falsch gelesener Pfeil gibt, und<br />

Ihrem Bewußtsein <strong>die</strong>ser Situation größer oder kleiner? Normalerweise<br />

nimmt Ihre Bewußtheit mit der Übung zu. Kehren Sie so<br />

lange immer wieder an den Anfang der Tafel zurück, bis Sie<br />

mühelos bis zu ihrem Ende gelangen. Atmen Sie immer leicht und<br />

rhythmisch zwischen den Pfeilen, und bewegen Sie sich langsam.<br />

Dritter Schritt. Dieses Mal halten Sie Ihren Kopf ruhig und<br />

bewegen nur Ihre <strong>Augen</strong> in <strong>die</strong> Richtung der Pfeile.<br />

Inzwischen atmen Sie wahrscheinlich gut zwischen den einzel-<br />

276


nen Pfeilen. Atmen Sie weiter, und gestatten Sie jeder Bewegung<br />

Ihrer <strong>Augen</strong> natürlich in <strong>die</strong> nächste hinüberzufließen, ohne zum<br />

Zentrum zurückzukehren und dort zu verharren.<br />

Vierter Schritt. Wieder halten Sie Ihren Kopf ruhig und bewegen<br />

nur Ihre <strong>Augen</strong>, <strong>die</strong>smal in <strong>die</strong> den Pfeilen entgegengesetzte<br />

Richtung. Weist der Pfeil nach rechts, so richten Sie Ihre <strong>Augen</strong><br />

nach links. Zeigt er nach oben, dann senken Sie <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>.<br />

Fahren Sie in Ihrer Atmung fort.<br />

Fünfter Schritt. Dieses Mal bewegen Sie weder Kopf noch <strong>Augen</strong>.<br />

Sagen Sie einfach laut <strong>die</strong> Richtung jeden Pfeils, während Sie<br />

zugleich Ihre rechte Hand in <strong>die</strong>se Richtung bewegen. Achten Sie<br />

darauf, daß Ihre Handfläche in <strong>die</strong> gleiche Richtung weist, in <strong>die</strong><br />

sich Ihre Hand bewegt.<br />

Denken Sie daran, zwischen den einzelnen Pfeilen zu atmen,<br />

ein Moment, in dem Sie sonst zum Nachdenken verleitet sein<br />

könnten. Solange Sie rhythmisch atmen, bleiben Sie im mühelosen<br />

Fluß der Lebenskraft.<br />

Sechster Schritt. Wechseln Sie <strong>die</strong> Hände, und machen Sie den<br />

fünften Schritt nun mit dem linken Arm. Wieder achten Sie<br />

darauf, daß Ihre linke Handfläche immer in <strong>die</strong> Richtung weist, in<br />

<strong>die</strong> sich auch <strong>die</strong> Hand bewegt.<br />

Machen Sie sich bewußt, ob Ihnen <strong>die</strong> mühelose Bewegung in<br />

<strong>die</strong> eine Richtung leichter fällt als in <strong>die</strong> andere.<br />

Siebter Schritt. Rufen Sie <strong>die</strong> Richtung jeden Pfeils, während Sie<br />

mit beiden Händen in seine Richtung zeigen. Wieder achten Sie<br />

darauf, daß Ihre Handflächen in <strong>die</strong>selbe Richtung weisen, in <strong>die</strong><br />

sich auch Ihre Hände bewegen.<br />

Achter Schritt. Nennen Sie <strong>die</strong> Richtung jeden Pfeils und bewegen<br />

dabei Ihre Hände in <strong>die</strong> entgegengesetzte Richtung. Denken<br />

Sie daran, machen Sie Ihre Bewegungen langsam.<br />

Wenn Sie meinen, daß <strong>die</strong>se Anweisungen zu schwierig sind,<br />

277


dann machen Sie sich bewußt, wie sehr Ihr Geist angeregt ist - wir<br />

glauben, daß wir denken müssen, um ein schwieriges Problem zu<br />

lösen. Aber <strong>die</strong>se Art Aufgabe kann nur mühelos und ohne<br />

Anstrengung bewältigt werden. Sonst wäre es, als ob man einen<br />

Fußballspieler bittet, darüber nachzudenken, was er tut, während<br />

er läuft, um ein Tor zu schießen. Wenn er auch nur eine Sekunde<br />

innehält, um sein Tun zu reflektieren, so wird er augenblicklich<br />

angegriffen werden! Machen Sie also Ihre Bewegungen langsam,<br />

atmen Sie dabei, und danken Sie dem Wink, den Ihnen Ihre<br />

Fehler geben.<br />

Neunter Schritt. Bewegen Sie beide Hände in <strong>die</strong> Richtung des<br />

Pfeils, und nennen Sie <strong>die</strong> entgegengesetzte Richtung.<br />

Lassen Sie los, was Sie soeben gelernt haben, und machen Sie es<br />

jetzt andersherum!<br />

Zehnter Schritt. Nun wechseln Sie bei jeder Zeile zwischen den<br />

Schritten acht und neun ab: Bei der ersten Zeile nennen Sie <strong>die</strong><br />

Richtung der Pfeile und bewegen Ihre Hände in <strong>die</strong> entgegengesetzte<br />

Richtung. Bei der zweiten Zeile bewegen Sie Ihre Hände in<br />

<strong>die</strong> Richtung der Pfeile und nennen <strong>die</strong> entgegengesetzte Richtung.<br />

Fahren Sie darin fort, <strong>die</strong> Anweisungen zu Beginn jeder<br />

neuen Zeile auszuwechseln - und atmen Sie.<br />

Olympische Spiele<br />

Elfter Schritt. Um in den Genuß einer wahren Herausforderung<br />

zu kommen, wechseln Sie bei jedem Pfeil in den Anweisungen von<br />

Schritt acht und neun ab: Beim ersten Pfeil nennen Sie seine<br />

Richtung und bewegen Ihre Hände in <strong>die</strong> entgegengesetzte Richtung.<br />

Beim zweiten Pfeil bewegen Sie Ihre Hände in seine Richtung<br />

und nennen <strong>die</strong> entgegengesetzte Richtung. Beim dritten<br />

Pfeil kehren Sie zu den Anweisungen des ersten zurück. Fahren<br />

Sie auf <strong>die</strong>se Weise fort, indem Sie in den Anweisungen bei jedem<br />

Pfeil wechseln.<br />

278


Denken Sie daran, sehr viel langsamer zu sein, als Sie es<br />

gewohnt sind, und zwischen den einzelnen Pfeilen rhythmisch zu<br />

atmen.<br />

Zwölfter Schritt... etc. Fertigen Sie eine neue Pfeile-Tafel an,<br />

aber geben Sie den Pfeilen <strong>die</strong>smal verschiedene Farben. Dann<br />

verändern Sie <strong>die</strong> Aufgabenstellung abhängig von den Farben.<br />

Zum Beispiel nennen Sie bei einem roten Pfeil <strong>die</strong> Richtung des<br />

Pfeils und bewegen Ihre Hände in seine entgegengesetzte Richtung.<br />

Bei einem blauen Pfeil könnten Sie mit Ihren Händen in <strong>die</strong><br />

von ihm gewiesene Richtung zeigen, doch <strong>die</strong> entgegengesetzte<br />

nennen und so fort. Be<strong>die</strong>nen Sie sich Ihrer Vorstellungskraft, um<br />

interessante Ergänzungen zu finden, oder aber Sie be<strong>die</strong>nen sich<br />

der folgenden Vorschläge.<br />

Variation eins. Folgen Sie den Anweisungen <strong>für</strong> Schritt acht,<br />

außer wenn Sie zu einem blauen Pfeil gelangen. Dann nennen Sie<br />

den Namen Ihrer Mutter (oder Ihres Vaters).<br />

Variation zwei. Nachdem Sie <strong>die</strong> erste Variation bewältigt haben,<br />

suchen Sie Ersatz <strong>für</strong> eine zweite Farbe. Es sollte etwas anderes<br />

sein, als Sie bei der ersten Variation gewählt haben. Wenn <strong>die</strong><br />

erste Farbe <strong>für</strong> eine Person stand, dann könnten Sie <strong>die</strong> zweite<br />

durch ein Autofabrikat oder ein Tier oder eine Handlung ersetzen<br />

wie zum Beispiel: «Statt etwas zu sagen, wird jedesmal bei <strong>die</strong>ser<br />

Farbe in <strong>die</strong> Hände geklatscht.»<br />

Weitere Variationen. Zeichnen Sie eine Tafel mit diagonalen<br />

Pfeilen - rechts oben, links oben, rechts unten und links unten.<br />

Nun wiederholen Sie mit <strong>die</strong>ser neuen Tafel <strong>die</strong> ganze Übungssequenz<br />

von Anfang an!<br />

Vielleicht ziehen Sie in Betracht, eine aus <strong>die</strong>sen Übungen bestehende<br />

Serie jeden Morgen als eine Art Bewegungsmeditation zu<br />

machen. Ich habe festgestellt, daß sie wunderbar ausgleichend<br />

und erweiternd auf das Körper-Geist-System wirken.<br />

279


Die beschriebenen Prozeduren sind nur der Anfang! Der Spaß<br />

beginnt erst richtig, wenn Sie auf dem Trampolin sind. Da Sie<br />

sozusagen den Boden unter den Füßen verlieren, verändert sich<br />

Ihr normaler, geerdeter Sinn <strong>für</strong> <strong>die</strong> Wirklichkeit und läßt Sie auf<br />

eine neue Ebene des Bewußtseins und des Lernens gelangen.<br />

Zweiter Teil: Trampolin-Spiele<br />

Es ist wichtig, den Prozeß des Mühelosen Lernens auf dem Boden<br />

zu beginnen, damit Sie sich in der Basis «erden» können, bevor<br />

Sie in <strong>die</strong> Luft gehen. Auf dem Boden lernen Sie eine Bewußtseinsebene<br />

kennen, sobald Sie den Boden jedoch verlassen, findet<br />

etwas anderes statt.<br />

Wir haben festgestellt, daß wir jedesmal, wenn wir angestrengt<br />

nachdenken, aufhören zu atmen und den Körper verkrampfen,<br />

uns dessen aber normalerweise nicht bewußt sind - solange wir<br />

mit den Füßen auf der Erde stehen! Indem wir in <strong>die</strong> Luft<br />

springen, öffnen wir uns einem neuen Blick auf <strong>die</strong>se gewohnten<br />

Reaktionen. Durch unser angestrengtes Nachdenken unterbrechen<br />

wir den spontanen Fluß, der uns in fließender Bewegung<br />

hält. Mitunter manifestiert sich <strong>die</strong>s durch einen momentanen<br />

Kontrollverlust über <strong>die</strong> Muskulatur - unser Körper verkrümmt<br />

oder verdreht sich vielleicht, möglicherweise schneiden wir Grimassen<br />

- alles nur, weil unser Verstand versucht festzuhalten.<br />

Außerdem scheinen wir uns unserer Gefühle und Sinneswahrnehmungen<br />

bewußter zu sein, wenn unsere Füße nicht auf festem<br />

Boden stehen.<br />

Nachdem Sie also <strong>die</strong> erste Übungsfolge auf dem Boden absolviert<br />

haben, können Sie sich jetzt auf das Minitrampolin begeben.<br />

Zunächst üben Sie einfach auf- und abzuspringen, dabei zu atmen<br />

und Ihre Hände bei jedem Sprung in kleinen Kreisen zu bewegen:<br />

Gestatten Sie Ihren Händen, während Sie springen, sich nach<br />

oben zu bewegen und dann spontan in einer kleinen Kreisbewegung<br />

nach außen zu fallen.<br />

280


Diese Handbewegungen treten tatsächlich natürlich auf, während<br />

Sie Ihre Arme und Hände entspannen, aber anfangs ist es <strong>für</strong><br />

<strong>die</strong> meisten Menschen leichter, wenn man ihnen zeigt, wie es<br />

gemacht wird. Während des mit der Hand beschriebenen Kreises<br />

bleiben <strong>die</strong> Finger geschlossen, und <strong>die</strong> Handfläche wird nach<br />

unten gerichtet. Ihre Hände befinden sich auf Taillenhöhe und<br />

sind am nächsten beisammen, wenn Ihre Füße auf dem Trampolin<br />

aufkommen. Sollte <strong>die</strong> Übung von Ihnen Händeklatschen verlangen,<br />

dann ist <strong>die</strong>s der richtige Zeitpunkt hier<strong>für</strong>, aber achten Sie<br />

darauf, daß Ihre Handflächen im allgemeinen nach unten weisen<br />

und nur beim Klatschen selbst parallel zueinander stehen. Auch<br />

alle anderen Aktivitäten, wie zum Beispiel das Benennen der<br />

Richtungen, erfolgen in dem <strong>Augen</strong>blick, wenn <strong>die</strong> Füße auf das<br />

Trampolin zurückkehren. Ziel ist es, daß das Auftreffen der<br />

Füße, das Klatschen der Hände und das Sprechen alle zum<br />

gleichen Moment erfolgen.<br />

Sobald Sie mit der Handbewegung vertraut sind, versuchen Sie<br />

<strong>die</strong> folgende Aufwärmübung. Fahren Sie dabei darin fort, zu<br />

atmen, mit den Händen zu kreisen und sich mühelos zu bewegen.<br />

Sollten Sie einen Partner haben, dann ist es seine Aufgabe, Sie<br />

darauf aufmerksam zu machen, daß Sie sich zu verkrampfen<br />

drohen - wenn Sie den Atem anhalten oder Ihre Hände nicht<br />

mehr bewegen.<br />

Zählen Sie bis zwanzig, indem Sie <strong>für</strong> jeden Sprung eine Zahl<br />

vergeben. Sobald Ihnen <strong>die</strong>s leicht fällt, ersetzen Sie <strong>die</strong> Zahlen<br />

nach und nach eine nach der anderen. Gehen Sie langsam vor,<br />

und überfordern Sie sich nicht. Ersetzen Sie eine Zahl nur<br />

dann, wenn Sie sich beim vorangegangenen Mal wohlgefühlt<br />

haben.<br />

Zunächst ersetzen Sie <strong>die</strong> Nummer drei durch <strong>die</strong> vierzehn.<br />

Dann fügen Sie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Nummer vier eine Farbe ein, vertauschen<br />

<strong>die</strong> Achtzehn mit einem Buchstaben und wechseln <strong>die</strong><br />

Acht gegen ein Tier aus.<br />

Haben Sie all <strong>die</strong>s geschafft, dann beginnt der Prozeß von vorn<br />

- rückwärts.<br />

281


Nachdem Sie sich auf <strong>die</strong>se Weise aufgewärmt haben, können Sie<br />

mit einem beliebigen der folgenden «Trampolin-Spiele» beginnen.<br />

Jedes Spiel steigert sich von einer leichteren zu einer<br />

anspruchsvolleren Stufe der Meisterschaft und verlangt ein höheres<br />

Niveau des Vertrauens und der Bewußtheit. Die größte<br />

Herausforderung stellen <strong>die</strong> Olympischen Spiele am Ende jeder<br />

Prozedur dar. Möglicherweise bewältigen Sie <strong>die</strong> Olympischen<br />

Variationen nicht erfolgreich, bevor Sie <strong>die</strong> Spiele nicht eine<br />

Zeitlang geübt haben. Versuchen Sie also nicht, sich gleich zu<br />

Anfang zum Erfolg zu zwingen. Es ist ausreichend, nur <strong>die</strong> Spiele<br />

zu machen, <strong>die</strong> Sie interessieren, aber beginnen Sie niemals<br />

mit einer höheren Stufe einer Übung, bis Sie <strong>die</strong> Grundlagen<br />

nicht erfolgreich zu Ende gebracht haben - Abkürzungen funktionieren<br />

einfach nicht. Der Prozeß des Mühelosen Lernens ähnelt<br />

im Ablauf dem Errichten Ihres Traumhauses: Die Fundamente<br />

müssen vorhanden sein, bevor das Dach aufgesetzt werden<br />

kann!<br />

Manche <strong>die</strong>ser Spiele sind auf bestimmte Themen ausgerichtet<br />

- <strong>die</strong> Arbeit mit Zahlen, Buchstaben, Richtungen und so fort.<br />

Wenn Sie sich mit einem Bereich beschäftigen, der Ihnen in der<br />

Vergangenheit Schwierigkeiten bereitet hat, dann seien Sie geduldig<br />

mit sich, gehen dem Thema aber auch nicht aus dem Weg, nur<br />

weil Sie meinen: «In Mathe bin ich nicht gut», oder «Ich bringe<br />

immer <strong>die</strong> Richtungen durcheinander», oder «Ich bin schlecht in<br />

Rechtschreibung.» Eine solche Haltung zeigt Ihnen in Wahrheit,<br />

wo Sie mit der Methode Müheloses Lernen <strong>die</strong> größten Durchbrüche<br />

erleben können.<br />

So ist zum Beispiel <strong>die</strong> weiter unten beschriebene «Unendliche<br />

Rechenaufgabe» eine Zahlenübung. Viele Menschen <strong>für</strong>chten<br />

sich vor Zahlen; sie glauben, daß sie nicht gut rechnen können.<br />

Aber <strong>die</strong>se Technik bietet einen vollkommen anderen Ansatz <strong>für</strong><br />

den Umgang mit Zahlen. Sie kann Ihnen sogar dabei helfen, Ihre<br />

Furcht zu heilen, indem Sie Ihnen zeigt, daß Sie ebenso mühelos<br />

rechnen können wie ein Taschenrechner. Wenn Sie in den Rechner<br />

eine Formel eingeben, dann erscheint <strong>die</strong> Antwort sofort. Die<br />

hier vorgestellte Technik funktioniert auf <strong>die</strong> gleiche Weise. Sie<br />

282


leiben ganz und gar im Jetzt, und <strong>die</strong> Antwort fließt einfach<br />

durch Sie hindurch. Sie haben nicht <strong>die</strong> geringste Vorstellung, wo<br />

sie herkommt.<br />

Sie halten sich vielleicht nicht <strong>für</strong> «schlau genug», um ohne<br />

nachzudenken Mathematik zu betreiben, aber Tatsache ist, <strong>die</strong><br />

großartigsten «menschlichen Rechenmaschinen» besitzen im allgemeinen<br />

einen sehr niedrigen Intelligenzquotienten; sie produzieren<br />

ihre Resultate ohne zu denken. Sie werden «weise Idioten»<br />

genannt, und wie Joseph Chilton Pierce in Evolution's End:<br />

Claiming the Potential of Our Intelligence (Das Ende der Evolution:<br />

Die Beanspruchung unseres Intelligenzpotentials) erklärt,<br />

besitzen <strong>die</strong>se Leute einen Intelligenzquotienten von fünfundzwanzig.<br />

Sie sind in der Regel unfähig, irgend etwas zu lernen,<br />

wenige von ihnen können lesen oder schreiben. Doch hat jeder<br />

von ihnen offenbar unbegrenzt Zugang zu einem bestimmten<br />

Wissensgebiet, von dem wir sicher annehmen, daß sie ihn nicht<br />

erworben haben können. ... [Sie] rechnen nicht, sie reagieren<br />

einfach auf vorhandene Reize, sobald <strong>die</strong>se Reize in ihrem schmalen<br />

Begabungsspektrum mitschwingen. 1<br />

Sie sind nicht einmal fähig, eine Telefonnummer zu wählen.<br />

Aber sie haben das Ergebnis der Multiplikation 17.991 x 46.521<br />

unmittelbar parat oder wissen den Wochentag eines Datums,<br />

welches Hunderte von Jahren zurück oder in der Zukunft liegt.<br />

Und sie bewältigen <strong>die</strong>s, im wahrsten Sinne des Wortes, so schnell<br />

wie ein Computer. Wie stellen sie das an? Sie scheinen den<br />

vollständigen Zugang zu einem winzigen Bereich des holographischen<br />

Wissensfeldes zu besitzen. Wir, auf der anderen Seite,<br />

scheinen einen sehr begrenzten Zugang zum gesamten Feld zu<br />

haben. Wir wissen über zahlreiche Dinge immer nur ein wenig,<br />

während sie über ein kleines Gebiet mühelos und unendlich viel<br />

zu sagen haben.<br />

Wenn es ein Thema gibt, mit dem Sie Schwierigkeiten haben<br />

und welches nicht durch <strong>die</strong> folgenden Übungen abgedeckt wird,<br />

dann können Sie es in <strong>die</strong> fortgeschrittenen Versionen der Techniken<br />

integrieren. Wenn Ihnen zum Beispiel Geographie besonders<br />

schwer fällt, steht es Ihnen frei, <strong>die</strong> Namen von Hauptstädten,<br />

283


Ländern oder Staaten einzusetzen, wenn immer sich <strong>die</strong> Gelegenheit<br />

bietet.<br />

Ich arbeitete mit einer Klientin zusammen, <strong>die</strong> ich Sheila nennen<br />

möchte. Im Verlauf der Übung ersetzten wir Buchstaben in einem<br />

Satz durch <strong>die</strong> Namen der amerikanischen Staaten. Ich bemerkte,<br />

daß sie ein wenig nervös wurde, aber mir war nicht klar, warum.<br />

Schließlich, nachdem wir bereits drei Staatennamen eingesetzt<br />

hatten, brach sie zusammen und erzählte mir: «Geographie war in<br />

der Schule immer mein schlechtestes Fach. Ich kann das einfach<br />

nicht.» Sie war den Tränen nahe.<br />

Als wir <strong>die</strong> Übung zum Abschluß brachten, konnte Sheila fast<br />

<strong>die</strong> Namen aller fünfzig amerikanischen Staaten aufsagen. Wie<br />

war das möglich? Sie hatte sie nicht inzwischen auswendig gelernt;<br />

es war vielmehr so, als ob sie sich irgendwo in ihrem Bewußtsein<br />

verborgen gehalten hätten. Wir fanden einfach nur <strong>die</strong> Tür<br />

und öffneten sie. Die Veränderung trat spontan auf, als sie sich<br />

mehr mit ihrer Atmung befaßte, statt über <strong>die</strong> Staaten nachzudenken.<br />

Bei den Trampolin-Spielen, <strong>für</strong> <strong>die</strong> eine Tafel irgendeiner Art<br />

benötigt wird, können Sie damit beginnen, daß Sie sie von links<br />

nach rechts lesen wie ein Buch. Sobald Ihr Selbstvertrauen '<br />

wächst, variieren Sie <strong>die</strong>s und lesen von rechts nach links. Ziel ist<br />

es, anpassungsfähig zu bleiben, indem Sie Dinge tun, <strong>die</strong> Sie<br />

niemals zuvor getan haben. Also denken Sie sich immer neue<br />

Möglichkeiten aus, um das Spiel zu üben.<br />

Hüpfende Pfeile. Die erste Technik ist eine Fortführung der<br />

Pfeileübung im Stehen. Der einzige Unterschied besteht darin,<br />

daß Sie jetzt <strong>die</strong> gleichen Prinzipien zur Anwendung bringen,<br />

während Sie auf dem Trampolin springen. Also fangen wir an,<br />

indem wir zu den Grundlagen zurückkehren:<br />

Jedesmal, wenn Sie springen, nennen Sie <strong>die</strong> Richtung des<br />

nächsten Pfeils - oben, links, unten, rechts. Nachdem Ihnen <strong>die</strong>s<br />

mühelos gelingt, geben Sie <strong>die</strong> jeweils entgegengesetzte Richtung<br />

284


an - unten, rechts, oben, links. Achten Sie auch weiterhin darauf,<br />

daß Ihre Hände kleine Kreise beschreiben.<br />

Dann mögen Sie <strong>die</strong> folgende Variation versuchen: Nennen Sie<br />

nicht <strong>die</strong> Richtung des Pfeils, den Sie sehen, sondern verschieben<br />

Sie sie im Uhrzeigersinn um ein Kreisviertel - ein nach unten<br />

gerichteter Pfeil wird zu «links», ein linker Pfeil zu «oben», ein<br />

nach oben weisender Pfeil zu «rechts» und ein nach rechts zeigender<br />

Pfeil zu «unten».<br />

Wie bei den vorangegangenen Übungen wird Ihnen <strong>die</strong>s nur<br />

dann gelingen, wenn Sie Ihr Bewußtsein offen halten und nicht<br />

analysieren. Denken Sie nicht darüber nach, entspannen Sie<br />

Ihren Fokus, und gestatten Sie den Pfeilen, sich Ihnen mitzuteilen.<br />

Indem Sie nichts tun, erlangen Sie Zugang zu Ihrer mühelosen<br />

Begabung. Jedesmal, wenn es Ihnen gelingt, wächst Ihr<br />

Respekt <strong>für</strong> und Ihr Vertrauen auf den spontanen Fluß Ihrer<br />

Intelligenz.<br />

Als nächstes könnten Sie den Pfeil um einen Viertelkreis gegen<br />

den Uhrzeigersinn verscheiben. Nun wird der nach unten weisende<br />

Pfeil zu «rechts», der nach oben gerichtete zu «links», der<br />

nach rechts zeigende zu «oben» und der nach links weisende Pfeil<br />

zu «unten».<br />

Olympische Spiele<br />

Wenn sie mühelos <strong>die</strong>se beiden Richtungen gemeistert haben,<br />

können Sie sie verändern: Verschieben Sie den ersten Pfeil um<br />

einen Viertelkreis im Uhrzeigersinn und den nächsten um einen<br />

Viertelkreis gegen den Uhrzeigersinn. Wechseln Sie bei allen<br />

folgenden Pfeilen zwischen <strong>die</strong>sen beiden Möglichkeiten hin und<br />

her.<br />

Hüpfende farbige Pfeile. Dieser Vorgang be<strong>die</strong>nt sich einer Tafel,<br />

auf der verschiedenfarbige Pfeile abgebildet sind, deren Farben<br />

abwechseln. Die Namen der Farben selbst sind ebenfalls farbig -<br />

das Wort «blau» in der ersten Zeile kann rot gefärbt sein und «rot»<br />

285


(rot gefärbt) (blau gefärbt) (grün gefärbt)<br />

(grün gefärbt) (schwarz gefärbt) (rot gefärbt)<br />

Anweisungen <strong>für</strong> <strong>die</strong> Tafel mit farbigen Pfeilen<br />

(Anmerkung: Die Pfeile können nach dem Zufallsprinzip mit jeder<br />

beliebigen der vorhandenen Farben angemalt werden.)<br />

beispielsweise blau. «Grün» kann tatsächlich von <strong>die</strong>ser Farbe<br />

sein, aber auch «Schwarz» ist grün gefärbt. Das nächste «Grün»<br />

wäre schwarz vorstellbar und ein weiteres vielleicht rot. Nachdem<br />

Sie <strong>die</strong> Worte eingefärbt haben, verteilen Sie auch auf <strong>die</strong> Pfeile<br />

unterschiedliche Farben.<br />

Und so benutzen Sie <strong>die</strong>se Tafel: Bei jedem Sprung nennen Sie<br />

den Namen der Farbe und dann <strong>die</strong> Richtung des Pfeils. Also<br />

würden Sie bei <strong>die</strong>ser Tafel sagen: «Blau, rechts, rot, unten, grün,<br />

oben, schwarz, links, grün, rechts, blau, unten.» Dann könnten<br />

Sie abwechseln: Richtung, Name der Farbe, Richtung, Farbe des<br />

Wortes, Richtung, Name der Farbe und so fort.<br />

Ihre Vorstellungskraft wird viele Möglichkeit finden, um <strong>die</strong>se<br />

Tafel einzusetzen, setzen Sie also verschiedene Variationen<br />

zusammen, während Sie fortschreiten.<br />

Ene, mene, miste, es rappelt in der Kiste. Für <strong>die</strong>se Übung<br />

brauchen Sie einen einfachen Satz wie «Ene, mene, miste, es<br />

rappelt in der Kiste.» Bei jedem Sprung nennen Sie einen<br />

Buchstaben des Satzes, <strong>für</strong> <strong>die</strong> Wortzwischenräume springen Sie<br />

einmal stumm: E-N-E, stummer Sprung, M-E-N-E, stummer<br />

Sprung und so fort. Beim nächsten Durchgang können Sie den<br />

286


Vorgang wiederholen, nur dann klatschen Sie <strong>für</strong> <strong>die</strong> Wortzwischenräume<br />

in <strong>die</strong> Hände.<br />

Als nächstes lesen Sie den Satz vor, klatschen bei den Wortzwischenräumen<br />

und nennen eine Zahl, jedesmal wenn Sie zum<br />

Buchstaben «E» kommen. Beim ersten «E» rufen Sie «eins», beim<br />

nächsten «E» rufen Sie «zwei», beim darauffolgenden «drei» und<br />

so fort. Tauschen Sie weiterhin Buchstaben aus - vielleicht wollen<br />

Sie den nächsten Buchstaben «I» durch eine Farbe ersetzen.<br />

Wenn Sie nächstes Mal zum Buchstaben «P» kommen, dann<br />

nennen Sie statt seiner eine Automarke. Beim nächsten Durchgang<br />

tauschen Sie das «S» gegen den Namen eines Tiers. Sie<br />

können so viele Buchstaben auswechseln wie Sie wollen. Gehen<br />

Sie jedoch langsam vor, damit Sie jeden Tausch meistern, bevor<br />

Sie einen neuen hinzufügen.<br />

Erst folgen Sie <strong>die</strong>sen Anweisungen, indem Sie den Satz vorwärts<br />

lesen; dann indem Sie ihn rückwärts buchstabieren. Schließlich<br />

drehen Sie sich um und wiederholen den Vorgang, ohne den<br />

Satz dabei zu sehen.<br />

Olympische Spiele<br />

Als größte Herausforderung wechseln Sie <strong>die</strong> Buchstaben von<br />

Satzanfang und -ende miteinander ab und klatschen bei den<br />

Wortzwischenräumen: «E, E, N, T, E, S, Klatschen, I, M, K, E,<br />

Klatschen» und so fort. Wenn Sie das beherrschen, beginnen Sie,<br />

wieder <strong>die</strong> Buchstaben zu ersetzen. Schließlich werden Sie sich<br />

auf dem Trmapolin umdrehen können und jede Version bewältigen,<br />

ohne dabei auf <strong>die</strong> Tafel zu blicken. Und wenn Sie es<br />

tatsächlich ohne hinzusehen schaffen, dann wird Ihr Geist wirklich<br />

loslassen!<br />

Endlose Rechenaufgabe. Diese Übung eignet sich großartig <strong>für</strong><br />

Menschen, <strong>die</strong> Angst vor Mathematik haben. Zunächst schreiben<br />

Sie zwei senkrechte Zahlrenreihen nieder, bestehend aus den<br />

Zahlen zwischen eins und zehn.<br />

287


Tafel <strong>für</strong> <strong>die</strong> endlose Rechenaufgabe<br />

Auf der linken Seite folgen Sie der Zahlenreihe nach unten, auf<br />

der rechten nach oben. Beim ersten Sprung nennen Sie <strong>die</strong> erste<br />

Zahl links oben: «vier». Springen Sie einmal stumm und fahren<br />

dann unten rechts fort. Dort ist <strong>die</strong> Zahl «zehn», aber Sie nennen<br />

Sie nicht. Statt dessen sagen Sie bei <strong>die</strong>sem Sprung <strong>die</strong> Summe aus<br />

vier und zehn: «vierzehn.» Dann machen Sie wieder einen Sprung<br />

und fahren mit der zweitobersten Zahl in der linken Reihe fort.<br />

Sie ad<strong>die</strong>ren <strong>die</strong>se Zahl zur Summe und wenden sich der zweituntersten<br />

Zahl in der rechten Reihe zu. Sie fahren fort, indem Sie<br />

den Zahlrenreihen hinunter und hinauf folgen: «vier», Sprung,<br />

«vierzehn», Sprung, «einundzwanzig», Sprung, «dreißig»,<br />

Sprung, «einundreißig», Sprung, «dreiundreißig», Sprung... und<br />

so fort.<br />

Da Sie all <strong>die</strong>s während des Springens tun, haben Sie keine Zeit,<br />

<strong>die</strong> Ergebnisse zu berechnen. Sie öffnen lediglich Ihr Bewußtsein<br />

und gestatten der Antwort, durch Sie hindurchzufließen. Nur Ihre<br />

Angst kann Sie zurückhalten, und da Sie sich entspannen und<br />

springen und atmen, ist Ihre Angst nichts, woran Sie sich festhalten<br />

müssen. Sobald Sie <strong>die</strong> Zahlentabelle aus dem Beispiel mühelos<br />

bewältigen, können Sie weitere Zahlen hinzufügen. Die Zahlenreihen<br />

werden somit länger und länger.<br />

288


Olympische Spiele<br />

Das oben beschriebene Spiel kann noch ergänzt werden. Die erste<br />

olympische Variation wechselt zwischen Addition und Subtraktion<br />

ab. Die erste Zahl wird zu der zweiten ad<strong>die</strong>rt, <strong>die</strong> folgende<br />

wird subtrahiert und so fort. Um dazu in der Lage zu sein, muß der<br />

lineare Verstand Ihnen Platz machen; Sie müssen Ihre spontane<br />

Intelligenz anzapfen.<br />

Wenn Sie es sich noch ein wenig schwerer machen wollen,<br />

können Sie Multiplikation und Division hinzunehmen. Denken<br />

Sie jedoch daran: Sie rechnen nicht, Sie gestatten lediglich der<br />

Antwort, sich an der richtigen Stelle einzufügen!<br />

Hüpfende Gleichungen. Eine andere Art von mathematischer<br />

Übung be<strong>die</strong>nt sich der Gleichungen. Beispielsweise könnten Sie<br />

sich vier Gleichungen wie <strong>die</strong> folgenden ausdenken:<br />

4 x _ = 16<br />

12 : 3 = _<br />

Diese Gleichungen nutzen Addition, Subtraktion, Multiplikation<br />

und Division. Bei jedem Sprung nennen Sie einen Bestandteil der<br />

Gleichung, auch <strong>die</strong> Zahl, <strong>die</strong> erforderlich ist, um <strong>die</strong> Lücke zu<br />

schließen. Zum Beispiel: «zwei», «plus», «drei», «ist», «fünf».<br />

Olympische Spiele<br />

Sobald Ihnen <strong>die</strong>ses Spiel leicht fällt, fordern Sie Ihren Partner<br />

auf, «plus eins» oder «minus eins» (oder jede beliebige andere<br />

einstellige Zahl) zu rufen. Sie ad<strong>die</strong>ren <strong>die</strong> genannte Zahl oder<br />

subtrahieren sie von Ihrem Ergebnis, bevor sie es sagen. Ruft Ihr<br />

Partner also «minus vier», dann lautet Ihre Antwort: «Zwei»,<br />

«plus», «drei», «ist», «eins».<br />

289


Ihr Partner kann bei jeder Formel eine neue Zahl nennen, <strong>die</strong><br />

Sie zu Ihrem Ergebnis ad<strong>die</strong>ren oder von ihm subtrahieren müssen.<br />

Spaß mit Luftballons. Dieses Spiel ist eine Möglichkeit <strong>für</strong> <strong>die</strong><br />

ganze Familie, Spaß zu haben und zugleich <strong>die</strong> Integration von<br />

Körper und Geist zu fördern. Sie benötigen dazu kein Trampolin,<br />

da <strong>die</strong> Übung normalerweise auf dem Boden stehend ausgeführt<br />

wird.<br />

Füllen Sie einen großen Luftballon, und versammeln Sie <strong>die</strong><br />

Familie in einem kleinen Kreis, in dem eine Person den Ballon<br />

hält. Wählen Sie ein einfaches Wort oder einen kleinen Satz wie<br />

«Ene, mene, miste, es rappelt in der Kiste», den alle Altersgruppen<br />

buchstabieren können. (Wenn Sie das Spiel mit kleinen<br />

Kindern machen, <strong>die</strong> noch nicht zur Schule gehen, könnten Sie es<br />

statt dessen mit den Namen von Tieren, Farben oder Körperteilen<br />

versuchen.)<br />

Die Person mit dem Ballon in Händen ruft den ersten<br />

Buchstaben: «E!» und stößt dabei den Ballon in <strong>die</strong> Luft, ähnlich<br />

wie beim Volleyballspiel. Wenn er wieder herunterkommt,<br />

schlägt <strong>die</strong> Person, <strong>die</strong> ihm am nächsten ist, ihn zurück in <strong>die</strong> Luft<br />

und nennt dabei den nächsten Buchstaben: «N!» Fahren Sie auf<br />

gleiche Weise mit dem Rest des Satzes fort, und schweigen Sie bei<br />

Wortzwischenräumen. Am meisten Spaß macht es, wenn alle<br />

mitspielen. Wenn ein Kind einen «Wink» erhält, dann helfen Sie<br />

ihm, <strong>für</strong> sich herauszufinden, was geschehen ist. Stellen Sie<br />

Fragen, statt festzustellen: «Das ist falsch!» oder «Die Antwort<br />

muß sein!» Helfen Sie dem Kind, selbst über den<br />

Prozeß nachzudenken und selbst Verständnis da<strong>für</strong> zu entwikkeln.<br />

Ein weiterer kreativer Prozeß ist es, nur mit einem Wort<br />

anzufangen und dann während des Spiels immer weitere hinzuzufügen.<br />

Die erste Person ruft ein Wort wie zum Beispiel «Liebe».<br />

Sobald das Wort und der folgende Wortzwischenraum buchstabiert<br />

ist, ruft derjenige, der den Luftballon als nächster erhält, ein<br />

neues Wort, welches mit dem alten einen Satz zu bilden beginnt<br />

290


wie «ist». Machen Sie so weiter, bis der Satz vollständig ist -<br />

vielleicht: «Liebe ist <strong>die</strong> Kraft des Lebens.»<br />

Wenn Sie mehr über solche «Familienspiele» wissen wollen,<br />

möchte ich Sie hiermit an Dr. Raymond Gottliebs Handbuch<br />

paradoxer Bewegungsspiele <strong>für</strong> Kinder verweisen (siehe Anhang<br />

A).<br />

Olympische Spiele<br />

Wenn <strong>die</strong> Familie bewanderter wird, haben Sie <strong>die</strong> Möglichkeit,<br />

zunehmend schwerere Worte oder Sätze zu wählen und<br />

Buchstaben oder Worte auswechseln zu lassen. Geben Sie den<br />

Kindern <strong>die</strong> Gelegenheit, ebenfalls Vorschläge <strong>für</strong> Variationen zu<br />

machen. Und denken Sie daran, am wichtigsten ist es, dabei Spaß<br />

zu haben!<br />

Olympische Goldmedaille - paradoxe <strong>Augen</strong>bewegungen. Hier<br />

folgt eine der größten Herausforderungen überhaupt: Sobald Sie<br />

das Ende Ihrer Sitzung erreicht haben, legen Sie sich auf den<br />

Boden. Zentrieren Sie sich, atmen Sie, und drehen Sie Ihren Kopf<br />

langsam nach rechts, während Sie Ihre <strong>Augen</strong> nach links bewegen.<br />

Dann drehen Sie das Ganze um und drehen Ihren Kopf<br />

langsam nach links und <strong>die</strong> <strong>Augen</strong> zugleich nach rechts. Dies ist<br />

eine Übung von hohem neurologischem Anspruch, <strong>die</strong> Ihnen<br />

zeigen wird, wie gut Sie nun ohne Anstrengung auskommen.<br />

Wenn Sie <strong>die</strong> Übung in entspanntem Fluß beherrschen und dabei<br />

atmen, dann wissen Sie, daß Ihre Körper-Geist-Integration ein<br />

olympisches Niveau erreicht hat.<br />

Die Plätze tauschen. Sobald Sie das Gefühl haben, bei einer<br />

Sitzung auf dem Trampolin so viel wie möglich erreicht zu haben,<br />

tauschen Sie den Platz mit Ihrem Partner. Nun ist er oder sie auf<br />

dem Trampolin, und Sie übernehmen <strong>die</strong> Führung. Sie können<br />

Ihre Lernerfahrung dazu heranziehen, eine Reihe von Spielen nur<br />

<strong>für</strong> <strong>die</strong>se Person zu erschaffen.<br />

291


Sie werden schnell feststellen, daß der Übungsleiter ebenso<br />

geistesgegenwärtig und anstrengungsfrei sein muß wie der<br />

Übende. Wie sollte sonst der Übungsleiter wissen, wie <strong>die</strong> andere<br />

Person vorankommt? Sie müssen <strong>die</strong> Übung mit ihr machen - Sie<br />

müssen offen bleiben, während Sie zugleich ihre Atmung und ihre<br />

Bewußtheit beobachten. Wann immer Sie also mit einer anderen<br />

Person arbeiten, arbeiten Sie auch an sich selbst. Sie lernen<br />

zusammen mit <strong>die</strong>ser Person.<br />

Die Spiele auf einem Trampolin zu üben verlangt einen bestimmten<br />

Bewußtheitsgrad. Sie im Stillen zu vollziehen, während<br />

man zugleich einer anderen Person beim Üben zusieht, setzt einen<br />

höheren Bewußtseinsgrad voraus. Achten Sie jedoch weiterhin<br />

auf Ihren Atem, und bleiben Sie offen, dann wird es gelingen, <strong>die</strong><br />

andere Person mühelos zu leiten.<br />

Beginnen Sie immer auf einer Ebene, auf der sich <strong>die</strong> Person<br />

wohlfühlt, auf einer Ebene, <strong>die</strong> sie mit nur geringer Anstrengung<br />

bewältigen kann. Wenn Sie Zweifel haben, dann geben Sie ihr <strong>die</strong><br />

Gelegenheit, leicht anzufangen und sich zu den schwierigeren<br />

Prozessen voranzuarbeiten, indem Sie ihr und sich zeigen, daß sie<br />

bereit ist. Ein Kind könnte damit beginnen, nur <strong>die</strong> Richtungen zu<br />

nennen oder schweigend <strong>die</strong> Hände in <strong>die</strong> Richtung der Pfeile zu<br />

bewegen. Der Ersatz <strong>für</strong> <strong>die</strong> Pfeile könnte beispielsweise aus<br />

Tiernamen oder aus den Lauten, <strong>die</strong> sie von sich geben, bestehen.<br />

Was immer <strong>für</strong> <strong>die</strong> Person, mit der Sie üben, interessant ist, kann<br />

als Ersatz <strong>für</strong> Pfeile und Buchstaben <strong>die</strong>nen.<br />

Lassen Sie bei jedem, mit dem Sie üben, dessen eigene Geschwindigkeit<br />

zu, aber machen Sie es dem Übenden auch nicht zu<br />

leicht. Um unsere Grenzen auszuweiten, müssen wir jedesmal ein<br />

wenig weiter vorankommen. Jedesmal, wenn uns etwas gelingt,<br />

was wir niemals zuvor getan haben, wird in uns der Wunsch<br />

danach geweckt, <strong>die</strong> Leistung noch etwas zu steigern. Geben Sie<br />

also Ihrem Partner eine Aufgabe, <strong>die</strong> er oder sie gerade eben<br />

bewältigen kann, und setzen Sie den Einsatz jedesmal ein wenig<br />

höher fest. Indem Sie den Schwierigkeitsgrad einer Aufgabe<br />

erhöhen, könnten Sie innerhalb einer Stunde miterleben, daß ein<br />

Mensch, der sein Lernpotential bisher zu zwanzig Prozent aus-<br />

292


schöpfte, <strong>die</strong>s nun zu vierzig Prozent tut - dauerhaft. Die Veränderung<br />

wurde dauerhaft in seinem System verankert, weil sie in<br />

einem holistischen Prozeß erfolgte, in dem Schritt <strong>für</strong> Schritt<br />

vorgegangen wurde.<br />

Sie werden selbst feststellen, daß Sie, wenn Sie eine bestimmte<br />

Übung erst einmal gemeistert haben, <strong>die</strong>s jederzeit wiederholen<br />

können, selbst wenn Sie vorher nicht «üben». Wie kann Ihnen<br />

<strong>die</strong>s gelingen? Haben Sie sie sich eingeprägt? Nein, es hat nichts<br />

mit Gedächtnis oder Übung zu tun. Sie haben einfach <strong>die</strong>sen<br />

Prozeß in Ihrem Bewußtsein verankert. Um erneut den Zugang<br />

zu ihm zu finden, müssen Sie nichts tun, als zu atmen und Ihr<br />

Bewußtsein zu öffnen.<br />

In <strong>die</strong>sen Spielen lernt das Körper-Geist-System, mit fließender<br />

Spontaneität wie ein olympischer Athlet zu reagieren. Es gibt<br />

einen großen Unterschied zwischen perfekter Technik und Meisterschaft.<br />

Um der Beste auf der Welt zu sein, muß ein Athlet<br />

seine Technik und sein Training übersteigen. Techniken sehen<br />

sehr gut aus, aber Meisterschaft ist spontan und mühelos - weil sie<br />

aus unserem holographischen Sein kommt und nicht aus unserem<br />

Geist.<br />

293


17<br />

Visionssuche<br />

von Sonya Hagemann<br />

Ich fing an, eine Brille zu tragen, als ich zwölf Jahre alt war. Ich<br />

erinnere mich, daß ich mich damals von meinem sich verändernden<br />

Körper und sich wandelnden Beziehungen stark in Anspruch<br />

genommen fühlte. Am schwersten war es <strong>für</strong> mich, als sexuelles<br />

Wesen gesehen zu werden. Plötzlich verhielten sich Männer mir<br />

gegenüber anders, aber da ich mich nicht anders fühlte, wußte ich<br />

nicht, wie ich reagieren sollte. Ich erinnere mich daran, daß ich<br />

entschied, wenn ich selbst das Problem nicht sah, dann konnte es<br />

auch nicht existieren. Ich wählte bewußt, es nicht wahrzunehmen,<br />

wenn sich jemand von mir angezogen fühlte. Das war der Anfang<br />

eines Prozesses, den ich jetzt visuelles Leugnen nenne.<br />

Zu <strong>die</strong>sem Zeitpunkt stellte man fest, daß ich eine Brille<br />

brauchte. Ich erinnere mich, daß ich eine Stunde lang weinte, als<br />

der Optometrist mir <strong>die</strong>se Mitteilung machte. Ich fühlte mich von<br />

der Vorstellung, ab sofort mein Leben hinter einer Brille zubringen<br />

zu müssen, erdrückt und überwältigt. Ich machte mir weniger<br />

Sorgen darüber, daß ich jetzt häßlicher aussehen würde. Ich<br />

trauerte vielmehr, weil ich wußte, daß eine bessere Lösung<br />

existierte, daß jedoch <strong>die</strong>ser Optometrist mir nicht dabei helfen<br />

konnte, sie zu finden. Ich weiß jetzt, daß <strong>die</strong>ser <strong>Augen</strong>blick<br />

tiefsten Kummers den Anfang meiner Suche nach dem Sinn<br />

meines Lebens markiert.<br />

294


Zwanzig Jahre vergingen, und meine Brillenstärke nahm im<br />

Verlauf meiner Ausbildung auf -3.00 bis -4.00 Dioptrien in<br />

beiden <strong>Augen</strong> zu. Mein unkorrigiertes Sehvermögen in beiden<br />

<strong>Augen</strong> lag bei 6/120. Ich trug meine Brille ununterbrochen und<br />

setzte sie nie ab, auch wenn ich es wollte.<br />

Nachdem ich vier Jahre lang eine Praxis als Optometristin<br />

betrieben hatte, waren all meine Karriereziele erreicht, und ich<br />

dachte darüber nach, den Beruf zu wechseln. Meine Arbeit<br />

langweilte und enttäuschte mich. Ich entwickelte ein starkes<br />

Interesse an einer Medizin, <strong>die</strong> am Körper-Geist-System orientiert<br />

war und an der Erforschung des menschlichen Potentials und<br />

spürte das Bedürfnis, mich näher damit zu befassen. An meinem<br />

eigenen Arbeitsplatz hatte ich das Gefühl, daß ich <strong>die</strong>ses Interesse<br />

unterdrücken mußte, um dem Bild einer «guten Optometristin»<br />

zu entsprechen. Ich kam mir vor wie ein Heuchler. Ich spürte, daß<br />

mir eine entscheidende Veränderung bevorstand, weil ich zwischen<br />

freudiger Erwartung und großer Angst hin- und herschwankte.<br />

Ich <strong>für</strong>chtete mich, weil ich nicht wußte, welcher Art<br />

<strong>die</strong> Veränderung sein würde, und doch nahm mir meine alte Art<br />

des Lebens alle Kraft.<br />

Eines Tages ging mir ein Licht auf: Wenn <strong>die</strong>se Theorien vom<br />

Körper-Geist-System wirklich zutrafen, dann hatten wir prinzipiell<br />

alle das Potential, alles in uns selbst zu heilen. Wenn <strong>die</strong>s<br />

zutraf, dann hatte ich auch das Potential, ohne Brille zu sehen.<br />

Diese Einsicht machte mir unglaublich angst, und mir war klar,<br />

daß ich auf etwas <strong>für</strong> mich Entscheidendes gestoßen war. Mein<br />

Sehvermögen mußte sich verbessern, wenn ich der Optometrie<br />

etwas Neues bieten wollte. Ich hatte schon so lange um eine<br />

Vision <strong>für</strong> mein Leben gebeten. Es fiel mir ein, daß meine beiden<br />

Fragen in einer Antwort zusammenliefen. Ich fing an, nach<br />

vollkommenem Sehvermögen zu suchen, und stieß während des<br />

Prozesses auf meine Lebensvision.<br />

Zwei Monate später traf ich Jacob erstmals auf einer Konferenz.<br />

Er schlug mir vor, auf meine Brille zu verzichten, einfach um<br />

herauszufinden, was geschehen würde. Innerhalb von <strong>Augen</strong>blikken<br />

begann ich mich unbehaglich zu fühlen; obwohl ich ihn klar<br />

295


sehen konnte, fühlte ich mich außerordentlich verletzlich. Innerhalb<br />

von Minuten wuchs meine Angst zu Entsetzen. Der Boden<br />

schien mir unter den Füßen zu entgleiten. Ich erkannte - <strong>die</strong>se<br />

Gefühle waren der Schlüssel zu meinem Sehvermögen - wenn ich<br />

mich ihnen stellte, dann würde ich auch wieder klar sehen.<br />

Ich traf auf viele Optometristen, <strong>die</strong> selbst den gleichen Prozeß<br />

durchliefen, und ihr Rat und ihre Unterstützung halfen mir, mich<br />

von der Brille zu entwöhnen. Ich fing damit an, schwächere<br />

Brillen zu tragen, nie stärker als es der Moment wirklich erforderte.<br />

Jedesmal, wenn ich Energie freisetzte, stellte ich fest, daß<br />

ich meine Brillenstärke weiter reduzieren konnte. Ich machte<br />

Atemübungen und Yoga und fing an, regelmäßig zu meditieren.<br />

Ich gestattete mir, alles auszudrücken, was mir notwendig schien,<br />

egal ob es sich um einen Zusammenbruch bei der Arbeit handelte<br />

oder schließlich meinem Vater das zu sagen, was mir schon immer<br />

auf dem Herzen lag. Ich gab meinen Beruf auf, um mich eine<br />

Weile um mich kümmern zu können.<br />

Man weiß genau, wann man richtig lebt, dann, wenn das Leben<br />

mühelos wird. Alles, was man braucht, kommt freiwillig zu<br />

einem, ohne daß man sich anstrengen muß. Ich hatte einen<br />

Traum, in dem ich weit und klar sehen konnte. Er fühlte sich<br />

ekstatisch an, weil ich wußte, daß er, sobald er sich auf der<br />

unbewußten Ebene umgesetzt hatte, auch auf der bewußten<br />

Ebene wahr werden würde.<br />

Kurz nach <strong>die</strong>sem Traum in November 1991 nahm ich an Jacobs<br />

Workshop teil und hatte <strong>die</strong> Gelegenheit, mit ihm auf dem<br />

Trampolin zu arbeiten.<br />

Als er mich aufforderte, zu atmen, zu springen und einen Satz<br />

rückwärts zu buchstabieren, eine offensichtlich unerfüllbare Aufgabe<br />

zu bewältigen, geschah etwas Unglaubliches. Kaum hatte ich<br />

angefangen, traten <strong>die</strong> Buchstaben einer nach dem anderen in<br />

meinem Geist in Erscheinung. Das war eine Erfahrung des<br />

Nichtdenkens, des einfachen Seins, statt des Verstehens mit dem<br />

Kopf. Logik und Anstrengung hatten mir immer gut ge<strong>die</strong>nt, aber<br />

<strong>die</strong> Schönheit <strong>die</strong>ser Übung liegt gerade darin, daß <strong>die</strong>se Herangehensweisen<br />

nicht funktionieren.<br />

296


In <strong>die</strong>sem <strong>Augen</strong>blick fand ich <strong>die</strong> Stille in mir - ich nenne sie<br />

<strong>die</strong> Präsenz. Manche nennen sie Gott, höheres Selbst, tiefes<br />

Wissen; der Name spielt keine Rolle. Die Übung gab mir <strong>die</strong><br />

Gelegenheit, mit dem Denken aufzuhören und mir einfach eine<br />

Erfahrung zu gestatten. Sie ist ein Erfahren des wahren Selbst.<br />

Verstandesmäßig begriff ich <strong>die</strong> Aufgabe nicht; ich wußte nur,<br />

daß ich <strong>für</strong>chtete, Fehler zu machen. Mit Jacobs Unterstützung<br />

durchbrach ich <strong>die</strong>se Furcht und gelangte auf eine neue Ebene des<br />

Seins, und das ist es, worum es beim Sehen ohne Brille überhaupt<br />

geht.<br />

Am nächsten Morgen ging ich ohne meine Brille zur Arbeit.<br />

Statt sie wie sonst aufzusetzen, wenn ich mich unter Druck gesetzt<br />

fühlte, war ich nun gezwungen, mich der Präsenz wieder zu<br />

öffnen, denn meine Brille hatte ich daheim gelassen. Als ich <strong>die</strong>s<br />

tat, entspannte ich mich und konnte wieder sehen. Ich mußte<br />

nicht darüber nachdenken, wie ich es machen sollte; es geschah<br />

einfach, wenn ich dazu bereit war, und ich habe meine Brille<br />

seitdem nie mehr wirklich aufgesetzt.<br />

Mir scheint, daß am Anfang stets der Geist steht. Sobald wir uns<br />

öffnen und uns selbst vertrauen, können wir alles erreichen. Die<br />

Medizin beginnt gerade erst <strong>die</strong>se Wechselbeziehung zwischen<br />

Körper, Geist und Seele zu erkennen. Meine Suche hatte etwas<br />

mit der Überbrückung <strong>die</strong>ser Aspekte in mir zu tun. Mein einziges<br />

Ziel ist es jetzt, andere beim Erwachen zu unterstützen, ihnen zu<br />

helfen, sich selbst und ihren Sinn zu erkennen. Es war <strong>für</strong> mich<br />

eine unglaublich kraftvolle Erfahrung, daß ein Mensch erkannt<br />

hatte, daß ich selbst etwas verändern konnte. Und als ich schließlich<br />

bereit war, <strong>die</strong>sen Weg zu gehen, half mir seine Vision, mein<br />

Leben <strong>für</strong> immer zu verändern. In <strong>die</strong>sem <strong>Augen</strong>blick erkannte<br />

ich erneut, daß wir alle <strong>die</strong> Macht haben, einander zu helfen. Ich<br />

danke dir, Jacob.<br />

297


Epilog<br />

Offene Lebensführung<br />

Nimm das Leben nicht so ernst.<br />

Du wirst es nie überleben.<br />

Elbert Hubbard<br />

Das Bewußtsein zu öffnen ist ein fortlaufender Prozeß. Jedesmal,<br />

wenn sich ein Aspekt unseres Lebens vor uns entfaltet, sehen wir<br />

Möglichkeiten <strong>für</strong> weiteres Wachstum. Eine Öffnung, <strong>die</strong> sich zu<br />

einem bestimmten Zeitpunkt wie ein entscheidender Durchbruch<br />

anfühlen mag, wird später vielleicht nur mehr als Vorspiel <strong>für</strong> das<br />

nächste Wunder begriffen und <strong>für</strong> ein weiteres und noch eines und<br />

noch eines. Unser Wachstumspotential erreicht niemals eine<br />

Grenze; selbst der Tod ist vielleicht nur eine Zwischenstation zu<br />

einer neuen Entwicklungsebene. Gleichgültig, wie weit wir uns<br />

entwickeln, so lange wie wir leben, werden wir immer Expansion<br />

und Kontraktion erfahren. Unser Ziel ist nicht irgendein vollkommener<br />

Zustand fortwährender Offenheit, sondern <strong>die</strong> Fähigkeit,<br />

so mühelos wie es uns möglich ist, durch <strong>die</strong> Ein- und Ausgänge<br />

des Lebens zu fließen und dabei aus jeder Erfahrung, der wir<br />

begegnen, zu lernen.<br />

Eines morgens im Herbst 1993 erwachte ich mit einem schweren<br />

Herzen; ich empfand außerordentlich starke Scham. Ein paar<br />

Stunden später stand ich vor der Küchenspüle, wusch das<br />

Geschirr und blickte geistesabwesend vor mich hin. Es war ein<br />

wunderschöner sonniger Tag, aber ich fühlte mich schwermütig<br />

und matt. Ich dachte nicht darüber nach, auf welche Weise meine<br />

Gefühle vielleicht mein Sehvermögen oder mein Energiefeld<br />

298


eeinflussen könnten. Dann hoben sich meine <strong>Augen</strong>, um durch<br />

das Küchenfenster nach draußen zu sehen, und blitzartig öffnete<br />

sich vor meinen <strong>Augen</strong> mein ganzes Wahrnehmungsfeld. Es<br />

schien von einem strahlenden Licht überflutet zu sein, welches<br />

nach außen in alle Richtungen explo<strong>die</strong>rte. Es fühlte sich an, als<br />

ob direkt vor mir ein Stern zerborsten sei.<br />

In <strong>die</strong>sem <strong>Augen</strong>blick erkannte ich, daß ich «im Dunkeln»<br />

gewesen war - daß ich <strong>die</strong> Welt durch einen engen grauen Tunnel<br />

gesehen hatte. Der Tunnel war <strong>für</strong> mich unsichtbar gewesen, bis<br />

das Licht auftauchte und sich <strong>die</strong> schmale Öffnung auftat, als ob<br />

Gott das Objektiv einer sehr großen Kamera scharfgestellt hätte.<br />

Ich konnte plötzlich sehen, wieviel Licht ich bisher aus meinem<br />

Bewußtsein ausgeschlossen hatte. Es fühlte sich wie ein wunderbares<br />

Geschenk an.<br />

Diese Art augenblicklicher Öffnung ist sehr selten. Ich hatte sie<br />

vor zwanzig Jahren, als ich beim Autofahren <strong>die</strong> Sehweise Offener<br />

Fokus praktizierte, erfahren. Aber 1973 hatte ich keinen grauen<br />

Tunnel gesehen; ich hatte nur ein Gefühl der Weitung. Ich hatte<br />

keine Vorstellung von dem Loch, in dem ich gelebt und aus dem<br />

ich herausgesehen hatte.<br />

Wenn sich das Feld zusammenzieht, dann leben wir fortwährend<br />

in einem grauen Tunnel. Und wir können uns nicht vorstellen,<br />

wie es wäre, das Bewußtsein zu erweitern, weil wir vergessen<br />

haben, wie Offenheit sich anfühlt. Daher kann sich eine plötzliche<br />

Öffnung wie ein Wunder anfühlen, wie eine spontane Befreiung<br />

von der Lebensangst. Dann erinnern wir uns daran, daß Wunder<br />

nicht selten sind, sondern überall um uns her vorkommen.<br />

Da man uns beigebracht hat, daß eine Seh Verbesserung unmöglich<br />

ist, handelt das ganze Buch eigentlich davon, wie man<br />

Wunder bewirkt. Und wenn wir unser Bewußtsein <strong>für</strong> einen<br />

erweiterten Blick auf unsere Möglichkeiten öffnen, dann entdekken<br />

wir, was wir immer schon gewußt haben: Wunder sind <strong>die</strong><br />

Regel und nicht <strong>die</strong> Ausnahme; spontane Heilung geschieht jeden<br />

Tag.<br />

Wir alle scheinen uns von der Dunkelheit der Selbst-Verleugnung<br />

zum Licht des Selbst-Bewußtseins zu bewegen. Wie konnten<br />

299


wir also jemals davon überzeugt sein, daß Anstrengung und<br />

Kampf und nicht mühelose Freude und Liebe das Wesen des<br />

Lebens sind? Und wie können wir ins Licht gelangen, wenn wir<br />

<strong>die</strong> Dunkelheit nicht zu sehen vermögen? Wie können wir unser<br />

wunderbares Geburtsrecht einklagen?<br />

Der Physiker David Bohm hat einmal gesagt, daß alle Materie<br />

gefrorenes Licht ist. 1 Unsere Empfänglichkeit <strong>für</strong> das Licht des<br />

Lebens formt unsere Fähigkeit zu sehen, zu wissen und zu empfinden.<br />

Wenn wir uns <strong>für</strong>chten oder zusammenziehen, dann sehen<br />

und fühlen wir selektiv. Wir halten den Ausdruck unserer vollen<br />

Möglichkeiten zurück aus Angst, daß unsere eigene Kraft vielleicht<br />

<strong>die</strong>se bedachtsamen Beschränkungen überwältigen könnte.<br />

Sehbeschwerden sind nur ein Ausdruck <strong>für</strong> unsere Selbstbeschränkung.<br />

Unser vollständiges Sehvermögen wiederherzustellen<br />

ist eine Art, «Ja!» zum Leben zu sagen.<br />

Während unsere Wahrnehmungsfähigkeit wächst, erkennen<br />

wir <strong>die</strong> unglaublichen Möglichkeiten in all den Herausforderungen<br />

<strong>für</strong> Wachstum und Heilung. Wir sehen, wie unser Leben auf<br />

fortwährendes Wachstum programmiert zu sein scheint. Wir<br />

sehen, wie wunderbar im eigentlichen Sinne das Leben gemeint<br />

ist. Offener Fokus handelt in Wahrheit davon, wie wir uns selbst<br />

zu unserer Befähigung <strong>für</strong> <strong>die</strong> offene Lebensführung zurückbringen<br />

können, was nichts anderes bedeutet, als daß wir es uns selbst<br />

gestatten, unser ganzes Potential frei auszudrücken. Es bedeutet,<br />

daß wir Kampf und Angst, <strong>die</strong> zu akzeptieren wir gelernt haben,<br />

aufgeben. Es bedeutet, daß wir Zugang zu unserer spontanen<br />

Weisheit und zu den Visionen des Herzens finden. Es bedeutet,<br />

daß wir unsere Seligkeit suchen und ihr folgen, wohin auch immer<br />

sie uns führt.<br />

Goethe hat gesagt, daß «Licht das Auge als ein Organ erschafft,<br />

mit dem es sich selbst würdigt». Indem wir unser wahres Sehvermögen<br />

wiederentdecken, erlauben wir uns, mehr von uns selbst zu<br />

würdigen, als wir jemals <strong>für</strong> möglich hielten. Wir sind in Wahrheit<br />

ein menschliches Aufleuchten - holographische Lichtskulpturen.<br />

Wir sind geschaffen, das Licht der Welt zu sein, ohne Unterlaß<br />

unser Regenbogen-Selbst auf <strong>die</strong> Schöpfung zurückzuwerfen.<br />

300


Im Verlauf aller Epochen haben Heilige und Weise gelehrt, daß<br />

der Kern der Schöpfung ein unbeschreibliches Strahlen absoluter<br />

Liebe ist. Unser Geist kann <strong>die</strong>se Lichterscheinung nicht begreifen,<br />

und unsere Worte vermögen sie nicht zu beschreiben. Aber<br />

wir sind so geschaffen, daß wir ununterbrochen nach <strong>die</strong>sem Licht<br />

greifen, indem wir unser Potential so vollständig wie möglich<br />

ausleben - und indem wir mit der Klarheit und der Intelligenz<br />

unseres vollen Bewußtseins sehen.<br />

301


Anmerkungen<br />

1 «Keine Sorge, Sie werden sich daran gewöhnen!»<br />

1 Ingrid Lorch, «Total Vision», in: East West, April 1990, S. 48.<br />

2 Richard Leviton, Seven Steps to Better Vision, S. 5.<br />

3 Hazel Dawkins, Ellis Edelman und Constantine Forkiotis, Suddenly Successful:<br />

How Behavioral Optometry Helps You Overcome Learning, Health, and<br />

Behavior Problems, S. 116.<br />

4 Arnold Gesell u.a., Vision, Its Development in Infant and Child, zitiert in<br />

Dawkins, Edelman und Forkiotis, S. 32.<br />

5 Deepak Chopra, Die heilende Kraft, S. 83.<br />

6 Ebenda, S. 80 (Hervorhebung von J. L.).<br />

7 Aus einer Vorlesung gehalten am 23. März 1991 im Living Enrichment<br />

Center, Portland, Oregon.<br />

8 Ebenda.<br />

2 Auf dem College <strong>für</strong> Optometrie<br />

1 Richard Leviton, Seven Steps to Better Vision, S. 11.<br />

2 James H. Allen, May's Disease of the Eye, Baltimore: Williams & Wilkins,<br />

1968, S. 295.<br />

3 Raymond L. Gottlieb, «Neuropsychology of Myopia», in: Journal of<br />

Optometric Vision Development, Bd. 13, Nr. 1 (März 1982), S. 3-27.<br />

4 Ebenda, S. 8 (Hervorhebung von J. L.) und S. 23.<br />

5 Ebenda, S. 9.<br />

6 Daten von Hazel Dawkins, Ellis Edelman und Constantine Forkiotis,<br />

Suddenly Successful: How Behavioral Optometry Helps You Overcome<br />

Learning, Health, and Behavior Problems, S. 84-86.<br />

7 Theodore Grosvenor, «The Results of Myopia Control Stu<strong>die</strong>s Have Not<br />

Been Encouraging», in: Journal of Behavioral Optometry, Bd. 4, Nr. 1,<br />

S. 17-19.<br />

8 Gottlieb, S. 4.<br />

303


9 Dawkins, Edelman und Forkiotis, S. 86.<br />

10 M. J. Hirsch, «The Refraction of Children», in: M. J. Hirsch und R. E.<br />

Wick (Hrsg.), Vision of Children, New York: Chilton, 1963.<br />

11 Dawkins, Edelman und Forkiotis, S. 85.<br />

12 Gottlieb, S.U.<br />

13 William H. Bates, The Cure of Imperfect Sight by Treatment Without<br />

Glasses. New York: Central Fixation Publishing, 1920.<br />

14 Gottlieb, S. 5.<br />

15 Jennifer Nelson, «Visual Acuity in Myopia», Dissertation am College of<br />

Optometry, Pacific University.<br />

16 Grosvenor.<br />

17 «Decreased Uncorrected Vision After a Period of Distance Fixation with<br />

Spectacle Wear», in: Optometry and Vision Science, Bd. 70, Nr. 7,<br />

S. 528-531.<br />

3 Die Arbeitsweisen des Geistes<br />

1 Raymond L. Gottlieb, «Neuropsychology of Myopia», in: Journal of Optometric<br />

Vision Development, Bd. 13, Nr. 1 (März 1982), S. 15.<br />

2 Marie A. Marrone, «Peripheral Awareness», in: Journal of Behavioral<br />

Optometry, Bd. 2, Nr. 1, S. 7-11.<br />

3 William Bates, Rechtes Sehen ohne Brille. Heilung fehlerhaften Sehens durch<br />

Behandlung ohne Brille. Bietigheim: Karl Rohm, 1991, S. 77.<br />

4 Ebenda, S. 77 (Hervorhebung durch J. L.).<br />

5 Aldous Huxley, Die Kunst des Sehens, S. 46.<br />

4 Offener Fokus: Setzen Sie <strong>die</strong> Sehkraft Ihrer <strong>Augen</strong> frei!<br />

1 Aldous Huxley, Die Kunst des Sehens, S. 25.<br />

2 Jacques Lusseyran, Das wiedergefundene Licht, S. 17-19.<br />

3 Ebenda, S. 30-31.<br />

4 Larry Dossey, Recovering the Soul. New York: Bantam, 1989, S. 18-19.<br />

5 Arthur Zajonc, Die gemeinsame Geschichte von Licht und Bewußtsein,<br />

S. 15/17 (Hervorhebung durch J. L.).<br />

6 Zitiert in Zajonc, ebenda, S. 218 (Hervorhebung durch J. L.).<br />

7 Rupert Sheldrake, Das schöpferische Universum. Die Theorien des morphogenetischen<br />

Feldes. Frankfurt/M., Berlin: Ullstein, 1993. Entnommen<br />

dem Rückseitentext der amerikanischen Ausgabe A New Science of Life:<br />

The Hypothesis of Formative Causation, überarbeitete und ergänzte Ausgabe.<br />

Los Angeles: J. P. Tarcher, 1981. (Hervorhebung durch J. L.).<br />

304


8 Ebenda, Besprechung durch World Medicine auf der Rückseite der amerikanischen<br />

Ausgabe.<br />

9 Ebenda, Besprechung durch New Scientist auf der Rückseite der amerikanischen<br />

Ausgabe.<br />

10 Raymond L. Gottlieb, «Neuropsychology of Myopia», in: Journal of<br />

Optometric Vision Development, Bd. 13, Nr. 1 (März 1982), S. 12.<br />

11 Ebenda, S. 17-18.<br />

12 Lusseyran, S. 19-21.<br />

5 Die Angst durchschauen<br />

1 Raymond L. Gottlieb, «Neuropsychology of Myopia», in: Journal of<br />

Optometric Vision Development, Bd. 13, Nr. 1 (März 1982), S. 10.<br />

2 Raymond L. Gottlieb, «Eliminate Myopia? It's Not So Farfetched», in:<br />

20/20, Bd. 10, Nr. 5.<br />

3 Lisette Scholl, Das <strong>Augen</strong>übungsbuch. Besser sehen ohne Brille - eine<br />

ganzheitliche Therapie. Reinbek. Rowohlt, 1994, S. 41.<br />

4 Gottlieb, «Neuropsychology of Myopia», S. 10.<br />

5 Scholl, S. 41.<br />

6 Gottlieb, «Neuropsychology of Myopia», S. 4,11.<br />

7 Ebenda, S. 11.<br />

8 «Stu<strong>die</strong>s Offer a New Understanding of Myopia», in: New York Times,<br />

18. Mai 1993.<br />

9 Michael Talbot, Das holographische Universum, S. 110.<br />

10 «Alter Personalities Vary in Dominance, EEG, Muscle Tone», in: Brainl<br />

Mind Bulletin, 30. Dezember 1985.<br />

11 «Personalities Differ in Visual Systems», in: BrainIMind Bulletin, 3. Oktober<br />

1983.<br />

12 Talbot, S. 109/110.<br />

13 «Personalities Differ in Visual Systems», in: BrainIMind Bulletin, 3. Oktober<br />

1983.<br />

14 Talbot, S. 111.<br />

7 Veränderte Sehkraft, verändertes Leben!<br />

1 Hazel Dawkins, Ellis Edelman und Constantine Forkiotis, Suddenly Successful:<br />

How Behavioral Optometry Helps You Overcome Learning, Health, and<br />

Behavior Problems.<br />

305


8 Nimm deine Brille ab und sieh!<br />

1 Bija Bennett, Breathing into Life. San Francisco: Harper San Francisco,<br />

1993, S. 3.<br />

2 Aldous Huxley, Die Kunst des Sehens, S. 57.<br />

3 Ebenda, S. 92-93.<br />

4 Darreil Boyd Harmon, The Coordinated Classroom. Grand Rapids, Michigan/USA:<br />

American Seating Company, 1951.<br />

5 «Vision Training Program Ups IQ, Cuts Rearrest Rate of Juvenile Belinquents»,<br />

in: Brain/Mind Bulletin, Bd. 8 (1983).<br />

11 Präsent sein und im Fluß bleiben<br />

1 «Writing Your Way to Better Health», in: Health Consumer's Health &<br />

Wellness Report, Bd. 4, Nr. 2 (Zusammenfassung von J. W. Pennebaker,<br />

«Putting Stress into Words: Health, Linguistic and Therapeutic Implications»,<br />

in: Behaviour Research and Therapy, Bd. 31 (1993), S. 539-549).<br />

2 Aus einer Vorlesung gehalten am 23. März 1991 am Living Enrichment<br />

Center, Portland, Oregon.<br />

13 Das Unsichtbare sehen<br />

1 Zitiert in Arthur Zajonc, Die gemeinsame Geschichte von Licht und<br />

Bewußtsein, S. 9.<br />

2 Ebenda, S. 12.<br />

3 George C. Brainard u.a., «Ultraviolet Regulation of Neuroendocrine and<br />

Circadian Physiology in Rodents and the Visual Evoked Response in<br />

Children», in: Biological Responses to UVA Radiation, herausgegeben von<br />

Frederick Urbach. Overland Park, Kan.: Valdenmar Publishing Company,<br />

1992.<br />

4 Jack Schwarz, Human Energy Systems. New York: E. P. Dutton, 1980,<br />

S. 69.<br />

5 Arnold Gesell u.a., Vision, Its Development in Infant and Child, wie zitiert<br />

von Raymond L. Gottlieb, «Neuropsychology of Myopia», in: Journal of<br />

Optometric Vision Development, Bd. 13, Nr. 1 (März 1982), S. 16.<br />

6 Jacques Lusseyran, Das wiedergefundene Licht, S. 19.<br />

7 Neville Spearman, The Boy Who Saw True. Suffolk/GB: Hillman Printers,<br />

1953, S. 28-29.<br />

8 Ebenda, S. 32.<br />

9 Ebenda, S. 94.<br />

306


10 Barbara Ann Brennan, Licht-Arbeit. München: Goldmann, 1989, S. 25.<br />

11 Herbert Thurston, The Physical Phenomena of Mysticism. Chicago: Henry<br />

Regnery Company, 1952.<br />

12 Michael Talbot, Das holographische Universum, S. 179.<br />

13 James H. Allen, May's Disease of the Eye. Baltimore: William & Williams,<br />

1968 24 , S. 218.<br />

14 Satprem, Das Mental der Zellen. Einsiedeln: Daimon Verlag, in Zusammenarbeit<br />

mit dem Institut <strong>für</strong> Evolutionsforschung, 1992, S. 102-103.<br />

14 Die Wahrheit über das Denken<br />

1 Wendy Marston, «Visual Vignette: Eyes Are Mirrors of the Mind», in:<br />

Journal of Optometric Vision Development, Bd. 24, Nr. 1 (Frühjahr 1993),<br />

S. 3.<br />

2 William Bates, Rechtes Sehen ohne Brille, S. 80.<br />

3 Sampooran Singh, «Human Destiny: Integration of Spirituality and<br />

Science», in: Network: The Scientific and Medical Network Newsletter, Nr. 53<br />

(Dezember 1993), S. 15-17.<br />

4 Ebenda<br />

5 Robert Monroe, Der zweite Körper. München: Goldmann, 1989, S. 102.<br />

6 Michael Talbot, Das holographische Universum, S. 278.<br />

7 Marilyn Ferguson, «Commentary: Crop Circles in a Trackless Field», in:<br />

Brain/Mind Bulletin, Bd. 18, Nr. 2 (November 1992).<br />

15 Müheloses Sehen, müheloses Lernen<br />

1 Valerie Maywell, «How Lack of Learning Abilities and Vision Functions<br />

Lower Self-Esteem», in: SOI News, Juni 1989.<br />

2 William Ludlam, zitiert Maywell, ebenda, S. 5-7.<br />

3 Hazel Dawkins, Ellis Eldelman & Constantine Forkiotis, Suddenly Successful:<br />

How Behavioral Optometry Helps You Overcome Learning, Health,<br />

and Behavior Problems, S. 5.<br />

4 Aus Maxwell, nicht näher belegtes Zitat von «entwicklungsorientierten<br />

Optometristen».<br />

5 Mary Meeker, zitiert in Maxwell.<br />

6 Dawkins, Edelman & Forkiotis, S. 15.<br />

7 Maxwell.<br />

8 Dawkins, Edelman & Forkiotis, S. 141.<br />

9 Maxwell.<br />

307


10 «Vision Training Provides Window to Brain Change», in: BrainIMind<br />

Bulletin, Bd. 7, Nr. 17.<br />

11 «School Anxiety May Be Major Cause of Myopia», in: BrainIMind Bulletin,<br />

Bd. 7, Nr. 17.<br />

12 Raymond L. Gottlieb, «Neuropsychology of Myopia», in: Journal of<br />

Optometric Vision Development, Bd. 13, Nr. 1 (März 1982), S. 9 (Hervorhebung<br />

durch J. L.).<br />

13 «Society May Be Sabotaging Its Own Intelligence», in: BrainIMind Bulletin,<br />

Bd. 7, Nr. 7.<br />

14 «How-To Instructions Inhibit Optimum Performance», in: BrainIMind<br />

Bulletin, Bd. 7, Nr. 17.<br />

15 «Movement Psychology: Freeing », in: BrainIMind Bulletin,<br />

Bd. 8, Nr. 8 (18. April 1983).<br />

16 «Gelb: Freeing the Body to Free the Mind for Learning», in: BrainIMind<br />

Bulletin, Bd. 9, Nr. 3 (2. Januar 1984).<br />

16 Wie man ohne Anstrengung lernt<br />

1 Joseph Chilton Pierce, Evolution 's End: Claiming the Potential of Our<br />

Intelligence. San Francisco: Harper San Francisco, 1992, S. 13 (Hervorhebung<br />

von J. L.).<br />

Epilog: Offene Lebensführung<br />

1 David Böhm, «Of Matter and Meaning: The Super-Implicate Order», in:<br />

Revision, Frühjahr 1983.<br />

308


Dank<br />

Für ihre Freundschaft und liebevolle Unterstützung während der<br />

Entstehung <strong>die</strong>ses Buches möchte ich Rose Brandt meine besondere<br />

Anerkennung und herzliche Dankbarkeit aussprechen.<br />

Ihr vorzügliches persönliches Einfühlungsvermögen in Verbindung<br />

mit ihrer Begabung als Schriftstellerin gestattete es ihr,<br />

meine spontan ausgedrückten Gefühle und Vorstellungen in <strong>die</strong>ses<br />

Buch einzubringen.<br />

Da sie ein Mensch ist, der sein eigenes Sehen bereits transformiert<br />

hat, finden sich Roses Ideen, Erfahrungen und Vorschläge<br />

überall im Verlauf <strong>die</strong>ses Textes wieder. Ihre Freundschaft und<br />

ihre Beiträge zu <strong>die</strong>sem Projekt waren <strong>für</strong> mich von unschätzbarem<br />

Wert.<br />

Dieses Buch setzt sich aus zahlreichen persönlichen Erfahrungen<br />

zusammen, <strong>die</strong> im Verlauf der vergangenen zwanzig Jahre durch<br />

den Einfluß vieler enger Freunde und geachteter Kollegen inspiriert<br />

wurden.<br />

Meine tiefe Anerkennung <strong>für</strong> ihre liebevolle Unterstützung<br />

möchte ich meinen Kollegen Raymond Gottlieb, Robert Michael<br />

Kaplan, Elliott Forrest, Bruce Rosenfeld, Larry Jebrock, Sam<br />

Berne, Marc Grossman, Amorita Treganza, Robert Pepper,<br />

Simon Grbevski und Peter Fairbanks aussprechen. Auch dem<br />

Mut und den bahnbrechenden Einsichten von Larry Dossey,<br />

Bernie Siegel und Deepak Chopra möchte ich meine Achtung<br />

bezeugen.<br />

Außerdem will ich meinen wunderbaren Freunden <strong>für</strong> ihre<br />

Unterstützung und Führung während all <strong>die</strong>ser Jahre danken: Sky<br />

und Rainbow Canyon, Herb Ross, Paul und Grace Durga Löwe,<br />

309


Rose Kahn, Buzzy und Gayle Gordon Kauf man, Ron Henry,<br />

Terry und Suzanne Levy, Elio Penso, Richard und Marilyn<br />

Fendelman, Truth Paradise, Paul und Myra Berger, Stephen<br />

Feig, Eva und Herb Finkel, Frank Levinson, Maxine Rose, Alan<br />

Lauer, Laura Lea Cannon, Stephen Rose, Patricia Bell, Fred<br />

Spanjaard, Tom und Patricia Overton, Michael Greenburg, Brendan<br />

und Terry Hart Roberts, Bija Bennett und Gerry Sindell.<br />

Suzy Hailperin und Cheryl Lynn Russel schulde ich vor allem <strong>für</strong><br />

ihre Unterstützung während der ersten Jahre meiner Entdeckung<br />

Dankbarkeit.<br />

Gegenüber meinen liebevollen Eltern, Joseph und Sonia Liberman,<br />

und meinen außergewöhnlichen Kindern, Gina und Erik<br />

Liberman, möchte ich meine tiefe Liebe und Dankbarkeit zum<br />

Ausdruck bringen.<br />

Ich danke auch meiner Agentin Loretta Barrett, meinen Lektoren<br />

Erica Marcus und David Groff und dem Verlag Crown<br />

Publishers da<strong>für</strong>, daß sie an mich geglaubt und mir <strong>die</strong> Gelegenheit<br />

gegeben haben, meine Vision mitzuteilen und mich während<br />

der Entstehung des Buches begleitet haben.<br />

310


Literaturverzeichnis<br />

App, John, Secrets of Seeing Without Glasses or Contacts. Selbstverlag, 1990.<br />

Bates, William H., Rechtes Sehen ohne Brille. Heilung fehlerhaften Sehens<br />

durch Behandlung ohne Brille. Bietigheim: K. Rohm, 1991 3 .<br />

Benjamin, Harry, Ohne Brille bis ins hohe Alter. <strong>Natürliche</strong> Behandlung<br />

mangelhafter Sehkraft und Krankheiten der <strong>Augen</strong>. Freiburg: H. Bauer,<br />

1995 24 .<br />

Bohm, David & F. David Peat, Science, Order, and Creativity: A Dramatic New<br />

Look at the Creative Roots of Science and Life. New York: Bantam, 1989.<br />

Chopra, Deepak, Die heilende Kraft. Das ayurvedische Wissen vom Leben und<br />

<strong>die</strong> moderne Naturwissenschaft. München: Knaur 1995.<br />

Corbett, Margaret D., Besser Sehen. Selbsthilfe gegen Sehfehler nach der<br />

berühmten Bates-Methode. Genf: Ariston, 1995 6 .<br />

Dawkins, Hazel Richmond, Ellis Edelman & Constantine Forkiotis, Suddenly<br />

Successful: How Behavioral Optometry Helps You Overcome Learning,<br />

Health, and Behavior Problems. Santa Ana, Kalifornien/USA: Optometric<br />

Extension Program Foundation, 1991.<br />

Forrest, Elliot B., Stress and Vision. Santa Ana, Kalifornien/USA: Optometric<br />

Extension Program Foundation, 1988.<br />

Friedman, Edward mit Kalia Lilow, Besser sehen durch <strong>Augen</strong>training. München:<br />

Heyne 1989.<br />

Goodrich, Janet, Natürlich besser sehen. Freiburg: Verlag <strong>für</strong> Angewandte<br />

Kinesiologie, 1995 6 .<br />

Huxley, Aldous, Die Kunst des Sehens. Was wir <strong>für</strong> unsere <strong>Augen</strong> tun können.<br />

München: Piper, 1994 8 .<br />

Kaplan, Robert-Michael, Spielend besser sehen. München: Knaur, 1989. Oregon/USA:<br />

Beyond Words Publishing, 1994. ders., The Power Behind Your<br />

Eyes. Rochester, Vermont/USA: Inner Traditions, 1995.<br />

Kavner, Richard S., Your Child's Vision: A Parent's Guide to Seeing, Growing,<br />

and Developing. New York: Fireside/Simon & Schuster, 1985.<br />

Kavner, Richard S. & Lorraine Dusky, Total Vision. Millwood, New York:<br />

Kavner Books, 1978.<br />

Leviton, Richard, Seven Steps to Better Vision. Easy, Practical and Natural<br />

311


Techniques That Will Improve Your Eyesight. Brookline, Massachusetts/<br />

USA: EastWest/Natural Health Books, 1992.<br />

Liberman, Dr. Jacob, Die heilende Kraft des Lichts. Der Einfluß des Lichts<br />

auf Psyche und Körper. Neue Möglichkeiten der Licht-Therapie. München:<br />

O. W. Barth, 1995 2 .<br />

Lusseyran, Jacques, Das wiedergefundene Licht. Die Lebensgeschichte eines<br />

Blinden im französischen Widerstand. München: dtv, 1995 7 .<br />

Marken, Christopher, Ohne Brille besser leben. Korrektur von Sehfehlern<br />

durch modernes <strong>Augen</strong>training. Freiburg: H. Bauer, 1995 6 .<br />

Rosanes-Berrett, Marilyn B., Millionen könnten besser sehen. München:<br />

Heyne, 1978.<br />

Rotte, Joanna & Koji Yamamoto, A Holistic Guide to Healing the Eyesight.<br />

Japan Publications, 1986.<br />

Schneider, Meir, Self-Healing: My Life and Vision. New York: Arkana/Viking<br />

Penguin, 1987.<br />

Seiderman, Arthur S. & Steven E. Marcus, 20/20 Is Not Enough. New York:<br />

Alfred A. Knopf, 1989.<br />

Selby, John, Das <strong>Gesundheit</strong>sbuch <strong>für</strong> <strong>die</strong> <strong>Augen</strong>. Behebung von Sehstörungen,<br />

Verbesserung des Sehvermögens und Heilung von <strong>Augen</strong>krankheiten. München:<br />

O. W. Barth, 1989.<br />

Talbot, Michael, Das holographische Universum. Die Welt in neuer Dimension.<br />

München: Knaur, 1994.<br />

Zajonc, Arthur, Die gemeinsame Geschichte von Licht und Bewußtsein. Reinbek:<br />

Rowohlt, 1995 2 .<br />

312


Wichtige Adressen<br />

Informationen zum Offenen Fokus 9 erhalten Sie unter folgender Adresse:<br />

Les Fehmi, Ph.D.<br />

' 17 Mt. Lucas Road<br />

Princeton, NJ 08540-2799<br />

USA<br />

Tel: 001-609-924-0782<br />

Informationen über Produkte zur Sehverbesserung und Ray Gottliebs Übungshandbuch<br />

<strong>für</strong> Kinder sowie den Informationsbrief von Jacob Liberman über<br />

seine Workshop- und Vorlesungsplanung erhalten Sie bei folgender Adresse:<br />

Universal Light Technology (ULT)<br />

P.O. Box 520<br />

Carbondale, CO 81623<br />

USA<br />

oder rufen Sie an bei ULT:<br />

001-800-81-LIGHT (800-815-4448)<br />

001-303-927-0100<br />

001-303-927-0101 Fax<br />

Unter der folgenden Adresse erhalten Sie eine Liste der Sehlehrer/innen in<br />

Deutschland, Österreich und der Schweiz. Schreiben Sie (einen selbstadressierten<br />

und frankierten Briefumschlag bitte beilegen) an:<br />

Wolfgang Gillessen<br />

Balanstr. 365<br />

81549 München<br />

313


Ablagearchive 63, 64<br />

Allopathie 108<br />

Angst 86. 88. 90. 93. 95, 101, 108,<br />

117, 123, 128, 179, 182, 205, 208,<br />

244, 246, 266, 300<br />

Annäherung<br />

-, mechanische 41<br />

-, objektive 41<br />

-, subjektive 41<br />

Anstrengung 270, 292, 296, 300<br />

Atem 72, 90,133, 150,152,155,<br />

190, 252, 266, 292<br />

-, Macht des 141<br />

Atembewußtsein 141, 143,158, 177,<br />

183<br />

Augapfel 41, 43, 44, 80, 121<br />

Auge, drittes 78<br />

-, inneres 78, 237, 265<br />

<strong>Augen</strong> 22, 23, 29, 42, 72, 76, 95,<br />

104, 134,154,185, 192, 219<br />

<strong>Augen</strong>arzt 26, 39, 41, 62, 87, 97,<br />

101, 124<br />

<strong>Augen</strong>bewegung 63, 64, 67, 73, 121,<br />

256<br />

<strong>Augen</strong>druck 105<br />

<strong>Augen</strong>erkrankungen 25, 88<br />

<strong>Augen</strong>heilkunde 36, 43, 45, 53, 98,<br />

101, 124<br />

<strong>Augen</strong>höhlen 135<br />

<strong>Augen</strong>muskeln 64, 121, 130, 135,<br />

156<br />

<strong>Augen</strong>übungen 46, 47, 121,132, 296<br />

<strong>Augen</strong>wandern 145,183<br />

Aura 229, 231,240<br />

314<br />

Personen- und Sachregister<br />

Außer-Körper-Erfahrung 249<br />

Baba, Sai 234<br />

Bates, William 46, 49, 52, 66, 86,<br />

102,144,145,149,151,245<br />

Befund, medizinischer 71<br />

-, pathologischer 61<br />

Begabung 262, 272, 285<br />

Bennett, Bija 141<br />

Beruhigungsmittel 151<br />

Bewegung 187, 260<br />

Bewußtheit 11, 57, 93,110,111,<br />

114, 121,176,179, 238, 256, 261<br />

Bewußtsein 33, 60, 74, 83, 104,111,<br />

118,171,190, 227, 251, 301<br />

Bewußtseinsveränderung 23, 32,<br />

106,116, 121,133<br />

Bildschirmkrankheit 170<br />

Bildsprung 100<br />

Biofeedbacktraining 52<br />

Biologische Uhr 151<br />

Blickverschiebung 146<br />

Blindheit 79, 91,93<br />

Blinzeln 144<br />

Blockade 18, 240<br />

Bohm, David 251, 300<br />

Botenstoffe 35<br />

Brain/Mind Bulletin 258<br />

Brandt, Rose 218, 309<br />

Brechungsfehler 66<br />

Brennan, Barbara Ann 232<br />

Brennpunkt 59, 61, 65, 67, 118, 139,<br />

153, 170, 221<br />

Brennweite 64, 71, 85


Brille 22, 24, 43, 54, 57, 61, 69, 85,<br />

100,122, 134,174, 294<br />

- Bitokalbrille 24, 67<br />

- Lesebrille 24<br />

- Lochbrille 172<br />

- Sonnenbrille 24, 152,173, 190, 220<br />

Chopra, Deepak 32, 34, 35, 36, 217<br />

Denken 150,190, 242, 244, 251,<br />

253, 261, 297<br />

-, abstraktes 30<br />

-, Art des 31<br />

-, müheloses 250<br />

Depression 34<br />

Diabetes 105, 107<br />

Dioptrien 39, 115, 117<br />

Dossey, Larry 32, 78<br />

Dunkelheit 299<br />

Effekt, prismatischer 62<br />

Eingriff, operativer 43, 93<br />

Einstein, Albert 224, 226, 247<br />

Einundzwanzig-Schritte-Untersuchung<br />

25,50<br />

Energie 240<br />

Energiefeld 33, 83, 85, 87, 96, 97,<br />

102,103, 112, 115,143, 177, 205,<br />

210,231,235,252,257<br />

Entzugserscheinungen 138<br />

Epileptische Anfälle 105<br />

Ernährung 98, 164<br />

Erziehungssystem 96, 257<br />

Essen 179<br />

Evolution 109<br />

Expansion 298<br />

Fehmi, Les 71<br />

Felder des Gesichts 80, 83, 87, 103<br />

Felder, morphogenetische 81, 82<br />

Flexibilitätsspektrum 68<br />

Fokus 28, 32, 69, 89, 98, 137, 166,<br />

237<br />

-, Offener 71, 73, 75, 90,104, 111,<br />

116, 120, 144, 148,170, 183, 190,<br />

250, 300<br />

Gallwey, Tim 260<br />

Ganzheitlichkeit 115<br />

Gedankenmoleküle 34<br />

Gefühl 40, 58, 60, 61, 63, 64, 71, 85,<br />

93,95,108,111,118,128,184,<br />

186,192, 212, 244, 299<br />

Gefühl der psychischen Überanstrengung<br />

67<br />

Gefühl im Bauch 36, 60, 217, 248<br />

Gehirn 30, 33, 36, 56, 63<br />

Geist 31, 33, 36, 56, 63, 143, 227,<br />

245, 247, 297<br />

Geist-Gehirn-System 247<br />

Gelb, Michael 260<br />

Gesell, Arnold 30<br />

<strong>Gesundheit</strong> 10, 209, 233<br />

Glück 113<br />

Goethe, Johann Wolfgang von 18,<br />

80,300<br />

Gottlieb, Raymond 44, 53, 61, 84,<br />

86,98,101,153,255,258,291<br />

Gray, John 210<br />

Gray, William 259<br />

Grbevski, Simon 128, 137<br />

Haidane, J. B. S. 36<br />

Heilung 37, 66, 92, 104, 107, 109,<br />

114, 117, 121, 128, 133, 203, 205,<br />

218, 232, 239, 245, 270, 299<br />

Heisenberg, Werner 226<br />

Heller, Stuart 260<br />

Hirsch, M. J. 46<br />

Holographie 33<br />

Homöopathie 107<br />

Hornhautverkrümmung 22, 40, 64<br />

-, Remission von 76<br />

Huxley, Aldous 66, 67, 73, 144, 146<br />

Hypnose 52, 82<br />

315


Immunsystem 34<br />

Impuls 85,113<br />

-, neurologischer 30<br />

Instinkt 113<br />

Intelligenz 285, 289, 301<br />

Intelligenzquotient 283<br />

Jung, C. G. 114<br />

Just, Marcel 245<br />

Kamera 30, 40<br />

Kaseno, Stanley 255<br />

Keratoplastik 43<br />

Khan, Hazrat Inayat 234<br />

Kirlian-Photographie 83<br />

Kommunikation 204<br />

-, körperliche 35<br />

- mit dem Herzen 185<br />

-, nonverbale 35, 249<br />

Kontaktlinsen 17, 64,101,134<br />

Kontraktion 85, 86, 102,103,138,<br />

298<br />

Konvergenz 170<br />

Konzentration 111<br />

Konzentrationsschwäche 262<br />

Kopfschmerzen 70, 220<br />

Körper 33, 36, 37, 56, 67, 79, 88,<br />

106<br />

Körper-Geist-System 18, 23, 30, 38,<br />

42, 68, 77, 81, 92, 98,127,143,<br />

195, 213, 252, 261, 279, 295<br />

Kurzsichtigkeit 22, 40, 44, 46, 86,<br />

97,100, 116, 126, 218, 239<br />

-, Remission von 76<br />

Leben 91,104,114,120, 244, 247<br />

- als Ganzes 37<br />

-, Aspekt des 73, 89<br />

-, Flechtwerk des 81, 82, 84,141<br />

-, Sinn des 294<br />

Lebensführung 216<br />

-, mühelose 11,13<br />

-, offene 216, 300<br />

316<br />

Leonardo da Vinci 172<br />

Lernbeschwerden 166, 253, 261<br />

Lernen 168, 252, 259<br />

-, müheloses 11,13, 254, 260, 261,<br />

268,274<br />

Lernschwächen 262<br />

-, sehbedingte 57, 255<br />

Lernstörung 262<br />

Lesen 102,165, 168, 254<br />

Lesezeichen 169<br />

Liberman, Jacob 9, 218<br />

Licht 78, 90,174, 299<br />

-, äußeres 80<br />

- box 224<br />

- der Natur 80<br />

- des Bewußtseins 80<br />

- empfindlichkeit 152<br />

-, Energie des 16,151<br />

- impuls 187<br />

-, inneres 80<br />

-jahre 39<br />

- rezeptoren 30<br />

- strahlen 39<br />

-, UV-171<br />

-, Vollspektrum 172<br />

Liebesbriefe 210, 214<br />

Linsen 115,165<br />

-, kompensierende 45<br />

-, konkave 40<br />

-, konvexe 40<br />

-, optische 41<br />

Ludlow, Christy 105<br />

Lusseyran, Jacques 77, 78, 79, 80,<br />

90, 226, 229<br />

Meditation 75, 76, 111,128,155,<br />

158,178,188, 206, 279<br />

-, Seh-140,149,153,164,183<br />

Metronom 155<br />

Migräne 219<br />

Minusgläser 40<br />

Mittelpunkt 62<br />

-, optischer 62, 64


Monroe, Robert 249<br />

Mückensehen 235<br />

Multiple Persönlichkeiten 105, 106<br />

Muskelverspannungen 86<br />

Nachtsicht 186<br />

- fähigkeit 24<br />

Nahtoderfahrung 85, 248,, 249<br />

Nelson, Jennifer 51<br />

Netzhaut 40, 41,172<br />

Netzwerk, kognitives 30<br />

-, multidimensionales 76<br />

-, neurologisches 50<br />

Neumann, Therese 234<br />

Neurose 114<br />

Neurotransmitter 34, 35, 248<br />

New Scientist 82<br />

New York Times 102<br />

Ophthalmologe 125<br />

Optik, physiologische 49<br />

Optometrie 10, 23, 37, 124<br />

-, College <strong>für</strong> 38, 58<br />

- Verhaltens-124, 255<br />

Optometrist 23, 50<br />

Osborne, John 75<br />

Palmieren 128, 149,158, 177,183<br />

Pepper, Robert 263<br />

Persönlichkeitsprofil 99<br />

Pettigrew, John, D. 31<br />

Pfeile-Tafel 273<br />

Pheromone 35<br />

Photorezeptoren 173<br />

Physiologiemodell 35<br />

Pierce, Joseph Chilton 283<br />

Plusgläser 40,165<br />

Pribram, Karl 228<br />

Prisma 233<br />

Prozeß 73, 90, 95, 109,117, 221,<br />

228, 267, 298<br />

-, dynamischer 121<br />

-, geistiger 61, 250<br />

-, mechanischer 44<br />

-, müheloser 111<br />

-, projektiver 42<br />

-, rezeptiver 42<br />

Pupillen 62, 245<br />

Quantenmechanischer Körper 32,<br />

36<br />

Refraktionsfehler 40<br />

Refraktionsverschiebung 53<br />

Romain, Jules 78<br />

Rückkopplungsinstrument 62<br />

Sato 45<br />

Sehen 9, 16, 23, 37, 38, 42, 50, 56,<br />

73, 92, 104, 120, 123, 135, 137,<br />

153, 220, 226, 228, 245, 254<br />

-, Auffassung des 132<br />

-, Erweiterung des 10<br />

-, nicht-wertendes 74, 111<br />

-, passives 153, 171<br />

-, peripheres 59, 61, 88, 89, 148, 186<br />

-, visionäres 153,171<br />

-, zentrales 59, 61,73, 186<br />

- lernen 79<br />

Sehfehler 22, 24,101<br />

Sehfunktion 137<br />

Sehkraft 10, 31, 32, 39, 43, 49, 51,<br />

54, 55, 59, 95,118, 120, 129, 204<br />

Sehprobentafel 20, 39, 52, 54, 58,<br />

129, 136,158<br />

Sehschärfe 41, 42, 43, 46, 51, 52, 59,<br />

76, 128<br />

-, Grund-21, 131<br />

-, Voll-131<br />

Sehschwäche 17, 50, 53, 66, 101,<br />

102,124, 167<br />

Sehsinn 29, 50, 87<br />

Sehtest 50, 59, 61,69<br />

Sehtherapeut 124,125<br />

Sehtherapie 30, 57, 167, 255<br />

Sehveränderung 49<br />

317


Sehverbesserung 42,104,115,120,<br />

125,132,180,185,198, 261<br />

Sehvermögen 11,15, 23, 39, 44, 63,<br />

65, 69, 72, 77, 79, 80, 88, 96,112,<br />

114,122,128,129,138,146,164,<br />

216, 239, 295<br />

-, Distanz-127<br />

Sehverschlechterung 17, 42, 96,103<br />

Sein 11, 75, 76, 83,111, 296<br />

Selbst-Bewußtsein 18, 23,104,121,<br />

206, 258, 267, 299<br />

Selbstheilungskräfte 15<br />

Selbstvertrauen 116,128<br />

Sensitive 227, 228<br />

Sheldrake, Rupert 81, 82<br />

Siegel, Bernie 32<br />

Signale 34,114<br />

-, elektrische 33<br />

Simons, Larry 54<br />

Singh, Sampooran 247<br />

Skiaskopie41,42<br />

Snellen, Hermann 39<br />

Solarplexus 60<br />

Sonne 152,178, 220, 249<br />

Sonnenbaden 128, 151,175, 186<br />

Soziohormone 35<br />

Spektralgleichgewicht 174<br />

Spektrum 233<br />

- elektromagnetisches 225, 227<br />

Subpersönlichkeit 105, 106<br />

Swift, Jonathan 16<br />

Symptom 23, 27, 87, 88, 96,102,<br />

105,107, 216, 240<br />

Schwarz, Jack 227, 236<br />

Schwingen 147<br />

Star<br />

-, grauer 25<br />

-, grüner 25<br />

Starren 144, 145,171<br />

Stimme<br />

-, innere 90,122<br />

318<br />

Stimulanzien 151<br />

Stoffwechselveränderungen 86<br />

Stottern 256<br />

Streß 10,18, 37, 46, 49, 85, 89, 95,<br />

96,102, 113,156, 202, 255, 258<br />

-, Nahpunkt-165,170,183<br />

- niveau 42<br />

- reduzierung 167<br />

Tagebuch 200, 208<br />

Talbot, Michael 105,106, 233, 249<br />

Thurston 234<br />

Tibetisches Rad 128, 156<br />

Tort, Wanda 196<br />

Trampolin-Spiele 280<br />

Transformation 16,17, 32,104, 107,<br />

125,133, 270<br />

-, Selbst- 267<br />

Trauer 117, 208<br />

Traum 90,186, 218, 239, 248, 296<br />

Trauma 95,104, 108<br />

Tumor 105<br />

Umwelt<br />

- gifte 98<br />

- Schadstoffe 98<br />

Universum 109, 238, 265<br />

Verhaltensmuster 82, 103<br />

Violette, Paul La 259<br />

Vision 10, 261, 295, 297, 300<br />

- suche 115, 133, 165, 218, 221, 294<br />

Visualisation 195, 200, 202, 265<br />

visuelles Leugnen 294<br />

vorbeugende Maßnahmen 27<br />

Wahrnehmung 84, 87, 90, 99, 104,<br />

112, 224, 230, 244, 247<br />

- fähigkeit 84<br />

- funktion 88<br />

-, menschliche 9<br />

-, Selbst- 267<br />

-, Veränderung der 60


Wahrnehmungsvermögen<br />

-, peripheres 61<br />

Weitsichtigkeit 22, 24, 40, 97, 100<br />

- Alters- 22, 40, 98<br />

Wirklichkeit 224<br />

Wunder 106, 107,128, 129, 172,<br />

259, 298<br />

- sehen 76<br />

Yoga 141, 296<br />

Young 44<br />

Zajonc, Arthur 79, 80, 224<br />

Zentralnervensystem 33<br />

Zukav, Gary 9-13<br />

Zyklus 151

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