Personalnot: Berlins Finanzämtern droht der Kollaps - Vau-online.de
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02.08.2012<br />
<strong>Personalnot</strong>:<br />
<strong>Berlins</strong> Finanzämtern <strong>droht</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Kollaps</strong><br />
Immer mehr Stellen in <strong>de</strong>n Finanzämtern bleiben unbesetzt, weil <strong><strong>de</strong>r</strong> Nachwuchs<br />
fehlt. CDU for<strong><strong>de</strong>r</strong>t neues Konzept<br />
VON CHRISTINA BRÜNING<br />
Es war im vergangenen Herbst als eine Errungenschaft <strong><strong>de</strong>r</strong> Koalitionsverhandlungen<br />
zwischen SPD und CDU präsentiert wor<strong>de</strong>n, dass die Berliner Finanzämter 75 zusätzliche<br />
Stellen bekommen sollen – nun jedoch hat die Finanzverwaltung Schwierigkeiten, alle im<br />
Haushalt eingeplanten Stellen überhaupt mit Personal zu besetzen. Laut Verwaltung sind<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong>zeit 78 Stellen unbesetzt. Der Gesamtpersonalrat <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzämter rechnet bis zum En<strong>de</strong><br />
<strong>de</strong>s Jahres sogar mit gut 125 freien Stellen, Nachwuchskräfte schon eingerechnet. Das<br />
entspricht <strong><strong>de</strong>r</strong> Größenordnung eines kleinen Finanzamts wie etwa <strong>de</strong>m in Wedding.<br />
Die Lücke wer<strong>de</strong> in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahren durch die hohe Zahl in <strong>de</strong>n Ruhestand gehen<strong><strong>de</strong>r</strong><br />
Mitarbeiter noch größer, fürchten die Personalvertreter. "Die Finanzämter drohen personell<br />
auszubluten", sagt <strong><strong>de</strong>r</strong> Vorsitzen<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Gesamtpersonalrats, Klaus Wilzer. Aus<br />
Kostengrün<strong>de</strong>n arbeiten die Ämter nur mit rund 90 Prozent <strong>de</strong>s eigentlich errechneten<br />
Personalbedarfs, seit Jahren ist das ein Ärgernis für die Gewerkschafter. Nun aber sei eine<br />
neue Stufe <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong>Personalnot</strong> erreicht. Zwar wür<strong>de</strong>n seit 2011 <strong>de</strong>utlich mehr Anwärter<br />
ausgebil<strong>de</strong>t als bisher, doch selbst diese zusätzlichen Kräfte, die ab 2014 die Arbeit<br />
aufnehmen können, reichten nicht aus, um die Altersabgänge auszugleichen. Bis 2017<br />
schei<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n Finanzämtern laut Senatsverwaltung fast 20 Prozent <strong><strong>de</strong>r</strong> <strong><strong>de</strong>r</strong>zeit gut 6500<br />
Beschäftigten aus.<br />
Die For<strong><strong>de</strong>r</strong>ung <strong>de</strong>s Personalrats: Berlin soll alle Nachwuchskräfte übernehmen, die ihre<br />
Laufbahnprüfung bestehen. Bisher gilt die Regel, dass nur übernommen wer<strong>de</strong>n kann, wer<br />
seine Ausbildung min<strong>de</strong>stens mit "befriedigend" abschließt. Die Vierer-Absolventen schei<strong>de</strong>n<br />
aus. "Es ist angesichts <strong>de</strong>s Personalunterbestan<strong>de</strong>s völlig unverständlich, auf gut und teuer<br />
ausgebil<strong>de</strong>te Nachwuchskräfte zu verzichten", sagt Wilzer. Zumal es auch in an<strong><strong>de</strong>r</strong>en Län<strong><strong>de</strong>r</strong>n<br />
wie Hamburg o<strong><strong>de</strong>r</strong> Ba<strong>de</strong>n-Württemberg üblich sei, alle Absolventen zu übernehmen. "Nicht<br />
nur in <strong><strong>de</strong>r</strong> Bezahlung wer<strong>de</strong>n die Berliner Anwärter schlechter behan<strong>de</strong>lt", so <strong><strong>de</strong>r</strong> Personalrat.<br />
Es stün<strong>de</strong>n genügend ausgebil<strong>de</strong>te Steuerbeamte zur Verfügung, sagt dagegen die<br />
Finanzverwaltung. "Von <strong><strong>de</strong>r</strong> Finanzbehör<strong>de</strong> erwarten die Bürger hohe Qualität. Deshalb<br />
übernehmen wir die Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n, die sich am meisten angestrengt haben", sagt<br />
Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos). Auch die SPD im Abgeordnetenhaus gibt sich<br />
gegenüber einer Lockerung <strong><strong>de</strong>r</strong> Übernahmeregeln reserviert. "Wir müssen schauen, ob die<br />
Lücke so groß ist, dass ein solcher Schritt gerechtfertigt wäre", sagt Finanzpolitiker Torsten<br />
Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong>. Er sei zuversichtlich, dass die Situation nur temporär sei, schließlich begegne man<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> großen Zahl <strong><strong>de</strong>r</strong> Altersabgänge bereits mit mehr Auszubil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n. "Wenn darüber hinaus<br />
wirklich Bedarf besteht, dann kann man neu darüber <strong>de</strong>battieren", so Schnei<strong><strong>de</strong>r</strong>.
Die CDU will dieser Argumentation nicht folgen. Die Verwaltung müsse prüfen, ob sie<br />
Anwärtern, die ihre Prüfung mit "ausreichend" bestehen, nicht wenigstens einen Jahresvertrag<br />
als Bewährungschance anbieten könne, for<strong><strong>de</strong>r</strong>t Christian Goiny, haushaltspolitischer Sprecher<br />
<strong><strong>de</strong>r</strong> Fraktion. "Wir brauchen diese Kräfte." Es sei lange schon absehbar, dass die Ämter<br />
angesichts <strong>de</strong>s <strong>de</strong>mografischen Wan<strong>de</strong>ls Probleme mit Personallücken bekommen wür<strong>de</strong>n.<br />
Die höhere Anzahl Auszubil<strong>de</strong>n<strong><strong>de</strong>r</strong> und die 75 zusätzlichen Stellen für die Finanzämter seien<br />
nur ein "Etappensieg" im Umgang damit. Dringend gebraucht wer<strong>de</strong> ein umfassen<strong>de</strong>s<br />
Personalkonzept für die gesamte Verwaltung, in <strong>de</strong>m auch eine Neusortierung von<br />
Abteilungen und Dienststellen in Angriff genommen wer<strong>de</strong>n müsse. Außer<strong>de</strong>m müsse ein<br />
größerer Fokus darauf gelegt wer<strong>de</strong>n, junge Leute zu gewinnen, sagt Goiny. "Wir müssen uns<br />
bald nicht mehr fragen, wie wir Personal sparen können, son<strong><strong>de</strong>r</strong>n wie wir qualifizierten<br />
Nachwuchs bekommen."