Tageszeitung junge Welt - Zambon verlag
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<strong>Tageszeitung</strong> <strong>junge</strong> <strong>Welt</strong><br />
http://www.<strong>junge</strong>welt.de/beilage/art/2611?print=1<br />
2 von 2 21.06.2011 14:04<br />
Konsens war in ihnen die Ablehnung der UdSSR, die getreu der chinesischen Propaganda als<br />
»Sozialimperialismus« gegeißelt wurde und größtenteils als noch teuflischer als der US-Imperialismus<br />
eingeschätzt wurde. Die KPD/Aufbauorganisation (AO) rief 1976 den sowjetischen Staatschef Leonid Breschnew<br />
sogar zum »Hitler von heute« aus und mißtraute der militärischen Kraft der NATO, ihm Einhalt zu gebieten:<br />
»Bürgerliche Militärpolitik kann die nationale Verteidigung nicht sichern!« Stengl kann es auch heute kaum<br />
fassen: »Die (politisch doch gänzlich uninteressante) DKP wird zur gefährlichen ›Agentur des sowjetischen<br />
Sozialimperialismus‹ erhoben und damit zum Hauptfeind im eigenen Land! Die ›Entspannungspolitik‹ der<br />
SPD-Regierung wird völlig falsch als Kotau vor der UdSSR gesehen (statt – wie man 1989 sehen konnte – als<br />
erfolgreicher Beginn kalter Eroberungspolitik) und entsprechend scharf kritisiert.« Diese Aufbau-Kommunisten<br />
entwickelten einen Antisowjetismus, der den gängigen Antikommunismus der Rechten noch toppte.<br />
Entsprechend träumte man davon, die DDR abzuschaffen, »denn es gibt nur eine deutsche Arbeiterklasse, ein<br />
deutsches Volk und eine deutsche Nation«. Stengl fragt: »Kann hier nicht ein Ansatz zu Horst Mahlers<br />
rechtsradikaler Karriere liegen?« Bekanntlich lehnte es das ehemalige RAF-Mitglied 1975 ab, im Zuge der<br />
Entführung von Peter Lorenz durch die Bewegung 2. Juni aus dem Gefängnis freigepreßt zuwerden, weil er sich<br />
als neuer Mann der KPD/AO begriff.<br />
Die K-Gruppen wollten vom sogenannten bewaffneten Kampf nichts wissen, weil sie ihn für verfrüht hielten,<br />
solidarisierten sich aber mit de politischen Gefangenen und prangerten deren inhumane Haftbedingungen an.<br />
Sie favorisierten die bewaffneten proletarischen Massen, hatten aber große Schwierigkeiten, die Arbeiterklasse<br />
überhaupt zu erreichen, mit Ausnahme von KB und KPD/ML, deren Mitglieder nicht ganz so studentisch<br />
sozialisiert waren. Und wer sich dafür entschieden hatte, Arbeiter zu werden, um seine neuen Kollegen zu<br />
agitieren, bewegte sich nicht gerade wie ein Fisch im Wasser, wie es Mao Tse Tung in seinem kleinen roten<br />
Büchlein einst gefordert hatte. Die mühsam gegründeten Betriebszellen wurden noch am ehesten von den<br />
Gewerkschaften wahrgenommen – durch Ausschlußverfahren und Unvereinbarkeitsbeschlüsse, Stengl zählt<br />
insgesamt 1674 Auschlüsse für die 1970er Jahre. Die Versuche, eine »revolutionäre Gewerkschaftsopposition«<br />
aufzubauen, endeten desaströs. Anders als in Italien hinkten die Maoisten in der BRD dem Wandel der<br />
Arbeitsbedingungen durch Rationalisierung und Mikroelektronik hoffnungslos hinterher, weil sie laut Stengl »in<br />
einer vorhergesehenen Zukunft« lebten, in einem revolutionär ausgedeuteten Morgen. Sie »sahen, wenn<br />
überhaupt, die Gegenwart als schon vergangen an, also als bereits nicht mehr bestimmend«.<br />
Entsprechend konzeptlos wurde auf die Ökologiebewegung und andere soziale Bewegungen reagiert. Kaum<br />
waren endlich Massen protestierend unterwegs, schon brachen die K-Gruppen in sich zusammen. Sie »lösten<br />
sich nicht auf, weil es keinerlei soziale und politische Proteste und Widerstände mehr gab. Im Gegenteil. Diese<br />
Vereine konnten nur nichts damit anfangen«, schreibt Stengl. Nachdem man anfänglich noch durchaus militante<br />
Demonstrationen gegen den Bau von Atomkraftwerken in Brokdorf oder Grohnde organisiert hatte, wechselten<br />
viele Mitglieder in die neu entstehende Grüne Partei. Raus aus dem 0,1-Prozent-Ghetto, rein in den<br />
Friedhofsgarten revolutionärer Träume. Der erste grüne Ministerpräsident dieses Landes war früher im KBW und<br />
glaubt heute an Gott.<br />
Anton Stengl: Zur Geschichte der K-Gruppen. Marxisten-Leninisten in der BRD der Siebziger Jahre. <strong>Zambon</strong><br />
Verlag, Frankfurt/Main 2011, 207 Seiten, 10 Euro