Biosphärenpark Wienerwald
Biosphärenpark Wienerwald
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BIOSPHÄRENPARK<br />
<strong>Wienerwald</strong><br />
DIE<br />
ZUKUNFT<br />
LIEGT<br />
IN<br />
UNSERER<br />
HAND!<br />
Der BIOSPHÄRENPARK -<br />
das Zukunftskonzept für den <strong>Wienerwald</strong><br />
Die Entwicklungschance für unsere Region<br />
Harmonisches Miteinander von Mensch und Natur<br />
Verbindung von Schutz und Nutzung<br />
Modellregion für ökologisch und wirtschaftlich nachhaltiges Handeln<br />
Aktives Mitgestalten der Menschen im <strong>Wienerwald</strong><br />
Nach international gültigen Kriterien der UNESCO<br />
www.biosphaerenpark-wienerwald.org<br />
Fotos: Armerding, Tourismusdirektion Baden, Stadt Wien MA 49<br />
Eine Initiative der Länder<br />
Niederösterreich und Wien
BIOSPHÄRENPARK WIENERWALD<br />
Publikationen Dieter Armerding 2004 bis 2005*<br />
Offizielles Plakat Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> 1<br />
Inhalt 2<br />
Bioskop 4/2003: „Biospärenpark“:<br />
Ökotopia oder die Zukunft der <strong>Wienerwald</strong>landschaft 3<br />
Publikationen Klosterneuburge Zeitung:<br />
Oktober 2004 bis Januar 2005<br />
Was ein Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> braucht: Titel 10<br />
Stufe 1: Die Zonen 11<br />
Stufe 2: „Urwälder“ für die Zukunft 15<br />
Stufe 3: Schutzzonen 18<br />
Stufe 4: Wiesen und Weiden 22<br />
Stufe 5: Glückliche Bauern 27<br />
Stufe 6: Stopp der Zersiedelung 30<br />
Stufe 7: Stoppt die Verkehrslawine 33<br />
Stufe 8: Der Countdown läuft 36<br />
Stufe 9: Ein Modell für zukunftsfähige Entwicklung 41<br />
Stufe 10: Das Weltnetzwerk der Biosphärenparks 45<br />
Oktober 2004 bis November 2005<br />
Transition-Zone: <strong>Wienerwald</strong> 48<br />
Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong>–Chancen für Landwirtschaft 53<br />
Architektur und Tourismus im Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> 55<br />
Übernahme des Biosphärenparks <strong>Wienerwald</strong>:<br />
Die <strong>Wienerwald</strong> Tourismus GmbH (nicht publiziert) 57<br />
Erster Hadersfelder Herbstmarkt 59<br />
Ein Ort für Gebete und innere Einkehr 60<br />
Der gute Bauer vom Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> 62<br />
Das Erbe der Kartäuser 65<br />
Biedermeier-Landschaft im <strong>Wienerwald</strong> 68<br />
*Ein großer Teil der Manuskripte wurde bis Ende 2004 auch im Internet veröffentlicht<br />
auf den Seiten vom Netzwerk <strong>Wienerwald</strong>.
Ökotopia oder die Zukunft der <strong>Wienerwald</strong>landschaft?<br />
von Dieter Armerding<br />
Biosphere reserves are designed to<br />
deal with one of the most important<br />
questions the World faces today:<br />
how can we reconcile conservation<br />
of biodiversity and biological<br />
resources with their sustainable use?<br />
Biosphere Reserves: The Sevilla<br />
Strategie. 1995 1<br />
Der Ursprung des Konzepts von “Man<br />
and the Biosphere” (MAB) der<br />
UNESCO war wohl in der Sorge vieler<br />
Menschen während des letzten<br />
Jahrhunderts des zweiten Milleniums zu<br />
suchen: Es könnte in großen Teilen der<br />
noch unterentwickelten Welt genau das<br />
passieren, was in den so genannten<br />
entwickelten Ländern bereits Geschichte<br />
war: verschwindende natürliche<br />
Ressourcen, gallopierender Artenschwund,<br />
Transformierung und Destruktion<br />
naturnaher Landschaft, die Verpestung der<br />
Atmosphäre. Nachdem aber die<br />
Eingeborenen in vielen solcher<br />
ursprünglichen Landstriche eigentlich noch<br />
keine Probleme hatten, ihr Leben<br />
befriedigend und ausreichend zu fristen,<br />
weil sie eben das Land von dem sie<br />
lebten, nachhaltig bewirtschafteten,<br />
entpuppte sich das Vorhaben eher als<br />
eigennütziges Konservierungsprojekt der<br />
westlichen Welt. Motto: Dieser Planet<br />
gehört doch allen, und damit wir in Zukunft<br />
überleben können, sollte man alles<br />
bewahren, was anderswo schon kaputt<br />
oder verbraucht ist. Auch waren viele der<br />
ursprünglichen Bestrebungen eher als<br />
Ergänzung zur weltweiten Etablierung von<br />
Nationalparks und ähnlichen Natur-<br />
Reservaten (siehe auch “World Heritage”<br />
Liste der UNESCO) zu sehen. Mithin sind<br />
1 UNESCO: Biosphere Reserves: Special<br />
places for people and nature. Imprimerie<br />
Darantiere, Paris, 2002<br />
3<br />
viele der heutigen Biosphere Reserves<br />
ursprünglich Nationalparks gewesen. Dies<br />
sind sie zwar immer noch - als Kernzonen<br />
der Biosphere Reserves -, aber es<br />
wurde den besiedelten und<br />
bewirtschafteten Zonen vermehrt<br />
Aufmerksamkeit geschenkt.<br />
Uluru – Kata Tjuta National Park, Australien:<br />
Was haben der Ayers Rock und der<br />
<strong>Wienerwald</strong> gemeinsam? Der eine ist seit<br />
1977 Teil einer Biosphere Reserve, der<br />
andere will es werden. Der Ayers Rock ist für<br />
die Aborigines, die hier seit mehr als 22.000<br />
Jahren leben, ein heiliger Berg, der<br />
Knotenpunkt der Traumzeitpfade. Für die<br />
Touristen ist er nur zum Klettern gut. Können<br />
wir aus solchen und anderen Fehlern lernen<br />
und von den Überlebensstrategien der<br />
Ureinwohner?<br />
In sum, biosphere reserves should<br />
preserve and generate natural and<br />
cultural values through management<br />
that is scientifically correct,<br />
culturally creative and operationally<br />
sustainable.<br />
Biosphere Reserves: The Sevilla<br />
Strategie. 1995<br />
Im Gegensatz zu vielen Nationalparks,<br />
welche die dort lebenden Ureinwohner<br />
und deren kulturellen Eigenheiten lediglich<br />
als touristische Zugabe behandeln,<br />
versucht das UNESCO-MAB Programm<br />
gerade letztere voll einzubinden und zu
fördern. Das ist besonders dann sinnvoll,<br />
wenn die einheimische Bevölkerung<br />
überwiegend von den Erträgen der zu<br />
schützenden Region lebt. Die ursprünglich<br />
nachhaltige Nutzung des Landes<br />
funktioniert nicht mehr, wenn die<br />
Zerstörung naturnaher Landschaft immer<br />
näher rückt, die Interessen multinationaler<br />
Konzerne mit denen der einheimischen<br />
Bevölkerung kollidieren und zusätzlich<br />
neue Bedürfnisse durch den globalen<br />
Tourismus geweckt werden, der dann<br />
häufig auch noch die natürlichen<br />
Ressourcen aufbraucht, welche die<br />
Eingeborenen selber benötigen, um zu<br />
überleben. Resultierende reale Armut und<br />
Hunger sind letzten Endes nicht das<br />
Ergebnis der Unzulänglichkeit der<br />
kulturellen und sozialen Besonderheiten<br />
der Urbevölkerung sondern das Resultat<br />
der korrumpierenden und destruktiven<br />
Einflüsse der umgebenden Welt, die<br />
überwiegend längst vergessen hat, wie<br />
man mit und von der Natur lebt, ohne sie<br />
zu zerstören. Jetzt geht es darum, einen<br />
Ausweg aus diesem Dilemma zu finden.<br />
Dies bedarf neuer Wege, die aber<br />
durchaus traditionelle Wege nachhaltiger<br />
Landnutzung mit modernen Methoden<br />
und Technologien verknüpfen.<br />
Die Hilfeleistungen für ein effektives<br />
Management der vorhandenen<br />
Ressourcen, Erziehungsmaßnahmen,<br />
technische und auch finanzielle<br />
Unterstützung, sowie konsequenterweise<br />
der Versuch, sozio-ökonomische<br />
Parameter mit ökologischen<br />
Notwendigkeiten zu harmonisieren, all<br />
dies geht weit über die Begrenzungen<br />
eines reinen Naturschutzprojekts hinaus.<br />
Die Akzeptanz von Unternehmungen wie<br />
die der Biosphere Reserves bei den<br />
Eingeborenen dürfte auch höher sein,<br />
wenn man ihre kulturellen Eigenheiten<br />
respektiert und in die neuen Strategien<br />
einbindet. Obwohl es lobenswert ist,<br />
wenn multinationale Konzerne sich an<br />
4<br />
solchen Projekten beteiligen und sie<br />
mitfinanzieren, so darf man doch nicht<br />
vergessen, daß deren Motivation selten<br />
uneigennützig ist. Wenn z.B. Starbucks<br />
den nachhaltigen Kaffeeanbau in<br />
Lateinamerika, Asien und Afrika fördert,<br />
und der lokalen Bevölkerung beibringt,<br />
wie man dies effektiv und gewinnbringend<br />
hinbekommt, so stehen da wohl eigene<br />
Marktinteressen dahinter: Irgendwann wird<br />
dieser Einsatz auch ihre Profite steigern.<br />
“Urwald” in Österreich: Der Neuwald am<br />
Lahnsattel. Obwohl durch zu hohen<br />
Wildbestand stark geschädigt, reflektiert der<br />
Neuwald doch noch ein ursprüngliches<br />
Waldbild. Die Sicherung natürlicher Wald-<br />
Dynamik garantiert die Erhaltung der<br />
ursprünglichen floristischen und faunistischen<br />
Artenausstattung mehr als andere noch so<br />
naturnah bewirtschaftete Wälder.<br />
Naturwaldreservate könnten den Verlust von<br />
Urwaldflächen im <strong>Wienerwald</strong> weitgehend<br />
kompensieren.<br />
Schutz der Natur im einzelnen hat<br />
jedoch nicht viel Sinn angesichts der<br />
Rücksichtslosigkeit großen Ausmaßes<br />
und der allgemeinen Unklarheit<br />
über Wirkungszusammenhänge im<br />
ganzen.<br />
Brigitte Wormbs, Über den Umgang mit<br />
Natur. 1976 2<br />
Auf der Liste der ersten Biosphere<br />
Reserves erschienen schon am Anfang<br />
2 Wormbs, Brigitte: Über den Umgang mit<br />
Natur. Hanser Verlag, München, 1976
Landstriche in Frankreich, Deutschland und<br />
Österreich. Hier ging es kaum um<br />
Entwicklungsländer, eher vielleicht um<br />
ärmere Regionen in einer sonst<br />
prosperierenden Umgebung. Bei den<br />
meisten dieser Gebiete ist<br />
bemerkenswert, daß sie bereits als<br />
Nationalparks, Naturschutzgebiete oder<br />
Naturparks einen weitgehenden Schutz<br />
genossen. In Österreich sind die Lobau<br />
und der Neusiedler See allerdings seit<br />
1977 Biosphere Reserves und wurden<br />
erst später zu Nationalparks. Warum also<br />
diese mehrfache Absicherung?<br />
Vergessen wir auch nicht, daß die Natura<br />
2000 - gesetzlich verankert – mit ihren<br />
Gebietsabgrenzungen und Richtlinien<br />
ebenfalls ähnliche Teilziele verfolgt wie<br />
die, welche im Biosphere Reserve<br />
Konzept festgelegt sind.<br />
Vielleicht hat die Antwort etwas mit der<br />
Geschichte Österreichs und Deutschlands<br />
zu tun. Im Reichsnaturschutzgesetz von<br />
1935 ging es auch um die Sorge um das<br />
Bestehen von Naturdenkmälern, von<br />
aufgelisteten Pflanzen- und Tierarten, von<br />
isolierten Wiesen und Waldteilen. Der<br />
Naturschutzgedanke wurde umgesetzt<br />
per Durchführungsverordnungen und<br />
unterstützt von einschlägigen Naturschutzinstitutionen<br />
und –organisationen.<br />
Die Motivation letzterer war aber durch<br />
eine irrationale, reaktionär-bürgerliche<br />
Weltanschauung geprägt, Heimatschwärmerei<br />
und Neo-Romantik inklusive. Wenn<br />
man bedenkt, daß die<br />
Naturschutzgesetzgebung der 30iger<br />
Jahre des letzten Jahrhunderts in den<br />
Landesnaturschutzgesetzen – in<br />
Österreich - ohne wichtige Änderungen<br />
bis heute überlebt hat, muß man sich nicht<br />
wundern, warum der Schutz der Natur nicht<br />
funktioniert. Die Diskrepanz zwischen<br />
Naturschutz und kolossaler Naturausbeutung<br />
wurde nicht einmal im Ansatz<br />
erkannt, geschweige denn gelöst. Die<br />
Erkenntnis der Konsequenz dessen, was<br />
5<br />
Zerstörung von Natur bedeutet, war schon<br />
deshalb nicht vorhanden, weil die<br />
notwendigen wissenschaftlichen<br />
Grundlagen bestenfalls rudimentär waren<br />
und außerdem ignoriert wurden. Die<br />
Ökologie als Wissenschaft der<br />
Beziehungen zwischen Organismen und<br />
der Umwelt wurde zwar schon 1866 von<br />
Haeckel 3 definiert, gewann aber erst in<br />
den letzten Jahrzehnten an Anerkennung<br />
und Relevanz. Die Ökologie ist primär<br />
eine biologische Wissenschaft, und die<br />
Erkenntnis, daß sie eigentlich alle<br />
Lebensprozesse dieses Planeten als<br />
Forschungsobjekt beansprucht, verleiht<br />
der Biologie an sich eine Bedeutung, die<br />
sie in der Geschichte der zivilisierten<br />
Menschheit nie zuvor hatte.<br />
<strong>Wienerwald</strong>-Panorama: Der Blick von einer<br />
der Ausflugswarten im <strong>Wienerwald</strong> erweckt<br />
immer noch den Eindruck einer weitgehend<br />
geschlossenen Waldlandschaft. Die Ausweisung<br />
größerer Waldareale als Naturwaldreservate<br />
und Kernzonen eines Biosphärenparks<br />
plus der Pufferzonen, garantiert den<br />
tatsächlichen Fortbestand naturnaher,<br />
ökologisch relevanter Waldflächen.<br />
An effective biosphere reserve<br />
involves natural and social<br />
scientists; conservation and<br />
development groups, management<br />
authorities and local communities –<br />
3 Haeckel, Ernst; Generelle Morphologie,<br />
Kap.19, XI Oecologie und Chronologie.<br />
Berlin, 1866
all working together on this complex<br />
issue. Biosphere Reserves: The Sevilla<br />
Strategie. 1995<br />
Ökologisches Management als Basis nicht<br />
nur der Biosphere Reserves sondern der<br />
Wirtschaftssysteme der ganzen Welt ist<br />
möglicherweise die einzige Chance für die<br />
Menschheit in ihrer Gesamtheit zu<br />
überleben. Angewandte Ökologie im<br />
weitesten Sinne kann den Menschen<br />
dabei helfen, ihre Ressourcen richtig zu<br />
verwalten, negative Konsequenzen<br />
systemökologischer Veränderungen zu<br />
minimieren, beziehungsweise die<br />
naturabhängige Umwelt zu optimieren.<br />
Geht es bei den Biosphere Reserves<br />
noch um Versuchsprojekte mit<br />
Modellcharakter, sollte das Ziel<br />
ökologischer Tätigkeit die Optimierung<br />
des globalen Ökosystems sein und die<br />
gesamte Biosphere der Erde<br />
einbeziehen. Dabei heißt Optimierung<br />
häufig die Rücknahme schädlicher<br />
Maßnahmen, die (Wieder-) Herstellung<br />
effektiver Ökosysteme. Die Ökologie<br />
sollte Schrittmacher und<br />
Orientierungsmaßstab von allem sein,<br />
was um uns herum passiert. Was die<br />
Ökonomie anbetrifft, so sollte es nicht<br />
mehr um die Profitmaximierung staatlicher<br />
Institutionen und privater Ausbeuter auf<br />
Kosten natürlicher und landschaftlicher<br />
Ressourcen gehen. Tatsächlich sollten<br />
letztere als zukünftige Basis aller in einer<br />
gegebenen Gesellschaft befindlicher<br />
Individuen diesen eine menschenwürdige<br />
Existenz sichern. Die Biosphere<br />
Reserves im kleinen - aber auch der<br />
Biosphärenpark Erde im großen - können<br />
nicht allein durch die Anwendung<br />
ökologischer Erkenntnisse und Strategien<br />
getragen werden. Es bedarf der<br />
Beteiligung und Weiterentwicklung<br />
anderer wissenschaftlicher Disziplinen,<br />
besonders der Sozialwissenschaften und<br />
die Mitarbeit aller betroffenen Menschen.<br />
6<br />
Die Politik müßte wohl neu formuliert und<br />
strukturiert werden.<br />
Entwicklungsland <strong>Wienerwald</strong>: Wirtschaftswald.<br />
Selbst wenn man die Verwendung<br />
erneuerbarer Energieträger und Baustoffe<br />
befürwortet, so führt doch die flächenhafte<br />
Nutzung des größeren Teiles des<br />
<strong>Wienerwald</strong>es zu einer ökologischen<br />
Verarmung.<br />
Mit Umsetzung des Biosphärenparks<br />
<strong>Wienerwald</strong> …würde in Österreich<br />
eine neue Qualität dieser<br />
Schutzgebietskategorie … etabliert<br />
werden, die für andere Kultur- und<br />
Naturlandschaften wegweisend sein<br />
könnte. Machbarkeitsstudie <strong>Wienerwald</strong>.<br />
Wien, 2002 4<br />
Genau betrachtet ist es viel schwieriger,<br />
einen Biosphärenpark im <strong>Wienerwald</strong> zu<br />
etablieren, als in einem für uns eher<br />
exotischen Teil der Welt mit noch<br />
halbwegs intakten Ökosystemen und<br />
einer funktionierenden Sozialstruktur dort<br />
lebender Menschen. Bei uns geht es eher<br />
um die Rehabilitation und Restauration im<br />
signifikantem Ausmaße degenerierter<br />
Ökosysteme. Kein Fleck des<br />
<strong>Wienerwald</strong>es ist unbeeinflußt von<br />
menschlichen Eingriffen: Kultur- eher als<br />
4 Die Machbarkeitsstudie ist als Download<br />
unter<br />
www.noel.gv.at/Service/Lf/Lf4/Machbarkeitss<br />
tudie-<strong>Wienerwald</strong>.htm<br />
als PDF-Datei verfügbar
Naturlandschaft. Während sich Kulturlandschaft<br />
als Kontinuität historischer<br />
Landschaftsentwicklung nicht unbedingt<br />
negativ als Gegenpol zur Naturlandschaft<br />
präsentieren muß, so verwandelt sich die<br />
<strong>Wienerwald</strong>landschaft doch zunehmend in<br />
ein Kampfgebiet konkurrierender<br />
Marktinteressen Die Probleme, geschaffen<br />
durch hilflose Raumplanung, politische<br />
Konzeptlosigkeit, skrupellose Unternehmerinteressen<br />
und privaten Eigennutz,<br />
sind gravierend in ihrem landschaftszerstörerischem<br />
Ausmaß. Der Ausverkauf<br />
der <strong>Wienerwald</strong>landschaft hat längst<br />
beängstigende Dimensionen angenommen.<br />
Nutzen der Landschaft teilhaben sollten.<br />
Gefragt ist jetzt eine mehr detaillierte<br />
Planung, so auch die Erstellung von<br />
Managementplänen die sich nicht nur auf<br />
den Schutz verbliebener naturnaher<br />
Räumlichkeiten beschränken, sondern<br />
ganz besonders die gravierenden<br />
Probleme des <strong>Wienerwald</strong>raumes<br />
einbeziehen müssen. Die betreffen ganz<br />
besonders die Landwirtschaft, diverse<br />
andere bislang noch kaum ökologisch<br />
orientierte Nutzungsformen, die<br />
Rohstoffgewinnung, die Zersiedelung mit<br />
allen ihren unerwünschten Aspekten und<br />
anderes mehr.<br />
Naturdenkmal Hametbergwiese: Wiesen<br />
repräsentieren die wichtigsten Rückzugsbiotope<br />
für eine Vielzahl von Pflanzen- und<br />
Tierarten, weil die verbliebenden Waldareale<br />
wegen ihrer geringen Größe und der nicht<br />
mehr vorhandenen natürlichen Wald-<br />
Dynamik für sie keinen Lebensraum mehr<br />
bieten. Von Menschen geschaffen und<br />
erhalten muß der Fortbestand der Wiesen<br />
gesichert werden, um das Aussterben<br />
einer Vielzahl von Spezies zu verhindern.<br />
Die landschaftsökologische Tauglichkeitsbestimmung<br />
der <strong>Wienerwald</strong>areale im<br />
Rahmen der Machbarkeitsstudie<br />
<strong>Wienerwald</strong> zur Etablierung eines<br />
Biosphärenparks hat die Grundlage zur<br />
gezielten Umwandlung der gesamten<br />
<strong>Wienerwald</strong>region geschaffen, in der alle,<br />
die dort leben, am potentiellen qualitativen<br />
7<br />
Entwicklungsland <strong>Wienerwald</strong>: Wirtschaftswiese<br />
bei Königstetten: Frühjahrsaspekt.<br />
Regelmäßige, intensive Düngung, mehrfache<br />
Mahd im Jahr, Einsaat nicht standortsgerechter<br />
Pflanzenarten garantieren einen<br />
rapiden Artenschwund und können letzten<br />
Endes dazu führen, daß dort nicht einmal<br />
mehr Löwenzahn wächst. Da normale<br />
Agrarflächen als Lebensraum für die meisten<br />
dort ursprünglich noch angesiedelten<br />
Pflanzen- und Tierarten nicht mehr taugen,<br />
sind viele Wiesen ebenfalls dabei diese<br />
Funktion zu verlieren.<br />
Landschaftsschutzgesetz und von<br />
Naturschutzgesetze werden natürlich<br />
weiter bestehen bleiben. Aber sie<br />
werden im Gesamtzusammenhang<br />
landschaftsökologischer Planung in der<br />
Core (Kern) Area und der Buffer (Puffer)
Zone (für Wald) und in der Transition Zone<br />
(z.B. für Wiesen) eines Biosphärenparks<br />
eine bessere Chance für ihre Realisierung<br />
haben. Die Natura 2000, die auf nur 40%<br />
der <strong>Wienerwald</strong>fläche realisiert werden<br />
wird, ist im Ansatz sicher ein effektives<br />
Instrument zum Schutze der Natur. Sie<br />
wird gesetzlich verankert sein. Zur<br />
Finanzierung der Kosten stehen derzeit<br />
Geldmittel der EU zur Verfügung. Es<br />
wurden aber zu viele Fehler und<br />
Versäumnisse bei der Erstellung der<br />
Konzepte und Durchsetzungsstrategien<br />
begangen. Unverzeihlich ist besonders,<br />
daß man hier schon wieder einmal Natur<br />
schützen wollte, ohne eigentlich diejenigen<br />
von Anfang an einzubeziehen, die<br />
unmittelbar von den kommenden<br />
Maßnahmen betroffen sein werden: die<br />
Leute, die im <strong>Wienerwald</strong> wohnen, und<br />
besonders die, welche vom Land dort<br />
leben. Das läßt sich nicht mehr rückgängig<br />
machen. Die Natura 2000 wird kommen,<br />
aber kaum Akzeptanz bei der<br />
Bevölkerung finden. Das muß bei der<br />
Biosphärenpark-Planung anders werden,<br />
und vielleicht kann diese dann auch die<br />
Mängel der Natura 2000 kompensieren,<br />
sich aber deren positive Aspekte zunutze<br />
machen. Also betrachten wir das<br />
Biosphärenpark-Projekt <strong>Wienerwald</strong> doch<br />
als Herausforderung und als letzte Chance<br />
für die Schaffung einer lebensfähigen,<br />
lebenswerten Landschaft. Nächstes Ziel:<br />
Ökotopia <strong>Wienerwald</strong>?<br />
Entwicklungsland <strong>Wienerwald</strong>: Zersiedelung<br />
im <strong>Wienerwald</strong> (Purkersdorf). <strong>Wienerwald</strong>ortschaften<br />
bewahren ihren historisch<br />
gewachsenen Charakter bestenfalls als<br />
Relikt im Ortskern. An den Rändern<br />
metastasiert der Ort auf die Wiesen hinaus<br />
und in den Wald hinein. Die Verkehrswege im<br />
und um den Ort herum haben längst eine<br />
Eigendynamik entwickelt.<br />
Lesestoff<br />
Ich habe mich für diese Abhandlung u.a.<br />
von folgenden Schriften und Projekten<br />
anderer (zusätzlich zu den bereits<br />
erwähnten) inspirieren lassen:<br />
Hawken, Paul: The Ecology of<br />
Commerce. Harper Business, New<br />
York, 1993<br />
Kinzelbach, Ragnar K.: Ökologie,<br />
Naturschutz, Umweltschutz. Wissenschaftliche<br />
Buchgesellschaft, Darmstadt,<br />
1989<br />
Meyer-Abich, Klaus Michael: Wege zum<br />
Frieden mit der Natur. Hanser Verlag,<br />
München, 1984<br />
Simpson, George G.: Biology and Man.<br />
Harcourt, Brase & World, New York, 1969<br />
Sturm, Hermann (Hrsg.) Ästhetik und<br />
Umwelt. Gunter Narr Verlag, Tübingen,<br />
1979<br />
Wieland, Dieter, et al. Grün kaputt.<br />
Raben Verlag, München, 1983<br />
Vester, Frederic: Unsere Welt - Ein<br />
vernetztes System. Klett.Cotta,<br />
Stuttgart, 1978<br />
The Tanba–no-Mori – The Tanba Forest<br />
ProjectCreation of beautiful towns<br />
and amicable communities. Tanba<br />
Region, Japan, 1993<br />
Ecotopia (Ökotopia) ist der Titel eines<br />
futuristischen Tagesbuches von Ernest<br />
Callenbach, Bantam Books, New York,<br />
1975<br />
8
Mehr über Biosphere Reserves und das<br />
MAB Projekt kann man auf der Website<br />
der UNESCO nachsehen:<br />
www.unesco.org/mab/index.htm<br />
Der <strong>Wienerwald</strong> Biosphärenpark<br />
Manager Mag. Günther Loiskandl ist unter<br />
der Telefonnummer: 02236 - 712 25-15<br />
erreichbar. E-Mail Adresse ist:<br />
gl@biosphaerenpark-wienerwaldmanagement.at.<br />
Er wartet auf den Imput<br />
und Impulse aller, die etwas konstruktives<br />
zum Gelingen des Biosphärenparks<br />
<strong>Wienerwald</strong> beitragen können und wollen.<br />
Autor & Kontakt<br />
Dr. Dieter Armerding<br />
Biologe, arbeit seit mehr als zwanzig<br />
Jahren mit verschiedenen im <strong>Wienerwald</strong><br />
tätigen NGOs zusammen, derzeit mit<br />
dem Netzwerk <strong>Wienerwald</strong><br />
Donaustr. 73<br />
A-3421 Höflein a.d. Donau<br />
E-Mail: dieter-armerding@aon.at<br />
9
Was ein Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> braucht<br />
Vorwort: Dies ist der erste Teil einer Artikelserie mit 10 Folgen. Jeder dieser Artikel wurde<br />
von September 2004 bis Januar 2005 in der Klosterneuburger Zeitung veröffentlicht, die<br />
auch andere meiner Manuskripte publiziert hat (Tod im Donaukanal, Natura 2002 im<br />
<strong>Wienerwald</strong>, Erbe der Kartäuser, Höflein – <strong>Wienerwald</strong>heimat am großen Strom) sowie<br />
mehrere meiner <strong>Wienerwald</strong>bilder mit Kommentar. Ich halte es für notwendig, das<br />
<strong>Wienerwald</strong>-Biosphärenpark-Projekt kritisch aber trotzdem konstruktiv zu betrachten und<br />
es so einfach wie möglich darzustellen, damit auch Nicht-Fachleute verstehen, worum es<br />
geht. Kritik ist dringend notwendig, weil den Machern des Parks die nötige Distanz und<br />
Neutralität fehlt. Dies ist ein politisches Projekt, und es ist mit allen Fehlern behaftet, die<br />
wir von je her von Politikern gewohnt sind. Was da der UNESCO im April 2005 vorgestellt<br />
werden soll, hat mit dem Konzept eines Biosphärenparks eigentlich nicht all zu viel zu tun.<br />
Es ist auch nicht sehr wahrscheinlich, dass es da noch grundsätzliche Änderungen geben<br />
wird. Vielleicht ist ja die UNESCO toleranter, als man erwarten würde und akzeptiert die<br />
Österreichische Variante. Besser wäre aber, wenn man sich dazu aufraffen würde, den<br />
Vorgaben zu folgen anstatt, etwas Neues zu erfinden.<br />
1. Zonierung:<br />
Warum brauchen wir einen Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong><br />
Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong>: Eine durch Pufferzonen (Wald und Wiesen) geschützte<br />
Kernzone (Naturwald) ist eingebettet in der Übergangszone (Ortschaften, Äcker,<br />
Industriebetriebe, Strassen und anderes). Der Biosphärenpark selber befindet sich in einer<br />
weniger streng kontrollierten und geschützten Landschaft.<br />
11
Etwa 5.000 Jahre hatte der ursprüngliche Wald Zeit gehabt, um sich zu entwickeln. Einige<br />
hundert Jahre erst liegen die Anfänge bedeutsamer menschlicher Einflüsse auf die<br />
<strong>Wienerwald</strong>landschaft zurück. Die ersten Siedler lebten noch mit und von der Natur. Es<br />
entstanden viele neue Aspekte der Landschaft, so wie die Wiesen und Weiden, die wir<br />
heute nicht mehr missen wollen, und die notwendig sind für das Überleben einer Vielzahl<br />
von Pflanzen- und Tierarten. Hatte am Anfang der Wald für alle seine Bewohner – Tiere<br />
und Menschen - gesorgt, so nahm im Laufe der Zeit der Mensch sein eigenes Schicksal in<br />
die Hand. Er nutzte den Wald im zunehmenden Ausmaß erst für die Jagd, und als<br />
Holzlieferanten, dann die durch Rodung bewaldeter Areale entstandenen Kahlflächen für<br />
immer mehr und größere Siedlungen und Strassen. Es blieb von ursprünglicher Natur<br />
nicht viel übrig. Das, was sich heute den Besuchern und Bewohnern als Kulturlandschaft<br />
präsentiert, hat durchaus noch positive und erhaltenswerte Seiten. Aber es braucht nicht<br />
viel Phantasie, um zu erkennen, dass die rasanten, unkontrollierten<br />
Landschaftsveränderungen auch im <strong>Wienerwald</strong> nur noch urbane Wüsten mit grünen<br />
Einsprengseln hinterlassen werden, die niemanden mehr freuen werden. Die Natur bleibt<br />
auf der Strecke.<br />
Für das Überleben der Menschheit in einer lebenswerten Umwelt und zur Erhaltung<br />
der natürlichen Ressourcen, die eines Tages lebenswichtig sein werden, ist es notwendig,<br />
dass wir uns jetzt besinnen. War vor langer Zeit einmal der Ozean Ursprung allen Lebens,<br />
war es später in der Evolution der Wald, der Überleben und Weiterentwicklung der<br />
meisten Lebensformen bestimmt hat. Die Wissenschaft weiß bereits viel über die<br />
grundsätzlichen, lebenserhaltenden Zusammenhänge in der Natur und über die<br />
ökologischen Wirkungskreise. Wir wissen aber noch lange nicht genug, um die Natur<br />
durch etwas anderes von Menschen gemachtes ersetzen zu können. Wir haben noch zu<br />
viel zu lernen, bevor wir selber Gott spielen können. Bevor wir die Reste von Natur<br />
vernichten und uns selber dazu, ist es vernünftiger jetzt alles daran zu setzen, zu retten<br />
was noch zu retten ist.<br />
Was ist ein Biosphärenpark?<br />
Es geht hier auf der einen Seite um ein Konzept und auf der anderen um ein Werkzeug<br />
zur nachhaltigen Lösung des Konflikts zwischen dem Bestreben zur Erhaltung der<br />
biologischen Vielfalt und der Förderung der menschlichen Entwicklung. Dabei geht es<br />
auch um die Bewahrung der kulturellen Werte einer Region. Dies ist ein kompliziertes und<br />
schwieriges Unterfangen. Aber es gibt bereits mehr als 400 solcher erfolgreicher von der<br />
UNESCO überwachten Projekte überall in der Welt – auch in anderen Teilen Europas, in<br />
den USA oder in Australien. Es gibt sicher andere Möglichkeiten, Natur im <strong>Wienerwald</strong> zu<br />
schützen und zu fördern. Eine der neueren Bestrebungen ist in der NATURA 2000 der<br />
Europäischen Union festgelegt. Das Biosphärenpark-Konzept ist aber weitereichender und<br />
umfassender, und wir werden alle Möglichkeiten brauchen, die es gibt, um den<br />
<strong>Wienerwald</strong> zu retten.<br />
12
Die Kernzone eines Biosphhärenparks st unbewirtschafteter, möglichst alter, naturnaher,<br />
ökologisch wertvoller Wald. mit einer großen Baumartenvielfalt.<br />
Was braucht ein Biosphärenpark?<br />
Nachdem wissenschaftliche und andere Experten in einer umfangreichen Studie die<br />
Machbarkeit eines Biosphärenparks <strong>Wienerwald</strong> dokumentiert haben, geht es jetzt um die<br />
Abgrenzung der wesentlichen Gebiete, die ein Biosphärenpark braucht. Es geht um<br />
Zonen. Die wichtigste davon ist die Kernzone. Die besteht aus möglichst naturnahem<br />
Wald. Nachdem eigentlich alle wichtigen, typischen Waldgesellschaften des <strong>Wienerwald</strong>es<br />
geschützt und erhalten werden sollen, diese aber nicht unbedingt nebeneinander liegen,<br />
besteht das Dilemma, mehrere solcher Kernzonen zu errichten. Das ist im Konzept der<br />
UNESCO eigentlich nicht vorgesehen aber auch nicht ausgeschlossen. Man kann sich<br />
also den Biosphärenpark Idealerweise wie ein Nest mit einem oder meinetwegen auch<br />
mehreren Eiern drin vorstellen. Das Dotter (=Naturwald) ist die Kernzone mitsamt der<br />
Basis der biogenetischen Vielfalt. Eiweiß und Schale als zweite Zone puffern das Dotter<br />
von der Umwelt ab und haben weitere lebenserhaltende Funktionen. Dies wäre also die<br />
Pufferzone. Das ist im allgemeinen wiederum Wald, der zwar bewirtschaftet werden kann<br />
aber so sanft wie möglich - ohne Störungen für die Kernzone. Ideale Pufferzonen wären<br />
auch extensiv bewirtschaftete Wiesen ganz besonders, wenn diese eine hohe Vielfalt an<br />
Pflanzenarten aufweisen und Lebensraum einer Vielzahl von Insekten und anderer Tiere<br />
sind. Kern- plus Pufferzonen sollten mindestens 20% der gesamten <strong>Wienerwald</strong>fläche<br />
ausmachen. Aber es darf auch mehr sein.<br />
13
Die Pufferzone soll die Kernzone umschließen und eigentlich insgesamt größer sein<br />
als diese. Sie kann aus Wald oder Wiesen oder beidem bestehen. Eine möglichst<br />
sanfte Bewirtschaftung dieser Flächen ist angesagt.<br />
Der Rest des <strong>Wienerwald</strong>es wäre als Übergangszone definiert. Diese sollte den Erhalt<br />
von Kern- und Pufferzonen garantieren. Was in der Übergangszone passiert, sollte<br />
eigentlich alle destruktiven Entwicklungstendenzen blockieren und stattdessen alles<br />
fördern, was die Landschaft lebens- und erlebenswert macht. Trotzdem soll sie ihren<br />
Bewohnern die Grundlagen ihres Lebens sichern. Es geht um die Aussöhnung und<br />
Harmonisierung von Ökologie und Ökonomie. Auch dafür gibt genügend machbare<br />
Konzepte. Man muss nur endlich einmal beginnen, sie zu realisieren.<br />
Die Übergangszone: Ich habe hier eine Luftaufnahme ausgewählt. Sie zeigt die<br />
Tirolerhofsiedlung in Gießhübl mit altem Steinbruch im Vordergrund, der A21dahinter,<br />
Maria Enzersdorf auf der anderen Seite der Autobahn, dahinter einen Teil des<br />
Naturparks Föhrenberge mit Burg Liechtenstein und Ruine Burg Mödling, dahinter der<br />
Eichkogel - ein typischer Teil der <strong>Wienerwald</strong>landschaft!<br />
14
Was ein Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> braucht<br />
2. „Urwälder“ für die Zukunft<br />
Die Idee für die Errichtung von Biosphärenparks in der ganzen Welt stammt von der<br />
UNESCO. Heute gültige Konzepte, Definitionen und Anforderungen wurden im Jahr 1995<br />
in Sevilla (Spanien) festgelegt. Das war die sogenannte „Sevilla Strategie“. Danach soll die<br />
Kernzone im Biosphärenpark mindesten 3% der gesamten Fläche ausmachen, die sie<br />
umgebende Pufferzone mindestens 10%. Kern- plus Pufferzone sollten mindestens 20%<br />
einnehmen. Das addiert sich zwar nicht. Aber nehmen wir diese Werte erst einmal als<br />
gegeben an. Beim derzeitigen Stand der Biosphärenparkplanung kommen wir auf 7,2%<br />
für die Kernzone und auf 4,55% für die Pufferzone, die man in Österreich kurioserweise<br />
als Pflegezone ausgibt. Damit wären die Mindestanforderungen nach der ersten<br />
Rechnung nicht ganz erfüllt, und bis zu den 20% fehlt wohl noch einiges.<br />
Die Sevilla-Strategie fordert im Prinzip eine größere zusammenhängende Waldfläche<br />
als Kernzone und – das ich habe schon beim letzten Mal dargestellt - eine sie umfassende<br />
Pufferzone. Dass die Pufferzone nicht immer die ganze Kernzone umfasst mag an<br />
geographischen Besonderheiten liegen, ist aber nicht die Regel. Aber sehen wir uns erst<br />
einmal an, wie das mit der möglichen Kernzone im <strong>Wienerwald</strong> aussieht. Die ersten<br />
Voruntersuchungen im Rahmen einer Machbarkeitsstudie der Länder Niederösterreich<br />
und Wien kamen zu dem überraschenden Ergebnis von zwanzig (20) Kernzonen. Man<br />
kann da argumentieren, dass sich die Macher der Studie noch nicht ganz klar waren, was<br />
sie eigentlich wollen. Ein Jahr später sind es jedoch, wenn ich richtig gezählt habe, 34<br />
Kernzonen. Ich will zwar auf die Pufferzone(n) erst in der nächsten Folge eingehen, aber<br />
ich möchte schon einmal dies vorwegnehmen: Es gibt da Kernzonen, denen fehlt<br />
entweder die Pufferzone oder die ist unvollständig. Es sind da offensichtlich auch<br />
Pflege(Puffer)zonen vorgesehen, die liegen völlig im Abseits einer Kernzone. Dies sind<br />
sowohl Wald- als auch Wiesenflächen. Aber ich will hier noch einmal ganz von Anfang an<br />
beginnen, bevor es noch verwirrender wird. Die Kernzone ist das Wichtigste in einem<br />
Biosphärenpark. Dies wäre wünschenswerter Weise ein geschlossener, naturnaher,<br />
möglichst alter Waldbestand mit hoher Baumartenvielfalt, mit einem signifikanten<br />
Totholzanteil. Der Wald sollte ökologisch funktionsfähig sein und auch andere wichtige<br />
Lebensformen außer Bäumen erhalten. Das umfasst alles von Pilzen über Moose und<br />
Farne bis zu Blütenpflanzen und bei Tierarten von Insekten über Amphibien zu Reptilien,<br />
Vögeln und Säugetieren und anderen Lebenswesen. Es ist klar, dass eine solche<br />
Waldzelle in ihrer gegebenen Ausdehnung nur Lebensraum für eine begrenzte Anzahl<br />
typischer Arten ist. Deshalb war die Versuchung stark, zumindest, was die<br />
Waldgesellschaften anbetrifft, alle die, die typisch für den <strong>Wienerwald</strong> sind, zu erfassen<br />
und zu erhalten. Nur liegen diese Flächen eben überwiegend nicht zusammen: deshalb<br />
gibt es die vielen Kernzonen. Bei vielen kommen noch andere Kriterien zum Tragen, als<br />
nur die der Artenvielfalt, so wie zum Beispiel Aspekte der Standortvielfalt, der<br />
Erschließungsgrad und die Entfernung zum Wohnland.<br />
15
Die Kernzone eines Biosphärenparks ist unbewirtschafteter Wald. Aus naturnahem,<br />
ökologisch wertvollem Wirtschaftswald wird ein „Urwald“ für die Zukunft. Dieser hier ist<br />
leider nicht <strong>Wienerwald</strong> sondern der Urwald Neuwald am Lahnsattel.<br />
In einer Kernzone ist jede Art der Bewirtschaftung und jede menschliche<br />
Einflussnahme verboten. Der Wald soll hier die Chance erhalten, sich zu erholen und sich<br />
zurück zu entwickeln zu dem, was er einmal war: Hier entstehen die „Urwälder“ für die<br />
Zukunft. Nur diese Art von Wäldern garantieren die Erhaltung der biogenetischen Vielfalt,<br />
um die es geht und erlauben relevante Forschung über ökodynamische Zusammenhänge<br />
von für unsere Regionen typischen Waldgesellschaften. Der <strong>Wienerwald</strong> hat noch viele<br />
Waldareale, die naturnah und ökologisch intakt sind. Die Biosphärenparkplaner haben da<br />
in sehr kurzer Zeit eine exzellente Arbeit geleistet, eine Gesamtinventur des <strong>Wienerwald</strong>es<br />
zu erstellen. Trotzdem ist es notwendig, die Vorgaben der UNESCO etwas ernster zu<br />
nehmen, wenn die Ernennung zum Biosphärenpark im nächsten Jahr erfolgreich sein soll.<br />
Man kann sicher mehr als eine Kernzone in den Antrag hineinnehmen, aber mehr als<br />
30??? Natürlich reichen die für einen Biosphärenpark notwendigen Flächen nicht mehr<br />
aus, wenn man die Kernzonen auf zwei oder drei reduziert. Dies wären zum Beispiel die<br />
Gebiete am Hohen Lindkogel bei Baden, am Schöpfel und in der Gruberau<br />
(Klausenleopoldsdorf). Wien würde ganz rausfallen aus dem eigentlichen Park mit seinen<br />
winzigen Flecken im Lainzer Tiergarten, im Süden der Stadt und anderswo. Es wäre<br />
notwendig, die Größe der drei genannten Waldflächen erheblich zu vergrößern, was ja<br />
möglich wäre, aber teurer kommt. Alle anderen jetzt als Kernzonen vorgeschlagenen<br />
Waldareale kann man ja als Naturwaldreservate ausweisen, was ganz im Sinne des<br />
Biosphärenparkkonzepts wäre. Das kostet nicht mehr.<br />
16
Naturwaldreservate entsprechen den Anforderungen einer Kernzone, wenn sie genügend<br />
groß sind. Dieses hier in Breitenfurt wurde vor 20 Jahren ausgewiesen. Es ist recht klein,<br />
aber in nachhaltig bewirtschafteten Wald eingebettet und entwickelt sich sehr gut. Alle<br />
Mini-Kernzonen der Biosphärenpark-Planer sollten diesem Beispiel folgen.<br />
Für die Beurteilung der Qualität eines Waldökosystems ist die Naturnähe der<br />
Bestandesstruktur mit möglichst hohem mittlerem Alter der Bäume, einer nennenswerten<br />
Anzahl an absterbenden Bäumen und einem bedeutsamen Anteil an Totholz am Boden<br />
und stehend ausschlaggebend. Ebenso wichtig sind aber auch Tier- und Pflanzenarten,<br />
die als Zeigerarten eines funktionierenden Wald-Lebensraumes dienen können. Dazu<br />
gehören Spechte und andere Vogelarten, bestimmte Käferarten, Fledermäuse, Amphibien<br />
und Reptilien, saprophytische Pflanzenarten und vieles mehr.<br />
17
Was ein Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> braucht<br />
3. Schutzzonen<br />
Die Kernzone eines Biosphärenparks soll gegen menschliche Störfaktoren geschützt<br />
werden. Derartige Störungen sind mannigfaltig. So sollte sich zwischen Siedlungen,<br />
Straßen und Autobahnen eine Schutzzone befinden, die alle negativen Einflüsse auf die<br />
Kernzone abpuffert. Das wäre eben eine Pufferzone. Die UNESCO sieht eine Fläche<br />
vor, die mindestens zwei bis dreimal so groß ist wie das Herzstück des<br />
Biosphärenparks. Bei derzeit ca. 5.500 ha ausgewiesenen, geeigneten<br />
Kernzonenflächen würde man 10.000-15.000 ha Pufferzonenareale erwarten – also<br />
etwa 10-15% der gesamten Planungsfläche. Tatsächlich sind für diesen Bereich aber<br />
nur 0,75% vorgesehen. Konkret gesehen hat man nur einen Randstreifen um die<br />
Kernzone herum von einer Baumlänge berücksichtigt. Das sind etwa 30m. Man hat aber<br />
auch entsprechende Sicherheitsstreifen entlang von Waldstraßen, Wildäckern,<br />
Wildwiesen und dem eigentlichen Waldrand vorgesehen. So sehr es wünschenswert ist,<br />
dass besonders ökologisch wertvolle Waldwiesen erhalten bleiben und weiterhin<br />
bewirtschaftet werden, auch wenn sie sich einer Kernzone befinden, so ist es doch<br />
wenig sinnvoll jeden Wildacker und jede Freifläche mit einem Hochstand drauf, schützen<br />
zu wollen. Denn auch die Jagd ist eine menschliche Maßnahme und hat in der Kernzone<br />
nichts zu suchen. Forststrassen hingegen und Wanderwege sollten rückgebaut werden.<br />
Dann braucht man auch keine Sonder-Schutzstreifen.<br />
Es versteht sich auch von selbst, dass eine Kernzone nicht direkt an intensiv<br />
bewirtschaftete Agrar und Wiesenflächen oder Siedlungsbereiche grenzen soll. Nur im<br />
Fall eines Falles reicht da ein Schutzkorridor von 30m nicht aus. Um die Flächenbilanz<br />
der Pufferzonen zu verbessern, haben die Biosphärenparkplaner auch Waldareale<br />
berücksichtigt, die überhaupt in keinem Kontakt mit einer Kernzone sind. Sie verwenden<br />
deshalb auch die Bezeichnung Pflegezone anstatt Pufferzone. Es wurde bislang<br />
verabsäumt, nicht nur Wald als Pufferzone vorzusehen, sondern Wiesen und Weiden<br />
mit in die Planung einzubeziehen. Es ergab sich eher zufällig, dass sich auch Wiesen in<br />
der Nähe einer geplanten Kernzone befanden. So liegt zum Beispiel die sogenannte<br />
Orchideenwiese (da wachsen tatsächlich Orchideen drauf!) in unmittelbarer Nähe der<br />
am Hohen Lindkogel bei Baden geplanten Kernzone. Es gibt noch weitere Wiesen, die<br />
an die Orchideenwiese angrenzen, die aber offensichtlich intensiver bewirtschaftet<br />
werden. Eine Änderung der Bewirtschaftung würde sie aber durchaus als Teil der<br />
Pufferzone geeignet machen.<br />
Das Grundproblem bei der Ausweisung ausreichend großer Pufferzonen ist<br />
monetärer Art. Die Forstbetriebe, an vorderster Front die Österreichischen Bundesforste,<br />
glauben, sie haben schon genug getan, wenn sie die vorgeschlagenen Kernzonen außer<br />
Bewirtschaftung nehmen. Dafür bekommen sie zwar ohnehin<br />
Entschädigungszahlungen, aber mehr wirtschaftliche Einbussen wollen sie nicht<br />
hinnehmen. So wäre zum Beispiel der Waldbereich im Norden und im Nordwesten direkt<br />
angrenzend an die Kernzone Hoher Lindkogel wenn schon nicht als Vergrößerung<br />
derselben, dann doch bestens geeignet als Pufferzonen-Wald. Ja, aber dieser Wald ist<br />
hochertragreicher Wirtschaftswald! Diesen Profit will man nicht missen, und es besteht<br />
zu befürchten, dass die Schlägerungstrupps alsbald vollendete Tatsachen schaffen<br />
werden. Was dann übrig bleibt, taugt sicher nicht mehr zum Schutz der Kernzone.<br />
18
Die Pufferzone eines Biosphärenparks ist überwiegend sanft bewirtschafteter Wald, und<br />
es geht - wie bei einer Kernzone - eher um ältere, naturnahe Waldbestände.<br />
Plenterwirtschaft sollte die bevorzugte Methode der Holzbringung sein. Sie erlaubt auch<br />
den Verzicht auf einen größeren Teil der existierenden Forststraßen.<br />
Ungedüngte, ökologisch wertvolle Wiesen, die nur ein- bis zweimal im Jahr gemäht<br />
werden, stellen eine ideale Ergänzungen zu einer Wald-Pufferzone dar. Beispiel: Die<br />
Orchideenwiese beim Hohen Lindkogel.<br />
19
Ökologisch wichtige Waldwiesen sollten auch dann bewirtschaftet und erhalten werden,<br />
wenn sie in einer Kernzone liegen. Hier die als Naturdenkmal geschützte<br />
Hametbergwiese bei Forsthof. Das Bild zumindest schmückt bereits das offizielle Plakat<br />
für den Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong>.<br />
Betrachten wir einmal, was eine optimale Pufferzone abgesehen von der notwendigen<br />
Größe noch bieten sollte. Grundsätzlich ist Bewirtschaftung dieser Bereiche erlaubt.<br />
Gefordert werden aber nachhaltige Techniken. Das sieht dann so aus, wie es die Wiener<br />
Forstbetriebe anlässlich des dritten <strong>Wienerwald</strong>tages im Jahr 1988 vorgeführt haben.<br />
Plenterwirtschaft, das heißt Einzelstammentnahme, mit Pferden war in der<br />
Vergangenheit, als es noch keine Großmaschinen gab, die normale und schonendste<br />
Art der Waldbewirtschaftung. Man benötigt nur wenige Waldwege geringen Ausmaßes.<br />
Es lässt sich auch heute noch Profit mit solch einer Methode machen, aber sicher nicht<br />
so viel, wie es die ÖBF heute mit „modernen“ Schlägerungs- und Bringungstechniken<br />
gewohnt sind. Letztere aber wären in dem Maß, wie man dies leider oft genug im<br />
<strong>Wienerwald</strong> beobachten kann, auch nicht in der Übergangszone akzeptierbar. Selbst<br />
dort sollte die Waldbewirtschaftung nachhaltig sein.<br />
20
Die Kernzone muss<br />
gegen Siedlungen<br />
gepuffert sein. In<br />
existierenden Pufferzonen<br />
dürfen keine<br />
neuen Siedlungen<br />
errichtet werden. Diese<br />
Siedlungserweiterung<br />
hier ging auf Kosten<br />
des Waldes.<br />
Eine Kernzone sollte<br />
möglichst weit weg<br />
von bestehenden<br />
Straßen und Autobahnen<br />
liegen. Eine<br />
ausreichend dimensionierte<br />
Pufferzone<br />
soll den Impakt<br />
solcher Bauwerke und<br />
die Auswirkungen des<br />
Ver-kehrs minimieren.<br />
Natürlich darf es in de<br />
Pufferzone keinerlei<br />
Umwidmungen mehr<br />
geben.<br />
Wiesen als Teil einer die Kernzone umfassenden Pufferzone erfüllen ihre Funktion<br />
nur dann, wenn die Bewirtschaftung höchsten ökologischen Anforderungen entspricht.<br />
Das heißt, nicht erlaubt sind: jede Art von Agrarchemie (Herbizide, Pestizide,<br />
Kunstdünger etc.), jede andersartige Düngung (Gülle, Mist), die Einsaat von nicht<br />
standortgerechten Pflanzenarten (Grasarten, Klee oder Esparsette usw.), die Beweidung<br />
mit ungeeigneten (Pferde, Standweiden mit Schafen) oder zu vielen Weidetieren (mehr<br />
als 1 Rind pro ha), die Verwendung der Wiese für andere Zwecke (Motocross, Camping,<br />
Zirkusveranstaltungen u.a.) als die eines Wiesen-Biotops. Bei einer Mahdwiese sollte<br />
der Schnitt so erfolgen, dass alle wünschenswerten Tier- und Pflanzenarten auf der<br />
21
Wiese erhalten oder sogar gefördert werden. Wiesenflächen, die diesen Kriterien nicht<br />
entsprechen, kann man als Regenerationsflächen in einen zweckdienlichen Zustand<br />
zurückführen. Notwendig wäre hier auch ein gezieltes, zeitweiliges<br />
Waldrandmanagement. Mehr über <strong>Wienerwald</strong>-Wiesen und Weiden erfahren Sie im<br />
nächsten Kapitel.<br />
Auch wenn man die<br />
Kunst des schonenden<br />
Forststrassenbaus beherrscht:<br />
In einer Pufferzone<br />
sollten keine<br />
neuen mehr gebaut<br />
werden, ältere sollten<br />
überwiegend zurückgebaut<br />
werden<br />
Kahlschläge dieser Art<br />
und Dimension sollten<br />
es auch in der<br />
Übergangszone eines<br />
Biosphärenparks nicht<br />
mehr geben.<br />
22
Was ein Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> braucht<br />
4. Wiesen und Weiden<br />
Die wichtigste Idee der Sevilla-Strategie zur Schaffung eines Biosphärenparks ist die<br />
Erhaltung und die Förderung der biologischen Vielfalt. Die Kernzonen dienen dem Schutz<br />
von Waldökosystemen und allem, was da drin lebt. Pufferzonen – ebenfalls bestehend aus<br />
Wald und da, wo es möglich ist, auch aus Wiesen - sollen Kernzonen schützen. Der Rest<br />
des Parks ist Übergangszone. Während Funktionen, Eigenschaften und Strategien zur<br />
Etablierung der beiden ersten Zonen noch einfach zu verstehen sind, wird es jetzt<br />
kompliziert. Es geht immer noch um Konservierung auf der einen Seite - aber dann um<br />
Stärkung und Entwicklung der natürlichen und kulturellen Diversität auf der anderen. Die<br />
natürliche Vielfalt ist durch ökologisch funktionierende Lebensräume definiert und die<br />
Organismen, die dort existieren. Aber es ist durchaus Ziel des Biosphgärenpark-<br />
Managements, auch die besonderen kulturellen Gegebenheiten der Region in die Planung<br />
einzubeziehen, womit nicht nur altes und neueres Brauchtum, Kunst und Künstler oder<br />
sonstiges Kulturgeschichtliches gemeint sind. Das klingt erst einmal ziemlich abstrakt.<br />
Worum es geht, will ich hier am Beispiel der Wiesen und Weiden erklären.<br />
Dieses Naturdenkmal am Hametberg gehört den Österreichischen Bundesforsten. Sie<br />
bezahlen Bauern dafür, die Wiese nach bestimmten Vorgaben zu pflegen (nur eine Mahd<br />
spät im Jahr, keine Düngung). Der einzige Zweck der Wiese war stets die<br />
Wildbeobachtung. Es gedeihen hier gut ein Dutzend verschiedener Orchideenarten und<br />
eine Vielzahl anderer Vertreter der roten Liste. Die Waldwiese ist auch Lebensraum einer<br />
Vielzahl gefährdeter Tierarten. Das ist es, was ein Biosphärenpark braucht!<br />
Alle <strong>Wienerwald</strong>wiesen sind von Menschenhand erschaffen worden. Nennenswerte<br />
Siedlungstätigkeit in den Randgebieten des <strong>Wienerwald</strong>es gab es schon seit der Zeit der<br />
23
Römer und als landwirtschaftliche Betätigung den Weinbau, den diese importierten.<br />
Waldrodungen im zentralen <strong>Wienerwald</strong> waren für lange Zeit per Jagdbann verboten.<br />
Trotzdem folgten schon im neunten Jahrhundert Ackerbau und Viehzucht betreibende<br />
Bauern den Adligen und Klöstern in den Wald. Die Mönche selber übten ebenfalls<br />
landwirtschaftliche Tätigkeiten aus. Für das Vieh brauchte man Weiden. Mahdwiesen sind<br />
eine spätere Entwicklung. Die Schaffung von Offenflächen für Beweidung oder Mahd<br />
führte zu einer enormen Vermehrung lichtbedürftiger Pflanzenarten. Über Jahrhunderte<br />
hindurch entstanden durch gleich bleibende, extensive Bewirtschaftung stabile Wiesen-<br />
Ökosysteme mit von ihnen abhängigen Pflanzen- und Tiergesellschaften. Die<br />
landwirtschaftlichen Techniken damals waren überwiegend nachhaltig, weil es keine<br />
Maschinen gab und keine Agrarchemie.<br />
Wiesen und Weiden sind als Bestandteil unserer Kulturlandschaft nicht mehr<br />
wegzudenken. Sie dienen den Jägern zur Wildbeobachtung. Sie sind Erholungs- und<br />
Erlebnisraum für gestresste Stadtmenschen. Sie waren schon immer Inspirationsquelle für<br />
Dichter, Maler und Komponisten. Sie bieten Lehr- und Lernstoff für Lehrer und Forscher.<br />
Sie sind auch wichtiger Imageträger für den Fremdenverkehr. Sie sind in signifikantem<br />
Ausmaß immer noch sekundäre Lebensräume für eine große Anzahl von Pflanzen- und<br />
Tierarten. Trotzdem wird die Liste der gefährdeten und bereits ausgestorbenen<br />
Wiesenbewohner immer länger. Es scheint, als ob die Bauern, was sie einst geschaffen<br />
haben, vielerorts wieder zerstören. Man kann ihnen das häufig nicht einmal übel nehmen.<br />
Es geht ums nackte Überleben. Dort aber, wo die Landwirte aufgeben, sterben auch die<br />
Wiesen. Sie werden wieder zu Wald oder gleich zu Spekulkationsobjekten eines<br />
hemmungslosen Immobilienmarktes. Es besteht Bedarf an Siedlungsraum, an Straßen<br />
und Autobahnen, an Aufschließungsstätten für Rohstoffe und anderen Dringlichkeiten,<br />
welche Wiesen für alle Zeiten vernichten.<br />
Auch diese Waldwiese<br />
am Bärengraben gehört<br />
den ÖBF. Aber hier<br />
machen die Bauern seit<br />
Jahren wohl eher, was<br />
sie wollen - auf eigene<br />
Kosten. Nun, die Wiese<br />
ist bunt. Was will man<br />
mehr? Die dominanten<br />
Blumen sind der Scharfe<br />
Hahnenfuß (gelb) und die<br />
Kuckuckslichtnelke (rosarot).<br />
Beide Arten werden<br />
durch Düngung gefördert.<br />
Das Problem des Verschwindens der <strong>Wienerwald</strong>wiesen scheint unlösbar. Wenn es<br />
den Bauern besser gehen würde, und sie es sich leisten könnten, die Wiesen weiter zu<br />
erhalten, würden viele der Landwirte im Rahmen von Intensivierungsmaßnahmen die<br />
ökologische Wertigkeit der Flächen minimieren. Das ist es, was heute überall passiert.<br />
Außer den Bauern gibt es aber niemanden, der ernsthaft infrage käme für die Pflege der<br />
Wiesen. Die Idee vom bezahlten Berufsnaturschutz war wohl nie ernst zu nehmen. In der<br />
24
nächsten Stufe dieser Serie wird es um mögliche Strategien zur Konfliktlösung gehen.<br />
Jetzt ist erst einmal wichtig zu definieren, was wir im Biosphärenpark eigentlich wollen.<br />
Diese Wiese bei Königstetten wird durch Düngung in diesem durchaus attraktiven<br />
Aspekt erhalten. Es ist eine Glatthaferwiese mit viel Wiesensalbei. Es gibt noch<br />
Orchideen hier. Die Frage ist wie lange noch? Jede weitere Intensivierung der<br />
Bewirtschaftung wird zu einer Artenverarmung führen.<br />
Es ist klar, dass die angeführten Schwierigkeiten der Idee der Nutzung eines<br />
Biosphärenparks abträglich sind. Aber man sollte, was Schutz und Pflege der<br />
<strong>Wienerwald</strong>wiesen anbetrifft, sorgfältig differenzieren. Eine Wiese zum Lagern, für ein<br />
Picknick oder zum Zelten, braucht nicht viel. Es müssen nicht einmal Blümchen drauf<br />
wachsen. Nur grün muss sie sein. Wer bunte Wiesen will: die zu erhalten ist auch nicht<br />
unbedingt unvereinbar mit dem, was viele Bauern heute mit ihren Wiesen anfangen.<br />
Buntheit ist ein relativer Begriff. Düngung von Mager- und Trockenrasen bringt, wenn man<br />
es nicht übertreibt, doch noch viele Blumen zum Vorschein. Auch mehrfache Mahd pro<br />
Jahr bringt nicht alle Blütenpflanzen um. Sie fördert ganz spezifische Arten. Mit Natur- und<br />
Artenschutz hat das aber nur sehr begrenzt etwas zu tun. Die Anzahl der Wiesen, die<br />
noch eine Oase darstellen für eine Vielzahl von Pflanzen und Tieren, die es anderswo<br />
schon nicht mehr gibt, ist verschwindend gering. Sie repräsentieren aber die<br />
biogenetischen Reservoire für die Ökosysteme der Zukunft.<br />
25
Die Hutweide am Hocheck gehörte dem Stift Heiligenkreuz. Die historische Aufnahme mit<br />
dem Prior stammt von Prof. Holzner. Bis zum 2. Weltkrieg gab es hier einen Viehhüter.<br />
Der sorgte dafür, dass die 40-50 Rinder die Weide gleichmäßig abfrassen und auch die<br />
weniger beliebten Pflanzen vertilgten. Er verteilte den entstehenden Dung gleichmäßig<br />
über die Weide und verhinderte Stockausschläge und Verbuschung! Das führte zu einem<br />
Paradies für sonst seltene Pflanzenarten. Die Agrargenossenschaft aus Grub – allen<br />
voran der Bauer Posseth - brauchte nicht lange, um diesen einzigartigen Wiesen-<br />
Lebensraum wieder zu zerstören.<br />
Deshalb ist es lobenswert, dass die Verantwortlichen der Biosphärenparkplanung sich<br />
der <strong>Wienerwald</strong>wiesen angenommen haben, auch wenn dies nicht explizit von der<br />
UNESCO erwartet wird, da die Wiesen überwiegend eben nicht Teil einer Pufferzone sind.<br />
Für die Planung des Biosphärenparks <strong>Wienerwald</strong> gibt es mehrere bezahlte Ökobüros,<br />
einen Expertenbeirat und ein Beratungsforum. In letzterem befinden sich außer den<br />
unmittelbar Betroffenen auch Vertreter von Natur- und Umweltschutzorganisationen. Die<br />
<strong>Wienerwald</strong>wiesen werden zusammen mit den Agrarflächen unter dem Titel „Offenland<br />
und Landwirtschaft“ behandelt. Es geht darum, innerhalb dieses Landschafts-<br />
Konglomerats die ökologisch wertvollen Wiesen ausfindig zu machen und als Pflegezonen<br />
für besondere Erhaltungsstrategien vorzusehen. Dies ist sicher ein Bonuspunkt für die<br />
Bewertung der Eignung des <strong>Wienerwald</strong>es als Biosphärenpark, zumal die Kern- und<br />
Pflegezonen-Ausweisungen nicht so ganz konform sind mit den Vorschreibungen der<br />
Sevilla-Strategie.<br />
26
Was ein Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> braucht<br />
5. Glückliche Bauern<br />
Eigentlich ging es den Bauern im <strong>Wienerwald</strong> nie sehr gut. Sie hatten unter all den<br />
Unbilden, die die Gegend heimsuchten, stets mehr zu leiden als die anderen Bewohner<br />
der Region. Die Bauern im <strong>Wienerwald</strong> hatten schon im 13. Jahrhundert Probleme mit der<br />
Fruchtbarkeit der Böden. Es gab Missernten, Heuschreckenplagen, Überschwemmungen,<br />
sogar Erdbeben, dann aber war da immer wieder die Pest, die dreimal innerhalb von 400<br />
Jahren zuschlug. Die tötete zwar nicht selektiv. Aber für die Unterhaltung eines<br />
Bauernhofes brauchte man immer eine größere Anzahl von Landarbeitern, nicht zu<br />
vergessen die Erben, welche die Tradition weiter führen sollten. Schlimmer als die Pest<br />
waren die Folgen der vielen kriegerischen Auseinandersetzungen - an allen voran die mit<br />
den Türken. Die Kriege hörten auch im 18. Jahrhundert. Trotzdem hatte die Landwirtschaft<br />
im <strong>Wienerwald</strong> zum ersten Mal die Chance, sich erfolgreich zu entfalten, als Ferdinand I.<br />
1848 eine Grundentlastung auch aller Bauern verordnete und denen die Möglichkeit einer<br />
selbstständigen Wirtschaftsführung gab. Das größere Übel für die Bauern war dann wohl<br />
eher die Erbteilung, die von Generation zu Generation den Besitz verkleinerte, bis der<br />
kaum noch genügend Ertrag lieferte.<br />
Die Hutweide am Kreuzriegel ist Standort einer Vielzahl vom Aussterben bedrohter<br />
Pflanzenarten. Der Besitzer – ein Landwirt aus Sparbach – war einer der ersten Bauern<br />
im <strong>Wienerwald</strong>, der vom ÖPUL unterstützt vor mehr als zehn Jahren seine<br />
Bewirtschaftungsmethoden umstellte, um dieses landschaftliche Kleinod in seinem<br />
schützenswerten Aspekt zu erhalten. Orchideen im Vordergrund: das Kleine Knabenkraut.<br />
Es blüht im Mai.<br />
27
Den Bauern im <strong>Wienerwald</strong> geht es heute noch immer nicht gut. Die Gründe dafür<br />
sind aber anders als zurzeit der Türken-Massaker und der Pest. Bei einer<br />
durchschnittlichen Betriebsgröße von 12-14 ha und überwiegendem Futteranbau ist die<br />
Einkommenssituation unterdurchschnittlich. 60% der Grünlandbewirtschaftung ist extensiv,<br />
wie man sich dies für die Wiesen auch wünschen würde. Aber das bringt eben weniger<br />
Ertrag und Geld. 20% der Grünflächen werden beweidet. 25% davon sind extensive<br />
Hutweiden. Fast alle der Bauern sind im Österreichischen Programm für umweltgerechte<br />
Landwirtschaft – ÖPUL – und beziehen Ausgleichszahlungen für<br />
Bewirtschaftungsmaßnahmen, die einen Einkommensverlust bedingen. Das macht die<br />
Landwirte aber auch nicht reich oder glücklich. Intensivierung der Bewirtschaftung, wozu<br />
auch Düngung mit Gülle, Jauche oder Festmist gehört, erhöht den Ertrag bestenfalls<br />
kurzfristig, zerstört aber die ökologische Wertigkeit einer Wiese dauerhaft. Parzellierung<br />
größerer Weideflächen und Erhöhung der Viehzahl, Änderung der Beweidung von Rindern<br />
auf Pferde mag den Profit erhöhen, bedeutet aber den Tod jeder Hutweide. Es sind<br />
ohnehin nicht mehr viele übrig: Die Hutweide am Kreuzriegel ist noch halbwegs intakt, die<br />
am Hocheck weist nur noch winzige Flecken der Pracht auf, die sie einst darbot. Die<br />
Perchtoldsdorfer Heide und der Eichkogel stehen unter Naturschutz. Es gibt<br />
funktionierende aber teure Programme für die Beweidung, zum Beispiel mit<br />
Wanderschafherden, und andere Pflegemaßnahmen. Aber das hat mit den Bauern nichts<br />
mehr zu tun.<br />
Der größte Feind der Bauern im <strong>Wienerwald</strong> ist die Konkurrenz mit Agrar-Regionen<br />
wie das Tullnerfeld oder Flächen anderswo, wo das Land flach und verkehrsmäßig<br />
bestens erschlossen ist. Das nächst größere Übel ist, dass die meisten Landwirte immer<br />
noch einer Tradition verhaftet sind, die kurz nach dem letzten Weltkrieg einsetzte. Von der<br />
Flurbereinigung über die massive Verwendung von Agrarchemie bis zum Anbau von<br />
Pflanzenarten, die vielleicht noch anderwärts Ertrag bringen - aber nicht im <strong>Wienerwald</strong> -,<br />
haben die Bauern eigentlich alles kopiert, was ihnen vorgemacht wurde. Die<br />
Konsequenzen sind offensichtlich. Die Wiesen sterben nicht nur mit den Bauern sondern<br />
auch wegen der Bauern. Die EU zahlt zusätzliche Prämien, wenn die Wiesenflächen eine<br />
besondere, hohe ökologische Wertigkeit besitzen, wenn also wichtige Pflanzen der roten<br />
Liste drauf wachsen oder Tiere dort leben, die ebenfalls in ihrer Existenz gefährdet sind.<br />
Ich weiß nicht, wie viele solcher Wiesen unter diesem speziellen Schutz-Programm<br />
stehen. Es will mir dies auch niemand bei der Landesregierung verraten. Es gibt nicht<br />
mehr viele derartige Wiesen. Ich kenne sie alle. Aber es sieht nicht so aus, als ob die<br />
verantwortlichen Beamten sich viel darum scheren, diese Wiesen wirklich zu erhalten. Die<br />
Auflagen sind entweder nicht ausreichend oder falsch oder die Bauern halten sich nicht<br />
dran, weil die Kontrollen zu lasch sind. Warum sollte ein Landwirt primär interessiert sein,<br />
die Blümchen oder Tiere, um die es geht, schützen zu wollen, wenn er trotz<br />
Ausgleichszahlungen von seinem Land nicht leben kann? Das mit den Prämien halten<br />
viele Bauern – auch wenn sie diese akzeptieren – als eine Demütigung. Es trifft sie in<br />
ihrem Stolz und dann noch die Zumutung, sich Vorschreibungen von oben beugen zu<br />
müssen.<br />
Der Biosphärenpark braucht die <strong>Wienerwald</strong>wiesen. Aber die Planer und Manager<br />
sind recht blauäugig und glauben, dass das ohne zusätzliche Geldmittel nur auf freiwilliger<br />
Basis funktioniert. Es ist toll, dass jetzt so gut wie alle Wiesen kartiert sind, dass die<br />
besonders wertvollen als Pflegezone ausgewiesen sind. Aber macht es einen Bauern<br />
glücklich zu wissen, dass er so einen Kleinod besitzt? Es werden viele alternative<br />
Möglichkeiten der Ertragssteigerung für die Landwirte erwogen von der Direktvermarktung,<br />
über die Schaffung von Tourismus-Anreizen und –Unterkünften über neue Wege, sich an<br />
der Technologieentwicklung zu beteiligen, ganz besonders an der alternativen<br />
28
Energiegewinnung. Auch Spezialisierung des Anbaus von Pflanzen, die gerade besonders<br />
gefragt sind, werden nicht nur erörtert, sondern vielfach auf eigene Initiative bereits<br />
realisiert. Es werden neue Leitbilder kreiert und ein neues Image entwickelt. Ob es die<br />
Wiesen noch gibt, wenn alle dies kapiert und akzeptiert haben?<br />
Die Meierei Füllenberg bei<br />
Sittendorf ist Beweis<br />
dafür, dass Landwirtschaft<br />
im Kleinen durchaus<br />
profitabel sein kann. Sie<br />
ist eines der populärsten<br />
Ausflugsziele für die<br />
Bewohner des unmittelbaren<br />
Umlandes.<br />
Wolfhof in Rauchengern: Liselotte Wolf – Vizepräsidentin der NÖ-Landwirtschaft-Kammer<br />
und Vollerwerbs-Land-wirtin – macht vor, dass und wie man im <strong>Wienerwald</strong> gerne Bauer<br />
oder Bäuerin sein kann.<br />
29
Was ein Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> braucht<br />
6. Stopp der Zersiedelung<br />
Vor ein paar Monaten schrieb ein namhafter Geograf in einer viel gelesenen<br />
österreichischen Tageszeitung über das Dilemma Wiens. Ohne näher auf die Gründe<br />
einzugehen, beschrieb er die Flucht der Wiener aus der Hauptstadt und die Strategie der<br />
Stadtregierung damit umzugehen. Anstatt die wahren Gründe über den Exodus<br />
herauszufinden, ist man bestrebt, das Bevölkerungsdefizit mit Ausländern zu ersetzen, an<br />
erster Stelle mit solchen aus muslimischen Regionen des Kontinents, als ob nicht gerade<br />
jetzt die Probleme mit solchen Zuwanderern überall in Europa und anderswo in der Welt<br />
offensichtlich und akut sind. Es wäre sicher angebrachter, die Lebensbedingungen für die<br />
angestammten Wiener zu verbessern, damit die ihre Stadt nicht verlassen, als diese für<br />
Immigranten attraktiver zu machen.<br />
Purkersdorf 1987: Die Stadt renoviert das Ortszentrum, um es der Bevölkerung attraktiver<br />
zu machen. Dies ist gelungen, aber für den Rest von Purkersdorf war es wohl schon zu<br />
spät. Hochhäuser im Ortskern, Siedlungsmetastasen in den Wald hinein, und dies hier<br />
war erst der Anfang. Bürgermeister Schlögl forderte noch im Jahr 1991 keine weitere<br />
Errichtung von Supermärkten und anderen Großprojekten. Jetzt gibt es da einen Super-<br />
Billa, den Eurospar und anderes mehr. Von Siedlungsstopp ist keine Rede mehr.<br />
Die wichtigere Frage aber für die Biosphärenpark-<strong>Wienerwald</strong>-Planer sollte sein, wo<br />
die Ex-Wiener denn hinziehen. Der Trend ist schon lange nicht mehr zu übersehen. Die<br />
Planungsgemeinschaft Ost – kurz PGO – publiziert in gewissen Zeitabständen Statistiken<br />
über die Bevölkerungsentwicklung in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. Man<br />
muss gar nicht so genau hinsehen auf den Karten. Das Rot für überdimensionierte<br />
Bevölkerungszunahmen sticht einem ins Auge. Wien ist überwiegend hellblau für<br />
30
Abnahme der Einwohner. Das Rot ist zum größeren Teil im <strong>Wienerwald</strong>. Spitzenreiter sind<br />
mit einer durchschnittlichen Zunahme der Bewohnerzahl in den letzten 10 Jahren um<br />
mehr als 20% Gemeinden wie Gaaden, Gemeinde <strong>Wienerwald</strong>, Wolfgraben oder Laab im<br />
Walde. Vielleicht sollte man froh sein, dass die Wohnungszunahme in einigen Orten jetzt<br />
von ursprünglich 50% über das vergangene Jahrzehnt hinweg „nur noch“ 20% beträgt.<br />
Aber vermutlich ist einigen Gemeinden das Bauland ausgegangen. Konnte man auf einer<br />
Karte aus dem Jahr 1986 noch viele Flächen mit ungenutztem, gewidmetem Bauland<br />
erkennen, so kann man sich heute vor Ort davon überzeugen: da ist nicht mehr viel übrig.<br />
Das aber ist für viele Ortschaften kein Hindernis. Nicht nur die Bundesforste verkaufen<br />
Grünland zum Bebauen. Die Tendenz, Wiesen und Äcker zuzubauen, kann jeder, der<br />
durch den <strong>Wienerwald</strong> fährt, überall erkennen. Es war und ist immer noch kein Problem,<br />
Grünland in Bauland umzuwidmen.- Die Gründe, warum die kontinuierlich Zersiedelung<br />
der <strong>Wienerwald</strong>landschaft ein Problem für ein so anspruchsvolles Vorhaben wie dem<br />
Biosphärenpark ist, sind eigentlich jedem verständlich außer denen, die es mit Macht in<br />
den Wald zieht oder die vor nicht all zu langer Zeit dort angekommen sind. Der<br />
<strong>Wienerwald</strong> als Vorstadt Wiens für alle jene, die nicht mehr in der Hauptstadt wohnen<br />
wollen, aber doch per Autobahn schnell in die Metropole rasen können, um dort zu<br />
arbeiten oder sich der verbliebenen Attraktivitäten zu erfreuen, wird in der Zukunft nicht<br />
mehr viel Naturraum aufweisen, wenn die Siedlungsentwicklung so weiter geht wie in den<br />
letzten Jahrzehnten. Man sollte die Biosphärenplanung als letzte Chance betrachten zu<br />
retten, was noch da ist an natürlichen Ressourcen.<br />
Als in vergangenen Jahrhunderten durch Kriege und Epidemien entvölkerte<br />
Landstriche und Ortschaften wiederbelebt wurden mit Einwanderern aus anderen Teilen<br />
Österreichs aber auch aus Ländern wie Schwaben, Sachsen, Bayern, Schlesien, Preußen,<br />
Polen und der Schweiz, war dies ein Zugewinn für die <strong>Wienerwald</strong>region. Vieles an<br />
Brauchtum, welches die Zuwanderer mitbrachten und welches es zum Teil heute noch<br />
gibt, war eine kulturelle Bereicherung. Wer heute in den <strong>Wienerwald</strong> zieht, bringt außer<br />
weiteren Problemen mit Versorgung und Entsorgung, mit Verkehr und<br />
Umweltverschmutzung aller Art nichts Zuträgliches mit. Mit Natur haben die meisten<br />
Neubewohner auch nichts am Hut. Man muss sich nur die Gärten ansehen, die zum<br />
Beispiel auf ehemaligen Orchideenwiesen eingerichtet werden. Nicht einmal dem<br />
historischen Ortsbild, wo dies noch zu erkennen ist, gereichen die Neusiedlungen und<br />
Einzelhäuser zur Zierde.<br />
Es ist ein Privileg, im <strong>Wienerwald</strong> zu wohnen, das man sich erst verdienen sollte.<br />
Stattdessen wirbt man aber mit Baugrund und Fertighäusern und ganz besonders mit<br />
Reihenhäusern, als wäre dies ein Schlussverkauf. Man ködert Interessierte mit<br />
Wohnbauförderungen, und ganz besonders die Gemeinden sind interessiert an mehr<br />
Bürgern, weil der Finanzausgleich so eine kurzsichtige Politik ausreichend belohnt. Ob<br />
den Ortsbewohnern, die schon lang dort leben, dies auch gefällt, danach fragt niemand.<br />
31
Neubau-Siedlung in<br />
Mauerbach auf der<br />
grünen Wiese.<br />
Als es im eigentlichen<br />
Ort nicht mehr viel<br />
Baulandreserven gab,<br />
trieb es die Häuserl-<br />
Bauer in den Wald oder<br />
auf die Wiese. Das<br />
Siedeln direkt im<br />
Überschwemmungsbereich<br />
von Bächen war<br />
wohl eine besondere<br />
Variante trotz aller<br />
bekanter Risiken.<br />
Die Forderungen, die Gesamtproblematik der <strong>Wienerwald</strong>-Zersiedelung in den Griff<br />
zu bekommen, sind eigentlich schon vor langer Zeit von zuständiger politischer Seite<br />
formuliert worden. Besagte PGO hat schon im Jahr 1987 in der so genannten <strong>Wienerwald</strong>-<br />
Deklaration - unterschrieben von den damaligen Landeshauptmännern - einen<br />
Maßnahmen-Katalog aufgestellt, der Ziele und Aktivitäten, die zu diesen Zielen führen<br />
sollten, auflistet, die der Erhaltung der <strong>Wienerwald</strong>landschaft dienen. Dies hatte nicht viel<br />
Erfolg, zumal die Mehrheit der <strong>Wienerwald</strong>gemeinden das Machwerk nicht unterschrieb<br />
und wohl eher ignorierte. Eine Neuauflage der <strong>Wienerwald</strong>-Deklaration gab es im<br />
Millenniumsjahr mit noch mehr Details. Da liest man in eindrucksvollen Worten über die<br />
besondere Bedeutung dieses Landschafts- und Kulturraums, über die Notwendigkeit<br />
seiner Erhaltung und seiner nachhaltigen Sicherung und die qualitative Entwicklung,<br />
während ringsherum eigentlich nichts passiert, was diese Bekundungen unterstützt, und<br />
man realisiert, dies war wieder einmal nur ein leeres Lippenbekenntnis.<br />
32
Im Biosphärenpark sollte eigentlich alles besser werden. Es gibt Planungen für Wald<br />
und Wiesen und die Landwirtschaft. Die Raum- und Verkehrsplanung und neue machbare<br />
Konzepte diesbezüglich sind offensichtlich kein Thema. Nur hier fangen die wirklichen<br />
Probleme erst an. Es geht darum, den Siedlerstrom drastisch zu drosseln: keine<br />
Gratifikationen mehr für neue Wienerwäldler, keine Wohnbauförderung, keinen<br />
Finanzausgleich. Das Geld lässt sich weiß Gott anderweitig im <strong>Wienerwald</strong> besser<br />
verwenden.<br />
33
Was ein Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> braucht<br />
7. Stoppt die Verkehrslawine<br />
Als in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts die Verbindungsautobahn A21<br />
zwischen der West- und der Südautobahn fertig wurde, löste dies einen unglaublichen<br />
Bau-Boom im <strong>Wienerwald</strong> aus. Von Maria Enzersdorf am Gebirge über Brunn am<br />
Gebirge, Gießhübl, Weißenbach, Sparbach, Sittendorf, Alland und Hochstraß schossen<br />
die Siedlungen wie Pilze aus dem Boden. Eigentlich ging das Bauen schon los, bevor die<br />
A21 noch so richtig fertig war. Nachdem die Errichtung der Autobahn der<br />
<strong>Wienerwald</strong>landschaft schon genug Schaden angetan hatte, erledigten die Neu-Siedler<br />
den Rest. Auch dort, wo es öffentliche Verkehrsmittel gab, fuhr man natürlich mit dem<br />
Auto. Die Statistiken beweisen dies. Ein Haus mit Autobahnanschluss, die hohe<br />
Wohnqualität im <strong>Wienerwald</strong> und die niedrigen Grundstückpreise, das war es, was die<br />
Neusiedler wollten. Aber auch für Zweitwohnsitzer, die nur die Wochenenden außerhalb<br />
der Metropole verbringen wollten, war dieses Zusammentreffen ideal.<br />
Die A21 zerschneidet den <strong>Wienerwald</strong> in zwei Hälften. Ihre Errichtung verursachte eine<br />
enorme Zunahme der Bautätigkeit entlang der Trasse. Inzwischen sind es nicht nur die<br />
Pendler, die die Autobahn beleben, sondernd zunehmend der Transitverkehr. Prognosen<br />
für die nächsten zehn Jahre gehen von einer Steigerung des Ost-Westtransits um 300%<br />
aus. Auch der Freizeit- und Erledigungsverkehr sind im Zunehmen begriffen. Das Bild<br />
zeigt die A21 bei Gießhübl.<br />
Damals war man noch um den Wald besorgt. Der größere Teil der Grundschadstoffe,<br />
die den Bäumen zu schaffen machten, kam von Pkws und LKWs. Heute redet niemand<br />
mehr über das Waldsterben, so als hätte sich das Problem über die Jahre von selbst<br />
gelöst. Dabei ist eigentlich das Gegenteil der Fall. War man ursprünglich noch darauf<br />
34
edacht, die privaten Autos möglichst kompakt zu bauen, damit sie nicht nur weniger<br />
Benzin verbrauchten, sondern auch weniger Schadstoffe emittierten, so ist es heute cool,<br />
mit klobigen Vehikeln durch den Wald zu rasen, deren Verbrauchsund Emissionswerte<br />
eher denen eines Müllwagens entsprechen. Der Platz innen, der ausreichen würde für<br />
eine Großfamilie, wird allzu häufig nur von ein bis zwei Personen besetzt. Was noch<br />
kurioser ist, die gleichen Leute, die sich seinerzeit direkt neben der Autobahn<br />
niedergelassen haben, regen sich heute auf über die Zunahme des Verkehrsaufkommens<br />
auf der A21 und ganz besonders über den damit verbundenen Lärm und Gestank.<br />
Auch die Westautobahn hatte seinerzeit den Siedlerzustrom in den <strong>Wienerwald</strong><br />
provoziert. Trotz der Westbahnstrecke, die parallel zur Autobahn verläuft, hat es in den<br />
letzten zehn Jahren keine Zunahme der Fahrgäste gegeben, dafür aber einen Anstieg<br />
des durchschnittlichen Werktagsverkehrs um etwa 10%. Im Bild zu sehen ist das<br />
Ortszentrum von Pressbaum.<br />
Ich stelle fest, es hat niemand gegen den Bau der A21 protestiert. Das Gegenteil war<br />
der Fall. Der Bau und der Ausbau der Südautobahn, der ja den <strong>Wienerwald</strong> auch<br />
tangierte, haben einen weiteren Siedlerstrom im Süden ausgelöst, und in den Schubladen<br />
der Planer gibt es bereits Entwürfe für Schnellstraßen im Südwesten und Westen von<br />
Wien, die auch durch den <strong>Wienerwald</strong> gehen sollen. Natürlich sind nicht nur die Siedler,<br />
welche die Gelegenheit ergriffen haben, in den <strong>Wienerwald</strong> zu ziehen, Schuld an der<br />
Verkehrsmisere. Die Bürgermeister, die Baugrund genehmigten oder selber<br />
verscherbelten, die Immobilienhändler, die bislang weniger wertvolles Land jetzt zu<br />
Höchstpreisen verkaufen konnten, private Grundbesitzer, die für sie nutzlos gewordene<br />
Wiesen oder Ackerflächen los werden wollten, alle haben mitverdient.<br />
Die Etablierung neuer Siedlungsflächen, die Vermehrung der Ortsbewohner machten<br />
weitere, neue Strassen notwendig. Nachdem jetzt die Zufahrtstrassen zunehmend<br />
verstopft wurden, suchte man Schlupflöcher, um den Staus zu entkommen, und der<br />
35
Verkehr nimmt jetzt auch da zu, wo vorher kaum welcher war. Viele Strassen, die<br />
ursprünglich als Sackgassen angelegt waren, sind in den letzten Jahren ausgebaut<br />
worden – durch den Wald hindurch. Jetzt kann man wohl jeden Ort im <strong>Wienerwald</strong><br />
durchqueren, anstatt nur bis hin und dann wieder zurück zu fahren. Das derzeit im<br />
<strong>Wienerwald</strong> bestehende Verkehrsaufkommen und das fast flächendeckende Straßennetz<br />
charakterisieren eine Landschaft, die eigentlich nur schwierig in Einklang zu bringen ist mit<br />
einem Biiosphärenpark-Konzept.<br />
Viele Pendler dürften bereits weniger begeistert sein über ihren Autobahnanschluss,<br />
zumal die Verkehrssituation in Wien und um Wien herum chaotische Ausmaße<br />
angenommen hat. Die Öffnung der Ostgrenzen und damit verbunden der Transitverkehr<br />
haben die Stadt- und Verkehrsplaner offensichtlich überfordert. Man plant immer mehr<br />
Umfahrungs- und Schnellstraßen im Glauben, dass alle die, die nicht hier bleiben wollen,<br />
die Möglichkeit haben sollten, schnell weiter fahren zu können. Dass man tatsächlich einer<br />
weiteren Zersiedelung und Suburbanisierung Wiens Vorschub leistet, haben sie wohl nicht<br />
bedacht. Auch der <strong>Wienerwald</strong> wird nicht von der zu erwartenden Ausweitung der<br />
Verkehrslawine verschont bleiben.<br />
Für die derzeitigen <strong>Wienerwald</strong>bewohner ist der einzige Ausweg aus dem<br />
Verkehrsdesaster der Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes. Bus und Bahn müssen<br />
attraktiver werden. Es gibt da viele Aspekte zu beachten: die Erreichbarkeit der<br />
Haltestellen, die Häufigkeit der Fahrzeiten auch nachts, die Anschlussmöglichkeiten, und<br />
sicher auch der Fahrpreis. Der Ist-Zustand reflektiert wohl eher das Gegenteil: Schlechte<br />
Anbindung an Bahn und Bus und vom Bus an die Bahn, schlechte lokale Verbindungen,<br />
fehlende Verbindungen von Wien in den <strong>Wienerwald</strong> hinein, unwirtliche Bahnhöfe, nicht<br />
überdachte Bushaltestellen und anderes.<br />
Dies sind die Forderungen für den Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong>:<br />
1. Verbesserung der bereits angeführten Problempunkte, das heißt im Besonderen<br />
Stärkung des öffentlichen Verkehrs.<br />
2. Erarbeitung regionaler und überregionaler Verkehrslösungen.<br />
3. Kein weiterer Ausbaus des Straßennetzes, eher Rückbau einiger unsinniger<br />
Straßenstrecken.<br />
4. Verbesserung und Ausweitung der Park & Ride Konzepte.<br />
5. Verringerung der Schadstoffbelastung durch Pkws auch durch Erhöhung von Kfz-<br />
Steuern und Versicherungsprämien für Dreckschleudern und Benzinfresser. Das trifft<br />
insbesondere die Liebhaber der von den Amerikanern abgeguckten SUVs (Sports<br />
Utility Vehicles).<br />
6. Verlagerung des größeren Teils des LKW-Verkehrs auf die Schiene.<br />
7. Verbesserung der Verkehrssituation in Wien, die besonders den Pendlern<br />
entgegenkommt, so dass sie darauf verzichten können, mit dem Auto nach Wien zu<br />
fahren. Das erfordert in erster Linie eine effektivere Verkehrs- und Stadtplanung.<br />
8. Ausweitung und Verbesserung des Anrufsammeltaxi-Systems.<br />
36
Was ein Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> braucht<br />
8. Der Countdown läuft<br />
Jedes Jahr am 30. April endet bei der UNESCO die Einreichfrist für Anträge zum<br />
Biosphärenpark. Es werden jedes Jahr immer mehr Anträge gestellt - viele aus den<br />
Ländern des ehemaligen Ostblocks. Es werden auch immer Anträge abgelehnt.<br />
Biosphärenpark ist eine Art Auszeichnung, eine Marke, die sich in einem wirtschaftlichen<br />
Aufschwung der Region niederschlagen sollte. Deswegen ist diese Ernennung so begehrt,<br />
und deshalb sollten sich auch die Bewerber größte Mühe geben, um sich dieser<br />
internationalen Anerkennung als würdig zu erweisen. Wenn also die Länder<br />
Niederösterreich und Wien ihre Bewerbung rechtzeitig einreichen wollen, müssen sie sich<br />
beeilen, denn was da an Daten und Vorschlägen angesammelt wurde, reicht nicht aus, um<br />
den <strong>Wienerwald</strong> als Biosphärenparkanwärter zu profilieren.<br />
Deshalb hatten einige engagierte Vorkämpfer für die letzte Rettung des<br />
<strong>Wienerwald</strong>es am 30. November im Cafe Landtmann in Wien zu einer Pressekonferenz<br />
eingeladen. Anwesend waren unter anderen der „Nachhaltigkeitsexperte“ Stefan Moidl<br />
vom WWF, ein Vertreter vom bekannten Regionalökonomen Josef Baum und ich. Ich<br />
kämpfe seit mehr als zwanzig Jahren für die Partei im <strong>Wienerwald</strong>, die keine Lobby hat:<br />
die Natur. Josef Baum tut dies für die Menschen. Der WWF agiert eigentlich global, aber<br />
erfreulicherweise auch schon mal regional, und Stefan Moidl ist als gelernter Forstmann<br />
unentbehrlich an der Front der <strong>Wienerwald</strong>kämpfer.<br />
Die Forderungen von Josef Baum an die Biosphärenparkplaner und die politisch<br />
Verantwortlichen umreißt die Problempunkte der <strong>Wienerwald</strong>region, zu der weder eine<br />
Experten- noch eine sonstige Beratergruppe eingerichtet wurden. Es geht um die so<br />
genannte Übergangszone (Transition-Zone), die immerhin gut 80% des Planungsareals<br />
ausmacht. Es geht um die nachhaltige Entwicklung und den demokratischen Raum, der<br />
dafür notwendig ist. Er beantragt einen <strong>Wienerwald</strong>-Konvent, ein entscheidungsbefugtes,<br />
kompetentes Gremium, welches auch oder besonders Bürgervertreter einbezieht. Dieser<br />
Konvent soll die nachhaltige Entwicklung der Region beobachten, konzipieren, steuern<br />
und kontrollieren. Wesentliche Bereiche der zukunftsfähigen Entwicklung der<br />
Überganszone sind: Raumordnung, Verkehr, Energie, Arbeit und Leben in der Region. Ich<br />
werde das Konzept und anderes in den Folgen 9 und 10 dieser Serie im Detail erläutern.<br />
Kern- und Pufferzonen sind das Herzstück eines Biosphärenparks. Zuständig ist die<br />
Planungsgruppe Wald dominiert von einem Ökobüro aus Kärnten. Sie orientiert sich an<br />
den Vorlagen der MAB (Man and the Biosphere = Der Mensch und die Biosphäre) -<br />
Kommission der Deutschen und teilweise auch an den Interpretationen der ARGE<br />
<strong>Wienerwald</strong>, welche für die Machbarkeitsstudie verantwortlich war, und die vom<br />
„Umweltdachverband“ kontrolliert wurde. Da gibt es schon einmal zwangsläufig<br />
Diskrepanzen in Bezug auf die Frage, wie viele Kernzonen ein Biosphärenpark braucht<br />
und wie man eigentlich die Pufferzonen (=Pflegezonen) definiert und dann darüber, wie<br />
deren Status rechtlich abzusichern ist, wenn überhaupt. Nachdem offensichtlich die<br />
Deutsche Version noch am ehesten den Vorstellungen der UNESCO entspricht, entpuppt<br />
sich die Variante der Österreicher zumindest als recht eigenwillig:<br />
37
Die Vorschläge der Biosphärenpark-Planer reduzieren den <strong>Wienerwald</strong> zu einem<br />
Fleckerlteppich. Die vorgeschlagenen Kernzonen sind rot markiert. Was nicht mehr<br />
Kernzone sein wird, ist grün gekennzeichnet. Blau ist der Lainzer Tiergarten als<br />
„besonderes“ Waldgebiet - eine Wald-Kategorie, die in den UNESCO-Vorgaben nicht<br />
vorkommt. Orginal-Karte: E.C.O. Institut für Ökologie, Klagenfurt (30.6.2004). Modifikation:<br />
Dieter Armerding.<br />
Wie die obige Abbildung zeigt, gibt es da 48 Kernzonen, anstatt einer oder<br />
meinetwegen zwei bis drei. Gefordert ist eine zusammenhängende Waldfläche anstatt<br />
einem Fleckerlteppich. Selbst die größte der ausgewiesenen Kernzonen ist kleiner als die<br />
geforderten 3% der Planungsfläche. Die Summe aller Klein-Kernzonen ist mit 8.5% sicher<br />
ansehnlich. Aber dieser Vorschlag einer Vielzahl nicht zusammenhängender Waldflächen<br />
38
ist jenseits der UNESCO-Richtlinien. Ursprünglich haben die Landeshauptleute<br />
angekündigt, 8.000 Hektar Wald außer Nutzung zu nehmen. Jetzt sind es nur noch 5.000.<br />
Benötigt wären aber 10.000 Hektar. Die eigentliche Pufferzone ist dafür mit 0.75% recht<br />
mickrig, weil sie als eine Baumlänge (30m) rings um die Kernzonen definiert ist. Gefordert<br />
ist aber eine Fläche, die drei- bis viermal so groß ist wie eine gegebene Kernzone. Die<br />
nicht mit der Kernzone assoziierten Puffer- oder Pflegezonen, die von beiden<br />
Planungsgruppen – Wald und Offenland - ausgewiesen wurden, sind nirgendwo in den<br />
UNESCO Vorgaben gefordert. Die Versicherung an die derzeitigen Eigentümer, dass es<br />
keinerlei rechtliche Bindungen oder Einschränkungen geben wird, ist schon für die<br />
Kernzonen sonderbar. Die Puffer-/Pflegezonen sind dann wohl eine rechtloser Zone.<br />
Es sollte im <strong>Wienerwald</strong> mindestens eine große Kernzone von 3.000 Hektar oder mehr<br />
geben mit einer umfassenden Pufferzone, die mindestens zwei bis dreimal so groß ist wie<br />
die Kernzonenfläche.<br />
Angesichts dieser Auswahl an Merkwürdigkeiten kann man den Planern und<br />
Auftraggebern eigentlich nur raten, sich das Ganze noch einmal sorgfältig zu überdenken.<br />
Die Forderungen sind folgende:<br />
1. Mindestens eine der Kernzonen sollte der geforderten Größe von 3% (=3.000ha)<br />
entsprechen. Dann könnte man aber gleich einen Nationalpark machen, was den<br />
UNESCO Richtlinien nicht widerspricht! Man macht eben einen Biosphärenpark mit<br />
einer Nationpark-Kernzone.<br />
2. Die Gesamtfläche der relevanten Kernzonen sollte 10.000ha (10%) ausmachen.<br />
3. Die vielen winzigen Kernzonen sollten als Naturwaldreservate geschützt werden,<br />
wenn sie es nicht schon sind.<br />
4. Die Pufferzonen sollten drei bis viermal so groß sein wie betreffenden Kernzonen.<br />
Die notwendige Ausweisung der Pufferzonen sollte nicht auf Kosten der ohnehin zu<br />
kleinen Kernzonen gehen.<br />
39
5. Die rechtliche Absicherung von Kern- und Pufferzonen hat stattzufinden.<br />
6. Alle landschaftlichen Flächen, die mit der Kernzone nicht verbunden sind, aber<br />
unbedingt erhaltenswert sind, sollen als Teil der Transition-Zone sehr wohl<br />
ökologisch orientierten und verbindlichen Pflegemaßnahmen unterworfen werden.<br />
Auch ÖPUL-Verträge bedingen eine Bindung an Verträge und rechtlich verbindliche<br />
Vorgaben. Man sollte aber die Prämien für Natur- und Artenschutz konforme<br />
Maßnahmen im Biosphärenpark signifikant erhöhen.<br />
7. Es ist notwendig, das Biosphärenpark-Management mit mehr Kompetenz und mehr<br />
Geld auszustatten.<br />
Dies wäre also der Countdown zum Biosphärenpark:<br />
Sofort: Sicherung der wertvollsten Waldgebiete so wie dies 2003/ 2004<br />
vorgeschlagen wurde.<br />
Bis Februar 2005: Zonierung und Definition von Zielen für die verschiedenen Zonen und<br />
Maßnahmeplanung.<br />
März 2005: Rechtliche Verankerung, Ausrichtung der Förderpolitik der Länder und<br />
des Bundes.<br />
April 2005: Einreichung bei der UNESCO.<br />
40
Was ein Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> braucht<br />
9. Ein Modell für zukunftsfähige Entwicklung<br />
Das Prinzip der Nachhaltigkeit betrifft nicht nur Biosphären-Reservate. Die Fachtagung zur<br />
Stadtökologie, die im Oktober diesen Jahres in Wien stattfand (Titel: „grünstadtgrau“),<br />
präsentierte für den städtischen Raum zukünftige Strategien: für das Leben mit der Natur<br />
im Siedlungsraum, für ein neues Bodenbewusstsein, für eine neue Lebensqualität durch<br />
effektive Freiraumgestaltung und ökologisches Bauen, für ein interdisziplinäres<br />
Wissenschaftsmanagement und anderes mehr. Die Basis und die Vorgaben stammten<br />
vom Rat der Europäischen Union und wurden im Februar 2004 herausgegeben. Es ging<br />
um die “Entwicklung einer thematischen Strategie für städtische Umwelt“. Globalziele<br />
sollten unter anderen die Verbesserung der Umwelteffizienz und der Lebensqualität in<br />
städtischen Gebieten, Gewährleistung eines gesunden Lebensumfeldes für die<br />
Stadtbewohner in Europa, Stärkung des ökologischen Beitrages zur nachhaltigen<br />
Entwicklung unter gleichzeitiger Berücksichtigung wirtschaftlicher und sozialer Fragen<br />
sein. Es gibt eine Vielzahl von Perspektiven, Vorschlägen und Beispielen zur<br />
Nachhaltigkeit in der Städtepolitik, dem städtischen Nahverkehr, dem städtischen Bauen,<br />
der Stadtgestaltung. Schwerpunkt der Strategie werden überwiegend Empfehlungen für<br />
Maßnahmen der Europäischen Kommission, der Mitgliedsstaaten und<br />
Kommunalbehörden sein. Es wird aber ausdrücklich festgestellt, dass auch dem einzelnen<br />
Bürger bei der Verwirklichung einer nachhaltigen, gesunden städtischen Umwelt eine<br />
wichtige Rolle am Entscheidungsprozess zukommt. Solche Konzeptentwicklungen sind<br />
eigentlich selbst für Österreich nichts Neues. Es gab vor gut zwanzig Jahren unter der<br />
Obhut von Bürgermeister Zilk das Stadtentwicklungkonzept (STEP) Wien und später auch<br />
Übungen zur Bewusstseinsmachung von Stadtökologie und Naturräumen (z.B. Blubb=<br />
Biotope, Landschaften, Utopien bewusst beleben). Vieles im STEP liest sich wie das, was<br />
die EU heute vorschlägt, nur ist das Meiste wohl Makulatur geblieben, während die<br />
Europäische Union es mit ihren Vorstellungen und Forderungen tot ernst meint. Wien hat<br />
die Chance verpasst, sich als Vorbild für den Rest Europas zu profilieren. Die Zeit<br />
akademischer, unverbindlicher, rhetorischer Sandkastenspiele ist nun endgültig vorbei. Ab<br />
Januar 2005 wird per EU-Verordnung zum Beispiel das Recht eines jeden Bürger auf<br />
saubere, gesunde Luft umgesetzt werden, auch wenn dies bedeutet, dass man die Stadt<br />
teilweise oder ganz für den Autoverkehr sperrt. Die Verbesserung des öffentlichen<br />
Verkehrs, die Verringerung der Schadstoffemissionen und -immissionen werden keine<br />
freiwilligen Unternehmungen mehr sein, sondern erzwungen werden. Jeder Bürger kann<br />
vor Gericht gehen und sein Recht auf gesunde Luft einklagen. De Stadtväter Österreichs<br />
haben in der Vergangenheit durchaus einiges für die Steigerung der Lebensqualität ihrer<br />
Bürger getan. Aber dies ging zu langsam vor sich, war nicht konsequent genug, nicht<br />
stadtumgreifend und nicht ohne gravierende Fehler und Mängel.<br />
Die thematischen Schwerpunkte für die Entwicklung der städtischen Umwelt sind im<br />
Wesentlichen identisch mit denen des suburbanen Raums. Es geht auch dort um<br />
zukunftsfähige Verkehrskonzepte, um Nachhaltigkeit in der Raumplanung und<br />
Regionalentwicklung, in der Wirtschaft, im Energie- und Ressourcenverbrauch, um<br />
umweltfreundliche Technologien. Hinzu kommen vermehrt Aspekte, die durchaus auch im<br />
urbanen Raum akut sein können aber – wie in Wien - im kleineren Rahmen, so wie die<br />
Nachhaltigkeit in Forst- und Landwirtschaft. Ausweisung von Puffer- und Pflegezonen im<br />
Biosphärenpark bedeuten letzten Ende nicht, dass der Rest der Planungsfläche Freiraum<br />
für<br />
41
Die Forstbetriebe im Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> sollten im gesamten Planungsareal<br />
nachhaltig, schonend und naturnah wirtschaften und nicht nur in den Pufferzonen.<br />
für weiteren ungehemmten Raubbau sind. Gerade Land- und Forstwirtschaft sollten in<br />
allen Teilen des Biosphärenparks vorbildlich sein, was nachhaltige Entwicklung anbetrifft.<br />
Für die Landwirtschaft würde dies eigentlich über die Vorgaben von ÖPUL und der GAP<br />
(Good Agricultural Practice) -Reform der EU hinausgehen. Die Bauern würden auch bei<br />
der Nahrungsmittelverarbeitung und bei Vermarktungsstrategien eine wichtige Rolle<br />
spielen und Verantwortung für die zukünftige Versorgung der Region tragen. Die<br />
Entwicklung und Anwendung von Technologien erneuerbarer Energieträger liegen<br />
ebenfalls in der Verantwortung der Landwirte sowie auch der Forstbetriebe. Was Letztere<br />
anbetrifft: Nur eine nachhaltige, schonende, und tatsächlich naturnahe Forstwirtschaft im<br />
gesamten Biosphärenpark ist in Zukunft akzeptierbar. Schwerpunkte wären die regionale<br />
Vermarktung und damit verbunden der vermehrte, vielfältige Gebrauch von Holz abseits<br />
der Energiegewinnung. Die Rehabilitation von degenerierten Wiesen-, Agrar- und<br />
Waldflächen sowie Rohstoffabbau- und anderer Areale hat in einem Biosphärenpark<br />
zusätzliche hervorragende Bedeutung.<br />
Die Biosphärenparkplaner agieren immer noch bei den meisten der von ihnen<br />
verfolgten Ziele auf der Basis der Freiwilligkeit der Betroffenen ohne zu realisieren, dass<br />
bei vielen der angestrebten Ziele die Zeit für konkrete, zwingende Maßnahmen und<br />
rechtliche Umsetzungen längst gekommen ist. Der Versuch, die Betroffenen zu<br />
überzeugen, um zu einem verbindlichen Konsens zu kommen über essentielle<br />
Zielvorgaben und Umsetzungsstrategien ist illusorisch und angesichts der Gesamtheit,<br />
Komplexheit und<br />
42
Winterstimmung auf einer Hutweide im <strong>Wienerwald</strong>. Extensivierung und ökologiegerechte<br />
Bewirtschaftung aller landwirtschaftlichen Flächen sind der Schlüssel zur Nachhaltigkeit.<br />
Komplexheit und Dringlichkeit der Probleme ein untaugliches Mittel. Wir haben nicht mehr<br />
den Luxus langer Debatten und Erörterungen, weil nichts mehr zu retten sein wird, wenn<br />
wir damit fertig sind. Die Sevilla Strategie zur Errichtung eines Biosphärenparks beschreibt<br />
einen alternativen Weg in die Zukunft, den wir gehen können. Er integriert nachhaltige<br />
Entwicklung, Fürsorge für die Umwelt, größere soziale Gleichheit und respektiert und<br />
akkumuliert Erfahrung und Weisheit aller im ländlichen Raum lebenden und arbeitenden<br />
Menschen.<br />
Die Zeit zum Handeln ist jetzt! Trotzdem sollten die Direktiven und Entscheidungen<br />
zum überwiegenden Teil nicht von den Regierungen der Länder und den etablierten<br />
politischen Strukturen kommen, sondern von den <strong>Wienerwald</strong>bewohnern selber. Die<br />
UNESCO favorisiert die Beteiligung aller in und von der Region lebenden Menschen bei<br />
den wichtigen Entscheidungen, welche die Probleme der Erhaltung des biogenetischen<br />
Erbes und der nachhaltigen Entwicklung in Biosphärenparks betreffen. Ein <strong>Wienerwald</strong>-<br />
Parlament könnte als entscheidungberechtigtes, kompetentes Forum die nachhaltige<br />
Entwicklung der gesamten Region konzipieren, steuern, beobachten und kontrollieren. In<br />
solch einem Gremium sollten außer Bürgerinteressensvertreter, Landwirte und Forstleute<br />
auch Wissenschaftler (Biologen, Ökologen, Sozialwissenschaftler, Sozialökonomen) und<br />
andere Experten, Lehrer und Vertreter der NGOs mitwirken. In anbetracht der<br />
überregionalen, wichtigen Funktion des <strong>Wienerwald</strong>-Parlaments sollten die<br />
<strong>Wienerwald</strong>gemeinden nur dann Landes-, Bundes- oder sonstige Geldmittel erhalten,<br />
wenn sie gemäß der Direktiven des Parlaments im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung<br />
arbeiten und nicht, wie es heute üblich ist, das Gegenteil praktizieren. Nur dann kann man<br />
erwarten, dass die Gemeindevertreter auch zielgerecht und effektiv ihre Arbeit tun. Es<br />
43
esteht keine Notwendigkeit mehr, noch lange über Grundlagen und Details und<br />
Umsetzungsstrategien nachhaltiger Entwicklung zu diskutieren. Die Sevilla-Strategie liefert<br />
genügend Unterlagen, und es gibt eine große Menge andere Daten, Konzepte, Analysen,<br />
Richtlinien – so wie z.B. die der EU Kommission. Man muss sich nur endlich dran setzen,<br />
diese Strategien umzusetzen. Die UNESCO-Vorgaben aufgrund ihrer globalen Reichweite<br />
und umfassenderen Zukunftsvisionen stellen eine ideale Ergänzung zur Umweltpolitik der<br />
Europäischen Union dar. So gesehen würde ein Biosphärenpark eine Modell-Region mit<br />
Vorbildcharakter für den Rest des Landes repräsentieren.<br />
44
Was ein Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> braucht<br />
10. Das Weltnetzwerk der Biosphärenparks<br />
Wenn der <strong>Wienerwald</strong> zum Biosphärenpark ernannt werden sollte, dann sind wir nicht<br />
allein mit dieser Auszeichnung. Mehr als 420 solcher Regionen gibt es auf der Welt. 95<br />
Länder haben bislang bei diesem globalen Projekt mitgemacht, die Mehrzahl erfolgreich.<br />
Wir sollten auch nicht vergessen, dass es in Österreich bereits 5 Biosphärenparks gibt:<br />
Gossenköllesee, Gurgler Kamm, die Lobau, der Neusiedler See, das Grosse Walsertal.<br />
Auch wenn diese Gebiete eigentlich nicht viel mit dem <strong>Wienerwald</strong> gemeinsam haben und<br />
zwei davon im nachhinein zu Nationalparks nominiert wurden, weil die Biosphärenpark-<br />
Richtlinien für den notwendigen Schutz doch nicht ganz ausreichten, so kann man doch<br />
etwas von diesen Regionen und den Erfahrungen der Leute dort lernen. Das gleiche gilt<br />
für die Vielzahl der anderen Biosphere Reserves in der Welt. Keines hat diese Ernennung<br />
von der UNESCO erhalten und sich dann auf den Lorbeeren ausgeruht.<br />
<strong>Wienerwald</strong> 2004: Ein besonderer Ort für Mensch und Natur!<br />
Vienna Woods 2004: A special place for people and nature!<br />
Die ersten vier österreichischen Biosphärenparks wurden 1977 etabliert. Alle zehn<br />
Jahre findet eine gründliche Überprüfung durch Vertreter des International Co-ordinating<br />
Counsil (ICC) i des „Man and the Biosphere (MAB)“ Programms statt. Diese Reviews<br />
dienen dazu, Status und Funktionsfähigkeit des Biosphärenparks zu überprüfen und im<br />
Falle eines Falles, Verbesserungen vorzuschlagen. Sollte das ICC zum Schluss kommen,<br />
dass der Zustand des Parks nicht mehr konform ist mit den Richtlinien, wobei<br />
insbesondere die kulturellen und die sozioökonomischen Aspekte berücksichtigt werden,<br />
dann gibt erst einmal eine Galgenfrist. Das ICC schlägt Maßnahmen zur Abänderungen<br />
der Missstände in einem akzeptablen Zeitrahmen vor. Sollte das ICC dann immer noch<br />
45
nicht zufrieden sein mit den Ergebnissen der Bemühungen der Biosphärenpark-<br />
Verantwortlichen, dann fliegt dieser Park prompt wieder raus aus dem Klub der speziellen<br />
Plätze in der Welt. Natürlich können die Betroffenen auch vorher - um die Peinlichkeiten<br />
zu vermeiden - von selber eine Kündigung einreichen.<br />
Noch ist es aber noch nicht so weit, dass dem <strong>Wienerwald</strong> die Eignung zum<br />
Biosphärenpark zugesprochen wurde, und es gibt eigentlich noch zu viele<br />
Unzulänglichkeiten und Widersprüche mit den Vorstellungen der UNESCO, auf die zum<br />
großen Teil in den vorherigen Folgen dieser Serie hingewiesen wurde. Die große Eile, bis<br />
zum nächsten Einreichtermin am 30. April dieses unfertige Produkt abzuliefern, ist<br />
unverständlich angesichts der realen Möglichkeit, dass es abgelehnt wird. Es ist schwer<br />
vorstellbar, was dann mit der <strong>Wienerwald</strong>landschaft geschehen wird.<br />
Ich will hier noch einmal in Kürze auf die Statuten des Biosphärenpark-Netzwerks<br />
eingehen, damit es keine Missverständnisse gibt. Es gibt zehn Artikel. Der erste definiert<br />
einen Biosphärenpark als eine Region, die international anerkannt wird als Teil des<br />
UNESCO MAB Programms. Artikel 2 beschreibt Biosphärenparks als weltweites<br />
Netzwerk, das die Werkzeuge liefert und repräsentiert zur Erhaltung der biologischen<br />
Vielfalt und der nachhaltigen Nutzung der betreffenden Gebiete. Die alleinige<br />
Verantwortung für den Biosphärenpark trägt der Staat, in dem der Park sich befindet, und<br />
der ist auch zuständig für alle notwendigen Maßnahmen, die zu treffen sind. Jeder<br />
Biosphärenpark ist angehalten nach größtmöglicher Perfektion zu streben, was<br />
Konservation und nachhaltige Nutzung in der Region betreffen. Bei der Konservation geht<br />
es um die Erhaltung von Landschaftsformen, von Ökosystemen, und der genetischen -<br />
und damit der Arten - Vielfalt. Gefördert werden soll die ökonomische und menschliche<br />
Entwicklung auf einer soziokulturellen und ökologisch nachhaltigen Basis. Wichtige<br />
Hilfsmittel zur Erreichung der Ziele sind die Förderung von Vorzeige-Projekten, von<br />
Umwelterziehung und Schulung, von Forschung über und Erfassung aller Fakten und<br />
Begebenheiten, die regionale, nationale und globale Konservation und nachhaltige<br />
Entwicklung betreffen.<br />
Der wichtigste Teil der Rahmenbedingungen ist in Artikel 4 – Kriterien - niedergelegt.<br />
Der Biosphärenpark soll ein Mosaik von Ökosystemen aufweisen, die repräsentativ sind<br />
für größere biogeographische Regionen. Es sollen auch Areale integriert sein mit<br />
verschiedenem Ausmaß menschlicher Nutzung. Das Gebiet soll relevant und repräsentativ<br />
sein für die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Es sollte die Möglichkeiten zur Erforschung<br />
und Erprobung nachhaltiger Entwicklung auf regionaler Ebene gewährleisten. All dies trifft<br />
für den <strong>Wienerwald</strong> zu, ebenso die geforderte Gesamtgröße des Planungsareals. Über die<br />
Durchsetzung dieser grundsätzlichen Parameter durch Zonierung habe ich bereits genug<br />
geschrieben. Die Notwendigkeit für die Etablierung spezifischer Organisations- und<br />
politischer Verwaltungsformen – so wie ein <strong>Wienerwald</strong>-Parlament - stand in der letzten<br />
Folge. Es ist weiterhin erforderlich, menschliche Nutzung und Aktivitäten in der Puffer-<br />
Zone oder den Zonen verbindlich festzulegen, einen Management-Plan für den gesamten<br />
Biosphärenpark zu erarbeiten und die Verantwortlichen und die Vorgangsweise zu<br />
benennen.<br />
Artikel 5 -7 legen die grundsätzliche Prozedur der Bewerbung, die Ernennung und die<br />
Teilnahme am Biosphärenpark-Netzwerk fest. Artikel 8 ermuntert alle Teilnehmer des<br />
Netzwerkes zu kooperativem Projekten und zum Informationsaustausch. Artikel 9 regelt<br />
die Reviews und den potentiellen Rausschmiss, Artikel 10 die Rolle des Sekretariats. Für<br />
die Erarbeitung der Würdigkeit zur Biosphärenpark-Ernennung gibt es eine Aufstellungen<br />
von Vorschlägen – die Sevilla+5 Recommandations - , welche die zehn Artikel im<br />
Einzelnen genauer beschreiben, und es gibt eine Checkliste für Aktivitäten.<br />
46
Natürlich gäbe es noch vieles mehr über das Biosphärenpark Konzept zu sagen. Aber<br />
das kann jeder in den Schriften der UNESCO auch selber nachlesen. Auf deren Website<br />
www.unesco.org/mab/ kann man Vieles herunterladen oder auch bestellen (z.B.<br />
„Biosphere reserves – Special places for people and nature“, mit vielen Bildern). Es ist<br />
notwendig, dass jeder weiß, was auf uns zu kommt oder auch, was wir vermissen werden,<br />
wenn nichts daraus wird.<br />
i<br />
Das könnte man als internationales Koordinations- Gremium des Programms „Der<br />
Mensch und die Biosphäre“ übersetzen.<br />
47
Transition-Zone: <strong>Wienerwald</strong><br />
text und fotos von Dieter Armerding<br />
Transition: Change, alteration, metamorphosis, transformation, transmutation,<br />
development, evolution, conversion, modification, metastasis. The Oxford<br />
Thesaurus, Oxford University Press, New York, NY, 1992<br />
Ich habe diesen Artikel geschrieben, als es noch nicht klar war, ob der <strong>Wienerwald</strong><br />
nun Biosphärenpark wird oder nicht. Jetzt liegt die Entscheidung vor. Es gibt aber keinen<br />
Anlass, in Jubel auszubrechen und sich auf den Lorbeeren auszuruhen. Die Arbeit fängt erst<br />
an. Das eingereichte Konzept war mangelhaft und unzureichend. Es geht jetzt darum, die<br />
Mängel zu beseitigen und erst zu schaffen, was einen Biosphärenpark wirklich ausmacht. Die<br />
UNESCO passt auf. Wir können den Titel so schnell wieder verlieren, wie wir ihn bekommen<br />
haben, und das wäre doch jammerschade!<br />
Es ist ein grundsätzlicher Irrtum anzunehmen, dass ein Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong><br />
eigentlich nur eingrenzt, was Natur ausmacht oder naturnah ist. Der Rest der Region könnte<br />
dann so weiter machen wie bisher. Wir können die Kernzonen verbessern, restaurieren oder<br />
so lassen, wie sie sind. Auch, was da als Puffer- und Pflegezonen ausgewählt wurde, ist in<br />
der Regel alles andere als perfekt und würde Verbesserungen brauchen. Aber es ist wohl<br />
eher der Bereich des <strong>Wienerwald</strong>es außerhalb oder zwischendrin, der konkret und unbedingt<br />
Änderungen nötig hat.<br />
Natürlich ist der ganze <strong>Wienerwald</strong> Kulturlandschaft. Ziehen wir aber davon oben<br />
erwähnte Zonen ab und picken wir vom Verbleibenden die Rosinen heraus, vielleicht<br />
Brauchtum, Geschichtliches, sonst wie Reizvolles, dann bleibt immer noch eine Menge<br />
<strong>Wienerwald</strong>-Region übrig, die mit dem Konzept eines Biosphärenparks nicht nur nicht<br />
konform geht, sondern ihm direkt widerspricht. Schutz von Wald und Wiesen, sogar die<br />
Sanierung der Landwirtschaft, sind machbar. Warenzeichen Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong>,<br />
Selbstvermarktung von <strong>Wienerwald</strong>produkten, Förderung von Brauchtum und anderem<br />
Hergebrachtem, Begünstigung von – sanftem – Tourismus, auch das kann man alles in den<br />
Griff bekommen. Aber speziell Letzteres ist doch wohl eher nur Kosmetik im Angesicht der<br />
unermesslichen<br />
Vergessen wir auch nicht: die Natur im <strong>Wienerwald</strong> ist nicht dazu da denen, die in der<br />
Entwicklungszone leben, zum Überleben zu verhelfen. Das Gegenteil ist der Fall. Es geht um<br />
die Erhaltung der biologischen Ressourcen, um die Konservierung des biogenetischen Erbes<br />
um fast jeden Preis. Die, die in der Transition-Area leben, sind aufgerufen, alle Störungen der<br />
Kern-Regionen sowie der Puffer-/ Pflegezonen abzuwehren oder zumindest zu mildern. Der<br />
Appell geht natürlich auch an alle Verantwortlichen für den <strong>Wienerwald</strong>, besonders an die,<br />
die schon lange den <strong>Wienerwald</strong> für eigennützige Zwecke ausnützen und ihn ausbeuten, und<br />
deren Absichten und Ziele denen des Biosphärenpark-Konzepts genau entgegengesetzt<br />
sind.<br />
Die Zersiedelung des <strong>Wienerwald</strong>es hat viele Gründe. Aber es ist überwiegend der<br />
Siedlungsdruck von Wien ins Umland und speziell in den <strong>Wienerwald</strong> hinein mit allen<br />
katastrophalen Konsequenzen der Hauptgrund, warum ein Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> nicht<br />
funktionieren, wenn man diese Probleme eher ausklammert als sie effektiv anzugehen.<br />
48
Ortschaften expandieren überall hin, wo das Land billig ist. Gedankenlosigkeit der<br />
Gemeindevertreter und skrupelloses Spekulantentum sind die Basis eines<br />
unkontrollierten Siedlungsbooms.<br />
Jeder Bau von Autobahnen und Schnellstrassen provoziert einen neuen Siedlungsboom.<br />
49
Da herrscht aber nach wie vor große Ratlosigkeit. Die meisten <strong>Wienerwald</strong>-Bewohner<br />
und die offiziell mit der Region Befassten betrachten die Siedlungsentwicklung im<br />
<strong>Wienerwald</strong> als etwas Schicksalhaftes. Dabei sind alle, die es heute in den <strong>Wienerwald</strong> treibt<br />
oder die erst gestern hingezogen sind, mit Schuld an der Misere. Warum bleiben die Wiener<br />
nicht in Wien? Hat die Stadtpolitik dort versagt? Warum ist es nach wie vor so leicht, fast<br />
überall im <strong>Wienerwald</strong> zu siedeln? Wozu brauchen wir so etwas wie die PGO und andere<br />
ähnliche beamtete Institutionen, wenn die doch eigentlich nur den Untergang registrieren und<br />
Statistiken erstellen, die das belegen. Wir brauchen doch eher Leute, die gestaltend in die<br />
Zukunft hinein planen können, die Ideen und Konzepte haben, die uns aus der Zwickmühle<br />
heraushelfen. Die gegenwärtigen Politiker und ihre Hilfskräfte können dies augenscheinlich<br />
nicht, und vielleicht kann man von ihnen auch nicht erwarten, dass sie über den Schatten<br />
ihrer eigenen Einfallslosigkeit springen.<br />
Eine effektive und zukünftige Biosphärenparkplanung sollte Lösungen für alle<br />
Probleme im <strong>Wienerwald</strong> erarbeiten. Die Konzepterarbeitung für Wald, Offenland und<br />
Landwirtschaft war ein Kinderspiel, und damit es auch funktioniert, arbeiteten genügend<br />
Experten und Engagierte mit.<br />
Steinbrucherweiterungen sind entgegen von NATURA 2000 Vorgaben im<br />
<strong>Wienerwald</strong> immer noch möglich. Im Biosphärenpark sollte das aufhören.<br />
Trotzdem wäre es einfacher gewesen, wie es von mir und dem WWF vor zwei Jahren<br />
vorgeschlagen wurde, einen Nationalpark <strong>Wienerwald</strong> und mehr Naturwaldreservate<br />
einzurichten und sich mehr um den Schutz der <strong>Wienerwald</strong>wiesen zu kümmern. Geld sollte<br />
keine Rolle spielen in anbetracht der Alternative für die sich die Regierenden entschieden<br />
haben. Ein Biosphärenpark bedeutet unendlich mehr Probleme, die zu lösen sind, und er<br />
wird sehr viel teurer werden. Ein Biosphärenpark kann nur funktionieren, wenn alle drei<br />
Zonen: Kern- Zone, Puffer-/Pflege- Zone und Transition Area, sowie alle in ihnen Lebenden<br />
50
miteinander harmonisieren. Vielleicht erkennen die politisch Verantwortlichen nicht, was das<br />
wirklich bedeutet. Hier sind die Notwendigkeiten:<br />
- Absoluter und sofortiger Baustopp, keine weitere Ausweitung der Siedlungsgrenzen.<br />
- Weitgehende Rückwidmungen von Bauland und Industrieerwartungsflächen.<br />
- Verbot jeder Boden- und Immobilien-Spekulation.<br />
- Eine geschicktere Aufteilung von Steuermitteln unter den <strong>Wienerwald</strong>gemeinden im<br />
Sinne eines Finanzausgleichs.<br />
- Eine sinnvolle, übergeordnete Raumordnungspolitik.<br />
- Stopp weiterer Zerschneidung des <strong>Wienerwald</strong>es durch Schnellstraßen.<br />
- Straßenrückbau anstatt weiterem Ausbau, besonders Rückbau der in den letzten<br />
zehn Jahren neu errichteten Waldstraßen und der zu Durchgangsstraßen<br />
ausgebauten Sackgassen. Dies betrifft auch die Höhentrasse in Wien, so wie dies<br />
Bürgermeister Häupl bereits 1991 auf dem letzten <strong>Wienerwald</strong>tag in Purkersdorf<br />
versprochen hatte.<br />
- Überarbeitung der Wien-Umfahrungs-Straßenprojekte. Jede neue Schnellstraße, die<br />
fertig wird, provoziert fast automatisch einen neuen Siedlungsboom im Umland von<br />
Wien, und da gehört eben überwiegend der <strong>Wienerwald</strong> dazu.<br />
- Förderung der Wohn- und Lebensqualität in Wien für alle Wiener, damit die da<br />
wohnen bleiben, wo sie sind.<br />
- Stopp jeder Erweiterung der Rohstoffgewinnung.<br />
- Verbot von Freizeiteinrichtungen mit destruktivem Impakt auf die Landschaft, inklusive<br />
weiterer Reitställe.<br />
- Land- und Forstwirtschaft sollten im gesamten <strong>Wienerwald</strong> nachhaltig und<br />
ökologiegerecht wirtschaften, nicht nur in Puffer- und Pflege-Zonen.<br />
Allein für die Erarbeitung von machbaren Konzepten, um die angeführten und weiteren<br />
Probleme in den Griff zu bekommen, waren und sind immer noch mehr Experten nötig, als<br />
für die Planung zur Errichtung der ersten beiden Zonen. Die Baukosten für das Wien-<br />
Umfahrungs-Projekt betragen 2,5 Milliarden Euro. Es wird Folgekosten geben für die<br />
gesamte betroffene Region, die wohl ein Mehrfaches ausmachen. Die Verkehrsprobleme<br />
wird das Unternehmen nicht lösen. Also, warum nicht einen Schritt zurückgehen, und das<br />
Geld sinnvoller anderswo ausgeben. Der <strong>Wienerwald</strong> sollte aber auch nicht zu einer Insel<br />
inmitten eines zunehmend unwirtlichen Umlandes werden. Für einen langfristigen Erfolg des<br />
Biosphärenpark-Konzepts ist es unabdinglich, auch die Gebiete ringsherum in irgendeiner<br />
Form mit in die Biosphärenparkplanung einzubeziehen.<br />
Ein Biosphärenpark sollte von all denen getragen werden, die in ihm und von ihm<br />
leben. Die <strong>Wienerwald</strong>bewohner sollen sich mit ihrem Lebensraum identifizieren. Mit von<br />
oben verordneten Maßnahmen wird das nie funktionieren. Es ist ein neues Modell der<br />
Selbstbestimmung und Selbstverwaltung notwendig. Nennen wir es das „<strong>Wienerwald</strong>-<br />
Parlament“. Es sollten da alle Bürgermeister, Umweltgemeinderäte, NGOs, Wissenschaftler,<br />
Biosphärenpark Manager und andere. mitmachen: ein neues demokratisches Forum mit<br />
umfangreichen Entscheidungsbefugnissen. Es wäre vornehmliche Aufgabe der<br />
Landesregierungen, einem solche Gremium die notwendige finanzielle Grundlage zu<br />
garantieren, und ja, es bedarf auch eines von den <strong>Wienerwald</strong>bewohnern gewählten<br />
<strong>Wienerwald</strong>-Zentrums - einer <strong>Wienerwald</strong>-Hauptstadt? Aber dies ist ein anderes Kaptitel.<br />
51
Bauerwartungsland im <strong>Wienerwald</strong>.<br />
52
Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> – Chancen für die Landwirtschaft?<br />
text und fotos Dieter Armerding<br />
ÖKL-Veranstaltung zum Thema „Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> – Chancen für die Landwirtschaft“,<br />
Donnerstag, 13. Oktober, 14-17 Uhr, Pfarrsaal Klausenleopoldsdorf.<br />
Der Manager des Biosphärenparks <strong>Wienerwald</strong> lud in Klausenleopoldsdorf zu einer<br />
Informations- und Diskussionsveranstaltung zum Thema Landwirtschaft ein. Es war ein<br />
Donnerstagnachmittag bei schönstem Wetter. Die Bauern waren wohl eher auf dem Acker<br />
und bestellten ihre Felder oder was sie sonst Nützliches tun, um ihre Existenz zu sichern,<br />
während im Pfarrsaal des Ortes überwiegend ohne sie Strategien ihres zukünftigen<br />
Überlebens im Biosphärenpark erörtert wurden. Es stellte sich dann heraus, daß der<br />
eigentliche Veranstalter nicht Herr Loiskandl war, sondern das Österreichische Kuratorium<br />
für Landtechnik und Landentwicklung, ÖKL. Den Namen wird man sich merken müssen.<br />
Als Verein konstituiert kümmern sie sich um alles, was im entferntesten mit der<br />
Landwirtschaft zu tun hat, und das nicht unbedingt aus Ideologischen Motiven heraus.<br />
Dahinter stecken handfeste finanzielle Gründe. Es sind nicht nur alle möglichen Landund<br />
sonstige Maschinenfirmen als Mitglieder benannt, sondern auch die zugehörigen<br />
Fachverbände. Es sind alle Land- und Forstwirtschaftskammern aufgezählt und auch das<br />
Bundesministeriumn für Land- und Forstwirtschaft, so wie der größere Teil der<br />
Österreichischen Landesregierungen. Damit entpuppt sich das ÖKL als verlängerter Arm<br />
von Polit- und Industrie-Instanzen in Österreich und die hehren Zielsetzungen – Förderung<br />
der österreichischen Land- und Forstwirtschaft sowie die positive und nachhaltige<br />
Entwicklung der Landtechnik etc. – erscheinen eher als effektives Kontroll-Instrument zur<br />
Erreichung der Profitmaximierung aller beteiligten Mitglieder. Finanziert wird das<br />
Unternehmen derzeit überwiegend über öffentliche Mittel.<br />
53
Plenum mit NÖ LR Plank, Wiener Forstdirektor Januscovecz, ÖKL-Vertreter Kordina,<br />
Biosphärenpark-Manager Loiskandl und Gastgeber der Pfarrer von Klausenleopoldsdorf<br />
(links). Diskussion vor dem Pfarrsaal (rechts).<br />
Man sollte auch nicht vergessen, daß das ÖKL schon bei der Vorplanung des<br />
Biosphärenparks bei der sogenannten Machbarkeitsstudie dabei war. Sie waren auch im<br />
Beraterforum „Offenland/ Kulturlandschaft“ verdeckt tätig, uzw. innerhalb der AVL der<br />
Abteilung für Naturschutzforschung, Vegetations- und Landschaftsökologie des Instituts<br />
für Ökologie und Naturschutz der Universität Wien. Während das Beraterforum -<br />
bestehend aus betroffenen Landwirten, Fortbleuten und NGOs - nur zweimal tagte, hatten<br />
AVL und ÖKL eigentlich gut zwei Jahre Zeit, die Zukunft des <strong>Wienerwald</strong>es in ihrem Sinne<br />
zu konzipieren und bereits zu beginnen, ihre Konzepte durchzusetzen. Jetzt werden sich<br />
einige fragen, warum auch nicht, und was soll das alles?<br />
Der Slogan des Biosphärenparks <strong>Wienerwald</strong> ist „Die Zukunft liegt in unserer<br />
Hand“. Das UNESCO-Konzept eines Biosphärenparks schreibt die Involvierung der Leute,<br />
die in und zum Teil von der Region leben, bei der Entwicklung und Erhaltung des Parks<br />
fest. Die NGOs und besonders deren Non-Profit-Organisationen sollten eine wichtige und<br />
vielfältige Rolle für Entwicklung,, Monitoring und Bestand des Biosphärenparks spielen.<br />
Statt dessen übernimmt eine eher monopolistische, profitorientierte und sicher nicht<br />
politisch unabhängige Organisation das Zepter und mischt sich effektiv in alles ein, was im<br />
Biosphärenpark passiert. Die Bauern müssen erkennen, daß nur sie selber mit ihren<br />
eigenen Händen ihre Zukunft meistern können. Die „Dachmarke <strong>Wienerwald</strong>“ gibt ihnen<br />
Vermarktungschancen, die vorher nicht da waren. Es ist notwendig, sich in<br />
Interessensverbänden zu formieren, um das Gütesiegel des Biosphärenparks für sich<br />
auszunutzen. Das geschah z.B. unter dem Slogan „<strong>Wienerwald</strong> – Gutes zum Genießen“<br />
bereits vor der Biosphärenpark-Nominierung.- Es wird keine zusätzlichen Subventionen für<br />
die Bauern im Biosphärenpark geben. Aber die <strong>Wienerwald</strong>-Landwirte sollten vereint<br />
gemeinsame Vermarktungsstrategien erarbeiten. Sie sollten dies nicht anderen z.B. ÖKLabhängigen<br />
Organisationen überlassen Die Landwirtschaftskammern sind zwar im ÖKL<br />
repräsentiert nur, wenn sie öffentlich auftreten wie einer ihrer Vertreter auf der<br />
Veranstaltung, der forderte, daß alle Bauern, die ihr Land intensiv bewirtschaften, eben so<br />
viel Förderung bekommen sollten, wie die, die nachhaltig im Sinne von Umwelt, Natur- und<br />
Artenschutz wirtschaften, da fragt man sich, hat der Mann überhaupt kapiert, was einen<br />
Biosphärenpark ausmacht? Mitmachen beim Österreichischen Programm für<br />
Umweltgerechte Landwirtschaft (ÖPUL) ist freiwillig. Die Unterstützung ist nur für umweltund<br />
naturverträgliche Maßnahmen gedacht. Wer letzteres nicht will, muß sein Einkommen<br />
über erhöhte Wertschöpfung aufgrund der Intensivierungs-Maßnahmen regulieren. ÖPUL-<br />
Förderung beziehen, ohne sich den Vorgaben zu unterwerfen, ist in der Tat kriminell, und<br />
der Idee eines Biosphärenparks nicht zuträglich.<br />
54
Architektur und Tourismus im Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong><br />
text und fotos Dieter Armerding<br />
Der Titel, den sich die Veranstalter von ORTE (Architekturnetzwerk NÖ), pla’tou (Plattform<br />
für Architektur im Tourismus) zusammen mit der ÖAR-Regionalplanung und dem Club<br />
Tourismus ausgedacht haben, ist irreführend. Bei <strong>Wienerwald</strong>-Tourismus denke ich<br />
zumindest zuerst an Ferien auf dem Bauernhof, Reiten, Radeln, Wandern und Ähnliches.<br />
Nun, das Publikum bei der Veranstaltung im Essl-Museum am 21. Oktober sah auch nicht<br />
aus, als käme es vom Lande oder würde für Landwirte eine neue Architektur entwerfen<br />
wollen. Die vorangegangene Exkursion führte zu den Bade- und Kurhäusern in Baden,<br />
zum Silencehotel am Tulbinger Kogel, zum Kulturhaus Alter Pfarrhof in St. Andrä Wördern,<br />
zu den Strandbädern von Kritzendorf und Klosterneuburg. Bei dem Vortragabend ging es<br />
dann, was den jetzigen <strong>Wienerwald</strong> anbetraf, nur noch um besagtes Hotel am Tulbinger<br />
Kogel (Architekt Gabriel Kacerovsky) und den Seminardom im Deutschwald in Purkersdorf<br />
(DI Reinhard Hesse). Das Hotel-Restaurant Hanner in Mayerling (Architekten von pla.net)<br />
wurde nur erwähnt. Offensichtlich fehlt es an neuen relevanten Beispielen, und die sollten<br />
in Zukunft erst erschaffen werden. Es wurden dann auch der desolate Zustand der Wiener<br />
Höhenstrasse und das ebenso freudlose Kahlenberg-Restaurant erwähnt. Für beide gibt<br />
es keine wünschenswerte Lösung.<br />
Das Hotel am Tulbinger Kogel hat einen neuen Zubau für Seminare (rechts), der nach allen<br />
Regeln gegenwärtiger Kunst nachhaltiger Architektur gebaut wurde.<br />
Es gab Vorträge von bekannten und weniger bekannten Architekten. Dann gab es<br />
Referate von Karl Resel, von Petrus J. Hakala, und der Touristenberaterin Susanne<br />
Winter. Der Biosphärenparkmanager Loiskandl wirkte dezidiert fehl am Platz und sein<br />
Vortrag ließ die Frage offen, was hat das alles nun mit dem Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong><br />
zu tun, und gibt es derzeit keine wichtigeren Probleme? Was soll der<br />
Biosphärenparkmanager mit einem Architekten-Beirat anfangen, wie es von der illustren<br />
55
Runde vorgeschlagen wurde? Es ging das um Nachhaltigkeit in der Architektur. Die neuen<br />
Bauwerke sollen energieeffizient, funktionell, dauerhaft, wartungsarm, nutzerorientiert und<br />
-verträglich sein. Ja, und der Bauherr mit Familie und Gästen soll sich auch noch wohl<br />
darin fühlen. Dann fangen aber die Probleme schon an. Wer kann sich einen dieser teuren<br />
oder berühmten Architekten, die so etwas hinbekommen, leisten?<br />
Über neue Architektur im <strong>Wienerwald</strong> ließen sich nur Reinhard Hesse und der<br />
Besitzer des Hotels am Tulbinger Kogel Frank Bläul aus. Es ging da nicht um den<br />
normalen Durchschnitts-Häuselbauer im <strong>Wienerwald</strong>. Denn den sollte man eh abschaffen,<br />
weil es schon zu viele davon gibt. Wenn man also eher Großprojekte realisieren will, die<br />
sich nur betuchte Bauherren leisten wollen, wer braucht das? Seminar-Tourismus ist ein<br />
neues Schlagwort. Da herrscht offensichtlich Nachholbedarf. Es gibt da zwar den<br />
Schusternatzl, die Krainer Hütte und einiges andere im <strong>Wienerwald</strong> für diesen Zweck.<br />
Aber mit einiger Werbung kann man sicher noch mehr Kunden gewinnen und den neuen<br />
Seminardom füllen.<br />
Dann ist da das Berghotel am Tulbinger Kogel. Der Besitzer ist happy, daß es jetzt<br />
den Biosphärenpark gibt. Mit der Natura 2000 hatte er Probleme. Da war zu befürchten,<br />
daß die Postkutschen-Zeit wieder anbricht anstatt, daß die Gäste mit Mercedes, BMW,<br />
Audi oder Ähnlichem anreisten. Ich glaube, der gute Mann hat nie verstanden hat, was die<br />
Natura 2000 wirklich wollte, und vom Biosphärenpark-Konzept hat er ebenso wenig<br />
Ahnung trotz dem Versuch vom Loiskandl, die richtigen Einsichten zu vermitteln. Was sich<br />
über den gesamten Hotelkomplex sagen läßt ist, daß unvorbereitete Wanderer, die da<br />
vorbei kommen, erschrecken angesichts des kolossalen Baukomplexes. Für sie ist auch<br />
das Restaurant nicht gedacht. Man sieht es an den Preisen der ausgehängten<br />
Speisekarte. Auch mit Zubau für Seminar-Touristen, nachhaltig oder nicht, paßt da<br />
eigentlich nichts zusammen. Es ist ein Glück, daß so viele grosse Bäume davor stehen, so<br />
daß man dieses Konglomerat von Gebäuden bestenfalls vom weit entfernten Waldrand<br />
übersehen kann. Und davon brauchen wir mehr?<br />
Einzig gut fand ich die nur auf dem Papier präsentierte Planung eines neuen<br />
Gourmetrestaurants für das Hotel Hanner in Mayerling. Davon sollte es mehr geben, denn<br />
Ich kenne bislang nur die Postschenke in Sulz und den Schusternatzl, ersteres ein<br />
historisches, gelungenes Bauwerk, beide urgemütlich, und die Küche!!! Dann gibt es die<br />
Meierein im <strong>Wienerwald</strong>, alt, bewährt und gut! Ich hoffe, das neue Restaurant hält - trotz<br />
einbrechender Moderne, was es verspricht.<br />
56
Übernahme des Biosphärenparks <strong>Wienerwald</strong>:<br />
Die <strong>Wienerwald</strong> Tourismus GmbH.<br />
text & fotos Dieter Armerding<br />
Was haben der Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> und die „<strong>Wienerwald</strong> Tourismus GmbH."<br />
gemeinsam? Die sinngemäße Antwort von NÖ Landeshauptmann Stellvertreter Gabmann<br />
und Vizebürgermeister Kaufmann von Klosterneuburg anläßlich einer Pressekonferenz am<br />
30. November im Stift des Ortes zur Gründung besagter GmbH. war: Nichts. Das ist eine<br />
höchst sonderbare Einstellung im Jahre der Ernennung des Biosphärenparks! Es hieß auch<br />
weiter, man werde die Tourismusgesellschaft so betreiben wie auch die anderen bereits<br />
anderswo in NÖ existierenden Tourismusverbände. Wer also im <strong>Wienerwald</strong> von jetzt an im<br />
Tourismusgeschäft erfolgreich sein will, muß dieser Monopolgesellschaft angehören. Sie hat<br />
bereits 65% des Geschäfts mit den Urlaubern geschluckt. Dafür braucht es dann auch einen<br />
Tourismuslandesrat, der das Tourismusmarketing fest in der Hand hat. Nachdem schon<br />
Landwirtschaft und Forstbetriebe in ähnlicher Weise fremd- und regierungsbestimmt<br />
gemanagt werden, fragt man sich, wozu brauchen wir eigentlich einen Biosphärenpark? Für<br />
die Akteure an höchster Spitze ist offensichtlich auch der eingedeutschte Begriff einer<br />
Biosphere Reserve nach wie vor ein Fremdwort. „Das hat doch nur etwas mit Natur zu tun“<br />
und sonst nichts, und es geht hier auch weniger um die Erhaltung von Artenvielfalt und<br />
Ähnlichem als um beinharte Profitinteressen und um Kontrolle. Da verwundert nicht, daß<br />
diesmal Biosphärenparkmanager Loiskandl nicht selber erschien, sondern zweite Garnitur<br />
schickte in Person von DI Simone Wagner. Die Boku-Absolventin hatte nicht das geringste<br />
gegen solche annexionistische Strategien. Sie stellte keinerlei Fragen, aber fraternisierte<br />
eifrigst mit dem Tourismusdirektor der Stadtgemeinde Baden Klaus Lorenz. Ich halte es zwar<br />
für lobenswert, daß Herr Lorenz sich für Themen wie Gesundheit, Kultur- und Naturerleben<br />
einsetzen will, aber was ist mit den anderen Vertretern der Gesellschaft? Eine allgemein<br />
verbindliche thematische Definition und Abgrenzung fand nur in den bunten Prospekten der<br />
Pressemappe statt. Auch da wurde der globale Auftrag eines Biosphärenparks weder<br />
erwähnt und Natur eher in schwammigen Formulierungen abgehandelt. Aber - wie gehabt -<br />
bei den Mountainbikes und dem Reitsport wurde man etwas ausführlicher, und Golf ist auch<br />
nicht mehr tabu im <strong>Wienerwald</strong>.<br />
Linkes Bild von links: Bgm von Baden August Breininger, LHStv. Ernest Gabmann. Rechtes<br />
Bild: Links hinten Tourismusdirektor aus Baden Klaus Lorenz, rechts daneben Vize-Bgm Fritz<br />
Kaufmann. Er managt den Tourismus im nödlichen <strong>Wienerwald</strong> unter Bgm Jonas von Gablitz<br />
(2. von rechts hinten) und moderierte die Veranstaltung. Vizepräsidentin der NÖ Landes-<br />
Landwirtschaftskammer Liselotte Wolf links von ihm unterzeichnete für den den<br />
Landesverband für Urlaub am Bauernhof (2%der GmbH), den sie gegründet hat.<br />
57
Wie hieß es doch noch so schön vor circa einem Jahr bei den Landeshauptmännern Häupl<br />
und Pröll? „Je mehr Bewohner des <strong>Wienerwald</strong>es die Idee des Biosphärenparks aktiv<br />
mittragen, desto erfolgreicher können die Chancen daraus für Mensch und Natur genutzt<br />
werden." Das war doch wohl nicht ernst gemeint?!<br />
58
Erster Hadersfelder Herbstmarkt<br />
text und foto Dieter Armerding<br />
Akteure des 1. Hadersfelder Herbstmarktes: 3. von links hinten ist Gerhard Fucacs, ohne den das<br />
Event nicht möglich gewesen wäre. In der hinteren Reihe gleich links vom Zelt steht Jürgen<br />
Schneider, der die Idee für den Markt hatte. Um alle anderen Marktfahrenden vorzustellen, dazu fehlt<br />
hier leider der Platz. Pilgern Sie selber nach Hadersfeld und lernen Sie alle kennen!<br />
Als Jürgen Schneider vor einigen Jahren mit seiner Frau Barbara und den Kindern Sebastian,<br />
Marie und Anna von Vorarlberg nach Hadersfeld zog, um dort ein neues Domizil für längeres<br />
Verweilen einzurichten, hatte er eine Vision. Das einstige kleinbäuerliche Dorf, bis zum 2.<br />
Weltkrieg die Perle des <strong>Wienerwald</strong>es, sollte wieder das werden, was es einst war und mehr als<br />
das: ein Ort des Erlebens und der Besinnung, anstatt Schlafstadt ein lebendiges Dorf, wo jeder<br />
jeden kennt, wo man dem Nachbarn hilft und aushilft, Dinge tauscht gegen das, was man selber<br />
oder der andere braucht.. Um seine Idee eines Erlebniszentrums im <strong>Wienerwald</strong> zu realisieren,<br />
dachte er spontan an die Einbindung alteingesessener Hadersfelder Bürger und fand die Familie<br />
Fucacs und den Ehrenbürger und Holzschnitzer Gerhard Fucacs, der nicht nur sofort begeistert<br />
mitmachte, sondern auch andere Ortseinwohner für den Grundgedanken entflammte. Die Idee des<br />
Hadersfelder Herbstmarktes war geboren. Das sollte erst der Anfang sein. Ein Osterfest soll folgen<br />
und andere Gelegenheiten der Zusammenkunft, der Kommunikation und des Kennenlernes.<br />
Jürgen Schneider selber ist nicht nur euphorischer Koch, der das Kochen auf den Ursprung eines<br />
heiligen Aktes zurückführen möchte, sondern auch die Grundsätze der Umwelterziehung, leben<br />
mit und von der Natur, verinnerlicht hat, und sie jetzt anderen vermittelt. Er möchte alle<br />
Mitbewohner seiner neuen Heimat in die Gestaltung und Meisterung der zukünftigen Entwicklung<br />
der Region führen und involvieren: Örtliche Gemeinschaften, die in Harmonie mit ihrer Unwelt<br />
existieren und miteinander die Forderungen der Zukunft meistern, die ökonomische, soziale und<br />
ökologische Prinzipien vereinen, um eine lebendige, lebensfähige Kulturlandschaft zu schaffen.<br />
Das sind die Prinzipien eines Biosphärenparks, und schneller als die meisten<br />
<strong>Wienerwald</strong>bewohner hat Jürgen Schneider dies begriffen. Seine Arbeitsgruppe des<br />
Biosphärenparks Nördlicher <strong>Wienerwald</strong> ist erst ein Anfang. Er und andere Enthusiasten dieser<br />
Region - Akademiker, Intellektuelle, Künstler, Politiker und andere - werden alles dransetzen,<br />
Inhalte in das zu verwirklichende Biosphärenparkkonzept einzubringen, welche die derzeit<br />
verantwortlichen Regierenden, Planer und Manager wieder einmal versäumt haben: Die Rolle,<br />
Rechte, Mitverantwortung und Mitarbeit der eigentlichen <strong>Wienerwald</strong>bewohner.<br />
59
Ein Ort für Gebete und innere Einkehr?<br />
text und fotos Dieter Armerding<br />
Die Schloßkapelle als Teil des ursprünglichen Freihofes und dann des Jagdschloßes der<br />
Fürsten von Liechtenstein faßt etwa 30 Gläubige. Ursprünglich äußerst attraktiv mit<br />
Seitenaltar, Decken- und Wandfresken innen und Glockenturm draußen ist sie zu einer<br />
wenig ansehnlichen Bauruine verkommen. Es sollte jedem Hadersfelder angelegen sein, für<br />
die Restauration dieses Baukunstwerks und seine ursprünglich vorgesehene Verwendung<br />
als Ort der religiösen Besinnung einzutreten.<br />
Hadersfeld im <strong>Wienerwald</strong> ist trotz seiner rührigen, betriebsamen Bevölkerung arm<br />
dran. Es gibt keinen Gemeinschaftsraum, wo man sich treffen kann, keine kulturellen<br />
Einrichtungen als Zentrum sozialer Aktivitäten. Der letzte Gasthof ist vor einigen<br />
Jahren abgebrannt. Was aber noch schwerwiegender ist, es gibt auch keine Kirche<br />
oder eine entsprechendes religiöses Domizil zum Beten. Einziger Ort der inneren<br />
Einkehr war die Schloßkapelle, erbaut im 16. Jahrhundert als Teil eines Freihofs und<br />
seit 1998 baufällig und nicht mehr in Benutzung. Die ursprünglichen<br />
Besitzverhältnisse sind nicht ganz klar. Es scheint aber einigermaßen gesichert, daß<br />
die Kapelle erst ein Preßhaus war und, als dieses überflüssig wurde, in eine Stätte<br />
gottgefälliger Besinnung umgewandelt wurde, sogar mit einem Glockenturm. Ab<br />
1776 waren die Fürsten von Liechtenstein Herren im Schloß mitsamt Kapelle und<br />
wandelten den Besitz um 1806 zu einem Jagdschloß mit Hauskapelle um. Na ja, die<br />
durchaus faszinierende Geschichte der Schloßkapelle kann man in mehr Detail<br />
nachlesen („Hadersfeld“. Konrad Lidmansky und Werner Olbrich, Marktgemeinde<br />
St.Andrä-Wördern, 2005). Die letzten Renovierungsarbeiten wurden jedenfalls durch<br />
das Bundesdenkmalamt im Jahre 1993 vorgenommen. Es wurde dann von einer<br />
Generalsanierung geredet. Passiert ist nicht mehr viel.<br />
Gerhard Fucac vor seinem Ausstellungsraum<br />
mit einem seiner religiösen Artefakte. Ab<br />
Mitte November hat er Mittwochs und<br />
Samstags bis Heiligabend auf.<br />
60
Holzschnitzer und Künstler Gerhard Fucac – in dieser Zeitung bereits als<br />
wichtiger Mitschöpfer des ersten Hadersfelder Herbstfestes vorgestellt – ergriff die<br />
Initiative, die Restauration der Schloßkapelle endlich voranzutreiben. Das Motto von<br />
Gerhard Fucac ist: „Wenn ich etwas erreichen will, dann muß ich etwas tun!“<br />
Vorbildlich für alle Hadersfelder und für die Verantwortlichen der<br />
Renovierungsmaßnahmen, stiftete er den größeren Teil seines Erlöses am Tag der<br />
offenen Tür am 26. Oktober für die Wiederherstellung der Kapelle. Es mag zwar nicht<br />
viel sein, was an Geld dabei herauskommt, aber wenn noch andere Ortsbewohner es<br />
ihm nachmachen würden, wäre dies sicher ein guter Anfang, dem dann Taten vom<br />
Bundesdenkmalamt, dem Verschönerungsverein St. Andrä Wördern, von der<br />
Gemeinde und vom Land Niederösterreich folgen sollten. Im Prinzip sind wohl alle<br />
bereit ihren Anteil an den Kosten beizutragen. Nur, was es jetzt braucht, sind ein<br />
Gesamtsanierungs- und Finanzierungsplan. Beides muß wohl das Denkmalamt erst<br />
einmal liefern.<br />
61
Der gute Bauer vom Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong><br />
text und fotos Dieter Armerding<br />
Franz Hascher ist ein Bauer von der Art, den man für den Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong> erst<br />
erfinden müßte, wenn es ihn nicht schon gäbe. Er arbeitet hart. Nichts ist ihm zu schwer<br />
oder zu dreckig. Er macht alles, vom bestellen seiner Äcker, Pflegen von Wiesen – nicht<br />
nur der eigenen -, Forstarbeit, und seine Familie hilft ihm dabei tatkräftig. Franz Hascher<br />
ist Bauer mit einer Begeisterung, die aus ihm herausstrahlt jedesmal, wenn man ihn trifft,<br />
mit einer Vitalität, um die man ihn beneiden könnte. Während viele andere Landwirte im<br />
<strong>Wienerwald</strong> sich beklagen, wie schlecht es ihnen geht, und daß doch der Staat eigentlich<br />
mehr für ihren Unterhalt tun sollte, ist der Franzlbauer ihnen schon weit voraus. Er verläßt<br />
sich auf sich selbst, seine Familie und seine Freunde. Er sucht nach<br />
Vermarktungsnischen, nach neuen interessanten Produkten und originellen, aber<br />
effektiven Vermarktungsstrategien. Viele seiner Kollegen sind erst dabei, das Konzept der<br />
Direktvermarktung im <strong>Wienerwald</strong> neu zu erfinden. Für ihn ist das normaler bäuerlicher<br />
Alltag. Eigentlich hätte er auch gerne ökologisch wertvolle Flächen auf seinem Betrieb,<br />
vielleicht eine Orchideenwiese? Aber er braucht das nicht. Ein Bauer, der<br />
umweltschonend und ökologiegerecht, das heißt nachhaltig wirtschaftet, tut schon, was<br />
notwendig ist im Biosphärenpark <strong>Wienerwald</strong>. Für ihn hätte es die Gütemarke<br />
Biosphärenpark gar nicht geben müssen, weil er schon die ganze Zeit seiner bäuerlichen<br />
Existenz so handelt, wie es andere erst anfangen zu begreifen. Trotzdem wertet eine<br />
Dachmarke <strong>Wienerwald</strong> sein Tun und seine Produkte erst auf, und wenn es dann mehr<br />
von seiner Art gibt, dann ist es auch effektiver und gewinnbringender miteinander zu<br />
kooperieren und gemeinsame Stärke nach außen zu projizieren.<br />
Franz Hascher und seine Frau präsentieren die Früchte ihrer Arbeit mit Stolz und Freude. Die<br />
Melone ist sicher rekordverdächtig.<br />
62
Da sind natürlich die Kürbisse. 350 Arten hat Franz Hascher in etwa 5 Jahre überall<br />
in der Welt – besonders in Japan und Amerika - gesammelt. Er hat keine Probleme, sie<br />
auseinander zu halten und auch keine, sie jedes Jahr wieder aufs Prächtigste zur<br />
Entfaltung zu bringen. Die Kürbismesse (noch bis zum 31. Oktober, siehe auch Echo der<br />
Heimat diesen Oktober, Titelseite) ist ein großartiges Event für Erwachsene und Kinder,<br />
und was man alles dort lernen und auch gleich genießen kann, was man mit diesen<br />
Früchten anfangen kann, ist einen Ausflug nach Hintersdorf jederzeit wert. Rezepte für<br />
das Ausprobieren zu Hause bekommt man gleich mit. Für die Erzeugung eines Kürbis-<br />
Edelbrands durch einen anderen Spezialisten von ungeahnter Qualität liefert der Franz die<br />
Grundzutaten. Er hat auch die Billa-Filialen dazu gebracht, seine Produkte einzukaufen für<br />
deren Kunden.<br />
Die Kürbismesse der Familie Hascher in Hintersdorf ist ein erlebenswertes Ereignis für Jung und<br />
Alt. Die urspüngliche Initiative der „Kürbiswirtschaft“ wurde an der BOKU gestartet. Es ging auch<br />
darum, eine Alternative zu den unrentablen EU-Feldfrüchten zu etablieren und den Bauern als<br />
Alternative anzubieten. Kürbisse zu Halloween und Kürbisgerichte zu Thanksgiving sind<br />
amerikanische Tradition, repräsentieren aber durchaus eine kulturelle Bereicherung für uns.<br />
Kürbisse sind nur ein Hobby von Franz Hascher. Seine Gladiolenfelder für<br />
Selbstpflücker sind überall im <strong>Wienerwald</strong> zu bewundern. Er nutzt jedes freie Fleckchen im<br />
<strong>Wienerwald</strong> aus, um seine Blumen aber auch seine Feldfrüchte anzubauen. Er baut<br />
Getreide an und meldet sich schon bei der MA49, um bei der Mahd von deren Wiesen<br />
mitzumachen oder hilft anderen Landwirten im <strong>Wienerwald</strong>. Freizeit kennt er nicht. Einen<br />
halben Tag Ruhezeit am Sonntag, das ist alles, was er sich möglicherweise gönnt. Die<br />
Familie will ja auch etwas von ihm haben. Nebenbei war der Franzlbauer auch bei der<br />
Planung des Biosphärenparks <strong>Wienerwald</strong> im Beraterforum Offenland dabei, um seine<br />
Erfahrungen und Vorschläge für eine bessere und überlebensfähige Landwirtschaft<br />
einzubringen. Er besucht auch andere einschlägige Veranstaltungen, um selber etwas<br />
dazu zu lernen. Wenn es mehr Landwirte wie den Franz im <strong>Wienerwald</strong> gäbe, würde der<br />
63
Biosphärenpark schneller zu dem mutieren, was sich einige Idealisten ursprünglich<br />
vorgestellt haben. Der Biosphärenpark ist aber entgegen aller Beteuerungen von Politikern<br />
und deren ausführenden Hilfskräften und auch gegen deren besseres Wiesen noch nicht<br />
da. Er ist ein Zukunftsmodell, das man sich erst erarbeiten muß.<br />
64
Das Erbe der Kartäuser<br />
von Dieter Armerding<br />
Es kennt wohl fast jeder Wiener und Wienerwäldler die Kartause bei Mauerbach. Das<br />
Bauwerk, das heute zu sehen ist, steht unter Denkmalschutz. Es wird derzeit renoviert.<br />
Zwischen 1616 und 1666 wurden die meisten dieser Gebäude erbaut. Das war fast<br />
zweihundert Jahre nach der Stiftung des Klosters Mauerbach durch Friedrich den<br />
Schönen. Weniger bekannt ist, dass auch ein Stauwerk am Hirschengrabenbach vor etwa<br />
400 Jahren von den Kartäusern erbaut wurde. Wie die meisten Orden im <strong>Wienerwald</strong><br />
waren wohl auch die Kartäusermönche und ihre Konversen Landwirte, Fischzüchter,<br />
Forstleute und Weinbauern. Die Anlage des ursprünglichen Hirschengartenteiches geht<br />
wohl auf das frühe 17. Jahrhundert zurück, als es den Mönchen wieder etwas besser ging<br />
nach Zeiten des Mordens, Plünderns und der Brandschatzungen besonders durch die<br />
Türken. Immerhin gab es 1597 nur noch den Prior im Kloster. Erst 40 Jahre später<br />
bevölkerte sich die Kartause wieder.<br />
Dort wo der Hirschengartenteich bei Mauerbach sich heute befindet, gab es schon vor<br />
etwa 400 Jahren einen Fischteich, der von den Kartäusermönchen erschaffen wurde.<br />
Fauna und Flora hatten also lange Zeit, sich in idyllischer Unberührtheit an die<br />
veränderten Lebensbedingungen eines feuchten Lebensraumes anzupassen. Es gibt<br />
heute Schlangen, Frösche, Kröten, Unken und Teichmolche zu hunderten, und weil es sie<br />
gibt und dazu noch die ausgesetzten Fische, kommen auch Graureiher, Schwarzstörche<br />
und gelegentlich ein Silberreiher zu Besuch. Bisamratten und seit einiger Zeit auch ein<br />
Biber erfreuen sich dieses besonderen Feuchtbiotops. Das Bild, das sich dem Besucher<br />
im Frühjahr bietet, ist überwältigend. Die Drachenwurz (Calla palustris) hat sich als<br />
65<br />
1
einzigen Lebensraum im <strong>Wienerwald</strong> die Flachwasser- und Verlandungszonen des<br />
Teiches ausgesucht und gedeiht und blüht dort in Massen zusammen mit vielerorts<br />
ebenfalls selten gewordenen feuchtigkeitsliebenden Pflanzen. Der Schwarzerlenwald<br />
bietet den typischen Anblick eines urwüchsigen Auwaldes mit mehr als hundert Jahre<br />
alten Bäumen und vielen bereits abgestorbenen Gehölzen.<br />
Der Hirschengartenteich ist der einzige Standort der Drachenwurz im <strong>Wienerwald</strong>.<br />
Der Hirschengartenteich ist NATURA 2000 Gebiet nach den Vogelschutzrichtlinien.<br />
Im Rahmen der Biosphärenparkplanung wurden alle bachbegleitenden Auwälder als<br />
unbedingt schutzwürdig erklärt. Die bedeutenden Lebensräume von Amphibien stehen<br />
eigentlich ohnehin unter Naturschutz. Die Drachenwurz und ihr Lebensraum sind ebenfalls<br />
per Gesetz geschützt. Die Pflanze selber steht auf der roten Liste. Angesichts solcher<br />
überzeugender und beeindruckender Gründe, die Intaktheit des Teiches mitsamt dem<br />
umgebenden Feuchtraum zu sichern, kann man sich nur wundern, mit welcher<br />
Unverfrorenheit und Brutalität man in Mauerbach plant, dieses Naturparadies zu<br />
vernichten.<br />
Die Umwandlung des Teiches und umgebender Flächen in ein Retentionsbecken<br />
als Bollwerk gegen das nächste „Jahrhunderthochwasser“ ist sicher die einfachste Lösung<br />
für ein derartiges Projekt. Besitzer ober- und unterhalb des Teiches wehren sich vehement<br />
gegen die Einbeziehung ihrer Gründe in ein Rückhaltebecken. Die Natur kann sich nicht<br />
wehren. Projektbegleitende Ökologen und Naturschutzsachverständige haben wohl ihren<br />
Sinn für die Natur verloren, falls sie ihn je besessen haben. Sie unterstützen die<br />
Betonierer und deren Auftragsgeber und ignorieren, was andere unabhängigere<br />
Fachexperten verfassen. Es ist schon richtig: Personenschutz kommt vor dem<br />
Naturschutz.. Trotzdem kann man nicht einfach andere bestehende Gesetzte und<br />
Verordnungen missachten und umgehen, besonders dann nicht, wenn es andere<br />
Möglichkeiten gibt, das Dilemma zu lösen.<br />
66<br />
2
Ablassrinne des Hirschengartenteiches im Herbst 2004. Damm und Teich haben schon<br />
mehr als einem Jahrhunderthochwasser standgehalten.<br />
Dies ist der offizielle Plan: Fällen der Bäume auf dem bestehenden Damm,<br />
Entfernen der Vegetation dort, Errichtung eines Stauwerkes, das drei Meter höher ist als<br />
die derzeitige Dammkrone, Absenken des Teichspiegels um 60cm, um mehr Platz für<br />
Hochwässer zu schaffen. Der Hirschgartenteich würde zu einem Kraterteich mutieren. Die<br />
Angler hätten einen freien Blick auf den versteinerten, kahlen Damm. Die Schwarzerlen<br />
am anderen Teichende würden nach und nach kränkeln, absterben und durch andere<br />
nachwachsende Baumarten ersetzt. Die Drachenwurz würde nicht unbedingt aussterben.<br />
Ein paar Pflanzen würden sicher überleben.<br />
Dies wäre mein Alternativvorschlag: Man baut den neuen Damm stromabwärts<br />
unmittelbar am alten Deich und lässt letzteren in Ruhe. Den Zwischenraum zwischen den<br />
Dämmen füllt man auf. Den Wasserspiegel des Teiches belässt man so, wie er ist. Bei<br />
drohendem Hochwasser lässt man rechtzeitig vorher genügend Wasser ab. Für die<br />
ungestörte Erhaltung der Flachwasser- und Verlandungszone, sowie des Erlenwaldes<br />
kann man einen neuen Erddamm quer durch den Teich errichten. Angeblich kostet das<br />
nicht viel und wurde anderswo schon realisiert.<br />
Um Zeit zum Nachdenken und Neuplanen zu gewinnen, werde ich einen Antrag zur<br />
Erklärung des Hirschengartenteich-Areals als Naturdenkmal stellen. Das sollte<br />
aufschiebende Wirkung haben.<br />
67<br />
3
Biedermeier-Landschaftspark im <strong>Wienerwald</strong><br />
Eröffnung des Naturparks Sparbach Neu<br />
text & fotos von Dieter Armerding<br />
Als Fürst Johann I. von und zu Liechtenstein 1807 in den Besitz von Burg und Schloss<br />
Liechtenstein mitsamt großer Länderein ringsherum kam, ließ er zuerst die Burg<br />
renovieren – das Schloss erst 1820 -, um dann 1810 Wälder und Wiesen im weiten<br />
Umkreis nach seinem romantisch geprägten Stilgefühl umzugestalten. Weil ihm die<br />
schroffen Felsen in der Hinterbrühl und anderswo zu langweilig aussahen, ließ er<br />
Schwarzföhren drauf pflanzen, die bis heute Landschafts- und Waldbild um Maria-<br />
Enzersdorf am Gebirge, Mödling und Hinterbrühl dominieren. Er veranlasste dort auch den<br />
Bau von künstlichen Ruinen und anderen Artefakten und gründete 1810 den Tierpark<br />
Sparbach, den er ebenfalls mit vom Biedermeiergeschmack seiner Zeit geprägten<br />
Zubehör verzierte, der heute noch Ziel zahlloser Besucher des Parks ist. Dazu legte er<br />
etliche Wiesen zur Beobachtung des Wildes an. Es gibt also die Bergruine Johannstein,<br />
die allerdings auf dem Fundament einer echten Wehrburg steht, den Dianatempel mitsamt<br />
Quellfassung zu Ehren der Wald- und Jagdgöttin und die Köhlerhausruine mit Ausblick auf<br />
Schneeberg und Rax. Ferdinand Georg Waldmüller „der Maler des <strong>Wienerwald</strong>es“ ließ<br />
sich angeblich hier zu einigen seiner Gemälde inspirieren. Auch der melancholische Poet<br />
aus dem Weidlingbachtal bei Klosterneuburg - Nikolaus Lenau – fand hier an einem heute<br />
nach ihm benannten Teich einige Eingebungen: Er verfasste daraufhin seine von<br />
Todessehnsucht und tiefstem Seelenschmerz gepeinigten „Schilflieder“ (1831/1832).<br />
Natur im eigentlichen Sinne hatte der Tierpark also nie etwas zu tun aber er repräsentiert ein<br />
reizvolles Kulturerbe. Daran änderten auch die herumlaufenden Wildschweine und die anderen<br />
Viecher nichts. Das Ende des zweiten Weltkrieges brachte viel Zerstör Fürst Hans Adam II. und<br />
Fürstin Marie von und zu Liechtenstein beim Fototermin der Pressekonferenz zur Eröffnung des<br />
Naturparks Sparbach Neu (linkes Foto). Der Fürst vor den Wappen des Naturpark Sparbachs und<br />
des Hauses Liechtenstein mit NÖ Umweltlandesrat DI Josef Planck und NÖ Landesrat Emil Schabl<br />
(rechtes Foto).<br />
68
Mit Natur im eigentlichen Sinne hatte der Tierpark also nie etwas zu tun. Aber er<br />
repräsentiert ein reizvolles Kulturerbe. Daran änderten auch die herumlaufenden<br />
Wildschweine und die anderen Viecher nichts. Das Ende des zweiten Weltkrieges brachte<br />
viel Zerstörung mit. Die hungernden Landser und sonstigen Besucher vertilgten die<br />
Wildschweine und anderes Getier. Mit Staatshilfe wieder repariert avancierte der Park<br />
1962 zum ersten Österreichischen Naturpark. Mit der Zeit sind für einige anderswo<br />
gefährdeten Tierarten, so wie Fledermäuse und einige Vogelarten (z.B. Uhus) geschützte<br />
Lebensräume entstanden. Im Wesentlichen aber ist der Naturpark ein Ort der Erholung<br />
und der Entspannung. Ganz besonders für Kinder ist er Abenteuer- und Erlebniswelt und<br />
darüber hinaus ein Platz für lebendiges Naturerleben und Naturentdecken. Für die richtige<br />
Vermittlung der biologischen Themen gibt es jetzt auch waldpädagogisch geschulte<br />
Mitarbeiter.<br />
Die Eröffnung des Naturparks Sparbach Neu am 29. April diesen Jahres, präsentierte<br />
einige Änderungen, so zum Beispiel ein Besucherzentrum mit Cafe und Shop, sowie ein<br />
modifiziertes Konzept für attraktive Tourismus-Angebote und ein effektives<br />
Gesamtmanagement. Durchaus im Sinne eines zu erwartenden Biosphärenparks<br />
<strong>Wienerwald</strong> eignet sich ein Park wie der bei Sparbach für die Fokussierung und die<br />
Kontrolle von Freizeitaktivitäten mit seinen für diese besonderen Bedürfnisse<br />
abgestimmten Programmen. Darüber hinaus trägt er auch zur wirtschaftlichen Belebung<br />
der ganzen Umgebung bei. Fürst Hans Adam II. von und zu Liechtenstein und seine Frau<br />
Marie stellten eine besondere und würdige Attraktion für die Pressekonferenz und die<br />
folgende Eröffnungszeremonie dar.<br />
Das neue Besucherzentrum vom Naturpark Sparbach Neu (links). Der Prior von Heiligenkreuz<br />
segnete das Gebäude ein (rechts).<br />
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