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Das Keynesianische Konsensmodell einer offenen Volkswirtschaft

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O .<br />

( 3<br />

)<br />

<strong>Das</strong> <strong>Keynesianische</strong> <strong>Konsensmodell</strong> <strong>einer</strong> <strong>offenen</strong><br />

<strong>Volkswirtschaft</strong><br />

Prof. Dr. Johann Graf Lambsdorff und Dr. Christian Engelen, Passau<br />

Ein in der Forschnng derzeit viel diskutiertes "<strong>Keynesianische</strong>s<br />

<strong>Konsensmodell</strong>" findet zunehmend Eingang<br />

in die Lehrbuchliteratur, Romer (2000; 2006), Taylor<br />

(2007), Engelen/Graf Lambsdorff.(2007a). Es ist an vielen<br />

Stellen realitätsnäher als das seit mehr als 30 Jahren<br />

als Standard in der Lehrbuchliteratur verwendete<br />

IS/LM-Modell. Darüber hinaus ist es einfacher und<br />

vielseitig anwendbar. Für die Darstellung <strong>einer</strong> <strong>offenen</strong><br />

- d. h. mit dem Ausland durch Güter- und Kapitalverkehr<br />

verbundenen - <strong>Volkswirtschaft</strong> erweitert der vorliegende<br />

Artikel dieses <strong>Konsensmodell</strong> um ein außenwirtschaftliches<br />

Gleichgewicht. Hierzu finden sich in<br />

der Literatur bisher nur vereinzelte Ansätze Romer<br />

(2006), Arnold (2003, S. 195-213). Es zeigt sich, dass<br />

diese Erweiterung einen Ersatz zum bisher überwiegend<br />

verwendeten Mundell-Fleming-Modell darstellt.<br />

Die Vorteile des <strong>Konsensmodell</strong>s lassen sich somit auf<br />

die Analyse <strong>einer</strong> <strong>offenen</strong> <strong>Volkswirtschaft</strong> mit alternativen<br />

Wechselkursregimen übertragen. Ferner gelingt<br />

hierbei eine einfache Integration der Inflationsanpassung<br />

und der Kautkraftparitätentheorie.<br />

Prof D7: Johann Graf Lambsdorff ist Inhaber des Lehrstuhls<br />

für <strong>Volkswirtschaft</strong>stheorie an der Universität Passau.<br />

Bevorzugte Forschungsgt;viete: Ökonomik der Korruption,<br />

Institutionenökonomik, Monetäre Ökonomik.<br />

D7: ChristianEngelen ist Sachbearbeiter in der Abteilung<br />

Internationale Beziehungen der Deutschen Bundesbank<br />

und vormaliger Wissenschaftlicher Mitarbeiter an o.g.<br />

Lehrstuhl. Bevorzugte Forschungsgebiete: Monetäre Außenwirtschaft,<br />

Währungs- und Finanzkrisen, Institutionenökonomik.<br />

1. <strong>Konsensmodell</strong> <strong>einer</strong> <strong>offenen</strong><br />

<strong>Volkswirtschaft</strong> mit konstanter Inflation<br />

Zentrales Element des keynesianischen <strong>Konsensmodell</strong>s<br />

ist, dass die Zentralbank nicht - wie bisher üblich in der<br />

Literatur - <strong>einer</strong> Geldmengensteuerung, sondern <strong>einer</strong><br />

Zins steuerung folgt.. Dies bedeutet, dass ein bestimmter<br />

Zielwert für den Realzins, r, in der <strong>Volkswirtschaft</strong> gesetzt<br />

und mit den Instrumenten der Zentralbankpolitik gesteuert<br />

wird. pas Geldangebot, bzw. die Geldmenge, wird<br />

damit endogen und für die Modellanalyse eher unbedeutend.<br />

Der Ziel wert des Realzinses wird entsprechenden<br />

Präferenzen der Zentralbank in Bezug auf eine Bekämpfung<br />

der Wachstumsrate des Verbraucherpreisindex (Inflation),<br />

1l", und eine Dämpfung konjunktureller Zyklen gesetzt.<br />

Letztere werden als Abweichen der Güternachfrage,<br />

yr, von einem inflationsneutralen, potentiellen Inlandspro-<br />

dukt, Y; erfasst. Es ergibt sich eine geld politische Reaktionsfunktion<br />

(Taylor-Regel), welche im Kontext des<br />

Modells als monetäre Politik (MP-Kurve) der Zentralbank<br />

bezeichnet wird. Diese setzt dabei je nach Straffl1eit<br />

ihrer geldpolitischen Ausrichtung einen (langfristig angestrebten)<br />

Zinssatz, r', und variiert den Zielwert des Realzinses<br />

gemäß:<br />

r,= r' + Ap(Y' - Y) + ,;1.[,. (1)<br />

r ,Ap,A[ > 0<br />

Eine ausführliche Darstellung des <strong>Konsensmodell</strong>s <strong>einer</strong><br />

geschlossenen <strong>Volkswirtschaft</strong> findet sich in Engelen/Graf<br />

Lambsdorff(2007a).<br />

Die Nachfrage auf dem Gütermarkt (IS-Kurve) lässt<br />

sich in einfacher Form ausdrücken:<br />

yr = bo - blr + bzwT (2)<br />

boo-bl,bz > 0<br />

Die Nachfrage ist dabei, u. a. aufgrund der Zinselastizität<br />

der Investitionsgüternachfrage, negativ vom realen Zinsniveau<br />

abhängig. Darüber hinaus wird auch der Einfluss des<br />

Außenbeitrags auf die güterwirtschaftliche Nachfrage berücksichtigt.<br />

Ein Anstieg des realen Wechselkurses (wT =<br />

pAW/p) verteuert ausländische Produkte und reduziert damit<br />

die mengenmäßigen Importe. Zudem werden Exporte<br />

begünstigt, so dass sich ein Anstieg des Außenbeitrags und<br />

d~mit der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ergibt. Ergänzt<br />

wird die güterwirtschaftliche Nachfragefunktion<br />

durch exogene Einflüsse (bo)' z. B. durch gestiegene<br />

St~tsausgaben, sinkende Steuern, ein verringertes privates<br />

Sparverhalten, optimistischere Aussichten für lnvestitionen<br />

oder exogen steigende Exporte.<br />

Ferner ist im Rahmen der Modellbildung der Devisenbilanzsaldo;<br />

Z,. zu berücksichtigen. Wirdz. B. in Deutschland<br />

ein Leismngsbilanzüberschuss durch ein Kapitalbilanzdefizit<br />

ausgeglichen, so ist die Devisenbilanz insgesamt<br />

im Gleichgewicht, Z = O. Ein Überschussangebot an<br />

Dollar (Devisenbilanzüberschuss) aufgrund der hohen Exporte<br />

von Waren wird dabei durch eine Überschussnachfrage<br />

nach pollar für den Kapitalexport gerade ausgeglichen.<br />

Steigen nun aber die Kapitalexporte, so resultiert ein<br />

Ungleichgewicht in der Devisenbilanz, nämlich eine Abnahme<br />

der Währungsreserveneines Landes, Z< O. Um das<br />

Modell einfach zu halten, wird hierbei lediglich der Kapitalbilanzsaldo<br />

berUcksichtigt, welcher durch die Zinsdifferenz<br />

zwischen In- und Ausland bestimmt wird. Somit gilt<br />

für das Devisenmarktgleichgewicht:<br />

Z = y(r - ,.A)<br />

540 WiSt Heft 10. Oktober 2008


Graf Lambsdorff/Engelen,<br />

<strong>Das</strong> <strong>Keynesianische</strong> <strong>Konsensmodell</strong> <strong>einer</strong> <strong>offenen</strong> <strong>Volkswirtschaft</strong><br />

Ist der inländische Realzinshöher als der ausländische, ~ ,<br />

so werden internationale Anleger ihr Vermögen nach<br />

Deutschland um.~chichten. Es resultieren Kapitalimporte<br />

und damit eine Uberschussnachfrage nach Euro bzw. ein<br />

Überschussangebot an Dollar (zur Vereinfachung bezeichnen<br />

wir im weiteren Verlauf die heimische Währung zumeist<br />

mit Euro und die ausländische Währung mit Dollar.)<br />

Der ausländische Realzins wird als konstant angenommen,<br />

kann also nicht durch Aktionen des Inlands beeinflusst<br />

werden. Dies ist Insbesondere dann realistisch, wenn ein<br />

kleines Inland ~inem großen Ausland gegenüber steht. Damit<br />

verläuft die Z-Kurve in einem r/yr -Diagramm horizontal,<br />

wie in Abb. 1 dargestellt. Alternativ dazu könnte<br />

auch ein Einfluss des Außenbeitrags arif die Devisenbilanz<br />

berücksichtigt werden. So würde z. B. ein steigendes Inlandsprodukt<br />

die Importe eines Landes erhöhen und damit<br />

den Außenbeitrag verschlechtern. Dieser Einfluss darf vernachlässigt<br />

werden, da typischerweise Kapitalbewegungen<br />

stark sind und deff Devisenmarkt dominieren. Letztlich<br />

wäre eine solche Erweiterung auch unerheblich für die<br />

Modellauswertung.<br />

Nicht der Nominalzinssatz (i), sondern der Realzins ist<br />

entscheidend für Kapitalbewegungen. Dieser unterscheidet<br />

sich vom Nominalzins durch die erwartete Inflationsrate,<br />

K' bzw. ~. So werden Anleger erwarten, dass<br />

die Währung von Ländern mit <strong>einer</strong> hohen Inflationsrate<br />

nominal abwertet. Ist die Inflationsrate hingegen niedrig<br />

(geringer als diejenige des Auslands), so ist mit <strong>einer</strong> relativen<br />

Aufwertung der Währung zu rechnen. Anleger vergleichen<br />

daher nicht die nominalen Zinssätze zweier Währungsräume<br />

(i und jA), sondern subtrahieren jeweils die zu<br />

erwartenden Inflationsraten (i - K' = rundiA - ~ = ~)~<br />

da diese die zukünftige Abwertung der Währung angeben.<br />

Liegt die Inflationsrate des Auslands über derjenigen des<br />

Inlands und wird eine entsprechende Differenz von internationalen<br />

Anlegern erwartet, so muss auch der Nominalzins<br />

des Auslands höher sein, um die erwartete Abwertung<br />

des Dollar gerade zu kompensieren.<br />

Purikte unterhalb der Z-Kurve indizieren ein Devisenbilanzdefizit<br />

(mit ,,-" markiert); In diesem Fall wird die heimische<br />

Währung zu wenig nachgefragt. Es existiert eine<br />

Überschussnachfrage nach der ausländischen Währung.<br />

Punkte oberhalb der Z-Kurve indizieren einen Devisenbilanzüberschuss<br />

(mit ..+" markiert) mit <strong>einer</strong> Überschuss-<br />

nachfrage nach der heimischen Währung. Ein Devisenbilanzdefizit,<br />

Z < 0, hat zwei alternative Folgen. Entweder<br />

gleicht die Zentralbankdieses Defizit aus. Dann sinken in<br />

gleichem Ausmaß ihre Währungsreserven, R, gegenüber<br />

dem Bestand der Vorperiode, R-l' Alternativ steigt der reale<br />

Wechselkurs (wr). Für Direktinvestitionen ist der Euro-<br />

Raum nun günstiger, da dort mit höheren Gewinnen gerechnet<br />

wird, Dem gegenüber hat der Dollar-Raum an Attraktivität<br />

verloren, da dort die lokalen Produktionsfaktoren<br />

vergleichsweise teuer sind. Internationale Anleger<br />

werden somit einmalig in den günstigeren Euro umschichten<br />

und damit das Devisenbilanzdefizit ausgleichen. Insgesamt<br />

folgt damit für die Wechselkursanpassung:<br />

Z = -cp(wr - w~I)+R - R~.\ (4)<br />

cp>O<br />

Je stärker internationale Anleger auf Wechselkursänderungen<br />

mit <strong>einer</strong> Anpassung ihres Portfoliosreagieren, d.h. je<br />

größer cp, desto geringer fällt die Reaktion des Wechselkurses<br />

aus, die nötig ist, um ein Devisenbilanzd~fizit auszugleichen.Ein<br />

Überschuss inder Devisenbilanz hingegen<br />

.. .<br />

indiziert ein Uberschussangebot an Dollar, Z > O. Dies<br />

kann durch steigende Devisenreserven der Zentralbank absorbiert<br />

werden,.. R erhöht sich. Falls dies unterbleibt, sinkt<br />

der Wechselkurs, d.h. der Dollar wertet ab. Der günstigere<br />

Dollar lockt dann zusätzlich Anleger an, die das Überschussangebot<br />

an Dollar durch Umschichtung ihres Portfolios<br />

aufkaufen. In der Realität werden Direktinvestitionen<br />

sehr langfristig geplant. Kurzfristige Devisenbilanzdefizite<br />

oder -überschüsse lassen sich hierdurch nicht ausgleichen.<br />

Allerdings werden Finanzanieger die steigende<br />

Ertragsrate bestehender Anlagen in dem Währungsraum<br />

mit günstiger Währung antizipieren und für eine schnellere<br />

Anpassung der Devisenbilanz sorgen.<br />

Inder Ausgangslage ist der nominale (und reale) Wechselkurs<br />

konstant, unabhängig davon, ob er von der Zentralbank<br />

fixiert oder den Marktkräften überlassen wird. Wenn<br />

nämlich der nominale Wychselkurs auf~nd <strong>einer</strong> stochastischen<br />

Störung sein gleichgewichtiges Niveau übersteigt,<br />

so würde auch der reale Wechselkur steigen. Wie<br />

in Abb. I dargestellt, ergäbe sich eine Rechtsverschiebung<br />

der IS-Kurve. Diese induziert einen Anstieg des inländischen<br />

Realzinses und damit Kapitalimporte, welche den<br />

nominalen und realen Wechselkurs wieder sinken lassen.<br />

1.1. Expansivere geld politische Regel mit<br />

konstanter Inflation<br />

Schwenkt die Zentralbank auf eine expansivere geldpolitische<br />

Regel ein, so verschiebt sich die MP-Kurve nach<br />

unten, siehe Abb. 2. Es resultiert ein kurzfristiges Gleichgewicht<br />

im Punkt Pm mit einem geringeren Realzinssatz<br />

und einem erhöhten InlandsprO'dukt. Die Geldnachfrage,<br />

Li. = pL(r + 11:' ,F), wird einmalig ansteigen, da die Zentralbank<br />

den Realzins r gesenkt hat und gleichzeitig F<br />

steigt. Mit p wird hierbei der Verbraucherpreisindex bezeichnet.<br />

Dies ist allerdings nicht zentral für die Modellbetrachtungen.<br />

Es ergibt sich nun ein Devisenbilanzdefizit,<br />

da aufgrund der niedrigen heimischen Realzinsen Kapital<br />

WiSt Heft 10 . Oktober 2008<br />

541


Wissenschaftliche Beiträge<br />

ISo "'"<br />

Abb. 2: Expansivere geld politische Regel<br />

y<br />

,<br />

/MP<br />

PI +<br />

-z<br />

in den ertragreicheren Dollarraum abfließt. Im Falle fester<br />

Wechselkurse gilt nun W'=W'-I' Daraus folgt gemäß (4) R-<br />

R-l = z< 0 R < R-l' Die Zentralbank müsste also Dollar<br />

verkaufen und Euro ankaufen und damit ihre Währungsreserven<br />

seQken.<br />

Um die Folgen dieser Maßnahme für die Zentralbank vollständig<br />

zu verstehen, müssen wir den Markt für Zentralbankgeld<br />

betrachten. Wie der Bilanz der Zentralbank zu<br />

entnehmen ist (vgl. Tab.i), brauchen die Banken Zentralbankkredite,<br />

da sie von der Zentralbank Banknoten benötigen<br />

und gleichzeitig dort Mindestreserve halten müssen.<br />

Die Summe dieser beiden Positionen wird auch als "monetäre<br />

Basis"(B) bezeichnet, also die den Banken von der<br />

ZentralbaQk zur Verfügung gestellte Liquidität. Es gibt<br />

zwei Arten mit denen die Zentialbank den Banken diese<br />

Liquidität zur Verfügung stellen kann. Sie kann den Banken<br />

Währungsreserven abkaufen und damit R erhöhen<br />

oder den Banken Kredite geben und damit F steigern.<br />

Die Banken benötigen aber diese Liquidität und werden<br />

zum Ausgleich die Nachfrage nach Zentralbankkrediten<br />

steigern. Dies droht, die Zinsen für solche Kredite in die<br />

Höhe zu treiben. Die Zentralbank wird mit <strong>einer</strong> erhöhten<br />

Zuteilung solcher Kredite reagieren, da sie dasZinsniveau<br />

gemäß der Taylor-Regel fixiert.<br />

Die abnehmenden Währungsreserven werden also durch<br />

zusätzliche Kredite an die Geschäftsbanken neutralisiert.<br />

Wir sprechen daher im Punkt. Pm von <strong>einer</strong> Zentralbankpolitik<br />

mit Neutralisierung. Aber der Punkt Pm kann nicht<br />

dauerhaft durchgehalten werden. Die Devisenreservend~r<br />

Zentralbank, R, sind nach <strong>einer</strong> Weile aufgebraucht. Devisenverkäufe<br />

können von der Zentralbank dann nicht mehr<br />

getätigt werden.. Zwar könnte dieZentralbank sich international<br />

verschulden und hierdurch weitere Währungsreserven<br />

erhalten. Allerdings muss sie hierfür den Zinssatz r 0<br />

bezahlen und erhält für die vergebenen, heimischen Kredi-<br />

y<br />

te lediglich den niedrigeren Zinssatz des Punktes Pm. Die<br />

auftretenden Verluste begrenzen damit die Fähigkeit der<br />

internationalen Kreditaufnahrne.<br />

Nun steht die Verfolgung der monetären Regel im Konflikt<br />

mit <strong>einer</strong> Fixierung des Wechselkurses. Die Zent~<br />

ralbank könnte von der Regel abweichen und auf eine erhöhte<br />

Kreditvergabe an die Banken verzichten. Die Banken<br />

bieten dann für die knappen Zentralbankkredite einen<br />

erhöhten Zinssatz. Der Realzins wird so lange steigen, bis<br />

der Punkt Po erreicht ist. Die Zentralbank hat sich hierbei<br />

für eine Politik ohne Neutralisierungder sinkenden Liquiditätsversorgung<br />

entschieden.<br />

Im Punkt Po ist die Devisenbilanz wIeder ausgeglichen und<br />

der Anpassungsprozess abgeschlossen. Eine laxere geldpolitische<br />

Regel mit niedrigen Realzinsen ist b~i konstanten<br />

nominalenWechselkursen somit nur kurzfristig durchführbar.<br />

Die Verfolgung eines nominalen Wechselkursziels<br />

bietet damit den Marktteilnehmern eine Garantie, dass die<br />

Zentralbank nicht zu <strong>einer</strong> laxeren geldpolitischen Regel<br />

übergehen wird. Aus diesem Grund werden feste Wechselkurse<br />

oftmals eingeführt, um den Marktteilnehmern glaubhaft<br />

die Durchführung <strong>einer</strong> preisniveaustabilen Geldpoli-'<br />

tik zu signalisieren. Dies bietet sich insbesondere dort an,<br />

wo eine Zentralbank noch keine Reputation aufbauen<br />

konnte. So war in den 90er Jahren in vielen Ländern Mittel-<br />

und Osteuropas im Zuge der Transformation <strong>einer</strong><br />

Planwirtschaft zu <strong>einer</strong> Marktwirtschaft zunächst ein fester<br />

Wechselkurs eingeführt worden.<br />

Statt <strong>einer</strong> Verteidigung des nominalen Wechselkurses<br />

könnte die Zentralbank hierauf jedoch auch verzichten.<br />

<strong>Das</strong> bei eiper expansiveren geldpolitischen Regel erzielte<br />

Devisenbilanzdefizit bewirkt nun eine (nominale und reale)<br />

Aufwertung des Dollar (w steigt). Dies verschiebt die<br />

IS-Kurve nach rechts. Ein neues (kurzfristiges) Gleichgewicht<br />

ergibt sich im Punkt P x. <strong>Das</strong> Inlandsprodukt ist nun<br />

weiter angestiegen und der Realzins wieder auf seinem<br />

Au&gangsniveau. Wir sehen, dass bei einem flexiblen<br />

Wechselknrs die Zentralbank autonom über ihre geldpolitische<br />

Regel entscheiden kann. Hierbei tritt ein zusätzlicher<br />

Transrnissionsmechanismus der Zentralbankpolitik<br />

auf: der Wechselknrskanal. Die Zentralbank beeinflusst<br />

die Güternachfrage nicht nur über die Höhe der Investitionen<br />

(Zinskanal) und den Konsum (Vermögenskanal), sondern<br />

auch, wie beschrieben, über den Außenbeitrag. Die<br />

Existenz dieses Transmissionsmechanismus verstärkt die<br />

Zuversicht, dass Zentralbanken die Güternachfrage so<br />

steuern können, dass eine angemessene Auslastung der<br />

Wirtschaft gewährleistet wird. Unsere Ergebnisse lassen<br />

sich auch bezüglich des "magischen Dreiecks der offe-<br />

Gold und<br />

Nettoauslandsforderungen (R)<br />

Kredite an Geschäftsbanken (F)<br />

Zentralbankbilanz<br />

Banknotenumla\lf (C)<br />

Mindestreserve (inki.<br />

Überschussreserve) (MR)<br />

sonst. Passiva<br />

} monetäre<br />

Basis (B)<br />

sonst. Aktiva Kapital und Rücklagen<br />

Tab. 1: Zentralbankbilanz und monetäre Basis<br />

542 WiSI Hefl10. Oklober2008


Graf Lambsdorff/Engelen,<br />

<strong>Das</strong> <strong>Keynesianische</strong> <strong>Konsensmodell</strong> <strong>einer</strong> <strong>offenen</strong> <strong>Volkswirtschaft</strong><br />

y<br />

Abb. 3: Expansive Fiskalpolitik<br />

nen <strong>Volkswirtschaft</strong>" auslegen. Dieses un1fasst drei Ziele:<br />

Autonomie der Geldpolitik, Wechselkurstabilität und<br />

freier Kapitalverkehr. Der Modeliierung war zuentnehmen,<br />

dass sich diese drei Ziele nicht simultan erreichen<br />

lassen. So muss bei freiem Kapitalverkehr entweder auf<br />

eine Stabilisierung des Wechselkurses oder auf eine autonome<br />

Geldpolitik gemäß Taylor-Regel verzichtet werden.<br />

1.1. Expansive Fiskalpolitik mit konstanter<br />

Inflation<br />

Im Folgenden betrachten wir einen exogenen Anstieg<br />

der Güternachfrage. Hierfür können vielfaltige Gründe<br />

existieren. Beispielhaft kann eine Erhöhung der Staatsausgaben<br />

auf ein dauerhaft höheres Niveau Ursache sein.<br />

Dies verschiebt die IS-Kurve in Abb. 3 nach rechts. Aufgrund<br />

des Anstiegs des Inlandsprodukts wird die Zentralbank<br />

gemäß ihrer Reaktionsfunktion den Realzins erhöhen.<br />

Es ergibt sich ein Zwischenpunkt in Pm, FÜr die<br />

Geldnachfrage gilt Ln = pL(r + Jr:' ,yr). Der Punkt Pm<br />

könnte dahe~ sowohl einen Anstieg (wegen der steigenden<br />

Geldhaltung zu Transaktionszwecken) als auch ein Absinken<br />

(wegen des höheren Realzinses) der Geldnachfrage<br />

implizieren, dies ist für die Analyse allerdings ohne RelevanZ'.<br />

Der höhere Realzins bewirkt einen Devisenbilanzüberschuss;<br />

der Dollar droht abzuwerten. Sofern die Zentralbank<br />

den Wechselkurs stabilisiert, müsste sie Devisen kaufen,<br />

R steigt. Hierdurch versorgt sie die Geschäftsbanken<br />

mit zusätzlicher Liquidität. Gemäß Tab. 1. werden die Banken<br />

in geringerem Ausmaß Zentralbankkredite nachfragen.<br />

Diese verringerte Nachfrage würde bei konstantem<br />

Angebot an Zentralbankkrediten zu einem sinkenden Zinssatz<br />

führen.<br />

Da die Zentralbank den Zinssatz aber fixiert und kein nachfragebedingtes<br />

Absinken desselben hinnehmen möchte,<br />

wird sie Zentralbankkredite in geringerem Ausmaß zur<br />

Verfügung stellen. In der Zentralbankbilanz werden daher<br />

die Währungsreserven zunehmen und die Kredite an die<br />

Geschäftsbanken abnehmen. Kurzfristig kann die Zentral.,<br />

bank mit diesen Maßnahmen den PUnkt Pm realisieren. Die<br />

Banken sind aber nach <strong>einer</strong> Weileaufgrund der Dollarankäufe<br />

durch die Zentralbank mit hinreichend Liquidität<br />

y<br />

versorgt, so dass sie keine Zentralbankkredite mehr nachfragen.<br />

Die Zentralbank könnte nun die Kontrolle über das<br />

Zinsniveau verlieren: Sobald die Währungsreserven der<br />

monetären Basis entsprechen, vergibt dieZentralbank keine<br />

Kredite mehr an die Geschäftsbanken. Sollte die Zentralbank<br />

dennoch solche Kredite anbieten, würden die Banken<br />

diese nur zu niedrigeren Zinsen aufnehmen. Der Realzins<br />

sinkt bis der Punkt Po erreicht ist, denn dort ist die<br />

Devisenbilanzwieder ausgeglichen. Die Zentralballk verzichtet<br />

dabei auf eine Abschwächung der anziehenden<br />

Güternachfrage, wie sie der Taylor-Regel entsprechen<br />

würde. Entsprechend hat sich das Inlandsprodukt stärker<br />

ausgeweitet.<br />

Alternativ zur Aufgabe der Neutralisierungspolitik könnte<br />

die Zentralbank sich aber auch bei den Geschäftsbanken<br />

verschulden, so dass F negativ wird. So emittiert z. B. die<br />

chinesische Zentralbank in hohem Ausmaß Wertpapiere,<br />

die von den Geschäftsbanken angekauft werden, und kann<br />

hierdurch die hohe durch den Ankauf von Währungsreseryen<br />

bereitgestellte Liquidität wieder abschöpfen. Allerdings<br />

treten dabei Verluste für die Zentralbank auf: Während<br />

Währungsreserven nur die Rendite r 0 erzielen, müssen<br />

heimische Banken mit dem Realzins des Punktes Pm<br />

entlohnt werden. Alternativ müsste die eher drastische<br />

Maßnahme <strong>einer</strong> Erhöhung der Mindestreserve durchgeführt<br />

werden.. Diese Argumente zeigen, dass eine Neutralisierung<br />

in der Realität evtl. nicht gelingt.<br />

Sofern die Zentralbank eine Politik der Wechselkursflexibilität<br />

verfolgt, werden keine Interventionen am Devisenmarkt<br />

durchgeführt. Der Devisenbilanzüberschuss wird<br />

ein Absinken des Wechselkurses induzieren. Hierdurch<br />

sinkt auch der reale Wechselkurs und die IS-Kurve verschiebt<br />

sich nach links. Dies erbringt eine Anpassung an<br />

das Gleichgewicht im PunktP x' ein Gleichgewicht identisch<br />

zur Ausgangslage. Es ergibt sich somit ein vollständiges<br />

crowding-out, d. h. der Nachfrageanstieg durch die<br />

erhöhten Staatsausgaben wird vollständig durch einen<br />

wechselkursbedingten Rückgang des Außenbeitrags kompensiert.<br />

2. <strong>Konsensmodell</strong> <strong>einer</strong> <strong>offenen</strong><br />

<strong>Volkswirtschaft</strong> mit variabler Inflation<br />

Manche J?:rgebnisse des vorherigen Abschnitts können nur<br />

kurzfristig Bestand haben, Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen,<br />

dass Abweichungen des Inlandsprodukts<br />

von seinem potentiellen Niveau zu Preisreaktionen führen.<br />

Für die Preisbildung unterstellen wir analog zum Modell<br />

der geschlossenen <strong>Volkswirtschaft</strong>, dass <strong>einer</strong>seits die<br />

Inflationserwartung aus der Vergangenheit "ererbt" wird,<br />

Jl"e=Jl"-I' und in voller Höhe die aktuelle Inflationsrate, Jl",<br />

~höht. Zum anderen wirkt die Produktionslücke, yr - 1 -<br />

1: also die Abweichung der Güternachfrage vom potentiellen<br />

Inlandsprodukt, mit der Verzögerung von <strong>einer</strong> Periode<br />

auf die Inflationsrate ein. <strong>Das</strong> Ausmaß dieses Einflusses<br />

wird durch den Parameter l5 angegeben. Siehe hierzu EngeleniGrafLambsdorff<br />

(2007 a).<br />

WiSt Heft 10 . Oktober 2008<br />

543


Wissenschaftliche Beiträge<br />

1l"<br />

Jt<br />

ADo<br />

-~ :~<br />

JA<br />

""'~'A' - - ~ y<br />

y<br />

Abb. 4: lnjlationsanpassungskurve<br />

und Auslandsinjlatipn<br />

1l"=Ir'+o(Y-,-f) (5)<br />

Ir' = 1l"-1<br />

Die Reaktion der Inflationsrate findet ihren Ausdruck in<br />

<strong>einer</strong> Inflationsanpassungskurve (JA - Kurve). Aufgrund<br />

der Verzögerung über eine Periode verläuft diese in einem<br />

1l"/yr - Diagramm horizontal in Höhe der Inflationsrate der<br />

Vorperiode, siehe hierzu Abb.4. Eine _Güternachfrage<br />

oberhalb des potenziellen Niveaus, Y:1 > Y; verschiebt die<br />

Kurve in der nachfolgenden Periode nach oben. Ist die Güternac~frage<br />

geringer als das potentielle Inlandsprodukt,<br />

~l < Y; so verschiebt sich die lA-Kurve in d~r Folgeperiode<br />

nach unten. In diesem Diagramm ist ferner eine Nachfragekurve<br />

zu berücksichtigen, die AD-Kurve. Diese ergibt<br />

sich als Kombination von IS-'Kurve und MP-Kurve<br />

für alternative Inflationsraten. Eine erhöhte Inflationsrate<br />

verschiebt nämlich die MP-Kurve nach oben und bewirkt<br />

einen Schnittpunkt mit der IS-Kurve bei geringerem Inlandsprodukt.<br />

Ein langfristiges Gleichgewicht ergibt sich im Schnittpunkt<br />

der AD-Kurve und der vertikalen Kurve, die das potentielle<br />

Inlandsprodukt (Y) markiert. Demzufolge muss<br />

sich die Inflationsanpassungsgerade langfristig so anpassen,<br />

dass sie durch diesen Schnittpunkt verläuft.<br />

In Abb. 4 lässt sich nun auch die langfristige Entwicklung<br />

des nominalen Wechselkurses ablesen. Im Gleichgewicht<br />

ist der reale Wechselkurs (wr = pAW/p) konstant. Sofern der<br />

reale Wechselkurs nämlich schwankt, ergäben sich Verschiebungen<br />

der IS-Kurve, die nicht mit einem Gleichgewichtszustand<br />

kompatibel sind. Wenn die heimische inflationsrate<br />

größer ist als die des Auslands, 1l"o >~, müsste<br />

der nominale Wechselkurs stetig steigen, um einen konstanten<br />

,realen Wechselkurs zu ermöglichen (dies ist oberhalb<br />

der Linie für ~ mit w + angedeutet). Der Euro wertet dann<br />

stetig ab. Hingegen müsste bei1l"o


Graf Lambsdorff/Engelen,<br />

<strong>Das</strong> <strong>Keynesianische</strong> <strong>Konsensmodell</strong> <strong>einer</strong> <strong>offenen</strong> <strong>Volkswirtschaft</strong><br />

Zusätzlich zu dem Argument der steigenden Währungsreserven<br />

erhalten wir nun einen zweiten Grund dafür, dass<br />

der Punkt Pm nur temporär aufrechterhalten werden kann.<br />

Im Punkt Pm ist das Inlandsproduktkl<strong>einer</strong> als das potenzielle<br />

Niveau. Die Inflationsrate sinkt daher, die lA-Kurve<br />

verschiebt sich nach unten. Dies verschiebt nun die MP-<br />

Kurve zurück in die Ausgangslage, denn die Zentralbank<br />

senkt den Realzinssatz gemäß ihrer Taylor-Regel als Reaktion<br />

auf die gesunkene Inflationsrate. Da nun die Inflation<br />

kl<strong>einer</strong> ist als im Ausland, kann der nominale Wechselkurs<br />

nicht mehr dauerhaft gehalten werden. Ein solcher Versuch<br />

würde scheitern,. weil der reale Wechselkurs (w' =<br />

pAW/p) dann stetig steigt, Inlandsgüter im Vergleich zu<br />

Auslandsgütern immer günstiger werdep, die IS- Kurve<br />

sich nach rechts verschiebt, vom Gleichgewicht wegführt<br />

und der Devisenbilanzüberschuss sich laufend erhöht.<br />

Stattdessen kann nun die Zentralbank aber eine Politik des<br />

crawling-peg verfolgen, also eine Stabilisierung des realen<br />

Wechselkurses. Dies wird im Punkt Pcp erreicht. In<br />

diesem Fall werden Änderungen des nominalen Wechselkurses<br />

gemäß der Inflationsdifferenz vorgenommen. Nur<br />

den sich jeweils so ergebenden nominalen Wechselkurs<br />

wird die Zentr-albank dann verteidigen. Offensichtlich ist<br />

also eine kontraktivere geldpolitische Regel mit der Verfolgung<br />

eines crawling-peg vereinbar, wobei die ausländische<br />

Währung im Ausmaß der Inflationsdifferenz Jl' -nA<br />

st~tig abwertet. Eine solche Inflationsdifferenz und Abwertung<br />

wird von den internationalen Anlegern auch erwartet,<br />

so dass bei identischen Realzinsen der Nominalzins<br />

im Inland unterhalb demjenigen des Auslands liegt.<br />

Bei Wechselkursflexibilität bewirkt der Devisenbilanzüberschuss<br />

eine (nominale und reale) Abwertung des Dol,-<br />

lar (w sinkt). Dies verschiebt die IS-Kurve nach links. Ein<br />

neues kurzfristiges Gleichgewicht ergibt sich im Punkt P x.<br />

Der Realzins sinkt wieder auf sein Ausgangsniveau,. das<br />

Inlandsprodukt ist temporär stark gefallen.<br />

Wo wird aber bei flexiblem Wechselkurs das langfristige<br />

Gleichgewicht liegen? Hierfür kommt ebenfalls nur der<br />

Punkt Pcp in Frage, so wie bei festem Wechselkurs. Zum<br />

einen muss im Gleichgewicht das Inlandsprodukt und der<br />

Realzins der Ausgangslage erreicht werden, also der Ausgangspunkt<br />

im r/Y -piagramm. Dies impliziert, dass die<br />

IS-Kurve langfristig derjenigen der Ausgangslage, ISo,<br />

entsprechen muss. Daraus folgt, dass die AD-Kurve im<br />

langfristigen Gleichgewicht durch AD, gekennzeichnet<br />

ist. Folglich kann nur PcP als Lösung in Frage kommen.<br />

Der Unterschied zwischen festen und flexiblen Wechselkursen<br />

betrifft somit nicht das langfristige Gleichgewicht,<br />

sondern nur den Anpassungspfad..Im Punkt Px ist das Inlandsprodukt<br />

stark gesunken. Die Inflation geht zurück<br />

und wird die Zentralbank dazu veranlassen, gemäß Tay!or-<br />

Rege}. den ReaIzins zu senken auf ein Niveau unterhalb<br />

des Auslandszinses. Die hierdurch induzierten Kapitalexporte<br />

lassen den Wechselkurs steigen und verschieben die<br />

IS-Kurve zurück nach rechts. Im Zuge dessen wird sich<br />

auch die AD-Kurve wieder zurück nach rechts bewegen..<br />

Offensichtlich sind während des Anpassungsprozesses<br />

stärkere Schwankungen des nominalen und realen Wechselkurses<br />

und des Realzinses zu beobachten. Eine Politik<br />

der Fixierung des nominalen Wechselkurses gemäß crawling-peg<br />

bietet also den Vorteil geringerer Schwankungen<br />

während des Anpassungsprozesses.<br />

2.2. Einbruch der Güternachfrage mit variabler<br />

Inflation<br />

Die Verringerung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrageauf<br />

ein dauerhaft niedrigeres Niveau verschiebt die IS-<br />

Kurve nach links, siehe Abb. 6. Aufgrund des gesunkenen<br />

.Inlandsprodukts wird die Zentralbank gemäß ihrer Reaktionsfunktion<br />

den Realzins senken. Es ergibt sich ein Zwischenpunkt<br />

in Pm'<br />

Der niedrigere Realzins bewirkt ein Devisenbilanzdefizjt.<br />

Sofern die Zentralbank eine Politik der Wechselkurstlexibilität<br />

v~rfolgt, ergibt sich eine schnelle Anpassung zum<br />

neuen Gleichgewicht. Da keine Interventionen am Devisenmarkt<br />

durchgeführt werden, wird das D~visenbilanzdefizit<br />

einen Anstieg von w induzieren. Hierdurch steigt auch<br />

der reale Wechselkurs und die IS-Kurve verschiebt. sich<br />

nach rechts. Dies erbringt eine Anpassung an daslangfristige<br />

Gleichgewicht im Punkt P x' Dieses Gleichgewicht ist<br />

identisch zur Ausgangslage. Die Anpassung entspricht<br />

einem vollständigen crowding-out, d. h. die exogene<br />

Nachfragesenkung wird vollständig durch einen wechselkursbedingten<br />

Anstieg des Außenbeitragskompensiert.<br />

Sofern die Zentralbank den Wechselkurs stabilisiert, müsste<br />

sie Devisen verkaufen. Hierdurch entzieht sie den Geschäftsbanken<br />

Liquidität. Daher werden die Banken zum<br />

Ausgleich in höherem Ausmaß Zentralbankkredite nachfragen.<br />

Da die Zentralbank den Zinssatz fixiert und keinen<br />

nachfragebedingten Anstieg desselben hinnehmen will,<br />

wird sie diese Kredite in höherem Ausmaß zur Verfügung<br />

stellen. In der Zentralbankbilanz werden daher die Währungsreserven<br />

abnehmen und die Kredite an die Geschäftsbanken<br />

zunehmen. Kurzfristig kann die Zentralbank<br />

den Punkt Pm realisieren. Die Devisenreserven der<br />

y<br />

Abb. 6: Einbruch der Gütemachfraf!e<br />

y:<br />

mit variabler Inflation<br />

WiSt Heft 10 . Oktober 2008<br />

545


Wissenschaftliche Beiträge<br />

Zentralbank sind aber nach <strong>einer</strong> Weile aufgebraucht.<br />

Devisenverkäufekönnen von der Zentralbank dann nicht<br />

mehr getätigt werden. Nun steht die Verfolgung der monetären<br />

Regel im Konflikt mit <strong>einer</strong> Fixierung des Wechselkurses..<br />

Die Zentralbank könnte von der Regel abweichen<br />

und auf eine erhöhte Kreditvergabe an die Banken<br />

verzichten. Die Banken bieten dann für die knappen<br />

Zentralbankkredite einen erhöhten Zi~ssatz. Der Realzins<br />

wird so lange steigen, bis der Punkt Po erreicht ist,<br />

denn dort ist die Devisenbilanz wieder ausgeglichen. Der<br />

Produktionseinbruch verschärft sich in diesem Fall. Weder<br />

Po noch Pm können aber das langfristige Gleichgewicht<br />

sein.<br />

Wo muss dies stattdessen liegen? Offensichtlich muss dort<br />

der Realzins und das potenzielle Inlandsprodukt der Ausgangs<br />

lage erreicht werden, also der Punkt Po. Daher müssen<br />

d9rt auch wieder die ISo- und MP-Kurve der Ausgangs<br />

lage erreicht werden. Dort muss auch die ADo-Kurve<br />

gelten und die Inflationsrate derjenigen des Auslands entsprechen.<br />

Die verringerte Güternachfrage wird dann erneut<br />

durch einen Anstieg des Außenbeitrags kompensiert<br />

(crowding-out). Sowie bei flexiblen Wechselkursen, muss<br />

dieses Gleichgewicht durch einen Anstieg des realen<br />

Wechselkurses (wr =pAW/p) erreicht werden, damit sich<br />

die IS-Kurve zurück nach rechts verschiebt. Die Anpassung<br />

lässt sich hierbei aber nicht durch eine Variation des<br />

Wechselkurses, w, erreichen. Daher muss stattdessen die<br />

Inflationsrate temporär geringer ausfallen als im Aus-<br />

],,".-1<br />

Sowohl in Pm als auch in Po ist das Inlandsprodukt kl<strong>einer</strong><br />

als sein potenzielles Niveau. Dies sorgt für die temporär<br />

niedrigere Inflationsrate, Durch die niedrigere Inflationsrate<br />

erhöht sich dann sukzessive der reale Wechselkurs<br />

und verschiebt die IS-Kurve zurück in die Ausgangslage.<br />

Zwei Dinge sind für diesen Anpassungsprozess zu beachten:<br />

Zum einen muss die temporär gesunkene Inflationsrate<br />

wieder steigen, um im langfristigen Gleichgewicht derjenigen<br />

des Auslands zu entsprechen. Ein solcher Anstieg<br />

der Inflationsrate stellt sich aber nur ein, wenn das Inlandsprodukt<br />

größer ist als sein potenzielles Niveau. Wir<br />

benötigen also für die Anpassungsphase eine solche (spätere)<br />

Phase mit erhöhtem Inlandsprodukt. Dies verdeutlich(dass<br />

insgesamt der Anpassungsprozess bei Fixierung<br />

des nominalen Wechselkurses komplizierter ausfällt als<br />

bei Wechselkursflexibilität.<br />

Zum anderen wird die Zentralbank aufgrund der temporär<br />

gesunkenen Inflationsrate den Realzins senken. Hierdurch<br />

werden weitere Kapitalexporte auftreten. Zur Fixierung<br />

des nomjnalen Wechselkurses sind daher hinreichende<br />

Währungsreserven notwendig. Die Anpassungsphase dauert<br />

so lange, bis sich durch sinkende Inflation der Außenbeitrag<br />

verbessert und die hierdurch steigende Gütemachfrage<br />

höhere Realzinsen der Zentralbank ermöglicht. Ob<br />

hierfür die Währungsreserven ausreichen ist in der Ausgangslage<br />

u. U. schwer zu beurteilen.<br />

Der reale Wec'hselkurs lässt sich hierbei nicht fixieren<br />

(crawling-peg), denn dies würde einem Ausgleich der feh-<br />

10<br />

5<br />

0<br />

Inflation (CPI<br />

.51~<br />

1994 1996 1998 2000 2002 2004<br />

Abb. 7: Inflationsraten Hongkong/Singapur (Datenquelle<br />

Internationaler Währungsfonds)<br />

2006<br />

lenden Güternachfrage durch einen steigenden Außenbeitrag<br />

entgegenwirken. Ein solcher Versuch seitens der Zentralbank<br />

würde eine Rückverschiebung der IS-Kurve verhindern<br />

und damit ein stetiges Absinken der Inflationsrate<br />

bewirken. Dies zeigt, dass eine Politik des crawling-peg<br />

nicht realisierbar ist, wenn Veränderungen des langfristigen,<br />

realen Wechselkurses auftreten.<br />

Der unterschiedliche .Anpassungspfad wird durch die Erfahrungen<br />

Hongkongs und Singapurs in Folge der asiatischen<br />

Finanzkrise des Jahres 1997 gut illustriert, die in<br />

beiden Ländern zu <strong>einer</strong> sinkenden Güternachfrage führte.<br />

Da Hongkong an <strong>einer</strong> Fixierung des Wechselkurses zum<br />

US Dollar festhielt, musste eine Anpassung über negative<br />

Inflationsraten erreicht werden, Abb. 7.<br />

Demgegenüber ließ Singapur den Wechselkurs im Rahmen<br />

von Bandbreiten schwanken und entschied sich für<br />

eine nominale Aufwertung des US:'Dollar. Demzufolge<br />

war die notwendige Erhöhung des realen Wechselkurses in<br />

Singapur relativ schnell erreicht. Hingegen dauerte diese<br />

Entwicklung in Hongkong deutlich länger und ging mit<br />

<strong>einer</strong> lang anhaltenden Reduktion des Inlandsprodukts einher.<br />

Weitere Illustrationen zu diescm Fallbeispiel lassen<br />

sich unter http:/fwww.wiwi.uni-passau.de/lambsdorff.html<br />

finden.<br />

3. Schlussbetrachtung<br />

<strong>Das</strong> Modell lässt sich leicht um weitere Aspekte ergänzen.<br />

In einem ausführlicheren Diskussionspapier, Lilmbsdorff/<br />

Engelen (2007b), zeigen wir, dass eine Berücksichtigung<br />

des Wechselkurses in der TayloT"Regel vorteilhaft sein<br />

kann. Ferner war im Rahmen des Modells eine eher einfache;<br />

Annahme bezüglich zukünftiger Wechselkursänderungen<br />

aufgestellt worden: diese werden in Höhe der Inflationsunterschiede<br />

erwartet. Tatsächlich legt aber die Dynamik<br />

des Modells nahe, dass auch temporäre Änderungen<br />

des Wechselkurses antizipiert und ausgenutzt werden k~nnen.<br />

In dem ausführlicheren Diskussionspapier wird gezeigt,<br />

wie internationale Portfolio-Investitionen in der Folge<br />

zu temporär überschießenden Wechselkursen führen<br />

können.<br />

Die vorgestellte Modellierungzeigt, dass sich die Vorteile<br />

des keynesianischen Konsensmode!ls in der Modellierung<br />

konjunktureller Zusammenhänge auch auf eine offene<br />

<strong>Volkswirtschaft</strong> übertragen lassen. Damit bietet dieser<br />

546 WiSt Heft 10 . Oktober 2008


Graf Lambsdorff/Engelen,<br />

<strong>Das</strong> <strong>Keynesianische</strong> <strong>Konsensmodell</strong> <strong>einer</strong> <strong>offenen</strong> <strong>Volkswirtschaft</strong><br />

Analyserahmen einen geeigneten, breiten und realitätsna.<br />

hen Ersatz für das bisher überwiegend verwendete Mun.<br />

dell-Fleming-Modell.<br />

Literatur<br />

Amold. L., Makroökonomik,. 2. Aufl., Tübingen, 2006<br />

Engelen. C., J. Graf Lambsdol:fj; <strong>Keynesianische</strong>s <strong>Konsensmodell</strong>,<br />

in: WiSt - Wirtschaftswissenschaftliches Studium. Heft 8,<br />

?om"<br />

Engelen, C., J. Graf Lambsdol:fj; <strong>Das</strong> <strong>Keynesianische</strong> <strong>Konsensmodell</strong><br />

<strong>einer</strong> <strong>offenen</strong> <strong>Volkswirtschaft</strong>, Passauer Diskussionspapiere:<br />

<strong>Volkswirtschaft</strong>liche Reihe, Nummer V -49-07, 2007b.<br />

Romel; D., Keynesian Macroeconomics without the LM Curve;<br />

Journal ofEcdnomic Perspectives Jg. 14 (2000), S. 149-169.<br />

Romel; D., Short-Run Fluctuations; unveröffentlichtes Manuskript,<br />

http://elsa.berkeley.edu/dromer/index.html,2006<br />

Tavlol; J.B., Economics, 5. Aufl., Boston, 2007.

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