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Man musste mir ein Stück des Darmes entfernen - Gesundheit ...

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Leben mit Endometriose<br />

Der Name dieser Frauenkrankheit klingt kompliziert: Endometriose.<br />

Doch sie ist nicht etwa selten. Schätzungsweise<br />

10 bis 15 Prozent der Frauen leiden wie Sybille Dysli, 33,<br />

während ihrer Tage unter heftigsten Schmerzen. Vielfach<br />

ohne zu wissen, dass das gar nicht normal ist. Auch Sybille<br />

wurde <strong>ein</strong>es Besseren belehrt.<br />

«<strong>Man</strong> <strong>musste</strong> <strong>mir</strong><br />

<strong>ein</strong> <strong>Stück</strong> <strong>des</strong><br />

<strong>Darmes</strong> <strong>entfernen</strong>»<br />

VON CLAUDIA LAUBE<br />

Nichts konnte dieser Liebe etwas anhaben:<br />

Adrian trägt s<strong>ein</strong>e Sybille nach 16 gem<strong>ein</strong>samen<br />

Jahren noch immer auf Händen. Beschwingt<br />

dreht er sie und sich um die eigene<br />

Achse, sie strahlen sich an. Endlich ist sie<br />

wieder locker und heiter – sie hat <strong>ein</strong>e<br />

schmerzhafte Zeit hinter sich. Viele Jahre<br />

<strong>musste</strong>n vergehen, bis sie endlich erfuhr,<br />

dass nicht normal war, was sie durchmachte,<br />

sondern <strong>ein</strong>e Krankheit: Endometriose.<br />

Die Frauenkrankheit ist nach dem Endometrium<br />

benannt, der Schleimhaut, die<br />

die Gebärmutter von innen auskleidet. Bei<br />

der Endometriose aber setzt sie sich an den<br />

falschen Orten fest: «Zumeist an Eierstöcken,<br />

im Bauchfell oder beim Darm», sagt<br />

Prof. Michel Mueller, Chefarzt Gynäkologie<br />

an der Frauenklinik <strong>des</strong> Inselspitals Bern.<br />

BETROFFENE FRAUEN leiden Schmerzen, die<br />

sie an ihre äussersten Grenzen bringen. Wie<br />

Sybille: «Ich litt an Höllenkrämpfen, die oft<br />

nahe an <strong>ein</strong>e Ohnmacht führten. Nichts<br />

konnte ich mehr tun, nur noch im abgedunkelten<br />

Zimmer liegen und abwarten, bis die<br />

Schmerzen abklangen.» Und ihrem Lebenspartner<br />

Adrian blieb nichts anderes übrig, als<br />

«die Bettflasche zu holen und Tee zu bringen.<br />

Was willst du sonst machen? Es war<br />

nicht <strong>ein</strong>fach, m<strong>ein</strong>en Schatz so zu sehen.<br />

Aber es wäre <strong>mir</strong> nie in den Sinn gekommen,<br />

sie <strong>des</strong>wegen sitzen zu lassen!» Da kann sich<br />

Sybille glücklich schätzen, denn «viele Partnerschaften<br />

halten die Belastung durch die<br />

Krankheit nicht aus», sagt Michel Mueller.<br />

«Sie ist nicht <strong>ein</strong>fach nur schmerzhaft, sie<br />

belastet auch Psyche und Partnerschaft.»<br />

Inzwischen wird weltweit intensiv an<br />

der Krankheit geforscht, noch immer liegt<br />

20 | GESUNDHEIT Sprechstunde 14 | 2008<br />

vieles im Unklaren, nur schon, was die<br />

Krankheit überhaupt verursacht. Die Forschung<br />

steckt noch in den Kinderschuhen,<br />

und die Krankheit an sich findet erst langsam<br />

den Weg an die Öffentlichkeit. Auch Sybille<br />

ist nur durch <strong>ein</strong>en Zufall über ihre eigene<br />

Diagnose gestolpert: «M<strong>ein</strong>e beste Freundin<br />

litt wie ich unter höllischen Bauchschmerzen.<br />

Als dann bei ihr Endometriose festgestellt<br />

wurde, liess ich mich ebenfalls abklären.»<br />

Vorher wäre ihr gar nicht in den Sinn<br />

gekommen, dass es <strong>ein</strong>e Krankheit s<strong>ein</strong><br />

könnte. «Auch m<strong>ein</strong>e Mutter hatte immer<br />

Schmerzen. So war es für mich normal, das<br />

<strong>ein</strong>fach als gegeben hinzunehmen. Wir<br />

dachten, das müsse halt so s<strong>ein</strong>.»<br />

DA SIE NUN ENDLICH WUSSTE, dass es etwas<br />

gegen die Schmerzen gab, landete sie kurz<br />

darauf bei Michel Mueller in der Frauenklinik.<br />

2002 liess sie sich <strong>ein</strong> erstes Mal operieren.<br />

Mueller führte <strong>ein</strong>e Bauchspiegelung<br />

(Laparoskopie) durch. Die braucht es in den<br />

meisten Fällen, um <strong>ein</strong>e Endometriose<br />

definitiv diagnostizieren und die Herde lokalisieren<br />

zu können. Bei Sybille hatten sich<br />

Endometriose-Ableger am Eierstock und im<br />

Bauchraum festgesetzt. Sie wurden noch<br />

während der Spiegelung weggelasert. «Danach<br />

wurde es massiv besser mit m<strong>ein</strong>en<br />

Schmerzen», sagt Sybille. Aber diese Besserung<br />

hielt nicht lange an. Schleichend kamen<br />

die Symptome zurück, und bald litt sie<br />

unter noch stärkeren Schmerzen als zuvor.<br />

«Krämpfe, starkes Rückenweh und extreme<br />

Bauchschmerzen machten <strong>mir</strong> enorm zu<br />

schaffen.» Sport treiben konnte sie nur noch<br />

selten: «Da war weder Lust noch Kraft.»<br />

Als sie plötzlich Blut im Stuhl entdeckte,<br />

bekam sie Angst. Und obwohl Adrian und<br />

Foto: Walter Imhof<br />

sie im Jahre 2005 <strong>ein</strong>e Velotour durch Australien<br />

geplant hatten, entschied sie sich noch<br />

<strong>ein</strong>mal für <strong>ein</strong>e Bauchspiegelung. «Damit<br />

wurde m<strong>ein</strong> grösster Horror wahr! Als ich<br />

nach der Spiegelung aufwachte, hatten sie<br />

<strong>mir</strong> <strong>ein</strong>en Teil <strong>des</strong> <strong>Darmes</strong> herausgeschnitten,<br />

weil sich die Gebärmutterschleimhaut<br />

dort festgesetzt hatte. Ich <strong>musste</strong> drei Monate<br />

lang mit <strong>ein</strong>em Stoma, <strong>ein</strong>em künstlichen<br />

Darmausgang, leben.» Auch <strong>ein</strong>er ihrer Eier-


Viel unbeschwerter ist<br />

Sybille seit dem zweiten<br />

Eingriff: Nun kann sie ihr<br />

Leben wieder gem<strong>ein</strong>sam mit<br />

Adrian geniessen. Auch wenn<br />

ihr die Angst <strong>ein</strong>es Rückfalls<br />

stets im Nacken sitzt.<br />

stöcke <strong>musste</strong> entfernt werden. Trotzdem<br />

können sie und Adrian ihren Kinderwunsch<br />

noch wahr machen. Auch wenn es etwas<br />

schwieriger werden dürfte: «60 Prozent der<br />

Frauen können nach <strong>ein</strong>er Operation immer<br />

noch schwanger werden», sagt Mueller.<br />

BEI EINER ENDOMETRIOSE ist die Rückfallgefahr<br />

sehr hoch. Deshalb ist die Angst von<br />

Sybille berechtigt, dass sie wieder auf den<br />

Darm übergreifen könnte. Sie will sich aber<br />

nicht verrückt machen lassen. Vielmehr<br />

wünscht sie sich, dass es mit eigenem Nachwuchs<br />

klappen wird, das ist ihr und Adrians<br />

gem<strong>ein</strong>samer Traum.<br />

Eine Schwangerschaft hat auch Vorteile:<br />

Sie schützt vor weiteren Schmerzen,<br />

denn die Hormonumstellung und die Stillzeit<br />

haben <strong>ein</strong>e heilende und dämpfende<br />

Wirkung auf die Endometriose.<br />

Prof. Michel<br />

Mueller, ChefarztGynäkologie<br />

und Gynäkologische<br />

Onkologie,<br />

Frauenklinik<br />

Bern<br />

«Wer monatlich<br />

unter Mens-<br />

Schmerzen leidet,<br />

muss nicht unbedingt<br />

an Endometriose<br />

erkrankt<br />

s<strong>ein</strong>. Wenn aber<br />

die Schmerzen<br />

neu auftreten oder<br />

immer stärker<br />

werden, Verdauungsprobleme<br />

entstehen oder im<br />

schlimmsten Fall<br />

Blut im Stuhl ist,<br />

sollten sich Frauen<br />

abklären lassen.<br />

Auch <strong>ein</strong> unerfüllter<br />

Kinderwunsch<br />

oder Schmerzen<br />

beim Sex könnten<br />

Anzeichen s<strong>ein</strong>.»<br />

GESUNDHEIT Sprechstunde 14 | 2008 | 21<br />

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