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Die Buren-Rebellion - Freund und Feind im ... - Golf Dornseif

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<strong>Die</strong> <strong>Buren</strong>-<strong>Rebellion</strong>: <strong>Fre<strong>und</strong></strong> <strong>und</strong> <strong>Feind</strong> <strong>im</strong> Hexenkessel<br />

Wie die Schutztruppe plötzlich Verbündete bekam <strong>und</strong> sie wieder verlor<br />

von <strong>Golf</strong> <strong>Dornseif</strong><br />

Zu den seltsamsten "Nebenkriegsschauplätzen" in Südafrika <strong>und</strong> Deutsch-Südwestafrika kochte ab<br />

September 1914 die <strong>Rebellion</strong> burisch-südafrikanischer Truppenteile bei Upington hoch, die<br />

schliesslich etwa tausend Tote <strong>und</strong> zahllose Verw<strong>und</strong>ete kostete sowohl auf Seite der Aufständischen<br />

als auch in den Reihen vieler Regierungstruppen (burischer <strong>und</strong> britischer Abstammung).<br />

OberstIeutnant S.F. Maritz war der Kopf der "Verschwörung gegen die britische Krone".<br />

Nach dem erfolglosen <strong>Buren</strong>krieg um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende hatten die "burgher" den britischen<br />

Kolonialherren niemals ihre Niederlage verziehen <strong>und</strong> sich nur zähneknirschend in ihr Schicksal<br />

gefügt. Ihr Traum galt nach wie vor einem unabhängigen "Oranje Vrij Stad" <strong>und</strong> einem ebenso<br />

unabhängigen Transvaal. Als in Europa der Erste Weltkrieg ausbrach <strong>und</strong> Grossbritannien plötzlich<br />

von Südafrika "Vasallentreue" einforderte, um Deutschland (in allen Erdteilen) nieder zu ringen,<br />

platzte vielen <strong>Buren</strong> der Kragen.<br />

Germany mochte vielleicht ein <strong>Feind</strong> der Engländer sein (oder auch umgekehrt), aber die Kap-<br />

Holländer sahen nicht den geringsten Gr<strong>und</strong>, um auf Londons Befehl über ihre netten Nachbarn in<br />

Deutsch-Südwest herzufallen <strong>und</strong> sie umzubringen. "Das ist nicht unser Krieg, lasst uns in Frieden"<br />

tönte es aus fast allen <strong>Buren</strong>-Kehlen.<br />

1914 war die Union of South Africa – juristisch betrachtet – erst vier Jahre alt. Der Waffengang in<br />

Europa schlug als Nachricht wie ein Blitz ein: War dies nicht eine grossartige Gelegenheit, das<br />

britische Joch abzuwerfen, die Freistaaten Oranje <strong>und</strong> Transvaal wieder zu beleben <strong>und</strong> sich friedlich<br />

mit den deutschen Nachbarn in Windhoek zu arrangieren?<br />

Auf diesem Foto lässt<br />

sich nicht auseinander<br />

halten, wer Angehöriger<br />

der Schutztruppe ist<br />

oder als aufrührerischer<br />

Überläufer plötzlich<br />

deutsche Uniform trägt,<br />

<strong>Die</strong>se eigenartige<br />

Waffenbrüderschaft<br />

nach Ausbruch des<br />

Ersten Weltkriegs hatte<br />

nur wenige Monate<br />

Bestand.<br />

Louis Botha, <strong>Buren</strong>-General <strong>und</strong> Politiker von hohem Rang, versuchte verzweifelt seine Landsleute<br />

zur Vernunft zu bringen. Sein alter <strong>Fre<strong>und</strong></strong> <strong>und</strong> Kampfgefährte aus dem "Boer War", General Koos De<br />

La Rey, stand unter dem verhängnisvollen Einfluss des Farmers Niklaas van Rensburg, der in der<br />

Gegend von Lichtenberg als "Schicksalsdeuter" von jung <strong>und</strong> alt verehrt wurde. <strong>Die</strong> früheren <strong>Buren</strong>-<br />

Republiken würden bald wieder aufblühen – so Rensburgs Vorsehung – <strong>und</strong> man müsse jetzt<br />

"losschlagen" ... Eine verführerische Vision!<br />

Am 21.August 1914 traten alle südafrikanischen Kommandeure zu einer gehe<strong>im</strong>en Konferenz <strong>im</strong><br />

Hauptquartier Pretoria zusammen, um den Angriff auf Deutsch-Südwestafrika vorzubereiten.


Vorsitzender war der Verteidigungsminister General Smuts, flankiert von Brigadier-General C.F.<br />

Beyers (Chef der Bürgerwehr-Einheiten Citizen Forces, also der Reservisten) sowie Brigadier-General<br />

Sir T<strong>im</strong>son Lukin, Oberbefehlshaber der Permanent Force (Berufsarmee), zusammengesetzt aus fünf<br />

Reg<strong>im</strong>entern der South African Mounted Rifle Men (Kavallerie). Nur eins dieser Reg<strong>im</strong>enter – Cape<br />

Mounted Rifle Men – konnte als voll ausgebildetes Militär bezeichnet werden. Bei den übrigen<br />

handelte es sich um Angehörige von berittenen Polizei-Verbänden.<br />

Weitere Konferenzteilnehmer: Sir Duncan McKenzie, zuvor Kommandeur in der Provinz Natal;<br />

Colonel P.S. Beves, Chef des Kadettenkorps; Colonel P.C.B. Skinner, als britischer<br />

Ausbildungsoffizier zur besonderen Verwendung, <strong>und</strong> Sir William Hoy, Generaldirektor der<br />

Südafrikanischen Eisenbahngesellschaft.<br />

Man diskutierte eine Invasion in Lüderitzbucht, um die Telegrafenstation zu übernehmen, während die<br />

Royal Navy Swakopm<strong>und</strong> von See aus beschiessen <strong>und</strong> die dortige Funkanlage ebenfalls<br />

ausschalten sollte.<br />

General Sir T<strong>im</strong>son Lukin hatte die Aufgabe, in Port Nolloth einzufallen <strong>und</strong> nordwärts vorzudringen,<br />

um die südafrikanischen Truppen in der Region Lüderitzbucht zu entlasten. Eine dritte Streitmacht<br />

unter dem Befehl von Lieutenant-Colonel S.F. Maritz (Nördliche Kap-Region United Defense Force<br />

UDF) war dazu vorgesehen mit Schwerpunkt Upington die Ostgrenze von DSWA rasch überwinden<br />

zu können.<br />

General Louis Botha, Pr<strong>im</strong>e Minister der Union of<br />

South Africa <strong>und</strong> Commander-in-Chief der<br />

vereinigten britischen <strong>und</strong> burischen Streitkräfte<br />

<strong>im</strong> Kampf gegen die deutsche Schutztruppe vom<br />

September 1914 bis August 1915.<br />

General Beyers hörte sich diese "planmässigen Heldentaten" mit gemischten Gefühlen an , denn er<br />

war strikt dagegen, ohne allerdings irgendetwas zu sagen, sodass alle Anwesenden nicht <strong>im</strong><br />

geringsten an Beyers Solidarität zweifelten.<br />

Rückblickend kann man feststellen, dass Beyers zu den tragischen "Helden der <strong>Rebellion</strong>" zählte. Als<br />

der Erste <strong>Buren</strong>krieg ausbrach, war Beyers erst 20 Jahre alt <strong>und</strong> befasste sich mit seinem Jura-<br />

Studium in Pretoria. Wegen militärisch-strategischer Begabung machte er rasch Karriere <strong>und</strong> rückte<br />

zum Kommandeur auf. Schliesslich blieb er Delegationsleiter bei den Friedensverhandlungen in<br />

Vereeniging <strong>und</strong> anschliessend "Speaker" <strong>im</strong> jungen Parlament von Transvaal. <strong>Die</strong> weitere politische<br />

Laufbahn verlief eher schleppend, <strong>und</strong> Beyers nutzte ein Angebot als Commander der UDF Citizen<br />

Forces (Reservisten-Truppe). Damit hatte er einen wichtigen Schlüssel in der Hand, um die<br />

<strong>Feind</strong>seligkeiten gegen Deutsch-Südwestafrika einleiten zu dürfen.<br />

<strong>Die</strong> Verschwörer sammeln sich<br />

Lieutenant-Colonel "Manie" Maritz, stationiert in Upington, nutzte bald die Gelegenheit einer<br />

"Grenzland-Inspektion", um diskret Verbindung mit der Schutztruppe aufzunehmen <strong>und</strong> hatte bereits<br />

1912 erste Fühler in Richtung Windhoek ausgestreckt, um B<strong>und</strong>esgenossen zu gewinnen.


Am 23.August 1914 ritt Maritz nach Schuit Drift, angeblich zur Klärung von Grenzstreitigkeiten,<br />

überquerte den Flusslauf <strong>und</strong> suchte drüben einen deutschen Polizeiposten auf, um mit dem<br />

Schutztruppen-Kommandeur in Keetsmanshoop zu telefonieren. Maritz entschuldigte sich zunächst<br />

wegen der Reibereien mit Farmern <strong>und</strong> fragte dann den zuständigen deutschen Offizier unverblümt:<br />

"Können wir Waffen <strong>und</strong> Munition von der Schutztruppe bekommen, um einen Aufstand gegen unsere<br />

Regierung in die Wege zu leiten?" – Der verblüffte Schutztruppen-Chef bat um etwas Geduld <strong>und</strong><br />

wollte Windhoek informieren.<br />

Kavalleristen der regierungstreuen<br />

Unionstruppen nach der Gefangennahme<br />

burischer Aufständischer. Fast alle wurden<br />

später amnestiert <strong>und</strong> von der burischen<br />

Bevölkerung als Helden gefeiert.<br />

Am 26.August 1914 sprach sich die National Party, gegründet von General J.B.M. Hertzog <strong>im</strong> Januar<br />

1914, energisch gegen militärische Aktionen jeder Art aus, um deutsches Hoheitsgebiet zu erobern.<br />

<strong>Die</strong>se Partei hatte sich <strong>im</strong> Streit von Bothas South African Party getrennt, um die "burische Identität"<br />

besser bewahren zu können.<br />

Nun tauchte Major Christoffel Kemp auf, Kommandeur des South African Defense Forces Training<br />

Camp in Potchefstroom (Östliches Transvaal), <strong>und</strong> erklärte seinen Rücktritt. Genau so reagierte<br />

Beyers zwei Tage später am 15. September 1915, nachdem ihn ein Kurier von Maritz erreicht hatte.<br />

<strong>Die</strong> Presse berichtete darüber am 21.September 1914 mit allen Einzelheiten, <strong>und</strong> die Regierung geriet<br />

in helle Aufregung.<br />

Beyers versicherte öffentlich: "Unsere Regierung verbreitet zur Ablenkung <strong>und</strong> Kriegshetze das<br />

Ammenmärchen, die deutschen Truppen hätten in Europa Kriegsverbrechen <strong>und</strong> Grausamkeiten<br />

gegenüber der Zivilbevölkerung in den Nachbarstaaten begangen. Wir haben in unserem eigenen<br />

He<strong>im</strong>atland zahlreiche Grausamkeiten (der Briten) verziehen, jedoch nicht vergessen, die während<br />

des <strong>Buren</strong>kriegs begangen wurden an unseren Frauen <strong>und</strong> Kindern auf den Farmen <strong>und</strong> in den<br />

Concentration Camps ..."<br />

Beyers beschuldigte auch die Regierung Südafrikas, sie verbreite die Lüge, dass Deutschland die<br />

Union of South Africa früher oder später "annektieren" wolle, was einfach lachhaft sei angesichts von<br />

nicht mehr als etwa 3000 Schutztruppe-Angehörigen. General Smuts konterte mit der Behauptung,<br />

dass die Deutschen bereits die Grenze am Oranje verletzt hätten <strong>und</strong> sofort "bestraft" werden<br />

müssten.<br />

Am Abend des gleichen Tages, an dem Beyers seinen militärischen Abschied nahm, reiste er mit<br />

einem Personenkraftwagen nach Potchefstroom, begleitet von General Koos De La Rey, <strong>und</strong> geriet<br />

zufällig in eine Strassensperre der Polizei, die eine berüchtigte Verbrecherbande – die Foster Gang -<br />

erwischen wollte, nachdem diese Täter am Morgen einen Kr<strong>im</strong>inalbeamten ermordet hatten <strong>und</strong> mit<br />

einem Auto geflohen waren.<br />

Kurze Zeit vor dem Aufbau der Sperre war an anderer Stelle ein Arzt von der Polizei in seinem Wagen<br />

erschossen worden, weil er die Stop-Zeichen missachtete <strong>und</strong> mit Vollgas weiterfuhr. Beyers <strong>und</strong> De<br />

La Rey hatten Glück trotz hoher Geschwindigkeit, machten sich aber verdächtig <strong>und</strong> wollten später<br />

einer anderen Polizei-Blockade bei Langlaagte entkommen.


<strong>Die</strong>smal stiess ein Polizist sein Bajonett zwischen die Speichen eines Hinterrads, <strong>und</strong> ein anderer<br />

Beamter feuerte mit dem Revolver auf den zweiten hinteren Reifen. <strong>Die</strong> Kugel verfehlte ihr Ziel, prallte<br />

vom Strassenpflaster ab <strong>und</strong> traf – als Querschläger – De La Rey <strong>im</strong> Rücken. "Jetzt hat's mich<br />

erwischt" waren seine letzten Worte zu Beyers.<br />

Der Tod des beliebten <strong>Buren</strong>kriegshelden erregte grosses Aufsehen <strong>im</strong> Land, aber eine<br />

Untersuchungskommission fand unter anderem heraus, dass die beiden Herren auf dem Weg zu einer<br />

Verschwörer-Konferenz waren, um Hochverrat zu begehen – zumindest hatte es den Anschein.<br />

Zuverlässige Beweise fehlten <strong>im</strong> Prozess.<br />

<strong>Die</strong> Tage nach der Beisetzung des hohen Offiziers verliefen stürmisch mit Aufrufen zu<br />

Volksabst<strong>im</strong>mungen wegen des Kriegseintritts <strong>und</strong> zur Gehorsamsverweigerung unter dem Motto:<br />

"Wir haben nichts gegen die Deutschen, das sind gute Nachbarn der <strong>Buren</strong>!" – General Louis Botha<br />

beschwichtigte mit dem Hinweis, dass nur Berufssoldaten eingesetzt werden sollten, also keine<br />

Einberufenen der Reserve (wie befürchtet). Kriegsfreiwillige seien allerdings willkommen.<br />

War Deutschland übervölkert?<br />

In einer öffentlichen Ansprache verstieg sich General Botha zu der grotesken Behauptung, dass<br />

Deutschland übervölkert sei <strong>und</strong> deshalb Pläne zur Eroberung von ganz Südafrika <strong>im</strong> Sinn habe –<br />

weit über DSWA hinaus. <strong>Die</strong>ser Gefahr müsse Einhalt geboten werden, denn die Union liege wie ein<br />

fettes Lamm bereits auf der Schlachtbank ..." Ein Überfall der Schutztruppe stehe unmittelbar bevor<br />

(am 28.September 1914).<br />

Bothas abenteuerliche Logik ohne jeden Beweis gipfelte in der Analyse, dass Südafrika gar keine<br />

andere Wahl habe als Grossbritanniens Wunsch zum Kriegseintritt zu folgen, denn ..."sonst schicken<br />

die Engländer ersatzweise Australier hierher oder gar indische Soldaten, um die deutsche<br />

Schutztruppe zu besiegen ... <strong>und</strong> dann dürfen diese Inder zur Belohnung in Südafrika siedeln <strong>und</strong><br />

Familien gründen <strong>und</strong> Kinder kriegen <strong>und</strong> uns schliesslich unterbuttern!"<br />

<strong>Die</strong>se rassistischen Spekulationen machten Eindruck be<strong>im</strong> <strong>Buren</strong>volk, das sich für auserwählt hielt<br />

<strong>und</strong> auf keinen Fall zusätzliche Einwanderer nicht-weisser Hautfarbe hinnehmen wollte. "Nach dem<br />

Sieg über die Deutschen" – so lockte Botha geschickt – "schenken uns die Engländer zur Belohnung<br />

ganz Südwestafrika, <strong>und</strong> wir bekommen eine zusätzliche Provinz in der Union!" – "Aber als Neutrale<br />

haben wir natürlich nichts zu lachen ..."<br />

Anfang Oktober 1914 erfuhr die breite Öffentlichkeit nach <strong>und</strong> nach Einzelheiten über einen Krieg<br />

gegen DSWA, der längst begonnen hatte, ohne dass sich die Kriegsherren <strong>und</strong> Politiker um des<br />

Volkes St<strong>im</strong>me <strong>und</strong> die Zerrissenheit der <strong>Buren</strong> kümmerten: Grossbritannien musste zufriedengestellt<br />

werden, das allein zählte jetzt!


Links <strong>im</strong> Bild <strong>Buren</strong>-Rebell<br />

Major Christoffel Kemp, prominenter<br />

Rädelsführer der Verschwörung<br />

gegen Grossbritannien, in der Mitte<br />

ein Unbekannter, rechts der<br />

aufständische <strong>Buren</strong>general<br />

Manie Maritz. Major Kemp ist bereits<br />

deutsch uniformiert, Maritz trägt<br />

noch südafrikanische Montur.<br />

General Sir T<strong>im</strong>son Lukin hatte den Oranje überquert, Lieutenant-Colonel R.C. Grant war bei<br />

Sandfontein vernichtend geschlagen worden <strong>und</strong> in deutsche Gefangenschaft geraten <strong>und</strong><br />

Lüderitzbucht liess sich als Eroberung bezeichnen – eine gemischte Bilanz.<br />

Unterdessen blieben die Rebellen nicht müssig <strong>und</strong> verbreiteten überall Flugblätter <strong>im</strong> Land mit der<br />

Aufforderung, den Kriegsdienst zu verweigern (gegen die Deutschen), dem Vrij Korps beizutreten <strong>und</strong><br />

die deutsche Unterstützung anzunehmen, sich vom britischen Zwang zu befreien. <strong>Die</strong> Schutztruppe<br />

bot Kanonen, Granaten, Munition, Handwaffen, Pferde, Verpflegung usw. zur Allianz.<br />

<strong>Die</strong> meisten Südafrikaner englischer Muttersprache <strong>und</strong> zahlreiche <strong>Buren</strong> solidarisierten sich<br />

allmählich mit Grossbritannien <strong>und</strong> wollten gegen die Schutztruppe ins Feld ziehen, obwohl die<br />

lautstarke Opposition bei Veranstaltungen mit faulen Eiern um sich warf, die Kriegstreiber niederschrie<br />

<strong>und</strong> sogar in Verbindung mit Gottesdiensten randalierte. Der Riss ging durch viele Familien – für <strong>und</strong><br />

gegen Britannias Ruf zu den Fahnen ...<br />

General Christiaan De Wet <strong>und</strong> Major Kemp sprachen am 3. Oktober 1914 vor 800 Menschen <strong>im</strong><br />

Lichtspieltheater (Lyrie Bioscope Hall) zu Potchefstroom, <strong>und</strong> die Versammlung endete in Tumulten:<br />

tote Katzen wurden auf das Podium geschleudert, Fensterscheiben zertrümmert, Fäuste geballt <strong>und</strong><br />

Beleidigungen ausgetauscht.<br />

Cberstleutnant Grants vernichtende Niederlage bei Sandfontein stärkte die Gemüter der Separatisten,<br />

die mit der Schutztruppe friedlich zusammenleben wollten <strong>und</strong> weitere Schlappen fürchteten<br />

angesichts der hervorragenden deutschen Kampfmoral zu dieser Zeit. In Europa – so war zu<br />

vernehmen – hatten die Alliierten ebenfalls einen schweren Stand gegen des Kaisers Truppen.<br />

General De Wet hielt am 16.September 1914 mit seinen Leuten die deutsche Grenzpolizeistation<br />

Nakob, – <strong>und</strong> drei Tage danach eroberte sein Vrij Korps Rietfontein weiter nördlich in der Einöde. In<br />

dieser verworrenen Lage wollte man nicht die Frage beantworten: Welche Truppe mit welcher<br />

Gesinnung <strong>und</strong> in welcher Zusammensetzung konnte welchen Punkt auf der Landkarte – diesseits<br />

oder jenseits der Grenze – am welchem Tag in wessen Interesse diskret "übernehmen" ... ???


Jedenfalls hatte die Schutztruppe gute Laune <strong>und</strong> "spendierte" den auftauchenden Rebellen mehrere<br />

Geschütze mit deutschem Bedienungspersonal sowie noch reichlich Munition <strong>und</strong> ein paar<br />

Maschinengewehre. Auch General Andries De Wet war guten Mutes <strong>und</strong> zierte seinen verwegenen<br />

Hut mit einer langen schwarzen Straussfeder. Nun flatterte von den Transportwagen die "Vierkleur"<br />

(vierfarbige) Flagge der ehemaligen Republik Transvaal munter <strong>im</strong> Wüstenwind.<br />

Louis Botha, der gehorsame Untertan Grossbritanniens, hatte jetzt die <strong>und</strong>ankbare Aufgabe,<br />

generalstabsmässig den Aufstand der eigenen Blutsbrüder so schonend wie möglich<br />

niederzuschlagen, ohne ein Blutbad zu riskieren. Dazu waren ausschliesslich Einheiten burischer<br />

Herkunft geeignet. Von den 30.000 Soldaten der Union <strong>im</strong> Einsatz gegen die Aufrührer waren 20.000<br />

"burgher" unter burischen Kommandeuren. <strong>Die</strong> Regierung forderte jedoch auch den Einsatz britischer<br />

Truppen, darunter die Durban Light Infantry , in der Kap-Provinz.<br />

Vom Fleischer zum General<br />

Im Hauptquartier sickerte die Gehe<strong>im</strong>dienst-Information durch, dass General Maritz ein Gehe<strong>im</strong>-<br />

Abkommen mit Gouverneur Seitz geschlossen hatte, doch waren keine Einzelheiten bekannt<br />

geworden. General Smuts forderte Maritz auf, sich sofort in Pretoria zum Rapport einzufinden, aber<br />

Maritz reagierte nicht. Am 2. Oktober marschierte Maritz mit 200 Getreuen westwärts, vielleicht<br />

deshalb, weil er nahe Schuit Drift General Sir T<strong>im</strong>son Lukin unterstützen wollte. Aber am 9. Oktober<br />

biwakierte die Truppe in Vanrooisvlei (auch Van Rooyens Vlei genannt) direkt an der Grenze zu<br />

Deutsch-Südwestafrika <strong>und</strong> General Maritz verkündete seinen Soldaten in einer Ansprache, dass er<br />

sich mit den Deutschen arrangiert habe, dass Südafrika jetzt unabhängig sei als <strong>Buren</strong>republik <strong>und</strong><br />

sich <strong>im</strong> Kriegszustand mit Grossbritannien befinde.<br />

General Louis Botha auf<br />

seinem Feldklappstuhl mit<br />

Angehörigen des Stabs<br />

während der Verfolgung des<br />

Rebellen-Generals<br />

Andries De Wets nahe der<br />

Ortschaft Reitz <strong>im</strong><br />

sogenannten Freistaat.<br />

Militär-Experten in Pretoria hatten lange vor diesem Ausbruch <strong>im</strong>mer wieder vor Maritz <strong>und</strong> dessen<br />

Wankelmut gewarnt <strong>und</strong> darauf hingewiesen, dass man ihm kein Kommando anvertrauen dürfe<br />

wegen seiner schillernden Vergangenheit: Während des <strong>Buren</strong>kriegs diente "Manie" Maritz als Offizier<br />

bei seinen Landsleuten <strong>im</strong> Kampf gegen die Briten, weigerte sich aber nach dem Friedensschluss in<br />

Vereeniging einen Treue-Eid auf die rechtmässige Regierung zu leisten. Er siedelte als Farmer <strong>und</strong><br />

Geschäftsmann in Madagaskar, reiste danach ins deutsche Südwestafrika, nahm dort sogar die<br />

deutsche Staatsbürgerschaft an <strong>und</strong> unterstützte die Schutztruppe als Offizier <strong>und</strong> Militärberater bei<br />

der Bekämpfung des Herero-Aufstands. 1906 kehrte Maritz nach Transvaal he<strong>im</strong>, geriet in die Fänge<br />

der Justiz <strong>und</strong> hatte grosse Mühe den Verdacht des Verrates zu entkräften (mit einem Aufenthalt <strong>im</strong><br />

Gefängnis).<br />

1910 arbeitete der Glücksritter vorübergehend als Fleischer in Braamfontein <strong>und</strong> Johannisburg, ehe er<br />

einen Job bei der Polizei bekam. Sein nächster Sprung ging in Richtung Reservisten-Ausbildung<br />

(Union Defense Force), wo man ihn zum Stabsoffizier aufrücken liess unter dem Patronat von General<br />

Beyers. Stationiert war Maritz in der nordöstlichen Region der Kap-Provinz auf einsamem Posten,<br />

jedenfalls ideal gelegen für gehe<strong>im</strong>e Treffen mit Abgesandten der Schutztruppe in unmittelbarer


Nachbarschaft. Brigadier-General J.J. Collyer beschrieb Maritz als "einen hervorragenden Guerilla-<br />

Kämpfer, oft jähzornig <strong>und</strong> he<strong>im</strong>atverb<strong>und</strong>en bis zum Extrem ..." Also kein <strong>Feind</strong> Britanniens, aber<br />

konsequent unabhängig.<br />

Maritz vertraute nicht allen Untergebenen, vor allem nicht den Angehörigen der Active Citizen Force<br />

(also der Milizionäre) <strong>im</strong> Ausbildungslager Upington <strong>und</strong> liess einen Teil während eines Appells zur<br />

Auszahlung der Löhnung entwaffnen – vor allem den Trupp mit vier Maschinengewehren. Dann<br />

forderte Maritz in einer Rede alle Anwesenden auf, sich sofort zu entscheiden: entweder die <strong>Rebellion</strong><br />

mitmachen oder – entwaffnet – die Einheit verlassen!<br />

Leutnant Cecil Freer, dem die Maschinengewehre mit dem zugehörigen Personal unterstanden,wollte<br />

plötzlich seine MG zurück haben <strong>und</strong> schlug "ein Duell mit Säbeln, Revolvern oder Fäusten" allen<br />

Ernstes vor. Maritz lachte ihn aus, erklärte seine Gegner zu Gefangenen <strong>und</strong> vertraute nur noch 180<br />

loyalen <strong>Buren</strong> unter seinem Kommando. Seine "Gefangenen" übergab er der Schutztruppe, was gut<br />

vorbereitet schien. Der kecke Leutnant (ein Reservisten-Zahnarzt) gab klein bei.<br />

Am 12. Oktober 1914 sah sich die Regierung genötigt, das Kriegsrecht zu erklären <strong>und</strong> zwar für das<br />

ganze Gebiet der Union of South Africa. Familie Maritz geriet ebenfalls in Aufruhr: Der Onkel des<br />

Rebellen-Chefs, Gert Maritz, schrieb einen Brief an die in englischer Sprache gedruckten Zeitungen,<br />

äusserte seine Verachtung wegen des schändlichen Landesverrats <strong>und</strong> enterbte den Neffen.<br />

<strong>Die</strong> Schutztruppe drängte Maritz, möglichst rasch Upington zu erobern, doch Maritz zögerte mit der<br />

Ausführung, weil er zunächst die Pläne von Beyers <strong>und</strong> De Wet prüfen wollte. Lediglich Kakamas<br />

kapitulierte vor Maritz, <strong>und</strong> er rief dort theatralisch eine Republik aus. Einige Truppenteile sollten<br />

Calvinia <strong>und</strong> Carnarvon mit der Bevölkerung überreden, sich dem Aufstand anzuschliessen. Das<br />

misslang gründlich: die Einwohner weigerten sich, anrückende Regierungstruppen entwaffneten alle<br />

Revolutionäre nach kurzer Zeit. Loyale <strong>Buren</strong> unter Brigade-General Koen Brits besetzten Ke<strong>im</strong>oes<br />

<strong>und</strong> wurden dort von Maritz am 22. Oktober 1914 angegriffen. Maritz erlitt einen Knieschuss <strong>und</strong> zog<br />

sich nach Kakamas zurück, wo Brits zwei Tage darauf siegte.<br />

Maritz konnte nicht mehr reiten, liess sich in einem Auto (ohne Treibstoff) von Eselgespannen ziehen<br />

<strong>und</strong> floh nach Jerusalem ins deutsche Schutzgebiet ...<br />

Eine Kettenreaktion des Aufruhrs<br />

Erst wurden die Unionstruppen bei Sandfontein vernichtend von der Schutztruppe geschlagen, etwa<br />

zwei Wochen später verbreitete sich überall die Nachricht von der <strong>Rebellion</strong> des Generals Maritz <strong>und</strong><br />

so schien es logisch, dass nun die historischen <strong>Buren</strong>-Provinzen Oranje Vrij Stad (Oranje Freistaat)<br />

<strong>und</strong> Transvaal die Ohren spitzten <strong>und</strong> losschlagen wollten, um sich von den Briten zu "befreien" ...<br />

In Lichtenburg (Provinz Transvaal) meuterten mehrere "Commandos" (burische Truppenteile), die vor<br />

dem Einsatz gegen die Deutschen standen. <strong>Die</strong> Männer stoppten Eisenbahntransporte,<br />

beschlagnahmten Vorräte <strong>und</strong> traten als "Unabhängige" auf. General Beyers sammelte seine<br />

Getreuen in der Region Magaliesberg <strong>und</strong> missachtete einen Appell der Niederländisch-Reformierten<br />

Kirche, in dem die <strong>Rebellion</strong> verurteilt wurde "als unchristlicher Affront gegen den Friedensvertrag mit<br />

den Briten nach dem <strong>Buren</strong>krieg, unterzeichnet in Vereeniging, <strong>und</strong> als Todsünde wider Gott, unseren<br />

Herrn ..."<br />

Beyers Aufstand dauerte nicht lange. Nach einer Woche tauchten Einheiten der Regierung auf bei<br />

Kommissie Drift nahe Rustenburg, <strong>und</strong> auf einmal wollte keiner mehr Revolutionär gewesen sein.<br />

Beyers musste fliehen <strong>und</strong> schloss sich dem Rebellen Major Kemp an, dessen Gefolgsleute bei<br />

Treurfontein Tote <strong>und</strong> Verw<strong>und</strong>ete durch Zusammenstösse mit den Regierungseinheiten zu<br />

verzeichnen hatten.<br />

Jetzt standen den Rebellen-Chefs etwa 2.000 Männer zur Verfügung, <strong>und</strong> Beyers warb überall um<br />

Freiwillige zur Verstärkung. Zugleich wollte er bei der Schutztruppe Waffen <strong>und</strong> Munition anfordern,<br />

weil Maritz dies zugesagt hatte. Mit 800 Soldaten begann Major Kemp am 2. November 1914 seinen<br />

"legendären Treck", der in die Kriegsgeschichte eingehen sollte.


Beyers eilte zurück in den Freistaat mit 1200 Leuten, um sich De Wet anzuschliessen. Unterwegs<br />

erreichte ihn die Nachricht vom Angebot einer Begnadigung durch die Regierung, falls er seine<br />

Waffen niederlegen <strong>und</strong> he<strong>im</strong>wärts marschieren würde. Kein <strong>Buren</strong>-Kämpfer musste mit einem<br />

Prozess vor dem Militärgericht um Leben <strong>und</strong> Freiheit fürchten – so hiess es – <strong>und</strong> der gegenwärtige<br />

Feldzug gegen Deutsch-Südwestafrika stütze sich ausschliesslich auf Freiwillige.<br />

Captain A.W. Burton vom Medical Corps der Unionstruppen war als<br />

unparteiischer Arzt unermüdlich mit seinem Maultiergespann <strong>und</strong><br />

einem pr<strong>im</strong>itiven Karren unterwegs, um den Verw<strong>und</strong>eten aller<br />

dort kämpfenden Streitkräfte sowie de r Schutztruppe beizustehen,<br />

unterstützt von mutigen Sanitätern <strong>und</strong> Heilgehilfen.<br />

Am 16. November 1914 zerstreuten sich Beyers Truppen endgültig, nachdem sie zuvor mehrfach<br />

Tote, Verw<strong>und</strong>ete <strong>und</strong> Gefangene eingebüsst hatten <strong>im</strong> Verlauf von Zusammenstössen mit loyalen<br />

Einheiten. Bulfontein hiess der Schlusspunkt. Beyers, eskortiert von wenigen <strong>Fre<strong>und</strong></strong>en, wollte sich<br />

nicht beugen, tauchte hier <strong>und</strong> da <strong>im</strong> Freistaat auf <strong>und</strong> blieb zuletzt am Val River mit reissendem<br />

Hochwasser in einer Falle stecken. Alle kapitulierten mit Ausnahme von Beyers <strong>und</strong> einem engen<br />

<strong>Fre<strong>und</strong></strong> des Generals. Sie wollten mit ihren Pferden den Fluss durchschw<strong>im</strong>men, wurden vom Ufer her<br />

beschossen <strong>und</strong> ertranken ...<br />

Major Kemp in der Kalahari Wüste<br />

Unterdessen suchte Major Kemp mit seinem "Commando" Zuflucht in der unwirtlichen Kalahari.<br />

Vorräte beschaffte sich der Rebell in der Ortschaft Schweizer-Reneke. Weiter ging der Ritt Richtung<br />

Kuruman, gegründet von dem Missionar <strong>und</strong> Forscher Robert Moffatt, dessen Tochter dort David<br />

Livingstone heiratete. <strong>Die</strong> Militärs in Kuruman wollten Kemp nicht beistehen, während die örtliche<br />

Polizei <strong>und</strong> Verwaltung tatenlos zuschauten wie sich Kemp Waffen. Munition <strong>und</strong> Pferde beschaffte.<br />

Ortskommandant Rechtsanwalt Frylinck "verdrückte" sich mit seinen 80 Männern in die Wüste <strong>und</strong><br />

wollte lieber seine Ruhe haben <strong>und</strong> erst einmal abwarten.<br />

Einige Zeit verging – dann entschied die unschlüssige Bürgerwehr doch anders, vereinigte ihre Kräfte<br />

mit 300 loyalen Kuruman Commandos aus der Umgebung <strong>und</strong> verfolgte Kemp <strong>im</strong> vorsichtigen<br />

Abstand. Major Kemp änderte nunmehr seine Pläne, weil er das Risiko der wasserlosen Wüste<br />

Richtung Schutztruppe scheute <strong>und</strong> gab als Marschrichtung den Oranje-Fluss <strong>im</strong> Süden an. Jetzt<br />

drohte ihm aber Gefahr von loyalen Kräften in Upington.<br />

Es kam zu Gefechten mit dem Kuruman Commando bei Witsands, <strong>und</strong> eine Abteilung der Transvaal<br />

Scottish Reg<strong>im</strong>ents musste passiv in der Nähe zuschauen "auf höheren Befehl". <strong>Die</strong>se Truppe wusste<br />

(noch) nicht, dass Regierungsgeneral Louis Botha aus psychologischen Rücksichten keine


Beteiligung britischer Einheiten bei der Niederschlagung der <strong>Rebellion</strong> wünschte (aus Furcht vor<br />

stürmisch zunehmender burischer Solidarisierung <strong>im</strong> ganzen Land). Es durfte zu keinem massiven<br />

Bürgerkrieg kommen!<br />

Überdies blieb das Imperial Light Horse Reg<strong>im</strong>ent in Wartestellung <strong>und</strong> konnte Bothas Zögern nicht<br />

begreifen, denn er vermied öffentliche Kommentare wegen seines Verhaltens. Immerhin erwischten<br />

die Light Horse Kavalleristen mehr oder weniger zufällig einen seltsamen Mann, der mit einer weissen<br />

Flagge auftauchte <strong>und</strong> sich den Vorposten in der Wüste näherte. Er sei Franzose, komme von Major<br />

Kemps Leuten <strong>und</strong> wolle mit den Regierungstruppen zusammenarbeiten, weil er alle Pläne Kemps<br />

kenne. Eine Durchsuchung ergab, dass der verdächtige Mann eine schriftliche Botschaft in der<br />

Kleidung versteckt hatte, die von Kemp stammte <strong>und</strong> an General Maritz adressiert war. Das genügte,<br />

um ihn als Spion zu erschiessen (nach einem Militärgerichtsverfahren vor Ort).<br />

Drei Tage später stiess das Imperial Light Horse Reg<strong>im</strong>ent (ILH), vereinigt mit dem Natal Light Horse<br />

Reg<strong>im</strong>ent <strong>und</strong> einigen "Burgher Commandos", bei Rooidam auf Kemps Soldaten, ungefähr einige<br />

h<strong>und</strong>ert Rebellen. <strong>Die</strong> Aufrührer waren hervorragende Scharfschützen <strong>und</strong> verwendeten die<br />

gefürchteten Dum-Dum-Patronen, die schreckliche Verletzungen verursachen.<br />

(Anmerkung: Ein Dum-Dum-Geschoss ist ein Infanteriegeschoss mit abgekniffener Spitze <strong>und</strong><br />

dadurch frei liegendem Bleikern, das einen Menschen innerlich "zerfetzt". Benannt nach dem Standort<br />

der Bengalischen Artillerie bei Calcutta, wo solche Geschosse zuerst hergestellt wurden um die<br />

Jahrh<strong>und</strong>ertwende. Nach dem Völkerrecht 1868 sind Dum-Dum-Geschosse als Kriegswaffen nicht<br />

zugelassen <strong>und</strong> wurden historisch gesehen nur selten verwendet in der jüngeren Vergangenheit.<br />

Technische Details: Entweder ein Halbmantelgeschoss mit frei liegendem Bleikern oder<br />

Hohlspitzgeschoss, dessen ummantelte Spitze eine zylindrische Bohrung aufweist. Dum-Dum-<br />

Wirkung ist Sprenggeschoss-Wirkung).<br />

Kemps Commando kämpfte sich durch bis Swartmodder, wenige Kilometer vor der Grenze zu DSWA.<br />

Mit einem genialen Schachzug – neidlos anerkannt von allen Experten – versteckte Kemp seine<br />

Scharfschützen zwischen Dünenwällen als Nachhut, hielt die Verfolger auf Distanz <strong>und</strong> rettete seine<br />

Hauptstreitmacht mit Bravour über die Grenze hinweg zu den Deutschen. Ein Vrij Korps stiess hinzu<br />

<strong>und</strong> folgte dem Beispiel. Major Kemp hatte sich r<strong>und</strong> einen Monat lang wacker behauptet <strong>und</strong> war<br />

zuletzt von 500 Getreuen umgeben – ursprünglich zählte seine Schar 800 Köpfe. Es gab kaum noch<br />

Pferde, man marschierte erschöpft Richtung Schutztruppe.<br />

Bei Nakob traf Kemp seinen General Maritz (auf deutscher Seite) <strong>und</strong> konnte auf 700 Meilen<br />

Fluchtweg zurückblicken voller Strapazen.<br />

Fortsetzung folgt in Transvaal<br />

Nach General Beyers Tod wollte Christiaan Muller östlich Pretoria eine neue Rebellenfront aufbauen,<br />

geriet jedoch in die Hände einer Polizei-Einheit <strong>und</strong> musste aufgeben. Jopie Fourie, ein weiterer<br />

Rebellenführer, hatte seine letzte Chance in Nooitgedacht am 15. Dezember 1914 bei einem<br />

verzweifelten Bajonett-Angriff in einem trockenen Flussbett (ausgeführt von Polizei). Wiederum<br />

verwendeten die Rebellen Dum-Dum-Patronen, <strong>und</strong> die Polizisten erlitten schwere Verluste.<br />

Jopie Fourie musste vor einem Kriegsgericht wegen Hochverrat erscheinen <strong>und</strong> wurde vier Tage nach<br />

seiner Verhaftung zum Tod verurteilt <strong>und</strong> von einem Exekutionskommando erschossen. Er blieb der<br />

einzige "Märtyrer" des <strong>Buren</strong>-Aufstands, weil alle übrigen (abgesehen von kurzen Haftstrafen <strong>und</strong><br />

Geldbussen) amnestiert wurden als Zeichen der Versöhnung.<br />

Im Vrij Stad der Oranler verlief der Aufruhr günstiger als in Transvaal, angeführt von General De Wet.<br />

Am 28.Oktober 1914 besetzte er die Gemeinde Vrede mit 800 seiner Leute <strong>und</strong> begann einen Streit<br />

mit dem Magistrat, weil er früher einmal fünf Schillinge Geldstrafe zahlen musste "wegen<br />

Körperverletzung, begangen an einem Schwarzen vor Ort".<br />

De Wet beabsichtigte, so bald wie möglich mit General Maritz zusammen zu treffen, Pretoria zu<br />

erobern <strong>und</strong> dort eine Freie <strong>Buren</strong>-Republik auszurufen. Bis zu seinem Eintreffen in Lindley konnte De<br />

Wet etwa 1200 Reitersoldaten aufweisen, viele neu angeworben (in Räuberzivil gekleidet). Läden<br />

wurden geplündert, Vorräte aufgestockt. Bei Winburg leisteten Regierungstruppen heftigen


Widerstand, <strong>und</strong> der Kampf wogte hin <strong>und</strong> her bis zum Sieg der Aufrührer. De Wit erlaubte wiederum<br />

Plünderungen von Ladengeschäften, Privathäusern <strong>und</strong> anderen Einrichtungen. Der Magistrat geriet<br />

in Gefangenschaft, der Bürgermeister steckte Prügel ein. Nun marschierten 4.000 Männer mit dem<br />

General in bester Laune.<br />

Mit aufgepflanztem Bajonett<br />

umringten Infanteristen der<br />

Regierung ihre gefangenen<br />

<strong>Buren</strong>-Rebellen, nachdem man in<br />

Upington kapituliert hatte.<br />

Im Hintergr<strong>und</strong> die Niederländisch-<br />

Reformierte Kirche.<br />

General Botha vermied sorgfältig<br />

allzu hartes Zupacken<br />

durch Engländer.<br />

General Botha näherte sich wenige Tage danach Winburg <strong>und</strong> fand eine verwüstete Stadt vor wie<br />

noch nie erlebt. <strong>Die</strong> Regierungssoldaten sangen den jüngsten Schlager der Saison: "It's a long way to<br />

Tipperary ..." <strong>Die</strong> Nächte waren eiskalt, das Militär fror erbärmlich in dieser Jahreszeit mit<br />

einschneidendem Temperaturwechsel r<strong>und</strong> um die Uhr.<br />

Botha zwischen allen Stühlen<br />

General Botha hatte es versäumt, die Politiker Hertzog <strong>und</strong> den letzten Freistaat-Präsidenten Steyn<br />

ins Vertrauen zu ziehen <strong>und</strong> sie um Hilfe zu bitten, damit General De Wet endlich einlenken konnte<br />

ohne weiteres Blutvergiessen. Steyn erklärte, dann würde er sein Gesicht verlieren als Gegner jeder<br />

militärischen Aktion mit Ziel Deutsch-Südwestafrika. Beyers <strong>und</strong> De Wet wollten sich nicht mit einer<br />

möglichen Amnestie "einkaufen" lassen.<br />

Botha erklärte einmal nach dem Ende der Auseinandersetzungen voller Bitterkeit: "<strong>Die</strong> letzten drei<br />

Monate (Oktober bis Dezember 1914) waren die schl<strong>im</strong>msten <strong>und</strong> schmerzhaftesten meines Lebens,<br />

<strong>und</strong> General Smuts hatte die gleichen Empfindungen. Es war entsetzlich, <strong>im</strong>mer wieder alte<br />

Kameraden aus dem <strong>Buren</strong>krieg unter den Toten der neuen <strong>Rebellion</strong> entdecken zu müssen ..."<br />

Nächste Etappe nach Winburg war Mushroom Valley, wo Botha seinen Gegner de Wet vorzufinden<br />

hoffte, südöstlich gelegen. Man schrieb den 12. November 1914 – General Lukin <strong>und</strong> Koen Brits<br />

sowie Colonel Brand sollten mit ihren Einheiten hinzu kommen (<strong>und</strong> die Schutztruppe für eine Weile<br />

vergessen). Botha traf mit seinem grossen grünen Vauxhall Kommando-Auto <strong>im</strong> Morgengrauen ein,<br />

das er wechselweise mit seinem Pferd nutzte.<br />

Botha setzte sich – wie gewohnt – auf seinen geliebten kleinen Klappstuhl, griff zum Fernglas <strong>und</strong><br />

fixierte De Wets Kommando, etwa drei Kilometer entfernt. <strong>Die</strong> Cape Field Artillery preschte heran, <strong>und</strong><br />

Botha befahl: Skiet!" – De Wets Männer sprangen in Panik auf ihre Gäule <strong>und</strong> liessen alles liegen,<br />

ohne ihre Einkreisung zu erkennen. Es gab 3.000 Gefangene <strong>und</strong> 22 Tote nach einem kurzen Kampf.<br />

General De Wet entkam mit wenigen Vertrauten, aber seine letzten Aktionen blieben ohne grosse<br />

Wirkung.<br />

Nach vier Tagen griff er Virginia Station an <strong>und</strong> musste ausweichen. Immer mehr Männer<br />

"verkrümelten" sich angesichts der bevorstehenden Niederlage. Ab Vryburg ritten bloss 100 Männer<br />

zur Kalahari mit, um DSWA zu erreichen <strong>und</strong> Maritz sowie Kemp zu finden. Coen Brits blieb ihnen hart


auf den Fersen, teils mit Automobilen, teils zu Pferd (wegen Treibstoffmangel). Nachschub lieferten<br />

die Kamelreiter der südafrikanischen Polizei in Morokwen.<br />

Am 2.Dezember 1914 – drei Wochen nach dem Gefecht bei Mushroom Valley – stellten die Verfolger<br />

General De Wet <strong>im</strong> Britischen Protektorat Betschuanaland während einer Rast am Molopo Fluss. De<br />

Wet wollte mit zwei Offizieren entkommen, aber alle Pferde waren zu erschöpft für eine weitere Flucht.<br />

So kam es zur Gefangennahme des Rebellen-Führers, der über Hennig Vlei die rettende<br />

Schutztruppe <strong>im</strong> Visier hatte.<br />

Im westlichen Freistaat verlief die <strong>Rebellion</strong> auf anderen Geleisen: Der Rechtsanwalt Rocco de Villiers<br />

besetzte mit seinen Anhängern Parys, Vredefort <strong>und</strong> Kopjes für kurze Zeit. Im Osten agierte der<br />

Geschäftsmann Wessel Wessels, der fre<strong>im</strong>ütig mit Deutschland sympathisiert hatte <strong>und</strong> England zum<br />

Teufel wünschte. Am 24.Oktober 1914 führte Niklaas Serfontein, Parlamentsabgeordneter für die<br />

Kleinstadt Frankfort, einen Angriff gegen die Gemeinde Reitz, harrte dort einen Monat lang aus,<br />

wohlgelitten von den Einwohnern, <strong>und</strong> musste erst am 4.Dezember 1914 vor Regierungstruppen<br />

fliehen.<br />

Wessels hatte unterdessen Harrismith am 2.November 1914 eingenommen, die Stadt geplündert <strong>und</strong><br />

die Gleise der Bahnstrecke zerstört (in Richtung Natal). <strong>Die</strong> 2oo Mann starke Bürgerwehr ergab sich<br />

"schlafend <strong>im</strong> Rathaus ..." – <strong>Die</strong> Verteidiger von Bethlehem wehrten sich energisch <strong>und</strong> blieben<br />

standhaft, sodass Wessells weiter zog.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Rebellion</strong> hatte auch ihre komischen Aspekte, was man kaum für möglich hält: Als die Aufrührer in<br />

Heilbron plünderten, hinterliessen sie in den Läden Bescheinigungen mit folgendem Text: "Bezahlung<br />

der Ware erfolgt durch den späteren Gewinner der gegenwärtigen Auseinandersetzung". – Als die<br />

Kleinstadt Reitz von burischen Regierungstruppen erobert wurde, waren die Bewohner verblüfft über<br />

die "Befreiung durch unsere Leute" – wie es hiess. Eine alte Frau fragte einen Sergeanten: "Aber – wo<br />

zum Teufel – sind die verdammten Engländer?" Und die Antwort lautete: "Liebe Frau, beruhigen Sie<br />

sich, WIR sind die verdammten Engländer ... ausnahmsweise!" – Wessels ergab sich mit 1200<br />

Kämpfern am 8.Dezember 1914 in Tiger River <strong>und</strong> wurde amnestiert. Andere Kommandanten<br />

verhe<strong>im</strong>lichten ihren Männern die gebotene General-Amnestie <strong>und</strong> liessen sie sinnlos weiter<br />

schiessen bis zum bitteren Ende.<br />

Maritz gibt nicht auf<br />

Während überall <strong>im</strong> Land die Rebellen kapitulierten oder auseinander liefen, blieb General Maritz<br />

unerschütterlich, verborgen in Jerusalem, schmiedete neue Pläne <strong>und</strong> freute sich über sein<br />

ausgeheiltes Bein <strong>im</strong> Kreis der deutschen Alliierten von SWA.<br />

Captain Dr. A.W. Burton vom South African Medical Corps fuhr in seinem Auto nach Lutzeputz ,<br />

markiert mit einer Flagge des Roten Kreuzes, <strong>und</strong> erblickte plötzlich Rauchschwaden, überall<br />

verstreut herum liegende Fleischkonservendosen, Obstkonserven, Hartzwieback, Pferdefutter-<br />

Rationen <strong>und</strong> andere Objekte am Strassenrand. Immer wieder begegneten ihm Verw<strong>und</strong>ete, die er<br />

versorgte. Maritz-Rebellen achteten das Rote Kreuz <strong>und</strong> machten keine Schwierigkeiten unterwegs.<br />

Nachdem Burton den Ort Lutzeputz erreichte, hatten die Kämpfe aufgehört <strong>und</strong> Burtons Sanitäter<br />

Gelegenheit zur umfassenden Versorgung aller Verletzten in rasch aufgebauten Zelten. Captain Dr.<br />

Burton traf dabei auf General Maritz, begleitet von einem deutschen Arzt <strong>und</strong> einigen anderen<br />

Männern – alle trugen Schutztruppe-Uniformen. Maritz wollte wissen, ob Burton die Verw<strong>und</strong>eten mit<br />

Proviant versorgen konnte, aber das war nicht möglich. Daraufhin versprach Maritz eine Lebensmittel-<br />

Lieferung. Am nächsten Morgen ritten Maritz <strong>und</strong> die Deutschen Richtung Upington davon, <strong>und</strong> von<br />

Proviant war weit <strong>und</strong> breit nichts zu sehen. Burton notierte in seinem Tagebuch: "Ich glaube, Maritz<br />

hatte überhaupt keine Gelegenheit zur Beschaffung von Lebensmitteln <strong>und</strong> die Deutschen<br />

ebensowenig".


<strong>Die</strong> deutsche Schutztruppe<br />

unterhielt 500 Kamelreiter<br />

als K<strong>und</strong>schafter <strong>im</strong><br />

Wüstengebiet der Namib<br />

ähnlich wie die<br />

südafrikanischen Einheiten.<br />

In Upington steht ein<br />

Denkmal zur Erinnerung.<br />

Vor ihrem Abzug vergifteten die Rebellen einen Brunnen mit Tierkadavern <strong>und</strong> die Sanitäter hatten<br />

grosse Mühe, das Wasser wieder geniessbar zu machen <strong>und</strong> den Brunnen zu säubern. Plötzlich<br />

erschien ein Buschmann <strong>und</strong> bot Ziegen zum Kauf an, die Sergeant Orpen abholte – <strong>im</strong>merhin zwei<br />

Schlachttiere für die Verw<strong>und</strong>eten. Am Tag darauf rumpelte die Maultier-Sanitätskolonne Richtung<br />

Upington los, fast 100 Kilometer weit. Doktor Burton marschierte mit, sein Auto hatte keinen Treibstoff<br />

mehr.<br />

<strong>Die</strong> Schutztruppe drängte Maritz, endlich Upington anzugreifen, unterstützt von deutscher Seite <strong>und</strong><br />

deutscher Artillerie sowie einigen Maschinengewehren. Major Ritter sollte ebenfalls eingreifen bei<br />

Raman's Drift <strong>und</strong> Steinkopf. Maritz hatte ausser den eigenen Leuten die Rebellen des Majors Kemp<br />

zur Verfügung seit Ende Dezember 1914. In Keetmanshoop kam es zu einer Besprechung zwischen<br />

Gouverneur Seitz sowie Maritz <strong>und</strong> Kemp, um vermehrt Waffenhilfe zu erhalten.<br />

Lutzeputz schien ein militärischer Sieg der Rebellen unter Maritz gewesen zu sein, aber seine Truppe<br />

bekam dort zum ersten Mal Zeitungen zu lesen, in denen vom Zusammembruch des Aufstands<br />

berichtet wurde, von Beyers Tod, De Wets Gefangennahme <strong>und</strong> anderen Katastrophen <strong>im</strong> Land.<br />

Maritz wusste das nicht, sonst hätte er diese Zeitungen nicht in die Hände seiner Kameraden<br />

gelangen lassen.<br />

Jetzt schickte Maritz einen Brief an Colonel Jacob van Deventer, den Kommandanten von Upington,<br />

<strong>und</strong> forderte zur Kapitulation auf. Fünf Tage später – am 24.Januar 1915 – griff Maritz an, ohne eine<br />

Antwort aus Upington abzuwarten. Man weiss inzwischen, dass die Schutztruppe die Geduld mit<br />

Maritz verloren hatte <strong>und</strong> auf schnelle Aktionen drängte.<br />

Südafrikanische Kriegsgefangene<br />

mit W<strong>und</strong>verbänden nach dem Sieg<br />

der Schutztruppe bei Sandfontein zu<br />

Beginn der <strong>Feind</strong>seligkeiten <strong>im</strong><br />

Ersten Weltkrieg.


Captain Burton fuhr abends am 23.Januar 1915 von Upington mit einem Ambulanzwagen in das<br />

Rebellenlager, weil man wegen eines verw<strong>und</strong>eten <strong>und</strong> gefangenen Regierungssoldaten medizinische<br />

Hilfe brauchte <strong>und</strong> eine Nachricht geschickt hatte. Der Arzt füllte einige Wasserflaschen mit Zitronen-<br />

L<strong>im</strong>onade, wusste jedoch nicht, dass diese L<strong>im</strong>onade he<strong>im</strong>tückisch vergiftet worden war. Im Lager traf<br />

Dr. Burton auch den deutschen Arzt <strong>und</strong> bot seine L<strong>im</strong>onade an. Kaum hatten alle getrunken,<br />

mussten sie heftig erbrechen – einschliesslich Doktor Burton. Man machte ihm Vorwürfe, doch Burton<br />

konnte überzeugend darlegen, dass er selbst ahnungslos betroffen war, <strong>und</strong> die Männer beruhigten<br />

sich allmählich.<br />

Während der Rückfahrt mit dem verw<strong>und</strong>eten Scout der SA Mounted Rifles entdeckte ein Sanitäter<br />

dicht hinter dem Fahrzeug Reiter <strong>und</strong> Fusstruppen <strong>im</strong> Mondlicht, voran ein Mann auf einem Sch<strong>im</strong>mel,<br />

<strong>und</strong> dann schwenkte die Kolonne in Richtung Upington seitwärts. Das musste General Maritz sein,<br />

<strong>und</strong> Dr. Burton trieb seinen von Maultieren gezogenen Ambulanzkarren zur Eile an. In Upington<br />

wussten die Verteidiger längst Bescheid dank ihrer K<strong>und</strong>schafter.<br />

Ein Bandit mit Ehrgefühl<br />

<strong>Die</strong> Garnison Upington war keineswegs von einem militärischen Späher in Alarmzustand versetzt<br />

worden – wie man annehmen konnte – sondern von dem legendären Scotty Smith, seines Zeichens<br />

Bandit, Pferdedieb, Diamanten-Schmuggler, Fluchthelfer <strong>und</strong> Schrecken aller Polizisten weit <strong>und</strong> breit.<br />

Smith hatte längere Zeit die Rebellen-Soldaten mit seinem Fernglas beobachtet, die ersten Anzeichen<br />

ihres Aufbruchs bemerkt <strong>und</strong> sich sofort mit seinem Pferd auf den Weg nach Upington gemacht, um<br />

dort – kühl kaufmännisch – eine saftige Belohnung abzukassieren, denn der Rebellenkrieg an sich<br />

interessierte ihn nicht <strong>im</strong> geringsten.<br />

Smith hatte sich schon früher als ausgezeichneter K<strong>und</strong>schafter bewährt. Man erzählte, dieser Smith<br />

sei in Wirklichkeit ein Adelsspross <strong>und</strong> heisse George Saint Leger Gordon Lennox oder so ähnlich.<br />

Vor Jahren machte er mit einigen Komplizen Betschuanaland unsicher, dazu DSWA <strong>und</strong> die Kap-<br />

Provinz. Am liebsten lebte er in der Kalahari Wüste als Einsiedler. Spanien, Indien, Australien zählten<br />

zur gehe<strong>im</strong>nisvollen Vergangenheit des Mannes – auch eine Zeit als Polizist am Kap. Pferde schienen<br />

für ihn die liebsten Begleiter zu sein.<br />

Im Morgengrauen des 24.Januar 1915 griff Maritz endlich an mit seinen 1000 Soldaten <strong>und</strong> deutscher<br />

Artillerie-Unterstützung (vier Kanonen, zwei Pom-Pom-Guns, zwei MG). Pom-Pom-Guns waren<br />

automatische Schnellfeuergeschütze, auch Revolver-Kanonen genannt (<strong>im</strong> Museum Tsumeb zu<br />

besichtigen für Touristen).<br />

Es ist nicht zuverlässig überliefert, ob die Schutztruppen-Kanonen von deutschen Artilleristen bedient<br />

wurden oder von <strong>Buren</strong>-Artilleristen mit entsprechender Ausbildung. "<strong>Die</strong> deutschen Revolver-<br />

Kanonen hörten sich wie H<strong>und</strong>egebell an auf grössere Distanz", notierte Dr. Burton in seinem<br />

Tagebuch. Nach fünf St<strong>und</strong>en gingen die Rebellen zurück, überrascht von der starken Abwehr. <strong>Die</strong><br />

Verteidiger verschossen 250 Artillerie-Granaten, die deutschen Gegner etwa 150 nach Schätzungen.<br />

<strong>Die</strong> Rebellen hatten 12 Tote <strong>und</strong> 23 Verw<strong>und</strong>ete sowie 97 Verluste durch Gefangenschaft. Fast alle<br />

trugen deutsche Schutztruppe-Uniformen. Drei Verteidiger kamen ums Leben, 22 erlitten<br />

Verletzungen. Und man registrierte etwa 20 getötete Pferde durch Artillerie. Am 30.Januar 1915<br />

kapitulierte Maritz mit Kemp <strong>und</strong> anderen ausserhalb Upington <strong>im</strong> Feldlager.<br />

Was stand <strong>im</strong> Gehe<strong>im</strong>vertrag?<br />

<strong>Die</strong> deutsche Reichsregierung hatte zu keiner Zeit Überlegungen angestellt, ihren Herrschaftsbereich<br />

über Südwestafrika bis nach Südafrika auszudehnen (wie in der britischen Kriegspropaganda<br />

unterstellt wurde). Im Reichstag waren allerdings törichte St<strong>im</strong>men zu vernehmen (Abgeordneter<br />

Lattmann), die von einem strategisch bedeutsamen Eisenbahnbau in DSWA faselten mit dem Ziel die<br />

Kap-Kolonie zu erobern. Eine Zeitung fabulierte: "Wir werden Transvaal mit unseren burischen<br />

Blutsbrüdern kassieren <strong>und</strong> ihnen ein Leben in Freiheit ohne britisches Joch ermöglichen ..."<br />

Tatsächlich lag die deutsche Truppenstärke bei Kriegsausbruch unter 3.000 Mann (ohne Reservisten)<br />

<strong>und</strong> sollte weiter verringert werden. Der Gouverneur wollte in jedem Fall die Grenzen zwischen DSWA<br />

<strong>und</strong> der Union of South Africa respektieren <strong>und</strong> änderte seine Einstellung erst dann, nachdem der


itische Hilfskreuzer ARMADALE CASTLE am 14.September 1914 Swakopm<strong>und</strong> mit Schiffsartillerie<br />

beschossen hatte.<br />

Deutsche Truppen sollten keineswegs Upington erobern, sondern lediglich den <strong>Buren</strong>-Rebellen<br />

vorübergehend Beistand leisten <strong>und</strong> sich dann wieder zurückziehen.<br />

Gouverneur Seitz respektierte in dem oft zitierten Gehe<strong>im</strong>vertrag mit General Maritz die<br />

Unabhängigkeit der Union of South Africa <strong>und</strong> versprach Unterstützung der burischen Bestrebungen<br />

Delagoa Bay (Lourenco Marques in Portugiesisch-Ostafrika) zu erwerben. Dann hätte die <strong>Buren</strong>-<br />

Republik einen Seehafen bekommen, woraus man schliessen darf, dass Maritz mit den alten<br />

Republiken (Freistaaten) Transvaal <strong>und</strong> Oranje zufrieden schien ohne Expansionsgelüste innerhalb<br />

Südafrikas. Unklar blieb jedoch, ob Portugal am Verkauf seines Hafens interessiert war in jener Zeit,<br />

also <strong>im</strong> heutigen Mozambique. Als Gegenleistung wollten die <strong>Buren</strong> den Deutschen Walvis Bay als<br />

Tiefseehafen überlassen. Seitz machte zur Voraussetzung aller Beschlüsse, dass Maritz rechtzeitig<br />

<strong>und</strong> erfolgreich rebellierte, um die Briten von einer Eroberung Südwestafrikas abzuhalten. Kaiser<br />

Wilhelm II. telegrafierte dazu seine Zust<strong>im</strong>mung <strong>im</strong> Oktober 1914.<br />

Rebellen: Urteile mit Wiederaufstieg<br />

++++++<br />

Major Christoffel Kemp: sieben Jahre Haft <strong>und</strong> 1.000 Pf<strong>und</strong> Geldbusse<br />

General S.F.Maritz: 21 Monate Haft (schnelle Entlassung), Farmer SWA<br />

General Christiaan De Wet: sechs Jahre Haft <strong>und</strong> 2.000 Pf<strong>und</strong> Geldbusse<br />

Wessell Wessells: fünf Jahre Haft <strong>und</strong> 1.000 Pf<strong>und</strong> Geldbusse<br />

Rocco De Villiers: vier Jahre Haft <strong>und</strong> 500 Pf<strong>und</strong> Geldbusse<br />

Niklaas Serfontein: vier Jahre Haft<br />

Niklaas van Rensburg: 18 Monate Haft<br />

Fast alle Offiziere <strong>und</strong> Zivilisten, die führend am Aufstand gegen die rechtmässige Regierung der<br />

Union of South Africa beteiligt waren, wurden bis Weihnachten 1915 nach kurzer Haft freigelassen,<br />

weil sich die politischen Verhältnisse <strong>im</strong> Parlament wesentlich verändert hatten. Vielfach feierte<br />

man die "Landesverräter" jetzt als Helden.<br />

Der Haupträdelsführer Major Christoffel Kemp (neben General de Wet <strong>und</strong> General Maritz) war<br />

knapp zwei Jahre in Haft <strong>und</strong> wurde 1924 zum Minister für Landwirtschaft <strong>im</strong> Kabinett Hertzog<br />

ernannt. 1935 diente er <strong>im</strong> Kabinett Smuts als Minister of Lands.


Quellen<br />

The Star Newspaper Collection Johannesburg<br />

Sir Charles Lukas: The Empire at War<br />

(Oxford University Press)<br />

Deneys Reitz: Trekking On<br />

(Faber & Faber 1933)<br />

A.W.Burton Diaries<br />

(Rhodes University Grahamstown)<br />

Gerald L'Ange: Urgent Imperial Service<br />

(Ashanti Publishing 1991)<br />

J.J.Collyer: The Campaign in German South West Africa<br />

(Government Printer Pretoria 1937)<br />

W.S.Rayner: How Botha and Smuths Conquered German SWA<br />

(Private Publication 1915)<br />

Kolonialbildarchive RSA, NAM, STUB-FFM , Burton, Wynard War Museum<br />

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