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aus, sich bei Belinda beliebt zu machen. Unterwürfigkeit<br />
nannte man dieses Verhalten bei Tieren. Das hatte ihnen die<br />
Lehrerin erst vor einigen Tagen erklärt, wenngleich in einem<br />
ganz anderen Zusammenhang. Lucy sagte nach wie vor nichts,<br />
sondern presste die Lippen zusammen und tat so, als beachte<br />
sie die anderen überhaupt nicht. Man hatte ihr gestern versprochen,<br />
dass heute sie das Spiel aussuchen dürfe, und genau<br />
dieses Versprechen wollte sie jetzt einfordern, nicht mehr und<br />
nicht weniger. Belinda und Nora Lee kamen näher, bedrohlich<br />
nahe. Plötzlich spürte sie Nora Lees Hand an ihren Haaren,<br />
spürte wie diese daran zog, spürte Nora Lees andere Hand auf<br />
ihrem Gesicht, merkte wie Belinda versuchte, ihr den Ball zu<br />
entreißen, hörte, wie die anderen Kinder klatschten, und mit<br />
einem Mal liefen ihr Tränen über die Wangen. Keine Tränen,<br />
die der körperliche Schmerz aus ihr herauspresste, obwohl<br />
das An-den-Haaren-gezogen-Werden ganz schön wehtat,<br />
sondern Tränen der Verzweiflung. Ihre Hände lockerten sich<br />
schließlich, sie gab den Ball frei, schluchzte einmal laut und<br />
rannte unter den spöttischen Rufen der anderen ins Haus.<br />
„Was ist denn jetzt schon wieder?“ Ihre Mutter empfing sie<br />
mit einem Cocktailglas in der Hand. Es war zwar noch recht<br />
früh am Nachmittag, doch sie hatte offenbar beschlossen, sich<br />
bereits jetzt einen der kühlen Drinks zu genehmigen. Lucy<br />
antwortete nicht, wie üblich. Sie wusste, dass es sinnlos war<br />
mit ihrer Mutter über die Demütigung zu sprechen, die sie<br />
gerade erfahren hatte. Sie wollte nur noch in ihr Zimmer, sich<br />
auf ihr Bett legen und weinen. Aber die Tränen wollten jetzt<br />
nicht mehr kommen. Es war, als ob Wut und Enttäuschung<br />
auf ihre Augen drückten und verhinderten, dass das salzige<br />
Wasser herausfließen konnte. Sie hörte die Trompete ihres<br />
Bruders. Die Musik beruhigte sie. Zwar war es nicht gerade<br />
ihre Lieblingsmusik, die er dem Instrument entlockte, aber<br />
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