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Sage mir welche Schule Du schaffst und ich sage ... - Katrin Werner

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<strong>Sage</strong> <strong>mir</strong> <strong>welche</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Du</strong> <strong>schaffst</strong> <strong>und</strong> <strong>ich</strong> <strong>sage</strong> Dir, <strong>welche</strong> Welt <strong>Du</strong> willst.<br />

<strong>Sage</strong> <strong>mir</strong> <strong>welche</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Du</strong> <strong>schaffst</strong> <strong>und</strong> <strong>ich</strong> <strong>sage</strong> Dir, <strong>welche</strong> Welt <strong>Du</strong> willst.<br />

Ein Abend mit Otto Herz - Bildungspolitik aus S<strong>ich</strong>t der Menschenrechte<br />

Otto Herz ist mehr. Mehr als ein Pädagoge, Psychologe oder Philosoph. Zwar studierte er<br />

diese Fächer, doch sein Schaffen, seine Ideen <strong>und</strong> sein Engagement überschreitet bei<br />

Weitem das, was man erwartet. Er ist ein Verfechter der inklusiven Gemeinschaftsschule<br />

<strong>und</strong> möchte das marode Bildungssystem in Deutschland reformieren. In wenigen St<strong>und</strong>en<br />

gab Otto Herz im Rahmen einer Veranstaltung mit <strong>Katrin</strong> <strong>Werner</strong> einen Einblick in das, was<br />

er unter inklusiver, individueller <strong>und</strong> guter Bildung versteht. Mit viel Charisma, Ironie <strong>und</strong><br />

Gefühl beschreibt er die Situation <strong>und</strong> den Stand des deutschen Bildungssystems <strong>und</strong><br />

überzeugt auch hartnäckige Gegner der inklusiven <strong>Schule</strong>.<br />

„Das deutsche Bildungssystem verletzt die Menschenrechte“<br />

Wie stupide, überholt <strong>und</strong> selektierend das deutsche Bildungssystem ist, leitete Otto Herz an<br />

der Gesch<strong>ich</strong>te der Menschenrechte ab. 1948 wurde die Allgemeine Erklärung der<br />

Menschenrechte verabschiedet. „An Kinder wurde noch n<strong>ich</strong>t gedacht, da diese noch n<strong>ich</strong>t<br />

als Menschen angesehen wurden“, so Otto Herz. „1989 bemerkte man, dass auch Kinder<br />

Menschen sind <strong>und</strong> Rechte haben, daraus resultierte die UN- Kinderrechtskonvention, die<br />

dann „nachgeschoben“ wurde.“ Wiederum 17 Jahre später wurde die Konvention über die<br />

Rechte von Menschen mit Behinderung verabschiedet, die letztendl<strong>ich</strong> 2009 von der BRD<br />

ratifiziert wurde. Diese Rechte wurden aber bis heute n<strong>ich</strong>t in <strong>Schule</strong>n <strong>und</strong><br />

Bildungseinr<strong>ich</strong>tungen umgesetzt.<br />

Die heutige Bildungspolitik verstößt gegen die Menschenrechte, dies bestätigt auch der<br />

Friedensnobelpreisträger des Jahres 2006 Muhammad Yunus. N<strong>ich</strong>t nur durch eine<br />

behindertenfeindl<strong>ich</strong>e Umwelt, sonder auch durch das mehrgliedrige Schulsystem. Das die<br />

gr<strong>und</strong>legende Unterteilung in Hauptschule, Realschule <strong>und</strong> Gymnasium (die weiteren<br />

Formen außen vor gelassen) veraltet <strong>und</strong> selektierend sind, machte Otto Herz dadurch klar,<br />

indem er die Ursprünge aufzeigte <strong>und</strong> auch die damit zusammenhängenden Vorstellungen<br />

über die „genetische Begabung“.<br />

Ein von Otto Herz vorgetragenes Zitat: "Dreierlei Menschen braucht die Maschine, den, der<br />

sie bedient <strong>und</strong> im Gang hält; den, der sie repariert <strong>und</strong> verbessert; schließl<strong>ich</strong> den, der sie<br />

erfindet <strong>und</strong> konstruiert" (Weinstock 1955, S. 121, zit. nach Weiss 1993a, S. 179) zeigt den<br />

zeitgenössischen Geist, in dem das bis heute vorherrschende Schulsystem gefestigt wurde.<br />

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<strong>Sage</strong> <strong>mir</strong> <strong>welche</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Du</strong> <strong>schaffst</strong> <strong>und</strong> <strong>ich</strong> <strong>sage</strong> Dir, <strong>welche</strong> Welt <strong>Du</strong> willst.<br />

Diese Selektion, die den Kindern von Beginn an zu Teil wurde, passt weder in eine moderne<br />

Gesellschaft, noch ist sie konform mit den Menschenrechten.<br />

Die aktuellen, gesellschaftl<strong>ich</strong>en Funktionen der <strong>Schule</strong> sind: Qualifikation, Selektion <strong>und</strong><br />

Legitimation. Diese führen zu einer Reproduktion der gesellschaftl<strong>ich</strong>en Hierarchien <strong>und</strong><br />

damit zur Ausgrenzung.<br />

„Wir haben die falsche Bildungskultur in der falschen Bildungsstruktur“<br />

so Otto Herz. „Das spürte <strong>ich</strong> als <strong>ich</strong> eine Klasse kam <strong>und</strong> sah, dass dort Schüler des 21.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts saßen, vor Lehrern des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts in einer Schulform des 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts“.<br />

Lernen muss Spaß machen <strong>und</strong> wer diese Erfahrung n<strong>ich</strong>t macht, wird immer nur Negatives<br />

damit verbinden. Das steht dann auch dem Ideal des lebenslangen Lernens im Weg.<br />

„Niemand begibt s<strong>ich</strong> wieder in Situationen, mit denen er schlechte Erfahrungen gemacht<br />

hat – <strong>und</strong> wenn, dann ist es ein krankhaftes Verhalten.“<br />

Das Deutschland dies noch n<strong>ich</strong>t verstanden hat, erkennt man auch daran, dass die<br />

Finanzierung komplett falsch ist. Während die meisten Länder auf die frühkindl<strong>ich</strong>e<br />

Förderung setzen, um individuell die Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler zu fördern <strong>und</strong> den Spaß am<br />

Lernen zu vermitteln, steckt Deutschland die meisten finanziellen Mittel in die Oberstufen.<br />

„Eine <strong>Schule</strong> für alle ist eine <strong>Schule</strong> der Vielfalt“<br />

„Wir müssen uns die Frage stellen, wie eine <strong>Schule</strong> in der alle dazugehören, auszusehen hat<br />

<strong>und</strong> was sie leisten muss.“ merkt Otto Herz an <strong>und</strong> hat auch schon konkrete Vorstellungen.<br />

Es ist ein Fehler, stur nach Lehrplan vorzugehen. Ein modernes Hausaufgabenmodell wäre<br />

beispielsweise, „Fragen <strong>und</strong> Erlebtes von zuhause mitzubringen“. Auf die Individuen<br />

einzugehen <strong>und</strong> die Interessen der Kinder zu fördern <strong>und</strong> n<strong>ich</strong>t verdrängen.<br />

Folgl<strong>ich</strong> ist eine konsequente Änderung des Bildungssystems von Nöten. Als neue<br />

Schulkultur muss die individuelle Förderung gelten <strong>und</strong> die einzige sinnvolle <strong>und</strong> gerechte<br />

Schulstruktur ist eine <strong>Schule</strong> für Alle. „Wir brauchen eine <strong>Schule</strong> der Vielfalt <strong>und</strong> n<strong>ich</strong>t der<br />

dreifachen Einfalt.“ kritisiert Otto Herz.<br />

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<strong>Sage</strong> <strong>mir</strong> <strong>welche</strong> <strong>Schule</strong> <strong>Du</strong> <strong>schaffst</strong> <strong>und</strong> <strong>ich</strong> <strong>sage</strong> Dir, <strong>welche</strong> Welt <strong>Du</strong> willst.<br />

Kinder müssen in erster Linie:<br />

- Zusammenleben lernen <strong>und</strong> lernen mit der Vielfalt produktiv umzugehen<br />

- spüren das Lernen eine gute Erfahrung ist <strong>und</strong> Spaß macht<br />

- Intelligentes Wissen lernen <strong>und</strong> auf das „Ungewisse“ vorbereitet sein<br />

Otto Herz merkte an „Es ist unverantwortl<strong>ich</strong>, dass wir Kinder n<strong>ich</strong>t auf die Zukunft<br />

vorbereiten <strong>und</strong> n<strong>ich</strong>t auf ihre individuellen Fragen <strong>und</strong> Bedürfnisse eingehen.“<br />

Der Gr<strong>und</strong>satz, dass alle Menschen gle<strong>ich</strong>wertig <strong>und</strong> auch gle<strong>ich</strong>würdig sind, wird auch<br />

dadurch missachtet, dass Kinder mit Behinderung außen vor stehen.<br />

Die menschenrechtsverletzende Ausgrenzung von Kindern mit Behinderung kann Otto Herz<br />

n<strong>ich</strong>t nachvollziehen:<br />

„Ich erinnere m<strong>ich</strong> an eine <strong>Schule</strong> in Skandinavien, die ja bereits die inklusiven <strong>Schule</strong>n<br />

haben. Dort war in einer Klasse ein Kind im Wachkoma. Ich spüre diese verzauberte Situation<br />

noch heute <strong>und</strong> körperl<strong>ich</strong>. Der zärtl<strong>ich</strong>e <strong>und</strong> liebevolle Umgang der 13- jährigen<br />

Schülerinnen <strong>und</strong> Schüler mit diesem Kind im Wachkoma. Und das Schönste: Es ist die<br />

Normalität.“<br />

Genau das ist gelebte Inklusion!<br />

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