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15.8.2004 Beschwerdeschrift an das EJPD (pdf) - Jugendheim ...

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Rechtsberatung Muhajir<br />

lic.iur. Bernhard Jüsi<br />

Militärstrasse 76<br />

8004 Zürich<br />

Tel. 043 322 08 91<br />

Fax. 043 322 08 92<br />

Einschreiben<br />

Eidgenössisches Justiz und<br />

Polizeidepartement<br />

Beschwerdedienst<br />

3003 Bern<br />

Zürich, 15.08.2004<br />

Sehr geehrte Damen und Herren<br />

In Sachen Alex<strong>an</strong>der PESKE, geb. 1. Juni 1979, staatenlos, Gutstrasse 175, 8047 Zürich,<br />

Beschwerdeführer,<br />

vertreten durch Herrn lic. iur. Bernhard Jüsi, Militärstrasse 76, Postfach, 8021 Zürich,<br />

erhebe ich hiermit im Namen und Auftrag des Beschwerdeführers (Vollmacht = bei den Akten<br />

der Vorinst<strong>an</strong>z)<br />

Beschwerde<br />

gegen den Entscheid vom 18. Juni 2004 (Entscheid = Beilage 1) des Bundesamtes Immigration<br />

Intégration Emigration Suisse (IMES),<br />

Beschwerdegegner,<br />

1


und stelle die folgenden<br />

Anträge:<br />

1. Der Entscheid der Vorinst<strong>an</strong>z sei vollumfänglich aufzuheben.<br />

2. Es sei gemäss dem Antrag des K<strong>an</strong>tons Zürich die Ausnahme von der Begrenzung der<br />

Zahl der Ausländer gemäss Art. 13 Bst. f BVO zu bewilligen.<br />

3. Es sei eventualiter eine Ausnahmebewilligung gestützt auf Art. 36 BVO zu erteilen.<br />

4. Es sei dem Rekurrenten die unentgeltliche Prozessführung zu bewilligen und es sei ihm<br />

für <strong>das</strong> Verfahren in der Person des unterzeichnenden Rechtsvertreters ein<br />

unentgeltlicher Rechtsbeist<strong>an</strong>d beizuordnen.<br />

Alles unter Entschädigungs- und Kostenfolge zulasten der Vorinst<strong>an</strong>z.<br />

Begründung:<br />

I. Formelles<br />

1. Zuständigkeit<br />

Der Beschwerdedienst des <strong>EJPD</strong> ist für die Erledigung von Beschwerden gegen Entscheide<br />

der Bundesämter zuständig. Die Zuständigkeit wird aus der Rechtmittelbelehrung der<br />

<strong>an</strong>gefochtenen Verfügung geschlossen.<br />

2. Legitimation<br />

Der Rekurrent ist durch die Verweigerung der Ausnahme von der Begrenzungsverordnung,<br />

die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung und die Wegweisung aus der Schweiz<br />

persönlich betroffen und damit berührt. Er hat ein schutzwürdiges Interesse <strong>an</strong> der Erteilung<br />

einer Aufenthaltsbewilligung und am weiteren Verbleib im K<strong>an</strong>ton Zürich sowie bei seiner<br />

Partnerin. Er ist damit beschwert und zur Beschwerdeerhebung berechtigt.<br />

3. Vollmacht<br />

Der unterzeichnende Rechtsvertreter ist gehörig bevollmächtigt (Vollmacht = bei den Akten<br />

der Vorinst<strong>an</strong>z).<br />

2<br />

4. Frist<br />

Die <strong>an</strong>gefochtene Verfügung datiert vom 18. Juni 2004 und wurde erhalten am 19. Juni 2004<br />

(Rückschein bei den Akten der Vorinst<strong>an</strong>z). Die Frist st<strong>an</strong>d vom 15. Juli bis und mit 15.<br />

August still (Art. 22a Bst. b VwVG). Die Rekursfrist von 30 Tagen ist unter Berücksichtigung<br />

des Fristenstillst<strong>an</strong>des mit der heutigen Eingabe (Datum des Poststempels) gewahrt.


II. Materielle Begründung<br />

1. Sachverhalt<br />

a) Vorgeschichte<br />

Alex<strong>an</strong>der Peske wurde als Minderjähriger am 26. Februar 1997 am Zürcher Hauptbahnhof<br />

von der K<strong>an</strong>tonspolizei aufgegriffen. Er war nicht in der Lage sich auszuweisen und gest<strong>an</strong>d<br />

sogleich, am 23. Februar 1997 ohne Reisepapiere in die Schweiz eingereist zu sein.<br />

Er wurde wegen illegaler Einreise der Jugend<strong>an</strong>waltschaft des Bezirks Zürich zugeführt.<br />

Auf Befragung hin berichtete der Jugendliche über seine Flucht aus Tschetschenien, wo er<br />

in Grozny geboren und bei den Eltern als Einzelkind aufgewachsen war. Er besuchte in<br />

Grozny während 10 Jahren die Grundschule. Sein Vater war Este, die Mutter jüdischer<br />

Abstammung. Im Mai 1994 flohen seine Grossmutter und er wegen des Bürgerkriegs aus<br />

der Stadt zu Freunden. Die Lage in Grozny hatte sich zugespitzt. Im Jahr 1995 kamen seine<br />

Eltern bei einem Bomben<strong>an</strong>griff auf die Stadt beide ums Leben.<br />

Im März 1995 wollte der Jugendliche den Freunden seiner Eltern in der katastrophalen Lage<br />

in Tschetschenien nicht mehr länger zur Last fallen. Er verliess Tschetschenien und floh<br />

nach Moskau. Ohne Papiere und Ausbildung schlug er sich dort mit Gelegenheitsarbeiten<br />

durch. Er gel<strong>an</strong>gte nach St. Petersburg und schloss sich in der Not verschiedenen Gruppen<br />

obdachloser Jugendlicher <strong>an</strong>.<br />

M<strong>an</strong>gels jeder Zukunftsperspektive entschloss er sich zur Flucht nach Westeuropa. Er<br />

träumte davon, bei einer Fussballm<strong>an</strong>nschaft, etwa in Sp<strong>an</strong>ien, unterzukommen und reiste<br />

versteckt <strong>an</strong> Bord eines LKW in die Schweiz ein, wo er drei Tage später am Zürcher<br />

Hauptbahnhof aufgegriffen wurde.<br />

b) Bisheriger Aufenthalt im K<strong>an</strong>ton Zürich<br />

Mit Urteil vom 28.8.1997 wurde Alex<strong>an</strong>der Peske (A.P.) im Rahmen einer<br />

jugendstrafrechtlichen Massnahme im Sinne von Art. 91 Ziff. 1 Abs. 1 StGB in ein<br />

Erziehungsheim für Jugendliche eingewiesen, nachdem die ersten Abklärungen im<br />

Anschluss <strong>an</strong> die Unterbringung in einer Notunterkunft seine Massnahmenbedürftigkeit und<br />

seine Geeignetheit zu einer solchen Massnahme ergeben hatten.<br />

3


Das Urteil wurde zwar in <strong>das</strong> Strafregister aufgenommen, jedoch auf Grund von Art. 361<br />

StGB zum Vornherein als gelöschter Eintrag.<br />

Mit dem Urteil wurde der Institution Schenkung Dapples, Flühgasse 80, in 8008 Zürich, wo<br />

er auf Grund einer vorsorglichen Einweisung bereits seit dem 1. Juli 1997 lebte, der Auftrag<br />

erteilt, mit professioneller Betreuung und einem geordneten Rahmen dafür zu sorgen, <strong>das</strong>s<br />

er hier Fuss fassen und sich in der Gesellschaft integrieren könne (Urteil vom 28.8.1997, bei<br />

den k<strong>an</strong>tonalen Vorakten).<br />

Diesem Auftrag getreu wurde A.P. gefördert. Es gel<strong>an</strong>g ihm d<strong>an</strong>k grosser Anstrengung<br />

rasch, sehr gut deutsch zu lernen und er konnte erfolgreiche eine Berufsausbildung zum<br />

Schreiner absolvieren. D<strong>an</strong>eben schaffte er den Abschluss der Berufsmatura, im Fach<br />

Deutsch sogar mit der Bewertung sehr gut.<br />

Während seiner g<strong>an</strong>zen Aufenthaltsdauer hat er sich nicht nur klaglos sondern vorbildlich<br />

verhalten. Er hat sich einen grossen Freundeskreis aufgebaut und in Zürich Wurzeln<br />

geschlagen. Ich verweise auf die zahlreichen Belege für die erfolgte persönliche Integration<br />

bei den k<strong>an</strong>tonalen Vorakten bzw. auf die Beilagen des Gesuches vom 23. April 2002 um<br />

Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung.<br />

Im Sommer 2000 lernte A.P. die Schweizerin Katarina Bartulovic kennen, mit der er seit<br />

deren Auszug von zuhause, d.h. seit Juli 2000 in einer eheähnlichen Beziehung lebt. Bereits<br />

während der Massnahme, die eine sehr offene Vollzugsform darstellt, lebte er die meiste<br />

Zeit mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt.<br />

Die Massnahme des Jugendstrafrechts war ausserordentlich erfolgreich. Es ist dem jungen<br />

M<strong>an</strong>n gelungen, sich von seiner traumatischen Verg<strong>an</strong>genheit und vom frühen Verlust der<br />

Eltern unter schrecklichen Umständen sowie von seinen z.T. erniedrigenden Erlebnissen<br />

„als Strassenjunge“ zu erholen und sich in die Gesellschaft zu integrieren. Er arbeitet d<strong>an</strong>k<br />

Ausnahmebewilligung durch den Regierungsrat des K<strong>an</strong>tons Zürich teilzeitlich in einer<br />

Buchh<strong>an</strong>dlung in Zürich und ist zudem ehrenamtlicher Redaktor einer exilrussischen<br />

Zeitschrift.<br />

Die ausserordentlich starke Verwurzelung in Zürich und sein Freundeskreis haben zu einer<br />

Solidarisierung von tausenden von Zürcherinnen und Zürchern mit A.P. geführt, die sich u.a.<br />

4


in einer Petition für eine Aufenthaltsbewilligung <strong>an</strong> die Direktion für Sicherheit und Soziales<br />

niederschlug, die innert kurzer Zeit von sehr vielen Personen unterzeichnet wurde (bei den<br />

k<strong>an</strong>tonalen Vorakten).<br />

c) Schriftenlosigkeit<br />

A.P. hat mit tatkräftiger Unterstützung der Schenkung Dapples alles Mögliche unternommen,<br />

um wieder Papiere zu erhalten. Die in den Akten hinreichend dokumentierten Bemühungen<br />

blieben aber bisher erfolglos. Dies lieg in erster Linie dar<strong>an</strong>, <strong>das</strong>s in der Stadt Grozny<br />

sämtliche Register zerstört sind und die Regierung Russl<strong>an</strong>ds keinerlei Interesse dar<strong>an</strong> hat,<br />

für einen jungen M<strong>an</strong>n aus Tschetschenien Papiere auszustellen. Auch Versuche, wegen<br />

der estnischen Herkunft des Vaters bei der Vertretung des heutigen Estl<strong>an</strong>d zu Papieren zu<br />

kommen, sind erfolglos geblieben.<br />

Auch dem Bundesamt für Flüchtlinge, welches vom K<strong>an</strong>ton bereits ohne <strong>das</strong> Vorliegen einer<br />

Wegweisungsverfügung im Rahmen der Vollzugsunterstützung bei gezogen worden war,<br />

gel<strong>an</strong>g es bis heute nicht, Papiere zu beschaffen. Dies obschon A.P. wie gesagt, alles<br />

Zumutbare get<strong>an</strong> hat, um bei der Papierbeschaffung aktiv mitzuwirken, da er selber stark<br />

unter dem Zust<strong>an</strong>d der Papierlosigkeit litt und weiterhin leidet. Auf die Begründung von IMES<br />

betreffend <strong>das</strong> Fehlen von Identitätspapieren und die Interpretation dieser Tatsache durch<br />

<strong>das</strong> Amt wird weiter unten im Rahmen der materiellen Begründung näher eingeg<strong>an</strong>gen.<br />

d) Bisheriges Verfahren<br />

Das Migrationsamt war schon sehr früh von der Schenkung Dapples kontaktiert worden. Es<br />

war von Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> klar, <strong>das</strong>s sich im Anschluss <strong>an</strong> die Massnahme <strong>das</strong> Problem der<br />

Regelung des weiteren Aufenthalts stellen würde.<br />

Das Migrationsamt hat denn auch nach Ende der <strong>an</strong>geordneten Massnahme, seit dem<br />

2. Juni 2002, als sich die Schwierigkeiten bei der Papierbeschaffung nicht lösen liessen und<br />

ein Vollzug einer allfälligen Wegweisung sich als unmöglich erwies, „im Sinne eines<br />

einmaligen und unpräjudiziellen Entgegenkommens ausnahmsweise gegen die<br />

Weiterführung der heiminternen Ausbildung Zwecks Abschluss derselben nicht opponiert“<br />

(Zitat aus der erfolgreich <strong>an</strong>gefochtenen Verfügung des Migrationsamtes). Damit haben die<br />

zuständigen k<strong>an</strong>tonalen Fremdenpolizeibehörden den Aufenthalt bisher geduldet und den<br />

Ausbildungsabschluss und die erfolgreiche, von der Massnahme <strong>an</strong>gestrebte Integration in<br />

verd<strong>an</strong>kenswerter Weise mit ermöglicht.<br />

5


Am 23. April 2002 wurde beim Migrationsamt ein Gesuch um Erteilung einer<br />

Aufenthaltsbewilligung aus hum<strong>an</strong>itären Gründen und um Antrag <strong>an</strong> <strong>das</strong> BFA (heute IMES)<br />

um Ausnahme von der Begrenzungsverordnung eingereicht. Eventualiter war um eine<br />

Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 36 BVO bzw. zum Zweck der<br />

Stellensuche gebeten worden.<br />

Mit Verfügung vom 22. Juli 2002 hatte <strong>das</strong> Migrationsamt <strong>das</strong> Gesuch abgewiesen und A.P.<br />

eine Frist zum Verlassen der Schweiz bis 30. August 2002 <strong>an</strong>gesetzt.<br />

Jene Verfügung war sod<strong>an</strong>n erfolgreich beim Regierungsrat des K<strong>an</strong>tons Zürich<br />

<strong>an</strong>gefochten worden. Schon während des Rekursverfahrens war der Stellen<strong>an</strong>tritt von Herrn<br />

Peske bei besagter Buchh<strong>an</strong>dlung bewilligt worden.<br />

Der Gesamtregierungsrat begründete seinen gutheissenden Entscheid im Wesentlichen wie<br />

folgt:<br />

"Angesichts er sich namentlich aus der Vorgeschichte ergebenden besonderen<br />

Umstände des vorliegenden Falles und der Tatsachen, <strong>das</strong>s sich der Rekurrent bereits<br />

seit Februar 1997 hier aufhält, <strong>das</strong>s er mit einer Schweizer Bürgerin zusammenlebt, die<br />

er, selbst wenn dies ernsthaft beabsichtigt wird, wegen fehlender Ausweispapiere nicht<br />

heiraten k<strong>an</strong>n, <strong>das</strong>s er erfolgreich eine Berufslehre abgeschlossen und sich gut in die<br />

hiesige Arbeitswelt sowie in die sozialen Verhältnisse eingelebt hat und <strong>das</strong>s er -<br />

abgesehen von der illegalen Einreise - zu keinen Klagen Anlass gegeben hat, wurde ihm<br />

mit der erwähnten Präsidialverfügung für die Dauer des Rekursverfahrens Aufenthalt<br />

gewährt und der Stellen<strong>an</strong>tritt grundsätzlich bewilligt. Bei einer vorläufigen Aufnahme -<br />

die Rekursgegnerin sicher eine diesbezügliche Antragsstellung zu (act. 38. S. 3<br />

(k<strong>an</strong>tonale Akten)) - stünde dem Rekurrenten in Anbetracht der für diese Kategorie von<br />

Ausländern geltenden Beschränkungen bei der Zulassung zum Arbeitsmarkt<br />

grundsätzlich weder die Möglichkeit offen, seine derzeit ausgeübte Tätigkeit im<br />

Buchh<strong>an</strong>del weiterzuführen, noch könnte ihm ein Stellen<strong>an</strong>tritt zur Ausübung seines -<br />

auch mit (fin<strong>an</strong>zieller) Unterstützung der öffentlichen h<strong>an</strong>d - erlernten Berufes als<br />

Schreiner bewilligt werden. Der Rekurrent hält sich seit rund 7 Jahren hier auf und erfährt<br />

auch beim derzeitigen Arbeitgeber eine sehr gut e Qualifikation. Namentlich fällt ins<br />

Gewicht, <strong>das</strong>s eine Lebenssituation als noch immer schriftenloser Ausländer -<br />

umf<strong>an</strong>greiche Nachforschungen des <strong>EJPD</strong> und des roten Kreuzes nach seiner Identität<br />

führten bis jetzt zu keinem Ergebnis - als singulär erscheint und <strong>das</strong>s ein objektiver<br />

Vergleich mit dem durchschnittlichen Schicksal von Dritten kaum möglich ist." (S. 5 des<br />

Beschlusses des Regierungsrates vom 28. J<strong>an</strong>uar 2004).<br />

6


Der Regierungsrat wies <strong>das</strong> Migrationsamt des K<strong>an</strong>tons Zürich folgerichtig <strong>an</strong>, Antrag beim<br />

IMES um Ausnahme von der Begrenzungsverordnung zu stellen, damit eine hum<strong>an</strong>itäre<br />

Aufenthaltsbewilligung gestützt auf Art. 13 f BVO erteilt werden könne. Er sicherte dem<br />

Beschwerdeführer die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zu, für den Fall, <strong>das</strong>s <strong>das</strong> dafür<br />

zuständige Bundesamt die Ausnahmebewilligung erteile.<br />

IMES nahm vorerst noch einmal Kontakt mit dem BFF, Abteilung Vollzugsunterstützung, auf<br />

und erhielt keine neuen Ergebnisse zur Frage der Papierbeschaffung.<br />

Der Zürcher Regierungsrat hat dem IMES mit Schreiben vom 3.2.2004 unter<br />

Berücksichtigung aller Umstände ausdrücklich die Erteilung einer hum<strong>an</strong>itären<br />

Aufenthaltsbewilligung bzw. die Gutheissung des Gesuches be<strong>an</strong>tragt.<br />

IMES gab mit Schreiben vom 26. April 2004 dem Beschwerdeführer Gelegenheit, zur<br />

beabsichtigten Verweigerung der Ausnahmebewilligung Stellung zu nehmen. Begründet<br />

wurde die Absicht der Verweigerung der Zustimmung damit, <strong>das</strong>s Herr Peske seine<br />

Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung von Identitätspapieren verletzt habe.<br />

Mit Stellungnahme vom 14. Mai 2004 wurde insbesondere geschildert, wie weit Herr Peske<br />

bei der Suche nach Papieren selber aktiv geworden war und jedenfalls bei allen<br />

behördlichen Bemühungen immer tadellos mitgewirkt hatte. Ich verweise, um unnötige<br />

Wiederholungen zu vermeiden, auf die Stellungnahme. Es wurde darin aber auch erneut auf<br />

die Tatsache hingewiesen, <strong>das</strong>s Herr Peske seit l<strong>an</strong>gem mit einer Schweizer Bürgerin<br />

zusammenlebt, die er auf Grund fehlender Papiere kaum heiraten k<strong>an</strong>n.<br />

Mit Verfügung vom 18.6.2004 entschied IMES, <strong>das</strong>s Herrn Peske keine<br />

Aufenthaltsbewilligung erteilt werden könne, da dieser falsche Angaben über seine Identität<br />

gemacht habe. Dieser Vorwurf wurde erstmals in der Verfügung erhoben, während der<br />

Vorwurf der m<strong>an</strong>gelnden Mitwirkungspflicht <strong>an</strong>gesichts der im Rahmen des rechtlichen<br />

Gehörs gemachten Ausführungen wieder fallen gelassen wurde und IMES die Bemühungen<br />

zur Papierbeschaffung in der Verfügung nun selber <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nte. Ferner erfülle A.P. die<br />

Kriterien für die Erteilung einer hum<strong>an</strong>itären Aufenthaltsbewilligung als Härtefall nicht. Auf<br />

die Begründung der Vorinst<strong>an</strong>z im Detail nachfolgend eingeg<strong>an</strong>gen.<br />

7


III.<br />

Materielle Begründung im engeren Sinn<br />

IMES hat im Grunde gleich entschieden, wie seinerzeit <strong>das</strong> Migrationsamt des K<strong>an</strong>tons<br />

Zürich. Daher gleichen sich die Argumente in dieser Eingabe und jene in der Rekursschrift<br />

gegen die ursprüngliche k<strong>an</strong>tonale Wegweisungsverfügung über weite Strecken. Es ist indes<br />

stossend, <strong>das</strong>s die Argumente, die der Regierungsrat des K<strong>an</strong>tons Zürich in seinen<br />

Regierungsratsbeschluss aufgenommen hat, von IMES nun wieder überhaupt nicht zur<br />

Kenntnis genommen worden sind. IMES hat damit nebst der Begründungspflicht auch seine<br />

Pflicht zur vollständigen Würdigung der Akten und damit den Untersuchungsgrundsatz<br />

verletzt. Aus folgenden Gründen hätte die Zustimmung zur Ausnahme von der<br />

Begrenzungsverordnung erteilt werden müssen und ist die <strong>an</strong>geordnete Wegweisung aus<br />

der Schweiz nicht haltbar:<br />

A. Rechts<strong>an</strong>spruch und freies Ermessen<br />

1. Rechts<strong>an</strong>spruch<br />

a) Art. 8 EMRK: Schutz des Familienlebens und des Privatlebens<br />

A.P. k<strong>an</strong>n sich nicht auf eine Norm des k<strong>an</strong>tonalen oder schweizerischen Rechts stützen,<br />

aus der sich ein unmittelbarer Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ergäbe.<br />

Hingegen wird <strong>das</strong> freie Ermessen der fremdenpolizeilichen Behörde bei der<br />

Bewilligungserteilung durch Art. 8 EMRK eingeschränkt. Diese verbindliche völkerrechtliche<br />

Bestimmung schützt <strong>das</strong> Familien- und <strong>das</strong> Privatleben und damit die Gesamtheit der<br />

privaten Beziehungen vor einem unverhältnismässigen Eingriff ohne genügende gesetzliche<br />

Grundlage.<br />

A.P. lebt in einer gefestigten eheähnlichen Beziehung mit einer Schweizerin. Dass eine<br />

Eheschliessung vor Hindernissen steht (vollkommene Papierlosigkeit von A.P.) liegt auf der<br />

H<strong>an</strong>d. Das Bundesgericht hat im Fall eines gleichgeschlechtlichen Paares, welchem <strong>das</strong><br />

Institut der Ehe aus <strong>an</strong>deren Gründen ebenfalls verwehrt ist, festgestellt, <strong>das</strong>s beim<br />

Vorliegen einer nahen, echten und tatsächlich gelebten Beziehung sich ein Anspruch aus<br />

Art. 8 EMRK, und zwar aus dem Recht auf den Schutz des Privatlebens, ergibt (vgl. BGE<br />

126 II 425 ff.). Es ist sod<strong>an</strong>n die Verhältnismässigkeit der Wegweisung und damit der<br />

Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung im Sinne von Art. 8 Abs. 2 EMRK zu prüfen. Im<br />

erwähnten Entscheid hat <strong>das</strong> Bundesgericht zwar die Verweigerung einer Aufenthaltsbewilligung<br />

geschützt, weil die Beziehung auch im Ausl<strong>an</strong>d gelebt werden könne bzw. es der<br />

Schweizer Partnerin zumutbar sei, dafür im Ausl<strong>an</strong>d Wohnsitz zu nehmen. Dies kommt i.c.<br />

8


nicht in Betracht, da es der Schweizerin nicht zuzumuten ist, sich im Herkunftsgebiet des<br />

Rekurrenten aufzuhalten und eine Rückkehr des Rekurrenten dorthin ohnehin unmöglich ist.<br />

Da eine nahe, echte und tatsächlich gelebte Beziehung vorliegt - wofür sich bei Bedarf<br />

zahlreiche Belege bzw. Zeugenaussagen beibringen lassen, wenn Sie <strong>an</strong> dieser Tatsache<br />

Zweifel hegen sollten - ergibt sich vorliegend ein Rechts<strong>an</strong>spruch aus Art. 8 EMRK, weshalb<br />

eine Wegweisung unzulässig und eine Aufenthaltsbewilligung zu erteilen ist. Es ist<br />

festzuhalten, <strong>das</strong>s die Vorinst<strong>an</strong>zen diese Tatsache nie in Zweifel gezogen haben, es IMES<br />

aber gänzlich unterlassen hat, in der Verfügung darauf einzugehen. Damit wurde die Pflicht<br />

zur Würdigung des gesamten entscheidwesentlichen Sachverhalts im Sinne des<br />

Untersuchungsgrundsatzes verletzt und die Verfügung diesbezüglich nicht begründet.<br />

Eine Verwurzelung wie sie die überdurchschnittliche Integration von A.P. darstellt, beinhaltet<br />

aber auch zahlreiche enge Freundschaftsbeziehungen, die auf Grund des Lebenslaufs von<br />

A.P. ausserordentlich wichtig sind. Inzwischen liegt eine Aufenthaltsdauer von über 7 Jahren<br />

vor. Die Verwurzelung in der Schweiz ist ausserordentlich und verglichen mit <strong>an</strong>deren Fällen<br />

von gleicher Aufenthaltsdauer überdurchschnittlich stark fortgeschritten, gerade auch d<strong>an</strong>k<br />

staatlicher Förderung der Integration, die im Jugendalter beg<strong>an</strong>n und den Abschluss der<br />

Adoleszenz prägte. A.P. hat zudem in der Heimat keinerlei Beziehungsnetz mehr.<br />

Mithin würde A.P. aus seinem einzigen und auf Grund seiner leidvollen Biographie für ihn<br />

g<strong>an</strong>z existenziell wichtigen Beziehungsumfeld herausgerissen, was ohne Zweifel ebenfalls,<br />

nebst dem Eingriff in <strong>das</strong> Zusammenleben mit der Schweizer Partnerin, einem Eingriff in den<br />

Schutzbereich von Art. 8 EMRK gleichkäme.<br />

Für einen Eingriff in den Schutzbereich von Art. 8 EMRK liegt keine genügende gesetzliche<br />

Grundlage vor, stützt sich doch die Anordnung der Wegweisung lediglich auf eine<br />

Verordnung (Art. 17 Abs. 1 der Vollziehungsverordnung vom 1. März 1949 zum ANAG),<br />

worin gerade die formlose Wegweisung „geregelt“ wird.<br />

Der Eingriff wäre aber nach dem Gesagten und auf Grund des noch zu Zeigenden auch<br />

offensichtlich unverhältnismässig, besteht doch kein Grund für ein gesteigertes öffentliches<br />

Interesse <strong>an</strong> der Wegweisung des mit staatlicher Förderung und auf behördliche Anordnung<br />

hin sowie schlussendlich mit Duldung der Vorinst<strong>an</strong>z vorbildlich integrierten Ausländers.<br />

9


Was die <strong>an</strong>geführte einzige und vom Migrationsamt des K<strong>an</strong>tons Zürich noch so<br />

bezeichnete „Trübung des Leumunds“ <strong>an</strong>geht, so k<strong>an</strong>n die blosse illegale Einreise sicher<br />

nicht einen Eingriff in <strong>das</strong> Familien- bzw. in <strong>das</strong> Privatleben rechtfertigen. Art. 8 EMRK k<strong>an</strong>n<br />

nämlich sogar einer Ausweisung wegen Straffälligkeit entgegenstehen (zur Gewichtung der<br />

einzigen Verfehlung von A.P. komme ich im Rahmen der Argumentation zum<br />

Ermessensentscheid noch eingehender). So wurde vom Bundesgericht der Fall eines sehr<br />

stark in der Schweiz verwurzelten Italieners sogar beim Vorliegen von Freiheitsstrafen von<br />

10 Jahren als Grenzfall bezeichnet (vgl. BGr. 2A.256/1997 vom 19.6.1998, zitiert in<br />

Ausländerrecht, herausgegeben und kommentiert von Marc Spescha und Peter Sträuli,<br />

Zürich, 2001).<br />

Aus Art. 8 EMRK, einer verbindlichen Norm des Völkerrechts, ergibt sich demnach die<br />

Unzulässigkeit der Wegweisung, woraus sich ein indirekter Rechts<strong>an</strong>spruch auf weiteren<br />

Verbleib in der Schweiz und damit auf Regelung des Aufenthalts ergibt. Indem die<br />

Vorinst<strong>an</strong>z die zum Vornherein unzulässige und nicht nur wie die Vorinst<strong>an</strong>z selber mit<br />

Hinweis auf die erfolglosen Bemühungen zur Papierbeschaffung aufzeigt wohl unmöglich<br />

vollziehbare Wegweisung <strong>an</strong>ordnet, h<strong>an</strong>delt sie nicht nur unsinnig sondern auch<br />

widerrechtlich.<br />

b) Vertrauensschutz<br />

Auch aus Gründen des Vertrauensschutzes liegt ein indirekter Anspruch auf Erteilung einer<br />

Aufenthaltsbewilligung vor, auch wenn dieser Argumentation der Zürcher Regierungsrat<br />

nicht folgen mochte:<br />

Die Berufung auf den Vertrauensschutz bedarf gemäss Lehre und Rechtssprechung eines<br />

Anknüpfungspunktes in Form eines Vertrauenstatbest<strong>an</strong>des, einer Vertrauensgrundlage.<br />

Darunter ist <strong>das</strong> Verhalten eines staatlichen Org<strong>an</strong>s zu verstehen, <strong>das</strong> beim Betroffenen<br />

bestimmte Erwartungen auslöst.<br />

Der Urteilstext des Zürcher Jugendgerichts enthält als Verfügung eines staatlichen Org<strong>an</strong>s<br />

einen Wortlaut, der unmissverständlich ein Vertrauen in die Förderung der Integration in der<br />

Schweiz und damit konkludent in eine Regelung bzw. Erlaubnis oder doch zumindest<br />

Duldung des weiteren Verbleibs in unserem L<strong>an</strong>d begründete. Ich zitiere aus S. 4 des<br />

Urteils vom 28. August 1997: „Der Angeschuldigte hat keine Angehörige und gemäss seinen<br />

Beteuerungen überhaupt keine Beziehungen zu Tschetschenien und Russl<strong>an</strong>d mehr; dorthin<br />

10


möchte er denn auch erklärtermassen nicht zurückkehren. Sowohl in seiner persönlichen<br />

wie auch in seiner beruflichen Entwicklung ist er daher gefährdet, weshalb er einer<br />

professionellen Betreuung und eines geordneten Rahmens bedarf, um hier Fuss zu fassen<br />

und sich in der Gesellschaft integrieren zu können.“<br />

Auch <strong>das</strong> weitere Verhalten der Behörden, insbesondere auch des Migrationsamtes selber<br />

förderten <strong>das</strong> Vertrauen in eine mögliche Regelung einer Zukunft in der Schweiz, jedenfalls<br />

wurde dem Rekurrenten während seiner integrativen Massnahme nie eröffnet, es werde<br />

seine Wegweisung und deren Vollzug in Erwägung gezogen. Dar<strong>an</strong> vermag auch die<br />

Tatsache nichts zu ändern, <strong>das</strong>s die Vorinst<strong>an</strong>z darauf hingewiesen hat, <strong>das</strong>s die<br />

provisorische Duldung keinen präjudiziellen Charakter habe und „sein weiterer Aufenthalt<br />

nach Abschluss der Berufsausbildung geprüft werden müsse“. Gerade auch um seine<br />

Integration und Sozialisation in die hiesige Gesellschaft nicht zu gefährden, wurde die<br />

Zukunftsperspektive eines Berufslebens in der Schweiz behördlicherseits nie verneint.<br />

Die Hauptwirkung des berechtigten Vertrauens in <strong>das</strong> konsistente Behördliche Verhalten<br />

liegt im Best<strong>an</strong>desschutz und damit in einer Bindung der Behörden <strong>an</strong> die<br />

Vertrauensgrundlage. Die plötzliche Anordnung der Wegweisung und Ansetzung einer<br />

Ausreisefrist als widersprüchliches Verhalten der Behörden ist daher unzulässig.<br />

Stattdessen hätte <strong>an</strong>gesichts der Vorgeschichte eine wohlwollende Prüfung einer<br />

Erteilungsmöglichkeit einer Aufenthaltsbewilligung im Rahmen Prüfung der Härtefallkriterien<br />

erfolgen müssen. Eine solche wohlwollende Ausschöpfung des Ermessensspielraumes, wie<br />

sie durch den Zürcher Regierungsrat schliesslich erfolgt ist, hätte bei einer <strong>an</strong>gemessenen<br />

Würdigung des Sachverhalts nun auch zur Zustimmung zur Ausnahme von der<br />

Begrenzungsverordnung durch IMES führen müssen.<br />

2. Freies Ermessen<br />

Die Vorinst<strong>an</strong>z fällt ihren Entscheid gestützt auf ihr freies Ermessen bei der Prüfung einer<br />

Ausnahme von der Begrenzungsverordnung. Selbst wenn m<strong>an</strong> von den vorstehenden<br />

Ausführungen zu einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung absieht, wird<br />

<strong>das</strong> freie Ermessen der Behörden im Sinne von Art. 4 ANAG eingeschränkt: Dies durch <strong>das</strong><br />

Willkürverbot und die Beschränkung auf pflichtgemässes, sog. sachadäquates Ermessen.<br />

Die konkreten Umstände eines Falles sind abzuwägen ( BGE 122 I 267).<br />

Im vorliegenden Fall hat IMES keine sachadäquate Abwägung vorgenommen, was <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d<br />

11


der einzelnen Argumente in der <strong>an</strong>gefochtenen Verfügung nachfolgend detailliert begründet<br />

wird.<br />

3. Würdigung des Sachverhalts durch IMES<br />

IMES zitiert in der Verfügung zunächst zutreffend die gemäss Bundesgericht geltenden<br />

Voraussetzungen für die Anerkennung als massgeblicher Härtefall: Eine persönliche<br />

Notlage, die bedeutet, <strong>das</strong>s die Lebens. und Daseinsbedinungen gemessen am<br />

durschnittlichen Schicksal von Ausländern in gesteigertem Masse in Frage gestellt sein<br />

müssen, bzw. die Verweigerung von der Ausnahme von der zahlenmässigen Begrenzung für<br />

den Betroffenen schwere Nachteile zur Folge hätte. „Dabei genügt die bisherige oder eine<br />

frühere Anwesenheit nicht für sich allein zur Ausnahme eines Härtefalles.“ Zu prüfen sei,<br />

wieweit es dem Ausländer zumutbar sei, sich in einem L<strong>an</strong>d, namentlich seiner Heimat,<br />

aufzuhalten bzw. sich dorthin zu begeben.<br />

Nun hatte der Beschwerdeführer bereits im Rekursverfahren vor dem Zürcher Regierungsrat<br />

ausführlich und nach der Meinung des Zürcher Regierungsrates offenbar überzeugend<br />

darget<strong>an</strong>, inwieweit seine Situation eben genau der eines solchen Härtefalles entspricht.<br />

Stossend ist, <strong>das</strong>s IMES seinen Lebenssachverhalt einzig auf den Abschnitt<br />

zusammenkürzt, wonach er sich nach illegaler Einreise seit sieben Jahren in der Schweiz<br />

aufhalte, allein stehend und jung sei und keine Familien<strong>an</strong>gehörige in der Schweiz habe.<br />

Auch damit verletzt IMES die Pflicht zur vollständigen Würdigung des Sachverhalts und die<br />

Pflicht zur umfassenden Begründung des Entscheides.<br />

Was den letzten Teilsatz über fehlende Familien<strong>an</strong>gehörige in der Schweiz <strong>an</strong>geht, ist die<br />

Aussage falsch. Wie oben dargelegt und IMES bestens bek<strong>an</strong>nt, zumal im Rahmen des<br />

rechtlichen Gehörs explizit erneut ausgeführt, lebt Herr Peske mit seiner Schweizer<br />

Partnerin seit über 4 Jahren zusammen. Dies stellt eine Familie im Sinne der Kernfamilie<br />

nach EMRK dar und diese Tatsache wird vom Bundesgericht selbst im Falle<br />

gleichgeschlechtlicher Paare, die ebenfalls bisl<strong>an</strong>g vor unüberwindlichen Ehehindernissen<br />

stehen, <strong>an</strong>erk<strong>an</strong>nt. Die g<strong>an</strong>zen Argumente betreffend Integration in der Schweiz aber auch<br />

Härtesituation mit Bezug auf Tschetschenien, werden von IMES nicht erwähnt. Eine<br />

Sachadäquate Ausein<strong>an</strong>dersetzung mit dem gesamten Sachverhalt k<strong>an</strong>n hier nicht bejaht<br />

werden.<br />

12


B) Härtefallkriterien i.S. v. Art. 13 Buchstabe f BVO, konkrete Ermessensausübung<br />

1. Aufenthaltsdauer<br />

Schon im Rundschreiben von BFF und BFA vom 21.12.2001 wurde ausgeführt, <strong>das</strong>s die<br />

Dauer des Aufenthaltes nur eines, wenn auch ein wichtiges, der Elemente darstellt, welche<br />

bei der Burteilung eines Härtefalles zu berücksichtigen sind. Bei einem Aufenthalt von<br />

weniger als vier Jahren könne davon ausgeg<strong>an</strong>gen werden, <strong>das</strong>s kein Härtefall vorliege,<br />

sofern keine besonderen Umstände dafür sprechen. Bei einem Aufenthalt von mehr als vier<br />

Jahren erscheint dagegen eine vertiefte Prüfung eines Begehrens <strong>an</strong>gezeigt.<br />

Künftig solle nach dem Willen der Bundesbehörden auch der Integrationsgrad stärker<br />

berücksichtigt werden als die blosse Aufenthaltsdauer.<br />

Die Vorinst<strong>an</strong>z beurteilt hier <strong>das</strong> Kriterium der Aufenthaltsdauer nicht weiter, obschon es sich<br />

um einen Aufenthalt von weit über 4 Jahren, nämlich über 7 Jahren, h<strong>an</strong>delt und<br />

verschliesst die Augen vor der Tatsache, <strong>das</strong>s die erwähnte Zumutbarkeit der Rückkehr ins<br />

Heimatl<strong>an</strong>d hier auch aus <strong>an</strong>deren Gründen ohnehin a priori nicht in Betracht kommt. Zum<br />

einen ist der Vollzug der Wegweisung, wie sich bereits hinreichend erwiesen hat, gar nicht<br />

möglich (Schriftenlosigkeit) und zum <strong>an</strong>deren vollzieht <strong>das</strong> Bundesamt für Flüchtlinge keine<br />

Wegweisungen nach Tschetschenien. Die allgemeine Lage in Tschetschenien steht einem<br />

Wegweisungsvollzug damit ohnehin entgegen. Dass die Frage der Vertriebenen aus<br />

Tschetschenien und die Hindernisse für deren Rückkehr international ein Thema ist, belegt<br />

etwa <strong>das</strong> Seminar von ECRE (Europe<strong>an</strong> Council on Refugees <strong>an</strong>d Exiles), einem Verb<strong>an</strong>d<br />

bestehend aus zahlreichen, auch Schweizer Hilfswerken zur Problematik der intern<br />

Vertriebenen aus Tschetschenien, welches vom 30. Bis 31. August in Moskau stattfinden<br />

wird.<br />

2. Integrationsgrad<br />

Aus dem bisher gesagten und aus den gesamten Akten ergibt sich zweifellos ein<br />

überdurchschnittlicher Integrationsgrad des Beschwerdeführers. Soweit sein<br />

Ausnahmeschicksal, was die Beh<strong>an</strong>dlung durch Schweizer Behörden <strong>an</strong>geht, überhaupt mit<br />

dem eines <strong>an</strong>deren Ausländers verglichen werden k<strong>an</strong>n, wurde durch die staatlichen<br />

Integrations- und (Re-)sozialisierungsmassnahmen erfolgreich während der Adoleszenz<br />

stark auf den Beschwerdeführer eingewirkt, was nebst seinen eigenen enormen<br />

13


Anstrengungen zu einem überdurchschnittlich erfolgreichen Abschluss all dieser<br />

Bemühungen geführt hat. Herr Peske ist auch in seiner Freizeit sehr aktiv, etwa bei der<br />

Org<strong>an</strong>isation von Konzerten und leitet heute die Redaktion einer exilrussischen Zeitschrift.<br />

Heute ist Herr Peske daher sehr stark in unsere Gesellschaft integriert, nicht zuletzt auch<br />

über die Partnerschaft. Beleg für seine Integration sind auch die äusserst zahlreichen<br />

Unterschriften und Voten zu seinen Gunsten im bisherigen Verfahren im K<strong>an</strong>ton Zürich.<br />

3. Gesundheitszust<strong>an</strong>d<br />

IMES verweist genau wie ursprünglich <strong>das</strong> Migrationsamt in der vom Regierungsrat d<strong>an</strong>n<br />

kassierten Verfügung pauschal auf die Gesundheit des Beschwerdeführers. Dieser ist<br />

tatsächlich nicht kr<strong>an</strong>k. Im Rahmen der Prüfung von Rückkehrhindernissen ist dennoch auf<br />

die Konsequenzen für die psychische Integrität des Rekurrenten bei einem allfälligen Vollzug<br />

der Wegweisung hinzuweisen (Retraumatisierung, Bericht der Psychologin bei den Akten<br />

des K<strong>an</strong>tons).<br />

4. Arbeitsmarkt<br />

Die Integration in den Arbeitsmarkt ist trotz der Hindernisse <strong>an</strong>gesichts des unsicheren<br />

Aufenthaltsstatus inzwischen geglückt. Alex<strong>an</strong>der Peske ist dazu in der Lage, wenn auch auf<br />

Grund der Teilzeit<strong>an</strong>stellung in einer Buchh<strong>an</strong>dlung nur knapp, für sich selber zu sorgen. Der<br />

Aufnahme des Schreinerberufs st<strong>an</strong>d vor allem die fehlende Möglichkeit zum Erwerb des<br />

Führerscheins im Wege. Sollte keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden, dürfte dieser<br />

Weg dauerhaft verbaut sein, zumal nach jüngster Verschärfung der entsprechenden Praxis<br />

Ausländer mit bloss vorläufiger Aufnahme keinen Führerschein mehr erwerben dürfen.<br />

5. Verhalten der Behörden<br />

IMES ist auf den Punkt des bisherigen Verhaltens der Behörden zwar g<strong>an</strong>z kurz<br />

eingeg<strong>an</strong>gen. Es hat sich dabei aber auf den Satz beschränkt, <strong>das</strong>s dies „für den<br />

Gesuchsteller besonders bedeutsam“ sei. Weiter wollte die Vorinst<strong>an</strong>z sich jedoch nicht mit<br />

diesem Argument ausein<strong>an</strong>dersetzen.<br />

Ich verweise hierzu auf die vorstehend gemachten Ausführungen zum Vertrauensschutz.<br />

Auch falls sich daraus entgegen der hier vertretenen Auffassung kein Rechts<strong>an</strong>spruch<br />

ableiten lassen sollte, ist <strong>das</strong> Verhalten der Behörden im Rahmen der Prüfung einer<br />

Härtefallbewilligung im Sinne des zitierten Schreibens von BFF und BFA und im Sinne der<br />

seitherigen Bundesgerichtspraxis zu berücksichtigen. Dabei ist insbesondere auch die<br />

14


Duldung des Abschlusses der integrierenden Ausbildung und des Aufenthalts im Anschluss<br />

<strong>an</strong> die Massnahmenbeendigung ausschlaggebend. IMES hält dem entgegen, <strong>das</strong>s es<br />

offenbar gar nicht der Wille des Regierungsrates sei, auf <strong>das</strong> Vorliegen einer<br />

schwerwiegenden persönlichen Notlage zu schliessen. Vielmehr wolle dieser die Würdigung<br />

g<strong>an</strong>z IMES überlassen.<br />

Dies ist jedoch mit der Aktenlage nicht vereinbar. Ich verweise auf den expliziten Antrag des<br />

Migrationsamtes des K<strong>an</strong>tons Zürich vom 3.2.2004, wo es heisst: „Unter Berücksichtigung<br />

der gesamten Umstände ist der K<strong>an</strong>ton Zürich mit der Zulassung des Betroffenen<br />

einverst<strong>an</strong>den und be<strong>an</strong>tragt Ihnen die Gutheissung des Gesuches.“ Wie <strong>an</strong>ders ist <strong>das</strong> zu<br />

verstehen, als <strong>das</strong>s der Regierungsrat, eben im Unterschied zum Migrationsamt im dessen<br />

erstinst<strong>an</strong>zlicher Verfügung, unter Berücksichtigung aller Umstände, wie dies <strong>das</strong><br />

Bundesgericht eben fordert, einen Härtefall <strong>an</strong>nimmt? Wenn der K<strong>an</strong>ton Zürich die<br />

Gutheissung des Gesuches be<strong>an</strong>tragt, so meint er wohl nichts <strong>an</strong>deres, als <strong>das</strong>s er wünscht,<br />

<strong>das</strong>s IMES ebenfalls den Härtefall <strong>an</strong>erkenne. Sonst hätte er diesen Antrag gar nicht<br />

gestellt.<br />

Dies ergibt sich auch aus der Verfahrensgeschichte: Während <strong>das</strong> Migrationsamt<br />

ursprünglich nämlich begründete, <strong>das</strong>s seiner Meinung nach kein Härtefall vorliege bzw. die<br />

Kriterien nicht erfüllt seien, wurde <strong>das</strong> Migrationsamt vom Gesamtregierungsrat mit<br />

Gutheissung des Rekurses ja gerade in dieser Hinsicht korrigiert. Dass der Regierungsrat<br />

sich den Entscheid, der in der Kompetenz von IMES liegt, ob nämlich die<br />

Ausnahmebewilligung erteilt wird oder nicht, nicht selber <strong>an</strong>massen wollte, ist<br />

selbstverständlich. Er hat aber seine Meinung mit dem Antrag auf Gutheissung deutlich zum<br />

Ausdruck gebracht. Hier etwas <strong>an</strong>deres zu interpretieren, ist einseitig gegen die Interessen<br />

des Beschwerdeführers gerichtet und willkürlich, soweit nicht einfach aktenwidrig.<br />

6. Schlussfolgerungen zu den Kriterien für eine hum<strong>an</strong>itäre Aufenthaltsbewilligung<br />

Eine g<strong>an</strong>zheitliche Würdigung der Kriterien des Bundes für die Ausnahme von der<br />

Begrenzungsverordnung aus hum<strong>an</strong>itären Gründen muss meines Erachtens im Sinne des<br />

Gesagten und im Sinne des Beschlusses des Regierungsrates des K<strong>an</strong>tons Zürich zu einer<br />

Aufenthaltsbewilligung für Alex<strong>an</strong>der Peske führen. Dies ergibt sich auch aus einem neuen<br />

Bundesgerichtsentscheid, in welchem für eine Bosnierin, die insgesamt ebenfalls noch<br />

keine 8 Jahre in der Schweiz weilte, gestützt auf die gesamten Umstände eine hum<strong>an</strong>itäre<br />

15


Aufenthaltsbewilligung bejaht wurde ( vgl. Urteil 2A. 582/2003 vom 14. April 2004). Es fällt<br />

auf, <strong>das</strong>s in jenem Fall, im Gegensatz zum Fall von Herrn Peske, die Betroffene die ersten<br />

22 Jahre ihres Lebens in ihrem Heimatl<strong>an</strong>d verbracht hatte. Ihr gutes Betragen und ihre<br />

fin<strong>an</strong>zielle Unabhängigkeit waren vom <strong>EJPD</strong> ebenfalls als zwar bestehend, aber nicht<br />

ausschlaggebend gewertet worden. Die sozio-professionelle Integration sei nicht<br />

überdurchschnittlich. Zudem war die Betroffene im Gegensatz zu Herrn Peske im Besitz<br />

einer vorläufigen Aufnahme, wäre also durch eine Verweigerung der hum<strong>an</strong>itären<br />

Aufenthaltsbewilligung nicht zum Verlassen der Schweiz gezwungen gewesen. Das<br />

Bundesgericht hat demgegenüber den Schwerpunkt vor allem auf die Integration des<br />

Kindes der Frau gelegt. Dabei sei insbesondere <strong>das</strong> Alter bei der Einreise zu<br />

berücksichtigen, die Dauer der Ausbildung in der Schweiz und deren Erfolg, sowie auch die<br />

Möglichkeiten, die in der Schweiz erlernten Fähigkeiten des Schulabschlusses oder der<br />

Berufslehre in der Heimat umzusetzen. Ausserdem habe aller Wahrscheinlichkeit nach die<br />

Betroffene keine Familien<strong>an</strong>gehörigen mehr in der Heimat. Insgesamt stelle die Rückkehr<br />

die Betroffenen vor grosse Probleme und stelle einen zu brutalen Bruch mit dem Milieu in<br />

der Schweiz dar, wo sie sich integriert hätten. In jenem Fall lagen zwar zusätzliche Gründe<br />

in der traumatischen Verg<strong>an</strong>genheit in Srebrenica und in den Schwierigkeiten einer<br />

Rückkehr nach Bosnien und Herzegowina. Jedoch ist die diesbezügliche Lage in<br />

Tschetschenien damit zumindest vergleichbar. Im zitierten Fall best<strong>an</strong>d ausserdem keine<br />

eheähnliche Gemeinschaft in der Schweiz.<br />

Vor diesem neuen Bundesgerichtsurteil hält die Würdigung des gesamten Sachverhaltes im<br />

Fall von Herrn Peske einer kritischen Überprüfung nicht st<strong>an</strong>d. IMES hat sich nämlich mit<br />

den oben stehend ausgeführten Umständen und damit mit den Härtefallkriterien im<br />

Einzelnen gar nicht oder nur rudimentär ausein<strong>an</strong>dergesetzt. Dies aus einem einzigen<br />

Grund, auf den sogleich eingeg<strong>an</strong>gen wird.<br />

7. Papierlosigkeit<br />

Zunächst, vor allem im Rahmen des gewährten rechtlichen Gehörs, war von IMES einzig<br />

behauptet worden, der Beschwerdeführer habe nicht genügend bei der Feststellung der<br />

Identität mitgewirkt. Dieser Vorwurf erwies sich auf Grund der Ausführungen im Rahmen<br />

des rechtlichen Gehörs als haltlos. So zitiert die Vorinst<strong>an</strong>z nun in der Verfügung selber die<br />

Bemühungen, die Herr Peske, zum Teil von sich aus und zusammen mit seinem ihn<br />

betreuenden Umfeld, aber auch unter strikter Befolgung aller Anweisungen der Behörden<br />

und unter Mitwirkung bei deren sämtlichen Abklärungen, einschliesslich Befragungen und<br />

16


Herkunfts<strong>an</strong>alysen durch Experten am Telefon, von allem Anf<strong>an</strong>g <strong>an</strong> und bis heute<br />

unternommen hat.<br />

Weil nun aber die Bemühungen der Abteilung Vollzugsunterstützung des BFF leider bis<br />

heute erfolglos waren, zieht IMES aus dieser Tatsache den Schluss, <strong>das</strong>s Herr Peske einen<br />

falschen Namen bzw. eine falsche Identität <strong>an</strong>gegeben haben müsse.<br />

Dieser in seiner Tragweite äusserst weit reichende Vorwurf stützt sich jedoch auf keine<br />

konkreten Hinweise. So lassen sich den umf<strong>an</strong>greichen Akten des BFF zur<br />

Identitätsabklärung jedenfalls keine solchen Indizien entnehmen. Indem <strong>das</strong> BFF bei seinen<br />

Anfragen in europäischen Staaten jeweils behauptete, es lägen Hinweise darauf vor, <strong>das</strong>s<br />

sich Herr Peske im jeweiligen L<strong>an</strong>d aufgehalten habe, so hat sich <strong>das</strong> BFF damit diverse<br />

Staaten betreffend weit aus dem Fenster gelehnt. Wo sind denn die Hinweise, die dafür<br />

sprechen, <strong>das</strong>s Herr Peske sich etwa in Norwegen aufgehalten haben soll? Wie auch<br />

immer, die Abklärungsergebnisse waren bezüglich dieser Länder, in denen sich A.P.<br />

gemäss seinen Angaben nie aufgehalten hat, wie zu erwarten negativ.<br />

Die Abklärungsergebnisse in den drei Regionen, in denen sich Herr Peske Zeit seines<br />

Lebens nach eigenen Angaben aufhielt oder wo sein Vater her stammt, brachten keine<br />

Ergebnisse. Allerdings ist zu den einzelnen Anfragen folgendes festzuhalten:<br />

In Russl<strong>an</strong>d wurde lediglich ein offizielles Einwohnerregister <strong>an</strong>gefragt, obschon sich der<br />

Beschwerdeführer dort gar nie offiziell registriert aufgehalten hat. Er hat sich in Russl<strong>an</strong>d als<br />

intern vertriebene Person aus Tschetschenien „auf der Strasse“ durchgeschlagen, unter<br />

Verwendung leicht erhältlicher falscher Papiere. Er hat sich nach seiner Flucht nirgends<br />

offiziell niedergelassen oder registrieren lassen. Das negative Ergebnis des Registeramtes<br />

erstaunt somit nicht und ist mit den Vorbringen von Herrn Peske vereinbar. Ausserdem ist<br />

nicht zu erwarten, <strong>das</strong>s die Behörden der Russischen Föderation (Russl<strong>an</strong>ds) überhaupt ein<br />

Interesse dar<strong>an</strong> haben, bei der Feststellung der Identität eines jungen M<strong>an</strong>nes mit Herkunft<br />

aus Tschetschenien H<strong>an</strong>d zu bieten. Dieses Desinteresse liegt <strong>an</strong> der politischen und<br />

militärischen Lage in Tschetschenien begründet, die ich als bek<strong>an</strong>nt voraussetze.<br />

Was Estl<strong>an</strong>d, <strong>das</strong> Herkunftsl<strong>an</strong>d des Vaters <strong>an</strong>geht, so ist dieser dort kurz nach dem Ende<br />

des 2. Weltkrieges geboren worden (1946). Als dort die Sowjetrussen die Verwaltung<br />

übernahmen, wurden im Anschluss <strong>an</strong> die Kriegswirren auch Personenregister neu geführt<br />

17


und Namen ins russische Alphabet tr<strong>an</strong>skribiert. Dass aus jener Zeit mit dramatischen<br />

Veränderungen Einträge in Registern fehlen oder falsch sein können, liegt auf der H<strong>an</strong>d.<br />

Dass A.P., welcher im Alter von 15 Jahren durch den Krieg von seinen Eltern getrennt<br />

wurde und sich <strong>an</strong>schliessend selber durchschlagen musste, sich gewisse Einzelheiten<br />

nicht mehr erinnern k<strong>an</strong>n, ist nachvollziehbar. Was die Estnischen Wurzeln des Vaters<br />

<strong>an</strong>geht vor allem auch deshalb, weil der Vater immer ein sehr gesp<strong>an</strong>ntes Verhältnis zu<br />

seinem Vater hatte und die Familie nur einmal bei den Grosseltern väterlicherseits zu<br />

Besuch war.<br />

In Tschetschenien schliesslich wurden durch <strong>das</strong> BFF keine Abklärungen getätigt, was<br />

<strong>an</strong>gesichts der Zustände dort nicht weiter erstaunt. Nicht einmal IKRK ist dazu in der Lage,<br />

dort verlässliche Informationen über Personen zu beschaffen. Zeitweise galt Notrecht, d<strong>an</strong>n<br />

wieder <strong>das</strong> reine Chaos.<br />

Selbst im heute stark verschärften Asylrecht, wo die Papierlosigkeit einen<br />

Nichteintretenstatbest<strong>an</strong>d darstellt, gibt es die Möglichkeit, gute Gründe dafür geltend zu<br />

machen, weshalb keine Papiere vorgelegt werden können. Zu dieser Frage ist <strong>das</strong><br />

rechtliche Gehör zu gewähren. Sind solche Gründe vorh<strong>an</strong>den, k<strong>an</strong>n der<br />

Nichteintretensentscheid nicht gefällt werden. Im Asylbereich befinden sich denn auch<br />

zahlreiche Personen aus Ländern wie Afgh<strong>an</strong>ist<strong>an</strong>, Irak oder auch Tschetschenien, die über<br />

keine Ausweispapiere verfügen und denen dennoch ein Status wie Asyl oder die vorläufige<br />

Aufnahme gewährt wird. Auch k<strong>an</strong>n eine vorläufige Aufnahme nach 8 Jahren gemäss der<br />

Praxis der meisten K<strong>an</strong>tone und von IMES in einer hum<strong>an</strong>itären Aufenthaltsbewilligung<br />

enden, wie der oben zitierte Fall zeigt. Es ist nun nicht einzusehen, weshalb der<br />

Beschwerdeführer, der nie ein Asylgesuch gestellt hat, der sich aber heute genauso in einer<br />

Härtefallsituation befindet, nicht in den Genuss derselben Erleichterungen bei Fehlen von<br />

Identitätspapieren kommen soll. Mit der Regelung, wonach bei Vorliegen von Gründen für<br />

<strong>das</strong> Fehlen von Reisepapieren auf <strong>das</strong> Nichteintreten auf ein Asylgesuch verzichtet wird,<br />

liegen hum<strong>an</strong>itäre Überlegungen zugrunde, die auf Kriegs- und Krisensituationen in<br />

Herkunftsstaaten der Betroffenen Rücksicht nehmen. Diese müssen gerade auch bei der<br />

Prüfung eines Härtefalles nach Art. 13 Bst. b BVO <strong>an</strong>alog gelten.<br />

Soweit IMES dem entgegenhält, <strong>das</strong>s auch vorläufig aufgenommene bei der definitiven<br />

Regelung ihres Aufenthalts im Sinne einer Härtefallbewilligung schliesslich ihre Papiere<br />

18


offen legen müssten, so führt IMES ja gerade selber aus, <strong>das</strong>s der nicht staatenlose<br />

Ausländer sich, soweit es ihm zumutbar sei um Besitz oder Erhalt eines heimatlichen<br />

Ausweispapiers zu bemühen habe (Art. 3 Abs. 1 ANAG, Art. 5 Abs. 4 ANAV). Eben: Soweit<br />

es ihm zumutbar ist. Darauf nimmt IMES sod<strong>an</strong>n in der Verfügung aber keine Rücksicht.<br />

Selbst die d<strong>an</strong>n zitierte Praxis, wonach die ordentliche Aufenthaltsbewilligung nur erteilt<br />

werde, wenn <strong>an</strong>dere Papiere als ein Reisepass vorgelegt werden könnten, welche<br />

zumindest Rückschlüsse auf die wahre Identität zuliessen, enthält den ausdrücklichen<br />

Vorbehalt: „grundsätzlich“. Damit sind Ausnahmen bei Vorligen guter Gründe eben gerade<br />

möglich. Anders ist ja auch der Sinn und Zweck der Bestimmungen nicht zu verstehen,<br />

wonach es schriftenlosen Ausländern auch möglich ist, ein Ersatzreisepapier zu<br />

be<strong>an</strong>tragen.<br />

Zusammengefasst liegen gute Gründe dafür vor, warum Herr Peske keine Ausweispapiere<br />

vorlegen k<strong>an</strong>n. Er leidet selber am meisten unter dieser Tatsache und könnte <strong>an</strong>dernfalls<br />

z.B. durch die ersehnte Heirat mit seiner Lebensgefährtin, seinen Aufenthaltsstatus regeln.<br />

8. Identitätstäuschung?<br />

IMES begründet seinen Entscheid massgeblich damit, <strong>das</strong>s Alex<strong>an</strong>der Peske die Behörden<br />

über seine Identität täusche. Dieser Vorwurf wird erstmals in der <strong>an</strong>gefochtenen Verfügung<br />

erhoben. Damit hat die Vorinst<strong>an</strong>z den Anspruch auf Wahrung des rechtlichen Gehörs<br />

verletzt.<br />

Am meisten Erfahrung hat <strong>das</strong> BFF, welches mit der Abklärung der Identität im Rahmen der<br />

Vollzugsunterstützung beauftragt wurde, mit dem Thema der Identitätstäuschung wiederum<br />

im Asylverfahren.<br />

Für die Erfüllung des asylrechtlichen Nichteintretenstatbest<strong>an</strong>ds der Identitätstäuschung (für<br />

den im ANAG allerdings die gesetzliche Grundlage fehlt) müssen selbstverständlich<br />

Beweise, zumindest aber Hinweise auf eine solche Täuschung vorh<strong>an</strong>den sein. Zu denken<br />

ist etwa dar<strong>an</strong>, <strong>das</strong>s die Fingerabdrücke einer Person in Zusammenh<strong>an</strong>g mit einer <strong>an</strong>deren<br />

Identität auftauchen. Oder <strong>das</strong>s Reisedokumente mit dem Foto der Person auftauchen,<br />

wobei die Papiere auf <strong>an</strong>deren Namen lauten etc.. Zumindest wird regelmässig auf ein<br />

Gutachten eines so gen<strong>an</strong>nten Länderexperten des BFF abgestellt. Dieser führt, wie im Fall<br />

von A.P. auch, ein längeres Gespräch über Geographie und so gen<strong>an</strong>ntes Alltagswissen<br />

aus dem Herkunftsgebiet. Jedoch k<strong>an</strong>n im Asylverfahren nie ohne jeden Grund, einfach nur<br />

19


deshalb, weil keine Papiere beschafft werden können, behauptet werden, es habe die<br />

betroffene Person die Behörden über die Identität getäuscht.<br />

Im vorliegenden Fall wurden solche Analysen ja ebenfalls durchgeführt. Diese werden aber<br />

nicht zur Begründung des Verdachts auf Identitätstäuschung herbeigezogen! Mit der<br />

Akteneinsicht - die nebenbei bemerkt in Verletzung des Datenschutzgesetzes nicht<br />

unentgeltlich gewährt worden ist, sondern nur gegen Nachnahme erfolgte - wurden jedoch<br />

ausgerechnet jene Aktenstücke nicht offen gelegt, die die Ergebnisse dieser Abklärungen<br />

enthalten. Und vermutlich ausserdem Indizien enthalten, die zugunsten der Vorbringen von<br />

Herrn Peske sprechen. Es h<strong>an</strong>delt sich dabei um die Aktenstücke 66/1 und 67/4, um die<br />

Sprach<strong>an</strong>alyse und die "Unterlagen Lingua". Herr Peske hatte nämlich ein l<strong>an</strong>ges<br />

Telefongespräch mit einem Ortskundigen aus Grozny, der ihn über allerlei Dinge des Alltags<br />

und geographisches ausfragte. Dabei gew<strong>an</strong>n Herr Peske den Eindruck, <strong>das</strong>s dieser sehr<br />

wohl davon überzeugt sei, <strong>das</strong>s er von dort stammt. Allerdings hätte dieses Gespräch wohl<br />

besser 1997, <strong>an</strong>lässlich der Einreise stattgefunden und nicht erst viele Jahre später!<br />

Ich stelle hiermit den Antrag, es sei Einblick in die Aktenstücke 66/1 und 67/4 zu gewähren,<br />

notfalls unter Abdeckung von Stellen, deren Geheimhaltung geboten ist. Andernfalls wäre<br />

im Einzelnen zu begründen, weshalb in diese Aktenstücke keine Einsicht gewährt werden<br />

k<strong>an</strong>n.<br />

Für die Wahrheit der Lebensgeschichte von A.P. spricht auch Folgendes: Alle Personen, die<br />

ihn seit seiner Einreise gut kennen, haben nie einen Anhaltspunkt dafür gehabt, den<br />

Verdacht zu hegen, die Angaben könnten nicht stimmen. Alle Schilderungen in Gesprächen<br />

ergaben ein in sich schlüssiges Bild. Insbesondere hat auch die l<strong>an</strong>gjährige<br />

Psychotherapeutin nie Unstimmigkeiten oder Brüche in der Darstellung des bisherigen<br />

Lebens bei der Verg<strong>an</strong>genheitsbewältigung in der Therapie festgestellt. Details aus der<br />

Verg<strong>an</strong>genheit spielten in den Gesprächen mit der Therapeutin jedoch immer wieder eine<br />

zentrale Rolle.<br />

Beweis<strong>an</strong>trag: Die Therapeutin, Frau Guekos, steht jederzeit für eine Befragung zur<br />

Verfügung und ihre Zeugenaussage wird hiermit als Beweis offeriert.<br />

Die blosse Mutmassung, allein deshalb, weil die teilweise a priori unbehelflichen<br />

Abklärungen des BFF in Ländern, zu denen es gar nie Hinweise gab, <strong>das</strong>s Herr Peske sich<br />

20


dort aufgehalten haben könnte, sowie die insgesamt doch rudimentären Abkärungen in<br />

seinem und im väterlichen Herkunftsl<strong>an</strong>d keine positiven Ergebnisse zu Tage brachten,<br />

habe Herr Peske die Behörden über seine Identität getäuscht, ist demgegenüber haltlos und<br />

willkürlich.<br />

C) Aufenthaltsbewilligung aus wichtigen Gründen<br />

Den gen<strong>an</strong>nten Gründen für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung könnte auch mit<br />

einer Bewilligung aus wichtigen Gründen im Sinne von Art. 36 der Begrenzungsverordnung<br />

Rechnung getragen werden. Gestützt auf diese Bestimmung k<strong>an</strong>n der K<strong>an</strong>ton „<strong>an</strong>deren<br />

nicht erwerbstätigen Ausländern“ Aufenthaltsbewilligungen erteilen, wenn wichtige Gründe<br />

es gebieten.<br />

Die Norm ist inhaltlich offen gehalten und daher nicht auf hum<strong>an</strong>itäre Fälle beschränkt. Sie<br />

kommt insbesondere zur Anwendung, wenn einem nichterwerbstätigen Ausländer ein<br />

dauernder Aufenthalt zu bewilligen ist, weil dieser gestützt auf L<strong>an</strong>desrecht (hier z.B.<br />

gestützt auf den Vertrauensschutz) oder einen Staatsvertrag (hier Art. 8 EMRK) einen<br />

Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung hat. Besteht kein solcher Anspruch,<br />

wird jedoch die Notwendigkeit aus hum<strong>an</strong>itären Gründen abgeleitet, so werden die Kriterien<br />

zur Auslegung von Art. 13 Bst. f BVO beigezogen (Vgl. Entscheid des <strong>EJPD</strong> vom 19.2.1996,<br />

VPB 60.95). Diese sind, wie dargelegt wurde, erfüllt.<br />

D) Unentgeltliche Prozessführung und unentgeltlicher Rechtsbeist<strong>an</strong>d<br />

Die Bedürftigkeit des Rekurrenten ergibt sich aus den Vorakten und aus dem Beschluss des<br />

Regierungsrates des K<strong>an</strong>tons Zürich. An der fin<strong>an</strong>ziellen Situation des Beschwerdeführers<br />

hat sich seither nichts wesentliches verändert. Im Bedarfsfalle können Unterlagen über die<br />

fin<strong>an</strong>zielle Situation nachgereicht werden.<br />

Den Entscheid über die Unentgeltlichkeit des Verfahrens mögen Sie zum gegebenen<br />

Zeitpunkt <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d der d<strong>an</strong>n vorliegenden fin<strong>an</strong>ziellen Verhältnisse fällen.<br />

Da die Angelegenheit schwierige Rechtsfragen aufwirft und es sich um einen Ausnahmefall<br />

hinsichtlich des bisherigen Verlaufs der behördlichen Regelung des Aufenthalts h<strong>an</strong>delt, ist<br />

der Rekurrent auf einen Rechtsbeist<strong>an</strong>d <strong>an</strong>gewiesen. Ich bitte Sie daher höflich, den<br />

Unterzeichnenden <strong>an</strong>tragsgemäss als unentgeltlichen Rechtsbeist<strong>an</strong>d beizuordnen, weil<br />

gewichtige Interessen des Betroffenen auf dem Spiel stehen.<br />

21


Schlussbemerkungen<br />

Dem Einzelfall Alex<strong>an</strong>der Peske ist die Vorinst<strong>an</strong>z mit ihrer Verfügung nicht gerecht geworden.<br />

Soweit nicht ohnehin ein Rechts<strong>an</strong>spruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung besteht,<br />

hätte eine richtige, <strong>an</strong>gemessene und sachadäquate bzw. willkürfreie Anwendung des freien<br />

Ermessens zu einer Ausnahme von der Begrenzungsverordnung führen müssen. Die<br />

vorliegende Begründung ist vor der Praxis des Bundesgerichts zu Art. 13 Bst. f BVO nicht<br />

haltbar. Mit der übertriebenen Gewichtung der Tatsache, <strong>das</strong>s Herr Peske auf Grund seines<br />

nachvollziehbaren Lebenslaufes nicht über Ausweispapiere verfügen k<strong>an</strong>n, verunmöglicht IMES<br />

die Anerkennung als Härtefall gerade im Fall eines Menschen, der aus einer Region kommt, die<br />

solche Härtefälle produziert. Damit wird der Weg zu einer hum<strong>an</strong>itären Regelung gerade für die<br />

Personen a priori verbaut, die am meisten darauf <strong>an</strong>gewiesen sind.<br />

Ich verbleibe mit der Hoffnung, Sie mögen eine ausgewogenere und <strong>an</strong>gemessenere<br />

Beurteilung der konkreten Lebensumstände von Alex<strong>an</strong>der Peske und des bisherigen Verlaufs<br />

seines Aufenthalts im K<strong>an</strong>ton Zürich vornehmen als IMES und damit verhindern, <strong>das</strong>s die<br />

gewonnene Integration wegen fehlender Anschlussmöglichkeit für den Aufbau einer eigenen<br />

Existenz gefährdet wird. Dies zumal ein Wegweisungsvollzug <strong>an</strong>gesichts von Art. 8 EMRK aber<br />

auch <strong>an</strong>gesichts der Unzumutbarkeit der Wegweisung nach Tschetschenien sowie der<br />

Unmöglichkeit des Vollzugs <strong>an</strong>gesichts der Papierlosigkeit und der zahlreichen vergeblichen<br />

Versuche der Vollzugsunterstützungsabteilung des BFF nicht realistisch ist.<br />

In diesem Sinne schliesse ich mit der Bitte um Gutheissung der Beschwerde.<br />

Mit freundlichen Grüssen<br />

Bernhard Jüsi<br />

Beilagen:<br />

- <strong>an</strong>gefochtene Verfügung<br />

- <strong>Beschwerdeschrift</strong> im Doppel<br />

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