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Interview<br />
hat dann der FC Bayern für 25 Millionen an Manchester United verkauft.<br />
In der aktuellen Mannschaft spielen mit Lahm, Schweinsteiger,<br />
Kroos, Müller, Badstuber, Alaba und Contento sechs<br />
Spieler aus der eigenen Jugend, mehr als bei jedem anderen<br />
Bundesligaverein. Ziel also erreicht?<br />
Das Ziel ist nie erreicht, das ist ein permanenter Kampf, das geht<br />
immer weiter. Und ich weiß, dass wir einige hervorragende junge Spieler<br />
noch im Köcher haben für die Zukunft. Zufrieden kann man nie<br />
sein. In den letzten Jahren ist es uns nicht so gut gegangen mit der<br />
zweiten Mannschaft, das war für mich eine wahnsinnige Enttäuschung,<br />
weil wir einfach keine Kontinuität gefunden haben, die wir<br />
zehn Jahre lang mit Hermann Gerland hatten. Unter ihm ist es gelaufen<br />
wie am Schnürchen, wir wussten, was wir tun mussten, welche<br />
Spieler wir holen mussten, waren immer schon Weihnachten mit den<br />
Planungen fertig für die nächste Saison. Nachwuchsarbeit lebt von<br />
Kontinuität, das ist ein ganz entscheidender Faktor. Und die konnten<br />
wir nicht mehr herstellen.<br />
Insgesamt ist der deutsche Nachwuchs wieder deutlich in der<br />
Wertschätzung gestiegen, ein Erfolg der Nachwuchsleistungszentren?<br />
Es gibt zwei Säulen, die den Erfolg tragen. Das eine sind die<br />
Nachwuchsleistungszentren, wo über ganz Deutschland verteilt unheimlich<br />
gut gearbeitet wird, weil man kapiert hat, dass man ausbilden<br />
muss, weil die Talente nicht mehr auf den Bäumen wachsen. Der<br />
zweite Punkt ist, dass auch der DFB seine Nachwuchsaktivitäten extrem<br />
nach oben geschraubt, tolle Strukturen aufgebaut hat, von denen<br />
nun auch die Nationalmannschaft profitiert. Außerdem ist an der<br />
10 JUNIORTEAM-Magazin 1|12<br />
„DAS ZIEL IST NIE ERREICHT, DAS IST EIN PERMANENTER KAMPF,<br />
DAS GEHT IMMER WEITER.“<br />
Basis, mit den Stützpunkten und Landesleistungszentren, sehr viel<br />
passiert. Heute ist es schwer, in Deutschland ein Talent zu übersehen,<br />
das Netz der Sichtung ist so dicht geworden, dass keiner mehr durchrutschen<br />
kann. Das ist ein Erfolg der Gesamtheit, da haben alle ihren<br />
Anteil dran, weil eben in allen Bereichen die Bemühungen sehr intensiviert<br />
worden sind.<br />
An der Konzeption der Nachwuchsleistungszentren haben<br />
auch Sie entscheidend mitgewirkt?<br />
Ich habe mich von Anfang an in der Kommission engagiert, in<br />
der die Bemühungen von DFB und DFL zusammenlaufen. Ich habe<br />
mich sehr um die schulische Entwicklung gekümmert, weil die mir<br />
immer sehr am Herzen gelegen ist, da sind wir noch nicht am Ziel,<br />
da geht der Kampf weiter.<br />
Das Vorbild war einst Ajax Amsterdam. . .<br />
Nein, nicht für mich. Mir war immer wichtig, aus unseren Möglichkeiten<br />
das Beste zu machen, diese weiter zu entwickeln. Wir sind<br />
Bayern München, nicht Ajax Amsterdam, nicht Arsenal oder FC Barcelona,<br />
haben andere Strukturen, andere Verhältnisse. Das geht los<br />
bei der Infrastruktur, bei den räumlichen Möglichkeiten, geht weiter<br />
über die schulischen Bedürfnisse, die in allen Ländern, sogar innerhalb<br />
Deutschlands, sehr unterschiedlich sind. Also muss man versuchen,<br />
das Optimum aus den Möglichkeiten rauszuholen, die man hier hat.<br />
Das ist schwer genug.<br />
Man kann also auch den FC Barcelona nicht einfach kopieren?<br />
Nein, man kann niemanden kopieren, man kann einiges lernen,<br />
immer über den Zaun schauen, um neue Dinge zu sehen. Und dann<br />
entscheiden, ist es möglich, das in deinem Bereich umzusetzen. Da<br />
sind auch von meinen Mitarbeitern immer wieder Anregungen gekommen,<br />
die wir aufgenommen, diskutiert und versucht haben umzusetzen.<br />
Was ist das Geheimnis von Barcelona?<br />
Ich weiß es nicht, ich war noch nie dort. Ich sehe die Mannschaft<br />
oft spielen, bin begeistert, aber weiß nicht wie das passiert. Jetzt muss<br />
ich auch nicht mehr hinfahren, aber sicher werden sich das viele genauer<br />
anschauen.<br />
In Deutschland wird, was auch vernünftig ist, viel mehr Wert<br />
auf die Schule gelegt. Wie schwierig ist es, Leistungssport<br />
und Schule miteinander zu vereinbaren?<br />
Vor allem in Bayern ist es schwierig, viel mehr als in anderen<br />
Bundesländern. Ich bin immer sehr neidisch, wenn ich von Kollegen<br />
höre, wie das bei ihnen zugeht. Aber wir können die schulischen<br />
Dinge nicht schleifen lassen, wir haben eine große Verantwortung den<br />
Eltern gegenüber, eine ordentliche Schulbildung zu gewährleisten. Wir<br />
können uns nicht darauf verlassen, dass alle Profis werden. Den Erziehungsauftrag,<br />
den uns die Eltern gegeben haben, nehmen wir sehr<br />
gewissenhaft wahr.<br />
Sie waren einer der Wegbereiter für die Eliteschulen des Fußballs<br />
in München. Ist das nun die „ultima ratio“ oder ist damit<br />
erst ein Etappenziel erreicht?<br />
Mit gutem Willen kann man sicher noch vieles verbessern.<br />
Wie haben sich die Schulen im Laufe der Jahre verändert,<br />
bzw. verbessert?<br />
Am Anfang war ja gar nichts da. 1998 haben wir erstmals über<br />
das Projekt geredet, nach harten Kämpfen endlich Schulen gefunden,<br />
die uns auch genommen haben. Es gab eine Abneigung gegenüber<br />
Fußballern, weil man Angst hatte, Fußballer würden das Niveau nach<br />
unten drücken. Da habe ich die Faust in der Tasche geballt. Schließlich<br />
haben wir mit Manfred Huppert, dem damaligen Direktor des<br />
Theodolinden-Gymnasiums, einen Mann gefunden, der den Wert des<br />
Projekts für seine Schule erkannte. Er bekam dadurch einen Zuwachs<br />
an Schülern, und auch das Niveau, das steht mittlerweile fest, wird<br />
durch die Fußballer sogar angehoben. Wir haben manches erreicht,<br />
können inzwischen auch zweimal am Tag trainieren, aber wir sind<br />
noch nicht am Ende der Fahnenstange.<br />
Felix Magath hat vor einiger Zeit seinem damaligen Spieler<br />
Julian Draxler empfohlen, die Schule zugunsten des Fußballs<br />
abzubrechen. Wie bewerten Sie das?<br />
Das ist seine Meinung. Jeder Fall muss individuell bewertet werden.<br />
Ich persönlich sehe keinen Sinn darin, nur den Körper und die<br />
fußballerischen Fähigkeiten zu entwickeln. Grundsätzlich muss bei<br />
einem jungen Spieler auch sein Kopf trainiert werden um Flexibilität<br />
und soziale Kompetenz zu erwerben. All diese Dinge sind so wichtig<br />
für die Bildung einer Persönlichkeit, dass man sie auf keinen Fall vernachlässigen<br />
darf. Wenn man nur auf Fußball setzt, kann der Druck<br />
irgendwann zu groß werden.<br />
Insgesamt hat sich das Bildungsniveau von Bundesliga-Profis<br />
in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert . . .<br />
Absolut, schauen Sie nur, wie viele unserer Jungs am Gymnasium<br />
sind. Die Majorität geht ins Gymnasium oder erwirbt nach der Realschule<br />
die Fachhochschulreife. Und das ist bewundernswert, diese<br />
Burschen müssen unglaublich viel leisten. Hut ab, kann ich da nur<br />
sagen.<br />
Braucht der moderne Fußball intelligentere Spieler?<br />
Vor allem fordert er flexiblere Spieler, die in der Lage sind, Ab-<br />
Interview<br />
„ES WIRD IMMER SCHWERER FÜR DIE JUNGEN LEUTE, WEIL DIE ANFOR-<br />
DERUNGEN SO GESTIEGEN SIND.“<br />
PROFIS AUS DEM JUNIOR TEAM<br />
Ehemalige Spieler des junior teams, die aktuell bei anderen Bundesligisten<br />
unter Vertrag stehen: Mats Hummels (Borussia Dortmund),<br />
Thomas Hitzlsperger, Patrick Ochs (VfL Wolfsburg),<br />
Georg Niedermeier, Stefano Celozzi (VfB Stuttgart), Mehmet<br />
Ekici (Werder Bremen), David Jarolim, Paolo Guerrero (Hamburger<br />
SV), Michael Rensing (1. FC Köln), Thomas Kraft, Christian<br />
Lell, Andreas Ottl (Hertha BSC Berlin), Markus Feulner (1. FC<br />
Nürnberg), Alexander Bugera, Sandro Wagner (1. FC Kaiserslautern),<br />
Sebastian Langkamp, Andrew Sinkala (FC Augsburg),<br />
Deniz Yilmaz (FSV Mainz 05).<br />
Ehemalige Spieler des junior teams, die aktuell bei deutschen<br />
Zweitligisten unter Vertrag stehen: Philipp Heerwagen (FC St.<br />
Pauli), Max Grün, Stephan Fürstner (SpVgg Greuther Fürth), Daniel<br />
Bierofka, Stefan Buck (1860 München), Philipp Bönig, Björn<br />
Kopplin (VfL Bochum), Mario Erb, Florian Müller (Alemannia Aachen),<br />
Louis Ngwat-Mahop (Karlsruher SC), Florian Heller, Leonhard<br />
Haas, Stefan Leitl, Christoph Knasmüllner, Karl-Heinz<br />
Lappe (alle FC Ingolstadt), Markus Palionis (SC Paderborn), Fabian<br />
Müller (FC Erzgebirge Aue), Michael Görlitz (FSV Frankfurt).<br />
Ehemalige Spieler des junior teams, die aktuell in anderen europäischen<br />
Profi-Ligen spielen: Owen Hargreaves (Manchester<br />
City), Steffen Hofmann (Rapid Wien), Zvjezdan Misimovic (Dinamo<br />
Moskau), Erdal Kilicaslan (Mersin Idmanyurdu/Türkei),<br />
Piotr Trochowski (FC Sevilla), Alou Diarra (Olympique Marseille),<br />
Sandro Burki (FC Aarau), Markus Steinhöfer (FC Basel), Daniel<br />
Sikorski (Polonia Warschau), Stefan Maierhofer (Red Bull Salzburg)<br />
Auch Niederlagen gehören <strong>zur</strong> Entwicklung: Werner Kern tröstet David Alaba nach dem<br />
verlorenen U17-Finale 2009.<br />
1|12 JUNIORTEAM-Magazin 11