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<strong>Dieser</strong> <strong>Scan</strong> <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>text</strong>- <strong>und</strong> <strong>seitengleiche</strong> <strong>Kopie</strong> <strong>des</strong> <strong>in</strong> öffentlichen Bibliotheken<br />
vorliegenden masch<strong>in</strong>enschriftlichen Exemplars der Dissertation <strong>und</strong><br />
<strong>des</strong> darauf basierenden Mikrofiches. Die hier vorliegende Fassung <strong>ist</strong> daher<br />
voll zitierbar.<br />
WENZEL HABLIK (1881-1934)<br />
AUF DEM WEG IN DIE UTOPIE<br />
Architekturphantasien, Innenräume, Kunsthandwerk<br />
Dissertation<br />
zur Erlangung der Würde <strong>des</strong> Doktors der Philosophie der Universität Hamburg<br />
vorgelegt von<br />
Axel Feuß<br />
aus Flensburg<br />
Hamburg 1989
Referent: Prof. Dr. Klaus Herd<strong>in</strong>g<br />
Korreferent: Prof. Dr. Hermann Hipp<br />
Tag der mündlichen Prüfung: 21. Januar 1987
- I -<br />
Inhalt<br />
Vorwort 1<br />
Wenzel Hablik. Überblick zu Biographie <strong>und</strong> Werk 9<br />
1. Kapitel: Die architektonische Form als Symbol der Naturkräfte 15<br />
I. Frühe Darstellungen kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>er Architekturen 15<br />
II. Der Zyklus "Schaffende Kräfte" 26<br />
1. Erste Projekte 26<br />
2. Die Vorstudien: Schaffung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Architektur 28<br />
a) Entwicklung von Form <strong>und</strong> Programm 28<br />
b) Zum Verhältnis von Idee <strong>und</strong> Stil 33<br />
3. Der Radierungszyklus 37<br />
a) Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Gestalt 37<br />
b) Interpretation 44<br />
c) Der Zyklus als Spiegelbild von Nietzsches<br />
"Zarathustra" 65<br />
2. Kapitel: Der Flug <strong>in</strong>s All. Zum Verhältnis von Natur,<br />
Technik <strong>und</strong> Utopie 72<br />
3. Kapitel: Architekturideen für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Volksgeme<strong>in</strong>schaft 84<br />
Seite<br />
4. Kapitel: Naturmystik <strong>und</strong> Gesellschaftsutopie im bürgerlichen<br />
Innenraum (1908-1915) 100<br />
I. Architekturphantasien als Innendekorationen 100<br />
II. Kr<strong>ist</strong>allsammlungen 108<br />
III. Innenausstattungen 114<br />
IV. Gebrauchs<strong>text</strong>ilien 143<br />
5. Kapitel: Utopische Architektur 150<br />
I. Entwürfe für den "Arbeitsrat für Kunst" 154<br />
II. Arbeiten für die "Gläserne Kette" 161<br />
1. H<strong>ist</strong>orisches, Projekte, Theorien 161<br />
2. Entwürfe 175<br />
a) Großlandschaften 178<br />
b) Landschaftsdetails 180
- II -<br />
Seite<br />
c ) Utopische Gärten <strong>und</strong> Bauensembles 181<br />
d) Spezialbauten 184<br />
III. Hablik als E<strong>in</strong>zelkämpfer 186<br />
1. Künstlerische Vere<strong>in</strong>samung 186<br />
2. Architektur für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Gesellschaft 193<br />
3. E<strong>in</strong> Volkshaus für Itzehoe 205<br />
4. Letzte Arbeiten zur Kr<strong>ist</strong>allarchitektur 209<br />
6. Kapitel: Die Verwirklichung der Utopie (1919-1925) 212<br />
I. Innenausstattungen 212<br />
1. Mobiliare 212<br />
2. Erste "utopische" Innenräume 219<br />
II. "Übergangsbauten". Die utopische Dimension der Farbe 225<br />
1. Theorie <strong>und</strong> Entwürfe 226<br />
2. Ausgeführte Projekte 234<br />
3. "Utopische" Gestaltungen im Haus <strong>des</strong> Künstlers 241<br />
III. "Zyklus Architektur" 247<br />
IV. Bestrebungen zum Gesamtkunstwerk 251<br />
1. Gebrauchs<strong>text</strong>ilien 254<br />
2. Kle<strong>in</strong>plastik <strong>und</strong> Kassetten, Besteck, Schmuck, Porzellan 260<br />
<strong>und</strong> Gebrauchsgraphik<br />
3. Lebensgestaltung, Musik <strong>und</strong> Ausdruckstanz 272<br />
7. Kapitel: Der funktional-dekorative Innenraum (1927-1932) 278<br />
I. Innenraumprojekte 278<br />
II. Neue Möbeltypen. Ensembles der dreißiger Jahre 286<br />
Zusammenfassung <strong>und</strong> Ausblick <strong>in</strong>s "Dritte Reich" 291<br />
Anmerkungen 297<br />
Literaturverzeichnis 357<br />
Bemerkungen zur Zitierweise <strong>und</strong> Abkürzungen 377<br />
Katalog der Abbildungen 379
- 1 -<br />
VORWORT<br />
Als Wenzel Hablik im März 1934 starb, war er nur noch als Kunsthandwerker bekannt.<br />
Die Nachrufe <strong>in</strong> der Tagespresse würdigten den "Kunstgewerbler ... aus Itzehoe" 1 im<br />
Zusammenhang mit den "ausgezeichneten Le<strong>ist</strong>ungen der Itzehoer Handweberei ..., die er<br />
mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demann zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der besten <strong>und</strong> erfolgreichsten unter<br />
den <strong>text</strong>ilen Kunstwerkstätten <strong>in</strong> Deutschland gemacht hatte". 2 Die "Handweberei Hablik-<br />
L<strong>in</strong>demann" war vor allem auf den Kunsthandwerkerschauen, die zweimal jährlich<br />
während der Leipziger Frühjahrs- <strong>und</strong> Herbstmesse im Grassimuseum stattfanden, zu<br />
großem Ansehen gelangt. Wandbehänge, Vorhang- <strong>und</strong> Möbelstoffe, Stoffe für Jacken,<br />
Mäntel <strong>und</strong> Kleider, handgewebte <strong>und</strong> handgeknüpfte Teppiche, aber auch dekorative<br />
Metallarbeiten, Kle<strong>in</strong>plastiken, Tafelbesteck <strong>und</strong> Schmuck nach dem Entwurf von<br />
Wenzel Hablik bestanden vor den führenden Kunsthandwerkern, Architekten <strong>und</strong><br />
Kritikern der Zeit. Am 27. August 1934, anläßlich der Eröffnung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gedächtnis-<br />
ausstellung, nahmen die Kunsthandwerker mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Feierst<strong>und</strong>e im Grassimuseum von<br />
Wenzel Hablik Abschied. 3<br />
Diese <strong>und</strong> die folgenden Gedächtnisausstellungen, die 1935 <strong>und</strong> im darauffolgenden Jahr<br />
<strong>in</strong> Chemnitz, <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Heimatstadt Brüx, <strong>in</strong> Prag <strong>und</strong> <strong>in</strong> Reichenberg stattfanden, zeigten<br />
für viele zum erstenmal die ganze Breite s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Schaffens. Theodor Heuss, zu dieser Zeit<br />
Korrespondent verschiedener Zeitungen, erkannte <strong>in</strong> den Chemnitzer Neuesten Nachrich-<br />
ten, daß Hablik, der ihm nur durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> handwerkliche Tätigkeit bekannt geworden sei,<br />
"im Eigentlichen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Wesens Maler war". 4 In Chemnitz bee<strong>in</strong>druckten die Blumen-<br />
<strong>und</strong> Meerbilder, die Landschaften aus Böhmen, aus Bayern <strong>und</strong> aus s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r zweiten,<br />
norddeutschen Heimat. 5 Mit den großen Radierungszyklen "Schaffende Kräfte" <strong>und</strong><br />
"Zyklus Architektur" wurden erstmals nach vielen Jahren wieder jene Entwürfe zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
utopischen Architektur gezeigt, mit denen Hablik <strong>in</strong> der revolutionären Phase der<br />
Arbeiterräte 1919 <strong>und</strong> 1920 Aufsehen erregt hatte. "Lange vor Bruno Taut baute er aus<br />
kubischen, prismatischen Flächen kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Architekturen auf", schrieb Theodor Heuss<br />
zur Chemnitzer Ausstellung. 6<br />
Die Anregung zu den Gedächtnisausstellungen, von denen die letzte im August 1939<br />
wiederum im Grassimuseum <strong>in</strong> Leipzig stattfand, 7 g<strong>in</strong>g von
- 2 -<br />
Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demann aus. 8 Als Leiter<strong>in</strong> der Handweberei, die sie 1902 als<br />
"Meldorfer Museumsweberei" gegründet hatte <strong>und</strong> die seit der Heirat mit Wenzel Hablik<br />
im Jahre 1917 als "Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann" <strong>in</strong> Itzehoe bestand, betreute sie bis<br />
zu ihrem Tod im August 1960 auch den Nachlaß ihres Mannes. Über zweih<strong>und</strong>ert<br />
Gemälde, H<strong>und</strong>erte von Handzeichnungen zu den Themen Landschaft, Akt, Porträt <strong>und</strong><br />
Genre, e<strong>in</strong> großer Komplex von Zeichnungen, Radierungen <strong>und</strong> Ölbildern zum Konzept<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r utopischen Kr<strong>ist</strong>allarchitektur, Entwürfe für Möbel <strong>und</strong> Innenräume, Bildgewebe<br />
<strong>und</strong> Gebrauchs<strong>text</strong>ilien, Tafelbesteck, Metallarbeiten, Schmuck, Gebrauchsgraphik <strong>und</strong><br />
für den Ausdruckstanz sowie e<strong>in</strong>ige ausgeführte Möbel <strong>und</strong> anderes Kunsthandwerk<br />
blieben mit den Tagebüchern <strong>und</strong> der Korrespondenz <strong>des</strong> Künstlers bis heute als<br />
ungeteilter Nachlaß <strong>in</strong> dem Wohnhaus der Familie Hablik <strong>in</strong> der Itzehoer Talstraße<br />
zusammen. 9<br />
Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demann war es auch, die 1947 10 versuchte, mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ausstellung der<br />
zwischen 1907 <strong>und</strong> 1911 entstandenen Gemälde im Hamburger Alsterhaus das Werk<br />
ihres Mannes aus der durch den Zweiten Weltkrieg bed<strong>in</strong>gten Vergessenheit zu holen. 11<br />
Aber erst seit 1960 begann sich die Kunstgeschichte aufgr<strong>und</strong> der Neubewertung der<br />
"Stilkunst um 1900" (Jost Hermand) <strong>und</strong> der Jahre bis zum Nationalsozialismus für<br />
Wenzel Hablik zu <strong>in</strong>teressieren. Am Schleswig-Holste<strong>in</strong>ischen Lan<strong>des</strong>museum würdigte<br />
Mart<strong>in</strong> Urban <strong>in</strong> diesem Jahr das Gesamtwerk mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ausstellung (Ausstellungs-<br />
Katalog Wenzel Hablik 1960); Lilli Martius schrieb den ersten wissenschaftlichen<br />
Aufsatz. Seit 1973 zeigte das Lan<strong>des</strong>museum die dort beherbergten Bildgobel<strong>in</strong>s <strong>und</strong><br />
Metallarbeiten <strong>des</strong> Künstlers <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Reihe von Ausstellungen zur zeitgenössischen<br />
Kunst. 12 Es setzte diese Tradition <strong>in</strong> jüngster Zeit mit <strong>in</strong>zwischen angekauften Gemälden<br />
Wenzel Habliks <strong>und</strong> mit Leihgaben fort.<br />
Seit dem Ende der siebziger Jahre wurde Hablik auch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r breiteren Öffentlichkeit<br />
bekannt. Die Ostdeutsche Galerie <strong>in</strong> Regensburg arrangierte 1979 <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Querschnitt<br />
durch das Gesamtwerk, der auch <strong>in</strong> Erlangen <strong>und</strong> Kaufbeuren zu sehen war (Aus-<br />
stellungs-Katalog Wenzel Hablik 1979). Der Künstlerb<strong>und</strong> Ste<strong>in</strong>burg, der Arbeiten von<br />
Wenzel Hablik bereits <strong>in</strong> früheren Ausstellungen gezeigt hatte, 13 richtete 1981 die<br />
Jubiläumsausstellung zum h<strong>und</strong>ertsten Geburtstag <strong>des</strong> Künstlers im Kunsthaus der Stadt<br />
Itze-
- 3 -<br />
hoe aus (Ausstellungs-Katalog Wenzel Hablik 1981). Gleichzeitig erschien e<strong>in</strong> populäres<br />
Buch von Wolfgang Reschke, das Passagen aus den Tagebüchern <strong>und</strong> Briefen, Er<strong>in</strong>ne-<br />
rungen von Zeitgenossen <strong>und</strong> Zeitungskritiken mitteilt <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bildauswahl aus dem<br />
Gesamtwerk enthält (Reschke: Selbstzeugnisse 1981).<br />
Vor allem <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Werkgruppe erlangte aber <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bedeutung für die kunstgeschichtliche<br />
Forschung: die Entwürfe für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> utopische Welt <strong>in</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Formen. Nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
ersten Erwähnung <strong>in</strong> dem Buch "Phantastische Architektur" von Ulrich Conrads <strong>und</strong><br />
Hans-Günther Sperlich (1960) zeigten der Kunsth<strong>ist</strong>oriker Udo Kultermann <strong>und</strong> der<br />
Architekt Oswald Mathias Ungers 1963 Habliks frühe Utopien aus s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Prager Studien-<br />
zeit, den Radierungszyklus "Schaffende Kräfte" von 1909, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> nach dem Ersten Welt-<br />
krieg entstandenen Architekturzeichnungen <strong>und</strong> den "Zyklus Architektur" von 1925 <strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ausstellung über die "Gläserne Kette", jene Künstlergruppe um Bruno Taut, die<br />
1919/20 utopische Baugedanken für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Welt entwickelt <strong>und</strong> der Hablik angehört<br />
hatte. Vier Jahre später, 1967, widmete Franco Borsi dem Künstler fast e<strong>in</strong> ganzes<br />
Kapitel <strong>in</strong> dem zusammen mit Giovanni K. König verfaßten Buch "Architettura<br />
dell'Espressionismo" <strong>und</strong> veröffentlichte etliche Zeichnungen sowie den gesamten<br />
"Zyklus Architektur". Zahlreiche Bücher <strong>und</strong> Aufsätze 14 nannten ihn <strong>in</strong> den folgenden<br />
Jahren als Utop<strong>ist</strong>en aus dem Kreis um Bruno Taut <strong>und</strong> bildeten e<strong>in</strong>zelne s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Archi-<br />
tekturphantasien ab, ohne jedoch zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r e<strong>in</strong>gehenderen Analyse der Werke zu gelangen.<br />
K<strong>e<strong>in</strong>e</strong> der zu diesem Thema erschienenen Erwähnungen <strong>des</strong> Künstlers stützte sich auf<br />
Nachforschungen <strong>in</strong> <strong>des</strong>sen Gesamtwerk oder schriftlichem Nachlaß, so daß ihre Dis-<br />
kussion <strong>in</strong> der hier vorgelegten Arbeit nicht angezeigt war. 15<br />
Erst Wolfgang Pehnt ordnete <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Buch "Die Architektur <strong>des</strong> Expressionismus"<br />
(1973) Habliks Architekturphantasien <strong>in</strong> verschiedene Themenbereiche s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Darstel-<br />
lung e<strong>in</strong> <strong>und</strong> erkannte als erster die Aff<strong>in</strong>ität der frühen Zeichnungen zur Bildwelt von<br />
Friedrich Nietzsches "Also sprach Zarathustra". Mit dem Ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n von Pehnts Buch<br />
begann die <strong>in</strong>tensivere Erforschung von Habliks Werk. Eugene A. Santomasso widmete<br />
<strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r an der Columbia University, New York, verfaßten Dissertation "Orig<strong>in</strong>s and<br />
Aims of German Expression<strong>ist</strong> Architecture" e<strong>in</strong> Kapitel dem Zyklus "Schaffende<br />
Kräfte". Er verfolgte die Ursprünge der kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Motive <strong>in</strong> Überlieferungssträngen<br />
über die Literatur der deutschen
- 4 -<br />
Romantik, mittelalterliche <strong>und</strong> biblische Zeugnisse bis auf die Schriften <strong>des</strong> alten<br />
Babylon zurück. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Erkenntnisse werden als Ergänzung zu der hier vorgelegten Arbeit<br />
betrachtet, die sich stärker mit aktuellen <strong>und</strong> nachweisbaren E<strong>in</strong>flüssen auf den Künstler<br />
befaßt. Ia<strong>in</strong> Boyd Whyte publizierte 1981 im Rahmen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r drei Jahre zuvor an der<br />
Universität Cambridge entstandenen Dissertation über Bruno Taut e<strong>in</strong>ige von Habliks<br />
Architekturentwürfen aus der Zeit der "Gläsernen Kette", kam aber durch die punktuelle<br />
Auswahl s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Beispiele zu verfehlten Interpretationen. Die unveröffentlichte Diplom-<br />
arbeit, die Anthony Tischhauser unter dem Titel "Wenzel Hablik as Architect" ebenfalls<br />
1978 an der Architectural Association, London, vorlegte, gelangte zu k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r <strong>in</strong>tensiven<br />
Analyse <strong>und</strong> kunsth<strong>ist</strong>orischen E<strong>in</strong>ordnung der betreffenden Werke <strong>und</strong> <strong>ist</strong> vollständig<br />
fehlerhaft. 16 1979 promovierte Rita Kauder mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeit über "Wenzel A. Hablik als<br />
Maler".<br />
Die Ausstellungen "Tendenzen der Zwanziger Jahre" 1977 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, "Berl<strong>in</strong>-Paris" 1978<br />
im Pariser Centre Pompidou <strong>und</strong> "Arbeitsrat für Kunst" 1980 <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er Akademie<br />
der Künste zeigten ausgewählte Beispiele aus den Architekturphantasien. Handzeich-<br />
nungen <strong>und</strong> Ölbilder aus dieser Werkgruppe waren <strong>in</strong> den folgenden Jahren auf den<br />
Ausstellungen "Stadt <strong>und</strong> Utopie" 1982 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, "Dreams and Nightmares" 1983 im<br />
Hirshhorn Museum <strong>in</strong> Wash<strong>in</strong>gton, "Der Hang zum Gesamtkunstwerk" ebenfalls 1983 <strong>in</strong><br />
Zürich, Düsseldorf, Wien, "Das Abenteuer der Ideen" 1984 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> <strong>und</strong> im Jahr darauf<br />
während der Triennale <strong>in</strong> Mailand, "Vom Klang der Bilder" 1985 <strong>in</strong> Stuttgart sowie <strong>in</strong> der<br />
Ausstellung "Zauber der Medusa" 1987 <strong>in</strong> Wien zu sehen.<br />
Dem stetig wachsenden Interesse der Aussteller, das nicht zuletzt durch die Aktualität<br />
kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>er Formen <strong>in</strong> der "Postmodernen Architektur" gefördert wurde, 17 <strong>und</strong> den<br />
zahlreichen Erwähnungen <strong>in</strong> der Literatur zu den zwanziger Jahren stand bislang k<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
wissenschaftliche Darstellung der gesamten, zwischen 1903 <strong>und</strong> 1925 entstandenen<br />
Werkgruppe von Wenzel Habliks Architekturphantasien gegenüber. Das Ziel <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeit<br />
zu diesem Thema mußte se<strong>in</strong>, die Entwicklung der Architekturentwürfe darzustellen, ihre<br />
Stellung <strong>in</strong> der Biographie, im Gesamtwerk <strong>des</strong> Künstlers <strong>und</strong> <strong>in</strong>nerhalb der Traditionen<br />
<strong>und</strong> Zeitströmungen zu bestimmen <strong>und</strong> mit Hilfe <strong>des</strong> schriftlichen Nachlasses zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Interpretation zu gelan-
- 5 -<br />
gen. Die vorwiegend <strong>in</strong> der Sammlung Hablik bef<strong>in</strong>dlichen Zeichnungen, Graphiken <strong>und</strong><br />
Ölbilder zu diesem Themenkomplex konnten durch e<strong>in</strong>zelne Beispiele aus Privat- <strong>und</strong><br />
Museumsbesitz ergänzt werden. Aus den Tagebüchern, Briefen <strong>und</strong> eigenhändigen<br />
Verzeichnissen <strong>des</strong> Künstlers ergaben sich <strong>in</strong> großer Zahl Daten <strong>und</strong> Äußerungen zur<br />
Genese <strong>und</strong> zur Interpretation dieser Arbeiten.<br />
Das gesamte Kunsthandwerk Wenzel Habliks war bislang, bis auf e<strong>in</strong>ige Erwähnungen <strong>in</strong><br />
der regionalen Museumsliteratur, 18 unpubliziert. Das <strong>ist</strong> um so erstaunlicher, als schon<br />
nach kurzer Recherche neben der hohen künstlerischen Qualität <strong>e<strong>in</strong>e</strong> deutliche Verb<strong>in</strong>-<br />
dung zu den Architekturphantasien festzustellen <strong>ist</strong>: Innenraumentwürfe haben teils<br />
utopischen, teils realen Charakter; Metalldosen zeigen Formen der <strong>in</strong> den Zeichnungen<br />
<strong>und</strong> Graphiken skizzierten Architekturen; h<strong>ist</strong>orische Fotos lassen Gemälde mit Architek-<br />
turphantasien <strong>in</strong>mitten anderer Raumgestaltungen <strong>des</strong> Künstlers erkennen. Die These, daß<br />
die utopischen Entwürfe <strong>und</strong> das Kunsthandwerk untrennbar mite<strong>in</strong>ander verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d<br />
(dies war um so wahrsche<strong>in</strong>licher, als dem Kunsthandwerk im Umkreis oder der Nach-<br />
folge <strong>des</strong> "Jugendstils" die utopische Idee <strong>des</strong> "Gesamtkunstwerks" immanent <strong>ist</strong>), fand<br />
sich <strong>in</strong> immer neuen Motiventsprechungen <strong>und</strong> <strong>in</strong> Äußerungen <strong>des</strong> Künstlers zu den<br />
gesellschaftlichen <strong>und</strong> reformerischen Zielen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r handwerklichen Entwürfe bestätigt.<br />
Hablik hatte offenbar versucht, Ideen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s utopischen Konzepts <strong>in</strong> Innene<strong>in</strong>richtungen<br />
zu verwirklichen. Habliks Architekturphantasien <strong>und</strong> das von ihm entworfene Kunsthand-<br />
werk werden daher <strong>in</strong> dieser Arbeit erstmals als untrennbare E<strong>in</strong>heit betrachtet <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />
ihren wechselseitigen Beziehungen untersucht.<br />
Habliks Kunsthandwerk, zum großen Teil E<strong>in</strong>zelmöbel <strong>und</strong> vollständige Innen-<br />
e<strong>in</strong>richtungen, aber auch Stoffe, Tapeten, Tafelbesteck <strong>und</strong> Schmuck, bef<strong>in</strong>det sich<br />
naturgemäß <strong>in</strong> Privatbesitz - vielfach weitervererbt <strong>und</strong> geteilt, zerstreut <strong>und</strong> mitunter<br />
verloren geglaubt - <strong>und</strong> konnte erst durch detektivische Sucharbeit wieder zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
großen Werkabschnitt vere<strong>in</strong>igt werden. Der Kontakt mit den betreffenden Familien<br />
erbrachte Informationen über die ursprünglichen Auftraggeber <strong>und</strong> ermöglichte so <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Analyse der gesellschaftlichen Zielgruppe Wenzel Habliks, ohne die weder e<strong>in</strong> utopisches<br />
Konzept noch e<strong>in</strong> von materiellen Bed<strong>in</strong>gungen abhängiges Kunsthandwerk denkbar<br />
s<strong>in</strong>d. Auch für diesen Komplex ermöglichten die
- 6 -<br />
private Korrespondenz <strong>und</strong> die Geschäftspost <strong>des</strong> Künstlers Aufschlüsse über Datie-<br />
rungen, Kosten <strong>und</strong> Auftraggeber von Mobiliaren <strong>und</strong> Innendekorationen.<br />
Aus der These von der Zusammengehörigkeit der Architekturphantasien <strong>und</strong> <strong>des</strong><br />
Kunsthandwerks folgte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gliederung der Untersuchung <strong>in</strong> thematische Abschnitte, <strong>in</strong><br />
denen wechselweise die Entwicklung der jeweiligen Gattungen <strong>und</strong> ihre Verflechtung<br />
untere<strong>in</strong>ander dargestellt wird. Bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeit über <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n noch wenig bekannten<br />
Künstler muß die Rekonstruktion der Biographie, <strong>des</strong> Werks <strong>und</strong> <strong>des</strong> h<strong>ist</strong>orischen<br />
Lebenszeitraums mit im Vordergr<strong>und</strong> stehen. Habliks Architekturphantasien <strong>und</strong> Kunst-<br />
handwerk bieten hierfür durch ihren ständigen Gesellschafts- <strong>und</strong> Alltagsbezug die beste<br />
Möglichkeit: Nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ersten Übersicht über Biographie <strong>und</strong> Werk setzt sich das<br />
Lebensbild <strong>des</strong> Künstlers noch e<strong>in</strong>mal nach <strong>und</strong> nach aus der Abfolge der thematischen<br />
Abschnitte zusammen. Angaben <strong>in</strong> der Gliederung über den vorzugsweise behandelten<br />
Zeitraum sollen dem Leser die Rekonstruktion <strong>des</strong> zeitlichen Ablaufs erleichtern. Zum<br />
Zwecke <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r sorgfältigen Rekonstruktion <strong>des</strong> Werkes wurde auf ausführliche Be-<br />
schreibungen besonderer Wert gelegt.<br />
Für den Bereich der Textilien mußten die von Hablik entworfenen <strong>und</strong> von der<br />
Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann ausgeführten Bildgobel<strong>in</strong>s vernachlässigt werden. Die<br />
Darstellung dieses umfangreichen Werkabschnitts, für den der Künstler wegweisende<br />
Entwürfe <strong>und</strong> Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demann mit ihrer Werkstatt Ausführungen von<br />
höchster Qualität lieferten, hätte den Rahmen dieser Arbeit gesprengt.<br />
Für die Betreuung m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeit danke ich Prof. Dr. Klaus Herd<strong>in</strong>g, der mir mit<br />
H<strong>in</strong>weisen <strong>und</strong> hilfreicher Kritik zur Seite stand. Besonders zu danken habe ich auch Frau<br />
Susanne Kl<strong>in</strong>geberg, der Tochter <strong>des</strong> Künstlers, für ihre unschätzbare fre<strong>und</strong>schaftliche<br />
Unterstützung <strong>und</strong> stete Auskunftbereitschaft bei der Erforschung <strong>des</strong> von ihr betreuten<br />
Nachlasses. Ferner danke ich allen, die mir Innene<strong>in</strong>richtungen, Möbel <strong>und</strong> Gemälde <strong>in</strong><br />
ihrem Privatbesitz zugänglich machten, <strong>in</strong>sbesondere allen Mitgliedern der Familien Biel,<br />
Kähler, Frese <strong>und</strong> Soetje. Dr. Ulrich Schulte-Wülwer, Flensburg, <strong>und</strong> Dr. Joachim Kruse,<br />
Schleswig, gaben mir
- 7 -<br />
erste H<strong>in</strong>weise auf den Künstler. Folgende Personen <strong>und</strong> Institute waren mir mit<br />
Informationen, Quellen- <strong>und</strong> Fotomaterial behilflich:<br />
Akademie der Künste, Berl<strong>in</strong>; Bauhaus-Archiv, Berl<strong>in</strong>; Franco Bevilacqua, Bozen;<br />
Deutsches Tapetenmuseum, Kassel; Dithmarscher Lan<strong>des</strong>museum, Meldorf; Abram<br />
Enss, Lübeck; Hochschule für angewandte Kunst, Wien; Kaiser-Wilhelm-Museum,<br />
Krefeld; Königliche Akademie der Freien Künste, Stockholm; Kunsthalle Kiel; Joachim<br />
K. Laub, Budenheim; Museum <strong>des</strong> Kunsthandwerks (Grassimuseum), Leipzig; Museum<br />
für Kunst <strong>und</strong> Gewerbe, Hamburg; Museum für Kunst <strong>und</strong> Kulturgeschichte der<br />
Hansestadt Lübeck; Nationalgalerie Prag; Ostdeutsche Galerie, Regensburg; Schleswig-<br />
Holste<strong>in</strong>isches Lan<strong>des</strong>museum, Schleswig; Frau Ruth Siegmann, Bremen; Stadtarchiv<br />
Bad Ol<strong>des</strong>loe; Stadtarchiv Ma<strong>in</strong>z; Städtische Kunsthalle, Mannheim; Städtisches<br />
Museum, Flensburg; Anthony Tischhauser, London; Prof. Oswald Matthias Ungers,<br />
Köln; Ing. Ernst Ungethüm, Wien; Frau Marga Villanueva, Santa Cruz/Bolivien; Dr. Ia<strong>in</strong><br />
Boyd Whyte, Burnsall/North Yorkshire; Frau Lilian Wolff, London. Mlle. Geneviève<br />
Douche danke ich für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Übersetzung.<br />
Die Friedrich-Naumann-Stiftung, Gummersbach, förderte m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Forschungen mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
dreijährigen Promotionsstipendium.<br />
E<strong>in</strong> persönlicher Dank geht an m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Eltern für ihre Unterstützung <strong>und</strong> an m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Kollegen Chr<strong>ist</strong>oph Timm, der mich mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m kritischen Urteil begleitete.<br />
Die Arbeit <strong>ist</strong> dem Andenken an m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Vater gewidmet, der im November 1983<br />
verstarb.
- 8 -
- 9 -<br />
WENZEL HABLIK<br />
ÜBERBLICK ZU BIOGRAPHIE UND WERK 19<br />
Wenzel Hablik wurde am 4. August 1881 <strong>in</strong> Brüx (Böhmen) als Sohn deutscher Eltern<br />
geboren. Das Milieu, <strong>in</strong> dem er aufwuchs, war von kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>und</strong> mittleren Handwerks-<br />
betrieben geprägt: Der Großvater war Schuhmacher <strong>und</strong> später Lithograph, der Vater<br />
Tischler-, der Pate Schneiderme<strong>ist</strong>er. Soziale Unsicherheit <strong>und</strong> mangelnde Hygiene<br />
bestimmten den Alltag der Familie (Abb. 5-8). Von den fünfzehn K<strong>in</strong>dern starben<br />
dreizehn <strong>in</strong> jugendlichem Alter an Diphtherie. E<strong>in</strong> Armbruch <strong>des</strong> etwa Achtjährigen blieb<br />
lange Zeit unversorgt <strong>und</strong> führte zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r lebenslangen Beh<strong>in</strong>derung: Das rechte Arm-<br />
gelenk versteifte sich <strong>in</strong> angew<strong>in</strong>kelter Haltung, die Hand blieb <strong>in</strong> ihrer Entwicklung<br />
zurück. Für schweres Handwerk war Hablik fortan untauglich. Dennoch absolvierte er<br />
noch während s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Volksschulzeit (1887-93) vom achten bis zum zwölften Lebensjahr<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tischlerlehre <strong>in</strong> der väterlichen Werkstatt <strong>und</strong> legte nach dreijähriger Gesellenzeit<br />
1895 die Me<strong>ist</strong>erprüfung ab.<br />
Nachdem er sich <strong>in</strong> den Jahren zuvor neben Möbelentwürfen auch mit Freihandzeichnen<br />
beschäftigt hatte, entschloß er sich nach Abschluß der Bürgerschule (1893-96), <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
künstlerischen Beruf zu ergreifen. Er wurde Porzellanmaler <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ortsansässigen<br />
Fabrik, schließlich Zeichner im Büro <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Architekten <strong>und</strong> Geometers <strong>und</strong> besuchte die<br />
örtliche Gewerbeschule. Dort wurde vor allem das Zeichnen nach klassischen Köpfen<br />
gelehrt. 1898 trat er <strong>in</strong> die Fachschule für Ton<strong>in</strong>dustrie <strong>und</strong> verwandte Gewerbe <strong>in</strong><br />
Teplitz-Schönau e<strong>in</strong> <strong>und</strong> erhielt Unterricht <strong>in</strong> den Fächern Freihandzeichnen, Geome-<br />
trisches Zeichnen, Dekoratives Malen, Kalligraphie, Chemie, Physik <strong>und</strong> Keramisches<br />
Malen (Abb. 9).<br />
Nach acht Semestern wechselte er 1902 an die Wiener Kunstgewerbeschule, wo er die<br />
Fachschule für Malerei <strong>des</strong> Direktors Felician von Myrbach <strong>und</strong> Vorlesungen über Schrift<br />
<strong>und</strong> Heraldik bei Rudolf von Larisch besuchte. Er malte s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ersten Porträts <strong>und</strong><br />
zeichnete utopische Architekturen <strong>in</strong> Form von Bergkr<strong>ist</strong>allen - e<strong>in</strong> Genre, das ihn<br />
sogleich zum Außenseiter machte. Zur gleichen Zeit erreichte der Sezessionsstil, die<br />
Wiener Variante der "Stilkunst um 1900" (Jost Hermand), s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Höhepunkt. Josef<br />
Hoffmann <strong>und</strong> Koloman Moser, die an der Kunstgewerbe-
- 10 -<br />
schule lehrten, gründeten 1903 mit Fritz Wärndorfer die Wiener Werkstätten. Für Gustav<br />
Klimt, den führenden Sezession<strong>ist</strong>en, empfand der junge Student große Verehrung.<br />
Da e<strong>in</strong> Stipendium <strong>des</strong> Unterrichtsm<strong>in</strong><strong>ist</strong>eriums zum Überleben nicht ausreichte, arbeitete<br />
er neben dem Studium als Hauslehrer <strong>und</strong> entwarf Stoffmuster für den angesehenen<br />
Wiener Möbelfabrikanten Hugo Schmidl. <strong>Dieser</strong> führte ihn <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Literatenkreis e<strong>in</strong>,<br />
dem die Schriftsteller Arthur Schnitzler, Jakob Wassermann <strong>und</strong> Alexander Roda-Roda<br />
angehörten. 20 Hablik blieb ihnen über die Jahrzehnte fre<strong>und</strong>schaftlich verb<strong>und</strong>en.<br />
Als von Myrbach 1905 nach Paris g<strong>in</strong>g, entschloß Hablik sich, an der Prager Akademie<br />
weiterzustudieren. Er verbrachte dort anderthalb Jahre <strong>in</strong> der Spezialschule für figurale<br />
Malerei bei Franz Thiele, ohne diese jedoch regelmäßig zu besuchen. In Studien nach<br />
dem lebenden Modell fand er s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> "eigene Handschrift": pastos aufgesetzte r<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Farbflecken oder -streifen charakterisieren die Bildnisse von Berufsmodellen, Verwand-<br />
ten <strong>und</strong> Bekannten der Prager Zeit (Abb. 10). Landschaftsbilder mit Brüxer Motiven<br />
gestaltete er als ornamentale Farb- <strong>und</strong> Flächenkompositionen (vgl. Kauder 1979, 40 ff.).<br />
Er experimentierte mit wechselnden Zeichentechniken an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Kr<strong>ist</strong>allbauten <strong>und</strong><br />
entwarf Flugrnasch<strong>in</strong>en, die er später zu "fliegenden Siedlungen" weiterentwickeln<br />
sollte. Zur gleichen Zeit unternahm er weitläufige Reisen nach Norditalien <strong>und</strong> <strong>in</strong> die<br />
Schweiz.<br />
Im Juli 1907 verließ er die Prager Akademie <strong>und</strong> folgte der E<strong>in</strong>ladung <strong>des</strong> Malers Otto<br />
Ewel 21 nach Dresden, wo dieser ihn mit dem Literaten Ferd<strong>in</strong>and Avenarius bekannt<br />
machte. Avenarius hatte als Herausgeber der Zeitschrift "Kunstwart" (seit 1877) <strong>und</strong><br />
mehrerer Anthologien sowie als Gründer <strong>des</strong> "Dürerb<strong>und</strong>es" großen E<strong>in</strong>fluß als Kunst-<br />
erzieher. Er zeigte sich an Habliks Arbeiten <strong>in</strong>teressiert, gewährte ihm e<strong>in</strong> Stipendium aus<br />
der "Kunstwart"-Stiftung <strong>und</strong> lud ihn für die folgenden Monate <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Haus nach<br />
Kampen auf Sylt e<strong>in</strong>.<br />
Hablik wanderte zunächst durch Ostpreußen, wo er Bilder von der Frischen Nehrung<br />
malte, fuhr nach Danzig, schiffte sich schließlich nach Kopenhagen e<strong>in</strong> <strong>und</strong> erreichte<br />
nach Wanderungen durch Dänemark Sylt im August 1907.
- 11 -<br />
Nach arbeitsreichen Monaten, <strong>in</strong> denen er sich vor allem mit Meeresstudien beschäftigte,<br />
machte er sich im November <strong>des</strong> Jahres auf die Reise nach Königsberg, wo er mit Otto<br />
Ewel <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kunstgewerbeschule gründen wollte. Bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m kurzen Besuch der Insel<br />
Helgoland lernte er jedoch den Holzfabrikanten Richard Biel kennen, der ihn zu sich <strong>in</strong><br />
die holste<strong>in</strong>ische Kreisstadt Itzehoe e<strong>in</strong>lud, ihn f<strong>in</strong>anziell unterstützte <strong>und</strong> se<strong>in</strong> väterlicher<br />
Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Mäzen wurde. Im April 1908 ließ Hablik sich endgültig <strong>in</strong> Itzehoe nieder. Er<br />
wandte sich wieder s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Kr<strong>ist</strong>allbauten zu, entwarf dazu zwanzig Radierungen <strong>und</strong><br />
ebensoviele kommentierende Aphorismen <strong>und</strong> gab diesen Graphikzyklus 1909 unter dem<br />
Titel "Schaffende Kräfte" heraus.<br />
Als Gegenle<strong>ist</strong>ung für die materiellen Zuwendungen entwarf er 1908 zum erstenmal<br />
Innendekorationen <strong>und</strong> Aussteuermobiliare für die Familie s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Mäzens. Aus dem<br />
Itzehoer Umland folgten weitere Aufträge für Innenausstattungen, die von kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Handwerksbetrieben ausgeführt wurden.<br />
Durch Richard Biel lernte er im November 1907 die Leiter<strong>in</strong> der Meldorfer Museums-<br />
weberei, Elisabeth L<strong>in</strong>demann kennen, die ihn wenig später bat, Entwürfe für ihren<br />
Betrieb anzufertigen. Seit 1908 gestaltete er Wandbehänge, Bezugs- <strong>und</strong> Vorhangstoffe,<br />
Applikationen für Tischdecken <strong>und</strong> Kissen.<br />
In der Malerei entstanden bis 1910 neben Bildnissen <strong>und</strong> norddeutschen Landschaften die<br />
ersten Genre-Bilder: Heimkehrende Menschen, Studien im Café, Szenen vom Ochsen-<br />
markt. Er erweiterte se<strong>in</strong> Repertoire mit Blumenstilleben <strong>und</strong> symbol<strong>ist</strong>ischen Gemälden,<br />
die sich stil<strong>ist</strong>isch <strong>und</strong> thematisch an Hodler <strong>und</strong> Klimt orientieren (vgl. Kauder 1979,<br />
61).<br />
Neben der künstlerischen Arbeit waren die Jahre von 1909 bis zum Anfang <strong>des</strong> Ersten<br />
Weltkrieges von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r regen Ausstellungstätigkeit <strong>und</strong> weiten Reisen bestimmt. Ende Juni<br />
1910 re<strong>ist</strong>e Hablik nach Konstant<strong>in</strong>opel, wo er sich für drei Monate aufhielt. Von der<br />
Rückreise aus erteilte er die Anweisungen für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> erste Kollektivausstellung, die im<br />
Oktober <strong>des</strong> Jahres <strong>in</strong> der Galerie Commeter <strong>in</strong> Hamburg zu sehen war. Ausstellungen<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gemälde, Radierungen <strong>und</strong> Wandbehänge <strong>in</strong> Bremen, Lübeck, Dresden,<br />
Wuppertal, Chemnitz, Magdeburg <strong>und</strong> Münster folgten.
- 12 -<br />
Der Berl<strong>in</strong>er Kunstkritiker <strong>und</strong> Schriftsteller Herwarth Walden, der 1910 die Zeitschrift<br />
"Der Sturm" gegründet <strong>und</strong> damit dem Expressionismus <strong>und</strong> anderen modernen Rich-<br />
tungen <strong>in</strong> Literatur <strong>und</strong> bildender Kunst ihr wichtigstes Publikationsorgan verschafft<br />
hatte, lud Hablik im Mai 1912 zur Teilnahme an der dritten Ausstellung <strong>des</strong> "Sturm" mit<br />
graphischen Arbeiten e<strong>in</strong>. Der Künstler re<strong>ist</strong>e <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Woche vor der Eröffnung nach Berl<strong>in</strong>,<br />
wo s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mappe "Schaffende Kräfte" mit Werken von Gaugu<strong>in</strong>, Gris, Kand<strong>in</strong>sky, Ko-<br />
koschka, Picasso u.a. gezeigt wurde, traf Walden <strong>in</strong> der gleichzeitigen Ausstellung der<br />
italienischen Futur<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> später im Café <strong>des</strong> Westens. Dort kam er auch mit Willy<br />
Nowak 22 <strong>und</strong> Max Oppenheimer zusammen, die ebenfalls bei Franz Thiele <strong>in</strong> Prag stu-<br />
diert hatten, lernte Umberto Boccioni <strong>und</strong> Karl Schmidt-Rottluff kennen. Herwarth<br />
Walden blieb auch künftig an Habliks Werken <strong>in</strong>teressiert <strong>und</strong> stellte <strong>in</strong> den zwanziger<br />
Jahren Textilien <strong>und</strong> Metallarbeiten von ihm <strong>in</strong> der Galerie <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Buchhandlung <strong>des</strong><br />
"Sturm" aus.<br />
Zwischen 1912 <strong>und</strong> 1914 malte der Künstler die größte Zahl s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Landschaftsbilder.<br />
Die Motive von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Reise nach F<strong>in</strong>nland (1913) <strong>und</strong> von Wanderungen durch<br />
Norddeutschland entstanden nach flüchtigen Ble<strong>ist</strong>iftskizzen oder ganz aus der<br />
Er<strong>in</strong>nerung.<br />
Der Beg<strong>in</strong>n <strong>des</strong> Ersten Weltkrieges, den Hablik als Anfang <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "neuen Zeit" seit Jahren<br />
herbeigesehnt <strong>und</strong> erwartet hatte, 23 war für ihn mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Enttäuschung verb<strong>und</strong>en:<br />
Obwohl er sich mehrmals als Freiwilliger zur österreichischen Armee meldete, wurde er<br />
wegen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Armbeh<strong>in</strong>derung für untauglich bef<strong>und</strong>en. Im Mai 1915 re<strong>ist</strong>e er schließlich<br />
nach Wien, um sich bei höchsten Stellen um die Zulassung zum Kriegsdienst zu<br />
bemühen. Schließlich gelang es ihm, zusammen mit dem Schriftsteller <strong>und</strong> Kriegs-<br />
berichterstatter Alexander Roda-Roda als Kriegsmaler für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Monat <strong>in</strong> die Karpaten<br />
<strong>und</strong> an die Isonzo-Front zu kommen. Danach blieb er noch e<strong>in</strong>ige Monate <strong>in</strong> Wien <strong>und</strong><br />
arbeitete als Entwurfszeichner für Innendekorationen. Im August kehrte er nach Itzehoe<br />
zurück. Vom März 1916 an verbrachte er drei Monate beim Landsturmbataillon<br />
"Rendsburg" auf Sylt, um dort - ebenfalls als Kriegsmaler - Zeichnungen vom Soldaten-<br />
leben anzufertigen.
- 13 -<br />
Mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Rückkehr nach Itzehoe im Juni 1916 begann wieder die <strong>in</strong>tensive künstlerische<br />
Arbeit. Im Juli wurde er auf Vorschlag Elisabeth L<strong>in</strong>demanns, mit der ihn <strong>in</strong>zwischen<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> tiefe Fre<strong>und</strong>schaft verband, Mitglied <strong>des</strong> Deutschen Werkb<strong>und</strong>es.<br />
E<strong>in</strong> Jahr später heirateten Wenzel Hablik <strong>und</strong> Elisabeth L<strong>in</strong>demann. Die Meldorfer<br />
Museumsweberei wurde aufgelöst <strong>und</strong> als Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann <strong>in</strong> neuen<br />
Gebäuden <strong>in</strong> Itzehoe weitergeführt. Die Gründerzeitvilla, die das Ehepaar kaufte, nahm<br />
das Atelier Wenzel Habliks, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Edelste<strong>in</strong>schleiferei <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Metallwerkstatt auf; die<br />
Wohnräume wurden mit der Zeit nach den Entwürfen <strong>des</strong> Künstlers umgestaltet <strong>und</strong> mit<br />
den Arbeiten der Handweberei ausgestattet. Das Haus wurde so zur Verkörperung <strong>des</strong><br />
geme<strong>in</strong>samen künstlerischen Schaffens. Im Mai 1920 wurde Hablik preußischer Staats-<br />
angehöriger.<br />
Seit 1912 hatte der Künstler erneut an zume<strong>ist</strong> utopischen oder symbol<strong>ist</strong>ischen Architek-<br />
turentwürfen gearbeitet. Im Februar 1919 lud Walter Gropius ihn zur Teilnahme an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
"Ausstellung für unbekannte Architekten" e<strong>in</strong>, die der Arbeitsrat für Kunst <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
veranstaltete <strong>und</strong> bei dem Hablik im April selbst Mitglied wurde. Bruno Taut forderte ihn<br />
im November <strong>des</strong> Jahres auf, mit elf weiteren Architekten <strong>und</strong> Malern an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Briefwechsel über utopische Baugedanken teilzunehmen. Hablik wurde <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s der aktiv-<br />
sten Mitglieder der Gruppe, die unter dem Namen "Gläserne Kette" bekannt wurde, <strong>und</strong><br />
beteiligte sich im Mai 1920 zusammen mit Hans Scharoun, Hans <strong>und</strong> Wassili Luckhardt<br />
sowie Bruno <strong>und</strong> Max Taut an der Ausstellung "Neues Bauen". Auch als sich die Gruppe<br />
im Dezember 1920 auflöste, setzte er s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arbeit an der utopischen Architektur fort. Im<br />
Oktober <strong>des</strong> folgenden Jahres suchte er Bruno Taut bei den Brüdern Luckhardt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
auf, um die geme<strong>in</strong>same Arbeit wieder zu beleben, fand aber ke<strong>in</strong> Gehör. Taut blieb<br />
jedoch ebenso wie der Kunsth<strong>ist</strong>oriker Adolf Behne, den Hablik bei diesem Besuch<br />
kennenlernte, weiterh<strong>in</strong> mit ihm <strong>in</strong> engem Kontakt.<br />
Seit dem Ende <strong>des</strong> Ersten Weltkrieges hatte der Künstler wieder größere Aufträge für den<br />
Entwurf von Mobiliaren <strong>und</strong> Innendekorationen erhalten. Während er nur noch wenige<br />
Ölbilder malte, konzentrierte er sich immer mehr auf die kunsthandwerkliche Arbeit. In<br />
der Metallwerkstatt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s
- 14 -<br />
Hauses wurden Tischgerät, Silberbestecke <strong>und</strong> Tierplastiken angefertigt; Schmuck aus<br />
Korallen, Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>allen entstand.<br />
Vom Herbst 1921 an nahm die Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann zweimal jährlich an der<br />
Leipziger Messe teil. Seitdem wurde der Betrieb zum führenden s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Art <strong>in</strong> Europa.<br />
Textilien <strong>und</strong> Metallarbeiten nach den Entwürfen Wenzel Habliks waren <strong>in</strong> den folgenden<br />
Jahren bei den wichtigsten Handwerks- <strong>und</strong> Bauausstellungen im In- <strong>und</strong> Ausland<br />
vertreten.<br />
1925 schloß der Künstler s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> utopischen Architekturentwürfe mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m zusammen-<br />
fassenden Radierungszyklus ab <strong>und</strong> begab sich gleich darauf im September <strong>des</strong> Jahres auf<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Reise nach Südamerika. Er besuchte Bolivien, Chile, West-Indien <strong>und</strong> die Azoren<br />
<strong>und</strong> kehrte erst im Juni 1926 nach Itzehoe zurück.<br />
In den folgenden Jahren arbeitete er vornehmlich für die Handweberei, entwarf Stoffe<br />
<strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Anzahl von Bildgobel<strong>in</strong>s, die auf Messen <strong>und</strong> Ausstellungen bedeutende<br />
Anerkennung fanden. 1927 erhielt er den Auftrag zur Neugestaltung der Innenräume <strong>des</strong><br />
Itzehoer Rathauses; private Unternehmer übertrugen ihm die Ausstattung ihrer<br />
Geschäftsräume. Seit 1930 entstanden letzte Mobiliare nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Entwürfen.<br />
Im Januar 1931 verlor Hablik se<strong>in</strong> rechtes Auge durch die Entfernung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Krebs-<br />
geschwulst. Im März <strong>und</strong> April re<strong>ist</strong>e er nach Italien, im Mai nach Paris, im Juni zur<br />
Werkb<strong>und</strong>tagung nach Berl<strong>in</strong>. An den Folgen der Krebserkrankung starb Wenzel Hablik<br />
am 23. März 1934 <strong>in</strong> Itzehoe.
- 15 -<br />
1. KAPITEL:<br />
DIE ARCHITEKTONISCHE FORM ALS SYMBOL DER NATURKRÄFTE<br />
Habliks Geburtsort Brüx liegt im nordböhmischen Braunkohlengebiet. Die ferne<br />
Silhouette <strong>des</strong> Erzgebirges <strong>und</strong> die Bergkegel im Umkreis der Stadt, die dem<br />
Zehnjährigen mit ihrer teils unberührten Pflanzenwelt <strong>und</strong> frei vorkommenden<br />
Kr<strong>ist</strong>allansammlungen Studienobjekte für k<strong>in</strong>dlich-forschende <strong>und</strong> zeichnerische<br />
Tätigkeit boten, 24 gehörten zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n wichtigsten K<strong>in</strong>dheitse<strong>in</strong>drücken. In den<br />
Kohlenschächten offenbarten sich ihm früh Naturkräfte, mit denen der Mensch zu<br />
kämpfen <strong>und</strong> die er sich nutzbar zu machen hatte:<br />
"Der <strong>e<strong>in</strong>e</strong> (Berg) zeigte mir die Landschaft, heiter, üppig grün <strong>und</strong> fruchtbar, voller<br />
Hügel <strong>und</strong> Täler <strong>und</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Bäche - der andere bot e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>steres Bild; wie die<br />
Hölle lag das Land unten <strong>in</strong> Pest <strong>und</strong> Rauch gehüllt, das Poltern <strong>und</strong> Pfauchen<br />
vieler Kohlenschächte tönte herauf, aus bergetiefen Löchern zungten breite rote<br />
Flammen, quollen giftige Schwaden." 25<br />
Die k<strong>in</strong>dheitlichen Begegnungen mit der Welt der Kr<strong>ist</strong>alle wurden, so äußerte er sich<br />
später gern <strong>in</strong> romantisierender Weise, zum alles vorherbestimmenden Ausgangspunkt<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künstlerischen Ideen:<br />
"Besonders e<strong>in</strong> Stück, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Druse mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m größeren Kr<strong>ist</strong>all <strong>in</strong> der Mitte <strong>und</strong><br />
vielen kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n spitzen r<strong>in</strong>gsum - hätte ich m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m besten Kameraden nicht gegeben.<br />
Ich stellte es vor mich h<strong>in</strong> <strong>in</strong> die Sonne, <strong>und</strong> da wurde es groß <strong>und</strong> hoch <strong>und</strong><br />
wurde <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Burg mit kr<strong>ist</strong>allnen Dächern <strong>und</strong> Türmen <strong>und</strong> Z<strong>in</strong>nen - deren<br />
leuchten<strong>des</strong> Innere Ritter <strong>und</strong> Knappen <strong>und</strong> Edelfräule<strong>in</strong> belebten, die auf spiegelglattem<br />
Saalboden tanzten <strong>und</strong> fröhliche Feste feierten." 26<br />
I. Frühe Darstellungen kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>er Architekturen<br />
Nachdem der Unterricht an der Teplitzer "Fachschule für Ton<strong>in</strong>dustrie <strong>und</strong> verwandte<br />
Gewerbe" eher zur Ausbildung technischer Fertigkeiten als zu freier künstlerischer<br />
Tätigkeit geeignet war, 27 empfand Hablik den Wechsel an die Wiener Kunstgewerbe-<br />
schule geradezu als Befreiung. Drei Wochen nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m E<strong>in</strong>tritt <strong>in</strong> das Atelier Felician<br />
von Myrbachs notierte er <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tagebuch:
- 16 -<br />
"13.10.02 (...) Myrbach tut e<strong>in</strong> Übriges, daß ich etwas lerne. Ich habe jetzt <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Komposition zu Haus' angefangen, e<strong>in</strong> Bauwerk, nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gruppe von Bergkr<strong>ist</strong>allen,<br />
<strong>und</strong> ich glaube, daß es ganz gut glücken wird." 28<br />
In der folgenden Zeit beschäftigte ihn die Erf<strong>in</strong>dung irrealer Architekturen, die dem<br />
Gebirge verhaftet s<strong>in</strong>d oder aus ihm entstehen, immer mehr. Teile dieser Bauten oder<br />
Gebirgsformationen gewannen Bedeutung als Metaphern menschlicher Seelenzustände:<br />
"Es gibt sonst nicht viel, das man <strong>in</strong>s Tagebuch schreibt. Höchstens m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bilder<br />
wären e<strong>in</strong>mal durchzuforsten, vor allem <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s, welches me<strong>in</strong> jetziges Leben ausdrücken<br />
soll. Das 'Gnomenschloß'. (...) Das düstere hochaufstrebende Schloß s<strong>in</strong>d<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> kühnen stolzen Hoffnungen. Der Schacht, der sich darunter öffnet <strong>und</strong> dem<br />
die aufgeschreckten Gnomen entsteigen <strong>und</strong> an <strong>des</strong>sen Wänden <strong>und</strong> Rändern sich<br />
die Gr<strong>und</strong>mauern erheben, es <strong>ist</strong> das unergründliche Schicksal, <strong>des</strong>sen Schl<strong>und</strong> die<br />
arbeitenden Ge<strong>ist</strong>er entfliehn, dem Lichte zu, das sie blendet ... Sie sehen noch<br />
nicht die Ruhe, die nach <strong>des</strong> Lebens Mühen ihr Lohn se<strong>in</strong> soll. Ratlos stehen sie<br />
unbewußt der Richtung, die e<strong>in</strong>zuschlagen <strong>ist</strong>, sie sondern sich <strong>in</strong> Gruppen. Und<br />
die letzten schlagen die Richtung e<strong>in</strong>, nach dem hellen Grün, das durch den tiefen<br />
dunklen Wald schimmert. Noch wissen sie nicht, wie lange sie zu dr<strong>in</strong>gen haben,<br />
noch sehen sie nicht die Schlucht, die sie vom Verlangten trennt.<br />
Das Schloß für sich, es s<strong>in</strong>d die Türme, auf die ich im Herzen baue ..." 29<br />
Das "Kr<strong>ist</strong>allschloß, welches <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n e<strong>in</strong>fachen Bau zeigt (<strong>und</strong>) von k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m verstanden<br />
(wird)", aber auch "lichte To<strong>des</strong>stätten" <strong>und</strong> "Todtenbrücke" s<strong>in</strong>d die Titel symboli-<br />
stischer Architekturen, deren Entwurf er <strong>in</strong> den folgenden Zeilen <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tagebuch<br />
erwähnt.<br />
In den Tagebuchfragmenten <strong>des</strong> Jahres 1903 verliert sich die Spur dieser Architektur-<br />
phantasien wieder; doch s<strong>in</strong>d jetzt die beiden ersten <strong>in</strong> dieses Jahr datierten Bilddar-<br />
stellungen erhalten, die kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Architekturen <strong>in</strong> steil abfallenden Gebirgsmassiven<br />
zeigen (Abb. 11-12). Es s<strong>in</strong>d zwei aquarellierte Ble<strong>ist</strong>iftzeichnungen, denen aufgr<strong>und</strong> von<br />
Motiv, Technik <strong>und</strong> Format drei weitere Blätter ähnlicher künstlerischer Qualität zuzu-<br />
ordnen s<strong>in</strong>d (Abb. 13-15). Sie alle zeigen Baukörper, die mit der unregelmäßigen Poly-<br />
gonalität ihrer 'Wände' <strong>und</strong> den aus schrägen Dreiecksflächen gebildeten 'Dächern'<br />
Bergkr<strong>ist</strong>allen gleichen 30 <strong>und</strong> die aus dem Felsgeste<strong>in</strong> emporwachsen. Der Betrachter<br />
steht am Fuße der Gr<strong>und</strong>mauern <strong>und</strong> er-
- 17 -<br />
lebt von hier die Unbezw<strong>in</strong>gbarkeit der schroffen Kr<strong>ist</strong>allwände wie auch die unter ihm<br />
tief abfallende Schlucht. Fensteröffnungen nach Art schießschartenähnlicher Durch-<br />
brüche deuten an, daß dort unbekannte Wesen wohnen.<br />
Die e<strong>in</strong>zelnen Blätter variieren das Thema <strong>in</strong> Darstellung <strong>und</strong> Inhalt. E<strong>in</strong> Blatt öffnet sich<br />
mehr als die anderen dem Zugriff <strong>des</strong> Betrachters (Abb. 13): Er schaut aus der Vogel-<br />
perspektive <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ger Entfernung auf die Dachkante <strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> <strong>und</strong> nimmt selbst<br />
E<strong>in</strong>zelheiten der Wandstruktur wahr, während das leuchtende, fast phosphoreszierende<br />
Grün <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n niedrigen, aber üppigen Bewuchs <strong>des</strong> Felsbodens angibt. Vor dem lichten<br />
blauen H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> wirkt der <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Mulde der Felsnadel liegende Kr<strong>ist</strong>allbau<br />
mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m heruntergezogenen Dach <strong>und</strong> den tief e<strong>in</strong>sehbaren Fensternischen als Stätte<br />
der Zuflucht, doch die unmittelbar im Vordergr<strong>und</strong> abfallende Schlucht <strong>und</strong> das tiefe<br />
Schwarz der Fensterhöhlen verh<strong>in</strong>dern letztlich e<strong>in</strong> Zudr<strong>in</strong>gen <strong>des</strong> Betrachters, das Innere<br />
<strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> bleibt 'im Dunkeln'.<br />
Als burgähnlicher Komplex gruppieren sich die Kr<strong>ist</strong>allbauten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s anderen Blattes<br />
(Abb. 11) um <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n verdeckten Innenhof. Zart aufgesetzte Lichter aus phosphores-<br />
zierendem Grün geben den Bauten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n geheimnisvollen Glanz <strong>und</strong> beleuchten zudem<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Säulenarchitektur, die ebenso wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> im Vordergr<strong>und</strong> angedeutete Treppe die<br />
Gegenwart gestaltender Wesen vermittelt. Ins Bild h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> wallende Wolken ersetzen als<br />
Höhenangabe die Schlucht <strong>und</strong> wirken als unüberw<strong>in</strong>dliche Barriere.<br />
Noch deutlicher an die Architektur mittelalterlicher Burgen er<strong>in</strong>nern kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>re, als Wehr-<br />
türme oder Erker gestaltete Kr<strong>ist</strong>alle, die <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>in</strong> violetten Tönen gegebenen Kr<strong>ist</strong>allbau<br />
auf breitem Bergmassiv <strong>und</strong> vor gelblichem, rotbewölktem Abendhimmel (Abb. 14)<br />
umgeben. E<strong>in</strong>er der Erker mit spitzbogenähnlichen Fensteröffnungen <strong>ist</strong> eigens durch<br />
Hölzer abgestützt, daneben erstreckt sich e<strong>in</strong> z<strong>in</strong>nenbewehrter galerie- oder kapellen-<br />
ähnlicher Seitentrakt. Gotisierende Maßwerkfenster s<strong>in</strong>d auch <strong>in</strong> der obersten Fenster-<br />
reihe <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s anderen, aus der Gebirgsschlucht steil emporwachsenden Kr<strong>ist</strong>allbaus ange-<br />
deutet (Abb. 12). Hier wird der Bau von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Kr<strong>ist</strong>alldruse bekrönt.
- 18 -<br />
Vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Wolkenbank <strong>und</strong> <strong>in</strong> größerer Entfernung ragt e<strong>in</strong> schroffer <strong>und</strong> architektonisch<br />
wenig gestalteter Kr<strong>ist</strong>allbau <strong>in</strong> den tiefblauen gestirnten Nachthimmel (Abb. 15). Er hat<br />
selbst das kühle Blau angenommen <strong>und</strong> wirkt damit gänzlich unnahbar. Wie zuvor das<br />
"Gnomenschloß" wird auch er als Metapher <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Seelenzustan<strong>des</strong> aufgefaßt: "Über den<br />
Sternen such Vergessen - die Sehnsucht zeiget dir den Weg." <strong>Dieser</strong> beigegebene Apho-<br />
rismus eröffnet die Möglichkeit zur Überw<strong>in</strong>dung der als "unergründliches Schicksal"<br />
verstandenen Schlucht. Er vermittelt die Bilddarstellung auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> höhere ge<strong>ist</strong>ige Ebene:<br />
der Kr<strong>ist</strong>allbau <strong>ist</strong> zwar sehnsuchtsvoll unerreichbare, unbekannte Hoffnung, soll aber<br />
selbst noch - auf dem Weg zur höchsten, "über den Sternen" angesiedelten seelischen<br />
Vollendung: dem "Vergessen" - überw<strong>und</strong>en werden.<br />
"Menschliche Empf<strong>in</strong>dungen <strong>und</strong> Seelenstimmung, <strong>in</strong> landschaftlichen Elementen sym-<br />
bolisiert, durchziehen das ganze neunzehnte Jahrh<strong>und</strong>ert" (Hofstätter 2 1973, 164). E<strong>in</strong>e<br />
erste Anregung zu Habliks Aphorismus <strong>und</strong> zur Idee der "Todtenbrücke" f<strong>in</strong>det sich<br />
bereits bei dem englischen Romantiker John Mart<strong>in</strong>. Er malte 1812 den jungen Mann<br />
"Sadak, auf der Suche nach den Wassern <strong>des</strong> Vergessens" (Roberts-Jones 1978, Abb. S.<br />
44), der sich über <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m tiefen Abgr<strong>und</strong> <strong>und</strong> von schroffen Felsen überragt, an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Felsvorsprung klammert. 1826 schuf Mart<strong>in</strong> den Stich "Sünde <strong>und</strong> Tod beim Bau der<br />
Brücke von der Hölle zur Erde" (Hofstätter 2 1973, Tf. 30) als Illustration zu Miltons<br />
"Paradise lost" (1667). Arnold Böckl<strong>in</strong> verwendete Bergarchitektur <strong>und</strong> Gebirgsland-<br />
schaft als Metaphern <strong>des</strong> Menschenschicksals. Die verschiedenen, seit 1880 entstandenen<br />
Fassungen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Toten<strong>in</strong>sel" lassen tiefe, <strong>in</strong> den Berg geschlagene Fensteröffnungen mit<br />
glatt behauenen Sturzen <strong>und</strong> Laibungen erkennen - Architekturelemente <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Felsbehau-<br />
sung, deren Schöpfer verborgen bleiben. Hier wie später bei Hablik könnten die Fenster<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kontaktaufnahme nach <strong>in</strong>nen ermöglichen, verh<strong>in</strong>dern aber durch ihr geheimnis-<br />
volles Dunkel e<strong>in</strong> wirkliches Zudr<strong>in</strong>gen. 1882 stellte Böckl<strong>in</strong> "Prometheus" rückl<strong>in</strong>gs ge-<br />
fesselt auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bergmassiv dar, <strong>des</strong>sen frontal gegebene Felswände steil <strong>in</strong> das Wasser<br />
abfallen. In Max Kl<strong>in</strong>gers Radierung "Philosoph" (1885/98) gew<strong>in</strong>nt der Landschafts-<br />
raum Bedeutung als Sphäre der Erkenntnis: Über die Personifikation der Erde als<br />
liegende Frauengestalt, über Fluß <strong>und</strong> Berge h<strong>in</strong>weg ertastet der Mensch nur se<strong>in</strong> eigenes<br />
Spie-
- 19 -<br />
gelbild (Ausstellungs-Katalog Symbolismus 1976, Kat. Nr. 79-3). Rudolf Jettmar, Grün-<br />
dungsmitglied der Wiener Sezession <strong>und</strong> Illustrator der Zeitschrift "Ver Sacrum" zeigte<br />
um 1900 <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Radierung den "Bau der Teufelsbrücke" (Hofstätter 2 1973, Tf. 29) <strong>und</strong><br />
schloß damit wieder an Mart<strong>in</strong>s frühe Illustration an.<br />
Habliks besonderes Interesse galt der symbol<strong>ist</strong>ischen Malerei der zweiten Hälfte <strong>des</strong><br />
neunzehnten Jahrh<strong>und</strong>erts. In späteren Jahren nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m "Verhältnis zu den<br />
Kunstepochen der Gegenwart <strong>und</strong> Vergangenheit" 31 befragt, nannte er für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Studienzeit <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Verehrung für Böckl<strong>in</strong> <strong>und</strong> Hodler. E<strong>in</strong>e Bücherrechnung von<br />
1903 enthält Monographien über Böckl<strong>in</strong> <strong>und</strong> die Symbol<strong>ist</strong>en Max Kl<strong>in</strong>ger <strong>und</strong> Franz<br />
von Stuck.<br />
Die Verschlüsselung <strong>des</strong> Menschenschicksals <strong>in</strong> Landschaftsausschnitten geht auf die<br />
Kunsttheorie der Romantik zurück. Am Ende <strong>des</strong> achtzehnten Jahrh<strong>und</strong>erts wurde <strong>in</strong><br />
England das Malerische <strong>in</strong> der Landschaftskunst proklamiert: "Natur (<strong>ist</strong>) e<strong>in</strong> von Ge-<br />
heimnissen durchwirkter Wahrnehmungs<strong>in</strong>halt <strong>und</strong> zugleich e<strong>in</strong> Stimmungsträger, <strong>in</strong> den<br />
der Betrachter s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Empf<strong>in</strong>dungen, Ahnungen <strong>und</strong> Befürchtungen h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>legen soll"<br />
(Hofmann: Turner 1976, 33). In Ludwig Tiecks Roman "Franz Sternbalds Wanderungen"<br />
erkennt der junge Maler, daß sich die E<strong>in</strong>zelheiten der Natur <strong>in</strong> der Kunst zu Allegorien<br />
zusammenfügen. Philipp Otto Runge entwickelte unter diesem E<strong>in</strong>fluß <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue allego-<br />
rische Landschaftskunst, <strong>in</strong> der sich "Kosmogonie <strong>und</strong> Innenschau" (Hofmann 1977, 31)<br />
verb<strong>in</strong>den: Natur <strong>und</strong> Landschaft nahmen die Bedeutung menschlicher Empf<strong>in</strong>dungen<br />
<strong>und</strong> der Gottesschöpfung an. "Der auf das Symbolische <strong>und</strong> Rätselhafte, auf Belebung<br />
<strong>und</strong> Beseelung gerichtete Blickw<strong>in</strong>kel", so Hofmann (Turner 1976, 34), <strong>ist</strong> das Geme<strong>in</strong>-<br />
same der sich jeweils eigenständig entwickelnden Landschaftskunst bei Constable,<br />
Turner, Runge <strong>und</strong> Friedrich.<br />
Wenn Hablik <strong>in</strong> den ersten Jahren nach 1900 auf diese Tradition der Landschaftsmalerei<br />
zurückgriff, so erklärt sich das aus ihrem Fortwirken bis <strong>in</strong> die Stilkunst der Jahrhun-<br />
dertwende h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, andererseits aber aus der Tatsache, daß kunsth<strong>ist</strong>orische Fakten <strong>und</strong><br />
Entwicklungen an der Wiener Kunstgewerbeschule <strong>in</strong> Pflichtvorlesungen vermittelt<br />
wurden. 32
- 20 -<br />
Sechs Tage, nachdem Habliks erstes datiertes Blatt mit der <strong>in</strong> Wolken gehüllten<br />
Kr<strong>ist</strong>allgruppe (Abb. 11) entstanden war, beschloß der Künstler e<strong>in</strong> neues, größeres<br />
Projekt:<br />
"Ich will heute beg<strong>in</strong>nen, m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ideen auszuführen, welche ich jetzt der Reife<br />
ziemlich nahe glaube, <strong>und</strong> zwar mit dem Schreiben <strong>und</strong> Illustrieren <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Märchenbuches<br />
nach m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Begriffen." 33<br />
Das "Märchenbuch mit den Schlössern von Fels auf Luft gebaut", 34 wie er es später<br />
nannte, sollte die Kr<strong>ist</strong>allbauten zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m geschlossenen Werk ver<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n.<br />
Das ungewöhnliche Thema kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>er Architekturen g<strong>in</strong>g also offenbar auf literarische<br />
Anregungen, auf Märchenstoffe, zurück. Illustrierte Märchenbücher hatten zu dieser Zeit<br />
Hochkonjunktur. Sie spielten seit der Jahrh<strong>und</strong>ertwende bei der von England, <strong>in</strong>s-<br />
besondere von William Morris' Kelmscott-Press ausgehenden Erneuerung <strong>des</strong> Buch-<br />
wesens die größte Rolle. In der Wiener Illustrationsgraphik gehörten Märchen- <strong>und</strong><br />
Sagenbücher, wie sie bei dem Verlag Gerlach & Wiedl<strong>in</strong>g <strong>in</strong> "Gerlachs Jugendbücherei"<br />
erschienen, zu den beliebtesten Aufgaben. Hierfür schuf Carl Otto Czeschka, 1901-07<br />
Lehrer an der Wiener Kunstgewerbeschule <strong>und</strong> mit Wenzel Hablik gut bekannt, 35 noch<br />
1908 Illustrationen zum Nibelungenlied, <strong>und</strong> auch Franz Delavilla, 1903/04 Habliks<br />
Kommilitone bei Rudolf von Larisch <strong>und</strong> später, wie Czeschka, an die Hamburger Kunst-<br />
gewerbeschule berufen (Schweiger 1982, 260), 36 gehörte zu den Illustratoren der<br />
"Jugendbücherei" (vgl. Hofstätter o.J., 226 f.). Die Auffassung der Märchen- <strong>und</strong> Sagen-<br />
welt hatte sich gegenüber der mitteilenden, pädagogisch motivierten Erzählweise <strong>des</strong><br />
neunzehnten Jahrh<strong>und</strong>erts gr<strong>und</strong>legend gewandelt. Das "Märchenerlebnis aus der K<strong>in</strong>d-<br />
heit wird von der Jugendstil-Generation zurückersehnt ... Das Märchen wird jetzt so er-<br />
zählt, wie man es als K<strong>in</strong>d erlebt hatte" (ebd., 41). Hablik, der s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> K<strong>in</strong>dheitsvision der<br />
mit Rittern <strong>und</strong> Edelfräule<strong>in</strong> belebten Kr<strong>ist</strong>allburg zum Ausgangspunkt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künst-<br />
lerischen Arbeiten stilisierte, lebte ganz <strong>in</strong> dieser neuen Vorstellungswelt. Das Märchen<br />
blieb "die Sehnsucht <strong>des</strong> Erwachsenen nach dem verloren geglaubten Paradies, die Suche<br />
nach der verlorenen K<strong>in</strong>derzeit" (ebd., 44).
- 21 -<br />
In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Interesse für Märchenstoffe drang er wiederum bis zur Romantik vor. Wichtige<br />
Anregungen, darauf lassen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tagebuchaufzeichnungen <strong>und</strong> frühen Aquarelle schlie-<br />
ßen, erhielt er durch Novalis' 1802 erstmals erschienenes Romanfragment "He<strong>in</strong>rich von<br />
Ofterd<strong>in</strong>gen". Hier fand er zunächst s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> heimatlichen E<strong>in</strong>drücke der Kr<strong>ist</strong>allwelt, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
eigene Herkunft aus Böhmen bestätigt: He<strong>in</strong>rich, <strong>in</strong>mitten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r reisenden Gesellschaft,<br />
wird als Schlüsselerlebnis die Erzählung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s welterfahrenen, weisen alten Mannes<br />
zuteil, der "aus Böhmen gebürtig sei":<br />
"Von Jugend auf habe er <strong>e<strong>in</strong>e</strong> heftige Neugierde gehabt zu wissen, was <strong>in</strong> den<br />
Bergen verborgen se<strong>in</strong> müsse, (...) wo das Gold <strong>und</strong> Silber <strong>und</strong> die köstlichen<br />
St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> gef<strong>und</strong>en würden, die den Menschen so unwiderstehlich an sich zögen. (...)<br />
Er sei fleißig <strong>in</strong> den Felsritzen <strong>und</strong> Höhlen umhergeklettert, <strong>und</strong> habe sich mit<br />
unaussprechlichem Vergnügen <strong>in</strong> diesen uralten Hallen <strong>und</strong> Gewölben umgesehen.<br />
(...) Ich kann euch nicht sagen, wie herrlich mir zumute ward, als ich von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
grünen Hügel die Haufen von St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n erblickte (...) <strong>und</strong> als ich aus dem Tal unten<br />
die Rauchwolken über den Wald heraufziehen sah." (Ausg. 1980, S. 63 f.).<br />
Bergleute, die der alte (<strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Erzählung jugendliche) Mann dann sah: "schwarz-<br />
gekleidete Männer mit Lampen", die ihm "wie unterirdische Helden" vorkamen, "die tau-<br />
send Gefahren zu überw<strong>in</strong>den hätten", die "<strong>in</strong> ihren dunkeln, w<strong>und</strong>erbaren Kammern,<br />
zum Empfängnis himmlischer Gaben <strong>und</strong> zur freudigen Erhebung über die Welt <strong>und</strong> ihre<br />
Bedrängnisse ausgerüstet würden", stiegen mit ihm h<strong>in</strong>ab "nach dem Schachte, wie wir<br />
die schroffen E<strong>in</strong>gänge <strong>in</strong> die unterirdischen Gebäude zu nennen pflegen" (ebd., 64 f.).<br />
Wie hieraus bei Hablik Gnome werden, die die Wände <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>mauern ihrer Schächte<br />
verlassen, die jetzt ihrerseits Gefahren, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schlucht, zu überw<strong>in</strong>den haben, um zu ihrem<br />
Lohn - oder wie Novalis sagt: "zum Empfängnis himmlischer Gaben" - zu gelangen, <strong>ist</strong><br />
offensichtlich. In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Märchenerzählung, die im späteren Verlaufe von Novalis' Roman<br />
der Dichter Kl<strong>in</strong>gsohr "He<strong>in</strong>richen" vorträgt, ersche<strong>in</strong>t dann jenes Kr<strong>ist</strong>allschloß, das<br />
Hablik als K<strong>in</strong>d mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r feiernden Gesellschaft vor Augen sah <strong>und</strong> das er jetzt zum<br />
Symbol s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Hoffnungen erklärte:<br />
"Auch sah man allmählich die gewaltigen Säulen <strong>und</strong> Mauern selbst sich erhellen;<br />
(...) <strong>und</strong> der Widersche<strong>in</strong> der Figuren, das Getümmel der Spieße, der Schwerter,<br />
der Schilder, <strong>und</strong> der Helme, die sich nach hier <strong>und</strong> da ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>nden Kronen, von<br />
allen Seiten neigten (...): alles dies spiegelte sich <strong>in</strong> dem star-
Schließlich<br />
- 22 -<br />
ren Meere, das den Berg umgab, auf dem die Stadt lag, <strong>und</strong> auch der ferne hohe<br />
Berggürtel ... Die Stadt erschien ... hell <strong>und</strong> klar. Ihre glatten, durchsichtigen<br />
Mauern warfen die schönen Strahlen zurück ... Am herrlichsten nahm sich auf dem<br />
großen Platze vor dem Palaste der Garten aus, der aus Metallbäumen <strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>allpflanzen<br />
bestand ..." (ebd., 121 f.)<br />
"... die uralte Burg. Die spitzen Türme mit ihren glänzenden Köpfen <strong>und</strong> die tiefen<br />
schwarzen Dächer schwankten. Die Burg stand still, denn sie war auf das Gebirge<br />
jenseits <strong>des</strong> Meeres gekommen." (ebd., 129 f.)<br />
Hierzu hatte Hablik die kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en, burgartigen Bergarchitekturen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r frühen Aqua-<br />
relle erf<strong>und</strong>en, darunter auch "spitze Türme mit glänzenden Köpfen" (Abb. 12). Die auch<br />
bei Novalis zunächst etwas gesucht ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>nde Verb<strong>in</strong>dung zwischen Bergwelt <strong>und</strong><br />
Universum: " 'Ihr seid be<strong>in</strong>ah verkehrte Astrologen', sagte der E<strong>in</strong>siedler. '(...) Jene<br />
studieren die Kräfte <strong>und</strong> E<strong>in</strong>flüsse der Gestirne, <strong>und</strong> ihr untersucht die Kräfte der Felsen<br />
<strong>und</strong> Berge ...' ", wird dort sogleich begründet:<br />
" 'Die leuchtenden Propheten spielen vielleicht <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Hauptrolle <strong>in</strong> jener alten<br />
Geschichte <strong>des</strong> w<strong>und</strong>erlichen Erdbaus. (...) Vielleicht zeigen die großen<br />
Gebirgsketten die Spuren ihrer ehemaligen Strahlen, <strong>und</strong> hatten selbst Lust, ...<br />
ihren eigenen Gang am Himmel zu gehn. Manche hoben sich kühn genug, um auch<br />
Sterne zu werden ...' " (ebd., 87).<br />
Die Überw<strong>in</strong>dung der Berglandschaft h<strong>in</strong> zum Universum illustrierte Hablik <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
blauen Kr<strong>ist</strong>allberg (Abb. 15). Die Erfüllung der Sehnsucht "über den Sternen", die er <strong>in</strong><br />
dem zugehörigen Aphorismus zum Ausdruck brachte, lautet bei Novalis:<br />
"Noch war ich bl<strong>in</strong>d, doch schwankten lichte Sterne<br />
Durch m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Wesens w<strong>und</strong>erbare Ferne" (ebd., 153 f.)<br />
E<strong>in</strong>e weitere berühmte literarische Vorlage, <strong>in</strong> der sich e<strong>in</strong> Märchenstoff mit Kr<strong>ist</strong>all-<br />
motiven verb<strong>in</strong>det, <strong>ist</strong> Goethes Erzählung "Das Mährchen" (Von der Schlange <strong>und</strong> der<br />
Lilie, 1795). Goethe beschreibt die Schlange, die als kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>es "Gebäude" den Fluß<br />
überbrückt (Ausg. 1890, 260), <strong>und</strong> schildert mit goldenen Standbildern ausgestattete<br />
kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Felsklüfte (S. 232), die sich später als Tempel aus dem Wasser <strong>des</strong> Flusses<br />
erheben (S. 264). Und bis heute <strong>ist</strong> "der Tempel ... der besuchteste auf der ganzen Erde"<br />
(S. 273).
- 23 -<br />
Eugene Santomasso (1973, 127 ff.) hat darauf h<strong>in</strong>gewiesen, daß der Kr<strong>ist</strong>all <strong>in</strong> der Litera-<br />
tur der Romantik - fußend auf mittelalterlichen keltischen <strong>und</strong> kont<strong>in</strong>entalen Grals-<br />
legenden - als Motiv für Kosmogonie <strong>und</strong> göttlichen Willen stand. 37 Novalis sah <strong>in</strong> den<br />
Kr<strong>ist</strong>all- <strong>und</strong> M<strong>in</strong>eralformen den paradiesischen Urzustand der Erde verkörpert. Bei<br />
Goethe s<strong>in</strong>d Kr<strong>ist</strong>alle, Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>und</strong> kostbare Metalle dutzendfache Motive für neu ent-<br />
stehen<strong>des</strong> Leben, für Weisheit <strong>und</strong> göttliches W<strong>und</strong>er.<br />
Als Naturobjekt von re<strong>in</strong>ster Gestalt offenbarte sich für den Romantiker auch der Kr<strong>ist</strong>all<br />
als Metapher <strong>des</strong> Menschenschicksals. In dem Gedicht "Entoptische Farben" verschlüs-<br />
selte Goethe die Offenbarung Gottes <strong>in</strong> der Metapher zweier Spiegel,<br />
"Und dazwischen ruht im Trüben<br />
Als Krystall das Erdewesen.<br />
(...)<br />
Tief <strong>ist</strong> der Krystall durchdrungen:<br />
(...)<br />
W<strong>und</strong>ersame Spiegelungen." (Ausg. 1890, 101)<br />
Dazu heißt es bei Novalis:<br />
"Die Menschen s<strong>in</strong>d Kr<strong>ist</strong>alle für unser Gemüt. Sie s<strong>in</strong>d die durchsichtige Natur."<br />
(Ausg. 1982, 109)<br />
Adalbert Stifter rankte um Kr<strong>ist</strong>alle <strong>und</strong> M<strong>in</strong>erale s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Anthologie "Bunte St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>"<br />
(1852), zu der auch die Novelle "Bergkr<strong>ist</strong>all" gehört: Sie galten ihm als Ausdruck <strong>in</strong> der<br />
Natur wirkender Kräfte <strong>und</strong> Gesetze, die <strong>in</strong> den Sittengesetzen der Menschen ihre<br />
Parallele fänden (Ausg. 1980, 12 ff.). Damit war die Verschlüsselung <strong>des</strong> Menschen-<br />
schicksals, wie Hablik sie <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n frühen Aquarellen betreibt, auch durch die Literatur<br />
der Romantik vorgegeben.<br />
Gegen Ende <strong>des</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts kam es zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Renaissance <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>allsymbols, die Wolf-<br />
gang Pehnt ( 2 1981, 38) auf e<strong>in</strong> neu erwachtes Interesse für das Gralsmotiv seit der Urauf-<br />
führung von Richard Wagners "Parsifal" (1882) zurückführt. Seit 1893 lieferte der Dich-<br />
ter Paul Scheerbart (1863-1915), der zum Protagon<strong>ist</strong>en der kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Architektur-<br />
visionen <strong>und</strong> Bauformen <strong>des</strong> Expressionismus wurde, 38 <strong>in</strong> Romanen, Gedichten <strong>und</strong><br />
Prosa<strong>text</strong>en Schilderungen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r fiktiven, märchenhaften Welt mit ganz aus Kr<strong>ist</strong>allen<br />
zusammengesetzten oder den Kr<strong>ist</strong>allen nachgebildeten Ar-
- 24 -<br />
chitekturen, die teilweise ebenfalls auf Goethe <strong>und</strong> Novalis zurückgehen. 39 S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kr<strong>ist</strong>all-<br />
bauten hatten die utopische Dimension <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neu zu schaffenden Welt mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r von allen<br />
Herrschaftsstrukturen befreiten Gesellschaftsordnung. 40 Schon <strong>in</strong> Scheerbarts Erstl<strong>in</strong>gs-<br />
werk "Das Paradies. Die Heimat der Kunst" (1893) könnte Hablik weitere Anregungen zu<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Kr<strong>ist</strong>allarchitekturen gef<strong>und</strong>en haben:<br />
"Ich schaue nach den Gebirgen <strong>und</strong> b<strong>in</strong> verwirrt durch all den Prunk. H<strong>und</strong>erte von<br />
Palästen liegen <strong>in</strong> den Bergbuchten, strahlen auf den Gipfeln der Felsen. (...) Die<br />
Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> der Burgen blenden <strong>und</strong> bl<strong>in</strong>ken." (S. 83)<br />
"Glänzende Paläste mit Saphirsäulen <strong>und</strong> Smaragdkuppeln, mit Opaltürmen <strong>und</strong> goldenen<br />
Terrassen ... e<strong>in</strong> Diamantenreich mit tausendfarbigen Teichen <strong>und</strong> Wasserfällen" schildert<br />
Scheerbart 1897 <strong>in</strong> dem Roman "Ich liebe Dich!" (S. 21), "hohe kantige Klötze von<br />
Bergkr<strong>ist</strong>all ... als wären sie mal heruntergefallen; auf diesen Kr<strong>ist</strong>allklötzen sitzen<br />
Tausende von Zuhörern" <strong>in</strong> dem "Monddrama" "Die große Revolution" (1902, 37).<br />
E<strong>in</strong> Text Scheerbarts war Hablik zur Entstehungszeit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ersten Kr<strong>ist</strong>allbauten mit<br />
Sicherheit bekannt: "Lika. E<strong>in</strong>e Künstlerodyssee" erschien 1899 im zweiten Jahrgang der<br />
Wiener Zeitschrift "Ver Sacrum" (S. 21 ff.), deren erste beiden Bände auf Habliks Bü-<br />
cherrechnung von 1903 stehen. Lika, die fest mit der Porzellanschale verwachsen <strong>ist</strong>, auf<br />
der sie im Wasser schwimmt, <strong>und</strong> der sie fre<strong>und</strong>schaftlich begleitende Triton wären als<br />
Gestalten aus den Meeresbildern Arnold Böckl<strong>in</strong>s denkbar. Beide geraten nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Fahrt über unterirdische Höhlenflüsse <strong>in</strong>s Riesenreich:<br />
"Und was sieht die Lika?<br />
Riesen sieht sie drüben auf den Inseln <strong>des</strong> Meeres. Die Riesenköpfe ragen hoch <strong>in</strong><br />
die Wolken - <strong>und</strong> bauen tun die Riesen - Paläste bauen mit blitzenden Türmen,<br />
Erkern, Säulenhallen - Alles funkelt <strong>und</strong> glüht <strong>und</strong> zuckt <strong>und</strong> sticht <strong>in</strong> lodernd<br />
brennenden Farben - denn alle Baust<strong>e<strong>in</strong>e</strong> s<strong>in</strong>d natürlich echte Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>und</strong><br />
Diamanten riesige!"<br />
Der Text verb<strong>in</strong>det symbol<strong>ist</strong>ische Figuren <strong>und</strong> Landschaftsausschnitte mit der Errichtung<br />
kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>er Palastbauten - bezogen auf Habliks Interessengebiete <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ideale Synthese, die<br />
ihn zur Ausstattung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kr<strong>ist</strong>allbauten mit "Türmen, Erkern, Säulenhallen" bewogen<br />
haben mag.
- 25 -<br />
Nicht zuletzt durch Scheerbarts Texte gewann der Kr<strong>ist</strong>all um 1900 Bedeutung als Zu-<br />
kunftssymbol, als 'Kr<strong>ist</strong>allisation' neuer schöpferischer <strong>und</strong> gesellschaftlicher Ideen. Bei<br />
der Eröffnung der Darmstädter Künstlerkolonie 1901 trug e<strong>in</strong> "Verkünder" <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n zu-<br />
nächst verhüllten Kr<strong>ist</strong>all als "S<strong>in</strong>nbild neuen Lebens" unter dem "Jubel der Fanfaren"<br />
<strong>und</strong> dem "Jauchzen <strong>des</strong> Chores" auf erhobenen Händen <strong>in</strong> das neue Künstlerhaus (Koch<br />
1901, 60). Peter Behrens gestaltete um die gleiche Zeit das Bildfeld s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s eigenen Ex-<br />
libris mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m reich facettierten Kr<strong>ist</strong>all (Pehnt 2 1981, S. 38, Abb. 58). Während<br />
Scheerbarts kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Gestaltungen bereits <strong>in</strong> den Innenraum <strong>und</strong> zu Gebrauchsgegen-<br />
ständen vordrangen, blieb bei Hablik der aus der Felsschlucht herauswachsende Kr<strong>ist</strong>all<br />
e<strong>in</strong> Symbol <strong>des</strong> Erhabenen. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> persönliche Erfahrung vom Kr<strong>ist</strong>all als w<strong>und</strong>ersamer<br />
Naturschöpfung - von der k<strong>in</strong>dlichen Hand prüfend vor die Sonne gehalten - behielt das<br />
stärkere Gewicht <strong>und</strong> begründete gegenüber Scheerbart <strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigenständige Bildwelt.<br />
So wie die Kr<strong>ist</strong>allsymbolik hatte auch Habliks Burgenromantik, die Zusammenstellung<br />
der Kr<strong>ist</strong>alle zu wehrhaften Anlagen <strong>und</strong> ihre Anreicherung mit Bauelementen der<br />
Feudalarchitektur, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n gesellschaftlichen Aspekt. Sie sollte die Vorstellung erstrebens-<br />
werter, aber unerreichbarer Lebensformen vermitteln, die sich mit h<strong>ist</strong>orisierenden<br />
Zitaten an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r - durch die Märchen- <strong>und</strong> Sagenvorliebe der Zeit um 1900 noch geför-<br />
derten - romantischen Sicht der als urtümlich <strong>und</strong> heroisch empf<strong>und</strong>enen Zeit der Burgen<br />
orientierten. E<strong>in</strong> auf den "Spiegel nationaler Größe" <strong>und</strong> heroischen Deutschtums zu-<br />
rechtgestutztes Bild der mittelalterlichen Gesellschaft war seit der Entdeckung <strong>des</strong><br />
Nibelungenlie<strong>des</strong> im späten achtzehnten Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Erhebung <strong>in</strong> den Rang<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Nationalepos während der Freiheitskriege durch das ganze neunzehnte Jahrh<strong>und</strong>ert<br />
(Schulte-Wülwer 1980, 7) <strong>und</strong> bis <strong>in</strong> die Nibelungen-Illustrationen Carl Otto Czeschkas<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> lebendig.<br />
Repräsentationsbauten von Industrieunternehmen: Haupttore <strong>und</strong> Verwaltungsgebäude<br />
entstanden bis um 1900 <strong>in</strong> Formen mittelalterlicher Burganlagen. 41 "Aufgr<strong>und</strong> unent-<br />
wickelter Herrschaftssymbolik der Industriearchitektur" (Klaus Herd<strong>in</strong>g) lag der Rück-<br />
griff auf bewährte Feudalbauten nahe, mit denen die bereits respektierten "Schlotbarone"<br />
<strong>und</strong> "Kanonenkö-
- 26 -<br />
nige" ihren Machtanspruch gegenüber den alten gesellschaftlichen Mächten mani-<br />
festierten (vgl. Drebusch 1977, 127). Ähnlich verlegte sich auch Ludwig II. von Bayern,<br />
der die prachtvollen Bauten s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Großvaters Ludwig I. <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Vaters Maximilian II.<br />
<strong>in</strong> München niemals hätte übertreffen können, auf das Bauen von Burgen <strong>und</strong> Schlössern<br />
als Ausdruck s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neoabsolut<strong>ist</strong>ischen Machtanspruchs. Die 'Märchenburg' Neuschwan-<br />
ste<strong>in</strong> (1869-81) <strong>in</strong> romanischen Formen wurde se<strong>in</strong> bekanntestes Projekt; mit Burg<br />
Falkenste<strong>in</strong> "endete (1886) das große Bauprogramm Ludwigs: Es kehrte zurück <strong>in</strong> den<br />
Schoß der Gotik als dem beherrschenden Stil der groß empf<strong>und</strong>enen deutschen Ver-<br />
gangenheit" (L<strong>in</strong>nenkamp 1977, 52 f.).<br />
Auch Hablik belegte <strong>in</strong> der Nachfolge <strong>des</strong> H<strong>ist</strong>orismus das Machtvolle <strong>und</strong> Bedeu-<br />
tungsträchtige, das Wertvolle <strong>und</strong> Heroische mit h<strong>ist</strong>orischen Details. Unerreichbarer<br />
Glanz <strong>und</strong> materieller wie ge<strong>ist</strong>iger Reichtum, die sich mit dem "Kr<strong>ist</strong>allschloß"<br />
verbanden, waren als Symbol "kühner stolzer Hoffnungen" nur allzu verständlich für den<br />
unter bitterster Armut leidenden Kunststudenten, 42 <strong>des</strong>sen Lehrer Barone waren, <strong>und</strong><br />
angesichts <strong>des</strong> höfischen Glanzes von "Wien, (der) Stadt, um die sich <strong>in</strong> Österreich alles<br />
dreht". 43<br />
II. Der Zyklus "Schaffende Kräfte"<br />
1. Erste Projekte<br />
Nach der ersten Ankündigung <strong>des</strong> "Märchenbuches" schuf Hablik wohl an der<br />
Jahreswende 1903/04 den ersten Entwurf zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Titelblatt, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> aquarellierte Feder-<br />
zeichnung, die neben <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m mit sicheren Strichen stilisierten Kr<strong>ist</strong>allbau die Wörter<br />
"Buchschmuck", "Bilderskizzen" <strong>und</strong> "Ideale Bauten" <strong>in</strong> Jugendstil-Versalien enthält<br />
(Abb. 16). Als "ideal" bezeichnete Hablik damit jene durch Fenstere<strong>in</strong>schnitte deutlich<br />
bestimmten Bauten, die <strong>in</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Formen aus dem Bergmassiv wachsen. Werten wir<br />
- <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m <strong>und</strong> auch im romantischen S<strong>in</strong>n - den Kr<strong>ist</strong>all als ebenso ideale Schöpfung der<br />
Natur <strong>und</strong> den sche<strong>in</strong>bar unzugänglichen Fels als Ausdruck unbezw<strong>in</strong>gbarer Natur-<br />
gewalten, so verb<strong>in</strong>det sich hier das
- 27 -<br />
Ziel <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r erstrebenswerten Architektur mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Verständnis von Natur als höchster<br />
schöpferischer Kraft. "Ideale Bauten" sollen dem Betrachter <strong>in</strong> Gestalt idealer Natur-<br />
formen vorgestellt werden. Da es Hablik bei den vorangegangenen Darstellungen auf die<br />
Symbolisierung menschlicher Sehnsüchte ankam, die sich auf e<strong>in</strong> besseres, vielleicht<br />
heroischeres Leben bezogen, muß auch hier Architektur vorerst nicht als wirklich Bauba-<br />
res, sondern als Wunschbild <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bestimmten menschlichen Lebensform <strong>und</strong> -gestaltung<br />
verstanden werden. "Ideale Bauten" s<strong>in</strong>d k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>swegs nurmehr Illustrationen literarischer<br />
Vorlagen, sondern verkörpern die Zielvorstellung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s menschlichen Dase<strong>in</strong>s im Vere<strong>in</strong><br />
mit der Naturschöpfung.<br />
Am Beg<strong>in</strong>n <strong>des</strong> Jahres 1904 haben die Kr<strong>ist</strong>allbauten unter Habliks künstlerischen<br />
Studien schon e<strong>in</strong> Eigenleben begonnen; er beschäftigte sich, wie s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tagebuch zu<br />
entnehmen <strong>ist</strong>, fast ausschließlich mit ihnen. Doch die beiden e<strong>in</strong>zigen datiert erhaltenen<br />
Ble<strong>ist</strong>iftzeichnungen aus dieser Zeit (Abb. 17-18) zeigen gegenüber den ersten Aqua-<br />
rellen kaum neue Ergebnisse. Auch Professor von Myrbach, der sich wohl e<strong>in</strong> um das<br />
andere Mal abfällig äußerte, wurde das Thema bald leid. 44<br />
Im Januar 1904 entschloß sich Hablik zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Übertragung <strong>in</strong> die Malerei <strong>und</strong> damit zu<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m weiteren Versuch der Konsolidierung. Er wählte e<strong>in</strong> neues Motiv: den von Goethe<br />
<strong>und</strong> später auch <strong>in</strong> Scheerbarts "Lika-Odyssee" beschriebenen von Wasser umgebenen<br />
Kr<strong>ist</strong>allbau. E<strong>in</strong> Meeresgestade ersetzt das Gebirge als Metapher <strong>des</strong> Unerreichbaren:<br />
"Das erste größere Bild, das ich jetzt gemacht 1m50 2 gelang mir fast ganz gut, aber<br />
ich konnte nicht zur rechten Zeit aufhören, <strong>und</strong> so mußte es natürlich verdorben<br />
werden.<br />
Die Felsen s<strong>in</strong>d zu wollig, das Meer zu mehlig, die Kr<strong>ist</strong>alle k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kr<strong>ist</strong>alle <strong>und</strong> die<br />
Komposition ganz versaut. Im Raum steht es miserabel. Aber doch glaube ich,<br />
etwas von dem geheimnisvollen Reiz h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>bekommen zu haben, e<strong>in</strong> wenig der<br />
glückseligen Ruhe." 45<br />
Dr. Hugo Feldste<strong>in</strong>, Arzt <strong>in</strong> Brüx, erhielt das Bild "Kr<strong>ist</strong>allschloß", das <strong>in</strong> Habliks Ge-<br />
samtverzeichnis der Gemälde ersche<strong>in</strong>t <strong>und</strong> das heute verschollen <strong>ist</strong>, als Hochzeits-<br />
geschenk. 46 S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Reaktion zeigte, daß das Bildthema dem Geschmack <strong>des</strong> versierten <strong>und</strong><br />
an der Kunst <strong>des</strong> ausgehen-
- 28 -<br />
den neunzehnten Jahrh<strong>und</strong>erts geschulten Kunstsammlers 47 durchaus entsprechen konnte.<br />
Das Gemälde, das ihm, "bevor ich es aus s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Umhüllung befreite, durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> bloßen<br />
Dimensionen imponierte", forderte ihn schon beim ersten Betrachten "förmlich zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Vergleiche mit (Böckl<strong>in</strong>s) 'Toten<strong>in</strong>sel' " 48 heraus. Er me<strong>in</strong>te, dar<strong>in</strong> "wahren Weltschmerz"<br />
<strong>und</strong> "so viel E<strong>in</strong>samkeitssehnsucht" 49 zu verspüren <strong>und</strong> damit die gleichen Inhalte jener<br />
symbol<strong>ist</strong>ischen Bilder, die sich das Bürgertum der Gründerzeit <strong>in</strong> den Salon hängte. In<br />
der Verwendung <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>alls als e<strong>in</strong>zigem Symbol erkannte er sogar <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Fortschritt<br />
gegenüber Böckl<strong>in</strong>:<br />
"Dann aber sah ich, daß Sie etwas ganz anderes wollten als Böckl<strong>in</strong>. Wo dieser<br />
durch alle möglichen kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Zutaten, Zypressen, Kahn mit weißen Gestalten etc.<br />
zu wirken versucht, - (...) Hervorheben wollte ich, daß Sie gar k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Mittel<br />
verwendeten, um, sowohl was Stimmung als Kolorierung anbetrifft, so unmittelbar<br />
zu wirken." 50<br />
Das Motiv <strong>des</strong> Gemäl<strong>des</strong> 51 dürfte dem aus mehreren Türmen zusammengesetzten <strong>und</strong> im<br />
Wasser stehenden Kr<strong>ist</strong>allbau ähnlich gewesen se<strong>in</strong>, der auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>und</strong>atierten<br />
Zeichnung ersche<strong>in</strong>t (Abb. 20). 1914 malte Hablik noch e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Ölbild "Kr<strong>ist</strong>allschloß<br />
im Meer" (Abb. 140), das später von der Nationalgalerie Prag angekauft wurde.<br />
2. Die Vorstudien: Schaffung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Architektur<br />
a) Entwicklung von Form <strong>und</strong> Programm<br />
Erst nachdem Hablik 1905 von der Wiener Kunstgewerbeschule an die Prager Akademie<br />
gewechselt war, begann er mit den Vorarbeiten zu dem zwei Jahre zuvor projektierten<br />
"Märchenbuch", das schließlich 1909 <strong>in</strong> anderer Form, als Zyklus von zwanzig Radie-<br />
rungen, unter dem Titel "Schaffende Kräfte" herauskommen sollte.<br />
Das Leitmotiv <strong>des</strong> aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bergmassiv herauswachsenden quarzähnlichen Kr<strong>ist</strong>allbaus<br />
blieb bei allen jetzt entstehenden Zeichnungen erhalten. Die Mehrzahl der Vorstudien<br />
wurde mit freihändigen Ble<strong>ist</strong>iftstrichen r<strong>und</strong>, oval oder rechteckig gerahmt <strong>und</strong> war<br />
damit ausdrücklich als Buchillustration geplant. E<strong>in</strong>igen Darstellungen wurden e<strong>in</strong>- oder<br />
zweizeilige Aphorismen unterlegt.
- 29 -<br />
Die ge<strong>ist</strong>ige Vielschichtigkeit <strong>des</strong> Themas führte den Künstler immer wieder <strong>in</strong> Konflikte<br />
mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n darstellerischen Möglichkeiten. In e<strong>in</strong>igen Blättern verstärkte er die Anleh-<br />
nung der kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Baugruppen an mittelalterliche Burganlagen <strong>und</strong> schwächte so die<br />
symbolische Wirkung <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>alls. Schließlich, <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r r<strong>und</strong> gerahmten Zeichnung von<br />
1906, verkam der Kr<strong>ist</strong>allbau ganz zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r flachen Burgarchitektur auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Fels-<br />
massiv, das als romantisierender Landschaftsausschnitt gestaltet <strong>ist</strong> (Abb. 21). Das vor-<br />
dem unerreichbare Architektursymbol war <strong>in</strong> die Wirklichkeit zurückgekehrt <strong>und</strong> hatte<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n geheimnisvollen Glanz verloren. Die monolithische Form <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>alls <strong>und</strong> das<br />
Burgenschema hatten sich im Gr<strong>und</strong>e für den Künstler als unvere<strong>in</strong>bar erwiesen.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Konflikt entstand aus der Tatsache, daß Kr<strong>ist</strong>alle - abgesehen von ihrer<br />
ger<strong>in</strong>gen Größe - nicht hohl <strong>und</strong> daher nicht als bewohnbare Bauten vorstellbar s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e<br />
Ausweitung <strong>des</strong> Themas war die Folge: So wie bereits Scheerbart architektonisch<br />
umgearbeitete Berge, kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e, aus Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n gestaltete <strong>und</strong> gläserne Bauteile neben-<br />
e<strong>in</strong>ander bestehen läßt, führte auch Hablik 1905 Bauelemente e<strong>in</strong>, die den Ansche<strong>in</strong> ge-<br />
schliffenen Glases vermitteln. E<strong>in</strong> Hauptkr<strong>ist</strong>all <strong>und</strong> e<strong>in</strong> seitlicher 'Bergfried' zeigen jetzt<br />
prismatisch gegliederte Wände; dazwischen erstreckt sich e<strong>in</strong> galerieartiger Trakt mit<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Fensterband aus dreiteilig gefächerten Scheiben (Abb. 22). Natürlich-kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e<br />
<strong>und</strong> gebaut-gläserne Formen, die ausdrücklich mit den zugehörigen Materialien "Lava<br />
<strong>und</strong> Glas" (Abb. 39) oder "Fels <strong>und</strong> Glas" (Abb. 40) verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d, stehen seitdem <strong>in</strong><br />
allen Zeichnungen gleichberechtigt nebene<strong>in</strong>ander, gehen <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander über <strong>und</strong> bilden<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n geme<strong>in</strong>samen Entwurf.<br />
In ihrer Verschmelzung s<strong>in</strong>d natürliche <strong>und</strong> künstliche Formen nicht mehr e<strong>in</strong>deutig zu<br />
unterscheiden. So werden an den Rand <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Burganlage zwei durchsichtige Türme<br />
gestellt, von denen der kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>re als Szepterquarz, der große aber aus Glasflächen über<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Strebekonstruktion ausgeführt <strong>ist</strong> (Abb. 23). Szepterquarze wachsen an exponierten<br />
Stellen als strahlende Türme aus dem Fels (Abb. 24). Vor allem ihre Übergröße steht dem<br />
natürlichen Ersche<strong>in</strong>ungsbild entgegen. Auf anderen Blättern verblüfft die Komposition<br />
von ansch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>nd natürlich gewachsenen Kr<strong>ist</strong>allen zu dekorativen Bauanlagen. In dieser<br />
Art bilden zwei Szepterquarze rechts <strong>und</strong> l<strong>in</strong>ks <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s mit Kr<strong>ist</strong>allfacetten überdachten<br />
Portals die E<strong>in</strong>-
- 30 -<br />
gangssituation zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m am Wasser stehenden Kr<strong>ist</strong>allbau. Sie s<strong>in</strong>d durch Brücken mit<br />
kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>ren Szepterquarzen verb<strong>und</strong>en (Abb. 25). E<strong>in</strong> andermal stehen drei Szepterquarze<br />
um <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n diamantähnlich geschliffenen Mittelbau <strong>und</strong> senden Strahlen <strong>in</strong> alle Richtungen<br />
(Abb. 26). H<strong>in</strong>ter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m symmetrischen zweiflügeligen Kr<strong>ist</strong>allbau erhebt sich wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Gloriole e<strong>in</strong> regelmäßiger Kranz aus leuchtenden Bergkr<strong>ist</strong>allen (Abb. 27). Die Unauf-<br />
lösbarkeit zwischen Naturform <strong>und</strong> Irrealität macht den Reiz dieser Zeichnungen aus.<br />
Bei Scheerbart wird <strong>in</strong> dem grotesken Roman "Rakkóx der Billionär" (1900) der Titel-<br />
figur der Erf<strong>in</strong>der Kasimir Stummel vorgestellt, der Rakkóx zur Dokumentation s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Macht die Errichtung von Bergarchitekturen vorschlägt:<br />
"Wenn man <strong>in</strong> größeren Dimensionen bauen will, empfiehlt es sich, die daseiende<br />
Natur derart zu benutzen, daß es schließlich so aussieht, als hätte man die ursprünglich<br />
daseiende Natur ebenfalls mitgeschaffen. Die Stilisierung größerer<br />
Felspartien hat anerkanntermaßen für den Architekten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n höheren Wert als das<br />
Aufführen usueller Wandgebäude, die zu den Terra<strong>in</strong>verhältnissen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Kontrast<br />
bilden sollen. Wie wär's nun, wenn Sie, Herr Rakkóx, geneigt se<strong>in</strong> möchten, nicht<br />
bloß e<strong>in</strong>zelne Partien <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Felsens - sondern versuchsweise mal <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ganzen<br />
Felsen von oben bis unten <strong>in</strong> e<strong>in</strong> architektonisches Kunstwerk zu verwandeln? Das<br />
wäre was wahrhaft Großes <strong>und</strong> würde die kommenden Geschlechter anspornen, im<br />
Laufe der nächsten Jahrtausende die gesamte Oberfläche <strong>des</strong> ganzen Erdballs <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
großes kompaktes architektonisches Kunstwerk umzuwandeln. Das letztere <strong>ist</strong><br />
natürlich nur als Scherz zu betrachten."<br />
Rakkóx <strong>ist</strong> von dem Vorschlag bege<strong>ist</strong>ert <strong>und</strong> läßt sofort e<strong>in</strong> "kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Gebirge möglichst<br />
mit Gletscher zu Bauzwecken ankaufen" (Ausg. 1976, 19 f.). Kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>-gläserne Archi-<br />
tekturen schildert der im selben Jahr erschienene Roman "Die wilde Jagd":<br />
"Und durch schimmernde Kr<strong>ist</strong>allpforten schweben die Sänften mit den Ge<strong>ist</strong>ern <strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Saal, der be<strong>in</strong>ahe ganz so wirkt, als wenn er aus Rub<strong>in</strong>glas bestünde - nur im<br />
oberen Teile s<strong>in</strong>d verschiedene Luken mit türkisblauen Gläsern gefüllt -, <strong>und</strong> an<br />
den Wänden schimmert viel fe<strong>in</strong> geschliffenes wasserhelles Kr<strong>ist</strong>all. Und die<br />
Ge<strong>ist</strong>er bemerken, daß die ganze Architektur durchsichtig <strong>ist</strong> - wie Glas; sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
den transparenten Tempelhallen, von denen sie oft gehört zu haben glauben; wie<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> lange bekannte Sache kommt ihnen die transparente Architektur vor - <strong>und</strong><br />
doch <strong>ist</strong> nur e<strong>in</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Teil von Glas - die größeren Wandteile bestehen aus<br />
anderen Stoffen." (ebd., 97 f.)
- 31 -<br />
E<strong>in</strong>e Vielzahl von E<strong>in</strong>zelmotiven, die Hablik verwendet, <strong>ist</strong> bei Scheerbart vorformuliert.<br />
Aus Kr<strong>ist</strong>allen zusammengesetzte Portale etwa ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>in</strong> der "Wilden Jagd" als<br />
"schimmernde Kr<strong>ist</strong>allpforten" (ebd., 97). Strahlende Türme erfand Scheerbart für das<br />
Buch "Die große Revolution" (1902): "Sie sollen den Luftschiffen die Orientierung<br />
ermöglichen (<strong>und</strong> bieten) e<strong>in</strong> farbenprächtiges Bild <strong>in</strong> der Nacht" (Knupp 1980, 137).<br />
Scheerbarts Dichtungen, <strong>in</strong> denen häufig sonderbare Wesen auf fremden Sternen mit dem<br />
Bau phantastischer Architekturen oder technischer Anlagen beschäftigt s<strong>in</strong>d, vermitteln<br />
neben der Vorliebe für groteske Gestaltung utopische Vorstellungen von der Erneuerung<br />
menschlicher Gesellschaftsformen. Die erf<strong>und</strong>enen Wesen schließen sich durch die<br />
geme<strong>in</strong>schaftliche Arbeit an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m technischen Projekt zu gewalt- <strong>und</strong> herrschaftsfreien<br />
Gesellschaften zusammen. Durch die geme<strong>in</strong>same Beherrschung der Technik kommuni-<br />
zieren sie als befreite Gesellschaft mit der Natur. Die Natur ihrerseits setzt durch die<br />
Tätigkeit <strong>in</strong>telligibler Kreaturen ihren eigenen Schöpfungsprozeß fort. 52<br />
Auch Hablik, <strong>des</strong>sen frühe Kr<strong>ist</strong>allbauten mit ihren unregelmäßigen Formen als Symbol<br />
der Naturkräfte verstanden werden sollten, trat jetzt als Entwerfer <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Architektur<br />
auf. Dem Naturprodukt wurde das synthetische Material Glas, der Unregelmäßigkeit von<br />
Fels <strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>all die Regelmäßigkeit der gegossenen, geschliffenen oder aus Platten kon-<br />
struierten Glasfacetten gegenübergestellt. Glas <strong>ist</strong> dem Kr<strong>ist</strong>all optisch verwandt. Es<br />
eröffnet damit die Denkmöglichkeit künstlich herstellbarer Kr<strong>ist</strong>allbauten. Sollen die<br />
symbolische Wirkung <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>alls <strong>und</strong> die Vorstellung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r 'Baubarkeit' gleichermaßen<br />
erhalten bleiben, so müssen "Kr<strong>ist</strong>all" <strong>und</strong> "Glas" <strong>in</strong> den Empf<strong>in</strong>dungen <strong>des</strong> Künstlers wie<br />
<strong>des</strong> Betrachters identisch werden. 53<br />
Hablik sonderte die <strong>in</strong> Scheerbarts Dichtungen wie auch <strong>in</strong> Goethes "Mährchen"-<br />
Erzählung enthaltenen grotesken <strong>und</strong> euphorischen Züge aus <strong>und</strong> stellte s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kr<strong>ist</strong>all-<br />
bauten <strong>in</strong> jene feierliche Entrücktheit, die Novalis' Schilderungen bestimmt <strong>und</strong> die auch<br />
das "Verkünder"-Symbol bei der Eröffnung der Darmstädter Künstlerkolonie ausstrahlen<br />
sollte. Die Kr<strong>ist</strong>allbauten wurden so zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m ernsthaften Vorstellungsmodell. Im<br />
Februar 1906 schrieb Hablik über s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Architekturentwürfe:
- 32 -<br />
"Und doch kommen wieder Momente, wo ich an m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Bedeutungslosigkeit<br />
zweifle, wenn ich nämlich so durch die Straßen gehe <strong>und</strong> die Menschen ansehe,<br />
diese großen <strong>und</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Haufen 'Nichts'. Nicht, daß ich mich nach den vergangenen<br />
Zeiten - der großen Burgen <strong>und</strong> unbezw<strong>in</strong>glichen Festen - sehnen würde,<br />
aber dem Menschen etwas vor se<strong>in</strong> Gewissen h<strong>in</strong>stellen, das ihm die Idee <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
geme<strong>in</strong>samen Strebens zugunsten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Weltwerkes veranschaulicht, - ihm diese<br />
Möglichkeit aufdrängt, das wäre m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Absicht ..." 54<br />
Damit vertreten - gemessen an Scheerbarts Konzept - auch Habliks Kr<strong>ist</strong>allbauten als<br />
Utopien <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r 'anderen' Welt den Gedanken <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r geme<strong>in</strong>schaftlich organisierten Gesell-<br />
schaft. Was Scheerbart noch als "Scherz" formulierte: "Das ... würde die kommenden<br />
Geschlechter anspornen, im Laufe der nächsten Jahrtausende die gesamte Oberfläche der<br />
Erde <strong>in</strong> e<strong>in</strong> großes kompaktes architektonisches Kunstwerk umzuwandeln", stellt Hablik<br />
als Gesellschaftsutopie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Massenbewegung auf dem Weg zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m besseren Dase<strong>in</strong><br />
dar. Die utopische Architektur - ausführbar durch das Material Glas <strong>und</strong> erhaben durch<br />
das Symbol <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>alls - <strong>ist</strong> der symbolische Ausdruck der erstrebten Zukunft. Sie wird<br />
durch den Symbolgehalt <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>alls der vollkommensten Naturschöpfung gleichgesetzt.<br />
Der zukünftige Mensch soll durch geme<strong>in</strong>sames Streben <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Weltarchitektur schaffen,<br />
die der Naturschöpfung ebenbürtig <strong>ist</strong>.<br />
Da der Mensch als Gestalter s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r eigenen Zukunft gefordert wird, greift auch <strong>in</strong> den<br />
Zeichnungen e<strong>in</strong> starker gestalterischer E<strong>in</strong>fluß auf die Berglandschaften über. Neben den<br />
wild zerklüfteten Felsformationen stehen rechtw<strong>in</strong>klig behauene Terrassenanlagen, die<br />
vom Kampf <strong>des</strong> Menschen mit der Natur zeugen. Künstlich geschaffen s<strong>in</strong>d auch<br />
e<strong>in</strong>fache geometrische Gebilde: Kugeln, die <strong>in</strong> der Berglandschaft plaziert s<strong>in</strong>d (Abb. 24)<br />
oder als strahlende Kuppeln ganze Kr<strong>ist</strong>allformationen überspannen (Abb. 28). E<strong>in</strong>e<br />
riesige Facettenkugel schwebt h<strong>in</strong>ter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Bergkette hervor (Abb. 29). Hochfahrende<br />
kubische Bauten im Gebirge, die von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kugel bekrönt werden (Abb. 36), ersetzen<br />
kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Formen dann völlig. Sie werden dem Natursymbol Kr<strong>ist</strong>all als gleichwertige<br />
Symbole gegenübergestellt. Damit entsteht das "Weltwerk" <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Architektur aus<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Mite<strong>in</strong>ander <strong>und</strong> Gegene<strong>in</strong>ander von Mensch <strong>und</strong> Natur. In der kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en<br />
Formgebung <strong>und</strong> der Wahl <strong>des</strong> Bauplatzes wird der Natur Ehre erwiesen. Gleichzeitig<br />
wird sie bearbeitet, umgeformt <strong>und</strong>
- 33 -<br />
dem menschlichen Gestaltungswillen unterworfen. Auch im konkreten Gestaltungsprozeß<br />
soll sich die Ebenbürtigkeit der künftigen Architektur zur Naturschöpfung erweisen.<br />
b) Zum Verhältnis von Idee <strong>und</strong> Stil<br />
Die Zeichnungen zur Kr<strong>ist</strong>allarchitektur der Jahre 1905-1907 variieren <strong>in</strong> Formaten<br />
zwischen fünf <strong>und</strong> dreißig Zentimetern im Quadrat von groben Skizzen mit breit<br />
gesetzten Strichen über f<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Konturzeichnungen zu ausgeführteren Blättern mit reicher<br />
B<strong>in</strong>nendarstellung. Die Mehrzahl <strong>ist</strong> schnell <strong>und</strong> fahrig durchgeführt. Harte Ble<strong>ist</strong>ift-<br />
striche geben die Konturen der Bauten, großflächige Schraffuren die Felswände an.<br />
E<strong>in</strong>zelne Kr<strong>ist</strong>alle ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n oft <strong>in</strong> bloßen Umrissen, <strong>und</strong> im kle<strong>in</strong>sten Format lassen<br />
breite Striche nur formelhafte Angaben zum Kr<strong>ist</strong>allaufbau zu (Abb. 26). Die Zeich-<br />
nungen haben experimentellen Charakter: E<strong>in</strong>em natürlich gegliederten Kr<strong>ist</strong>allbau<br />
werden ornamental geordnete Felsformationen gegenübergestellt (Abb. 35). In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Serie<br />
von kargen Federzeichnungen erprobte der Künstler die Wirkung verschiedener<br />
Perspektiven <strong>und</strong> Bildausschnitte auf den Kr<strong>ist</strong>allbau. Zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m <strong>in</strong>haltlichen Problem,<br />
etwa der Burgarchitektur oder zum Verhältnis von Kr<strong>ist</strong>allbau <strong>und</strong> Kugel, bot er mehrere<br />
Lösungen an, versah sie mit verschiedenen Rahmen, fügte neue Sorten von Kr<strong>ist</strong>allen<br />
h<strong>in</strong>zu.<br />
Die Zeichnungen s<strong>in</strong>d Illustrationen gedanklicher Operationen. In der Vielzahl der Ideen<br />
<strong>und</strong> der Schnelligkeit, mit der sie verwirklicht wurden, kam es dem Künstler nicht auf<br />
technisch ausgefeilte Blätter an. Im Experimentieren mit Techniken, Motiven <strong>und</strong><br />
Kompositionen fand er zunächst weder die ihm adäquat ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>nde Form noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
persönlichen Stil. E<strong>in</strong>e künstlerische Entwicklung <strong>ist</strong> aus den Zeichnungen nicht abzu-<br />
lesen.<br />
An der Prager Akademie wurde Hablik durch die Arbeit an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m irrealen Sujet zum<br />
Außenseiter. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Zeichnungen wurde jeder künstlerische Wert abgesprochen:<br />
"Ich möchte wissen, warum jeder so verächtlich die Achseln zuckt über m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Kr<strong>ist</strong>allschlösser. (...) Sogar Nowak wirft k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Blick darauf, so altmodisch <strong>und</strong><br />
k<strong>in</strong>disch sche<strong>in</strong>t allen me<strong>in</strong>
- 34 -<br />
w<strong>und</strong>erliches Glück. Oh, das tut mir <strong>in</strong> der Seele weh, daß nicht e<strong>in</strong>mal der Beste<br />
mehr als e<strong>in</strong> heimliches Lächeln dafür übrig hat." 55<br />
Hatte Baron Myrbach ihn <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n "untätigen Träumer" geheißen, 56 so kleidete er auch jetzt,<br />
1906, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> literarischen Vorbilder <strong>in</strong> das Gewand visionärer Offenbarungen:<br />
"E<strong>in</strong>e unüberw<strong>in</strong>dliche Macht zwang mich e<strong>in</strong>st, nach Kr<strong>ist</strong>allen zu laufen ... <strong>und</strong><br />
zw<strong>in</strong>gt mich nun, diesen w<strong>in</strong>zigen Formen nachzugehen. Ich sehe sie dabei fast<br />
greifbar <strong>in</strong>s Unendliche wachsen, ich sehe Schlösser, wo andere nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n nackten<br />
Berg od. Fels sehen, ich sehe deutlich Z<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> die Wolken ragen <strong>und</strong> frage mich<br />
manchmal schauernd, ob me<strong>in</strong> Jugendtraum nicht doch schon e<strong>in</strong>mal gewesen <strong>ist</strong>.<br />
Was gäbe ich darum, diesen Traum gut schreiben zu können (ich halte ihn für<br />
bedeutend für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> künftige Generation)." 57<br />
Selbst h<strong>in</strong>- <strong>und</strong> hergerissen zwischen Bedeutungslosigkeit <strong>und</strong> messianischem Sen-<br />
dungsbewußtse<strong>in</strong>, 58 ermöglichten die Kr<strong>ist</strong>allphantasien noch mehr den Rückzug aus der<br />
Realität:<br />
"... weil das die Schlupfw<strong>in</strong>kel <strong>und</strong> Bollwerke s<strong>in</strong>d, h<strong>in</strong>ter die ich mich verschanze<br />
<strong>und</strong> die ich mir erschaffe, wenn ich gerne fort se<strong>in</strong> möchte..." 59<br />
In den Aphorismen, die er unter e<strong>in</strong>ige s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Zeichnungen setzte, hielt er die Flucht <strong>in</strong><br />
die Traumwelt der Kr<strong>ist</strong>allbauten fest: "Fliege fort, fliege m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sehnsucht" (Abb. 44),<br />
"Schutz <strong>und</strong> Trutz gegen fe<strong>in</strong>dliche Pfeile" (Abb. 22). Die Flucht <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ge<strong>ist</strong>ige Utopie<br />
verband sich aber auch mit theoretischen Erwägungen zu den Kr<strong>ist</strong>allbauten: "Muß ich<br />
schon an der Erde kleben, dann wenigstens nicht mit dem Hirn" (Abb. 37). Verlegte<br />
Scheerbart s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> utopischen Erzählungen zume<strong>ist</strong> <strong>in</strong> ferne Länder, auf Inseln oder<br />
Planeten, die bessere natürliche <strong>und</strong> klimatische Bed<strong>in</strong>gungen boten (Knupp 1980, 68),<br />
rechtfertigte Hablik den entrückten Standort s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Bergarchitekturen mit der größt-<br />
möglichen Entfernung zu gegenwärtigen Lebensformen. Der Bereich höchster ge<strong>ist</strong>iger<br />
Erfüllung bef<strong>in</strong>det sich traditionsgemäß <strong>in</strong> der Himmelsregion: nur dort war auch für<br />
Hablik der Standort <strong>des</strong> "Weltwerkes" <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Architektur vorstellbar.<br />
Durch die Verb<strong>in</strong>dung von Zeichnung <strong>und</strong> Aphorismus entstehen besondere Aussage-<br />
formen. Die Aphorismen evozieren seelische oder allgeme<strong>in</strong>-
- 35 -<br />
menschliche 60 Deutungen; für diesen Bereich werden die Kr<strong>ist</strong>allbauten zu symbolisch<br />
verstandenen Illustrationen. Andererseits fordert das gezeichnete Bild die größere<br />
Aufmerksamkeit <strong>des</strong> Betrachters, der Aphorismus wirkt als bloße Erläuterung <strong>und</strong><br />
bereichert die Idee der utopischen Architektur um die Ebene menschlicher Emotionen.<br />
Diese Wechselwirkung, die e<strong>in</strong>mal den Aphorismus, e<strong>in</strong>mal die Zeichnung <strong>in</strong> den Mittel-<br />
punkt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Blattes stellt, schafft <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mischform aus Literatur <strong>und</strong> bildender Kunst.<br />
Die Gestaltung der Aphorismen mit Endreimen <strong>und</strong> Alliteration, Epanalepse, jambischem<br />
Versmaß, gehobener Wortwahl sowie dialektischen Reimen <strong>und</strong> Assonanzen gibt eigene<br />
literarische Ambitionen <strong>des</strong> Künstlers zu erkennen. 61 Erst <strong>in</strong> der Verb<strong>in</strong>dung von Literatur<br />
<strong>und</strong> bildender Kunst sah er s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Vorstellung von hoher ästhetischer Form <strong>und</strong> Aussage-<br />
fähigkeit erfüllt:<br />
"Freilich, es <strong>ist</strong> jetzt e<strong>in</strong> Streit über Malerei <strong>und</strong> Literatur <strong>in</strong> derselben entbrannt,<br />
die dem Maler das Dichten als unkünstl. Schwäche anrechnet ... ich beiße die<br />
Zähne zusammen, <strong>und</strong> versuche zu glauben, daß es vielleicht nur das Unvermögen<br />
jener Schreihälse charakterisiert. Und doch, was <strong>ist</strong> r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kunst? (r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Malerei?)<br />
So wie jene ästhetischen Wüstl<strong>in</strong>ge behaupten, müßte man <strong>e<strong>in</strong>e</strong> geschmackvoll<br />
gemischte Palette als Endresultat 'r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Malerei', d.h. ohne jeglichen anderen als<br />
Farbengehalt, betrachten. Ist es unbed<strong>in</strong>gt nötig, Zeichnung, d.h. den Kontur, die<br />
Farbe <strong>und</strong> die Poesie als selbständige Künste zu betreiben? Kann <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Harmonie<br />
aller drei mißtönend wirken? (...) Ich könnte rasen <strong>und</strong> b<strong>in</strong> bloß totunglücklich über<br />
jene fanatischen Behauptungen ... Ich kann nicht glauben, daß sich drei Künste<br />
vere<strong>in</strong>t als 'Unschönes' darstellen ..." 62<br />
In der Tradition der neueren Buchkunst war die künstlerische Verb<strong>in</strong>dung von Text <strong>und</strong><br />
Illustration nichts Neues. William Morris, selbst Dichter von Epen <strong>und</strong> sagaähnlichen<br />
Romanen, hatte seit 1891 mit der Gründung der Kelmscott-Press <strong>in</strong> London-Hammer-<br />
smith auf den Gr<strong>und</strong>lagen <strong>des</strong> mittelalterlichen Blockbuches die Zukunft der Buch-<br />
illustration e<strong>in</strong>geleitet. Text <strong>und</strong> Illustration wurden <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Werkstätten aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
e<strong>in</strong>zigen Holzstock geschnitten. Walter Crane (1845-1915) forderte, daß das Bild ge-<br />
genüber dem Text das optische <strong>und</strong> ge<strong>ist</strong>ige Gleichgewicht zu halten habe (Hofstätter<br />
o.J., 123). In der Nachfolge der englischen Buchkunstbewegung, zu der auch Lucien<br />
Pissarro <strong>und</strong> Charles Robert Ashbee
- 36 -<br />
gehörten, fand der "Jugendstil" <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r hauptsächlichen Arbeitsgebiete <strong>in</strong> der<br />
Ausstattung von Büchern, bibliophilen ("Ver Sacrum") oder populären Zeitschriften<br />
("Jugend") mit Vignetten, Ornamentbändern <strong>und</strong> Bildillustrationen. Die Regel war, daß<br />
hochqualifizierte Maler <strong>und</strong> Kunstgewerbler fremde literarische Vorlagen künstlerisch<br />
bearbeiteten. Neu <strong>und</strong> aus verständlichen Gründen problematisch war h<strong>in</strong>gegen die<br />
Ambition, Aphorismen etwa <strong>und</strong> Illustrationen aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Hand zu gew<strong>in</strong>nen.<br />
Ohne daß Hablik e<strong>in</strong> abschließen<strong>des</strong> Ergebnis bei s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Experimenten mit Symbol-<br />
formen, Techniken <strong>und</strong> dem Verhältnis von zeichnerischen <strong>und</strong> sprachlichen Ausdrucks-<br />
möglichkeiten erreicht hatte, traf er Anfang Dezember 1906 Vorbereitungen, die seit drei<br />
Jahren geplante druckgraphische Umsetzung 63 s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Entwürfe zur Kr<strong>ist</strong>allarchitektur zu<br />
verwirklichen. Wegen der unerschw<strong>in</strong>glichen Materialkosten 64 vermochte er zunächst nur<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Radierung anzufertigen, mit der er vergeblich bei Privatleuten um Unterstützung für<br />
se<strong>in</strong> Buchprojekt warb. Im Mai 1907 sche<strong>in</strong>t er dann doch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> größere Anzahl von<br />
Radierungen fertiggestellt zu haben, um wieder - diesmal über Professor Thiele - bei<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Gesellschaft um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Subvention für me<strong>in</strong> Buch" 65 nachzusuchen. Am 5. Juni<br />
schreibt er euphorisch <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Tagebuch: "Radierungen drucken lassen!" 66 Zwölf Tage<br />
später verließ er die Akademie <strong>und</strong> Prag für immer, ohne das Ziel <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s fertig gedruckten<br />
Werkes erreicht zu haben.<br />
Von diesen vorab hergestellten Radierungen s<strong>in</strong>d heute nur noch zwei Aquat<strong>in</strong>tadrucke <strong>in</strong><br />
verschiedenen Abzügen bekannt, die auf Ble<strong>ist</strong>iftentwürfe von 1906 zurückgehen (Abb.<br />
41, 44). Die Kr<strong>ist</strong>allbauten s<strong>in</strong>d hier auf die früheste Form der aus dem Fels wachsenden<br />
r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bergkr<strong>ist</strong>alle zurückgenommen. K<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s der anderen kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en, gläsernen oder<br />
kubischen Motive <strong>ist</strong> verwendet. Die Architekturzitate beschränken sich auf Erker <strong>und</strong><br />
dunkle Fensterhöhlen. 67 Beidemal s<strong>in</strong>d die Bauten weit <strong>in</strong> den H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> gestellt <strong>und</strong><br />
von der Aquat<strong>in</strong>tatönung tief verschattet. Emporquellende Wolkenmassen bilden den<br />
dekorativen Mittelpunkt der Blätter: In der früheren, medaillonförmigen Darstellung<br />
ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n sie im Druck weiß, mit fe<strong>in</strong> konturierter B<strong>in</strong>nenzeichnung <strong>und</strong> von<br />
horizontalen Nebelbändern mit stilisierten Vögeln durchbrochen (Abb. 42-43). Das<br />
zweite Blatt zeigt sie <strong>in</strong> bis zu acht verschiedenen Tönungen <strong>in</strong> vielfach ger<strong>und</strong>eten<br />
Segmenten (Abb. 45-46). Die hellsten Wolkenteile bleiben
- 37 -<br />
auch hier im Druck weiß <strong>und</strong> wirken wie angestrahlt vor dem dunkel verhüllten<br />
Kr<strong>ist</strong>allbau. E<strong>in</strong> Netz f<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r L<strong>in</strong>ien, das unter der Aquat<strong>in</strong>tatönung liegt <strong>und</strong> serielle<br />
Wolken, Fels- <strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>allstrukturen stilisierend beschreibt, verleiht den Darstellungen <strong>in</strong><br />
helleren Bereichen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> rhythmische Struktur, während es <strong>in</strong> dunkleren Abschnitten fast<br />
unsichtbar bleibt.<br />
Die dekorative Wirkung hatte <strong>in</strong> diesen Blättern die Oberhand gewonnen. E<strong>in</strong>e Radierung<br />
sehe nur dann gut aus, "wenn der mechanische Teil der Arbeit der bessere Teil <strong>ist</strong>", 68<br />
notierte der Künstler im Mai 1907 <strong>und</strong> bestätigte damit <strong>in</strong>direkt den Zwiespalt zwischen<br />
dem dekorativen Anspruch <strong>und</strong> dem Aussagegehalt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeiten. Der une<strong>in</strong>geführte<br />
Betrachter vermag den S<strong>in</strong>n der kaum erkennbaren Kr<strong>ist</strong>allbauten nicht zu deuten. Mit<br />
dem Titel "Zauberschloß" (Abb. 43), den das frühere Blatt erhielt, stufte er es auf die<br />
r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Märchenillustration zurück <strong>und</strong> unterließ jeden H<strong>in</strong>weis auf den programmatischen<br />
Charakter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r utopischen Kr<strong>ist</strong>allarchitektur. Die zweite Radierung (Abb. 46) erhielt<br />
dagegen e<strong>in</strong>ige Jahre später <strong>e<strong>in</strong>e</strong> konkrete Bedeutung, als Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong> größere Auflage bei<br />
Otto Fels<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> drucken ließ. Er beschriftete sie mit dem Titel "Schaffende Kräfte"<br />
<strong>und</strong> erklärte sie damit zur Vorstudie für den 1909 unter diesem Namen erschienenen<br />
Radierungszyklus.<br />
3. Der Radierungszyklus<br />
a) Gr<strong>und</strong>lagen <strong>und</strong> Gestalt<br />
Nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Fortgang aus Prag fand Hablik während s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s unsteten Wanderlebens k<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Gelegenheit mehr, an dem Projekt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s größeren Druckwerkes weiterzuarbeiten. Erst am<br />
5. August 1908, vier Monate, nachdem er sich endgültig <strong>in</strong> Itzehoe niedergelassen hatte,<br />
begann er es von neuem. Das Konzept <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Verknüpfung von Bilddarstellung <strong>und</strong> Dich-<br />
tung verfolgte er weiter. Es sollte e<strong>in</strong> "Märchenbilderbuch" 69 werden, war aber zugleich<br />
als Radierungszyklus geplant.<br />
Nachdem im August nur zwei Radierungen fertig geworden waren, trieb er die Arbeit im<br />
Herbst <strong>des</strong> Jahres mit großer Eile voran. Von Mitte Ok-
- 38 -<br />
tober bis Mitte November entstanden fünfzehn Radierungen <strong>des</strong> auf zwanzig Bild- <strong>und</strong><br />
ebensoviele Textplatten konzipierten Werkes. An <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tag, dem 15. November,<br />
arbeitete der Künstler alle<strong>in</strong> acht Ble<strong>ist</strong>iftentwürfe aus (vgl. Abb. 47-54). Anfang<br />
Dezember wurden bereits zehn "erste Blätter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Märchenbuches" 70 mit Darstellungen<br />
zur Kr<strong>ist</strong>allarchitektur auf der W<strong>in</strong>terausstellung der Berl<strong>in</strong>er Sezession 71 ausgestellt. Erst<br />
danach entwarf er die literarischen Vorlagen für die Textplatten. Es s<strong>in</strong>d Aphorismen, wie<br />
er sie <strong>in</strong> den Ble<strong>ist</strong>iftstudien verwendete. Auch hier entstanden bis zu zehn Entwürfe an<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tag.<br />
Über die endgültige Form <strong>und</strong> den Vertrieb <strong>des</strong> "Buches" war Hablik sich zu diesem<br />
Zeitpunkt noch nicht klar. Er wandte sich an Ferd<strong>in</strong>and Avenarius um Rat, der sich schon<br />
1907 bereiterklärt hatte, Arbeiten <strong>des</strong> Künstlers <strong>in</strong> der Zeitschrift "Kunstwart" zu<br />
veröffentlichen. Aber die Erwartung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r großen Auflage s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Werkes, das "der<br />
Jugend gehören" 72 sollte, wurde enttäuscht. Avenarius hielt es für "vollkommen aus-<br />
geschlossen", bis Weihnachten 1908 "auch nur e<strong>in</strong> paar Exemplare" abzusetzen: "... für so<br />
eigenartige Kunst muß der Boden lange aufgelockert werden, ehe er Saat nimmt. (...) E<strong>in</strong><br />
populäres Buch zu billigem Preise, das <strong>des</strong>halb mit Massentechnik <strong>in</strong> Massenauflage<br />
gedruckt werden kann, könnte dieses ja m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens für die nächsten dreißig Jahre nicht<br />
werden, nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s für erlesene Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Versteher, <strong>und</strong> die werden freilich m<strong>in</strong>der<br />
nach Radierungen lüstern se<strong>in</strong>." 73<br />
Am 1. März 1909 waren alle Platten fertig geätzt. Hablik bot sie dem Callwey Verlag <strong>in</strong><br />
München als Herausgeber <strong>des</strong> "Kunstwarts", dem Kunstsalon Bruno Cassirer <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong><br />
sowie anderen Berl<strong>in</strong>er Kunsthandlungen an, jedoch ohne Erfolg. Endlich entschloß sich<br />
Ende Juni se<strong>in</strong> Itzehoer Mäzen, der Holzhändler Richard Biel, die Radierungen auf<br />
eigene Kosten bei Otto Fels<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> <strong>in</strong> dreißig Exemplaren drucken zu lassen. Das<br />
Werk wurde als Rohl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>nmappe mit dem aufgeklebten Schrifttitel "Schaffende Kräfte.<br />
Orig<strong>in</strong>al Radierungen von Wenzel Hablik" gestaltet (Abb. 55). Auf das ausführliche<br />
Vorwort (Abb. 56) folgen zwanzig braun auf gelbliches Papier gedruckte <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />
Passepartouts gefaßte Radierungen, zu denen jeweils e<strong>in</strong> schriftkünstlerisch gestalteter,<br />
separat auf Karton gedruckter Aphorismus gehört. Bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Herstellungspreis von 24,60<br />
Mark wurden die Mappen für zweih<strong>und</strong>ertfünfzig Mark an Privatpersonen <strong>und</strong> über<br />
Galerien weiterverkauft.
- 39 -<br />
Für das Vorwort der Mappe wählte Hablik erneut literarische Vorbilder. Zum <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
knüpfte er an die Erzählung <strong>des</strong> Alten <strong>in</strong> Novalis' "He<strong>in</strong>rich von Ofterd<strong>in</strong>gen" an, der von<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Jugenderlebnissen <strong>in</strong> der Bergwelt der böhmischen Heimat, den Streifzügen durch<br />
Felsritzen <strong>und</strong> Höhlen <strong>und</strong> dem F<strong>und</strong> erster Kr<strong>ist</strong>alle berichtet (Ausg. 1982, 63 f.). Aber<br />
auch Adalbert Stifter leitete 1852 die Novellensammlung "Bunte St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>" mit der<br />
Schilderung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r K<strong>in</strong>dheitse<strong>in</strong>drücke e<strong>in</strong>. Sie hätten auch noch im Alter <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sammel-<br />
leidenschaft für St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>und</strong> M<strong>in</strong>eralien <strong>und</strong> eben auch die Idee zu der vorgelegten<br />
Sammlung begründet:<br />
"Als Knabe trug ich außer Ruten, Gesträuch <strong>und</strong> Blüten, die mich ergötzten, auch<br />
noch andere D<strong>in</strong>ge nach Hause, die mich fast noch mehr freuten ... nämlich allerlei<br />
St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>und</strong> Erdd<strong>in</strong>ge. (...) Da ich nun viel im Freien herum schweifen durfte,<br />
konnte es nicht fehlen, daß ich bald die Plätze entdeckte, auf denen die D<strong>in</strong>ge zu<br />
treffen waren, <strong>und</strong> daß ich die, welche ich fand, mit nach Hause nahm. (...) Da <strong>ist</strong><br />
an dem Wege, der von Oberplan nach Hossenreuth führt, e<strong>in</strong> geräumiges Stück<br />
Rasen, welches <strong>in</strong> die Felder h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> geht <strong>und</strong> mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Mauer ... e<strong>in</strong>gefaßt <strong>ist</strong>. In<br />
diesen St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n stecken kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Blättchen, die wie Silber <strong>und</strong> Diamanten funkeln ...<br />
(...) Wenn ich Zeit hatte, legte ich m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schätze <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Reihe, betrachtete sie, <strong>und</strong><br />
hatte me<strong>in</strong> Vergnügen an ihnen. Besonders hatte die Verw<strong>und</strong>erung ke<strong>in</strong> Ende,<br />
wenn es auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> so geheimnisvoll glänzte <strong>und</strong> leuchtete <strong>und</strong> äugelte, daß<br />
man es gar nicht ergründen konnte, woher denn das käme." (Stifter 1852, Ausg.<br />
1980, 17 f.)<br />
Ähnlich wie Stifter legte jetzt Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sammlung von Blättern vor, deren Themen aus<br />
der Kr<strong>ist</strong>allwelt stammten <strong>und</strong> die er aus den Erlebnissen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r K<strong>in</strong>dheit herleitete.<br />
Motiv für Motiv folgte er <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Vorwort beiden literarischen Vorlagen:<br />
"Manchen schönen Traum träumte ich zum erstenmal <strong>in</strong> frühester K<strong>in</strong>dheit. So<br />
stammt auch die Idee zu diesen Blättern aus m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ersten Jugend ... Das Motiv<br />
aber <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kr<strong>ist</strong>alldruse, die ich als kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Junge <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Heimat fand <strong>und</strong><br />
viele Jahre mit mir herumtrug. (...) (Die Berge m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Heimat) habe ich alle<br />
bestiegen <strong>und</strong> kannte die W<strong>und</strong>er je<strong>des</strong> e<strong>in</strong>zelnen genau. (...) Fünf Wegst<strong>und</strong>en von<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Vaterstadt ... liegt ... e<strong>in</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Edhügel bedeckt mit Klumpen <strong>und</strong> Stücken<br />
von allerhand Geste<strong>in</strong> - ganz mit Kr<strong>ist</strong>allen bewachsen. E<strong>in</strong> w<strong>und</strong>erbares Glitzern<br />
<strong>und</strong> Bl<strong>in</strong>ken g<strong>in</strong>g davon aus <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kühle wie von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m frischen Brunnen. Nie<br />
werde ich diesen E<strong>in</strong>druck vergessen. Ich füllte alle m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Taschen mit den<br />
kle<strong>in</strong>sten Stücken <strong>und</strong> dünkte mich reicher denn e<strong>in</strong> König."
- 40 -<br />
Folgenschwerer - für den zweiten Teil <strong>des</strong> Vorworts wie für den ganzen Zyklus<br />
"Schaffende Kräfte" - war Habliks Kenntnis von Friedrich Nietzsches "Also sprach<br />
Zarathustra" (1883-85). Das Buch, das er spätestens 1905, "nach allen möglichen<br />
vorausgegangenen Kämpfen" gelesen hatte, 74 <strong>in</strong>spirierte ihn dazu, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> seit 1903<br />
kont<strong>in</strong>uierlich betriebenen Studien <strong>und</strong> Projekte zur Kr<strong>ist</strong>allarchitektur zu übergehen <strong>und</strong><br />
das Thema - nun <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r zweiten Motivreihe - mit Erlebnissen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Alpenwanderung zu<br />
begründen. Bei Nietzsche, <strong>in</strong> "Zarathustras Vorrede", heißt es:<br />
"Als Zarathustra dreißig Jahre alt war, verließ er s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Heimat <strong>und</strong> den See s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Heimat <strong>und</strong> g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> das Gebirge. Hier genoß er s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Ge<strong>ist</strong>es <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
E<strong>in</strong>samkeit <strong>und</strong> wurde <strong>des</strong>sen zehn Jahre nicht müde. Endlich aber verwandelte<br />
sich se<strong>in</strong> Herz, - <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Morgens stand er mit der Morgenröte auf, trat vor die<br />
Sonne h<strong>in</strong> <strong>und</strong> sprach zu ihr also: 'Du großes Gestirn! Was wäre de<strong>in</strong> Glück, wenn<br />
du nicht die hättest, welchen du leuchtest! (...) Siehe! Ich b<strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Weisheit<br />
überdrüssig ... Ich möchte verschenken <strong>und</strong> austeilen, bis die Weisen unter den<br />
Menschen wieder e<strong>in</strong>mal ihrer Torheit <strong>und</strong> die Armen wieder e<strong>in</strong>mal ihres<br />
Reichtums froh geworden s<strong>in</strong>d. Dazu muß ich <strong>in</strong> die Tiefe steigen ... Ich muß,<br />
gleich dir, untergehen' ... Also begann Zarathustras Untergang." (Nietzsche 1891,<br />
Ausg. 1979, 9)<br />
Hablik verließ s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Heimat ebenfalls <strong>und</strong> zog <strong>in</strong> die Alpen. Nicht im Anblick der Sonne,<br />
aber vor sonnenfunkelnden Bergen erlebte er <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Vision, die auch ihn zu seelischer <strong>und</strong><br />
ge<strong>ist</strong>iger Erneuerung führte. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n e<strong>in</strong>samen Wanderungen folgte er Zarathustra:<br />
dieser "stieg alle<strong>in</strong> das Gebirge abwärts <strong>und</strong> niemand begegnete ihm" (ebd., 2). So wie<br />
Zarathustra will auch er sich als Lehrer den Menschen <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neu gewonnenen<br />
Weisheit mitteilen. Und so fährt Hablik <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Vorrede" fort:<br />
"Und wieder verg<strong>in</strong>gen Jahre ... da führte mich me<strong>in</strong> Weg vor die Alpen. - Da<br />
stand ich denn das erstemal vor den ragenden, schneebedeckten, zackichten<br />
Gipfeln, die <strong>in</strong> der Sonne funkelten! E<strong>in</strong>e herrliche Freude erfüllte mich - Bild um<br />
Bild zog m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> K<strong>in</strong>dheit an m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m ge<strong>ist</strong>igen Auge vorüber <strong>in</strong> größter Klarheit<br />
<strong>und</strong> R<strong>e<strong>in</strong>e</strong>. - Ich sah wieder den blanken Kr<strong>ist</strong>all vor mir - sah ihn sich dehnen <strong>in</strong><br />
glühenden Dämpfen - sah den Raum vor mir <strong>in</strong> brüllen<strong>des</strong> Donnergewölk sich<br />
hüllen <strong>und</strong> daraus gleißende Z<strong>in</strong>nen hervorbrechen <strong>und</strong> sich teilen. E<strong>in</strong> Gedanke<br />
entwurzelte Berge - e<strong>in</strong> Donnerwort schmetterte Sterne aus ihrer Bahn <strong>und</strong><br />
götterstarken Armen gleich griff's tief, tief <strong>in</strong> den unendlichen Raum - schaffend,<br />
gestaltend, <strong>in</strong> unbändiger ewiger Kraft. - - Hier <strong>in</strong> den Alpen war's auch wo ich das<br />
Glück f<strong>in</strong>den lernte, danach ich all die Jahre vergeblich gesucht. Während m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Sehnsucht mich rastlos wandern ließ -
- 41 -<br />
durch grüne Täler krummen Flüssen entlang - über blumigte Matten steile Gehänge<br />
h<strong>in</strong>an - über tückischen Schnee <strong>in</strong> leuchtende Irrfelder starren Eises - heulenden<br />
Stürmen entgegen; <strong>und</strong> wieder h<strong>in</strong>ab <strong>in</strong> glühenden Sonnenbrand, <strong>und</strong> wieder h<strong>in</strong>auf<br />
<strong>und</strong> h<strong>in</strong>ab - immerfort - Da erschloß sich mir der unerschöpfliche Reichtum der<br />
Natur, von <strong>des</strong>sen Zauber diese Blätter denen erzählen werden, die dem Bau der<br />
großen Weltkle<strong>in</strong>igkeiten nicht fremd gegenüberstehen."<br />
Neben anderen Themen aus dem "Zarathustra", die <strong>in</strong> Habliks Aufzeichnungen, Briefen<br />
<strong>und</strong> Werken häufig wiederkehren <strong>und</strong> die später noch e<strong>in</strong>gehend untersucht werden,<br />
diente vor allem das Motiv der Vision dazu, die eigene Biographie <strong>und</strong> die künstlerischen<br />
Arbeiten aufzuwerten. Schon für Caspar David Friedrich hatte sich auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Riesen-<br />
gebirgswanderung die Landschaft als Zukunftssymbol offenbart. Das <strong>in</strong> unmittelbarem<br />
Anschluß daran entstandene Gemälde "Morgen im Riesengebirge" (1810/11) zeigt den<br />
beg<strong>in</strong>nenden Sonnenaufgang <strong>und</strong> die bereits erleuchteten Gebirgsteile als "Bild <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
zukünftigen paradiesischen Zustan<strong>des</strong> ... Die Er<strong>in</strong>nerung an die erdgeschichtliche<br />
vergangene Schöpfung <strong>ist</strong> aufgenommen <strong>in</strong> die Hoffnung auf e<strong>in</strong> neues Paradies"<br />
(Rautmann 1979, 72). Offenbar unter dem E<strong>in</strong>fluß <strong>des</strong> "Zarathustra" waren visionäre<br />
Erlebnisse, die sich vorzugsweise <strong>in</strong> der Bergwelt abspielen, seit der Jahrh<strong>und</strong>ertwende<br />
bei Künstlern beliebt, um den Anfang <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Karriere oder <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Schaffensabschnitts zu<br />
charakterisieren. Henry van de Velde erlebte 1905 <strong>in</strong> den Bergen von Kaprun <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
"Augenblick der Wahrheit" (Pehnt 2 1981, 43). Der studierte Naturwissenschaftler <strong>und</strong><br />
spätere Maler Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> erfuhr während <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Watzmann-Besteigung visionär<br />
"die Allmacht unbeschränkter schöpferischer Ideen <strong>in</strong> den Künsten" <strong>und</strong> wandte sich von<br />
da ab ausschließlich der phantastischen Kunst zu (Ausstellungs-Katalog Arbeitsrat 1980,<br />
131). Otto Bartn<strong>in</strong>g hörte auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Weltreise <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ganzen Tag lang die Worte "Türme<br />
bauen, Türme bauen" <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Ohren dröhnen. "In den Jahren <strong>des</strong> Expressionismus war<br />
sich ... <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ganze Generation e<strong>in</strong>ig, daß das Schaffen <strong>des</strong> Baukünstlers aus der <strong>in</strong>spi-<br />
rierten E<strong>in</strong>gebung hervorzugehen habe" (Pehnt 2 1981, 34).<br />
Aufschlußreich für die Interpretation der Mappe "Schaffende Kräfte" <strong>ist</strong> neben dem<br />
Vorwort auch e<strong>in</strong> ausführlicher Brief Wenzel Habliks an den Kunsth<strong>ist</strong>oriker <strong>und</strong><br />
Mitarbeiter beim "Kunstwart", Ewald Bender, 76 dem er auf <strong>des</strong>sen Wunsch h<strong>in</strong> eigene<br />
Deutungen zum Radierungszyklus vorleg-
- 42 -<br />
te. Bender veröffentlichte 1910 <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Rezension der Mappe <strong>in</strong> der Zeitschrift "Deutsche<br />
Kunst <strong>und</strong> Dekoration".<br />
Die Themen der zwanzig Radierungen s<strong>in</strong>d gegenüber den frühen Aquarellen <strong>und</strong> Blei-<br />
stiftzeichnungen wesentlich erweitert. Motive aus der belebten Natur, Pflanzen <strong>und</strong> Tiere<br />
(Abb. 59, 61, 67, 70, 72, 76), aber auch Meereswellen (Abb. 66, 68, 75) ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n als<br />
neue Bildelemente im Umkreis der Kr<strong>ist</strong>allbauten. Durch ihre dichte B<strong>in</strong>nenzeichnung<br />
wirken sie dunkel <strong>und</strong> überaus nah - wie auf die vorderste Bildebene montiert. Der<br />
Betrachter bef<strong>in</strong>det sich mit ihnen auf gleicher Höhe <strong>und</strong> versetzt sich <strong>in</strong> sie h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>.<br />
Dah<strong>in</strong>ter öffnet sich wie e<strong>in</strong> Guckkasten e<strong>in</strong> weiter perspektivischer Bildraum; die<br />
Vordergr<strong>und</strong>motive ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n als Hauptakteure am Bühnenrand. Die H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>-<br />
kulissen aus Berglandschaften <strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>allbauten legen den Ort <strong>des</strong> Geschehens, die<br />
Denkebene <strong>und</strong> den Stimmungsgehalt der Blätter fest. Nur durch Umrisse angegeben,<br />
teilen sie den Bildgr<strong>und</strong> <strong>in</strong> ornamentale Flächen auf.<br />
Bei vier Blättern <strong>ist</strong> der Kr<strong>ist</strong>allbau das Hauptthema. Erstmals ersche<strong>in</strong>t er als kegel-<br />
förmiger Berg, der sich am Fuß zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Grotte öffnet (Abb. 60). Sonst greift der Künst-<br />
ler auf frühe Zeichnungen zurück: E<strong>in</strong> Kr<strong>ist</strong>allbau im Meer (Abb. 62) folgt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Ent-<br />
wurf von 1905 (Abb. 30), <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bergkette mit scharfkantigen Kr<strong>ist</strong>allen <strong>und</strong> klar geglie-<br />
derten Galerien (Abb. 65) verschiedenen Zeichnungen von 1906/07, e<strong>in</strong> schräg <strong>in</strong> den<br />
Himmel ragender Kr<strong>ist</strong>allberg (Abb. 73) <strong>ist</strong> wörtlich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Entwurf von 1904 entnom-<br />
men (Abb. 18). In der reichen Ausstattung <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>allbaus im Meer <strong>und</strong> der Bergkette<br />
mit Säulen, Erkern, ornamentiertem Architrav <strong>und</strong> R<strong>und</strong>bogenfenstern orientierte sich<br />
Hablik wieder stärker an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n literarischen Vorgaben.<br />
E<strong>in</strong> dritter Komplex von Blättern zeigt umfangreiche Wolkenbildungen, die die große<br />
Höhe der Bauten charakterisieren (Abb. 63, 64, 69, 71, 73). Die Wolken gaben dem<br />
Künstler mit ihrer Beweglichkeit <strong>und</strong> schnell veränderlichen Formen die Möglichkeit zu<br />
phantasievollen Umrissen <strong>und</strong> dem nahezu beliebigen E<strong>in</strong>satz <strong>in</strong> der Flächenkomposition.<br />
Vorbilder aus der Romantik waren auch hier entscheidend. In der Nachfolge von<br />
Alexander Cozens 77 legten Thomas Girt<strong>in</strong>, Luke Howard, John Constable <strong>und</strong> schließlich<br />
Friedrich <strong>und</strong> Dahl umfangreiche Wolkenstudien an. 78 Wolken
- 43 -<br />
wurden <strong>in</strong> der Romantik als "Empf<strong>in</strong>dungsträger" <strong>und</strong> "formaler Generalbaß" <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Bil<strong>des</strong> geschätzt (Ausstellungs-Katalog William Turner 1976, 194 ff.). Bei Hablik<br />
erzeugen sie <strong>in</strong> verschiedenen Formen der Stilisierung Stimmungen, vermitteln Ruhe oder<br />
Bewegung. Von horizontalen Schlieren umgeben, quellen sie wie giftige Gase am<br />
Kr<strong>ist</strong>allbau hervor, haben den Charakter rauher Naturgewalten, türmen sich selbst<br />
gebirgsartig empor, stehen zu Schnecken aufgerollt ruhig neben der schroff aufragenden<br />
Felswand.<br />
Habliks Radierungen s<strong>in</strong>d Konstruktionen, <strong>in</strong> denen sich Kr<strong>ist</strong>all- <strong>und</strong> Bergarchitekturen<br />
als symbolische Ausdrucksform für die Darstellung von Natur, Nature<strong>in</strong>drücke <strong>und</strong> reale<br />
Naturobjekte zu ästhetisch befriedigenden Kompositionen verb<strong>in</strong>den sollen. Sie s<strong>in</strong>d - so<br />
wie bereits Philipp Otto Runge s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Landschaftskunst aus "e<strong>in</strong>fachen Theilen" der Natur<br />
durchkonstruierte 79 - Abbilder <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ge<strong>ist</strong>ig neu geschaffenen Natur.<br />
Wie bei den zwei vorab entstandenen Radierungen gibt es <strong>in</strong> der Mappe "Schaffende<br />
Kräfte" nahezu k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> utopischen Motive. Die architekturutopischen Ideen der Jahre<br />
1906/07: Bauteile aus Glas, Terrassenanlagen im Fels <strong>und</strong> geometrische Gebilde fehlen.<br />
Entwurfsthemen vom Oktober <strong>und</strong> November 1908: r<strong>und</strong>e Himmelskörper mit Kr<strong>ist</strong>all-<br />
zacken, e<strong>in</strong> Meteoritene<strong>in</strong>schlag, die Vision <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s satellitenumflogenen Planeten, der<br />
zwischen kugelgedeckten Pyramiden s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bahn zieht (Abb. 47), wurden für die<br />
Endfassung nicht verwendet. Sternförmig gezackte Kr<strong>ist</strong>alle, die im Raum schweben<br />
(Abb. 48) oder auf schmalen Schäften aus Bergplateaus herauswachsen (Abb. 54), e<strong>in</strong><br />
großer vielgezackter Kr<strong>ist</strong>allturm, der von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Pyramide bekrönt wird, kamen<br />
noch <strong>in</strong> direkten Vorlagen zu den Radierungen vor. Sie wurden offenbar erst '<strong>in</strong> letzter<br />
M<strong>in</strong>ute', beim Übertragen der Zeichnungen auf die Platten fortgelassen. Nur der Ausblick<br />
auf e<strong>in</strong>ige im Weltraum schwebende Kr<strong>ist</strong>alle (Abb. 58) erhält durch den Standort <strong>des</strong><br />
Betrachters <strong>e<strong>in</strong>e</strong> utopische Dimension: er hat sich von der Erde entfernt <strong>und</strong> bef<strong>in</strong>det sich<br />
selbst im Raum.
- 44 -<br />
b) Interpretation<br />
Hablik leitet den Zyklus "Schaffende Kräfte" mit der Erschaffung <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>alls e<strong>in</strong>, wie er<br />
sie im zweiten Teil s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Vorworts als visionäres Erlebnis schildert (Bl. l, Abb. 57). Der<br />
Kr<strong>ist</strong>all, so schreibt er an Ewald Bender, <strong>ist</strong> e<strong>in</strong><br />
"Anfang ... e<strong>in</strong> Teil, e<strong>in</strong> Körper im Raum, der eben <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bahn e<strong>in</strong>getreten <strong>ist</strong>.<br />
Noch umgeben ihn feurige Dämpfe <strong>und</strong> Nebel <strong>und</strong> gestalten das, was e<strong>in</strong>stmals e<strong>in</strong><br />
Vielfaches se<strong>in</strong> wird." 80<br />
Im Raum schweben auch die ersten, von Gasschlieren umgebenen Kr<strong>ist</strong>allbauten (Bl. 2,<br />
Abb. 58), die <strong>e<strong>in</strong>e</strong> nur noch als schwarze Scheibe erkennbare Erde h<strong>in</strong>ter sich lassen:<br />
"Und wieder saust <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kraft daher <strong>und</strong> schleudert ihn (den Kr<strong>ist</strong>all) zerschmetternd<br />
aus s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Bahn, aber wieder <strong>und</strong> immer wieder bewährt sich die ewig<br />
gestaltende Kraft." 81<br />
E<strong>in</strong>e ge<strong>ist</strong>ige Macht, "götterstarken Armen gleich", lenkt diese Kräfte: "E<strong>in</strong> Gedanke<br />
entwurzelte Berge - e<strong>in</strong> Donnerwort schmetterte Sterne", wie Hablik im Vorwort ver-<br />
merkt. Die zugehörigen Aphorismen ziehen weitere assoziative Verb<strong>in</strong>dungen zwischen<br />
der Erkenntnis der Naturschöpfung <strong>und</strong> der Loslösung <strong>des</strong> Menschen von der Erde,<br />
zwischen Kr<strong>ist</strong>all <strong>und</strong> Weltall: "Oh könnt ich ewig weilen auf jenen schöpferischen Hö-<br />
hen - wo aus dem Nichts die Sterne sich gebären" (zu Bl. l, Abb. 57a). "Über den Stern-<br />
en" wird sich der Mensch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s eigenen sterblichen Körpers <strong>und</strong> der ge<strong>ist</strong>igen Macht <strong>des</strong><br />
Schöpfungsaktes bewußt: "Furchtbar <strong>ist</strong> es über den Sternen - <strong>und</strong> d<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Seele f<strong>in</strong>det eher<br />
nicht ihren Gott - bis daß sie zwiefach nicht den Leib vernichtet" (zu Bl. 2, Abb. 58a).<br />
Hablik führt den Betrachter zur Erde zurück: E<strong>in</strong> letztes Mal ersche<strong>in</strong>t der r<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
ungestaltete Kr<strong>ist</strong>all, kugelförmig, <strong>in</strong> Bergarchitekturen e<strong>in</strong>gebettet (Bl. 3, Abb. 59). Er<br />
tritt <strong>in</strong> den Bereich der irdischen Naturschöpfung, der durch Vogel <strong>und</strong> Pflanzen<br />
repräsentiert wird. Im H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> ziehen Sternschnuppen ihre Bahnen,<br />
"... <strong>und</strong> wenn von jetzt ab auch nur die Oberfläche unserer Erde geme<strong>in</strong>t <strong>ist</strong> - der<br />
Raum <strong>ist</strong> doch geöffnet, - <strong>und</strong> der Ge<strong>ist</strong> mag fliegen, woh<strong>in</strong> es ihn trägt." 82
- 45 -<br />
Hablik hatte der kosmogonischen Bedeutung <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>allsymbols der Romantik, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Bedeutung als Ausdruck <strong>des</strong> schöpferischen göttlichen Willens neue Bedeutung<br />
verschafft. Novalis' Vorstellung vom Ursprung der Erde als "wildgebärendem Fels"<br />
(1802, Ausg. 1982, 88), der Metalle, Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, Felsen <strong>und</strong> Berge hervorgebracht habe<br />
(ebd.), die eruptive Kraft, mit der sich <strong>in</strong> Goethes "Mährchen" der kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Tempel aus<br />
den Fluten <strong>des</strong> Flusses erhebt <strong>und</strong> <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Innern e<strong>in</strong> zweiter Tempel aus getriebenem<br />
Silber neu entsteht (Ausg. 1890, 264 f.), haben sich bei Hablik zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kr<strong>ist</strong>allgeburt<br />
verdichtet. Die Manifestation der Weltschöpfung im Universum, die Novalis <strong>in</strong> der<br />
Metapher der zu den Sternen drängenden Gebirgsketten verschlüsselte (Ausg. 1982, 87),<br />
war auch für Philipp Otto Runge e<strong>in</strong> zentraler Gedanke. Nicht die Darstellung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
bestimmten natürlichen Zustan<strong>des</strong>, sondern das "Würken der Elemente im Universum der<br />
Ersche<strong>in</strong>ung" (was später bei Hablik "e<strong>in</strong> Teil, e<strong>in</strong> Körper im Raum" wird), sei das Ziel<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Malerei, schrieb er 1810 an Goethe (Runge 1841, I, 181). Runges Darstellungen<br />
der "Zeiten" (1803) zeigen se<strong>in</strong> kosmologisches Weltverständnis <strong>in</strong> ihrem blütenartigen<br />
Aufbau von den kle<strong>in</strong>sten Pflanzen bis zu den Sternen <strong>und</strong> den Symbolen göttlicher<br />
Weisheit. Kosegarten erkannte (1804) <strong>in</strong> Runges Zeichnungen zu den Tieckschen<br />
M<strong>in</strong>neliedern, "welche Gestalt das Universum <strong>in</strong> Ihrem Herzen gewonnen hat" (ebd., II,<br />
267). Gründete sich Runges Weltbild auf das dual<strong>ist</strong>ische chr<strong>ist</strong>liche Gottesverständnis<br />
<strong>und</strong> die biblische Offenbarung, so <strong>ist</strong> Habliks "Gott" e<strong>in</strong> mon<strong>ist</strong>isches, <strong>in</strong> allen Erschei-<br />
nungen der Natur wiederzuf<strong>in</strong>den<strong>des</strong> schöpferisches Pr<strong>in</strong>zip. Der Physiker <strong>und</strong> Natur-<br />
philosoph Gustav Theodor Fechner (1801-1887) hatte <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m gr<strong>und</strong>legenden Werk<br />
"Zend-Avesta oder über die D<strong>in</strong>ge <strong>des</strong> Himmels <strong>und</strong> <strong>des</strong> Jenseits" (1851) die Sterne zur<br />
höchsten Stufe <strong>des</strong> Bewußtse<strong>in</strong>s <strong>und</strong> der Naturerkenntnis erklärt. Ähnlich kann bei Hablik<br />
die Naturschöpfung nur durch die ge<strong>ist</strong>ige <strong>und</strong> materielle Loslösung <strong>des</strong> Menschen von<br />
der Erde verstanden werden:<br />
"Der Raum <strong>ist</strong> voll Werden <strong>und</strong> Vergehen <strong>und</strong> gerade dadurch ergibt sich für den<br />
Menschen <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> E<strong>in</strong>bildungskraft e<strong>in</strong> Ungeheuerliches, die Unendlichkeit.<br />
Wohl dem, der nie von der Erde ließ." 83<br />
1909, im Entstehungsjahr der Mappe "Schaffende Kräfte", schuf Hablik se<strong>in</strong> erstes<br />
Gemälde <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s "Sternenhimmels" (Abb. 96), das naturwissen-
- 46 -<br />
schaftliche Erkenntnisse <strong>und</strong> symbolisch-fiktive Planetendarstellungen als Ausdruck<br />
wirkender Naturkräfte vere<strong>in</strong>igt (vgl. 2. Kapitel). Fechners Überzeugung, daß neben<br />
Mensch, Tier <strong>und</strong> Pflanze auch das Weltall <strong>und</strong> alle Gestirne beseelt seien, fand noch zu<br />
dieser Zeit bei Paul Scheerbart <strong>in</strong> Beschreibungen <strong>und</strong> Zeichnungen wesenhaft lebendiger<br />
Gestirne, aber auch <strong>in</strong> populärwissenschaftlicher Literatur ihren Niederschlag. Der<br />
Astronom Max Wilhelm Meyer beschrieb <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m 1904 bei der Stuttgarter Kosmos-<br />
Gesellschaft der Naturfre<strong>und</strong>e erschienenen <strong>und</strong> 1909 bereits zum neunzehnten Mal<br />
aufgelegten Band "Weltschöpfung" die Entstehung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuen Sterns aus dem <strong>in</strong>nigen<br />
Durchdr<strong>in</strong>gen zweier "ebenbürtiger Weltwesenheiten"; denn <strong>in</strong> der "sogenannten toten<br />
Natur" - <strong>und</strong> hier wird der Titel <strong>des</strong> Radierungszyklus vorgeprägt - s<strong>in</strong>d die "schaffenden<br />
Kräfte" jenen der "allgewaltigen Liebe" vergleichbar (S. 8). Ähnlich symbolisieren<br />
Habliks im Raum schwebende Kr<strong>ist</strong>allbauten (Bl. 2, Abb. 58) gleichermaßen die<br />
schöpferischen Naturkräfte wie den nach Erkenntnis suchenden beseelten menschlichen<br />
Ge<strong>ist</strong>.<br />
Mit dem ersten Kr<strong>ist</strong>allberg <strong>des</strong> Radierungszyklus (Bl. 4, Abb. 60) stellt sich dem<br />
Weltraum, "wo aus dem Nichts die Sterne sich gebären", die Erde als Gebärende<br />
gegenüber. Der nahezu symmetrische <strong>und</strong> an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Fuß zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Grotte geöffnete Berg<br />
<strong>ist</strong> als Mutterschoß gestaltet, der die von der Erde ausgehende schöpferische Kraft<br />
symbolisiert. Schon im 16. <strong>und</strong> 17. Jahrh<strong>und</strong>ert gab es, das hat Horst Bredekamp (1981,<br />
12 ff.) ausführlich gezeigt, e<strong>in</strong>drucksvolle Darstellungen der Erde als personifizierte<br />
Nährmutter, <strong>in</strong> deren Nachfolge "den Mutterschößen die Grotten der Erde gleichgesetzt"<br />
wurden: "daß aus ihnen das Leben hervorgeht, gehört zum festen Bestandteil damaliger<br />
Geburtstheorien" (ebd., 13). M<strong>in</strong>eralogische Abhandlungen <strong>des</strong> 17. <strong>und</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />
vermittelten durchgehend die Theorie lebendiger unterirdischer Produktion, die neben<br />
Naturkunstwerken auch das Wachsen der Metalle als Geburtsvorgang hervorbr<strong>in</strong>gt (ebd.,<br />
14). Novalis mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Vorstellung vom "wildgebärenden Fels" war diese Leibmeta-<br />
phorik noch geläufig.<br />
Hablik entschlüsselte das Bild <strong>des</strong> zum Mutterschoß geöffneten Kr<strong>ist</strong>allbergs im<br />
zugehörigen Aphorismus als S<strong>in</strong>nbild der <strong>in</strong> der Frau verborgenen schöpferischen<br />
Naturkräfte: "Das Weib - die Erde - <strong>in</strong> die der Same
- 47 -<br />
fällt" (zu Bl. 4, Abb. 60a). Damit wird die Entstehung menschlichen Lebens als<br />
Fortführung der Naturschöpfung verstanden. 84 In Verb<strong>in</strong>dung mit den kosmischen<br />
Visionen der vorangegangenen Blätter stellt sich der Mensch als Teil der Universalnatur<br />
dar.<br />
Die Darstellung <strong>des</strong> Mutterschoßes eröffnet <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Lebenszyklus <strong>des</strong> Menschen, der sechs<br />
Blätter der Graphikfolge umfaßt. Grashalme <strong>und</strong> Moose aus der Perspektive <strong>des</strong> an-<br />
dächtig niedergeknieten K<strong>in</strong><strong>des</strong> (Bl. 5, Abb. 61) zeigen das erste Lebensstadium: "Über<br />
Menschen erhaben s<strong>in</strong>d viele, die vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Grashalm niederknien" (zu Bl. 5, Abb. 61a).<br />
Das "Niederknien" vor der Natur gilt Hablik als hoch zu achtende k<strong>in</strong>dliche Ge<strong>ist</strong>es-<br />
haltung:<br />
"Doch bevor ich noch e<strong>in</strong>mal <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kirche krieche, bete ich lieber wieder <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Apfelbaum an, wie ichs als K<strong>in</strong>d getan." 85<br />
Die K<strong>in</strong>dheit als erstes Lebensstadium <strong>des</strong> Menschen zeichnet sich für ihn durch die<br />
Naturverb<strong>und</strong>enheit gegenüber allen anderen menschlichen Lebensäußerungen aus. Die<br />
Versalien <strong>des</strong> zugehörigen Schriftblatts charakterisierte er als "die typische k<strong>in</strong>dliche<br />
Unschuld". 86 Der Kr<strong>ist</strong>allbau wirkt aus der Ferne als überragende, alles bestimmende<br />
Macht <strong>und</strong> repräsentiert den Ge<strong>ist</strong> <strong>und</strong> die schöpferische Kraft der Natur. Runges Illu-<br />
strationen zu Tiecks M<strong>in</strong>neliedern, <strong>in</strong> denen sich K<strong>in</strong>dgestalten von ger<strong>in</strong>gerer als<br />
Pflanzengröße Gott <strong>und</strong> der Natur zuwenden (Abb. 80), haben hier vorbildhaft gewirkt.<br />
Wo sich bei Runge die Lilie dem Namen Jehovas <strong>in</strong> der Engelsglorie zuneigt, s<strong>in</strong>d die<br />
Grashalme bei Hablik den Kr<strong>ist</strong>allbauten zugewandt. Blume <strong>und</strong> K<strong>in</strong>d s<strong>in</strong>d bei Runge<br />
zentrale Motive: "In den Blumen fühlt unser Gemüth doch noch die Liebe <strong>und</strong> E<strong>in</strong>igkeit<br />
selbst alles Widerspruchs <strong>in</strong> der Welt ..." (Runge 1841, II, 220). In Runges Tieck-<br />
Illustrationen verschmelzen, so Werner Hofmann (1977, 33), "Pflanze, Mensch (im<br />
'Keim' der K<strong>in</strong>dgestalt) <strong>und</strong> Kosmos zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m formalen Klima der milden Vegetation".<br />
Auf Habliks Bild <strong>des</strong> ersten Lebensstadiums trifft dies nicht weniger zu.<br />
Der e<strong>in</strong>same, von Wasser umspülte Kr<strong>ist</strong>allbau <strong>des</strong> folgenden Blattes (Bl. 6, Abb. 62)<br />
verkörperte für Hablik die Entwicklung <strong>des</strong> K<strong>in</strong><strong>des</strong> zum Jüngl<strong>in</strong>g:<br />
"Und wenn Ihnen e<strong>in</strong> Blatt auftaucht, darauf etwas wie e<strong>in</strong> Mausoleum mitten im<br />
stillen Meer aufragt, davor die Worte stehen: 'Es gab <strong>e<strong>in</strong>e</strong> St<strong>und</strong>e <strong>in</strong> der ich tausend<br />
Tode starb - da
- 48 -<br />
begrub ich die Armut m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Herzens', dann werden Sie wissen, daß dies e<strong>in</strong><br />
Gleichnis heißen soll, <strong>des</strong> ganzen Lebens bis zu dem Augenblick, wo das K<strong>in</strong>d-<br />
Bewußtse<strong>in</strong> sich zur Klarheit wandelt - <strong>und</strong> dem Jüngl<strong>in</strong>g sich der Kreislauf <strong>des</strong><br />
ganzen Werdens vom Anbeg<strong>in</strong>n an offenbart. Und die Stille <strong>des</strong> Wassers, <strong>und</strong> <strong>des</strong><br />
Bauwerkes E<strong>in</strong>samkeit wird Ihnen ähnliches <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung rufen - <strong>und</strong> der Vogel,<br />
der darüber h<strong>in</strong>fliegt, wird Ihnen den Weg weiter deuten." 87<br />
Hugo Feldste<strong>in</strong>s Empf<strong>in</strong>dungen von "soviel wahrem Weltschmerz, so viel E<strong>in</strong>samkeits-<br />
sehnsucht" 88 vor dem Gemälde "Kr<strong>ist</strong>allschloß im Meer" (1904) werden auf die Situation<br />
<strong>des</strong> Jüngl<strong>in</strong>gs im Moment <strong>des</strong> Erkennens s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r eigenen Geschlechtlichkeit übertragen.<br />
Der vom Künstler zitierte Aphorismus charakterisiert die Seelenstimmung <strong>des</strong> Augen-<br />
blicks.<br />
Schließlich wird die Suche <strong>des</strong> Mannes nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau thematisiert: "Oh daß die Boten<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Sehnsucht dich f<strong>in</strong>den könnten, du m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> unbekannte König<strong>in</strong> - dich <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Arme zu führen, auf daß ich dir m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Lande schenke!" (zu Bl. 6, Abb. 63a) Die<br />
Lebensmitte ersche<strong>in</strong>t dann als friedvolle, glückerfüllte Schaffenszeit: "Es gibt nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Freude: Schaffensfreude! Welches Glücksgefühl - die Tiefen der Seele zu schauen, wenn<br />
Himmelsfriede heraufquillt" (zu Bl. 8, Abb. 64a). Danach folgen Rückblick <strong>und</strong><br />
Resignation im Greisenalter: "Es gibt k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kraft, die ich nicht <strong>in</strong> mir fühlte - Götter <strong>und</strong><br />
Menschen haben bei mir gewohnt, <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Paradiesen leben alle Tiere <strong>und</strong> Blumen <strong>und</strong><br />
köstlichen St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, wandeln helle Sonnen, graben tiefe Wasser - <strong>und</strong> doch muß ich<br />
sterben" (zu Bl. 9, Abb. 65a).<br />
Griff Hablik mit dem Lebenszyklus e<strong>in</strong> zentrales Bildthema <strong>des</strong> neunzehnten <strong>und</strong> beg<strong>in</strong>-<br />
nenden zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts auf, 89 so <strong>ist</strong> dieser doch vor allem als Selbstporträt <strong>des</strong><br />
Künstlers zu verstehen. Bereits das Vorwort schlägt die Brücke zwischen der K<strong>in</strong>dheit<br />
<strong>und</strong> jener Bergwanderung, auf der die Vision der Kr<strong>ist</strong>allerschaffung <strong>und</strong> der Kampf mit<br />
der Natur se<strong>in</strong> künftiges Leben bee<strong>in</strong>flussen sollten. In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Lebenslauf schreibt er:<br />
"Entscheidend aber für m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> endliche Befreiung an Leib <strong>und</strong> Seele war jene<br />
e<strong>in</strong>same Wanderung durch die Schweiz bei Genf, die Besteigung der höchsten<br />
Berge ... Unter unsagbaren Strapazen <strong>und</strong> tagelangem Hungern kämpfte ich um<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> seelische Klarheit. (...) E<strong>in</strong> anderer, neuer Mensch kam ich zurück ..." 90
- 49 -<br />
Deutlich entspricht dieses Erlebnis dem Aphorismus zu jenem sechsten Blatt, das das<br />
Jüngl<strong>in</strong>gsstadium beschreibt: "Es gab <strong>e<strong>in</strong>e</strong> St<strong>und</strong>e, <strong>in</strong> der ich tausend Tode starb - da<br />
begrub ich die Armut m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Herzens", oder wie Hablik für Ewald Bender notierte: "...<br />
<strong>und</strong> dem Jüngl<strong>in</strong>g sich der Kreislauf <strong>des</strong> Werdens vom Anbeg<strong>in</strong>n an offenbart". Im<br />
siebten Blatt zeigt er sich selbst als Schaffenden, als Schöpfer <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Natur, die er<br />
als "m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Lande" bezeichnet, im achten formuliert er als Lehrme<strong>in</strong>ung, was er selbst<br />
erfahren hat: "Es gibt nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Freude, Schaffensfreude ...". Tatsächlich stellt er sich<br />
selbst als Schaffenden dar; denn, so schreibt er an Bender:<br />
"... es (gibt) nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Weg für den Künstler ... zu schaffen, nämlich den, die Natur<br />
nicht nachzuahmen, sondern es ihr gleich zu tun <strong>und</strong> mit Hilfe ihrer Kraft etwas zu<br />
schaffen, das womöglich unabhängig, als vollständige oder Menschennatur gelten<br />
könne." 91<br />
E<strong>in</strong> romantisches Verständnis der Naturerkenntnis <strong>und</strong> der daraus resultierenden eigenen<br />
Schöpferkraft war auch hier zunächst entscheidend. "M<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Lande", die kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e<br />
Bergwelt, die Hablik abbildet, die ihm als Inbegriff der Naturerkenntnis gilt <strong>und</strong> als deren<br />
Herrscher er sich darstellt, war für Novalis Inbegriff für die Erkenntnis der Natur <strong>und</strong> der<br />
ganzen Welt. In "He<strong>in</strong>rich von Ofterd<strong>in</strong>gen" (Ausg. 1982, 72 f.) zitiert er metaphorisch<br />
e<strong>in</strong> Lied der Bergleute:<br />
"Der <strong>ist</strong> der Herr der Erde, Er trifft auf allen Wegen<br />
Wer ihre Tiefen mißt, E<strong>in</strong> wohlbekanntes Land,<br />
(...) Und gern kommt sie entgegen<br />
Wer ihrer Felsenglieder Den Werken s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Hand.<br />
Geheimen Bau versteht,<br />
(...)<br />
Ihm folgen die Gewässer Sie mögen sich erwürgen<br />
Hülfreich den Berg h<strong>in</strong>auf; Am Fuß um Gut <strong>und</strong> Geld,<br />
Und alle Felsenschlösser, Er bleibt auf den Gebürgen<br />
Tun ihre Schätz" ihm auf. Der frohe Herr der Welt."<br />
(...)<br />
Runge strebte an, wie <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Nachfolge auch Wenzel Hablik, durch die Erkenntnis der<br />
"e<strong>in</strong>fachen Theile" <strong>in</strong> der Natur "mit ähnlichen Mitteln, die wir <strong>in</strong> Händen haben, auch<br />
ähnliche Ersche<strong>in</strong>ungen hervorzubr<strong>in</strong>gen. Es kann auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> solche Weise ... e<strong>in</strong> Gemählde<br />
gleichsam wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigne, zweyte Schöpfung <strong>in</strong> der Natur dastehen, deren Vollkommen-<br />
heit <strong>des</strong>to
- 50 -<br />
größer seyn wird, je tiefer der Mahler <strong>in</strong> die Elemente der Naturersche<strong>in</strong>ung e<strong>in</strong>gedrun-<br />
gen" (Farbenlehre, 1806; 1841, I, 84). Die eigenen (Mal- <strong>und</strong> Zeichen-) "Mittel" seien<br />
"dieselben lebendigen Kräfte ... welche <strong>in</strong> der Natur würken, (...) <strong>in</strong>dem <strong>in</strong> ihnen nur e<strong>in</strong><br />
<strong>und</strong> eben dasselbe wie <strong>in</strong> der Natur gilt <strong>und</strong> die Kunst wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> zweyte Schöpfung<br />
dasteht" (ebd., 85). Der universelle Anspruch <strong>des</strong> Künstlers gegenüber der Naturschöp-<br />
fung spiegelte sich <strong>in</strong> Runges "ernstem <strong>und</strong> heiligem Willen", "<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kunst zu begründen,<br />
worauf der Gr<strong>und</strong> der ganzen Welt steht" (ebd., II, 177).<br />
E<strong>in</strong>e ähnliche E<strong>in</strong>stellung zur Naturerkenntnis <strong>und</strong> zum Schaffen der Künstler vertrat<br />
Arthur Schopenhauer (1788-1860), den Hablik tief verehrte, 92 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Hauptwerk "Die<br />
Welt als Wille <strong>und</strong> Vorstellung" (1819). Schopenhauer erkannte den Willen als Gr<strong>und</strong><br />
allen menschlichen Tuns, überhaupt "jede Ersche<strong>in</strong>ung <strong>in</strong> Raum <strong>und</strong> Zeit (als) Objekti-<br />
vierung <strong>des</strong> raumlosen, zeitlosen, gr<strong>und</strong>losen Willens" (Störig 1972, Bd. 2, 181). In der<br />
Betrachtung <strong>des</strong> Schönen <strong>und</strong> Erhabenen <strong>in</strong> der Natur sah er <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Möglichkeit zur r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Erkenntnis <strong>des</strong>sen, was sich h<strong>in</strong>ter der äußeren Ersche<strong>in</strong>ung der D<strong>in</strong>ge verbirgt; denn<br />
dabei sei der Mensch vom eigenen Willen völlig losgelöst. In den Werken der Kunst trete<br />
uns die Idee <strong>und</strong> nicht die Wirklichkeit der D<strong>in</strong>ge entgegen, da<br />
"der Künstler, der nur die Idee, nicht mehr die Wirklichkeit erkannte, <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Werk auch nur die Idee re<strong>in</strong> wiederholt hat, sie ausgesondert hat aus der<br />
Wirklichkeit, mit Auslassung aller störenden Zufälligkeiten. Der Künstler läßt uns<br />
durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Augen <strong>in</strong> die Welt blicken." (Schopenhauer, Ausg. 1920, Bd. l, 264)<br />
Schopenhauer fährt fort:<br />
"<strong>Dieser</strong>halb nun wird, nachdem ich im Vorhergehenden das <strong>in</strong>nere Wesen der<br />
ästhetischen Erkenntnisart <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n allgeme<strong>in</strong>sten Gr<strong>und</strong>l<strong>in</strong>ien dargestellt habe,<br />
die jetzt folgende nähere philosophische Betrachtung <strong>des</strong> Schönen <strong>und</strong> Erhabenen<br />
Beide <strong>in</strong> der Natur <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Kunst zugleich erörtert, ohne diese weiter zu trennen.<br />
Was im Menschen vorgeht, wann ihn das Schöne, wann ihn das Erhabene rührt,<br />
werden wir zunächst betrachten: ob er diese Rührung unmittelbar aus der Natur,<br />
aus dem Leben schöpft oder nur durch die Vermittelung der Kunst ihrer teilhaft<br />
wird, begründet k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n wesentlichen, sondern nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n äußerlichen Unterschied."<br />
(ebd.)<br />
Habliks künstlerisches Programm, "die Natur nicht nachzuahmen, sondern es ihr gleich<br />
zu tun" 93 <strong>und</strong> damit zur Erkenntnis der Natur vorzudr<strong>in</strong>gen,
- 51 -<br />
gründete sich auf Schopenhauers Annahme <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s h<strong>in</strong>ter den Ersche<strong>in</strong>ungen der Natur<br />
verborgenen schöpferischenWillens. 94 Der Titel der Mappe "Schaffende Kräfte" bezog<br />
sich damit zugleich auf das "Walten schaffender Kräfte" 95 <strong>in</strong> der Natur wie auf das an der<br />
Naturschöpfung gemessene Schaffen <strong>des</strong> Künstlers.<br />
Aber Hablik g<strong>in</strong>g noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Schritt weiter. Im letzten Blatt <strong>des</strong> Lebenszyklus (Bl. 9,<br />
Abb. 65) stellt er sich bereits gottähnlich dar: "Götter <strong>und</strong> Menschen haben bei mir<br />
gewohnt ..." (zu Bl. 9, Abb. 65a). Das zugehörige Bild, <strong>in</strong> dem "köstliche St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>" zu<br />
Architekturen umgeformt s<strong>in</strong>d, visualisiert die Utopie <strong>des</strong> Künstlers <strong>und</strong> erhebt durch die<br />
bildliche Anschauung Anspruch auf die Wirklichkeit. In der Rückschau <strong>des</strong> Sterbenden<br />
sche<strong>in</strong>t sie bereits realisiert. Der Wirklichkeitsanspruch der Utopie <strong>ist</strong> Lehrstück für den<br />
Betrachter <strong>und</strong> zugleich Selbstverherrlichung <strong>des</strong> Künstlers; denn als Künstler <strong>und</strong><br />
Denkender sche<strong>in</strong>t ihm die Erfüllung der Utopie greifbar nahe:<br />
"Das Denken <strong>des</strong> Menschen von heute <strong>ist</strong> noch ke<strong>in</strong> Denken - es <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> bildhaft<br />
geb<strong>und</strong>enes 'Sichvorstellen'. Denken aber <strong>ist</strong> Allmacht - denn die absolute Folge<br />
<strong>des</strong> Gedankens <strong>ist</strong> die Tat. Deshalb s<strong>in</strong>d wir 'werteschaffenden' Menschen der<br />
Allmacht am nächsten ..." 96<br />
So wie er die Kr<strong>ist</strong>allarchitektur als Denkmodell <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neu zu schaffenden Welt entwirft,<br />
entwirft er auch den zukünftigen Menschen. Am 6.7.1913 schreibt er an Prof. Rose<br />
Burger 97 :<br />
"Ich glaube an die Zukunft <strong>des</strong> Menschen als an e<strong>in</strong> Gottähnlichwerden. So wie ich<br />
an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Gott selbst glaube - als an <strong>e<strong>in</strong>e</strong> unergründliche Kraft, von der wir (der<br />
Mensch) der zweite Pol s<strong>in</strong>d. Als e<strong>in</strong> Ganzes <strong>in</strong> der Vielheit. (...) Und zwar glaube<br />
ich auch, daß wir Menschen e<strong>in</strong>mal gottähnlich tätig se<strong>in</strong> werden, d.h. daß alles<br />
das, was heute unser Gehirn (vielleicht durch die Allmacht) nur denken kann,<br />
e<strong>in</strong>mal im Moment <strong>des</strong> Gedankens Tat wird. " 98<br />
Die Zielvorstellung von der Gottähnlichkeit <strong>des</strong> Künstlers war durch den Mimesis-<br />
Begriff der Renaissance vorgegeben. Während das griechische "Mimesis", wie Ar<strong>ist</strong>o-<br />
teles <strong>und</strong> Ar<strong>ist</strong>ophanes es verwendeten, noch die s<strong>in</strong>nlich faßbare Vorführung <strong>des</strong> Mög-<br />
lichen im Gegensatz zur begrifflich-gedanklichen Beschreibung bedeutete, gelangte der<br />
Begriff während der Renaissance durch die Überw<strong>in</strong>dung <strong>des</strong> mittelalterlichen Spiri-<br />
tualismus
- 52 -<br />
<strong>in</strong> Zusammenhang mit der Aneignung von Realität <strong>in</strong> der Kunst <strong>und</strong> wurde zur<br />
"Nachahmung" oder Nachschöpfung von Natur verkürzt. Leone Batt<strong>ist</strong>a Alberti (1404-<br />
1472) sah <strong>in</strong> der Malerei <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kraft, die sogar die Natur zu künstlerischen Gestaltungen<br />
veranlaßt; h<strong>in</strong>gegen entspreche der Malvorgang <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Erkenntnisprozeß, welcher "von<br />
der Natur selbst entlehnt <strong>ist</strong>" (Alberti, Ausg. 1970, 96 <strong>und</strong> 98). Leonardo da V<strong>in</strong>ci (1452-<br />
1519) verstand Malerei bereits als Nachschöpfung von Natur:<br />
"Wer die Malerei schmäht, der schmäht die Natur, denn dieser Werke stellen <strong>des</strong><br />
Malers Werke vor." (Leonardo da V<strong>in</strong>ci, Ausg. 1882, Bd. l, 15)<br />
Bei ihm wird der Maler durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tätigkeit Gott ähnlich:<br />
"Die Göttlichkeit, die der Wissenschaft <strong>des</strong> Malers <strong>in</strong>newohnt, bewirkt, daß sich<br />
der Ge<strong>ist</strong> <strong>des</strong> Malers zur Ähnlichkeit mit dem göttlichen Ge<strong>ist</strong> emporschw<strong>in</strong>gt,<br />
denn er ergeht sich <strong>in</strong> der freien Hervorbr<strong>in</strong>gung verschiedenartiger Wesenschaft,<br />
mannigfaltiger Tiere, Pflanzen, Früchte <strong>und</strong> Landschaften ..." (ebd., 127)<br />
Hier knüpfte Hablik an <strong>und</strong> formulierte: "... <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Paradiesen leben alle Tiere <strong>und</strong><br />
Blumen <strong>und</strong> köstlichen St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, wandeln helle Sonnen, graben tiefe Wasser" (zu Bl. 9,<br />
Abb. 65 a).<br />
Im zweiten Teil der Radierungsmappe, nach dem Abschluß <strong>des</strong> Lebenszyklus im neunten<br />
Blatt, behandelt Hablik e<strong>in</strong>zelne Naturobjekte <strong>und</strong> konzentriert sich damit wieder stärker<br />
auf das Phänomen Natur. Schopenhauers Naturphilosophie, die Annahme <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s <strong>in</strong> der<br />
Natur wirkenden schöpferischen Willens, gew<strong>in</strong>nt erneut an E<strong>in</strong>fluß. Darstellungen von<br />
Meereswellen (Bl. 10, 12, Abb. 66, 68) erlangen vor großflächig gestaltetem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ähnlich selbständigen Charakter wie der Falke, die Gräser <strong>und</strong> Moose im ersten<br />
Teil. Hablik billigt ihnen die gleiche Stellung <strong>in</strong> der Gesamtnatur zu wie den Bergen 99 :<br />
"Wer die Berge kennt wie ich, der weiß es, ohne daß ich es ihm sage, denn ihre<br />
E<strong>in</strong>samkeit, ihre Macht gleicht nur dem Meere <strong>und</strong> das kenne ich auch, denn ich<br />
b<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Woge gewesen." 100<br />
Die Wellen verdeutlichen den immerwährenden Kampf der Naturgewalten, während der<br />
zugehörige Aphorismus (zu Bl. 10, Abb. 66a) Charles Darw<strong>in</strong>s "Kampf ums Dase<strong>in</strong>" 101<br />
aufgreift: "Überall <strong>ist</strong> Leben, überall <strong>ist</strong>
- 53 -<br />
Kampf ums Leben". Der Umbruch von der vernichtenden Naturgewalt <strong>des</strong> Wassers zur<br />
erquickenden Tauperle (Bl. 12, Abb. 68) vers<strong>in</strong>nbildlicht die ständige Erneuerung <strong>in</strong> der<br />
Natur: "Der rollende Tod, braust das Meer gegen den Fels <strong>und</strong> zerstiebt <strong>in</strong> Milliarden<br />
Perlen gegen den blauen Dom <strong>und</strong> s<strong>in</strong>kt nieder <strong>in</strong> die Kelche der zartesten Blüten" (zu Bl.<br />
12, Abb. 68a).<br />
Neuerlich ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Tiere vor der Folie der Kr<strong>ist</strong>allbauten. Gruppen von Vögeln sitzen<br />
auf quer durch das Bild laufenden Baumästen (Bl. 11, 14, Abb. 67, 70), Ste<strong>in</strong>böcke ruhen<br />
an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Felswand (Bl. 16, Abb. 72) - mit den Bergarchitekturen <strong>in</strong> sche<strong>in</strong>barer Harmonie.<br />
Doch die Ruhe <strong>ist</strong> trügerisch: "Nichtstun <strong>ist</strong> <strong>des</strong> Stärksten Tod" (zu Bl. 14, Abb. 70a).<br />
Die Darstellung der Ste<strong>in</strong>böcke <strong>ist</strong> im Aphorismus mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r menschlichen Erfahrung<br />
komb<strong>in</strong>iert: "Am Rande nachtdunklen Ohnegr<strong>und</strong>s blüht <strong>e<strong>in</strong>e</strong> purpurrote Blume; <strong>in</strong> ihres<br />
glüh'nden Kelches Mitte fiel m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> letzte Träne. Juble Herz! Sie war der Preis d<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Sieges!" (zu Bl. 16, Abb. 72a). Ist der "Rand nachtdunklen Ohnegr<strong>und</strong>s" zunächst<br />
Bergabhang, so verschlüsselt er zugleich die vom Absturz bedrohte menschliche Seele. 102<br />
Die "letzte Träne" kündet vom Umbruch <strong>in</strong> der menschlichen Ex<strong>ist</strong>enz, die erquickte<br />
Blume von Bewältigung <strong>und</strong> Neubeg<strong>in</strong>n. H<strong>in</strong>ter der Motivreihe steht das eigene<br />
Bergerlebnis <strong>des</strong> Künstlers. Aber die Blume <strong>ist</strong> Runges Symbol der <strong>in</strong> "Liebe <strong>und</strong><br />
E<strong>in</strong>igkeit" zur Ruhe gekommenen Seele: "Dann erweitert sich der Raum <strong>in</strong> unserm Innern<br />
<strong>und</strong> wir werden zuletzt selbst zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r großen Blume, wo sich alle Gestalten <strong>und</strong><br />
Gedanken wie Blätter <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m großen Stern um das Tiefste unserer Seele, um den Kelch<br />
wie um <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n tiefen Brunnen drängen ..." (1803; Runge 1841, II, 220).<br />
Hablik identifiziert sich mit den dargestellten Tieren <strong>und</strong> anderen Naturobjekten:<br />
"So können Sie mich <strong>in</strong> irgend <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Form auf jedem e<strong>in</strong>zelnen der Blätter f<strong>in</strong>den,<br />
jetzt e<strong>in</strong> Adler, dann e<strong>in</strong> Ste<strong>in</strong>bock, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> schöne Ziehwolke, e<strong>in</strong> junger Falke - oder<br />
e<strong>in</strong> anderer schneller Vogel - <strong>und</strong> wenn ich als solcher dann mit mir, zu mir rede -<br />
hört es denn jemand? - Fühlen Sie jetzt, daß die Schriftblätter doch E<strong>in</strong>s mit dem<br />
Ganzen s<strong>in</strong>d - <strong>und</strong> notwendig? Denn diese wenigen Worte s<strong>in</strong>d auf hohen Gipfeln<br />
gesprochen, gemurmelt, als Laute <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Brust voll Freude entquollen." 103
- 54 -<br />
In der e<strong>in</strong>samen Position der Tiere, die sich alle an absturzgefährdetem Ort bef<strong>in</strong>den,<br />
stellt sich das Alle<strong>in</strong>se<strong>in</strong> mit den Naturgewalten während der Bergwanderung, aber auch<br />
die vom Absturz gefährdete Position <strong>des</strong> Künstlerdase<strong>in</strong>s dar. In dieser Identifikation <strong>ist</strong><br />
der Künstler zugleich Teil <strong>und</strong> wissender Beobachter der Natur.<br />
Aus der Erkenntnis der Natur folgt <strong>in</strong> den letzten vier Blättern der Mappe die Erkenntnis<br />
der eigenen menschlichen Ex<strong>ist</strong>enz. E<strong>in</strong> <strong>in</strong> emporwallenden Wolkenmassen himmelwärts<br />
strebender Kr<strong>ist</strong>allberg (Bl. 17, Abb. 73) steht als 'Naturdenkmal' der Vergänglichkeit <strong>des</strong><br />
menschlichen Dase<strong>in</strong>s gegenüber: "Ich war, ich b<strong>in</strong>, aber ich werde nie wieder se<strong>in</strong>" (zu<br />
Bl. 17, Abb. 73a). Das Erlangen von Erkenntnis wird als H<strong>in</strong>absteigen <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n " Brunn' "<br />
symbolisiert (Bl. 18, Abb. 74), der sich zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Grotte mit leuchtenden Kr<strong>ist</strong>allbauten<br />
öffnet: "Je tiefer der Brunn', den du h<strong>in</strong>ab steigst, <strong>des</strong>to heller leuchten die Sterne" (zu Bl.<br />
18, Abb. 74a). Ähnlich beherbergen "Felsklüfte" <strong>in</strong> Goethes "Mährchen" (Ausg. 1890,<br />
232) Kr<strong>ist</strong>alle, Silber <strong>und</strong> Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong>; bei Novalis s<strong>in</strong>d die Schächte <strong>des</strong> Bergbaus "wun-<br />
derbare Kammern, zum Empfängnis himmlischer Gaben" (Ausg. 1982, 65); <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Höhle entdeckt He<strong>in</strong>rich e<strong>in</strong> Buch über se<strong>in</strong> Leben (ebd., 90 ff.). Je tiefer man <strong>in</strong> die<br />
"Höhlen" der Romantik e<strong>in</strong>dr<strong>in</strong>gt, <strong>des</strong>to größer wird die Erkenntnis; Runge symbolisiert<br />
das "Tiefste unserer Seele" <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m "tiefen Brunnen". Später öffnen sich auch bei<br />
Scheerbart Grotten zu paradiesischen Räumen; 104 die unterirdischen Höhlenflüsse, durch<br />
die Likas Reise mit dem Triton führt, erschließen sich - wie Hablik es <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Blatt<br />
schildert - zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Reich mit kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Palästen, die die Erkenntnis <strong>des</strong> Begriffs<br />
"Heimat" <strong>in</strong> sich tragen (Scheerbart 1899). 105<br />
Meer, kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Bergwelt <strong>und</strong> bedrohlich dunkler Himmel ver<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n sich im neunzehnten<br />
Blatt der Mappe (Abb. 75) schließlich noch e<strong>in</strong>mal zur ewigen Gesamtheit der Natur <strong>und</strong><br />
ihrer Lebensräume. Im zugehörigen Aphorismus wird der vorgeblichen Allmacht <strong>des</strong><br />
Schaffenden <strong>des</strong>sen Sterblichkeit gegenübergestellt. Er erkennt die letzte, eigene Unzu-<br />
länglichkeit gegenüber der wirklichen Allmacht der Natur: "Du kennst nicht den Fluch<br />
<strong>des</strong> Schaffenden, der allmächtig se<strong>in</strong> will, der tausend Leben braucht - <strong>und</strong> - <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n!<br />
schwachen Leib zu Grabe trägt" (zu Bl. 19, Abb. 75a).
- 55 -<br />
Im letzten Blatt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Radierungszyklus hat sich der Künstler als Erkennenden <strong>und</strong><br />
Wissenden, der als e<strong>in</strong>ziger die kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Bergarchitekturen 'überblickt', selbst dar-<br />
gestellt (Abb. 76). Die sich aus der Überw<strong>in</strong>dung der Naturgewalten ergebende ge<strong>ist</strong>ige<br />
<strong>und</strong> seelische Erneuerung führt er stolz <strong>in</strong> der Figur <strong>des</strong> Adlers vor, der als Auserwählter<br />
auf die Naturschöpfung herabblickt:<br />
"Ich kann nicht leugnen, daß mich ... am Gipfel <strong>des</strong> Mont Blanc e<strong>in</strong> Gefühl größten<br />
Stolzes erfüllte, denn niemand wußte von mir, ich war alle<strong>in</strong> mit der gewaltigen<br />
Natur ... Und noch viel später ... verließ mich m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Freude nicht, im Gegenteil -<br />
ich lernte schweigen <strong>und</strong> e<strong>in</strong>sehen, daß die re<strong>in</strong>ste Freude nicht mitteilsam <strong>ist</strong>. -<br />
Was W<strong>und</strong>er, wenn ich mich aus purem Stolz <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Adler verwandele hoch<br />
oben auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r zackigen Felsnadelspitze, sieht mich denn jemand? sah mich<br />
jemand?" 106<br />
Die <strong>in</strong> dem Adler verkörperte Allwissenheit macht er sich als "Der Mann, der Raum, zwei<br />
Ewigkeiten" (zu Bl. 20, Abb. 76a) zu eigen. 107 Mit diesem Ewigkeitsanspruch stellt er<br />
sich als schaffender Künstler der Allmacht Gottes gleich. Die Gleichsetzung von "Mann"<br />
<strong>und</strong> "Raum" verb<strong>in</strong>det die Ewigkeit der menschlichen Erkenntnis mit der <strong>in</strong> den ersten<br />
beiden Blättern formulierten Erkenntnis der Naturschöpfung im ewigen Raum <strong>und</strong><br />
beschließt damit den Zyklus.<br />
Ewald Bender spitzte die Interpretation <strong>des</strong> zwanzigsten Blattes der "Schaffenden Kräfte"<br />
zu: "Wie königlich der Adler hoch über der Burg aus Kr<strong>ist</strong>all den Raum überblickt! 'Und<br />
Gott sah, daß es gut war.' " (1910, 168) Die stolze Position <strong>des</strong> Adlers war aber nicht so<br />
unangefochten, wie es zunächst sche<strong>in</strong>t. Das Problem der eigenen Erkenntnis- <strong>und</strong><br />
Schöpferkraft <strong>in</strong> Relation zu Natur, Ewigkeit <strong>und</strong> Gott beschäftigte Hablik auch weiter-<br />
h<strong>in</strong>. Bald trat der Künstler <strong>in</strong> Menschengestalt an die Stelle <strong>des</strong> Adlers. Auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
eigenen Exlibris stellte er sich 1913 <strong>in</strong> Rückenansicht als nackte muskulöse Gestalt mit<br />
deklamierend erhobener Faust auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Bergspitze dar (Abb. 77). Unter sich die<br />
Berglandschaft, blickt er im Angesicht der Himmelsgestirne, die vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r strahlend<br />
hellen Scheibe ume<strong>in</strong>ander kreisen, <strong>in</strong> das weite dunkle All. Er identifiziert sich vollends<br />
mit Zarathustra, der im Gebirge vor die Sonne tritt <strong>und</strong> zu ihr spricht, der den<br />
"Schaffenden" mit der Frage erprobt: "B<strong>ist</strong> du <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kraft <strong>und</strong> e<strong>in</strong> neues Recht? E<strong>in</strong>e erste<br />
Bewegung? E<strong>in</strong> aus sich rollen<strong>des</strong> Rad? Kannst
- 56 -<br />
du auch Sterne zw<strong>in</strong>gen, daß sie um dich sich drehen?" (Nietzsche 1891, Ausg. 1979, 52).<br />
Nicht zuletzt steht der vor den Gestirnen nach Erkenntnis Suchende <strong>in</strong> der Tradition <strong>des</strong><br />
"Lichtgebets" von Fidus (Hugo Höppener, 1868-1948). Dessen <strong>in</strong> freudiger Erregung der<br />
Sonne entgegengereckter jugendlicher Gestalt, auf gleich geformter Bergspitze <strong>und</strong><br />
ebenfalls vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gebirgssilhouette postiert (Abb. 78), stellt Hablik den Kämpfer<br />
gegenüber, der mit göttlicher Macht den Lauf der Gestirne zu bestimmen sucht. Das<br />
"Lichtgebet", <strong>des</strong>sen erste Fassung unter dem Titel "Zu Gott" 1890 entstand, wurde seit<br />
dem "Freideutschen Jugendtag" auf dem Hohen Meißner am 11./12. Oktober 1913 zum<br />
Leitmotiv der Jugend- <strong>und</strong> Wandererbewegung. In großer Auflage auf Postkarten <strong>und</strong><br />
Plakaten reproduziert, gelangte es wohl bis <strong>in</strong> jeden zehnten deutschen Bürgerhaushalt<br />
(Frecot u.a. 1972, 299). Als Fidus 1923 <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Lichtbildervortrag im Itzehoer Kaisersaal<br />
hielt, war er auch im Hause Hablik zu Gast <strong>und</strong> stand später mit dem Künstler <strong>in</strong><br />
schriftlicher Verb<strong>in</strong>dung. 108 Zwei Wochen nach dem Entwurf <strong>des</strong> Exlibris nahm Hablik<br />
wieder die Position <strong>des</strong> Fragenden e<strong>in</strong>. In dem Gemälde "Woher - Woh<strong>in</strong>?" (Abb. 79)<br />
griff er noch e<strong>in</strong>mal die muskulöse Figur <strong>des</strong> Menschen auf der Bergspitze vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Sonnengloriole <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m von phantastischen Planeten durchflogenen Weltraum auf <strong>und</strong><br />
gestaltete sie jetzt, nach dem Vorbild <strong>des</strong> "Denkers" von Rod<strong>in</strong> oder der daran<br />
angelehnten Plastiken aus der Schule Franz Metzners (Abb. 79a), 109 als nachdenklich<br />
zusammengekauerte Gestalt. Er selbst hat die stolze Position <strong>des</strong> Adlers verlassen; das<br />
Adlerpärchen sitzt neben ihm <strong>und</strong> blickt sich zweifelnd nach ihm um. Der Titel <strong>des</strong><br />
Gemäl<strong>des</strong> greift die Fragen <strong>des</strong> Lebenszyklus-Bil<strong>des</strong> von Gaugu<strong>in</strong> auf: "Woher kommen<br />
wir? Wer s<strong>in</strong>d wir? Woh<strong>in</strong> gehen wir?" (1897). Die gottähnliche Figur <strong>des</strong> Adlers "über<br />
der Burg aus Kr<strong>ist</strong>all" (Ewald Bender) im letzten Blatt der "Schaffenden Kräfte" hatte<br />
sich wieder <strong>in</strong> den Zweifelnden verwandelt. Damit schloß sich der Kreis zum Lebens-<br />
zyklus im ersten Teil der Mappe. 110<br />
Ebenso wie s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Symbolik leitete Hablik auch die Stilform der Radierungen aus jenen<br />
Erkenntnissen über die Natur ab, die er angeblich auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Alpenwanderung gewonnen<br />
hatte. Um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Form zu f<strong>in</strong>den, die dem Künstler e<strong>in</strong> der Natur ebenbürtiges Schaffen<br />
ermöglichen sollte, schrieb er an Ewald Bender, müsse es ihm nur gel<strong>in</strong>gen,
- 57 -<br />
"die Gesetze, welche millionenfach <strong>in</strong> den Bauformen der Natur stecken, zu<br />
erkennen, <strong>und</strong> für sich <strong>und</strong> se<strong>in</strong> eigenes Schaffen gleich gültige zu erf<strong>in</strong>den. Ich<br />
erzählte Ihnen von m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r langen mühseligen Wanderung durch die Schweiz.<br />
Es wäre nun nach den Studien, die ich talauf <strong>und</strong> talab gesammelt habe, e<strong>in</strong><br />
lächerliches Unterfangen gewesen, auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m so kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Raum, wie ihn e<strong>in</strong> Blatt<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Radierung vorstellt, von den vielen Gewalten, die da herrschen, zu<br />
erzählen, <strong>in</strong>dem ich e<strong>in</strong>fach Berge mit Eis <strong>und</strong> Schnee bedeckt gezeichnet hätte.<br />
Ich sah e<strong>in</strong>, es müsse e<strong>in</strong> Etwas gef<strong>und</strong>en werden, das auch von dem Empf<strong>in</strong>den,<br />
von dem Staunen, Sehnen, von der Freude <strong>und</strong> dem Grausen da oben erzählen<br />
könne.<br />
... am Krystall fand ich die gleichen Gesetze wieder, <strong>und</strong> <strong>in</strong>dem ich die <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Form<br />
mit jener aufstürzenden Wucht zu verb<strong>in</strong>den versuchte, hatte ich auch die Form <strong>des</strong><br />
Ausdrucks gef<strong>und</strong>en. Diese Ausdrucksform birgt <strong>in</strong> sich genau dieselbe Vielheit<br />
von Gestaltungsmöglichkeiten wie je<strong>des</strong> Naturgesetz, <strong>und</strong> <strong>ist</strong> gleichzeitig dazu<br />
geschaffen, das Steigen <strong>und</strong> Fallen der L<strong>in</strong>ie im Raum unbegrenzt zu<br />
entwickeln." 111<br />
Die stilisierend bewegte L<strong>in</strong>ie legt <strong>in</strong> den Radierungen nur das Formpr<strong>in</strong>zip <strong>des</strong> jeweils<br />
Gestalteten an. Es soll den Betrachter zur assoziativen Mitarbeit <strong>und</strong> gedanklichen<br />
Weitergestaltung veranlassen:<br />
"Dadurch, daß ich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Berg nicht als zerklüftete Bodenerhebung darstelle,<br />
sondern daß ich ihm <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Ge<strong>ist</strong> <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kraft, die lebt <strong>und</strong> ewig Leben schafft,<br />
zugr<strong>und</strong>e lege, daß ich das Meer nicht nur als bewegte Wassermasse darstelle,<br />
sondern den Rhythmus der e<strong>in</strong>zelnen Bewegungen ausdrücke, scheiden sich m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Arbeiten klar von allen denen, die (es) mit dem bloßen Abschreiben von<br />
Äußerlichkeiten schon genug se<strong>in</strong> lassen. (...) Deshalb sollen weder m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bilder<br />
noch m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> sonstigen Arbeiten <strong>e<strong>in</strong>e</strong> festgelegte Grenze für den Beschauer bilden,<br />
sondern sollen ihm die Möglichkeit bieten, selbst mitzuschaffen dadurch, daß ich<br />
ihn zw<strong>in</strong>ge, die Natur zu prüfen <strong>und</strong> mit befreiten Augen zu studieren. Ich will ihn<br />
nicht <strong>in</strong> die Vorstellung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s ihm fremden <strong>und</strong> gleichgültigen Ge<strong>ist</strong>es bannen,<br />
sondern ihn auf die Schätze der ganzen Natur als solche aufmerksam machen <strong>und</strong><br />
ihm den Weg zeigen, diese zu heben." 112<br />
Die Herkunft von Habliks Gestaltungspr<strong>in</strong>zip, die Gesetze <strong>in</strong> der Natur <strong>und</strong> den Rhyth-<br />
mus der Bewegungen zu erkennen <strong>und</strong> so zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m der Natur ebenbürtigen Schaffen zu<br />
gelangen, aus Runges "Farbenlehre" (1806-10) <strong>ist</strong> angesichts ähnlicher Wortwahl kaum<br />
zu bezweifeln. Für Runge konnte die Vollkommenheit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Gemäl<strong>des</strong> als "eigne, zweyte<br />
Schöpfung" nur <strong>des</strong>to größer se<strong>in</strong>, "je tiefer der Mahler <strong>in</strong> die Elemente der Naturer-<br />
sche<strong>in</strong>ung e<strong>in</strong>gedrungen": "Wenn wir die Natur auf irgend<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Weise nachahmen, oder<br />
ähnliche Ersche<strong>in</strong>ungen wie sie hervorbr<strong>in</strong>gen wollen, so
- 58 -<br />
müssen wir uns bemühen, <strong>in</strong> der unendlichen Mannichfaltigkeit <strong>und</strong> Beweglichkeit,<br />
welche <strong>in</strong> der Natur <strong>ist</strong>, die e<strong>in</strong>fachen Theile zu entdecken <strong>und</strong> abzusondern, aus welchen<br />
diese Mannichfaltigkeit hervorgeht, <strong>und</strong> die Ordnung oder den Rhythmus zu bestimmen,<br />
<strong>in</strong> welchen sich die D<strong>in</strong>ge bewegen <strong>und</strong> durch welche die Ersche<strong>in</strong>ung bewürkt worden;<br />
<strong>und</strong> so kann es uns vielleicht gel<strong>in</strong>gen, mit ähnlichen Mitteln, die wir <strong>in</strong> Händen haben,<br />
auch ähnliche Ersche<strong>in</strong>ungen hervorzubr<strong>in</strong>gen" (Runge, Ausg. 1841, I, 84).<br />
Für Hablik wurde die "r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> L<strong>in</strong>ie", ihr "Steigen <strong>und</strong> Fallen ... im Raum" die e<strong>in</strong>zige<br />
adäquate Stilform, die ihm die Darstellung <strong>des</strong> Phänomens Natur ermöglichte - nicht<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bestimmten natürlichen Situation, sondern <strong>in</strong> Schopenhauers S<strong>in</strong>n den der Natur<br />
zugr<strong>und</strong>eliegenden "Ge<strong>ist</strong> <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kraft, die lebt <strong>und</strong> ewig Leben schafft" 113 :<br />
"Daß ich die L<strong>in</strong>ie als solche stets re<strong>in</strong> gehalten habe <strong>und</strong> weder 'geschummert'<br />
noch kreuz <strong>und</strong> quer gestrichelt, um 'Töne zu erzielen', versteht sich bei der<br />
Formene<strong>in</strong>heit <strong>des</strong> Ganzen von selbst. Denn die Nadelspitze <strong>ist</strong> etwas so Kostbares<br />
an sich, daß ich nicht begreife, wie es Menschen gibt, die sich dieser w<strong>und</strong>ervollen<br />
Zeichenspitze nicht bedienen, um wirklich zu zeichnen, d.h. L<strong>in</strong>ien zu ziehen,<br />
sondern vorziehen, damit 'tonige Bildchen' zu schummern." 114<br />
Auch hier hatte Runge den Gedanken "<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s größeren <strong>und</strong> <strong>in</strong>nigeren Zusammenhanges<br />
unsrer Mittel mit der Natur" vorgegeben: "... <strong>und</strong> so br<strong>in</strong>gen wir, <strong>in</strong>dem uns unser<br />
Studium <strong>in</strong> das Wesen der D<strong>in</strong>ge h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>geführt hat, statt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bloßen correcten Wissen-<br />
schaft noch das Bewußtseyn mit zurück, daß unsre Mittel dieselben lebendigen Kräfte<br />
s<strong>in</strong>d, welche <strong>in</strong> der Natur würken, <strong>und</strong> daß <strong>e<strong>in</strong>e</strong> nothwendige Ordnung dar<strong>in</strong> dieselben<br />
Würkungen erzeugen muß" (ebd., 85).<br />
Spätestens seit Aubrey Beardsleys Illustrationsgraphik der Jahre 1894-97 gehörte die<br />
"r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> L<strong>in</strong>ie" zum Repertoire der "Stilkunst um 1900". Beispiele der englischen Stilkunst<br />
erlangten <strong>in</strong> Wien vor allem durch die Ausstellungen der Sezession bedeutenden E<strong>in</strong>fluß.<br />
Durch die Ausstellung der Glasgower Künstlergruppe unter der Führung von Charles<br />
Rennie Mack<strong>in</strong>tosh 1901 <strong>in</strong> der Wiener Sezession kam Josef Hoffmann <strong>in</strong> der Illu-<br />
strationsgraphik <strong>und</strong> der Innenraumgestaltung zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n L<strong>in</strong>ienzeichnung<br />
(Hofstätter o.J., 228). Beardsley hatte sich über die Vorzüge der
-59 -<br />
"L<strong>in</strong>ie" gegenüber der farbharmonischen Malerei geäußert <strong>und</strong> regte damit zweifellos<br />
auch Wenzel Hablik an:<br />
"Ich würde gern mal irgendwo etwas über das Thema der L<strong>in</strong>ie <strong>und</strong><br />
L<strong>in</strong>ienzeichnung sagen. Wie wenig wird selbst bei e<strong>in</strong>igen der bedeutendsten<br />
Maler die Wichtigkeit der Umrißl<strong>in</strong>ie verstanden. Es <strong>ist</strong> das Gefühl für die<br />
Harmonie der L<strong>in</strong>ie, das den alten Me<strong>ist</strong>ern <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n so großen Vorsprung vor den<br />
modernen gibt, die anzunehmen sch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, daß man e<strong>in</strong>zig auf die Harmonie der<br />
Farben Wert zu legen brauche." 115<br />
Bereits im August 1908 führte der Direktor <strong>des</strong> Altonaer Museums, Professor Otto<br />
Lehmann, bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Besuch <strong>in</strong> Itzehoe vor Tuschp<strong>in</strong>selzeichnungen <strong>des</strong> Künstlers den<br />
naheliegenden Vergleich zu Arbeiten von Beardsley - den Hablik jedoch zurückwies,<br />
weil "außer dem weißen Papier, der schwarzen Tusche <strong>und</strong> der gleichen Sensibilität nicht<br />
das ger<strong>in</strong>gste darauf h<strong>in</strong>deutet". 116 In den "Schaffenden Kräften" er<strong>in</strong>nert vornehmlich der<br />
Kontrast zwischen der schwarzen Silhouette <strong>des</strong> Falken <strong>und</strong> der Umrißzeichnung der<br />
weißen Felsmassive (Bl. 3, Abb. 59) an Beardsleys' Art der Komposition.<br />
Tatsächlich beschränkte sich Hablik <strong>in</strong> der Mehrzahl der Radierungen auf l<strong>in</strong>eare<br />
Ausdrucksmöglichkeiten. Die l<strong>in</strong>eare Umrißzeichnung teilt das Blatt <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Vielzahl von<br />
Flächen auf, die weiß bleiben können oder strukturiert s<strong>in</strong>d. Aus der Verteilung weißer<br />
<strong>und</strong> strukturierter (also heller <strong>und</strong> dunkler) Flächen <strong>und</strong> dem Widerspiel von L<strong>in</strong>ie <strong>und</strong><br />
Fläche im Raum ergibt sich die Komposition.<br />
Die Darstellung von Objekten der realen Natur warf aber doch Gestaltungsprobleme auf.<br />
Offenbar hielt der Künstler e<strong>in</strong> M<strong>in</strong><strong>des</strong>tmaß an Plastizität <strong>und</strong> Schattenwirkung für<br />
erforderlich, so daß er den völligen Verzicht auf Kreuzschraffuren <strong>und</strong> Schattenpartien<br />
nicht e<strong>in</strong>lösen konnte. E<strong>in</strong> bemooster Ste<strong>in</strong> <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Felsnadel (Bl. 3, 20, Abb. 59, 76)<br />
erhalten ihre Oberflächenplastizität durch Kreuzschraffuren. Spiegelungen im Wasser<br />
(Bl. 6, Abb. 62), Schattenfelder <strong>und</strong> R<strong>und</strong>ungen an dem von Flam<strong>in</strong>gos besetzten<br />
Baumstamm (Bl. 14, Abb. 70) sowie e<strong>in</strong>ige Bergstrukturen (Bl. 17, Abb. 73) s<strong>in</strong>d an der<br />
Naturbeobachtung gemessen <strong>und</strong> machten wohl e<strong>in</strong> "Schummern" mit Kreuzschraffuren<br />
unentbehrlich.
- 60 -<br />
Die Beschränkung auf die "r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> L<strong>in</strong>ie" hatte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Verm<strong>in</strong>derung <strong>des</strong> Formrepertoires <strong>und</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> stilisierende Darstellungsweise zur Folge. Auch bei Objekten der belebten Natur<br />
kommen neben beabsichtigter Naturnähe <strong>und</strong> gewissen malerischen Wirkungen stilisierte<br />
Formen vor. So setzt sich das Gefieder der Vögel aus vielen kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, schuppenartig<br />
angeordneten Segmenten zusammen (Bl. 3, 20, Abb. 59, 76). Flechten <strong>und</strong> Moose geraten<br />
<strong>in</strong> verschiedenen Strichstärken zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m teppichartigen Geflecht (Bl. 3, Abb. 59) oder<br />
werden <strong>in</strong> r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Umrißzeichnungen geb<strong>und</strong>ener, zittriger L<strong>in</strong>ien zum dekorativen<br />
Ornament (Bl. 5, Abb. 61). Hauptsächliche Objekte der Stilisierung s<strong>in</strong>d die Metaphern<br />
der drei natürlichen Lebensräume: Die gezackten Konturen der Bergformationen, die<br />
schlangenartige Ornamentierung der Meereswellen <strong>und</strong> die quellenden Formen der<br />
Wolken dramatisieren sie zu Naturgewalten, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ständiger Bewegung <strong>und</strong> erregen die<br />
Assoziationstätigkeit <strong>des</strong> Betrachters. Die L<strong>in</strong>ienzeichnung erfüllt hier Habliks Forderung<br />
nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künstlerischen Gestaltung, die die "Gesetze" <strong>und</strong> die "Rhythmen" <strong>in</strong> der Natur<br />
vermittelt <strong>und</strong> den Betrachter zu eigenem "Mitschaffen" anregt.<br />
Hablik heroisiert Natur <strong>und</strong> empf<strong>in</strong>det Freude vor ihren kle<strong>in</strong>sten Strukturen. 117 Ähnlich<br />
arbeitet er im formalen Bereich: Gegenüber der Darstellung der erhabenen Natur geraten<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Stilformen mitunter <strong>in</strong> die Nähe von Bildwitz <strong>und</strong> Groteske <strong>und</strong> nehmen kari-<br />
kierende Züge an. 118 Für die "Schaffenden Kräfte" entwickelte er Wolkenformen, die sich<br />
durch ihre phantastische Gestalt von den übrigen Quellwolken <strong>und</strong> Gasschlieren abheben:<br />
Schneckenartige Exemplare mit Spiralköpfen ziehen vor dem weißen Bergmassiv auf<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Schleimteppich aus kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Voluten (Bl. 3, Abb. 59), bedecken mit qualligen<br />
Körpern <strong>und</strong> 'Tentakeln' e<strong>in</strong> Meer von Bergspitzen (Bl. 13, Abb. 69) oder quellen zün-<br />
gelnd vorgestreckt aus Felsspalten (Bl. 15, Abb. 71). Andere tragen e<strong>in</strong> Paar zartge-<br />
fiederter Flügel an fast kugelr<strong>und</strong>em Körper (Bl. 5, Abb. 61). Ähnlich erwecken die<br />
Wellen mit ihren gleitenden Bewegungen <strong>und</strong> quallenartig gestalteten Schaumkronen<br />
Assoziationen an Meeresbewohner (Bl. 10, Abb. 66), s<strong>in</strong>d "wie e<strong>in</strong> Heer sich bäumender<br />
Schlangen" (Bender 1910, 168) gezeichnet (Bl. 12, Abb. 68). Ihre Körper s<strong>in</strong>d mit<br />
Segmentierungen <strong>und</strong> Augen geschmückt; <strong>in</strong> reptilartig sich verw<strong>in</strong>denden Bewegungen<br />
<strong>und</strong> mit e<strong>in</strong>gerollten Köpfen drängen sie gegen das Ufer. Organisch r<strong>und</strong>e,
- 61 -<br />
teils e<strong>in</strong>geschnürte Formen geben ihnen körperhafte Gestalt. Bewegungsmerkmale von<br />
Tieren, überzeichnend <strong>und</strong> vere<strong>in</strong>fachend <strong>in</strong> ornamentale Formen übersetzt, verleihen so<br />
Objekten der unbelebten Natur den Charakter von handelnden Individuen. Mittel der<br />
Karikatur werden e<strong>in</strong>gesetzt, um Erkenntnisse, hier die Erkenntnis <strong>des</strong> h<strong>in</strong>ter allen<br />
Naturersche<strong>in</strong>ungen tätigen schöpferischen Willens, zu vermitteln.<br />
E<strong>in</strong>flüsse der Wiener Stilkunst s<strong>in</strong>d vor allem im Zeichenstil <strong>und</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Motiven<br />
nachzuweisen. Adolf Böhm, Gründungsmitglied der Wiener Sezession, pflegte <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Landschaften <strong>und</strong> dekorativen Arbeiten für die Zeitschrift "Ver Sacrum" <strong>e<strong>in</strong>e</strong> r<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
L<strong>in</strong>ienzeichnung, bei der Baumgruppen <strong>und</strong> Wolkengebilde <strong>in</strong> bewegten Umrissen aus<br />
aufe<strong>in</strong>ander aufbauenden kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Segmenten entstehen. Hier erhielt Hablik Anregungen<br />
zu dem sehr ähnlichen Stil s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gebirgs- <strong>und</strong> Wolkenformationen (vgl. Bl. 8, Abb. 64).<br />
Böhms "Decorative Landschaft" von 1898 (Abb. 81) zeigt Felsschichtungen <strong>und</strong> kurvig<br />
e<strong>in</strong>geschnittene, tief abfallende Schluchten, die Hablik für zwei Blätter <strong>des</strong> Zyklus<br />
übernahm (Bl. 15, 18, Abb. 71, 74); <strong>des</strong>sen Rahmenbild zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m rechteckig e<strong>in</strong>gepaßten<br />
Gedicht von Arno Holz (Abb. 82) stellte bereits jene Verb<strong>in</strong>dung von Literatur <strong>und</strong> bil-<br />
dender Kunst dar, die Hablik dann für sich verwirklichte. In dem ersten Band von "Ver<br />
Sacrum" aus dem Jahre 1898, den Hablik besaß, trafen Böhms Illustrationen bezeichnen-<br />
derweise mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Text von Paul Scheerbart ("Licht <strong>und</strong> Luft") zusammen. Ebenso<br />
brachte der Band von 1901 wieder <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Anzahl der charakter<strong>ist</strong>ischen Landschaften<br />
Adolf Böhms sowie Scheerbarts Text "Die Fabrik lebenslustiger Creaturen", zu dem<br />
Böhm wiederum die Vignetten schuf - zwei künstlerische Äußerungen, die <strong>in</strong> dieser<br />
symbiotischen Weise auf Hablik e<strong>in</strong>wirkten. Kle<strong>in</strong>teilige, mit Volutenansätzen kombi-<br />
nierte Wolkensegmente f<strong>in</strong>den sich auch <strong>in</strong> Emil Orliks Illustrationen zu Lafcadio Hearns<br />
"Ko-Ko-Ro" von 1906 (Hofstätter o.J., Fig. 45). Der Prager Emil Orlik, den Hablik<br />
kannte <strong>und</strong> dem er durch die Herkunft aus Böhmen verb<strong>und</strong>en war, 119 hielt sich seit 1902<br />
<strong>in</strong> Wien auf <strong>und</strong> war im Kreis um Gustav Klimt <strong>und</strong> Josef Hoffmann tätig. Unverkennbar<br />
<strong>ist</strong> die Herkunft der unzähligen Voluten <strong>und</strong> der Wellen- <strong>und</strong> Kreisornamente bei<br />
Habliks Wolken <strong>und</strong> Meereswellen (Bl. 12, Abb. 68), die <strong>in</strong> Klimts "Beethovenfries"<br />
(1902) <strong>und</strong> <strong>in</strong> dem Gemälde "Der Kuß" (1907/08, Österreichische Galerie, Wien) Legion<br />
s<strong>in</strong>d.
- 62 -<br />
Wolfgang Pehnt hat darauf h<strong>in</strong>gewiesen, daß bereits <strong>in</strong> den Skizzen der Schüler von Otto<br />
Wagner an der Wiener Akademie um 1902 "feierliche Treppen oder waghalsige Brücken<br />
auf phantastisch ausgehöhlte oder monumental geschichtete Felsen" führen ( 2 1981, 43).<br />
Vor allem die Entwürfe von Emil Hoppe <strong>und</strong> Marcell Kammerer, die <strong>in</strong> dem 1903 <strong>in</strong><br />
Wien erschienenen Band "Wagnerschule" abgebildet s<strong>in</strong>d (Abb. 83-84), zeigen <strong>in</strong> Berg-<br />
landschaften postierte Monumentalarchitekturen - ebenfalls e<strong>in</strong> rezeptioneller Ausdruck<br />
der Berg- <strong>und</strong> Architekturmetaphern <strong>in</strong> Friedrich Nietzsches "Also sprach Zarathustra".<br />
E<strong>in</strong>e Wirkung auf Hablik hatten offenbar auch die Entwürfe <strong>des</strong> Karlsruher Architekten<br />
Hermann Bill<strong>in</strong>g, <strong>des</strong>sen glatt behauene kubische Felsblöcke mit Kuppelbau aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Studie von 1904 (Abb. 85) bei ihm <strong>in</strong> glatten Felsnadeln <strong>und</strong> monolithischen Blöcken mit<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kuppel (Bl. 3, Abb. 59) oder <strong>in</strong> tafelbergähnlichen Bauten (Bl. 12, Abb. 68)<br />
wiederkehren.<br />
Nicht zuletzt durch den E<strong>in</strong>fluß Emil Orliks dürften an der Wiener Kunstgewerbeschule<br />
die japanischen Vielfarbenholzschnitte diskutiert worden se<strong>in</strong>. Orlik hatte 1900-1901 als<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r von wenigen die japanische Kunst <strong>in</strong> ihrem Ursprungsland studiert, 120 die seit den<br />
1860er Jahren die europäische Malerei <strong>und</strong> das Kunsthandwerk, besonders aber die<br />
"Stilkunst um 1900" bee<strong>in</strong>flußte. Hablik selbst erwarb während s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Wiener Studienzeit<br />
1903 <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Monographie über Hokusai. So s<strong>in</strong>d Motive <strong>und</strong> Stilmittel der japanischen<br />
Kunst <strong>und</strong> <strong>des</strong> Japonismus auch <strong>in</strong> der Mappe "Schaffende Kräfte" durchgehend zu<br />
beobachten. Die charakter<strong>ist</strong>ische Form <strong>und</strong> die kulissenhafte Wirkung der alle<strong>in</strong>-<br />
stehenden Felsnadel (Bl. 3, Abb. 59) s<strong>in</strong>d bereits <strong>in</strong> Ando Hiroshiges "Schwertfelsen"<br />
(1856, Abb. 86) vorformuliert. Die große Welle (Bl. 10, Abb. 66) gestaltete Hablik <strong>in</strong> der<br />
Komposition <strong>und</strong> <strong>in</strong> den greifenden Formen der überkippenden Schaumkrone nach dem<br />
Vorbild der "Woge" (1823/32, Abb. 87) von Hokusai (1760-1849) <strong>und</strong> verwendete zu-<br />
sätzlich die Streifenornamente anderer japanischer Wellendarstellungen. 121 Der dia-<br />
gonale Bildaufbau, der die Ansicht <strong>des</strong> mit Vögeln besetzten Baumes (Bl. 11, Abb. 67)<br />
bestimmt, <strong>ist</strong> für die japanische Kunst <strong>des</strong> neunzehnten Jahrh<strong>und</strong>erts charakter<strong>ist</strong>isch <strong>und</strong><br />
wurde vor allem von Hokusai <strong>und</strong> Hiroshige (Abb. 88) gehandhabt (Wichmann 1980,<br />
218 ff.). Der zweite, durch das ganze Bild ragende Baumast (Bl. 14, Abb. 70) steht <strong>in</strong> der<br />
Tradition der ausschnitthaften japanischen Brückendarstellungen.
- 63 -<br />
Auf den Gr<strong>und</strong>lagen der Wiener Stilkunst entstanden auch die zwanzig verschiedenen<br />
Versalschriften, mit denen Hablik die Aphorismen der Mappe "Schaffende Kräfte"<br />
gestaltete. Sie s<strong>in</strong>d Proben der im Unterricht an der Wiener Kunstgewerbeschule<br />
erlangten Fertigkeiten. Habliks Lehrer Rudolf von Larisch, seit 1901 Professor für orna-<br />
mentale Schrift, galt zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Zeit als führender Vertreter der Schriftkunst. Schrift-<br />
proben von Wenzel Hablik, die mit der auf dem Umschlagtitel der "Schaffenden Kräfte"<br />
verwendeten Versalschrift übere<strong>in</strong>stimmen, erschienen noch 1907, zwei Jahre nach<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Fortgang aus Wien, zusammen mit teils ähnlichen Schülerarbeiten der Klasse<br />
Larisch <strong>in</strong> dem Band "Jung Wien. Ergebnisse aus der Wiener Kunstgewerbeschule" bei<br />
Alexander Koch <strong>in</strong> Darmstadt, 122 <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m ähnlichen Aufsatz von A.S. Levetus im<br />
gleichen Jahr <strong>in</strong> der Zeitschrift "The Studio" 123 <strong>und</strong> <strong>in</strong> der zweiten Auflage von Rudolf<br />
von Larischs Buch über "Unterricht <strong>in</strong> ornamentaler Schrift" 1909 (Abb. 722-724-). 124<br />
Die unterschiedlichen Schriften der Aphorismen waren zugleich auf die assoziative<br />
Mitarbeit <strong>des</strong> Betrachters abgestellt: Jede e<strong>in</strong>zelne Schriftart sollte den Aussagegehalt <strong>des</strong><br />
zugehörigen Bil<strong>des</strong> widerspiegeln. Die Überprüfung ihres Symbolwertes, den Hablik<br />
Ewald Bender für e<strong>in</strong>ige der Versalschriften mitteilte, 125 sche<strong>in</strong>t uns jedoch kaum mehr<br />
als Spekulation; der une<strong>in</strong>geweihte Betrachter wird Bedeutungen dieser Art nicht<br />
entschlüsseln.<br />
Aus der Komb<strong>in</strong>ation s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r jahrelangen Studien zur Kr<strong>ist</strong>all- <strong>und</strong> Bergarchitektur mit<br />
E<strong>in</strong>flüssen der Wiener Stilkunst hatte Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>heitliche Bildsprache <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
ausgereiften persönlichen Stil gewonnen. Befriedigende Kompositionen <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> sichere<br />
graphische Durchführung verb<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der Mappe "Schaffende Kräfte" zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Radierungszyklus von hoher künstlerischer Qualität.<br />
Bereits 1909 veröffentlichte Ferd<strong>in</strong>and Avenarius im "Kunstwart" <strong>e<strong>in</strong>e</strong> kurze, von vier<br />
Reproduktionen begleitete E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong> die Mappe "Schaffende Kräfte" (Avenarius:<br />
Unsere Bilder 1909). 1910 folgte die mehrseitige <strong>und</strong> bebilderte Rezension von Ewald<br />
Bender <strong>in</strong> der "Deutschen Kunst <strong>und</strong> Dekoration". Nach Ausstellungen e<strong>in</strong>zelner Blätter<br />
1908 <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er Sezession <strong>und</strong> 1909 im Wiener Kunstgewerbemuseum 126 zeigte<br />
Herwarth Walden 1912 den gesamten Zyklus <strong>in</strong> der Graphikausstellung <strong>des</strong> "Sturm"<br />
(Ausstellungs-Katalog Dritte Ausstellung 1912). Auch
- 64 -<br />
auf Habliks sonstigen E<strong>in</strong>zel- <strong>und</strong> Kollektivausstellungen, u.a. 1911 im Kunstsalon<br />
K<strong>und</strong>e <strong>in</strong> Hamburg <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Kunsthütte Chemnitz, 1912 <strong>in</strong> den Kunstver<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Magdeburg <strong>und</strong> Münster, 1917 im Bremer Gewerbemuseum <strong>und</strong> 1918 im Altonaer<br />
Museum, war die Mappe regelmäßig zu sehen. Die Kritik betonte vor allem den deko-<br />
rativen Wert der Bilddarstellungen. "Im Technischen aber bew<strong>und</strong>ern wir ... die sichere<br />
Zeichnung" schrieb Ewald Bender (1910, 168). Auf besondere Ablehnung stieß die<br />
bildnerisch-literarische Mischform; denn, so Bender weiter, "noch niemals haben solche<br />
Versuche zu künstlerisch e<strong>in</strong>wandfreier Gestaltung geführt. (...) Es dokumentieren solche<br />
Grenzüberfälle zwar stets <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n hochgearteten S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> vielfältige Begabung, aber höchst<br />
unorganisches Arbeiten der künstlerischen Phantasie" (S. 170). Die Aphorismen erschie-<br />
nen als "künstlich aufoktroierte ... hochtrabend kl<strong>in</strong>gende Inschriften". 127 Man beschei-<br />
nigte dem Künster "kritisches Versagen", "weil die Philosophie über s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kräfte geht,<br />
sie zersplitterte nur s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kraft" <strong>und</strong> diagnostizierte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n mißverstandenen<br />
Nietzsche bed<strong>in</strong>gte <strong>in</strong>dividualanarchische Persönlichkeitsbildung", die "naturgemäß e<strong>in</strong><br />
entsprechen<strong>des</strong> Kunstschaffen" erzeugte. 128<br />
Auch Hablik selbst neigte seit der Fertigstellung der Mappe dazu, nicht den dar<strong>in</strong> ange-<br />
legten lehrhaften Charakter, sondern ihren Kunstwert zu betonen. "Was sagen Sie zu<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bilderbuch? Ist es nicht e<strong>in</strong> Kunstwerk?", schrieb er im April 1909. 129 In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Brief an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Prager Lehrer Franz Thiele vom November 1910 g<strong>in</strong>g er lediglich auf die<br />
künstlerische Gestaltung, nicht aber auf den Inhalt der Radierungen e<strong>in</strong>. 130 1915 ließ er je<br />
sieben Bild- <strong>und</strong> Schriftplatten <strong>des</strong> Zyklus abschleifen. 131 Der Preis <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Mappe, der<br />
schon zuvor das Zehnfache der Herstellungskosten betragen hatte, 132 stieg damit wegen<br />
der nun für allezeit begrenzten Auflage um weitere e<strong>in</strong>h<strong>und</strong>ert Mark. 133<br />
Im Jahre 1942 ließ Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demann von den sechs<strong>und</strong>zwanzig nachge-<br />
lassenen Radierungsplatten <strong>in</strong> gleicher Aufmachung e<strong>in</strong>h<strong>und</strong>ert Neudrucke der Mappe<br />
herstellen, von denen sich heute etliche <strong>in</strong> öffentlichen <strong>und</strong> privaten Sammlungen<br />
bef<strong>in</strong>den. 134 Der Lebenszyklus <strong>ist</strong> hier wegen der fehlenden Platten zerstört. 135
- 65 -<br />
c) Der Zyklus als Spiegelbild von Nietzsches "Zarathustra"<br />
Anfang <strong>des</strong> zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts hatte sich das "Pathos <strong>des</strong> Schaffens" (Hubert Bär)<br />
<strong>und</strong> der Tat, das Hablik seit 1909 <strong>in</strong> Briefen <strong>und</strong> Aufzeichnungen immer stärker ent-<br />
faltete, gegen die "spätbürgerliche Reizsamkeit für das Dekadente, Raff<strong>in</strong>ierte <strong>und</strong> Inter-<br />
essante" (Hamann/Hermand 1977, Bd. 4, 150), gegen die impression<strong>ist</strong>ische Ver-<br />
<strong>in</strong>nerlichung <strong>und</strong> Suggestibilität (ebd., 151 f.) <strong>des</strong> neunzehnten Jahrh<strong>und</strong>erts durch-<br />
gesetzt. Bee<strong>in</strong>flußt durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n mißverstandenen Nietzsche, der noch die Überw<strong>in</strong>dung<br />
<strong>des</strong> "Übermenschen" angestrebt hatte, schrieb Edgar Steiger 1898 (S. 345): "Seht ihr ihn<br />
herniedersteigen über die Berge, den Br<strong>in</strong>ger der neuen Werte ... der 'Tatmensch', auf den<br />
ihr alle gewartet habt!" "Wohl das wichtigste Ergebnis dieser Wende <strong>in</strong>s Männliche,<br />
Aktiv<strong>ist</strong>ische <strong>und</strong> Tatkräftige war <strong>e<strong>in</strong>e</strong> deutliche Aufwertung aller 'personalen' Bezüge.<br />
(...) ... man (stellte den Menschen) wieder als e<strong>in</strong> aktiv handeln<strong>des</strong> Wesen h<strong>in</strong>, das r<strong>in</strong>gt,<br />
neue Werte setzt <strong>und</strong> gerade <strong>in</strong> dieser Mächtigkeit über sich selbst s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>in</strong>neren Adel<br />
offenbar. An die Stelle <strong>des</strong> willenlosen Impression<strong>ist</strong>en trat daher <strong>in</strong> steigendem Maße der<br />
Sucher- oder Kämpfertyp ... (...) Der Proteus, der Mensch mit den tausend Masken, wurde<br />
... mehr <strong>und</strong> mehr durch den Unerschütterlichen, den Beharrlichen, den Allesüberw<strong>in</strong>der<br />
verdrängt, der sich aus eigenem Entschluß <strong>in</strong> den Dienst <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s 'ideal<strong>ist</strong>ischen' Sollens<br />
stellt" (Hamann/Hermand 1977, Bd. 4, 152). Paul Scheerbart räumte dem "Schaffen"<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n hohen Rang e<strong>in</strong>. Der Umschlag <strong>in</strong>s Aktiv<strong>ist</strong>ische, so Hubert Bär (1977, 155), spie-<br />
gelt sich <strong>in</strong> verschiedenen Schichten s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Werks wider. 136 Vor allem die Zeitschrift<br />
"Die Tat", die 1909, im Entstehungsjahr der Mappe "Schaffende Kräfte", gegründet<br />
wurde, vertrat diese Ge<strong>ist</strong>esrichtung, die Schöpferkraft, Willensstärke <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
"Philosophie <strong>des</strong> Schaffens" als Voraussetzung für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n durch die Kraft <strong>des</strong> Ge<strong>ist</strong>es<br />
geadelten Menschen propagierte.<br />
Schon die zeitgenössische Kritik warf <strong>in</strong> gleicher Weise Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n "mißverstandenen<br />
Nietzsche" vor, sah also <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Verb<strong>in</strong>dung zwischen dem lehrhaften Charakter <strong>des</strong> Vor-<br />
worts <strong>und</strong> der Aphorismen <strong>in</strong> der Mappe "Schaffende Kräfte" <strong>und</strong> jener Figur <strong>des</strong> Lehrers<br />
"Zarathustra", die den "Übermenschen" predigt. Tatsächlich hatte Hablik die utopischen<br />
Bildele-
- 66 -<br />
mente <strong>und</strong> den ganzen Themenkomplex <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r mit den Kr<strong>ist</strong>allbauten verb<strong>und</strong>enen gesell-<br />
schaftlichen Erneuerung zurückgestellt, um die Erkenntnis der Naturschöpfung <strong>und</strong> die<br />
Erschaffung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen paradiesischen Welt ganz auf die eigene Person zu projizieren.<br />
Se<strong>in</strong> Selbstverständnis <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> persönlichen Erfahrungen sollten als Lehrbeispiel für<br />
den Betrachter gelten.<br />
Außer dem Vorwort schildern auch der Brief an Ewald Bender <strong>und</strong> der etwa 1908<br />
entstandene Lebenslauf 137 Begebenheiten, die mit dem Bergerlebnis <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung stehen<br />
<strong>und</strong> die deutliche Parallelen zu Nietzsches "Zarathustra" aufweisen. Im Mittelpunkt steht<br />
jener Zeitpunkt, an dem Hablik zur "endlichen Befreiung an Leib <strong>und</strong> Seele" <strong>und</strong> zu<br />
"seelischer Klarheit" 138 gelangte <strong>und</strong> der auch bei Zarathustra e<strong>in</strong>getreten war: "endlich<br />
aber verwandelte sich se<strong>in</strong> Herz" (Nietzsche 1891, Ausg. 1979, 9). Vollständige E<strong>in</strong>sam-<br />
keit ("suchte ich k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Menschenhilfe" 139 ) <strong>ist</strong> das Motiv, mit dem Hablik die Größe <strong>des</strong><br />
Augenblicks beschreibt. Zarathustra trifft nach e<strong>in</strong>samem Abstieg vom Gebirge auf den<br />
E<strong>in</strong>siedler, der ihm die ge<strong>ist</strong>ige Wandlung ansieht: "Verwandelt <strong>ist</strong> Zarathustra, zum K<strong>in</strong>d<br />
ward Zarathustra, e<strong>in</strong> Erwachter <strong>ist</strong> Zarathustra: was willst du nun bei den Schlafenden?"<br />
(ebd.) Entsprechend stimmt Habliks zweiter Lebensabschnitt ("E<strong>in</strong> anderer neuer Mensch<br />
kam ich zurück, um bald darauf das Meer zu sehen <strong>und</strong> den besten Fre<strong>und</strong> zu f<strong>in</strong>den" 140 )<br />
mit dem zweiten Teil <strong>des</strong> "Zarathustra" übere<strong>in</strong>. Hier spricht der Weise: "Wie sollte e<strong>in</strong><br />
Strom nicht endlich den Weg zum Meere f<strong>in</strong>den! Wohl <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> See <strong>in</strong> mir, e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>sied-<br />
lerischer, selbstgenugsamer; aber me<strong>in</strong> Strom der Liebe reißt ihn mit sich h<strong>in</strong>ab - zum<br />
Meere!" (ebd., 68)<br />
Aufgr<strong>und</strong> der Tagebücher <strong>und</strong> Briefe <strong>des</strong> Künstlers s<strong>in</strong>d s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> biographischen Angaben<br />
nicht zu bezweifeln. Aufschlußreicher als die Realität der äußeren Umstände aber <strong>ist</strong> ihre<br />
epische Ausbreitung <strong>und</strong> Verarbeitung zu literarischer Form, die die - vielleicht zufäl-<br />
ligen - Parallelen zum "Zarathustra" bewußt hervorhebt. Bei s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Publikum, das Ferdi-<br />
nand Avenarius als "erlesene Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Versteher" 141 beschrieb, konnte Hablik damit<br />
rechnen, daß es die Übere<strong>in</strong>stimmungen mit dem "Zarathustra" wahrnehmen würde.<br />
Dabei <strong>ist</strong> es durchaus wahrsche<strong>in</strong>lich, daß der Künstler die Inspiration zur Alpen-<br />
wanderung im August 1906 142 erst durch Nietz-
- 67 -<br />
sches Buch erhalten hatte: "Alle m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kraft war wie gelähmt bis zu dem Augenblick, wo<br />
ich mich aufraffte, um die Alpen zu sehen - woh<strong>in</strong> es mich zog mit aller Kraft", 143 schrieb<br />
er über s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zeit an der Prager Akademie, während der er den "Zarathustra" zum<br />
erstenmal gelesen hatte. 144<br />
Wolfgang Pehnt ( 2 1981, 42 f.) hat auf die starke Wirkung <strong>des</strong> "Zarathustra" als<br />
"kanonisches Buch" für die expression<strong>ist</strong>ische Dichtung <strong>und</strong> Architektur h<strong>in</strong>gewiesen.<br />
"Nietzsches Absage an das Bürgerliche, an H<strong>ist</strong>orie <strong>und</strong> etablierte Autorität <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Verachtung <strong>des</strong> Staates um <strong>des</strong> Volkes willen ließen ihn als den e<strong>in</strong>zigen freien<br />
Deutschen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Epoche ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Beschreibung <strong>des</strong> schöpferischen Aktes als<br />
rauschhafter Offenbarung entsprach der Me<strong>in</strong>ung der Expression<strong>ist</strong>en." Peter Pütz<br />
schreibt (1979, 267), daß die "Vision vom Übermenschen" bereits seit den "neunziger<br />
Jahren <strong>des</strong> vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts die Menschen <strong>in</strong> ihren Bann nahm <strong>und</strong> sie zugleich mit<br />
Bl<strong>in</strong>dheit schlug für die Vieldeutigkeit <strong>und</strong> beabsichtigte Widersprüchlichkeit von<br />
Zarathustras 'Lehren' ".<br />
E<strong>in</strong>e Vielzahl von Motiven, mit denen sich Hablik seit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n frühesten Kr<strong>ist</strong>all-<br />
architekturen beschäftigte, fand er im "Zarathustra" zu philosophischer Form verarbeitet.<br />
Die Bergwelt als Ort <strong>des</strong> Geschehens, die Gebirgsarchitekturen <strong>und</strong> das Motiv <strong>des</strong><br />
"H<strong>in</strong>über": über Brücken <strong>und</strong> Abgründe dem "Verlangten", der sehnsuchtsvoll-<br />
unerreichbaren Hoffnung entgegen, <strong>und</strong> damit wichtige Themen aus der Malerei <strong>des</strong><br />
neunzehnten Jahrh<strong>und</strong>erts (etwa <strong>in</strong> Böckl<strong>in</strong>s "Toten<strong>in</strong>sel" seit 1880), hatte Nietzsche<br />
erneut auf das menschliche Schicksal übertragen: "Der Mensch <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Seil, geknüpft<br />
zwischen Tier <strong>und</strong> Übermensch - e<strong>in</strong> Seil über <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Abgr<strong>und</strong>e. E<strong>in</strong> gefährliches H<strong>in</strong>-<br />
über, e<strong>in</strong> gefährliches Auf-dem-Wege, e<strong>in</strong> gefährliches Zurückblicken, e<strong>in</strong> gefährliches<br />
Schaudern <strong>und</strong> Stehenbleiben" (Ausg. 1979, 13). Peter Pütz (1979, 283) sieht <strong>in</strong> den<br />
Landschaftsformen" <strong>des</strong> "Zarathustra" "zugleich Zustände <strong>des</strong> Menschen: Der Wanderer<br />
erklettert den Gipfel <strong>des</strong> Berges <strong>und</strong> blickt mit Schauder zurück <strong>in</strong> den Abgr<strong>und</strong>. <strong>Dieser</strong><br />
deutet auf die überw<strong>und</strong>ene Phase <strong>des</strong>sen, der auf dem Weg zum Übermenschen <strong>und</strong><br />
ständig vom Absturz bedroht <strong>ist</strong>." Das Motiv <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Bergarchitektur als Symbol der<br />
Erkenntnis, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Architektur für den zukünftigen Menschen, das Novalis<br />
vorbildete <strong>und</strong> später Scheer-
- 68 -<br />
bart zu utopischen Entwürfen verarbeitete, konnte Hablik bei Nietzsche nachlesen: "Ich<br />
liebe den, welcher arbeitet <strong>und</strong> erf<strong>in</strong>det, daß er dem Übermenschen das Haus baue <strong>und</strong> zu<br />
ihm Erde, Tier <strong>und</strong> Pflanze vorbereite: denn so will er s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Untergang" (ebd., 13).<br />
Schließlich: "... mit den Bergen soll der Erkennende bauen lernen!" (ebd., 85) Die auf<br />
John Mart<strong>in</strong> zurückgehende "Todtenbrücke" <strong>und</strong> Novalis' kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Burganlagen f<strong>in</strong>den<br />
sich bei Nietzsche zur "e<strong>in</strong>samen Berg-Burg <strong>des</strong> To<strong>des</strong>" (ebd., 111) verkürzt.<br />
Der "Zarathustra" regte Hablik zu literarischen Äußerungen <strong>und</strong> zu neuen Motiven an.<br />
S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> eher triviale Bemerkung: "... wenn ich nämlich die Häuser <strong>und</strong> die Menschen<br />
ansehe, diese großen <strong>und</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Haufen 'Nichts' " 145 <strong>ist</strong> bei Nietzsche vorformuliert:<br />
"Und e<strong>in</strong>mal sah er <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Reihe neuer Häuser; da w<strong>und</strong>erte er sich <strong>und</strong> sagte: 'Was<br />
bedeuten diese Häuser? Wahrlich k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Seele stellte sie h<strong>in</strong>, sich zum Gleichnisse!<br />
Nahm wohl e<strong>in</strong> blö<strong>des</strong> K<strong>in</strong>d sie aus s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Spielschachtel? (...)' Endlich sagte er betrübt:<br />
'Es <strong>ist</strong> alles kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r geworden! (...)' " (ebd., 136). Hablik setzte unter den Steilhang <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Kr<strong>ist</strong>allbergs die Worte: "Du hast erst Fre<strong>und</strong>e - wenn sie d<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Höhen <strong>und</strong> Schlünde<br />
sehen - ohne zu bangen - u. - ohne zu neiden" (Abb. 35). Ähnlich ließ Nietzsche Zarathu-<br />
stra <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "stillsten St<strong>und</strong>e" der Höhlene<strong>in</strong>samkeit zu sich selbst sagen: "Am Fuße<br />
wohne ich <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Höhe: wie hoch m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gipfel s<strong>in</strong>d? Niemand sagte es mir noch.<br />
Aber gut kenne ich m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Täler" (ebd., 121).<br />
Habliks Verwendung von Aphorismen zusätzlich zur Bilddarstellung orientiert sich an<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Ausspruch Zarathustras: "Wer <strong>in</strong> Blut <strong>und</strong> Sprüchen schreibt, der will nicht<br />
gelesen, sondern auswendig gelernt werden. (...) Sprüche sollen Gipfel se<strong>in</strong>: <strong>und</strong> die, zu<br />
denen gesprochen wird, Große <strong>und</strong> Hochwüchsige" (ebd., 34). Die Analyse der von<br />
Nietzsche verwendeten Sprachformen könnte ebenso für Habliks Aphorismen gelten.<br />
Peter Pütz (1979, 282) schreibt: "Um s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Thesen möglichst e<strong>in</strong>prägsam vorzutragen,<br />
bedient sich Zarathustra aller möglichen Formen der Wiederholung. (...) Wiederholt<br />
werden nicht nur e<strong>in</strong>zelne Wörter, Satzteile (Anapher, Frage, Antwort usw.), sondern<br />
auch ganze Sätze, oft nur unter Weglassung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s e<strong>in</strong>zigen Wortes. (...) Häufig <strong>ist</strong><br />
Wiederholung mit Variation verb<strong>und</strong>en, bei der <strong>in</strong> der Veränderung das Gleichbleibende<br />
stets
- 69 -<br />
sichtbar bleibt. (...) Den Formen der Wiederkehr <strong>in</strong> Sätzen <strong>und</strong> Gedanken entsprechen die<br />
vielfältigen Arten musikalischer Wiederholung wie Alliteration, End- <strong>und</strong> B<strong>in</strong>nenreime.<br />
Wiederholung bestimmt auch den Rhythmus, das wichtigste, musikalische Element <strong>in</strong><br />
Nietzsches Prosa." "Die alle Regeln der Stil<strong>ist</strong>ik sprengende Lust an der Wiederholung<br />
dient weniger der Verständlichkeit als <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r gewaltigen Suggestion. (...) Wiederholt wer-<br />
den Gedanken <strong>und</strong> Satzkonstruktionen <strong>in</strong> Parallelismen aller Art. Die Analogie überwiegt<br />
die logische Verknüpfung ..." (ebd.). In der gleichen Weise bemühte sich Hablik <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Aphorismen um die Formulierung unumstößlicher Wahrheiten.<br />
Besonders vielfältig wurden die bildsymbolischen Zitate aus dem "Zarathustra", als<br />
Hablik Ende 1908 mit den direkten Vorzeichnungen zur Mappe "Schaffende Kräfte"<br />
begann. Neben den bekannten s<strong>in</strong>d fast alle neu h<strong>in</strong>zukommenden Motive bei Nietzsche<br />
nachweisbar. Nietzsche formuliert: "Ich sage euch: man muß noch Chaos <strong>in</strong> sich haben,<br />
um <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n tanzenden Stern gebären zu können. Ich sage euch: ihr habt noch Chaos <strong>in</strong><br />
euch" (Ausg. 1979, 15). Hablik verbildlicht dieses Chaos <strong>in</strong> der Geburt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s strahlenden<br />
Kr<strong>ist</strong>alls <strong>und</strong> schreibt im zugehörigen Aphorismus: "Oh könnt' ich ewig weilen auf jenen<br />
schöpferischen Höhen - wo aus dem Nichts die Sterne sich gebären" (zu Bl. l, Abb. 57a).<br />
Er verkörpert sich selbst <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "schönen Ziehwolke" 146 (Bl. 3, Abb. 59), die Zarathustra<br />
zwar haßt, aber ausführlich erwähnt: "Und wen haßte ich mehr, als ziehende Wolken <strong>und</strong><br />
alles, was dich befleckt? (...) Lieber will ich noch unter verschlossenem Himmel <strong>in</strong> der<br />
Tonne sitzen ... als dich Licht-Himmel mit Zieh-Wolken befleckt sehn!" (ebd., 134) Die<br />
E<strong>in</strong>führung der Pflanzenwelt <strong>in</strong> die Kr<strong>ist</strong>allsymbolik (Bl. 5, Abb. 61) entspricht Zara-<br />
thustras Liebe zu dem, der "dem Übermenschen das Haus baue <strong>und</strong> zu ihm Erde, Tier <strong>und</strong><br />
Pflanze vorbereite ..." (ebd., 13). Eben dieses Haus <strong>des</strong> Übermenschen entwirft Hablik:<br />
"... <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Paradiesen leben alle Tiere <strong>und</strong> Blumen <strong>und</strong> köstlichen St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ..." (zu Bl. 9,<br />
Abb. 65a). Nietzsches zentraler Gedanke von der "ewigen Wiederkunft <strong>des</strong> Gleichen"<br />
f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> Habliks " 'Anfang' bed<strong>in</strong>gt 'Ende', dieses wiederum Anfang <strong>und</strong> Ende bis -<br />
?" (zu Bl. 11, Abb. 67a), wobei Hablik eher zu Darw<strong>in</strong>s "Kampf ums Dase<strong>in</strong>" als zu<br />
Nietzsches "extremste(r) Form <strong>des</strong> Nihilismus" 147 tendiert. Aus dem Meer aufsteigende<br />
Berge, bei Novalis mit kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Burgen kombi-
- 70 -<br />
niert, f<strong>in</strong>den sich im "Zarathustra" als wichtige Landschaftsmetapher. "Woher kommen<br />
die höchsten Berge? so fragte ich e<strong>in</strong>st. Da lernte ich, daß sie aus dem Meer kommen"<br />
(ebd., 125). Jetzt ersche<strong>in</strong>t auch bei Hablik das Meer als eigenes Bildmotiv vor der Folie<br />
weit entfernter Bergarchitekturen (Bl. 10, 12, 19, Abb. 66, 68, 75). S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> schlangen-<br />
ähnlich sich aufbäumenden Wellen entsprechen der tiermetaphorischen Bildsprache<br />
bei Nietzsche: "... <strong>und</strong> da das Meer: das wälzt sich zu mir heran, zottelig, schmeich-<br />
lerisch, das getreue h<strong>und</strong>ertköpfige H<strong>und</strong>s-Ungetüm, das ich liebe" (ebd., 153). 148 Wie<br />
Nietzsche verwendet Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ausführliche Tiersymbolik <strong>und</strong> wählt sich zum<br />
Stellvertreter im letzten Blatt <strong>des</strong> Zyklus (Abb. 76) Zarathustras Liebl<strong>in</strong>gstier: "Me<strong>in</strong><br />
Adler <strong>ist</strong> wach <strong>und</strong> ehrt gleich mir die Sonne. (...) Ihr seid m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> rechten Tiere; ich liebe<br />
euch" (ebd., 265).<br />
Hablik verstand den "Zarathustra", wie s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> dem "Schaffen" <strong>und</strong> der "Tat" zugeneigte<br />
Zeit es von ihm erwartete. "Der Übermensch im S<strong>in</strong>ne Nietzsches <strong>ist</strong> niemand der stre-<br />
bend sich bemüht, der zerrissen wird vom Willen zur Tat <strong>und</strong> trostlosester Zerknirschung<br />
... Er soll herrschende <strong>und</strong> erstrebte Ideale <strong>und</strong> Werte immer nur überw<strong>in</strong>den, er soll<br />
nichts erreichen oder sich verfestigen. Die Konzeption <strong>des</strong> Nietzscheschen Übermen-<br />
schen trägt weniger das Merkmal <strong>des</strong> Über im S<strong>in</strong>ne <strong>des</strong> late<strong>in</strong>ischen supra als das <strong>des</strong><br />
H<strong>in</strong>über im S<strong>in</strong>ne von trans" (Pütz 1979, 273). Hablik dagegen wird ständig von der<br />
Ungeduld bedrängt, zur "endlichen umfangreichen Tat zu gelangen". 149 Er strebt gerade<br />
das "supra" an, <strong>in</strong>dem er mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m "geme<strong>in</strong>samen Streben zugunsten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Welt-<br />
werkes" 150 den neuen Menschen schaffen will, denn: "die absolute Folge <strong>des</strong> Gedankens<br />
<strong>ist</strong> die Tat". 151 Während Nietzsches Berg- <strong>und</strong> Architekturmetaphern nur mehr Gleich-<br />
nisse s<strong>in</strong>d, "um zu veranschaulichen <strong>und</strong> zu verschleiern" (ebd., 283), Motive, die "e<strong>in</strong><br />
ganzes Feld von Bedeutsamkeiten (evozieren), das nach allen Richtungen ausgeschritten<br />
wird" (ebd.), entwirft Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong> utopische Bergarchitektur mit utopischen Materialien.<br />
Das "Supra" wird durch den zeichnerischen Entwurf der künftigen Welt bereits sichtbar<br />
<strong>und</strong> ex<strong>ist</strong>ent.<br />
Der zweite für beide Werke zentrale Begriff <strong>ist</strong> das "Schaffen". Nietzsche schreibt: "We-<br />
nig begreift das Volk das Große, das <strong>ist</strong>: das Schaffen-
- 71 -<br />
de. (...) Um die Erf<strong>in</strong>der von neuen Werten dreht sich die Welt - unsichtbar dreht sie sich"<br />
(Ausg. 1979, 43). Er apostrophiert den Willen als Schaffenden: "Weg führte ich euch von<br />
diesen Fabelliedern, als ich euch lehrte: 'der Wille <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Schaffender' " (ebd., 117). Aber,<br />
so Peter Pütz (1979, 279), <strong>in</strong> Nietzsches nie verstummender Aufforderung zum Schaffen<br />
"manifestiert sich letztlich nur wieder das Nicht-h<strong>in</strong>nehmen-Wollen <strong>des</strong> Vorgegebenen,<br />
der freiheitsberaubenden Faktizität. (...) Freiheit bewährt sich als schaffende vorerst nur<br />
als Freiheit von; die Freiheit zu bedürfte <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuen Mythos". Diesen neuen Mythos<br />
entwirft Hablik: Er wendet den Begriff <strong>des</strong> Schaffens auf den Stand <strong>des</strong> Künstlers <strong>und</strong><br />
damit vor allem auf die eigene Person an:<br />
"Schaffende Künstler nenne ich diejenigen Menschen, welche neue Werte aus alten<br />
D<strong>in</strong>gen herausholen, Männer, welche erbarmungslos 'Verbrauchtes' vernichten <strong>und</strong><br />
Neues an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Stelle setzen." 152<br />
Er <strong>ist</strong> der Schöpfer <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Natur, die das Bild der künftigen paradiesischen Welt <strong>in</strong><br />
sich trägt.<br />
Hablik bediente sich der Popularität der charismatischen Eigenschaften der Kunstfigur<br />
<strong>des</strong> Weltweisen Zarathustra. Er richtete den eigenen Lebenslauf zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Spiegelbild der<br />
"Zarathustra"-Geschichte aus, um sich <strong>in</strong> den Rang <strong>des</strong> Lehrers <strong>und</strong> Religionsstifters zu<br />
erheben. Die Übernahme von Sprachstil <strong>und</strong> Bildmotiven diente ihm dazu, dem lite-<br />
rarisch gebildeten Publikum diese Identifikation zu vermitteln. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Brief an Prof.<br />
Rose Burger 1913 geriet ihm diese Identifikation <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r nochmaligen Steigerung zur<br />
Apotheose der eigenen Person: "Wir 'werteschaffenden' Menschen s<strong>in</strong>d der Allmacht am<br />
nächsten." 153
- 72 -<br />
2. KAPITEL:<br />
DER FLUG INS ALL.<br />
ZUM VERHÄLTNIS VON NATUR, TECHNIK UND UTOPIE<br />
Noch während Hablik 1906/07 mit verschiedenen Formen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kr<strong>ist</strong>allbauten experi-<br />
mentierte, entwarf er s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ersten uns bekannten Flugkörper: L<strong>in</strong>senförmige Gebilde, die<br />
"Flugsamen" nachempf<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d, sollten sich mit "Hubpropellern" fortbewegen (Abb.<br />
89-91). Er plante e<strong>in</strong> zeppel<strong>in</strong>artiges Luftschiff mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Außenhülle aus Gold (!), <strong>in</strong> die<br />
unbrennbares, nicht explosibles Gas gefüllt werden sollte (Abb. 92). 154<br />
Auf den ersten Aufstieg <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Zeppel<strong>in</strong>-Luftschiffes im Jahre 1900 <strong>und</strong> die Flugversuche<br />
der Gebrüder Wright 155 hatten Hablik <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fre<strong>und</strong>e bereits 1903 mit eigenen Experi-<br />
menten reagiert:<br />
"Wir ließen vergangene Woche Dienstag geme<strong>in</strong>sam das erste Modell unseres<br />
Luftschiffes abends um 1/2 9 Uhr am Kahlenberge fliegen. Ungefähr sechs Meter<br />
über dem Boden schwebte es, <strong>und</strong> wir waren wie uns<strong>in</strong>nig vor Freude, schwitzten<br />
dabei durch <strong>und</strong> durch, als wir, jeder drei Kettchen zur Regulierung <strong>in</strong> der Hand,<br />
h<strong>in</strong>terher liefen. Dem geme<strong>in</strong>samen Druck folgte es aufs Haar. Da plötzlich stolperte<br />
me<strong>in</strong> Fre<strong>und</strong>, die Schnüre fielen ihm aus der Hand <strong>und</strong> aus Schreck ließ auch<br />
ich los. Es gab natürlich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n heftigen Ruck, der Hebel, der das horizontale Rad<br />
bewegte, verbog sich <strong>und</strong> es schoß pfeifend <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bogen gegen e<strong>in</strong>ige Kiefern<br />
..." 156<br />
Für das Erf<strong>in</strong>den neuer Techniken prä<strong>des</strong>t<strong>in</strong>iert, glaubte sich der Künstler noch 1906 den<br />
professionellen Flugversuchen weit voraus:<br />
"Soll man da nicht an der Gerechtigkeit verzweifeln, die es zuläßt, daß andere<br />
Leute Luftschiffe mit allen möglichen Unterstützungen bauen, <strong>und</strong> mir den<br />
Schmerz verzweifelten Wissens lassen? Soll ich mich jemandem anvertrauen?<br />
Weiß, ich hab es versprochen zu schweigen ... Nichts<strong>des</strong>toweniger macht es mir<br />
genug Schmerzen, wenn ich <strong>in</strong> der Zeitung die jämmerlichen Versuche der<br />
verschiedenen Aeronauten lese, <strong>und</strong> me<strong>in</strong> Herz fühlt sich gewaltig gedemütigt,<br />
durch das ihm auferlegte Schweigen." 157<br />
Durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arbeit an utopischen Sujets war Hablik für das Problem <strong>des</strong> Fliegens beson-<br />
ders empfänglich. Der Menschheitstraum vom freien Flug wurde Wirklichkeit, die Utopie<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s völligen Entfernens von der Erde, 'neuen Welten entgegen', schien <strong>in</strong> greifbare<br />
Nähe gerückt. Der zeitliche Zusammenhang s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Entwürfe für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Welt <strong>und</strong><br />
für Flugma-
- 73 -<br />
sch<strong>in</strong>en <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Indiz für die ge<strong>ist</strong>ige Verwandtschaft der utopischen Ideen, deren<br />
Geme<strong>in</strong>samkeiten <strong>in</strong> der Überw<strong>in</strong>dung der Naturgewalten <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Flucht vor<br />
bestehender Kultur <strong>und</strong> Gesellschaftsordnung liegen. Vorsichtig formulierte Hablik die<br />
Erwartung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r besseren Zukunft, die das Fliegen mit sich br<strong>in</strong>gen könnte:<br />
"Vielleicht, wenn der Mensch das Reich der Luft beherrscht, werden die Verhältnisse<br />
besser werden. Ich sehe im Ge<strong>ist</strong>e massige Luftvillen, <strong>in</strong> der Erde verankert -<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Flügelschraubenmasch<strong>in</strong>erie hält sie <strong>in</strong> der Schwebe - <strong>und</strong> nur so zu Zeiten<br />
wird - um die Masch<strong>in</strong>e zu untersuchen - das Haus heruntergelassen, oder bei<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m drohenden Wetter." 158<br />
E<strong>in</strong>en Monat nach dem Entwurf zum zweiten Blatt der "Schaffenden Kräfte", das die im<br />
"Raum" schwebenden Kr<strong>ist</strong>allbauten zeigt, zeichnete er am 29. Dezember 1908 <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
"Luftkolonie" (Abb. 93). Der mit schnellen Strichen h<strong>in</strong>geworfene Flugkörper setzt sich<br />
aus sechs kuppelgedeckten r<strong>und</strong>en oder vieleckigen Zyl<strong>in</strong>dern zusammen, die sich um<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n mittleren Zyl<strong>in</strong>der gruppieren. Sie haben vier befensterte Stockwerke <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d an<br />
der Unterseite mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m sp<strong>in</strong>delartig zugespitzten Gestänge verb<strong>und</strong>en. E<strong>in</strong> System von<br />
"Luftschrauben" auf den Zyl<strong>in</strong>derkuppeln soll die Fortbewegung ermöglichen. Trag-<br />
flächen <strong>und</strong> "Luftsegel" umgeben die ganze "Kolonie".<br />
Die Skizze, die mit der Gestalt der Zyl<strong>in</strong>der an die Formen der Kr<strong>ist</strong>allbauten anknüpft,<br />
besticht mehr durch die Vielzahl der auf dem Blatt vermerkten technischen Details als<br />
durch den künstlerischen Entwurf. Sie <strong>ist</strong> die schnelle Illustration <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s literarischen<br />
Vorgangs: Ihr <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Nachttraum <strong>des</strong> Künstlers vorausgegangen, den er am gleichen Tag<br />
mehrseitig <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tagebuch niederschreibt. 159 Der Traum beg<strong>in</strong>nt mit dem Bau der<br />
Siedlung <strong>und</strong> beschreibt die verwendeten Materialien, die Art der Motoren <strong>und</strong> die<br />
Herstellung der für die Bewohner benötigten Nahrungsmittel. Die Errichtung der Sied-<br />
lung nahm zwölf Jahre <strong>in</strong> Anspruch, <strong>und</strong> der Start "geschah am Morgen <strong>des</strong> 4. August<br />
1920", also am Geburtstag <strong>des</strong> Künstlers. Auf der anschließenden Reise der "Luftkolonie"<br />
wurden während fünf Erdumkreisungen "prachtvolle Entdeckungen" gemacht <strong>und</strong> "ver-<br />
schiedene Menschenrassen" an Bord genommen, die sich auf dem Weiterflug zum Mars<br />
fortpflanzen sollten. Der Traum endet, kurz bevor die Erde "ganz im Nebel der Atmo-<br />
sphäre verschw<strong>und</strong>en war".
- 74 -<br />
Die Traumaufzeichnung <strong>ist</strong> eng verwandt mit utopischen Erzählungen, die lange vor dem<br />
ersten Flug <strong>des</strong> Menschen entstanden waren. Reisen zum Mars s<strong>in</strong>d das Thema <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
ganzen Reihe literarischer Zukunftsvisionen <strong>des</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts. 1865 beschrieb Jules<br />
Verne die Reise "Von der Erde zum Mond". Die von ihm erf<strong>und</strong>ene "Propeller<strong>in</strong>sel"<br />
(1873) konnte sich bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Größe von 28 km 2 mit mächtigen Propelleranlagen zwar<br />
'nur' frei auf dem Meer bewegen, war aber <strong>e<strong>in</strong>e</strong> selbständige Siedlung von zehntausend<br />
E<strong>in</strong>wohnern; der Bau hatte Superlative an Kapital <strong>und</strong> Material verschlungen. Kurd<br />
Laßwitz (1848-1910) berichtet <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Roman "Auf zwei Planeten" (1897) - ähnlich<br />
wie H.G. Wells <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m "Krieg der Welten" aus dem selben Jahr - über den Besuch von<br />
Marsbewohnern auf der Erde. Geht die Reise auch <strong>in</strong> entgegengesetzter Richtung als<br />
später bei Hablik, so ähneln doch die beschriebenen Flugkörper <strong>des</strong>sen Projekten so sehr,<br />
daß wir s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kenntnis <strong>des</strong> Romans annehmen können.<br />
Sechs Jahre nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ersten Fliegenden Siedlung entwarf der Künstler 1914 e<strong>in</strong> zwei-<br />
tes Modell (Abb. 95), bei dem um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> schlanke, an beiden Enden zugespitzte Sp<strong>in</strong>del<br />
oberhalb <strong>des</strong> Schwerpunkts e<strong>in</strong> trommelähnlicher Körper angebracht <strong>ist</strong>. Er wird aus zwei<br />
doppelten Tragflächen gebildet, zwischen denen sich oben Passagiersäle, unten Lande-<br />
plätze für kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Flugzeuge bef<strong>in</strong>den. Die Trommel <strong>ist</strong> mit Gestängen, die schräg abste-<br />
hende Propeller tragen, an der Sp<strong>in</strong>del befestigt. Daneben <strong>ist</strong> mit wenigen skizzenhaften<br />
Strichen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> fliegende Siedlung" angegeben.<br />
Laßwitz berichtet <strong>in</strong> dem Kapitel über "Die Bewohner <strong>des</strong> Mars" von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m frei schwe-<br />
benden "Gebäude", das als r<strong>in</strong>gförmiger Körper <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Höhe von 6.356 Kilometern über<br />
der Erde "parallel dem Horizont <strong>des</strong> Poles" schwebt:<br />
"<strong>Dieser</strong> R<strong>in</strong>g besaß <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Breite von etwa fünfzig Meter <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Innern Durchmesser<br />
von zwanzig, im ganzen also <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Durchmesser von 120 Meter. R<strong>in</strong>gs um<br />
denselben erstreckten sich außerdem, ähnlich wie die R<strong>in</strong>ge um den Saturn, dünne,<br />
aber sehr breite Scheiben, deren Durchmesser bis auf weitere zweih<strong>und</strong>ert Meter<br />
anstieg. Sie bildeten e<strong>in</strong> System von Schwungrädern, das ohne Reibung mit großer<br />
Geschw<strong>in</strong>digkeit um den <strong>in</strong>neren R<strong>in</strong>g herumlief <strong>und</strong> denselben <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ebene<br />
stets senkrecht zur Erdachse hielt. Der <strong>in</strong>nere R<strong>in</strong>g glich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r großen kreisförmigen<br />
Halle, die sich <strong>in</strong> drei Stockwerken von
- 75 -<br />
zusammen etwa fünfzehn Meter Höhe aufbaute. Das gesamte Material dieses<br />
Gebäu<strong>des</strong> wie das der Schwungräder bestand aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m völlig durchsichtigen<br />
Stoffe. <strong>Dieser</strong> war von außerordentlicher Festigkeit <strong>und</strong> schloß das Innere der Halle<br />
vollständig luft- <strong>und</strong> wärmedicht gegen den leeren Weltraum ab" (Laßwitz 1897,<br />
Ausg. 1979, 40).<br />
Erst 1925 f<strong>in</strong>det sich bei Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Entdecker-Siedelung" aus ähnlichem Material: Für<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n "Zyklus Architektur" radierte er <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Schwebende Metallkugel (mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Sa-<br />
turnr<strong>in</strong>g, A.F.), leicht wie Alum<strong>in</strong>ium, hart wie Stahl, durchsichtig wie Glas" (Abb. 604),<br />
von der e<strong>in</strong> früherer Entwurf verloren gegangen se<strong>in</strong> könnte. 161 Aber auch e<strong>in</strong> kugel-<br />
förmiger Flugkörper kommt bereits bei Laßwitz vor:<br />
"... unsre Raumschiffe, die aus Stellit bestehen, s<strong>in</strong>d nicht darauf e<strong>in</strong>gerichtet, den<br />
großen Druck Ihrer Luft <strong>und</strong> den Widerstand, wenn wir nicht mit dem W<strong>in</strong>de<br />
fliegen, zu ertragen. Das Stellit <strong>ist</strong> sehr fest <strong>in</strong> der Kälte <strong>des</strong> Weltraums, aber <strong>in</strong> der<br />
Wärme <strong>und</strong> Feuchtigkeit der Luft wird es schnell angegriffen. Außerdem s<strong>in</strong>d wir<br />
luftdicht durch unsre Kugel von außen abgeschlossen <strong>und</strong> können uns darum<br />
außerhalb derselben an nichts wagen" (ebd., 182 f.).<br />
Während Hablik von der Technik <strong>des</strong> Fliegens zum utopischen Raumflug gelangte,<br />
wurde Laßwitz durch die technische Innovation mit der Wirklichkeit konfrontiert. Er<br />
schrieb nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m utopischen Roman 1909 <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Abhandlung über "Das W<strong>und</strong>er <strong>des</strong><br />
Zeppel<strong>in</strong>". Trotz der unterschiedlichen biographischen Voraussetzungen stimmen beide<br />
<strong>in</strong> ihren Zukunftserwartungen übere<strong>in</strong>: Sieht Hablik "prachtvolle Entdeckungen" voraus,<br />
so schwärmt Laßwitz von den "glänzenden Aussichten ... der Forschung! Urwald <strong>und</strong><br />
Wüste bleiben machtlos dort unten, das Innere Afrikas oder Neu-Gu<strong>in</strong>eas erschließt sich<br />
dem Blick <strong>des</strong> Luftschiffers ebenso wie das Geheimnis der Pole <strong>und</strong> ihrer Eiswüsten"<br />
(Laßwitz 1909, 473). Wo Hablik sich durch die Luftfahrt "bessere Verhältnisse" ersehnt<br />
<strong>und</strong> schon früher die Idee <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r gee<strong>in</strong>ten Menschheit propagiert hatte, formuliert Laßwitz:<br />
"Hier aber, angesichts <strong>des</strong> Luftschiffes, tritt uns <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Tat bei versammeltem<br />
Volk vor die Augen, hier entflammt sich Bewußtse<strong>in</strong> an Bewußtse<strong>in</strong>, der Schauer<br />
<strong>des</strong> Erhabenen mischt sich <strong>in</strong> das Staunen der unmittelbaren Anschauung. Die<br />
<strong>in</strong>dividuelle Erfahrung wird e<strong>in</strong> allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s persönliches Erlebnis, e<strong>in</strong><br />
Repräsentant der seelischen Bewegung, die der Menschheit als E<strong>in</strong>heit zukommt."<br />
(ebd.)
- 76 -<br />
Wie Hablik bei der Erf<strong>in</strong>dung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Welt, so sieht auch Laßwitz <strong>in</strong> der<br />
Technik zugleich die Überw<strong>in</strong>dung der Natur <strong>und</strong> die Fortführung der Naturschöpfung:<br />
"Die Stimmung, die uns unter dem E<strong>in</strong>druck <strong>des</strong> schwebenden Menschenwerkes,<br />
oft willenlos <strong>und</strong> unklar, ergreift, <strong>ist</strong> der psychologische Vorgang, <strong>in</strong> dem uns e<strong>in</strong><br />
Weltgeheimnis vermittelt wird, das Geheimnis der göttlichen E<strong>in</strong>heit von Natur<br />
<strong>und</strong> Menschenge<strong>ist</strong>. Hier erleben wir das W<strong>und</strong>er als e<strong>in</strong> Zeugnis von der Macht<br />
der Technik, als <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Beweis vom Schaffen-Können <strong>des</strong> Menschen. Denn dies <strong>ist</strong><br />
das Evangelium der technischen Kultur: Es <strong>ist</strong> uns <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Macht gegeben, das bl<strong>in</strong>de<br />
Werden der Natur umzusetzen <strong>in</strong> bewußtes Schaffen. Was sich <strong>in</strong> der Natur verwirklicht<br />
durch die technische Kultur, <strong>ist</strong> nichts anderes als die Vernunft selbst,<br />
nämlich die E<strong>in</strong>heit aller gesetzlichen Bestimmungen <strong>des</strong> Bewußtse<strong>in</strong>s." (ebd.,<br />
474)<br />
Das Verhältnis von Natur <strong>und</strong> Technik <strong>ist</strong> <strong>in</strong> Habliks Reise der "Luftkolonie" zum Mars<br />
e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>thema. Er beschreibt ausführlich die zum Bau der Fliegenden Siedlung<br />
verwendeten Materialien. Sie entstammen entweder der Wirklichkeit <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d besonders<br />
wertvoll, oder sie werden <strong>in</strong> neu entwickelten Verfahren hergestellt. Maßgebend für ihre<br />
Auswahl <strong>ist</strong> die "Widerstandskraft gegen alle Arten zerstörender E<strong>in</strong>flüsse wie Oxidation,<br />
Feuer usw.", 162 <strong>und</strong> ihre Qualität <strong>ist</strong> so hoch, daß bei technischen Überprüfungen "Festig-<br />
keit <strong>und</strong> Dichtigkeit nicht festzustellen" s<strong>in</strong>d. Das Baumaterial <strong>ist</strong> "w<strong>und</strong>erbarer Stahl, der<br />
durch e<strong>in</strong> eigentümliches Verfahren mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r starken Silberschicht überzogen wurde -<br />
welche von selbst das Eisen ausschied". Zur Landung der Kolonie dient <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Diamant-<br />
Metallspitze, mit Explosionsanker". Öle brauchen "nur alle vierzig Jahre <strong>in</strong> die Lager<br />
gebracht zu werden". Aus bekannten <strong>und</strong> gerade entdeckten Stoffen werden neue<br />
Materialien synthetisiert; das Endprodukt entsteht durch Kr<strong>ist</strong>allisation:<br />
"Gußstahl wurde <strong>in</strong> großen Kesseln flüssig gemacht - e<strong>in</strong>ige Tropfen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r besonderen<br />
Flüssigkeit, die ich durch Zufall entdeckte, h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>gegossen - <strong>und</strong> nach e<strong>in</strong>igen<br />
M<strong>in</strong>uten konnte man mittels Zangen die fertige Platte, die an der Oberfläche<br />
<strong>des</strong> flüssigen Stahles kr<strong>ist</strong>allisierte, herausheben."<br />
Die Herstellung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen organischen Substanz soll herkömmliche Nahrungsmittel<br />
ersetzen:<br />
"Dieselben waren nichts anderes als Zellen, deren Lebensfähigkeit unbegrenzt war<br />
- <strong>und</strong> deren Gew<strong>in</strong>nung der letzte Erfolg
- 77 -<br />
der Chemie war, die es erreicht hatte, das selbstzeugende Plasma dem Leben zu<br />
entziehen <strong>und</strong> dem menschlichen Organismus direkt dienstbar zu machen."<br />
Schließlich wird beschlossen, "daß noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Menge D<strong>in</strong>ge aufgenommen werden<br />
konnte, die weiteren noch nicht abzusehenden Zwecken dienen sollten. Metalle - Edel-<br />
st<strong>e<strong>in</strong>e</strong> etc. Tiere - ". "Verschiedene Menschenrassen ... deren Fortpflanzungs-Energie <strong>und</strong><br />
-kraft durch nichts gelitten hat, <strong>und</strong> deren Ge<strong>ist</strong> dem geplanten Zweck entsprach", mach-<br />
ten die Fliegende Siedlung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arche Noah gleich.<br />
Die Baumaterialien <strong>und</strong> an Bord genommenen Naturobjekte vere<strong>in</strong>igen die nach Habliks<br />
Vorstellung wertvollsten lebenden <strong>und</strong> anorganischen Ersche<strong>in</strong>ungen der Erde mit dem<br />
Ziel, <strong>in</strong> der "Luftkolonie" aus der Erkenntnis <strong>des</strong> bereits Ex<strong>ist</strong>ierenden noch wertvollere<br />
Materialien <strong>und</strong> Lebewesen zu erschaffen. Er begreift Technik <strong>und</strong> Chemie als Mittel zur<br />
Aneignung <strong>und</strong> Überw<strong>in</strong>dung der ursprünglichen Natur <strong>und</strong> als Voraussetzung zu ihrer<br />
Neuerschaffung. Dar<strong>in</strong> folgt er Paul Scheerbart, der ebenfalls nicht müde wird, für das<br />
Ambiente anderer Gestirne immer neue Substanzen <strong>und</strong> Lebewesen zu erf<strong>in</strong>den, die den<br />
irdischen Ersche<strong>in</strong>ungen weit überlegen s<strong>in</strong>d. 163<br />
Der zweite zentrale Aspekt der "Luftkolonie" liegt <strong>in</strong> ihrer Funktion als abgeschlossenem<br />
Lebensbereich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bestimmten Menschengruppe. Vertreter "verschiedener Menschen-<br />
rassen", die sich durch besondere körperliche <strong>und</strong> ge<strong>ist</strong>ige Qualitäten auszeichneten,<br />
sollten sich <strong>in</strong> der Kolonie fortpflanzen. Die Geburt zweier "kerniger Knaben" <strong>in</strong> dem<br />
"Augenblick, als die Masch<strong>in</strong>en senkrecht zur Bahn <strong>des</strong> Mars sich abhoben", wurde als<br />
gutes Omen gewertet. Technische Utopie <strong>und</strong> die Zeugung fehlerloser Menschen verb<strong>in</strong>-<br />
den sich zur Erschaffung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r zukünftigen menschlichen Gesellschaft, deren schon 1906<br />
beschworenes "geme<strong>in</strong>sames Streben zugunsten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Weltwerkes" 164 sich <strong>in</strong> der zu<br />
neuen Welten aufbrechenden Kolonisatorengeme<strong>in</strong>schaft darstellt.<br />
Traumaufzeichnung <strong>und</strong> Skizze zum "Bau der Luftkolonie" entstanden um die Jahres-<br />
wende 1908/09 während <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s zweiwöchigen Aufenthalts <strong>des</strong> Künstlers im Nordsee-<br />
sanatorium von Dr. Karl Gmel<strong>in</strong> <strong>in</strong> Boldixum auf Föhr, mit dem er befre<strong>und</strong>et war. 165 Auf<br />
den dort stattf<strong>in</strong>denden Gesell-
- 78 -<br />
schaftsabenden wurden Methoden zur Heranzüchtung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r überragenden Menschenrasse<br />
offen diskutiert. Jeder Teilnehmer entwickelte s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigene Theorie. Hablik hatte den<br />
Plan, durch permanente Vermischung aller Rassen - nach 'Gesetzen', die nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong> 'Verbes-<br />
serung' <strong>des</strong> jeweils Vorangegangenen zulassen sollten - <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Superrasse für die ganze<br />
Welt zu züchten. 166 Gedanken Paul Scheerbarts haben offenbar auch hier ihren E<strong>in</strong>fluß<br />
gehabt. 167 Gmel<strong>in</strong> machte Hablik den Vorschlag zur Gründung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Wohnkolonie, die<br />
der Rassenzüchtung dienen sollte:<br />
"Dr. G. erbot sich, mir hier auf Föhr e<strong>in</strong> Haus zu bauen, ich könnte es selbst bis <strong>in</strong>s<br />
Kle<strong>in</strong>ste durchführen, könnte außerdem noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ganze kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Stadt bauen! (Er<br />
will hier menschliche Zuchtwahl versuchen) <strong>und</strong> braucht dafür Raum <strong>und</strong> - <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
vielseitigen Berater. Ich weiß nicht, ob ich aus Itzehoe nicht doch fortlaufe!" 168<br />
Jost Hermand hat <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m ausführlichen Kapitel über "Rasse statt Völkerchaos" dutzend-<br />
fache Nachweise ähnlicher Programme zur rassischen Zuchtwahl aus der Literatur der<br />
Jahrh<strong>und</strong>ertwende zusammengetragen. "Die junkerlich-feudalen Kreise, die agrarisch<br />
orientierten Alldeutschen, die ressentimentgeladenen Mittelstandsideologen <strong>und</strong> kle<strong>in</strong>-<br />
bürgerlichen Sektierer" benutzten <strong>e<strong>in</strong>e</strong> national-deutsch e<strong>in</strong>geschworene Rassenpropa-<br />
ganda zur Festigung ihrer eigenen Machtvorhaben (Hamann/Hermand 1977, Bd. 4, 49).<br />
Im Unterschied zu Habliks Position der Rassenvermischung, die <strong>in</strong> jenen Kreisen auf<br />
erbitterten Widerstand gestoßen wäre <strong>und</strong> <strong>in</strong> deren Diskussion offenbar überhaupt k<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Rolle spielte, wurden dort ausnahmslos der ganze Kanon <strong>des</strong> Nordischen <strong>und</strong> Ger-<br />
manischen zur Rassenzucht, alle übrigen "m<strong>in</strong>derrassigen" Elemente, "Buhlschrättl<strong>in</strong>ge"<br />
<strong>und</strong> "Sodomsäffl<strong>in</strong>ge" (Jörg Lanz von Liebenfels, 1905) zur rücksichtslosen Liquidierung<br />
freigegeben (Hamann/Hermand 1977, Bd. 4, 74 f.). Die Methoden s<strong>in</strong>d jedoch bei beiden<br />
Positionen gleich. "Wie Fritsch <strong>und</strong> Wachler wollte er (Liebenfels) alle nordischen 'Held-<br />
l<strong>in</strong>ge' <strong>in</strong> arischen Re<strong>in</strong>zuchtkolonien zusammenfassen, <strong>und</strong> zwar ebenfalls auf dem Lan-<br />
de, um ihnen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> junkerlich-ar<strong>ist</strong>okratische Ges<strong>in</strong>nung zu geben" (ebd. 75). Auch hier<br />
war Friedrich Nietzsches Idee vom "Übermenschen" mißverstanden oder absichtlich um-<br />
gedeutet worden. Als unreflektiertes Schlagwort wurde sie zum Wegbereiter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Rassenideologie, die den Völkermord <strong>des</strong> Nationalsozialismus vorbereitete.
- 79 -<br />
Habliks 'Vermischung aller Rassen' - beim "Bau der Luftkolonie" mit "prachtvollen<br />
Entdeckungen" auf der Erde, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Flug zum Mars <strong>und</strong> der Verwendung ausgefallener<br />
<strong>und</strong> neu entwickelter Materialien komb<strong>in</strong>iert - <strong>ist</strong> die Vision <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Menschheit,<br />
deren Ex<strong>ist</strong>enz sich auf die Aneignung <strong>und</strong> Überw<strong>in</strong>dung der wertvollsten Naturgüter -<br />
bis h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong> Genetik <strong>und</strong> Eugenik - <strong>und</strong> auf die Fortführung <strong>des</strong> Schöpfungsprozesses<br />
gründet.<br />
Sobald Hablik im Januar 1909 wieder zurück <strong>in</strong> Itzehoe war, begann er mit der Arbeit an<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Sujet, das als notwendige Konsequenz s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bisherigen "utopischen" Arbeiten<br />
ersche<strong>in</strong>t: Nach der Gebirgsarchitektur, dem Flug um die Erde <strong>und</strong> <strong>in</strong>s All will er das<br />
Universum auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Ölgemälde darstellen. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tagebuch 169 berichtet er, wie er<br />
auf der bis zur letzten Fassung verwendeten 200 x 200 cm großen Le<strong>in</strong>wand zunächst<br />
"nichts als den Himmelsraum <strong>und</strong> w<strong>in</strong>zige ungezählte Sternchen dar<strong>in</strong>" e<strong>in</strong>trägt. Das<br />
Endprodukt ersche<strong>in</strong>t ihm "wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> schlecht colorierte Fotografie". Da es ihm jedoch<br />
darauf ankommt, das Weltall als unendlichen Raum zu charakterisieren, versucht er, es <strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r zweiten Komposition durch e<strong>in</strong> Gewölbe auszudrücken. In der Endfassung (Abb.<br />
96) baut er das Bild als Spirale auf, die aus unzähligen weißen Sternen <strong>und</strong> nebelhaften<br />
breiten P<strong>in</strong>selstrichen gebildet wird. Sie schraubt sich aus dem tiefdunkelblauen Vorder-<br />
gr<strong>und</strong> über immer heller werdende Blautöne <strong>in</strong> den unendlich weiten weißen H<strong>in</strong>ter-<br />
gr<strong>und</strong>spunkt. In dieser Kreisbewegung schweben "Weltkörper <strong>in</strong> allen Dimensionen", die<br />
mit verschiedenen Gelb- <strong>und</strong> Rottönen, mit Gas- <strong>und</strong> Mondr<strong>in</strong>gen, Halbmond- <strong>und</strong><br />
anderen Schatteneffekten aufwendig gestaltet s<strong>in</strong>d. Vom unteren Bildrand ragen Berg-<br />
spitzen <strong>in</strong> die Spirale h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>, die "den Zusammenhang mit unserer Erde" herstellen sollen.<br />
Von dem Mißerfolg s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Komposition überzeugt ("aber ich fühle es klar - es läßt sich<br />
nicht ausdrücken"), nennt Hablik diesen Sternenhimmel im Gesamtverzeichnis s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Gemälde <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n "Versuch".<br />
Tatsächlich hätte Hablik nur auf wenige Beispiele von Weltraum- <strong>und</strong> Planetendarstel-<br />
lungen 170 <strong>in</strong> der bildenden Kunst zurückgreifen können. Siegmar Holsten (1983, 49) hat<br />
darauf h<strong>in</strong>gewiesen, daß die "kopernikanische Wende", mit der die Erde aus dem Zen-<br />
trum <strong>des</strong> vom Mittelalter geprägten Weltbil<strong>des</strong> rückte, <strong>in</strong> der Kunst <strong>und</strong> damit offenbar<br />
auch im all-
- 80 -<br />
gem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bewußtse<strong>in</strong> bis <strong>in</strong>s neunzehnte Jahrh<strong>und</strong>ert kaum zur Kenntnis genommen<br />
wurde. Darstellungen kugelförmiger Planeten, e<strong>in</strong> Planetensystem mit Kometen <strong>und</strong><br />
ber<strong>in</strong>gtem Saturn <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m unendlich ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>nden Weltraum bieten Dom<strong>in</strong>icus van<br />
Wynens "Göttlicher Kosmos" um 1700 <strong>und</strong> Johann Melchior Fuesslis Illustration zu<br />
Scheuchzers "Physica Sacra" von 1731 (ebd.), s<strong>in</strong>d beide aber noch der dual<strong>ist</strong>ischen<br />
Weltordnung verhaftet. Claude-Nicolas Ledoux symbolisierte den kosmischen Bezug<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Architektur <strong>in</strong> dem Entwurf zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Wandbild für den Friedhof von Chaux<br />
(1804, Abb. 97). Nach Odilon Redons symbol<strong>ist</strong>ischen Darstellungen sich zwischen den<br />
Planeten bewegender rätselhafter Personifikationen (ebd., 55) erweiterte sich erst im<br />
zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>ert, ausgelöst durch E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>s Aufstellung der Relativitätstheorie<br />
(seit 1905), das Interesse der Künstler für Themen, die mit der Entwicklung <strong>und</strong> Gestalt<br />
<strong>des</strong> Universums <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung stehen.<br />
Habliks 1909 entstandener "Sternenhimmel" (Abb. 96), der zu den frühesten Kosmos-<br />
Bildern <strong>des</strong> zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts gehört, 171 konnte formal allenfalls bei William<br />
Turner anschließen. Turner bildete <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Gemälden "Der Abend der S<strong>in</strong>tflut" 172 <strong>und</strong><br />
"Der Morgen nach der S<strong>in</strong>tflut" 173 (1843) mächtige Kreisbewegungen vor, deren Tiefen-<br />
sog die Opfer der Katastrophe ausgeliefert s<strong>in</strong>d. In beiden Bildern werden "riesige Räum-<br />
lichkeiten suggeriert" (Kest<strong>in</strong>g 1983, 21). Für Turner, das hat Werner Hofmann gezeigt<br />
(1976, 186 ff.), war der kosmogonische Aspekt entscheidend: die auf schematische Farb-<br />
kreise zurückgehenden <strong>und</strong> damit auch die Genesis der Gestaltungsmittel thematisieren-<br />
den Strudel werden sowohl für den "Abend" als auch für den "Morgen nach der S<strong>in</strong>tflut"<br />
verwendet.<br />
Für Hablik hatte die biblische Genesis-Thematik k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bedeutung. Für ihn waren<br />
Substanz <strong>und</strong> Ersche<strong>in</strong>ung der ex<strong>ist</strong>ierenden Natur entscheidend. Er orientierte sich daher<br />
an aktuellen Erkenntnissen von der Gestalt <strong>des</strong> Weltalls, die gerade um 1909 <strong>in</strong> extremen<br />
Positionen zwischen astronomischer Wissenschaft <strong>und</strong> utopischer Literatur aufbrachen.<br />
Seit dem Anfang <strong>des</strong> Jahrh<strong>und</strong>erts hatte die Umstellung von der visuellen Beobachtung<br />
auf die Fotografie der Gestirne fast alle Zweige der Astronomie <strong>und</strong> Astrophysik revolu-<br />
tioniert (Becker 3 1968, 127). 174 "Die Überlegenheit der Fo-
- 81 -<br />
tografie zeigte sich am e<strong>in</strong>drucksvollsten zuerst <strong>in</strong> der Abbildung von Nebeln, Stern-<br />
haufen <strong>und</strong> der Milchstraße. Spiralnebel <strong>und</strong> diffuse Gasnebel, wie der große Orionnebel,<br />
von denen auch die sorgfältigsten Zeichnungen früherer Beobachter nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n sehr<br />
unvollkommenen E<strong>in</strong>druck vermitteln konnten, ließen auf der Platte ihre wahre Gestalt<br />
bis <strong>in</strong> die fe<strong>in</strong>sten E<strong>in</strong>zelheiten erkennen ..." (ebd., 128). Bereits 1904 (<strong>und</strong> <strong>in</strong> der 19.<br />
Auflage 1909) waren <strong>in</strong> Max Wilhelm Meyers populärem Kosmos-Bändchen "Welt-<br />
schöpfung" fotografische Aufnahmen <strong>des</strong> "Spiralnebels <strong>in</strong> den Jagdh<strong>und</strong>en" <strong>und</strong> <strong>des</strong><br />
Andromeda-Nebels zu sehen (Abb. 98-99). Der Aufbau von Habliks "Sternenhimmel"<br />
entsprach damit den zweifellos e<strong>in</strong>drucksvollen aktuellen Erkenntnissen. Zwei weitere<br />
1912 <strong>und</strong> 1913 gemalte Universum-Bilder <strong>des</strong> Künstlers s<strong>in</strong>d dann ebenfalls spiralförmig<br />
angelegt <strong>und</strong> wirken durch ihr wandfüllen<strong>des</strong> Format auf den Betrachter wie Fenster zum<br />
All (Abb. 100-101). E<strong>in</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>res Exemplar von 1913 zeigt neben anderen mehrfach<br />
ber<strong>in</strong>gten Planeten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Sternenhaufen <strong>in</strong> der aufgefächerten Art <strong>des</strong> Orion-Nebels (Abb.<br />
102).<br />
Paul Scheerbart griff die ständigen astronomischen Neuentdeckungen auf, um <strong>in</strong> Dich-<br />
tungen <strong>und</strong> Glossen <strong>in</strong> der Nachfolge Gustav Theodor Fechners 175 die Gestirne, die "die<br />
wissenschaftliche Forschung <strong>und</strong> die tägliche Erfahrung als anorganischen Stoff ausge-<br />
macht hat, phantastisch als kosmische Organismen, ja vernunftbegabte Lebewesen zu<br />
gestalten" (Bär 1977, 113). Die Vielzahl s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Artikel zu diesem Thema, die vornehm-<br />
lich 1909/10 <strong>in</strong> der Zeitschrift "Die Gegenwart" erschienen <strong>und</strong> sich mit astronomischen<br />
Theorien beschäftigten, bee<strong>in</strong>flußten auch Habliks Darstellungen <strong>des</strong> Weltalls. 176 Bunt-<br />
farbige Planeten mit Saturnr<strong>in</strong>gen, Feuereruptionen <strong>und</strong> geschoßartige Kometen (bes.<br />
Abb. 100) s<strong>in</strong>d weitere, vielfach abgewandelte Motive der großen Gemälde <strong>und</strong> entspre-<br />
chen Scheerbarts Vorstellungen vom Kosmos:<br />
"Abermals kommen neue Wandelsterne aus der Fixsternwelt heraus - gasartige<br />
Lichtgestalten, die durche<strong>in</strong>ander gehen - wie Schatten. Immerzu flackern bunte<br />
Blitze auf. Es entwickelt sich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> berauschende zitternde Fülle ungeheurer<br />
Lichtspiele. Kometen, die Flammen-Schwertern gleichen, sausen durch das chaotische<br />
Weltenreich. Glühende Bandmeteore schlängeln sich wie Feueraale überall<br />
durch. Die r<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die reicher geformten Wandelsterne, die oft zur Seite<br />
schweben, aber nur selten ganz verschw<strong>in</strong>den, werden oft <strong>in</strong> allen möglichen<br />
Farben von durchziehenden Kometenschweifen beleuchtet" (Scheerbart 1903, 63<br />
f.).
- 82 -<br />
1912 hat die Sternfotografie auch <strong>in</strong> Scheerbarts utopische Erzählungen E<strong>in</strong>gang<br />
gef<strong>und</strong>en. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n "Astralen Noveletten" 177 berichtet er von der Entdeckung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuen<br />
Nebels:<br />
" 'Es <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> neuer Nebel!' sagte er - ließ schnell das Ganze photographieren ... (...)<br />
'Wir haben', sagte Konrad plötzlich ganz leise, 'Luftschichten <strong>in</strong> der Asteroidensphäre,<br />
die <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Vergrößerung hervorbr<strong>in</strong>gen - da <strong>in</strong> der Asteroidensphäre<br />
bilden sich kolossale Riesenl<strong>in</strong>sen ganz von selbst - durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ganz aparte Veränderung<br />
der dortigen Atmosphäre - <strong>und</strong> so <strong>ist</strong> es mir gelungen - ganz zufällig - <strong>in</strong> der<br />
Nähe <strong>des</strong> Jupitermon<strong>des</strong> Aufnahmen zu machen, die alles, was wir bisher an Vergrößerung<br />
kennengelernt haben, verdunkeln. (...) Ich habe Naturl<strong>in</strong>sen <strong>in</strong> unserem<br />
Planetensystem entdeckt ... <strong>und</strong> dadurch <strong>ist</strong> es mir ... gelungen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Jupitermond<br />
so zu photographieren, als wäre er nur 100 Kilometer von uns entfernt ..."<br />
(Scheerbart 1912, 151 f.).<br />
Habliks Universum-Bilder 178 stehen <strong>in</strong> dem Spannungsfeld zwischen Wissenschaft <strong>und</strong><br />
utopischer Literatur. Sie greifen aus der aktuellen Forschung die Spiralnebel auf, deren<br />
Gestalt erst durch die Sternfotografie darstellbar wurde, <strong>und</strong> zeigen den Blick <strong>in</strong>s All mit<br />
der Exaktheit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Fotografie. Die Gemälde bilden jedoch nicht die Wirklichkeit ab. Die<br />
dargestellte Größe der Gestirne widerspricht ihren großen Entfernungen zum Betrachter<br />
<strong>und</strong> zue<strong>in</strong>ander; Saturnr<strong>in</strong>ge, Sternhaufen, Eruptionen <strong>und</strong> die Buntfarbigkeit werden<br />
durch ihre extreme Massierung zum phantastischen Ambiente, zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ausgeburt der<br />
Phantasie, die gerade nicht "wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> schlecht colorierte Fotografie" wirken sollte. Hablik<br />
arbeitete mit der expressiven Vorstellungskraft Paul Scheerbarts, blieb der Wissenschaft<br />
aber soweit treu, daß er nicht <strong>des</strong>sen Thesen von wesenhaften <strong>und</strong> beseelten Planeten<br />
verfiel. 179 Se<strong>in</strong> Thema war, die vermuteten oder durch die Sternfotografie bewiesenen<br />
Qualitäten <strong>des</strong> Universums: unendlicher Raum, Dynamik, phantastische Gestalt, Schau-<br />
spiel der Kräfte <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Vielfalt von Bildmotiven umzusetzen, um so <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Vorstellung von<br />
der Unfaßbarkeit <strong>des</strong> Naturphänomens zu geben. Die Darstellung von Natur geschieht<br />
hier ähnlich wie bei den Kr<strong>ist</strong>allbauten über symbolische Formen: neu erf<strong>und</strong>ene<br />
phantastische Planeten, die der Natur nachempf<strong>und</strong>en oder <strong>in</strong> ihrem Ge<strong>ist</strong>e neu geschaf-<br />
fen s<strong>in</strong>d. In der Position <strong>des</strong> Betrachters liegt die Überw<strong>in</strong>dung der Naturschöpfung<br />
begründet: er hat sich mit fliegenden Siedlungen oder Flugmasch<strong>in</strong>en von der Erde<br />
entfernt <strong>und</strong> so mit den
- 83 -<br />
vom Menschen selbst geschaffenen technischen Mitteln die Schwerkraft überw<strong>und</strong>en.<br />
Das Verhältnis von Natur, Technik <strong>und</strong> Utopie bestimmt Habliks Bilder.<br />
Seit 1911 wandte sich Wassily Kand<strong>in</strong>sky <strong>in</strong> Studien <strong>und</strong> Kompositionen kosmischen<br />
Themen zu. Er führte amorphe gegenstandslose Formen ebenfalls durch kreisförmige<br />
Umschließung <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n schwebenden, weite Räume suggerierenden Zustand (Holsten<br />
1983, 64 f.). Für Kand<strong>in</strong>sky gewann der Zusammenhang zwischen "Weltschöpfung" <strong>und</strong><br />
"Werkschöpfung", 180 der auch für Hablik e<strong>in</strong> zentraler Gedanke <strong>ist</strong>, kosmischen Cha-<br />
rakter. Ähnlich malten Delaunay, Macke <strong>und</strong> Marc 1913/14 Bilder, <strong>in</strong> denen elementare<br />
Farbkreise kosmische Themen berühren (Ausstellungs-Katalog Kosmische Bilder 1983,<br />
Abb. 38-42). Ergänzend sei auf den <strong>in</strong> Deutschland nahezu unbekannten englischen<br />
Kompon<strong>ist</strong>en Gustav Holst (1874-1934) h<strong>in</strong>gewiesen, der 1914-16 unter dem E<strong>in</strong>fluß<br />
astrologischer <strong>und</strong> mystischer Erkenntnisse die - <strong>in</strong> England äußerst populäre - sieben-<br />
teilige Orchestersuite "Die Planeten" schrieb.<br />
Als Hablik 1914 s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> zweite Fliegende Siedlung (Abb. 95) entwarf, hatte sich das Inter-<br />
esse <strong>des</strong> Künstlers an dem Thema bereits gewandelt. Die künstlerische Auffassung <strong>des</strong><br />
Flugkörpers <strong>ist</strong> sicherer geworden <strong>und</strong> überragt die spärliche Beschriftung, die e<strong>in</strong>zelne<br />
Ideen von 1908 zitiert. E<strong>in</strong>e weitere sternförmige, propellergetriebene Kolonie mit zwei<br />
"Plattformen", auch "Wandelhallen" (Abb. 103), <strong>und</strong> e<strong>in</strong>ige kuriose Dreidecker für die<br />
Personenbeförderung (Abb. 104-105) verraten bereits die Freude an der technischen<br />
Gestaltung. Mit Beg<strong>in</strong>n <strong>des</strong> Ersten Weltkrieges hatte sich der Flugverkehr derart ausge-<br />
weitet, daß die Mystifizierung <strong>des</strong> Fliegens als Naturüberw<strong>in</strong>dung dem nüchternen<br />
technischen Zugriff weichen konnte.
- 84 -<br />
3. KAPITEL:<br />
ARCHITEKTURIDEEN FÜR EINE NEUE VOLKSGEMEINSCHAFT<br />
Als Ergänzung zu den utopischen Konzepten der kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Bergarchitekturen <strong>und</strong><br />
fliegenden Siedlungen entwarf Hablik zwischen 1912 <strong>und</strong> 1917 <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Anzahl von Bauwer-<br />
ken, die auf herkömmlicher Tektonik beruhen: e<strong>in</strong> "Vielfamilienwohnhaus", e<strong>in</strong> Regie-<br />
rungs- <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Ausstellungsgebäude, e<strong>in</strong> Künstlerhaus, Aussichtstürme <strong>und</strong> Denkmäler.<br />
Sie sollten als 'wirkliche' Architekturen den Bedürfnissen der <strong>in</strong> dem "Weltwerk"-Gedan-<br />
ken projektierten neuen Volksgeme<strong>in</strong>schaft dienen.<br />
Im März 1908 hatte sich der Künstler mit der Teilnahme an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Architekten-<br />
wettbewerb für e<strong>in</strong> Schloß <strong>des</strong> Barons Mart<strong>in</strong> von Waldthausen <strong>in</strong> der Nähe von Ma<strong>in</strong>z 181<br />
erstmals mit dem Entwurf wirklicher Architektur beschäftigt. Er gab s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Projekt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
w<strong>in</strong>kelförmigen, dre<strong>ist</strong>öckigen Baus durch Satteldächer, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n geschwungenen Mansard-<br />
giebel <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Turmkomplex h<strong>ist</strong>orisierenden Charakter (Abb. 106). Weniger konven-<br />
tionell <strong>und</strong> für den Werkzusammenhang von Interesse <strong>ist</strong> die Fassadengestaltung. Die<br />
Aufrisse (Abb. 107-108) zeigen lange Reihen von Schiebefenstern, wie sie die Holzfirma<br />
von Habliks Mäzen Richard Biel <strong>in</strong> Itzehoe seit etwa 1907 vertrieb. 182 Zwischen den<br />
Stockwerken <strong>und</strong> am Mansardgiebel s<strong>in</strong>d wellenförmige Ornamentbänder angelegt, die<br />
an den Zickzackfries von Otto Wagners Schützenhaus (1906/07) <strong>in</strong> Wien (Abb. 109),<br />
aber auch an <strong>des</strong>sen schwarz-weiße Ornamentbänder beim Österreichischen Postspar-<br />
kassenamt (1904/06) er<strong>in</strong>nern. Während beim Schützenhaus rechteckige Sprossenfenster<br />
den Zackenfluß unterbrechen, bezieht Hablik bei Waldthausen die Schiebefenster <strong>in</strong> den<br />
Gliederungsprozeß e<strong>in</strong>: Er knickt die mittleren <strong>und</strong> oberen waagerechten Rahmenhölzer<br />
dreieckig nach oben ab <strong>und</strong> erreicht damit die zackenförmige Rhythmisierung ganzer<br />
Fensterreihen. 183 Der Zackenrhythmus wird durch strahlenförmige Fenstersprossen aufge-<br />
nommen, die im Arkadenbau <strong>des</strong> Schloßhofes wiederkehren sollten (Abb. 106).<br />
Die Zacken- <strong>und</strong> Strahlenbildungen wirken - vor allem bei der Arkadenverglasung - wie<br />
geschliffene Glasfacetten <strong>und</strong> übertragen kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Strukturen auf Elemente wirklicher<br />
Architektur. Fenstersprossen dieser
- 83 -<br />
Art s<strong>in</strong>d bereits um 1900, etwa bei August Endells Nordseesanatorium <strong>in</strong> Boldixum/Föhr<br />
(1898-1905), 184 zu beobachten (Abb. 110). Die zackenförmigen Fensterreihen <strong>des</strong> Ent-<br />
wurfs für Waldthausen nehmen jedoch Bauformen vorweg, die erst drei Jahre später <strong>in</strong><br />
der böhmischen Architektur realisiert wurden. 1911/12 übertrug der böhmische Architekt<br />
Josef Gočár (1880-1945) bei s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Sanatorium <strong>in</strong> Bohdaneč e<strong>in</strong> ähnlich rhythmisiertes<br />
Fensterband <strong>in</strong> die dritte Dimension, <strong>in</strong>dem er das Erdgeschoß als Folge prismatisch vor-<br />
gezogener Französischer Fenster gestaltete (Abb. 111).<br />
Gočár hatte sich 1911 zusammen mit den Architekten Pavel Janák, Josef Chochol <strong>und</strong><br />
Vlastislav Hofmann <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Vere<strong>in</strong>igung tschechischer Maler, Bildhauer, Schriftsteller <strong>und</strong><br />
Kompon<strong>ist</strong>en (Skup<strong>in</strong>a výtvarných umělců - Gruppe bildender Künstler) angeschlossen,<br />
die sich unter dem E<strong>in</strong>fluß <strong>des</strong> französischen Kubismus gebildet hatte. Literarisch<br />
vertreten durch Pavel Janáks Architekturtheorien zu Prisma <strong>und</strong> Pyramide 185 gestalteten<br />
die vier Architekten Gr<strong>und</strong>risse, Fassaden, architektonische Details, Möbel, Keramik <strong>und</strong><br />
anderes Kunstgewerbe <strong>in</strong> prismatisch verschnittenen kubischen Formen. Die Prismen,<br />
vorzugsweise symmetrisch oder seriell angeordnet, s<strong>in</strong>d der Kr<strong>ist</strong>allwelt entlehnt. Das<br />
"Haus Diamant" (1912) von Matěj Blecha (1861-1919) <strong>in</strong> der Prager Spálená verkündet<br />
dies mit der Nennung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Namens am Portal, das von zwei prismatisch gestalteten<br />
Pfeilern flankiert wird (Abb. 112). Bei den wenigen ausgeführten Bauten dieser speziell<br />
böhmischen Architekturrichtung, deren Hauptwerke zwischen 1911 <strong>und</strong> 1914 entstanden<br />
<strong>und</strong> die nur mit e<strong>in</strong>zelnen Beispielen über den Ersten Weltkrieg h<strong>in</strong>weg bis etwa 1920<br />
fortgeführt wurde, bleiben die Baukörper jedoch <strong>in</strong> den gewohnten Quaderformen. Die<br />
kubisch-kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Motive dienen lediglich der Flächengestaltung. 186<br />
Auch Hablik beschäftigte sich weiterh<strong>in</strong> mit der Übertragung kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>er Formen auf<br />
baubare Architektur. In dem 1912 entstandenen Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s "Vielfamilienwohnhauses"<br />
(Abb. 113) setzte er Fenstergruppen aus keilförmig abgeschrägten Prismen zusammen<br />
<strong>und</strong> gliederte Glasflächen über zwei Etagen mit prismenförmigen Fensterstöcken. Das<br />
Gebäude selbst <strong>ist</strong> als sechsstöckiger Würfel mit flachen Ecktürmen geplant <strong>und</strong> durch<br />
R<strong>in</strong>ganker horizontal gegliedert. Die äußere Ersche<strong>in</strong>ung wird durch verschiedene Fen-<br />
sterformen bestimmt, zu denen auch Schiebe- <strong>und</strong> Eck-
- 86 -<br />
fenster gehören. Der Entwurf sieht <strong>e<strong>in</strong>e</strong> farbige Fassung der Fassaden vor: Orange,<br />
dunkelrote, hellrote <strong>und</strong> hellblaue Bänder von der Höhe mehrerer Stockwerke <strong>und</strong> ver-<br />
schiedener Breite sollten das Haus asymmetrisch umziehen.<br />
Bereits im Jahre 1900 hatte sich Ferd<strong>in</strong>and Avenarius <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Aufsatz "Farbige<br />
Häuser" aus Protest gegen die grauen Mietskasernen <strong>des</strong> neunzehnten Jahrh<strong>und</strong>erts für<br />
monochrom gestrichene Putzfassaden e<strong>in</strong>gesetzt:<br />
"Es gibt k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>fachere <strong>und</strong> k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> billigere Art, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n schlichten Bau fre<strong>und</strong>lich,<br />
wohlgefällig <strong>und</strong> sogar wirklich schön zu machen, als e<strong>in</strong> gut gestimmter farbiger<br />
Anstrich ... (...) Wir werden den Ruf nach farbigen Häusern so lange wiederholen,<br />
bis er gehört wird." (Avenarius 1900, 37 f.)<br />
Hablik radikalisierte diesen Vorschlag durch die bunte Streifenbemalung <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Ent-<br />
wurf. Die Diskussion dieses Themas wurde wiederbelebt, als Bruno Taut 1913/14 die<br />
verschiedenen Haustypen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gartenstadt Falkenberg <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> ganz im S<strong>in</strong>ne von<br />
Avenarius mit farbigen Fassaden versah <strong>und</strong> sich künftig, unterstützt von dem<br />
Kunstkritiker Adolf Behne, für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> farbige Architektur e<strong>in</strong>setzte.<br />
Hablik stellte das "Vielfamilienwohnhaus" <strong>in</strong> die Tradition s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r früheren Architektur-<br />
phantasien. Er plazierte es auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Felskuppe <strong>und</strong> plante <strong>in</strong> der Entwurfsbeischrift die<br />
"Ausnützung von Bergquellen, Felsteilen, Spalten etc.". Naturerlebnis <strong>und</strong> Naturbear-<br />
beitung sollten wie bei den Kr<strong>ist</strong>allbauten die Gr<strong>und</strong>bed<strong>in</strong>gung für das geme<strong>in</strong>same<br />
Streben <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Geme<strong>in</strong>schaft se<strong>in</strong>: für "e<strong>in</strong> großes, schönes, mit vere<strong>in</strong>ten Mitteln unter ge-<br />
gegenseitiger Verständigung gebautes Haus".<br />
Die e<strong>in</strong>same Lage <strong>und</strong> der ausdrücklich beschworene Geme<strong>in</strong>schaftsge<strong>ist</strong> nahmen Kon-<br />
zepte unabhängiger Siedlungsgeme<strong>in</strong>schaften auf, die um 1900 aus der Lebensreform-<br />
bewegung hervorgegangen waren. E<strong>in</strong>e Gruppe von Literaten, die schon 1888 <strong>in</strong> Frie-<br />
drichshagen bei Berl<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Siedlung gegründet hatte, den "Friedrichshagener Dichter-<br />
kreis", siedelte sich 1901 <strong>in</strong> Nikolassee als sozial organisierte "Neue Geme<strong>in</strong>schaft" an,<br />
der auch Fidus angehörte. "E<strong>in</strong> Produkt <strong>des</strong> anarcho-sozial<strong>ist</strong>ischen, literarischen <strong>und</strong><br />
reformerischen Milieus, das um die Jahrh<strong>und</strong>ertwende <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> gedieh" ( Whyte 1981,<br />
12), stützte sich die Gruppe auf Schriften Gustav Landauers
- 87 -<br />
(1870-1919) ("E<strong>in</strong> Weg zur Befreiung der Arbeiterklasse", 1895) <strong>und</strong> Peter Kropotk<strong>in</strong>s<br />
(1842-1921) zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m freiheitlichen Sozialismus. Mitglieder der nach weniger als <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Jahr wieder aufgelösten "Neuen Geme<strong>in</strong>schaft" gründeten 1902 die "Deutsche Garten-<br />
stadtgesellschaft", die sich an der von Ebenezer Howard geführten Englischen Garten-<br />
stadtbewegung orientierte <strong>und</strong> sich gegen die menschenunwürdigen Wohnverhältnisse <strong>in</strong><br />
den Großstädten 187 <strong>und</strong> andere soziale Mißstände <strong>des</strong> Kapitalismus wandte. 188<br />
Erste Kontakte zu den Anhängern der Lebensreform hatte Hablik durch Ferd<strong>in</strong>and<br />
Avenarius erhalten, der ihn seit 1907 durch das Kunstwart-Stipendium, durch Gestal-<br />
tungsaufträge für die Drucksachen <strong>des</strong> Dürerb<strong>und</strong>es sowie durch Veröffentlichungen<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Meerbilder <strong>und</strong> von Blättern der Mappe "Schaffende Kräfte" <strong>in</strong> der Zeitschrift<br />
"Kunstwart" an sich geb<strong>und</strong>en hatte. Avenarius bemühte sich mit "Kunstwart" <strong>und</strong><br />
"Dürerb<strong>und</strong>" um Volkstum <strong>und</strong> heimatliche Landschaftskunst <strong>und</strong> führte damit die<br />
ästhetische Hauptströmung der Lebensreform an. Seit 1907 gehörte er zum erweiterten<br />
Vorstand der "Deutschen Gartenstadtgesellschaft" (vgl. Hartmann 1976, Anm. 113). Der<br />
Volkswirtschaftler <strong>und</strong> Soziologe Franz Oppenheimer (1864-1943), den Hablik auf den<br />
Gesellschaftsabenden <strong>in</strong> Dr. Gmel<strong>in</strong>s Nordseesanatorium auf Föhr kennenlernte <strong>und</strong> der<br />
sich für die Arbeiten <strong>des</strong> Künstlers bege<strong>ist</strong>ert engagierte, 189 hatte sich seit 1895 <strong>in</strong> Bü-<br />
chern <strong>und</strong> Aufsätzen für die Siedlungs- <strong>und</strong> Gartenstadtbewegung e<strong>in</strong>gesetzt (ebd., S. 28<br />
sowie Anm. 108 ff.) <strong>und</strong> war ebenfalls im Vorstand der "Gartenstadtgesellschaft". Aus<br />
dieser Quelle dürften die Ideale der Siedlungsbewegung <strong>in</strong> Habliks Bauprojekte im<br />
Gebirge, die fliegenden Siedlungen <strong>und</strong> das "Vielfamilienwohnhaus" e<strong>in</strong>geflossen se<strong>in</strong>.<br />
Habliks eigenes Exlibris (Abb. 77), das er 1913 nach dem Vorbild von Fidus' Lichtgebet<br />
(Abb. 78) gestaltete, <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bekanntschaft mit Fidus <strong>in</strong> den zwanziger Jahren (s. S. 56)<br />
geben <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n weiteren H<strong>in</strong>weis auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ge<strong>ist</strong>ige Verb<strong>in</strong>dung zur Lebensreformbewegung.<br />
1912, als Hablik den Entwurf zum "Vielfamilienwohnhaus" zeichnete, war das Jahr, <strong>in</strong><br />
dem er anläßlich der "Sturm"-Ausstellung mit Blättern s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Mappe "Schaffende Kräfte"<br />
mit Herwarth Walden <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zusammentraf. 1912 lernte auch der Architekt Bruno Taut<br />
Walden durch die Ver-
- 88 -<br />
mittlung Paul Scheerbarts kennen <strong>und</strong> gehörte seitdem zum <strong>in</strong>neren Kreis der von<br />
Walden geförderten expression<strong>ist</strong>ischen Gruppe. Im gleichen Jahr wurde Taut, der den<br />
ländlichen Idealen der Reformbewegung <strong>und</strong> dem "Wandervogel" nahestand, beratender<br />
Architekt der "Deutschen Gartenstadtgesellschaft" (Whyte 1981, 11 f.). Also auch <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong>, wo das gesellschaftliche Leben um Herwarth Walden auf Hablik e<strong>in</strong>stürmte, wo<br />
er Futur<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> Expression<strong>ist</strong>en kennenlernte <strong>und</strong> Prager Studienkollegen wiedertraf, 190<br />
könnten Themen der Lebensreform diskutiert worden se<strong>in</strong>.<br />
Bruno Taut, der nach 1910 schon mit Wohnbauten hervorgetreten war, schuf bald darauf<br />
zwei Bauwerke, die allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Aufsehen erregten <strong>und</strong> die auch Wenzel Hablik bee<strong>in</strong>-<br />
flußten. Im September 1913 re<strong>ist</strong>e Hablik zur Internationalen Baufachausstellung nach<br />
Leipzig <strong>und</strong> sah hier Tauts Pavillon <strong>des</strong> Stahlwerksverban<strong>des</strong>, auch "Monument <strong>des</strong><br />
Eisens" genannt (Abb. 114). 191 Der Bau bestand aus drei übere<strong>in</strong>andergestellten <strong>und</strong> sich<br />
verkl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rnden Stockwerken auf achteckigem Gr<strong>und</strong>riß <strong>und</strong> wurde von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r riesigen<br />
Kugel <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Stahlklammer bekrönt. Er verband die hohe Funktionalität der r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Gerüstkonstruktion mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r geometrischen Monumentalität, wie Hablik sie selbst<br />
1906/07 <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Studien zur Gebirgsarchitektur formuliert hatte. 192 E<strong>in</strong> Jahr später<br />
schuf Taut für die Kölner Werkb<strong>und</strong>ausstellung den Pavillon <strong>des</strong> Luxfer-Prismen-<br />
Syndikats, der unter dem Namen "Glashaus" bekannt wurde (Abb. 116). Das "Glashaus"<br />
verdankte s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gestalt der engen Fre<strong>und</strong>schaft Bruno Tauts zu Paul Scheerbart: Der<br />
R<strong>und</strong>bau erhielt als Hommage an Scheerbarts Glas- <strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>allphantasien <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gläserne<br />
Kuppel aus viereckigen Facetten <strong>und</strong> zitierte auf dem R<strong>in</strong>ganker vierzehn "Sprüche", die<br />
der Dichter für das ihm gewidmete Bauwerk geschaffen hatte. Die Aphorismen warben<br />
für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> umfassende 'Glaskultur', die die Menschen von Haß <strong>und</strong> Dünkel befreien <strong>und</strong> zu<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gesellschaft e<strong>in</strong>igen Ge<strong>ist</strong>es <strong>und</strong> klarer Empf<strong>in</strong>dungen führen sollte: "Das bunte<br />
Glas zerstört den Haß." 193 Das "Glashaus" war ausdrücklich dem Raumerlebnis (Abb.<br />
117) gewidmet. In der Deutschen Bauzeitung schilderte Taut 1913 (S. 625 ff.) die geplan-<br />
te Ausstattung <strong>des</strong> Innenraums. Mit farbigen Glasfliesen verkleidete Wände, Glasdecken<br />
<strong>und</strong> die Glasprismen der Außenhaut sollten die unterschiedlichen ästhetischen Reize <strong>des</strong><br />
Glases vermitteln, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kaskade im Ornamentraum <strong>und</strong> e<strong>in</strong> mit farbigen Glasstücken<br />
gefülltes Kaleidoskop vielfältige Reflexe von Licht <strong>und</strong> Farbe bewirken: Erst "nachdem<br />
der Besucher
- 89 -<br />
hier den stärksten farbigen <strong>und</strong> ornamentalen E<strong>in</strong>druck empfangen hat, tritt er ... <strong>in</strong>s<br />
Freie."<br />
Aber auch die Facettenkuppel <strong>des</strong> "Glashauses" hatte ihre Vorläufer. Ia<strong>in</strong> Boyd Whyte<br />
(1981, 38) führte sie auf den Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Badeanstalt (1907) von Franz Roith zurück<br />
(Abb. 118), <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Schüler Otto Wagners. Die Wände <strong>des</strong> achteckigen E<strong>in</strong>gangspavillons<br />
sollten aus Glasziegeln bestehen <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> prismenförmige Glaskuppel tragen.Auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Ble<strong>ist</strong>iftstudie mit Kr<strong>ist</strong>allbauten von Wenzel Hablik ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n 1906/07 die Strukturen<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r mit Prismen verglasten Kuppel (Abb. 40). Das dritte Blatt der Mappe "Schaffende<br />
Kräfte" (Abb. 59), die Bruno Taut durch die Ausstellung im "Sturm" bereits 1912 gekannt<br />
haben dürfte, zeigt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> unregelmäßig facettierte, riesige Halbkugel, die Tauts Facetten-<br />
kuppel vorwegnimmt.<br />
Im Juli 1914 entwarf Hablik <strong>in</strong> buntfarbigen Mischtechniken auf Papier, Karton <strong>und</strong> Reis-<br />
papier die Außen- <strong>und</strong> Innenansichten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s "Schautempels" (Abb. 120), der an Tauts<br />
Pavillonbauten anknüpft. Er übernahm vom "Monument <strong>des</strong> Eisens" den achteckigen<br />
Gr<strong>und</strong>riß 194 <strong>und</strong> überkuppelte die Gr<strong>und</strong>mauern im Außenbau mit der prismatischen<br />
Naturform <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Bergkr<strong>ist</strong>alls. Säulen, hochgezogene Portale, Zackenbögen <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Wandornamentierung aus goldenen Sternen auf blauem Gr<strong>und</strong> er<strong>in</strong>nern an orientalische<br />
Bauformen.<br />
Im Innern wird die Kuppel aus übere<strong>in</strong>ander geschichteten Galerien gebildet, deren<br />
Radien durch Drehung um die halbe Gr<strong>und</strong>seite der vorhergehenden nach oben zu immer<br />
kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r werden (Abb. 123) <strong>und</strong> die an die pyramidenartige Staffelung beim "Monument<br />
<strong>des</strong> Eisens" er<strong>in</strong>nern. Den Abschluß bildet <strong>e<strong>in</strong>e</strong> aus Dreiecken zusammengesetzte Glas-<br />
haube. Die Verglasung der zweiten Galerie <strong>ist</strong> aus dreieckig verschnittenen Prismen<br />
konstruiert. Ihre künstlichen Glasfacetten treten der natürlichen Kr<strong>ist</strong>allform der Kuppel-<br />
haut gegenüber, die mit der mathematischen Konstruktion <strong>des</strong> Innern kaum <strong>in</strong> E<strong>in</strong>klang<br />
zu br<strong>in</strong>gen <strong>ist</strong>.<br />
Durch die Glaswände der Galerien <strong>und</strong> der Kuppelhaube, durch hellblaue Fliesen <strong>in</strong> den<br />
Galerieböden <strong>und</strong> das E<strong>in</strong>gangsportal fällt Licht <strong>in</strong> den Innenraum. Der goldfarbene<br />
Architrav, auf dem die Kuppel ruht, hellblaue
- 90 -<br />
Pfeiler, der grün <strong>und</strong> rot reflektierende Fußboden, die Farben von Gemälden <strong>und</strong> Bilder-<br />
rahmen verleihen ihm <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n buntschimmernden Charakter. Glas, Licht <strong>und</strong> Farbe sollten<br />
sich zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Raum<strong>in</strong>szenierung verb<strong>in</strong>den, wie sie Bruno Taut wenige Monate zuvor im<br />
"Glashaus" verwirklicht hatte. 195<br />
Habliks "Schautempel" sollte, wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Portal<strong>in</strong>schrift besagt (Abb. 122), "dem Meer"<br />
gewidmet werden <strong>und</strong> im Erdgeschoß <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Ausstellungssaal für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Zyklus fest<br />
<strong>in</strong>stallierter Gemälde enthalten, die das Meer verherrlichen sollten. E<strong>in</strong> ebenfalls im<br />
Portal angebrachtes Bild mit zwei im Wasser stehenden Zyklopen, die ihre Kräfte an<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>g messen, gibt die E<strong>in</strong>stimmung auf den monumentalen Charakter der<br />
Gemälde. Sie sollten mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Breite von fünf Metern jeweils <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Wand <strong>des</strong> Oktogons<br />
e<strong>in</strong>nehmen <strong>und</strong> erhielten damit auch im Format kolossale Ausmaße. 196 Der Kr<strong>ist</strong>all, der<br />
als höchstes Natursymbol den 'Weihetempel' <strong>des</strong> Meeres überdacht, verwe<strong>ist</strong> auf die<br />
Gesamtheit der Naturersche<strong>in</strong>ungen; der Sternenhimmel bildet als Repräsentant der<br />
Universalnatur die schützende Hülle.<br />
Der "Schautempel" war als "Symbol <strong>und</strong> Kunstwerk im S<strong>in</strong>n <strong>des</strong> Denkmals" (Abb. 123),<br />
als "Denkmal <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Stadt" (Abb. 121) <strong>und</strong> damit als öffentliches Gebäude geplant. Auf<br />
den Galerien <strong>des</strong> Kuppelraumes sollten Ausstellungen von Graphik <strong>und</strong> Gemälden,<br />
Plastik <strong>und</strong> Kunstgewerbe stattf<strong>in</strong>den. Schließlich waren Lesetische vorgesehen, so daß<br />
sich der Bau als Stätte kultureller Volksbildung präsentiert. Die Architektur der Kuppel,<br />
die wellenförmige Bearbeitung der Pfeiler, die verschiedenfarbigen Baumaterialien <strong>und</strong><br />
Glasflächen vere<strong>in</strong>igen sich mit den Ölbildern zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Gesamtkunstwerk, an dem alle<br />
Kunstgattungen beteiligt s<strong>in</strong>d.<br />
Das Bauwerk war damit - ganz <strong>in</strong> Schopenhauers S<strong>in</strong>n - allen Ersche<strong>in</strong>ungen sowohl der<br />
Natur als auch der Kunst gewidmet. Es hatte auf zweifache Weise geme<strong>in</strong>schafts-<br />
bildenden Charakter: Als "Denkmal" sollte es zur Pilgerstätte werden <strong>und</strong> durch das<br />
Raumerlebnis <strong>des</strong> Innern <strong>e<strong>in</strong>e</strong> religiöse Verehrung von Natur <strong>und</strong> Kunst bewirken. Zum<br />
zweiten verfolgte es mit dem Ziel der universellen Kulturvermittlung sozialpolitische<br />
Bestrebungen. Ähnlich wie beim "Vielfamilienhaus" wird die Utopie <strong>des</strong> "Strebens<br />
zugunsten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Weltwerkes" durch die Wirklichkeit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r sozial organisierten Geme<strong>in</strong>-<br />
schaft verifiziert.
- 91 -<br />
Hablik realisierte mit dem "Schautempel" zugleich die Welt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Nachtträume, <strong>in</strong> der<br />
sich ihm <strong>in</strong> heroischen Bildern vom Meer <strong>und</strong> unter dem Rauschen der Musik geheimnis-<br />
volle Tempel öffneten. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> 1912 entstandenen Traumaufzeichnungen 197 ähneln <strong>in</strong> der<br />
Wahl der architektonischen Motive den Erzählungen Paul Scheerbarts, der <strong>in</strong> dem Roman<br />
"Die Seeschlange" (1901) Tempel als Gesamtkunstwerke von Architektur, Farbe <strong>und</strong><br />
Musik <strong>in</strong> wilder Landschaft schilderte (vgl. Knupp 1980, 127 ff.).<br />
Dienten die Tempelprojekte <strong>des</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts vorwiegend dem Gedächtnis politischer<br />
<strong>und</strong> ge<strong>ist</strong>iger Heroen, 198 so waren im Zuge der Lebensreformbewegung gegen Ende <strong>des</strong><br />
Jahrh<strong>und</strong>erts Tempelentwürfe entstanden, die theosophischen Inhalten, "Menschheits-<br />
empf<strong>in</strong>dungen" oder kulturellen Weihefesten gewidmet waren. Fidus entwarf seit 1892 <strong>in</strong><br />
Zeichnungen <strong>und</strong> Aufsätzen Tempel als r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Andachtsbauten, als Sport- <strong>und</strong> Th<strong>in</strong>g-<br />
stätten, als Ton-, Tanz- <strong>und</strong> Musikhallen (Abb. 124) (Frecot u.a. 1972, 232 ff.). Karl-<br />
He<strong>in</strong>z Knupp (1980, 127 ff.) hat auf Tempelentwürfe von Architekten aus der Zeit um<br />
1900 h<strong>in</strong>gewiesen: Wilhelm Kreis, Bruno Schmitz, Otto Rieth <strong>und</strong> Osw<strong>in</strong> Hempel zeich-<br />
neten Monumentalbauten, Denkmäler <strong>und</strong> Tempel mit riesigen Treppen, Portalen <strong>und</strong><br />
ägyptischen Pylonen. Unter den Entwürfen der Schüler von Otto Wagner, die Joseph<br />
August Lux als e<strong>in</strong> "thebanisches Geschlecht, um die neue Stadt zu bauen" bezeichnete<br />
(Wagnerschule 1902, S. 2), nehmen tempelartige Bauten den größten Raum e<strong>in</strong>. Hier<br />
stellte Alois Bastl <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Kuppelbau als "Palast wissenschaftlicher Ver<strong>e<strong>in</strong>e</strong> für Okkul-<br />
tismus" (Abb. 125) vor, der u.a. Museum, Bibliothek <strong>und</strong> Lesesaal enthalten sollte (ebd.,<br />
32 ff.). 1909 veröffentlichte Otto Kohtz <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Buch "Gedanken über Architektur"<br />
über sechzig Architekturphantasien, <strong>in</strong> denen er Motive sumerischer, ägyptischer <strong>und</strong><br />
maurischer Architektur, klassische Säulenfassaden <strong>und</strong> Ideen der Wagnerschule vorwie-<br />
gend zu Tempelbauten <strong>und</strong> zu immer neuen Monumentalarchitekturen komb<strong>in</strong>ierte. 199<br />
Noch 1920 schrieb Fidus <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Aufsatz zur "Tempelkunst" (S. 47 ff.):<br />
"Unsere kommenden Tempel werden w<strong>und</strong>ersame Darstellungen e<strong>in</strong>heitlicher<br />
Gefühlserlebnisse se<strong>in</strong>. Nicht <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r begrifflichen Gottheit werden sie <strong>in</strong> schematischem<br />
E<strong>in</strong>erlei errichtet se<strong>in</strong> ..., sondern wie Dichtungen werden sie dieses oder<br />
jenes Seelenstreben <strong>und</strong> -erleben ausdrücken durch ihre Gr<strong>und</strong>form, Bauart, Zierat<br />
<strong>und</strong> Farbe. Jeder Tempel wird <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r e<strong>in</strong>zigen Ei-
- 92 -<br />
genart dastehen, machtvoll, drohend, zierlich, lockend oder verträumt, e<strong>in</strong>gegliedert<br />
<strong>in</strong> die charaktervolle Umgebung, der er entwächst. Und all se<strong>in</strong> Schmuck-<br />
<strong>und</strong> Innenwerk wird nur der Ausdruck <strong>und</strong> Mitlaut se<strong>in</strong> für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n eigenartigen<br />
S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Gedanken. Ke<strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelwerk wird um s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r selbst willen oder wie<br />
zufällig da se<strong>in</strong> oder gar, wie <strong>in</strong> unseren Museen, zahlreich aufgespeichert. Der<br />
ganze Tempel wird e<strong>in</strong> organisches Gebilde se<strong>in</strong>, gleich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Gebilde der Natur,<br />
<strong>in</strong> welchem auch nichts ohne zweckdienlichen <strong>und</strong> schönheitlichen Zusammenhang<br />
<strong>ist</strong> <strong>und</strong> nichts überflüssig <strong>und</strong> wahllos sich wiederholt."<br />
Die Tempel- <strong>und</strong> Monumentalentwürfe der Zeit 1900-1914 hatten durchaus unterschied-<br />
liche ge<strong>ist</strong>ige Voraussetzungen. Während sich die Entwürfe der Wagnerschule gegen die<br />
leere "Maske" <strong>des</strong> H<strong>ist</strong>orismus (Wagnerschule 1902, S. 1) wandten, sich Kohtz' Entwürfe<br />
aus der Sehnsucht nach dem "Urgewaltigen" (1909, 3), die von Fidus aus der Lebens-<br />
reform nährten, verkörperten die wirklich gebauten Monumentalarchitekturen, das Leip-<br />
ziger Völkerschlachtdenkmal (1898-1913) etwa, die unzähligen Bismarcktürme, die<br />
Breslauer Jahrh<strong>und</strong>erthalle (1911-1913) die "Staatsmythologie" <strong>des</strong> wilhelm<strong>in</strong>ischen<br />
Deutschlands (Pehnt 2 1981, 25). Ausnahmslos geme<strong>in</strong>sam war ihnen die Feier der seit<br />
1871 gee<strong>in</strong>ten Volksgeme<strong>in</strong>schaft.<br />
Habliks "Schautempel"-Projekt wurde e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>bauste<strong>in</strong> für die künftigen Architektur-<br />
projekte <strong>des</strong> Künstlers. Er hielt die Konstruktion der Innenkuppel aus übereck gestellten<br />
Raumkörpern für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> geniale Erf<strong>in</strong>dung, die Spannweiten von tausend <strong>und</strong> mehr Metern<br />
ermöglichen sollte, <strong>und</strong> verwarf damit die gleichzeitigen Versuche im Betonschalenbau,<br />
darunter Max Bergs Breslauer Jahrh<strong>und</strong>erthalle, die mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Spannweite von 65 Metern<br />
erstmals seit der Antike die <strong>des</strong> Pantheons <strong>in</strong> Rom übertraf (Kultermann 1977, 67). 1922<br />
stellte Hablik das Pr<strong>in</strong>zip s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "freitragenden Kuppel" <strong>in</strong> der von Bruno Taut heraus-<br />
gegebenen Zeitschrift "Frühlicht" vor <strong>und</strong> publizierte es e<strong>in</strong> Jahr später als "auf fünf<br />
Bergspitzen ruhende Kuppel aus hellblauem, smaragdgrünem <strong>und</strong> silbernem Glas"<br />
zusammen mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Aufsatz von Paul Fechter unter dem Titel "Der Kultbaugedanke <strong>in</strong><br />
der neuen Architektur".<br />
Habliks weitere Architekturentwürfe von 1914 waren, wie die vorangegangenen, geme<strong>in</strong>-<br />
schaftlichen Bauaufgaben gewidmet, vertraten aber k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e oder gläserne Form-<br />
gebung mehr. Im Mai <strong>des</strong> Jahres schuf
- 93 -<br />
er den Aufriß für e<strong>in</strong> "Regierungs-/Repräsentationsgebäude", 200 das mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m vorspr<strong>in</strong>-<br />
genden zentralen Turmkomplex, renaissancemäßigem Quadermauerwerk im Sockel-<br />
geschoß, Eckrisaliten <strong>und</strong> Dachgauben vordergründig dem im Stil der Neorenaissance<br />
errichteten Hamburger Rathaus (1886-97) nachempf<strong>und</strong>en <strong>ist</strong> (Abb. 126). Der Entwurf<br />
vere<strong>in</strong>igt jedoch verschiedene Stilformen. Große Mengen gotisierender Stabwerkfenster<br />
im Turm werden von jugendstilhaften Wellenbändern begleitet, die sich baumartig <strong>in</strong> der<br />
Portalzone entwickeln <strong>und</strong> über den oberen Fenstern zu Spitzbögen vere<strong>in</strong>igen. In der<br />
gotischen Gliederung <strong>und</strong> den Zipfeln <strong>des</strong> Turmhelms sch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Motive vom Altstädter<br />
Brückenturm <strong>und</strong> vom Pulverturm <strong>in</strong> Prag wiederzukehren, die der Künstler von s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Studienzeit <strong>in</strong> Prag her kannte. 201 Die Dachgauben <strong>des</strong> Haupttraktes <strong>und</strong> die Fenstergiebel<br />
der unteren Turmverdachung s<strong>in</strong>d als Kielbögen gestaltet. Sie haben ebenso wie die<br />
Giebel der Eckrisalite, die aus zwei Spitzbögen <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m geschweiften Kielbogen beste-<br />
hen, orientalischen Charakter.<br />
Orientalischen Ursprungs s<strong>in</strong>d auch e<strong>in</strong> "Tee-" <strong>und</strong> e<strong>in</strong> "Tanzpavillon zum Schloß" (Abb.<br />
127-128), zwei barocke Lustbauten, die der Künstler wenige Tage später - am 7. Juni<br />
1914 abends - als Ergänzung zum "Regierungsgebäude" 202 entwarf. Sie s<strong>in</strong>d nach Art der<br />
als "Türben" bekannten vorderasiatischen Fürstengräber gestaltet. Das von Säulen getra-<br />
gene <strong>und</strong> mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Krone geschmückte Glockendach sowie Schulter- <strong>und</strong> Zackenbögen<br />
beim "Teepavillon", die reiche Ornamentierung von Giebel, Architrav <strong>und</strong> Pfeilern beim<br />
"Tanzpavillon" s<strong>in</strong>d Motive dieser orientalischen Bauform.<br />
Gotische <strong>und</strong> orientalische Stilelemente <strong>und</strong> barocke Prachtentfaltung waren Ausdruck<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Sehnsucht nach vergangenen oder fremden Lebensformen, <strong>in</strong> denen der Künstler<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> E<strong>in</strong>heit von Kultur <strong>und</strong> geme<strong>in</strong>schaftsgeb<strong>und</strong>enem Dase<strong>in</strong> vermutete. Nach<br />
Gaugu<strong>in</strong>s Flucht vor europäischer Kultur <strong>und</strong> Gesellschaftsordnung zu den "primitiven"<br />
Bewohnern der Südsee (1891), wo dieser das Ursprüngliche <strong>und</strong> Ewige <strong>in</strong> Leben <strong>und</strong><br />
Kunst vermutete, war Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der ersten Künstler <strong>in</strong> der Zeit <strong>des</strong> Expressionismus<br />
gewesen, die ähnliches im Orient oder im Fernen Osten zu f<strong>in</strong>den hofften. 203 Er war im<br />
Juni 1910 für drei Monate nach Konstant<strong>in</strong>opel gere<strong>ist</strong> <strong>und</strong> sofort vom Farben- <strong>und</strong><br />
Formenreichtum <strong>des</strong> Orients gefangen:
- 94 -<br />
"Noch b<strong>in</strong> ich nicht fähig, mich still h<strong>in</strong>zusetzen <strong>und</strong> ausführlich zu schreiben. Ich<br />
b<strong>in</strong> gebannt <strong>und</strong> wie <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Märchen aus tausend <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Nacht laufe ich hier<br />
herum! W<strong>und</strong>er über W<strong>und</strong>er! Farbe! - Farbe! - Leben! Leuchten<strong>des</strong>, glühen<strong>des</strong><br />
Leben! Mir fehlen heute noch Worte - - Ich tr<strong>in</strong>ke diese Lebensbilder -<br />
berauschend wirken dieselben - <strong>und</strong> tausend Verwandtschaften werden mir<br />
bewußt." 204<br />
Etwa zur gleichen Zeit setzte <strong>in</strong> der Literatur 205 <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Kunsttheorie, ausgelöst durch<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> verstärkte Beschäftigung mit den Religionen <strong>des</strong> Ostens, e<strong>in</strong> neues Interesse für die<br />
Kultur <strong>des</strong> Orients e<strong>in</strong>. Wilhelm Worr<strong>in</strong>ger unterschied <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Buch "Formprobleme<br />
der Gotik" (1912) den primitiven Menschen der Gotik, den klassischen <strong>und</strong> den orienta-<br />
lischen Menschen, wobei er der klassischen Phase Oberflächlichkeit <strong>und</strong> Materialismus<br />
vorwarf. Ähnlichkeiten zwischen dem Primitiven <strong>und</strong> dem Orientalen lägen "<strong>in</strong> dem<br />
Vertrauen beider auf den Inst<strong>in</strong>kt, nicht auf das Wissen. Zugleich betonte er aber den<br />
gr<strong>und</strong>legenden Unterschied. Der primitive Mensch steht vor, der orientalische Mensch<br />
jenseits der Erkenntnis" (Whyte 1981, 52). In der Nachfolge Worr<strong>in</strong>gers feierten Karl<br />
Scheffler ("Der Ge<strong>ist</strong> der Gotik", 1917), Adolf Behne <strong>und</strong> Paul Fechter die Gotik als<br />
"letzten Stil" <strong>und</strong> Vollendung <strong>des</strong> Gesamtkunstwerks:<br />
"Der Ge<strong>ist</strong> der Gotik will nicht ausgleichen, er wählt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Formen alle<strong>in</strong> unter dem<br />
Gesichtspunkt, ob sie aus derselben Empf<strong>in</strong>dungswurzel wachsen, ob sie von<br />
derselben Art s<strong>in</strong>d, ob sie die Farbe <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s bestimmten ungebrochenen Willens<br />
tragen. E<strong>in</strong>heitlichkeit, E<strong>in</strong>deutigkeit <strong>ist</strong> ihm alles." (Scheffler 1917, 45)<br />
Gustav Landauer beschrieb - von s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n sozial<strong>ist</strong>ischen Thesen her kommend - die Gotik<br />
als Epoche <strong>des</strong> ideellen sozialen Geme<strong>in</strong>schaftslebens, "als Höhepunkt <strong>des</strong> Ge<strong>ist</strong>es, als<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zeit, <strong>in</strong> welcher die Gesellschaft homogen war <strong>und</strong> der Volkswille <strong>in</strong> den Entwürfen<br />
der ge<strong>ist</strong>igen Führer - der Theologen <strong>und</strong> Baume<strong>ist</strong>er - vollkommenen Ausdruck fand"<br />
(Whyte 1981, 50). Schließlich erhob Bruno Taut <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Buch "Die Stadtkrone" (1919)<br />
Gotik <strong>und</strong> Orient zu Vorbildern für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Kultur <strong>und</strong> Gesellschaftsordnung, <strong>in</strong>dem er<br />
gotische Kathedralen <strong>und</strong> orientalische Tempel gleichermaßen als architektonischen<br />
Ausdruck der E<strong>in</strong>heit von 'Ge<strong>ist</strong>' <strong>und</strong> 'Volk' nebene<strong>in</strong>anderstellte. 206
- 95 -<br />
Die romantische Verklärung ursprünglich-primitiver Kultur <strong>und</strong> Geme<strong>in</strong>schaft, die sich<br />
bei Hablik <strong>in</strong> gotischen <strong>und</strong> orientalischen Stilelementen niederschlug, wird durch das<br />
Gesamtkonzept s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s "Regierungs-/Repräsentationsgebäu<strong>des</strong>" allerd<strong>in</strong>gs nicht e<strong>in</strong>gelöst.<br />
Nicht nur läßt die konventionelle, machtstrotzende Rathausfassade mit ihrem wehrhaften<br />
Sockelgeschoß eher die D<strong>ist</strong>anz als die Volksnähe <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r regierenden Elite vermuten. Die<br />
Entwurfsbeischrift 207 verlangt dem Gebäude zudem Funktionen ab, die es <strong>in</strong> der vorlie-<br />
genden Gestalt kaum erfüllen könnte. Das Satteldach (!), "ausgebaut zu Festsälen, Vor-<br />
tragsräumen, Sitzungssälen etc." <strong>und</strong> damit e<strong>in</strong> geplantes Provisorium, sollte zugleich als<br />
"L(ande)-Pl(atz) für d. Fl(u)gz(euge)" dienen. Ganz im S<strong>in</strong>ne von Paul Scheerbarts "Ent-<br />
wicklung <strong>des</strong> Luftmilitarismus" (1909) war der Bau zugleich als "Rak(eten)-Station" <strong>und</strong><br />
als "Zentral-Station für Schiffahrt, Kriegshafen, Luftschiffe, Flugzeughafen <strong>und</strong> Lande-<br />
plätze" <strong>und</strong> damit für utopische Funktionen gedacht, die <strong>in</strong> krassem Gegensatz zu den<br />
Sche<strong>in</strong>-, Giebel- <strong>und</strong> Dacharchitekturen <strong>des</strong> ornamentüberkrusteten Gebäu<strong>des</strong> stehen.<br />
E<strong>in</strong>flüsse verschiedener gesellschaftlicher, kultureller <strong>und</strong> technischer Utopien hatten zu<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m <strong>in</strong> sich unstimmigen Entwurf geführt.<br />
E<strong>in</strong> "Theater <strong>und</strong> Künstlerhaus" von monumentalen Ausmaßen, das Hablik ebenfalls im<br />
Mai 1914 <strong>in</strong> zwei Fassungen entwarf, <strong>ist</strong> zunächst als Siedlungsprojekt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Künstler-<br />
geme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong> der Nachfolge der 1901-08 auf der Darmstädter Mathildenhöhe errich-<br />
teten Künstlerkolonie zu verstehen. Die von Großherzog Ludwig von Hessen gegründete<br />
Kolonie wurde neben München e<strong>in</strong> Zentrum <strong>des</strong> deutschen Jugendstils. Habliks frühere<br />
Skizze zeigt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n aus seriellen Bogenstellungen konstruierten Terrassenbau mit kurzen<br />
Querarmen, der <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Adaption <strong>des</strong> Londoner Kr<strong>ist</strong>allpalastes (1851) von Joseph Paxton<br />
darstellt (Abb. 129). In der ausgeführteren Fassung erhebt sich der Bau auf quadratischem<br />
Gr<strong>und</strong>riß <strong>in</strong> drei doppelten Stockwerken mit breiten Terrassen (Abb. 130). Er wird von<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Turmaufsatz bekrönt, der aus vier von den Gr<strong>und</strong>seiten ausgehenden An-<br />
schwüngen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Plattform mit zwölf Säulen <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Turmhelm besteht. Die<br />
Anschwünge <strong>des</strong> Turmes bilden paarweise orientalische Kielbögen, die schon durch die<br />
Arkaden (oder verglasten Träger im S<strong>in</strong>ne Paxtons) <strong>des</strong> Sockelbaus vorbereitet werden.<br />
Durch sie erhält der ganze hochfahrende Treppenbau die Form <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r <strong>in</strong>dischen Pagode<br />
(vgl. Abb. 130a).
- 96 -<br />
Auch hier spiegeln die orientalischen Formen im Zusammenhang mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m "Künstler-<br />
haus" die Utopie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künftigen Gesellschaft, deren Geme<strong>in</strong>schaftsbewußtse<strong>in</strong> sich aus<br />
der religiösen Verehrung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r geme<strong>in</strong>sam geschaffenen Kultur ergeben sollte, <strong>und</strong> die<br />
der Zeitge<strong>ist</strong>, soweit er von Worr<strong>in</strong>ger, Behne, Taut <strong>und</strong> Gleichges<strong>in</strong>nten formuliert<br />
wurde, <strong>in</strong> der <strong>in</strong>dischen Kultur bereits verwirklicht sah:<br />
"Will man zum Beispiel angesichts der <strong>in</strong>dischen Kunst ... behaupten, die Kunst<br />
stehe beziehungslos im Leben der Allgeme<strong>in</strong>heit? (...) Man kann sie vom Leben<br />
<strong>des</strong> Volkes so wenig trennen, wie man e<strong>in</strong> leben<strong>des</strong> Gehirn trennen kann vom<br />
Kreislauf <strong>des</strong> Blutes <strong>in</strong> allen Pulsen <strong>des</strong> Leibes. (...) Der <strong>in</strong>dische Tempel reicht<br />
weit <strong>in</strong> das Land h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Die e<strong>in</strong>fachen niedrigen Hütten gehören zu ihm, denn sie<br />
s<strong>in</strong>d aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Gefühle mit ihm entstanden ... Ja, es <strong>ist</strong> kaum zuviel getan, wenn<br />
man sich vorstellt, daß ... nichts Größtes <strong>und</strong> nichts Kle<strong>in</strong>stes <strong>in</strong> Indien vom Auge<br />
anzutreffen wäre, das nicht den gleichen Ge<strong>ist</strong> aufwiese, den der Tempel zeigt ..."<br />
(Behne 1919, 13) 208<br />
In der Wirkung der Außenräume schließt Habliks Entwurf darüber h<strong>in</strong>aus an die Monu-<br />
mentalprojekte der Wagnerschule oder von Otto Kohtz an. Reihen <strong>und</strong> Dreiergruppen<br />
von Bäumen unterstreichen sowohl die horizontalen L<strong>in</strong>ien der Terrassen als auch die<br />
aufstrebende Form <strong>des</strong> Bauwerks <strong>und</strong> geben ihm - <strong>in</strong> der Art von Böckl<strong>in</strong>s P<strong>in</strong>iengruppen<br />
- <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n weihevollen Charakter. Sie gestalten die Terrassen zu Außenräumen, die durch<br />
Arkaden zum Innern <strong>in</strong> Beziehung treten <strong>und</strong> <strong>in</strong> der untersten Ebene wieder zu Höfen<br />
abgesenkt werden. H<strong>in</strong>ter den Bogenstellungen <strong>des</strong> dritten Stocks <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> "Lichthof bis<br />
Erdboden" vorgesehen, so daß Außen- <strong>und</strong> Innenraum <strong>in</strong> ihren weiten Ausmaßen <strong>in</strong>e<strong>in</strong>-<br />
ander übergehen. Ähnliche Lichthöfe s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> allen vier Ecken <strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> zu vermuten.<br />
An <strong>e<strong>in</strong>e</strong> konkrete Funktion der Räume <strong>ist</strong> nicht gedacht: Das Bauwerk <strong>ist</strong> wie der "Schau-<br />
tempel" e<strong>in</strong> Tempel der Kunst <strong>und</strong> verkörpert die "Idee, den Menschen durch das Raum-<br />
erlebnis zu verwandeln" (Hans H. Hofstätter).<br />
Fünf weitere Architekturentwürfe von Hablik aus der Zeit <strong>des</strong> Ersten Weltkrieges, die<br />
ebenfalls die Funktion von Kultbauten oder Denkmälern haben, schließen noch deutlicher<br />
an die Monumentalprojekte der Wagnerschule (Abb. 83-84), von Hermann Bill<strong>in</strong>g (Abb.<br />
85) oder Otto Kohtz an. 1915/16 gab er <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Folge von Tuschp<strong>in</strong>selzeichnungen zwei<br />
Aussichtstürme wieder, die auf steil abfallender Küste als "Denkmal" <strong>und</strong>
- 97 -<br />
"Leuchtfeuer bei Nacht" (Abb. 132-133) dienen sollten. E<strong>in</strong>er der Türme <strong>ist</strong> mit Tetra-<br />
edern bekrönt, der andere mit Kugeln, die auf prismatischen E<strong>in</strong>zeltürmen liegen. E<strong>in</strong><br />
"Denkmal <strong>in</strong> offener See auf e<strong>in</strong>sam. Fels od. an felsiger Küste" (Abb. 131) <strong>ist</strong> als frei-<br />
plastischer, mit Zacken bewehrter Würfel konzipiert.<br />
1917 entwarf er auf zwei Gemälden die architektonischen E<strong>in</strong>fassungen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Quelle <strong>und</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Fontäne, deren e<strong>in</strong>zige Funktion die kulissenhafte Inszenierung der beiden Wasser-<br />
spender <strong>ist</strong>. Die "Quellen<strong>in</strong>sel" (Abb. 134) <strong>ist</strong> als Mutterschoß aufgefaßt <strong>und</strong> zeigt <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
von der Quelle ausgehende symmetrische Bebauung aus versetzten Quadern. H<strong>in</strong>ter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
riesigen freiplastisch aufgestellten Kugel erhebt sich auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Anhöhe e<strong>in</strong> zweiter Bau-<br />
komplex. Der "Geisir" (Abb. 135) <strong>ist</strong> als Pendant dazu <strong>in</strong> der detaillierten Gestalt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Phallus ausgeführt. Er wird von quaderförmigen Terrassen flankiert, die zwischen zwei<br />
Berghängen angelegt <strong>und</strong> im H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> halbr<strong>und</strong>e Wand mite<strong>in</strong>ander<br />
verb<strong>und</strong>en s<strong>in</strong>d. In der Gestalt von Mutterschoß <strong>und</strong> Phallus ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n die Naturkräfte<br />
<strong>des</strong> Wassers als Lebensspender <strong>und</strong> Kraftsymbol. 209 Die architektonischen E<strong>in</strong>fassungen<br />
stellen zugleich die Bezw<strong>in</strong>gung <strong>und</strong> die Heroisierung der Naturkräfte dar.<br />
Antonio Sant'Elia, ebenfalls von der Wagnerschule bee<strong>in</strong>flußt, zeichnete um 1914<br />
ähnliche Monumentalbauten (Abb. 136), die er jedoch als "Wohnmasch<strong>in</strong>en" für die von<br />
ihm geplante Città Futura verstand. Se<strong>in</strong> Manifest zur futur<strong>ist</strong>ischen Architektur (1914)<br />
steht <strong>in</strong> merkwürdigem Kontrast zum Charakter s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Entwürfe:<br />
"Machen wir endlich Schluß mit der Architektur <strong>des</strong> Monumentalen, der Friedhöfe<br />
<strong>und</strong> Gedenkstätten. Werfen wir Denkmäler, Fußgängersteige, Säulenhallen <strong>und</strong><br />
breite Treppen über den Haufen, versenken wir die Straßen <strong>und</strong> die Plätze, <strong>und</strong><br />
heben wir das Niveau der Städte." (Sant'Elia 1914, 216)<br />
Mag Sant'Elia sich nur gegen Erhalt <strong>und</strong> Nachahmung h<strong>ist</strong>orischer "Monumente"<br />
gewandt haben, so fand er <strong>in</strong> Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Nachfolger. <strong>Dieser</strong> plante s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Aussichts-<br />
türme ausdrücklich "an Stelle der alten neu 'restaurierten' Ru<strong>in</strong>en" (Abb. 132), offenbar<br />
mit der Intention, durch sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künftigen Gesellschaft neue kulturelle <strong>und</strong> emotionale<br />
Werte zu vermit-
- 98 -<br />
teln. Habliks Bauten unterwerfen als technische Me<strong>ist</strong>erle<strong>ist</strong>ungen von idealer geome-<br />
trischer Gestalt die Naturgewalten Gebirge <strong>und</strong> Wasser <strong>und</strong> symbolisieren so den Sieg<br />
<strong>des</strong> Menschen über die Natur. Als "Aussichtstürme" eröffnen sie den Blick auf die<br />
Schönheit der Natur <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d - aus ihren Materialien geschaffen - e<strong>in</strong> Teil ihrer Allmacht.<br />
Sie sollen den Menschen (die auf den Bauten <strong>des</strong> "Geisirs" als w<strong>in</strong>zige Gestalten zu er-<br />
kennen s<strong>in</strong>d) durch das emotionale Erleben die Erkenntnis der Naturkräfte vermitteln. Es<br />
s<strong>in</strong>d Kultbauten, die auf die Wandlung <strong>des</strong> Menschen durch die Naturerkenntnis abzielen<br />
<strong>und</strong> damit im Dienst <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r gesellschaftlichen Erneuerung stehen.<br />
Habliks Architekturprojekte der Jahre 1912-17 hatten bei aller stil<strong>ist</strong>ischen <strong>und</strong> funk-<br />
tionalen Verschiedenheit e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>sames Ziel: die Schaffung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r geme<strong>in</strong>schaftlich<br />
organisierten Gesellschaft. "Vielfamilienwohnhaus", "Regierungs-/Repräsentations-<br />
gebäude", "Schautempel" <strong>und</strong> "Künstlerhaus" waren Beispiele für die geplante Art <strong>des</strong><br />
Zusammenlebens <strong>und</strong> für die sozialisierende Rolle der Kultur; die Denkmal- <strong>und</strong> Aus-<br />
sichtsarchitekturen fixierten das Mite<strong>in</strong>ander von Natur <strong>und</strong> Kunst als wichtigste ge<strong>ist</strong>ige<br />
Gr<strong>und</strong>lage der künftigen Gesellschaft. Die Entwürfe entstanden während <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Zeit, <strong>in</strong> der<br />
"<strong>in</strong> Deutschland <strong>e<strong>in</strong>e</strong> architektonische Erweckungsbewegung im Entstehen begriffen war"<br />
(Ia<strong>in</strong> Boyd Whyte). Die Siedlungsbewegung, die sozial<strong>ist</strong>ischen Theorien Gustav Lan-<br />
dauers, die Aufwertung von Gotik <strong>und</strong> Orient zu architektonischen <strong>und</strong> sozialtheore-<br />
tischen Vorbildern sowie der literarische Aktivismus von Kurt Hiller, Rudolf Kayser <strong>und</strong><br />
Alfred Wolfenste<strong>in</strong> 210 waren <strong>in</strong> reformerischer oder zukunftsorientierter Weise auf die<br />
Schaffung idealer Geme<strong>in</strong>schaften gerichtet. Bruno Taut verarbeitete diese Ideen seit<br />
1915 <strong>in</strong> den Entwürfen zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Buch "Die Stadtkrone" (1919), das die Ansichten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
"Neuen Stadt", von Stadtsilhouette, Tempel <strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>allhaus enthält. Seit 1917 zeichnete<br />
er die Mappe "Alp<strong>in</strong>e Architektur" (1919) mit Darstellungen kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>er Gebirgsbauten<br />
als Hommage an Paul Scheerbart.<br />
Habliks Konzept <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r geme<strong>in</strong>schaftlich organisierten Gesellschaft wurzelte jedoch<br />
bereits <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n frühen Kr<strong>ist</strong>allphantasien, die er 1906 als "Idee <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s geme<strong>in</strong>samen<br />
Strebens zugunsten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Weltwerkes" 211 charakterisiert hatte. Wenn Ia<strong>in</strong> Boyd Whyte<br />
(1981, 159) die Symbolgruppe
- 99 -<br />
"Berge - Kr<strong>ist</strong>all - neuer Morgen", die 1920 <strong>in</strong> den Zeichnungen der "Gläsernen Kette"<br />
die entscheidende Rolle spielte, aus Tauts "Alp<strong>in</strong>er Architektur" herleitete, so vergaß er<br />
die Darstellungen kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>er Bergbauten <strong>in</strong> Habliks Mappe "Schaffende Kräfte", die<br />
ganz von dieser Symbolik leben <strong>und</strong> die auch Bruno Taut durch Ewald Benders Rezen-<br />
sion <strong>in</strong> der "Deutschen Kunst <strong>und</strong> Dekoration" 1910 <strong>und</strong> durch die Ausstellung im<br />
"Sturm" 1912 bekannt geworden se<strong>in</strong> dürften.
- 100 -<br />
4. KAPITEL:<br />
NATURMYSTIK UND GESELLSCHAFTSUTOPIE<br />
IM BÜRGERLICHEN INNENRAUM (1908 - 1915)<br />
I. Architekturphantasien als Innendekorationen<br />
Habliks früheste Architekturphantasien <strong>und</strong> das erste <strong>in</strong> Öl gemalte "Kr<strong>ist</strong>allschloß"<br />
(1904) entstanden während s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Studiums an der Wiener Kunstgewerbeschule. Der<br />
E<strong>in</strong>fluß der Wiener Sezession mit ihrem Bestreben zur gesamtkünstlerischen Innen-<br />
dekoration begründete <strong>in</strong> dieser Zeit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Auffassung, daß Malerei <strong>und</strong> Graphik nur <strong>in</strong><br />
dem dekorativen System <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Innenraums ihre volle Aussagekraft entfalten könnten.<br />
Malerei <strong>und</strong> Innenraum wurden für ihn untrennbar: "... nur der allerbeste Maler kann e<strong>in</strong><br />
guter Dekorateur se<strong>in</strong>." 212 In Prag gehörten die Zeitschriften "Dekorative Kunst" <strong>und</strong><br />
"Deutsche Kunst <strong>und</strong> Dekoration" zur Lektüre <strong>des</strong> Akademieschülers. 213 Die erste Aus-<br />
stellung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gemälde, die 1908 <strong>in</strong> leer stehenden Räumen <strong>des</strong> Architekten Hebbel <strong>in</strong><br />
Itzehoe stattfand, plante er nach dem Vorbild der Wiener Sezessions-Ausstellungen 214 als<br />
Wechselwirkung von Malerei <strong>und</strong> Innenraum:<br />
"Die e<strong>in</strong>zelnen Wände werden <strong>in</strong> symmetrische Felder geteilt <strong>und</strong> mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Stück<br />
Stoff ... <strong>in</strong> der Komplementärfarbe <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> bespannt. Z. Bsp. das Feuerbild, das<br />
<strong>in</strong> der Hauptsache aus leuchtendem Gelb bis tief Braun <strong>und</strong> Weiß besteht, auf<br />
blauem Gr<strong>und</strong>. (...) ... ich denke mir daher - das Zimmer, welches das größte <strong>ist</strong>,<br />
mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m ganz hellen gelben Stoff auszuschlagen, darüber kommt dann an der<br />
größten Wand das Blau <strong>und</strong> darauf das stark leuchtende Gelb <strong>des</strong> Feuerbil<strong>des</strong>. Auf<br />
die Wand gegenüber das tief blaue Sternenbild <strong>und</strong> auf der andern das schwarze<br />
Meerbild." 215<br />
Das Streben nach dem Gesamtkunstwerk <strong>des</strong> Innenraums bee<strong>in</strong>flußte Habliks Malerei.<br />
Die zeitgenössische Kritik stellte vorzugsweise die dekorative Wirkung der Landschaften,<br />
Meerbilder <strong>und</strong> Blumenstücke heraus. Walter H. Dammann, Kunsth<strong>ist</strong>oriker <strong>und</strong> späterer<br />
Direktor <strong>des</strong> Flensburger Museums, bemängelte anläßlich der Gesamtausstellung von<br />
Wenzel <strong>und</strong> Elisabeth Hablik im Altonaer Museum 1918, daß<br />
"... wir diesmal <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kunst fast nur den Raumschmuck zu erblicken <strong>und</strong> zu<br />
würdigen vermögen. Nicht nur die Tat, wie diese Kunstwerke vor den Beschauer<br />
h<strong>in</strong>treten, wie sie mit Ge-
- 101 -<br />
weben, Stickere<strong>in</strong>, K<strong>in</strong>dergewändern, Glasbläserkunststückchen, mit allerlei Tand<br />
<strong>und</strong> Geschmeide <strong>in</strong> Wettbewerb stehen, wie sie an dekorativen Naturw<strong>und</strong>ern<br />
gemessen werden wollen - auch der <strong>in</strong>nere Wert der Bilder selbst <strong>ist</strong> ersichtlich vor<br />
allem auf die Fähigkeit <strong>des</strong> Künstlers, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fläche farbig zu gestalten, begründet."<br />
216<br />
Auch bei den Architekturphantasien gehören Bilddarstellung <strong>und</strong> dekorative Auffassung<br />
zusammen. Zu den ersten Radierungen mit Kr<strong>ist</strong>allbauten (Abb. 43, 46) hatte der<br />
Künstler 1907 bemerkt: "... <strong>und</strong> doch sieht <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Radierung nur dann gut aus, wenn der<br />
mechanische Teil der Arbeit der bessere Teil <strong>ist</strong>." 217 Die Blätter der Mappe "Schaffende<br />
Kräfte" waren so dekorativ empf<strong>und</strong>en, daß sie 1909 im Wiener Kunstgewerbemuseum<br />
zur Dekoration ausgestellter Interieurs verwendet wurden. 218<br />
In sche<strong>in</strong>bar völlig profaner Funktion ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n die Kr<strong>ist</strong>allbauten als H<strong>in</strong>ter-<br />
gr<strong>und</strong>kulissen <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m radierten Werbeblatt für "Stumpfs Reform-Schiebefenster", das<br />
der Künstler 1908 gestaltete (Abb. 137). 219 An der rechten Ecke <strong>des</strong> geöffneten Schiebe-<br />
fensters sitzt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frauengestalt, 220 die mit s<strong>in</strong>nend aufgestütztem Kopf auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ima-<br />
g<strong>in</strong>ären Punkt <strong>des</strong> Fensterrahmens blickt. Sie nimmt die aus dem ruhigen Wasser auf-<br />
ragenden Kr<strong>ist</strong>allbauten mit der ger<strong>in</strong>gen Beachtung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s vertrauten Anblicks h<strong>in</strong>. Die<br />
leuchtend hellen Architekturen wie das tief verschattete Zimmer sch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n gleichermaßen<br />
entrückt. Das Frauenprofil er<strong>in</strong>nert <strong>in</strong> Gesichtszügen, Kopfhaltung, Haartracht <strong>und</strong> der<br />
Behandlung <strong>des</strong> weitärmligen Gewan<strong>des</strong> an Feuerbachs Karlsruher Porträt der Nanna<br />
Risi (1861, Abb. 138). Das Blatt, <strong>in</strong> das die Zeile "Stumpfs Reform-Schiebefenster<br />
D.R.P." e<strong>in</strong>geprägt <strong>ist</strong>, tritt mit dem für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Werbegraphik hohen künstlerischen<br />
Anspruch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bei Otto Fels<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> gedruckten Radierung auf. Es <strong>ist</strong> als Werbe-<br />
geschenk der Firma Richard Biel denkbar <strong>und</strong> kann als selbständiger Wandschmuck<br />
gelten.<br />
Das 1904 zur Hochzeit von Dr. Hugo Feldste<strong>in</strong> gemalte "Kr<strong>ist</strong>allschloß im Meer" war<br />
ausdrücklich zur Dekoration der privaten Wohnräume <strong>des</strong> jungen Ehepaars bestimmt.<br />
Zehn Jahre später schuf der Künstler zwei weitere Ölgemälde <strong>des</strong> gleichen Sujets. Das<br />
erste der beiden im Januar 1914 entstandenen Bilder (Abb. 139) gelangte <strong>in</strong> den Besitz<br />
<strong>des</strong> Itzehoer Tapetengroßhändlers Carl Ste<strong>in</strong> 221 <strong>und</strong> damit <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s der wohlhabendsten<br />
<strong>und</strong> angesehensten Häuser der Stadt. 222 Es zeigt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ganz <strong>in</strong> Blautönen ge-
- 102 -<br />
haltenen kegelförmigen, vielfach geschichteten Kr<strong>ist</strong>allberg, der - von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Wolken-<br />
band umhüllt - <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Schluchtkessel steht. 223 E<strong>in</strong>e Ansicht aus dem Salon <strong>des</strong> Hauses<br />
Ste<strong>in</strong>, die <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tapetenprospekt der Firma veröffentlicht wurde, zeigt das Bild <strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m ganz von Hablik gestalteten Ensemble der frühen zwanziger Jahre mit Spieltisch<br />
<strong>und</strong> vier Sesseln, sternförmiger Deckenlampe <strong>und</strong> mäanderartigem Tapetenmuster (Abb.<br />
496). 224<br />
Das zweite Bild, e<strong>in</strong> "Kr<strong>ist</strong>allschloß im Meer" (Abb. 140) konzentriert sich auf die<br />
Darstellung <strong>des</strong> im Wasser stehenden Kr<strong>ist</strong>allkomplexes <strong>und</strong> die Beschreibung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Struktur. Farblich differenzierte pastose Spachtelstriche geben die Lichtreflexe auf den <strong>in</strong><br />
der Natur unregelmäßig gewachsenen, verwitterten <strong>und</strong> durch E<strong>in</strong>schlüsse mehr oder<br />
weniger transparenten Kr<strong>ist</strong>allflächen wider. Sie werden diesem Phänomen weitaus ge-<br />
rechter als die glatte vertikale Behandlung <strong>des</strong> Ste<strong>in</strong>schen Exemplars.<br />
Der Kr<strong>ist</strong>all funkelt <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>sten Farbflächen aus weißen, blauen, grünen <strong>und</strong> violetten<br />
Tönen <strong>und</strong> sendet Strahlenbündel <strong>in</strong> das tiefe Blau von Himmel <strong>und</strong> Meer. Die zeit-<br />
genössische Kritik sah <strong>in</strong> dem Farbenspiel vornehmlich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n dekorativen <strong>und</strong> damit<br />
kunstgewerblichen Aspekt:<br />
"Aus ultramar<strong>in</strong>blauem Meer erhebt sich, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Zauberschloß gleich, das helle,<br />
rotviolett durchspielte Kr<strong>ist</strong>allgebilde, mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Geleucht die tiefblaue Luft<br />
aufhellend. Daß <strong>e<strong>in</strong>e</strong> aus sich selbst so dekorativ wirkende Farbenkraft ... sich auch<br />
der angewandten Kunst zuwendet, <strong>ist</strong> selbstverständlich. " 225<br />
Das Bild blieb zunächst im Besitz <strong>des</strong> Künstlers <strong>und</strong> wurde erst 1925 während <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Ausstellung <strong>des</strong> "Kunstvere<strong>in</strong>s für Böhmen" <strong>in</strong> Prag von der Prager Nationalgalerie<br />
erworben. 226<br />
Nach dem Gemälde <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s ganz <strong>in</strong> Blautönen gehaltenen "Gletschers" (Abb. 141) mit<br />
kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Strukturen entstand im September 1917 unter dem Titel "Meereszauber"<br />
(Abb. 142) das letzte Bild <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s im Wasser stehenden Kr<strong>ist</strong>allbaus. Die Kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>sel<br />
erhebt sich vor rosa <strong>und</strong> hellblauen Wolkentürmen aus dem ruhigen hellblauen Wasser.<br />
Am diesseitigen Ufer spielt sich auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m von zwei Zypressen gesäumten Strand <strong>und</strong><br />
grünen Hängen e<strong>in</strong> reges Badeleben ab.
- 103-<br />
Die Architektur geht <strong>in</strong> ihrer Zusammensetzung aus mehreren Kr<strong>ist</strong>alltürmen, Brücken-<br />
gängen <strong>und</strong> frei plazierten Halbkugeln auf Studien der Jahre 1905/06 zurück. Sie unter-<br />
scheidet sich gegenüber den früheren, vornehmlich <strong>in</strong> Blau gehaltenen Kr<strong>ist</strong>allbergen<br />
durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> kontrastreiche Buntfarbigkeit aus leuchtend kräftigen <strong>und</strong> lichten, mit Weiß<br />
gemischten Farben. Weite Teile der Berghänge ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>in</strong> rosa Tönen. Die blau gehal-<br />
tenen vertikalen Strukturen <strong>des</strong> Baus kontrastieren zu Rot, Rosa, Grün <strong>und</strong> Gelb. Auf<br />
leuchtend gelben Kr<strong>ist</strong>all'dächern' sche<strong>in</strong>t sich die Sonne widerzuspiegeln; kräftig<br />
dunkelgrüne Berghänge leiten zu tiefblauen Terrassenanlagen über. In allen Formationen<br />
s<strong>in</strong>d zugleich dünn gespachtelte Spuren der anderen Farben enthalten, so daß sich e<strong>in</strong><br />
beständiges Funkeln der bunten Farbstrukturen ergibt. Die aus Schlangenl<strong>in</strong>ien <strong>und</strong><br />
Schnecken zusammengesetzten Wolkentürme bilden eigenständige Ornamente <strong>und</strong> geben<br />
der Darstellung die Qualität <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Traumgebil<strong>des</strong>.<br />
Der Aufbau der Insel aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r flachen Basis <strong>und</strong> steil aufragenden Wänden sowie die -<br />
allerd<strong>in</strong>gs seitlich ans Ufer ausgelagerten - Zypressen s<strong>in</strong>d Motive aus Arnold Böckl<strong>in</strong>s<br />
"Toten<strong>in</strong>sel" (1880), mit der bereits Hugo Feldste<strong>in</strong> das früheste "Kr<strong>ist</strong>allschloß im Meer"<br />
(1904) verglich. Die im Vordergr<strong>und</strong> auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m roten Tuch liegende Frauengestalt zitiert<br />
e<strong>in</strong> weiteres Bildthema <strong>des</strong> Symbolismus. Sie kehrt dem Kr<strong>ist</strong>allbau den Rücken zu <strong>und</strong><br />
versucht, die Blicke <strong>des</strong> Betrachters auf sich zu lenken. Ihre roten Haare <strong>und</strong> die h<strong>in</strong>ter<br />
dem Kopf verschränkten Arme verraten sie als Verführer<strong>in</strong> <strong>und</strong> "femme fatale", wie sie<br />
Edvard Munch um 1900 mit ähnlicher Haltung, Haartracht <strong>und</strong> rotem Gewand mehrfach<br />
malte. 227 Die übrigen lagernden oder badenden Figuren nehmen den Anblick der Kri-<br />
stall<strong>in</strong>sel mit demselben Gleichmut h<strong>in</strong> wie die Frau am Schiebefenster <strong>in</strong> Habliks<br />
Werbeblatt von 1908.<br />
Das Gemälde wurde im November 1921 von dem Elmshorner Lederfabrikanten Johannes<br />
Knecht erworben <strong>und</strong> gelangte damit, wie der Ste<strong>in</strong>sche Kr<strong>ist</strong>allberg, <strong>in</strong> e<strong>in</strong> wohl-<br />
haben<strong>des</strong> großbürgerliches Haus. Es wurde dort <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Wandpaneel e<strong>in</strong>gefügt <strong>und</strong> so zum<br />
festen Bestandteil der Innendekoration.<br />
Der Titel "Meereszauber" verrät die Absicht <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r geheimnisvoll-glückseligen Stimmung.<br />
Der Maler folgte auch hier Arnold Böckl<strong>in</strong>, der s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>
- 104 -<br />
erst später von dem Kunsthändler Franz Gurlitt so benannte "Toten<strong>in</strong>sel" e<strong>in</strong> "Bild zum<br />
Träumen" nannte (Ausstellungs-Katalog Symbolismus 1976, 35). Der Ste<strong>in</strong>sche Kr<strong>ist</strong>all-<br />
berg <strong>und</strong> das Prager "Kr<strong>ist</strong>allschloß im Meer" erhielten vom Künstler zusätzlich den Titel<br />
"Stimmungsbild für e<strong>in</strong> Musikzimmer", der ganz auf den entrückten Kunstgenuß <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
wohlhabenden Schicht e<strong>in</strong>gestimmt war. Mit der Verknüpfung von dekorativer Malerei,<br />
e<strong>in</strong>heitlich gestaltetem Interieur <strong>und</strong> Hausmusik war e<strong>in</strong> Gesamtkunstwerk <strong>des</strong><br />
Innenraums beabsichtigt, wie es sich nur das Großbürgertum le<strong>ist</strong>en konnte <strong>und</strong> wie es<br />
zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t teilweise im Hause Ste<strong>in</strong> verwirklicht wurde.<br />
Die Bildzitate, die mit der "Nanna Risi", der "Toten<strong>in</strong>sel" <strong>und</strong> Munchs "Madonna" zu den<br />
bekanntesten Bildthemen <strong>des</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts gehörten, kamen dem Bildungsstand <strong>und</strong><br />
dem Geschmack jenes großbürgerlichen Publikums entgegen, <strong>in</strong> dem Hablik sich durch<br />
den wohlhabenden Kaufmann Richard Biel selbst bewegte. Der Kr<strong>ist</strong>all war als Thema<br />
der Belletr<strong>ist</strong>ik seit Novalis <strong>und</strong> Stifter geläufig <strong>und</strong> beliebt <strong>und</strong> konnte dem literarischen<br />
Anspruch an e<strong>in</strong> "Stimmungsbild" genügen. Die Kr<strong>ist</strong>allarchitekturen wurden durch die<br />
bekannten ikonographischen Verweise gleichsam 'gesellschaftsfähig'. Die Medien Radie-<br />
rung <strong>und</strong> Ölbild hoben sie <strong>in</strong> den Bereich der 'großen' Kunst, die gerade <strong>in</strong> jenen Kreisen<br />
auch materiell meßbar <strong>ist</strong>.<br />
Die Frau am Schiebefenster <strong>und</strong> die Badenden im "Meereszauber" verkörpern die<br />
Verwirklichung der Utopie: Für sie s<strong>in</strong>d die phantastischen Bauten <strong>e<strong>in</strong>e</strong> vertraute Realität,<br />
die sich nach ihrem Vorbild auch der Bildbetrachter zu eigen machen sollte. Den Effekt<br />
<strong>des</strong> Alltäglichen <strong>und</strong> der Gewöhnung an das utopische Thema verfolgte der Künstler,<br />
<strong>in</strong>dem er die Kr<strong>ist</strong>allarchitekturen durch das Werbeblatt <strong>und</strong> durch Salonbilder mitten <strong>in</strong><br />
den bürgerlichen Alltag stellte. 228 Er '<strong>in</strong>stallierte' den Kr<strong>ist</strong>all als Symbol der alles-<br />
gestaltenden Naturkräfte im Wohnbereich dieser Gesellschaftsschicht, die er damit zur<br />
Zielgruppe s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s naturphilosophischen Weltentwurfs erklärte. Die Gemälde erhielten<br />
durch die symbolische Gestalt <strong>und</strong> die stimmungsvolle Darstellung <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>alls die<br />
Qualität von Andachtsbildern der Natur. E<strong>in</strong>e ähnliche Funktion hatten auch die Uni-<br />
versum-Bilder, die die Gesamtheit der Natur im Alltagsbereich vergegenwärtigen <strong>und</strong><br />
glorifizieren sollten.
- 105 -<br />
Auf die Vermittlung der Naturerkenntnis zielte e<strong>in</strong> weiteres, ebenso ungewöhnliches<br />
Bildthema ab: Das nur fotografisch überlieferte Gemälde "Feuer als Element" (1908,<br />
Abb. 143) stellte den Versuch dar, "die Kraft der Vernichtung <strong>und</strong> die herrliche Schön-<br />
heit" <strong>des</strong> Feuers "als Element der Zerstörung" 229 darzustellen. 230<br />
Die Verankerung der Kr<strong>ist</strong>allphantasien im großbürgerlichen Milieu betraf ebenso die<br />
Utopie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r geme<strong>in</strong>schaftlich organisierten Gesellschaft, die der Künstler offenbar mit<br />
dieser Schicht zu verwirklichen suchte. Der Plan <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r aus dem Bürgertum entwickelten<br />
e<strong>in</strong>heitlichen Volksgeme<strong>in</strong>schaft <strong>ist</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m erst 1923 entstandenen Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s "Volks-<br />
oder Bürgerhauses aus dem Volk resp. Bürgertum, für das Volk, resp. das Bürgertum" zu<br />
entnehmen, das er als "Versammlungsort aller positiv wollenden Ge<strong>ist</strong>er zu freier<br />
Aussprache <strong>und</strong> freier Tat" 231 <strong>in</strong> Itzehoe e<strong>in</strong>gerichtet sehen wollte.<br />
In den Gemälden "Zerstörung" <strong>und</strong> "Der Weg <strong>des</strong> Genius", von denen das erste noch vor<br />
dem "Meereszauber" im August 1917, das zweite am 2./3. November 1918 entstand,<br />
weicht die Andachtshaltung gegenüber der utopischen Architektur <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r aktiv<strong>ist</strong>ischen<br />
Auffassung. In "Zerstörung" (Abb. 145) stürzen kubische Baukörper <strong>und</strong> Säulentrommeln<br />
<strong>in</strong> vertikaler Flucht zusammen <strong>und</strong> zerbersten <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Inferno explosiver Flammen-<br />
garben. Das Schmuckband <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r marmorierten Säule, e<strong>in</strong> mit Zacken <strong>und</strong> Rauten be-<br />
malter 'Totempfahl' <strong>und</strong> die Farbstreifen der stürzenden Kuben illustrieren den Zusam-<br />
menbruch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ganzen archaischen Kultur, leere Postamente <strong>und</strong> Säulenbasen bleiben als<br />
rauchgeschwärzte Reste <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Herrschaftsarchitektur zurück. E<strong>in</strong>e muskulöse Figur mit<br />
flammendem Schwert, wie sie <strong>in</strong> Kämpferpose aus Habliks Exlibris (Abb. 77) bekannt<br />
<strong>ist</strong>, stellt ihren Fuß siegreich auf die Trümmer.<br />
Chaos <strong>und</strong> Abgr<strong>und</strong> werden <strong>in</strong> "Der Weg <strong>des</strong> Genius" (Abb. 146) überw<strong>und</strong>en: E<strong>in</strong> rotes<br />
Wesen arbeitet sich über glatt geschnittene Bergspalten <strong>und</strong> tiefe Schluchten mit geome-<br />
trisch scharf begrenzten <strong>und</strong> wirr geschichteten grellbunten Felszacken auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kr<strong>ist</strong>all-<br />
architektur im H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> vor. Schließlich trennt sie nur noch e<strong>in</strong> kurzer Weg von ihrem<br />
Ziel, <strong>und</strong> sie reckt - schon ganz e<strong>in</strong>s mit dem erwarteten Paradies - Körper <strong>und</strong> Arme<br />
empor wie die Gestalt <strong>in</strong> Fidus' "Lichtgebet". Der <strong>in</strong> zar-
- 106 -<br />
tem Blaugrün aus mehreren Quarzen, Kuppeln <strong>und</strong> Galerien zusammengesetzte Kr<strong>ist</strong>all-<br />
bau, von saturnähnlichen Planeten umflogen, bleibt jedoch schemenhafte Kulisse. Der<br />
riskante Weg über die Bergklippen nimmt zwei Drittel der Bildfläche e<strong>in</strong> <strong>und</strong> <strong>ist</strong> mit<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n - zum erstenmal <strong>in</strong> Habliks Werk auftretenden - monochromen <strong>und</strong> teils komple-<br />
mentären Farbflächen Hauptthema <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong>.<br />
Die beiden Gemälde reihen sich als Architekturmetaphern <strong>in</strong> die Folge gesellschaftlicher<br />
Utopien <strong>des</strong> Künstlers e<strong>in</strong>. Sie beschreiben den Weg von der Zerstörung alter, kulturell<br />
gefestigter Gesellschaftsformen über gefahrvolle <strong>und</strong> entbehrungsreiche Abgründe dem<br />
"Weltwerk" <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Architektur entgegen. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m 'Aufsatz "Dom!", der 1923 <strong>in</strong><br />
Oskar Beyers Sammelband "Die Schöpfung. E<strong>in</strong> Buch für religiöse Ausdruckskunst"<br />
erschien, formulierte Hablik diese Entwicklung neu:<br />
"Die Idee der Zerstörung wird sich wandeln zugunsten positiver Arbeit, zur Arbeit<br />
im re<strong>in</strong>sten, freiesten S<strong>in</strong>n, <strong>und</strong> die Brücke dazu <strong>und</strong> der Richtungspunkt wird der<br />
Dom se<strong>in</strong>, der <strong>in</strong> unerhörten Formen <strong>und</strong> Ausmaßen entstehen wird." (Hablik 1923,<br />
65)<br />
Die Zerstörung der feudal<strong>ist</strong>ischen Gesellschaft <strong>und</strong> der Aufbruch "bei lebendigem Leibe,<br />
<strong>in</strong>s Paradies" (Hiller 1916, 196) waren seit 1915 auch die Gr<strong>und</strong>themen <strong>des</strong> literarischen<br />
Aktivismus, 232 der sich eng an Gustav Landauers "Aufruf zum Sozialismus" orientierte.<br />
Der Schriftsteller <strong>und</strong> Journal<strong>ist</strong> Erich Baron, der Bruno Taut bis <strong>in</strong> die dreißiger Jahre<br />
politisch bee<strong>in</strong>flußte (Whyte 1981, 55), schrieb im Spätsommer 1917 233 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Essay<br />
"Aufbau", den Bruno Taut 1919 <strong>in</strong> der "Stadtkrone" veröffentlichte:<br />
"Wir erleben den Zerfall ehemaliger großer Staatsgebilde unter dem Jubel der<br />
bisher Bedrückten <strong>und</strong> Betrogenen, die nicht den rückläufigen Weg von Schmerz<br />
<strong>und</strong> Wut zur Verzweiflung e<strong>in</strong>schlugen, sondern von neuer E<strong>in</strong>sicht zu neuer Tat<br />
<strong>und</strong> Selbstsicherung schritten. In den Herzen pocht neue Zuversicht, wenn wir das<br />
Verfallende stürzen <strong>und</strong> das Tote unbesudelt begraben; denn ke<strong>in</strong> Leben entsteht<br />
ohne Tod." (Baron <strong>in</strong>: Taut 1919, 108 f.)<br />
Erich Barons Text <strong>und</strong> Habliks Gemälde "Zerstörung" entstanden gleichzeitig, etwa fünf<br />
Monate nach den ersten Demonstrationen hungernder Arbeiter <strong>in</strong> Petersburg <strong>und</strong> zwei<br />
Monate vor der Oktoberrevolution. Ha-
- 107 -<br />
blik übersetzte das revolutionäre Geschehen metaphorisch <strong>in</strong> die Vernichtung von<br />
Elementen der Herrschaftsarchitektur <strong>und</strong> <strong>in</strong> die Pose <strong>des</strong> siegreichen Kämpfers. 234<br />
"Der Weg <strong>des</strong> Genius" markiert mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Entstehungsdatum exakt den bewaffneten<br />
Aufstand der Kieler Matrosen am 2./3. November 1918 <strong>und</strong> damit den Beg<strong>in</strong>n der Revo-<br />
lution <strong>in</strong> Deutschland. Die <strong>in</strong> der Ferne liegende Kr<strong>ist</strong>allarchitektur, von der roten<br />
(sozial<strong>ist</strong>ischen?) Gestalt fast erreicht, spiegelt die Erwartung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuen gesell-<br />
schaftlichen Aufbaus. Kurt Hiller, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der Begründer der aktiv<strong>ist</strong>ischen Literatur,<br />
verwendete ebenfalls architektonische Metaphern, als er <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Ortsbestimmung <strong>des</strong><br />
Aktivismus" (1919, 367) zur Verwirklichung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s freiheitlichen Sozialismus aufrief:<br />
"Der Willensstarke ge<strong>ist</strong>igen Geblüts, mit anderem Worte: der Aktiv<strong>ist</strong>, strebt zur<br />
Tat - welche Bauen am irdischen Paradiese <strong>ist</strong>; Ratio: die Bauherr<strong>in</strong>, Ratio: das<br />
Werkzeug." 235<br />
Die Vernichtung der alten <strong>und</strong> der Aufbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen geme<strong>in</strong>schaftlich organisierten<br />
Gesellschaft, wie es die Aktiv<strong>ist</strong>en forderten, schienen sich mit der russischen Revolution<br />
<strong>und</strong> dem Zusammenbruch <strong>des</strong> deutschen Kaiserreiches zu verwirklichen. Habliks Propa-<br />
gandamittel, mit denen er sich für gesellschaftliche Reformen e<strong>in</strong>setzte, waren Werke der<br />
bildenden Kunst: nur wenige Male veröffentlichte er s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Aufrufe <strong>in</strong> Gestalt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Essays. 236 Die Handzeichnung diente ihm zur privaten Fixierung, Radierung <strong>und</strong> Ölge-<br />
mälde zur Verbreitung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ideen <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r kulturell aufgeschlossenen <strong>und</strong> solventen<br />
großbürgerlichen Schicht. Er folgte dar<strong>in</strong> Gustav Landauer <strong>und</strong> den Aktiv<strong>ist</strong>en, die den<br />
Marxismus als "Wissenschaftsaberglauben" verhöhnten (vgl. Whyte 1981, 74) <strong>und</strong> die<br />
Theorie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s revolutionären Proletariats ablehnten:<br />
"K<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schicht der Bevölkerung wüßte, wenn es heute zur Revolution käme,<br />
weniger, was zu tun <strong>ist</strong>, als unsere Industrieproletarier." (Landauer 2 1919, 142)<br />
In der gleichen Weise kennzeichnete auch der elitäre Anspruch, mit dem sich Habliks<br />
politisches Konzept <strong>in</strong> Kunstwerken von hoher Qualität niederschlug, die verschiedenen<br />
Strömungen <strong>des</strong> Aktivismus, welcher mit Gustav Landauer die Dichter, 237 mit Kurt Hiller<br />
die ge<strong>ist</strong>ige Elite 238 <strong>und</strong> mit Bruno Taut die Architekten 239 zu Gestaltern der erstrebten<br />
idealen Weltgeme<strong>in</strong>schaft erhob.
- 108 -<br />
II. Kr<strong>ist</strong>allsammlungen<br />
Die Erkenntnis der Natur <strong>und</strong> die Gestaltung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Welt <strong>in</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Formen<br />
beschäftigten Hablik nicht nur im bildnerischen Bereich. War er schon während s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
K<strong>in</strong>dheit im Bergbaugebiet von Brüx mit der Welt der Kr<strong>ist</strong>alle vertraut geworden, so<br />
legte er <strong>in</strong> der Wiener Zeit <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kr<strong>ist</strong>allsammlung an, deren Aufbau ihn se<strong>in</strong> ganzes<br />
Leben lang begleitete. Während s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Orientreise 1910 nahm er jede Gelegenheit zu<br />
geologischen Studien wahr. E<strong>in</strong>en mehrstündigen Aufenthalt <strong>des</strong> Schiffes <strong>in</strong> Catania<br />
nutzte er, um mit Pferd <strong>und</strong> Esel <strong>in</strong> rasender Eile den Ätna zu besteigen. Der Anblick der<br />
"ungeheuren Lavaströme" entschädigte ihn für die Strapazen. 240 In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Briefen an<br />
Richard Biel aus Konstant<strong>in</strong>opel berichtete er von der Besteigung <strong>des</strong> Mysischen<br />
Olymps, während der er "Kr<strong>ist</strong>alladern von Meterbreite" entdeckte:<br />
"Äußerst <strong>in</strong>teressant <strong>ist</strong> das Geste<strong>in</strong>! Wer hier <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Woche verweilen könnte! Die<br />
herrlichsten Kr<strong>ist</strong>alle könnte man da f<strong>in</strong>den! Ich habe nur am Weg, wo alles vom<br />
Regen <strong>und</strong> Rollen gemahlen <strong>ist</strong> - sehr schöne allerd<strong>in</strong>gs verwitterte Kr<strong>ist</strong>alle<br />
gef<strong>und</strong>en, die ich mitbr<strong>in</strong>ge. Es <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> erhabener Anblick, von oben <strong>in</strong>s Tal zu<br />
schauen! - - Die Berge jenseits funkeln <strong>in</strong> amethystblauen <strong>und</strong> goldigroten<br />
Tönen." 241<br />
In Konstant<strong>in</strong>opel angelangt, offenbarte sich ihm der Basar als F<strong>und</strong>grube der schönsten<br />
<strong>und</strong> kostbarsten Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong>:<br />
"... w<strong>und</strong>erschöne Türkise ... gibt es hier, Topase wie flüssiges Gold, rote Turmal<strong>in</strong>e,<br />
grüne, Malachit, Amethyste! M<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Hände wühlten gestern <strong>in</strong> diesen so<br />
schönen <strong>und</strong> eigenartig kühlen St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ... (...) Ich habe geschliffene Stücke von<br />
Lapislazuli - ganz mit goldenen Adern durchzogen (wirkliches Gold) <strong>in</strong> den<br />
F<strong>in</strong>gern gehabt! Diamanten, wie Erbsen groß - Brillanten, Rub<strong>in</strong>e - oh der Herrlichkeiten!"<br />
242<br />
Selbst <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r norddeutschen Wahlheimat fand er Studienobjekte <strong>in</strong> den "grünen<br />
Kr<strong>ist</strong>allnadeln ... von Helgoland", 243 <strong>in</strong> Gest<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n aus der Lägerdorfer Kreidegrube <strong>und</strong><br />
aus der Lüneburger Heide, "... hauptsächlich allerd<strong>in</strong>gs Quarze, e<strong>in</strong>zelne wie Kr<strong>ist</strong>all so<br />
re<strong>in</strong>". 244 Zum Aufbau s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kr<strong>ist</strong>allsammlung ließ er sich ausgefallenere Exemplare <strong>und</strong><br />
ganze Kollektionen von weither schicken: aus der Bergakademie Freiberg <strong>in</strong> Sachsen,<br />
von M<strong>in</strong>eralienhandlungen <strong>in</strong> Hamburg, Goslar <strong>und</strong> Wien, von den "Edel- <strong>und</strong> Halbedel-<br />
ste<strong>in</strong>handlungen <strong>und</strong> Achat- <strong>und</strong> Ste<strong>in</strong>schmuckwaren-
- 109 -<br />
Fabriken" <strong>in</strong> Idar-Oberste<strong>in</strong>. Spätestens Anfang der zwanziger Jahre galt er <strong>in</strong> Fach-<br />
kreisen als anerkannter Sammler <strong>und</strong> Kenner der Materie. 245<br />
Er verwendete die Kr<strong>ist</strong>alle als Vorbilder für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Architekturphantasien, ohne sie jedoch<br />
zu kopieren: Details <strong>und</strong> Proportionen wurden dem architektonischen Konzept <strong>und</strong> der<br />
Komposition der Zeichnungen angepaßt. Mit Hilfe von Knetmasse <strong>und</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Holz-<br />
po<strong>des</strong>ten fixierte er Kr<strong>ist</strong>alle <strong>in</strong> vertikaler Position <strong>und</strong> stellte sie zu burgähnlichen An-<br />
lagen zusammen. E<strong>in</strong>zelne Motive aus fotografisch überlieferten oder noch bestehenden<br />
Gruppen 246 (Abb. 147-151) s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den Studien zur Mappe "Schaffende Kräfte" <strong>und</strong> <strong>in</strong><br />
Entwürfen der zwanziger Jahre wiederzuerkennen. Vollständige <strong>Kopie</strong>n kommen auch<br />
hier nicht vor: Kr<strong>ist</strong>alle s<strong>in</strong>d starre Individuen, die sich nicht <strong>in</strong> e<strong>in</strong> künstlerisches Kon-<br />
zept zwängen lassen. Die zusammenmontierten 'Kr<strong>ist</strong>allburgen' wirken aus diesem Gr<strong>und</strong><br />
steif <strong>und</strong> kompositorisch mißglückt.<br />
Hablik vermehrte die Sammlung der St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, Kr<strong>ist</strong>alle <strong>und</strong> M<strong>in</strong>eralien auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Reisen<br />
<strong>und</strong> durch Ankäufe mit Insekten, Muscheln, Korallen, Seeigeln, anderen Meeres-<br />
erzeugnissen 247 <strong>und</strong> Kuriositäten. Dort, wo er sich niederließ, wurde die Sammlung zum<br />
Kernstück s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Lebensbereichs. Max Ungethüm, Inhaber <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Wiener Dekorations-<br />
betriebes, für den er während s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Studienzeit Stoffentwürfe geschaffen hatte, charak-<br />
terisierte 1915 s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Wohnung als "Speditionsmagaz<strong>in</strong>, wo Sie alles e<strong>in</strong>lagern, was Sie<br />
auf Ihren romantischen Reisen sammeln <strong>und</strong> e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen." 248 Die Aufstellung der Objekte<br />
erfolgte <strong>in</strong> eigens dafür angefertigten fre<strong>ist</strong>ehenden oder wandfesten Glasvitr<strong>in</strong>en <strong>und</strong><br />
Sammlungsschränken, die <strong>in</strong> dem 1917 erworbenen Haus <strong>in</strong> Itzehoe <strong>in</strong> größerem Umfang<br />
<strong>in</strong>stalliert werden konnten. 249 Für besonders auffällig gestaltete oder kostbare Kr<strong>ist</strong>alle<br />
fertigte er Mess<strong>in</strong>gständer <strong>in</strong> orientalischen oder sachlichen Formen an, die kunsthand-<br />
werklichen Charakter haben. Das <strong>in</strong> den Vitr<strong>in</strong>en arrangierte Szenarium aus Natur <strong>und</strong><br />
Kunst setzte sich <strong>in</strong> der Gestaltung <strong>des</strong> Innenraums fort. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m eigenen Zimmer stellte<br />
er <strong>e<strong>in</strong>e</strong> selbst entworfene Sammlungsvitr<strong>in</strong>e frei im Raum auf, deren Kanten wellen-<br />
förmig aus dem Holz herausgearbeitet waren (Abb. 152). Auf der Vitr<strong>in</strong>e stand <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große<br />
verspiegelte Glaskugel, die der Künstler <strong>in</strong> Hamburg während <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r E<strong>in</strong>kaufs-<br />
fahrten erworben hatte. Ihre r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, geometrische
- 110 -<br />
Form konnte als S<strong>in</strong>nbild für die Verwirklichung der kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Architektur durch das<br />
Material Glas gelten. Sie reflektierte das e<strong>in</strong>fallende Licht <strong>und</strong> schuf dadurch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ge-<br />
heimnisvolle Atmosphäre. An <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Wand <strong>des</strong> Raumes h<strong>in</strong>g Habliks Gemälde <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s ganz<br />
mit Menschenleibern umw<strong>und</strong>enen knorrigen Baumes, das e<strong>in</strong> eher bedrohliches Bild der<br />
Natur vermittelte. 250<br />
In Habliks Inszenierung aus Natur <strong>und</strong> Kunst setzte sich das Konzept jener Raritäten-<br />
kab<strong>in</strong>ette <strong>und</strong> Kunstkammern fort, die <strong>in</strong> der zweiten Hälfte <strong>des</strong> sechzehnten <strong>und</strong> im<br />
siebzehnten Jahrh<strong>und</strong>ert an Fürstenhöfen, von Patriziern <strong>und</strong> Gelehrten als Zeugnisse <strong>des</strong><br />
von Gott geschaffenen "Theatrum m<strong>und</strong>i" <strong>und</strong> als Ausdruck <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s kosmologischen Welt-<br />
bil<strong>des</strong> zusammengetragen wurden <strong>und</strong> die 1908 durch Julius von Schlosser als "Kunst-<br />
<strong>und</strong> W<strong>und</strong>erkammern" <strong>in</strong> die Kunstgeschichte e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>gen. 251 Beiden geme<strong>in</strong>sam <strong>ist</strong> die<br />
Funktion der Sammlung als Mikrokosmos, <strong>in</strong> dem sich der Makrokosmos - <strong>in</strong> der Spät-<br />
renaissance als Gottesschöpfung, bei Hablik als Utopie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r aus Natur <strong>und</strong> Kunst neu zu<br />
gestaltenden Welt - widerspiegeln sollte. Schopenhauers Annahme <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s h<strong>in</strong>ter den<br />
Ersche<strong>in</strong>ungen der Natur verborgenen schöpferischen Willens, der sich <strong>in</strong> den Werken<br />
der Kunst offenbare (1819), verme<strong>in</strong>te Hablik durch die Konfrontation von Naturobjekten<br />
mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n eigenen Werken belegen zu können.<br />
E<strong>in</strong> Vorbild für Habliks Naturaliensammlung waren die seit 1899 von Ernst Haeckel<br />
(1834-1919) herausgegebenen <strong>und</strong> vom Künstler hochgeschätzten Bildtafeln "Kunst-<br />
formen der Natur", die detailgetreue zeichnerische Darstellungen der dem menschlichen<br />
Auge wegen ihrer mikroskopischen Größe oder <strong>in</strong> der Meerestiefe verborgenen Natur-<br />
formen enthielten. 252 Die Tafeln waren den "Fre<strong>und</strong>en der Kunst <strong>und</strong> der Natur" zuge-<br />
dacht <strong>und</strong> sollten zugleich der bildenden Kunst <strong>und</strong> dem "modernen, mächtig empor-<br />
geblühten Kunstgewerbe ... <strong>e<strong>in</strong>e</strong> reiche Fülle neuer <strong>und</strong> schöner Motive" bieten (Haeckel<br />
1899, Vorwort). Siegfried Wichmann hat (1984) <strong>in</strong> bee<strong>in</strong>druckenden Bildvergleichen<br />
nachgewiesen, daß Haeckels "Kunstformen" <strong>und</strong> andere naturwissenschaftliche Tafel-<br />
werke, die seit den 1890er Jahren Darw<strong>in</strong>s Evolutionstheorie <strong>in</strong> Großauflagen bekannt<br />
machten <strong>und</strong> von denen auch Hablik e<strong>in</strong>ige besaß, auf die Künstler <strong>des</strong> floralen<br />
"Jugendstils", <strong>in</strong>sbesondere auf Endell, Obr<strong>ist</strong> <strong>und</strong> Olbrich, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> breite Wirkung hatten.
- 111 -<br />
Haeckels naturphilosophische Schriften, von denen Hablik 1917 das Buch "Kr<strong>ist</strong>all-<br />
seelen. Studien über das anorganische Leben" erwarb, vermittelten die mon<strong>ist</strong>ische<br />
Theorie von der "f<strong>und</strong>amentalen E<strong>in</strong>heit aller Naturersche<strong>in</strong>ungen" (Haeckel 1917, S.<br />
VIII), die den Unterschied zwischen organischer <strong>und</strong> anorganischer Natur negierte: "Alle<br />
Substanz besitzt Leben ... alle D<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d beseelt" (ebd.). Damit fielen für Haeckel auch<br />
die Grenzen zwischen Ge<strong>ist</strong>es- <strong>und</strong> Naturwissenschaften, zwischen Kunst <strong>und</strong> Natur.<br />
Haeckels Überzeugung "von der unbegrenzten Herrschaft allgeme<strong>in</strong>gültiger Natur-<br />
gesetze" (ebd.) f<strong>in</strong>det sich mehrfach <strong>in</strong> Habliks Äußerungen über die Notwendigkeit der<br />
Naturerkenntnis für den bildenden Künstler wieder. 253<br />
Hablik verankerte mit der ständigen Präsenz der Kr<strong>ist</strong>all- <strong>und</strong> Naturaliensammlung <strong>in</strong><br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Alltagsbereich die Erkenntnis der Naturgesetze <strong>und</strong> <strong>des</strong> <strong>in</strong> der Natur wirkenden<br />
schöpferischen Willens als festen Bestandteil s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Lebensführung <strong>und</strong> künstlerischen<br />
Arbeit. Er verwirklichte damit zugleich im privaten Rahmen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Utopie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r aus Natur<br />
<strong>und</strong> Kunst neu zu gestaltenden Welt. Unter s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Anleitung begann auch Juanita Biel,<br />
die Frau s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s väterlichen Fre<strong>und</strong>es <strong>und</strong> Mäzens, mit dem Aufbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Kr<strong>ist</strong>allsammlung, die er <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r 1911 von ihm entworfenen Vitr<strong>in</strong>e (Abb. 259) von Zeit<br />
zu Zeit neu arrangierte. Der E<strong>in</strong>fluß s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Naturauffassung zeigt sich <strong>in</strong> den 1913 <strong>und</strong><br />
1915 für Juanita Biel radierten Exlibris, <strong>in</strong> denen Kr<strong>ist</strong>allgruppen neben anderen persönli-<br />
chen Kennzeichen der Besitzer<strong>in</strong> ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n (Abb. 153-154). Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bekannte aus<br />
dem Käuferkreis der Graphiken <strong>und</strong> Gemälde sammelten <strong>und</strong> schickten St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>und</strong><br />
Kr<strong>ist</strong>alle. 254 Der über das Sammeln von Kr<strong>ist</strong>allen mit Hablik befre<strong>und</strong>ete Itzehoer<br />
Bankdirektor Georg Hormann erwarb bald Gemälde <strong>und</strong> kunsthandwerkliche Arbeiten<br />
<strong>des</strong> Künstlers <strong>und</strong> ließ aufwendige Sammlungsschränke nach <strong>des</strong>sen Entwurf anfertigen<br />
(Abb. 473).<br />
E<strong>in</strong> Dokument für die Ausstrahlung von Habliks Naturverehrung <strong>und</strong> der Erwartung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
neu gestalteten Zukunft s<strong>in</strong>d die Briefe <strong>des</strong> befre<strong>und</strong>eten Meldorfer Gymnasialprofessors<br />
Karl He<strong>in</strong>rich Frese (1870-1927) an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ehemaligen Schüler Emil H<strong>in</strong>richs, der 1913<br />
als E<strong>in</strong>jährig-Freiwilliger <strong>in</strong> Freiburg/Br. stationiert war:
- 112 -<br />
"Ich habe vor etwa acht Tagen zu m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Freude Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Abend bei mir<br />
gehabt. (...) Wir sprachen von dem unendlichen Schaffensdrang der Natur <strong>und</strong> von<br />
ihrem unerschöpflichen Drang, die D<strong>in</strong>ge zu formen, vom Schnee, der <strong>in</strong> solchen<br />
ungeheuren Massen vom Himmel fällt <strong>und</strong> die Erde dicht bedeckt <strong>in</strong> gleicher<br />
Fläche <strong>und</strong> der doch aus lauter fe<strong>in</strong>geformten Kr<strong>ist</strong>allen besteht <strong>in</strong> unendlicher<br />
Verschiedenheit, je<strong>des</strong> e<strong>in</strong>zelne e<strong>in</strong> W<strong>und</strong>er für sich." (Frese o.J., 44 f.)<br />
Drei Jahre nach Ausbruch <strong>des</strong> Ersten Weltkrieges schrieb Frese an Emil H<strong>in</strong>richs, der<br />
jetzt "zwischen Compiegne <strong>und</strong> Soissons im Schützengraben" (ebd., 100) lag:<br />
"Wenn wir h<strong>in</strong>durchkommen durch die ungeheure Zeit, dann können wir noch<br />
zusammen h<strong>in</strong>aussehen <strong>in</strong> die gere<strong>in</strong>igte Zeit, die dann vor uns liegt. Wir sehen <strong>in</strong><br />
der Ferne leise edle Formen sich bilden, wie auf Habliks Bildern sich Kr<strong>ist</strong>alle<br />
formen. Dar<strong>in</strong> sollen Sie mit Martha wohnen. Ich komme selbst nicht mehr h<strong>in</strong>e<strong>in</strong><br />
<strong>in</strong> die neue Welt, aber sehen kann ich sie doch." (ebd., 80)<br />
Spätestens 1912 begann Hablik mit der Verarbeitung von M<strong>in</strong>eralien, Gest<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>und</strong><br />
Korallen zu Schmuck. 255 Kettenanhänger <strong>und</strong> R<strong>in</strong>ge aus gefaßtem Achat, Lapislazuli,<br />
Opal <strong>und</strong> Nephrit, mit Turmal<strong>in</strong>en, Smaragden <strong>und</strong> Diamanten, Ohrgehänge <strong>und</strong> Kolliers<br />
aus Bergkr<strong>ist</strong>all <strong>und</strong> Korallen, die unter s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Aufsicht angefertigt wurden, s<strong>in</strong>d bei fast<br />
allen Käufern s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r übrigen Werke erhalten. E<strong>in</strong>e Edelste<strong>in</strong>schleiferei, die er im Keller<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s 1917 erworbenen Hauses e<strong>in</strong>richtete, kam aus Zeitmangel <strong>und</strong> wegen fehlender<br />
Arbeitskraft nur selten <strong>in</strong> Betrieb. An wenigen Objekten, die er selber schliff, versuchte<br />
er, sich mit den härtesten Materialien der Natur ause<strong>in</strong>anderzusetzen.<br />
Er selbst gestaltete die Ausstellung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Werke <strong>und</strong> der kunsthandwerklichen Arbeiten<br />
Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demanns 1918 im Altonaer Museum als gesamtkünstlerisches Kon-<br />
zept aus Natur, Kunst <strong>und</strong> Innendekoration. 256 Neben Gemälden, Graphiken <strong>und</strong> Textilien<br />
der Handweberei waren Kr<strong>ist</strong>alle, Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>und</strong> Muscheln zu sehen. Ausgestopfte Vögel<br />
<strong>und</strong> Tierschädel repräsentierten die belebte Natur. Vergrößerungsgläser lagen bereit, um<br />
Käfer <strong>und</strong> Schmetterl<strong>in</strong>ge <strong>in</strong> gesonderten Kästen zu betrachten. Von den Ausstellungs-<br />
vitr<strong>in</strong>en waren Perlschnüre zur Decke gespannt, die den "Raumkörper" fortführen sollten.<br />
E<strong>in</strong>zelne Gemälde h<strong>in</strong>gen auf e<strong>in</strong>farbigen oder ornamentalen Möbel- <strong>und</strong> Gard<strong>in</strong>enstoffen<br />
der Handwe-
- 113 -<br />
berei <strong>und</strong> wurden von Perlschnüren e<strong>in</strong>gerahmt. Im Beiheft der Ausstellung rief Hablik <strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m mehrseitigen Aufsatz zu größerer "Ehrfurcht vor der Natur" auf:<br />
"Mütter! Väter! lehrt dies eure K<strong>in</strong>der, lehrt sie von ganzem Herzen den ewig<br />
gültigen Naturgesetzen zu lauschen <strong>und</strong> nachzuforschen.<br />
(...) Lehret die K<strong>in</strong>der wieder das Handwerk, die Arbeit ehren <strong>und</strong> pflegen ... als<br />
Freude <strong>und</strong> Stolz am Können, als schaffende vorwärtswirkende Kraft! Lehrt sie die<br />
Wissenschaften <strong>und</strong> Künste lieben als Ergebnis der Tätigkeit weitschauender<br />
Menschen, welche den Harmonien der Naturgesetze nachforschen ..." (Hablik<br />
1918)<br />
In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bemühen, Malerei, Innendekoration <strong>und</strong> die gesamte Lebensgestaltung mit der<br />
Natur zu ver<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, knüpfte Hablik an die <strong>in</strong> der Stilkunstbewegung um 1900 heftig dis-<br />
kutierten Bestrebungen zum "Gesamtkunstwerk" an <strong>und</strong> erweiterte sie auf den Bereich<br />
der Natur. Er schrieb 1908 <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Lebenslauf:<br />
"Ich habe alle Handwerke kennengelernt, kenne auch viele Kunsthandwerke,<br />
trotzdem <strong>ist</strong> me<strong>in</strong> Ziel e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>ziges, Ganzes, Himmel <strong>und</strong> Erde <strong>und</strong> was da kreucht<br />
<strong>und</strong> fleucht <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Gesamtkunstwerk zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n. Soll aber e<strong>in</strong> Teil herausgerissen<br />
werden, dann soll auch die Wurzel nicht fehlen, <strong>und</strong> e<strong>in</strong> bißchen Erde für den<br />
neuen Standort." 257<br />
Diese universale Idee <strong>des</strong> "Gesamtkunstwerks" vertrat er auch 1913 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Brief an<br />
Prof. Rose Burger:<br />
"In uns leben Generationen von Pflanze, Tier <strong>und</strong> Mensch - - begreifen Sie <strong>des</strong>halb<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Eile, zur endlichen umfangreichen Tat zu gelangen? M<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sehnsucht nach<br />
der unbegrenzten Möglichkeit, das als Werk zu schaffen, was <strong>in</strong> mir lebt? Ich weiß<br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Namen dafür - es <strong>ist</strong> so namenlos wie alles Große - aber es <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Ganzes.<br />
Ich nenne es e<strong>in</strong>stweilen Gesamtkunstwerk." 258<br />
Bei der hier gemeldeten 'F<strong>in</strong>dung' <strong>des</strong> Begriffs "Gesamtkunstwerk" hatte nicht nur der<br />
Wiener Jugendstil mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n gesamtkünstlerischen Projekten wie der "Beethoven-<br />
ausstellung" 1902 <strong>in</strong> der Wiener Sezession 259 oder dem von Josef Hoffmann <strong>und</strong> den<br />
Wiener Werkstätten gestalteten Palais Stoclet <strong>in</strong> Brüssel (1905/11) Pate gestanden. Ende<br />
1912 las Hablik <strong>in</strong> der biographischen E<strong>in</strong>leitung zu Less<strong>in</strong>gs "Gesammelten Werken"<br />
(Stuttgart 1886):
- 114 -<br />
"Aus diesen Briefen <strong>und</strong> den umfangreichen Entwürfen aus dem Nachlasse zum<br />
zweiten, spärlicheren, zum dritten Teile <strong>des</strong> Laokoon ersehen wir, wie Less<strong>in</strong>g <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
große, alle Gebiete berührende Kunstlehre schaffen wollte, die nicht nur das Wesen<br />
der e<strong>in</strong>zelnen Künste untersuchen <strong>und</strong> ihre Mittel darnach sondern, ne<strong>in</strong> auch die<br />
Vere<strong>in</strong>igung aller Künste im Gesamtkunstwerk der Zukunft erklären <strong>und</strong> herbeiführen<br />
sollte."<br />
Die gesamte Jugendstil-Diskussion zu diesem Thema beiseite schiebend, notierte der<br />
Künstler am Rand:<br />
"Dies f<strong>in</strong>de ich hier am 5. Dez. 12 zum erstenmal <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Leben als <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Bestätigung m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s gesamten Ich. L. <strong>ist</strong> mir übrigens <strong>in</strong> vielem sehr ähnlich."<br />
III. Innenausstattungen<br />
Habliks früheste Arbeiten zur Innendekoration entstanden während s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Wiener Stu-<br />
dienjahre. Um sich f<strong>in</strong>anziell über Wasser zu halten, entwarf er Stoffe für die Wiener<br />
Möbelfirma Hugo Schmidl <strong>und</strong> das "Etablissement für Innendekoration" August Unge-<br />
thüm, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der führenden Kunstmöbelfabriken <strong>des</strong> Wiener Jugendstils. 260 Aus dem Jahre<br />
1907 s<strong>in</strong>d zwei erste Darstellungen von Innenräumen erhalten (Abb. 155-156). 261 Erst<br />
nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Übersiedlung nach Itzehoe begann er 1908 aufgr<strong>und</strong> von Aufträgen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Mäzens Richard Biel, der Gegenle<strong>ist</strong>ungen für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> f<strong>in</strong>anziellen Aufwendungen erwar-<br />
tete, mit dem Entwurf von Mobiliaren <strong>und</strong> vollständigen Innene<strong>in</strong>richtungen.<br />
S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ersten Innenraumprojekte s<strong>in</strong>d nur durch Tagebuchnotizen überliefert. Im No-<br />
vember 1908 erhielt er von Otto Biel, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bruder s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Förderers, den Auftrag, <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
"Halle" e<strong>in</strong>zurichten. Hablik beklagte, daß er erst h<strong>in</strong>zugezogen wurde, "als schon e<strong>in</strong>ige<br />
Sachen wie Türen etc. fertig waren. Trotzdem habe ich mit den beschränkten Mitteln<br />
noch etwas relativ Gutes gezeugt." 262 Um die Jahreswende 1908/09 entwarf er das<br />
Aussteuer-Mobiliar für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Nichte Richard Biels, das von der Zwei-Mann-Tischlerei<br />
Dreesen <strong>in</strong> Meldorf angefertigt wurde. 263 Am 27. März 1909 schrieb er <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Tagebuch:<br />
"Endlich kommen die ersten Möbel, Waschtisch, Bett, Sofa, nach m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Entwurf." 264<br />
Die frühesten Möbel, die auf zeitgenössischen Fotografien überliefert <strong>und</strong> heute erhalten<br />
s<strong>in</strong>d, bilden <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Salonausstattung für den Meldorfer Gymnasialprofessor Karl He<strong>in</strong>rich<br />
Frese, die 1909/10 ebenfalls bei Dreesen <strong>in</strong> Meldorf hergestellt wurde. Das Mobiliar<br />
(Abb. 157-158) aus zwei recht-
- 115 -<br />
w<strong>in</strong>klig um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Eckvitr<strong>in</strong>e gruppierten Sofas, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tisch mit zwei Pfostenstühlen, zwei<br />
Sesseln, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bücherschrank <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Standuhr 265 entsprach der offenbar gängigen<br />
Ausstattung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s "Herrenzimmers", wie es 1907 <strong>in</strong> Paul Klopfers Abhandlung "Die<br />
deutsche Bürgerwohnung" 266 <strong>und</strong> von Alfred Koch 1908 auf der Hessischen Lan<strong>des</strong>-<br />
ausstellung <strong>in</strong> Darmstadt vorgestellt wurde (Abb. 159). 267<br />
Hablik griff auf Gestaltungselemente der Vor-Werkb<strong>und</strong>zeit zurück. Mit der e<strong>in</strong>fachen<br />
Konstruktion <strong>des</strong> Bücherschrankes (Abb. 165) auf Rahmen <strong>und</strong> Füllung <strong>und</strong> den außen<br />
aufgesetzten Klappenscharnieren schloß er an die schlicht-funktionale Gestaltung <strong>des</strong><br />
ersten Masch<strong>in</strong>enmöbel-Programms von Richard Riemerschmid 1906 an (vgl. Abb.<br />
166). 268 Knöpfe <strong>und</strong> Le<strong>ist</strong>en aus Ebenholz setzen bei Schrank <strong>und</strong> Tisch die e<strong>in</strong>zigen<br />
dekorativen Akzente (Abb. 162, 165). Während die überhohen Rückenlehnen der Sofas<br />
(Abb. 157) bereits bei den von Klopfer veröffentlichten Eckgruppen zu beobachten s<strong>in</strong>d<br />
(vgl. Abb. 160), sch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n die hochfahrenden Dreieckformen der Stuhllehnen (Abb. 163)<br />
noch den 1903 von Charles Rennie Mack<strong>in</strong>tosh für die Willow Tea Rooms <strong>in</strong> Glasgow<br />
entworfenen Stühlen nachempf<strong>und</strong>en zu se<strong>in</strong> (Abb. 164). 269 Sie verleihen dem Benutzer<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Art zusätzlicher Autorität. Ähnlich symbolisch wirkt e<strong>in</strong> als Aureole um den Gehäu-<br />
sekopf der Standuhr angebrachter Zackenkranz (Abb. 169). Bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Sessel (Abb. 168)<br />
fallen die spitz angeschwungene Rückenlehne <strong>und</strong> die tief angebrachte weiße Stoff-<br />
applikation durch ihren unproportionierten Charakter auf. Schenkelartige Armlehnen <strong>und</strong><br />
animalisch vorspr<strong>in</strong>gende Holzklauen bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m zweiten Exemplar (Abb. 167) s<strong>in</strong>d Stil-<br />
elemente, die auch bei Möbeln von August Endell, Richard Riemerschmid <strong>und</strong> Bernhard<br />
Pankok vorkommen. Die Polster waren mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m dunklen, kle<strong>in</strong>teilig rautierten<br />
Jacquard-Stoff bezogen, der ebenso wie die handgewebten Fenstervorhänge aus der von<br />
Elisabeth L<strong>in</strong>demann geleiteten Meldorfer Museumsweberei stammte. 270<br />
Dem Möbelensemble stellte Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong> farbige Abtönung <strong>des</strong> Raumes gegenüber, wie er<br />
sie von der Wiener Stilkunst (vgl. Wichmann 1984, 166) her kannte: Die Wände wurden<br />
bis zu Vierfünftel Höhe dunkel tapeziert <strong>und</strong> darüber ebenso wie die Zimmerdecke gelb<br />
gestrichen. E<strong>in</strong> schwarzer
- 116 -<br />
Kachelofen, <strong>des</strong>sen Kacheln eigens für diesen Zweck gebrannt worden waren, stand <strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r gelben Ofennische. Der Tisch war mit blauer Beize behandelt worden. Vor den hell-<br />
braunen Tönen der Möbel bildeten Gelb, Blau <strong>und</strong> Schwarz starke Farbakzente. 271<br />
Das Ergebnis dieser Raumausstattung schien aber noch nicht recht zu befriedigen.<br />
Während Frese dem Künstler berichtete: "Diese schlichten, sachlichen Möbel werden<br />
doch immer schöner, je länger man sie betrachtet", 272 urteilte Hablik zwei Jahre später:<br />
"Die Sachen vom alten Dreesen waren primitiv ..." 273<br />
Der Künstler hatte anspruchsvollere Vorstellungen über die Gestaltung von Innenräumen.<br />
Bereits im April 1909 hatte er mit den Plänen für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Innene<strong>in</strong>richtung der Grün-<br />
derzeitvilla Richard Biels begonnen. Sie sahen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Saaldecke aus Mess<strong>in</strong>g od. Silber-<br />
blech" <strong>und</strong> "Säulen aus Ebenholzbündeln, durch Reifen zusammengehalten" 274 vor <strong>und</strong><br />
deuteten damit schon den ungewöhnlichen <strong>und</strong> kostspieligen Charakter <strong>des</strong> Projekts an.<br />
Die Planungen gelangten jedoch wegen der Herausgabe der Mappe "Schaffende Kräfte"<br />
<strong>und</strong> verschiedener Reisen zunächst zu k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Abschluß.<br />
Am 29. Juni 1910 re<strong>ist</strong>e er für drei Monate nach Konstant<strong>in</strong>opel, wo Elisabeth L<strong>in</strong>de-<br />
manns Bruder Rudolf als Kaufmann tätig war. Er besuchte die Moscheen, das Neue<br />
Museum, den Basar <strong>und</strong> den Tsch<strong>in</strong>ili-Kiosk, hielt die Menschen, das Straßenleben <strong>und</strong><br />
die Stadtlandschaft <strong>in</strong> Zeichnungen <strong>und</strong> Ölskizzen fest. Der Formen- <strong>und</strong> Material-<br />
reichtum der Architektur forderten ihn zu Bege<strong>ist</strong>erungsausbrüchen heraus:<br />
"Die Moscheen. Türen aus Bronce mit mäanderförmig angeordneten Füllungen<br />
(ziseliert). Die aus kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Stücken bestehenden Füllungen der Holztüren (Intarsien<br />
derselben), die Kr<strong>ist</strong>allnischen der Tore <strong>und</strong> Türen, die Säulen, Bogen, M<strong>in</strong>aretts,<br />
Kuppeln, Fenster (Ste<strong>in</strong>sprossen), Fayencen, Teppiche." 275<br />
Am Stand <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Teppichhändlers überkamen ihn vor den "ungezählten Reichtümern <strong>und</strong><br />
herrlichen W<strong>und</strong>erschätzen märchenhafter Formen <strong>und</strong> Farben trunkener Kultur" weh-<br />
mütige Gedanken an das "deutsche Kunstgewerbe". 276 In dem alten türkischen Kunst-<br />
handwerk, das im Tsch<strong>in</strong>ili-Kiosk ausgestellt war, fand er <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Material- <strong>und</strong> Formen-<br />
vielfalt vor, die er als vorbildlich für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Erneuerung <strong>des</strong> europäischen Kunstgewerbes<br />
ansah:
- 117 -<br />
"<strong>Dieser</strong> Kiosk dient als Museum - aber es s<strong>in</strong>d nur D<strong>in</strong>ge dar<strong>in</strong>, die <strong>in</strong> jedem ganz<br />
modernen Raum stehen könnten. Möbelstücke mit köstlichen Intarsien, sehr gut<br />
geformt im Bau. Gefäße getrieben <strong>und</strong> ziseliert - vergoldet <strong>und</strong> kupfern - Prachtstücke.<br />
(...)<br />
Architekten, Bildhauer, Maler, Tischler - können hier <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gute Schule besuchen,<br />
<strong>in</strong>dem sie täglich die Moscheen - Straßen, u. e<strong>in</strong> o. d. andere Museum betrachten."<br />
277<br />
Das orientalische Kunstgewerbe schien Habliks Forderungen nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Handwerk zu<br />
erfüllen, das durch größtmögliche Vielfalt <strong>und</strong> <strong>in</strong>tensive Bearbeitung von Material die<br />
Herrschaft <strong>des</strong> Menschen über die Natur verwirklichte.<br />
S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bege<strong>ist</strong>erung für den Orient, die <strong>in</strong> die seit 1910 <strong>in</strong> Literatur, bildender Kunst <strong>und</strong><br />
Kunstwissenschaft e<strong>in</strong>setzende euphorische Beschäftigung mit den Kulturen <strong>und</strong> Reli-<br />
gionen <strong>des</strong> Ostens e<strong>in</strong>mündete <strong>und</strong> sich auch <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen bereits erwähnten Architek-<br />
turprojekten <strong>des</strong> Künstlers niederschlug, wirkte sich vor allem auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> kunsthand-<br />
werklichen Arbeiten aus. Entwürfe für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n kugelförmigen Samowar mit spitz aufsetzen-<br />
den B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n (Abb. 170) sowie für Dosen <strong>in</strong> kielbogenartigen, zipfligen Formen mit Zise-<br />
lierungen <strong>und</strong> getriebenen Buckelornamenten (Abb. 171) aus den Monaten nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Rückkehr aus Konstant<strong>in</strong>opel zeigen deutlich orientalische E<strong>in</strong>flüsse. E<strong>in</strong>e um 1911<br />
entstandene Tischuhr im gleichen Stil (Abb. 172) wurde <strong>in</strong> Kielbogenform aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
e<strong>in</strong>zigen Mess<strong>in</strong>gblech ausgeschnitten, zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m flachen Kasten gefaltet <strong>und</strong> verlötet. Sie<br />
<strong>ist</strong> mit getriebenen Buckeln übersät, die sich zusammen mit kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n gepunzten Sternen <strong>in</strong><br />
angedeuteten Planetenbahnen um das Zifferblatt bewegen. E<strong>in</strong> zwölfzackiger Stern<br />
beschreibt die St<strong>und</strong>en; die Uhrzeiger haben die Form von Blitzen. Der Künstler kombi-<br />
nierte mit der orientalischen Gesamtform, der Weltraumsymbolik, den Blitzen als S<strong>in</strong>n-<br />
bild der Naturkräfte <strong>und</strong> der <strong>in</strong>tensiven handwerklichen Bearbeitung vier Themen-<br />
komplexe, die sämtlich Ausdruck s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Naturmystik s<strong>in</strong>d. Der Symbolcharakter der Uhr<br />
als S<strong>in</strong>nbild für Zeit, Raum <strong>und</strong> Natur übersteigt <strong>in</strong> dieser Massierung deutlich ihren<br />
Gebrauchswert. 278<br />
Im Februar 1911 erhielt Hablik den Auftrag, für Hermann Biel, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n weiteren Bruder<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Mäzens <strong>und</strong> Teilhaber <strong>in</strong> der Holzgroßhandlung, <strong>und</strong> <strong>des</strong>sen Ehefrau Ada e<strong>in</strong><br />
Mobiliar zu entwerfen. Bis zum April <strong>des</strong>
- 118 -<br />
Jahres arbeitete er die Pläne für m<strong>in</strong><strong>des</strong>tens dreißig Möbelstücke aus, die <strong>in</strong> der kurzen<br />
Zeit bis September von der Itzehoer "Kunst- <strong>und</strong> Möbeltischlerei mit Masch<strong>in</strong>enbetrieb<br />
Chr. Schw<strong>in</strong>ckendorf" angefertigt wurden. Aus dem Nachlaß <strong>des</strong> Ehepaars s<strong>in</strong>d über<br />
vierzig E<strong>in</strong>zelmöbel erhalten, die auf e<strong>in</strong> vollständiges Mobiliar für Salon, Eß- <strong>und</strong><br />
Schlafzimmer schließen lassen. E<strong>in</strong>e große Anzahl von Be<strong>ist</strong>elltischen, Blumenhockern,<br />
Stühlen <strong>und</strong> Sesseln <strong>in</strong> mehreren Exemplaren, von Spiegeln, Kommoden <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Garderobe stützt die Vermutung, daß dieser Haushalt vollständig mit Hablik-Möbeln<br />
ausgestattet wurde. Außerdem wurden neue Kachelöfen <strong>in</strong>stalliert, die nach dem Entwurf<br />
<strong>des</strong> Künstlers <strong>in</strong> Weiß gehalten <strong>und</strong> mit schwarzen Bändern abgesetzt waren (Abb. 173-<br />
175). 279 Die Wände wurden, wie <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>richtung für Karl He<strong>in</strong>rich Frese, bis auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
hell gestrichene Zone unterhalb der Decke dunkel tapeziert (Abb. 176-178). Der Tapeten-<br />
entwurf kann Wenzel Hablik nicht zugeschrieben werden. Auch sonst blieb das<br />
beabsichtigte Gesamtkunstwerk unvollendet: An den biedermeierlichen Türen <strong>und</strong><br />
Rahmen <strong>des</strong> Hauses wurden k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Veränderungen vorgenommen. Im Eßzimmer verblieb<br />
e<strong>in</strong> Kronleuchter mit Tütenkuppeln aus lila irisierendem Glas, e<strong>in</strong> Fabrikprodukt aus der<br />
Zeit um 1900 (Abb. 176). 280<br />
Bei den Möbeln verließ der Künstler den von Richard Riemerschmid vorgeschlagenen<br />
Weg der Typisierung <strong>und</strong> der masch<strong>in</strong>engerechten Schlichtheit, der sich bei den frühen<br />
Möbeln für Karl He<strong>in</strong>rich Frese anzubahnen schien. Statt <strong>des</strong>sen brachte er auch hier<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fasz<strong>in</strong>ation für das Kunsthandwerk <strong>des</strong> Ostens <strong>in</strong> orientalischen Bogenformen zum<br />
Ausdruck: Er gestaltete die Rückenlehnen zweier Sessel der Eßzimmere<strong>in</strong>richtung (Abb.<br />
177) als Kiel- <strong>und</strong> Vorhangbögen; e<strong>in</strong> Standspiegel (Abb. 221) zeigt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n wellenför-<br />
migen oberen Abschluß; <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Wanduhr (Abb. 224) trägt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Zackenkranz als Aureole<br />
<strong>und</strong> läuft unten kielbogenförmig aus. Den stärksten orientalisierenden E<strong>in</strong>druck h<strong>in</strong>terläßt<br />
die Frisiertoilette für Ada Biel (Abb. 181), deren Umrisse über die beiden seitlichen <strong>und</strong><br />
den mittleren Spiegel <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n zweifach angeschwungenen Kielbogen bilden.<br />
Damit blieb Hablik auch der Wiener Stilkunst verpflichtet; denn Bögen dieser Art wurden<br />
auch dort verwendet. Zwei Stühle von Josef Hoffmann <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Sofa von Otto Prutscher<br />
im Hamburger Museum für Kunst <strong>und</strong>
- 119 -<br />
Gewerbe zeigen als Vorhang- <strong>und</strong> Kielbögen gestaltete Rückenlehnen (Abb. 198-199).<br />
Sie dokumentieren "den Übergang vom frühen zum späten geometrischen Jugendstil der<br />
Wiener Sezession" (Spielmann 1977, 39). Im geometrischen Wiener Stil, den vor allem<br />
Josef Hoffmann <strong>und</strong> Koloman Moser <strong>in</strong> den mit Habliks Studienzeit zusammenfallenden<br />
Jahren von 1902 bis 1904 pflegten (Behal 1981, 12), s<strong>in</strong>d die seitlichen Kommoden der<br />
Frisiertoilette mit ihren hellen Mahagoniflächen <strong>und</strong> den schwarzen Sockeln, Rahmen<br />
<strong>und</strong> Griffknöpfen aus Ebenholz gestaltet. Den kontrastreichen geometrischen Stil ver-<br />
treten auch e<strong>in</strong> Nähtisch (Abb. 185) <strong>und</strong> der Schreibtisch für Hermann Biel (Abb. 183) <strong>in</strong><br />
derselben Konstruktionsweise. Griffknöpfe aus Ebenholz <strong>und</strong> Schloßmasken aus Perlmutt<br />
bilden deutliche Akzente. Beide Tische lassen e<strong>in</strong> hohes Maß an Funktionalität <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
manierierte Liebe zum Detail erkennen. Für die Scharniere der Nähtisch-Seitenklappen<br />
entwickelte der Künstler <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mechanik, die im geöffneten wie im geschlossenen Zustand<br />
mit den Holzteilen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> plane Oberfläche bildet. Durch Entfernen der gesamten Platten-<br />
konstruktion wird an der Rückseite <strong>des</strong> Nähtisches e<strong>in</strong> Geheimfach freigelegt. Beim<br />
Schreibtisch sorgen seitlich an den Gr<strong>und</strong>bau gehängte Kästen mit drei übere<strong>in</strong>ander-<br />
liegenden Schubladen für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> optimale Raumnutzung. An der Rückwand e<strong>in</strong>gebaute<br />
Fächer, die von den Seiten <strong>des</strong> Tisches zugänglich s<strong>in</strong>d, überw<strong>in</strong>den die Tiefe <strong>des</strong><br />
Möbels. Nach dem Vorbild <strong>des</strong> Herrenschreibtisches von Henry van de Velde (1896,<br />
Pevsner 1979, Abb. 78) <strong>ist</strong> auf der Platte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> umlaufende Le<strong>ist</strong>e zur Sicherung herab-<br />
fallender Gegenstände angebracht. 281<br />
Die Schrankmöbel entsprechen <strong>in</strong> Funktion <strong>und</strong> Aufbau noch ihren gründerzeitlichen<br />
Vorläufern. Das Büfett als wichtigstes Prunkmöbel im herrschaftlichen Salon der<br />
Gründerzeit 282 behielt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> herausragende Stellung: Es war mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Länge von 200 cm<br />
das größte Möbelstück im Salon Hermann Biels (Abb. 205). E<strong>in</strong> Teegeschirrschrank<br />
(Abb. 207) <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> zum Eßzimmer gehörende Anrichte (Abb. 206) s<strong>in</strong>d kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>re Arten<br />
<strong>des</strong> Büfetts, die <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r größeren Zahl von Zier- <strong>und</strong> Halbschränken ebenfalls im<br />
ausgehenden 19. Jahrh<strong>und</strong>ert gebräuchlich waren. Der klassische Aufbau aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Unterbau mit Türen <strong>und</strong> Schubladenzone, freier Anrichtefläche <strong>und</strong> Vitr<strong>in</strong>enaufsatz <strong>ist</strong><br />
bei allen drei Exemplaren erhalten geblie-
- 120 -<br />
ben. Die im H<strong>ist</strong>orismus übliche Überhöhung <strong>des</strong> Mittelbaus oder der Seitenflügel <strong>ist</strong><br />
jedoch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m e<strong>in</strong>heitlichen, von architektonischen Elementen befreiten Gesamtkörper<br />
gewichen.<br />
Auch bei den Schränken s<strong>in</strong>d Farbkontraste von hellen Hölzern zu Ebenholz <strong>und</strong><br />
schwärzlicher Mooreiche e<strong>in</strong> durchgehen<strong>des</strong> Gestaltungselement. Das Ebenholz tritt<br />
dabei vorwiegend <strong>in</strong> rahmender oder ornamentaler Funktion auf. Es faßt die Schubladen<br />
<strong>und</strong> die Anrichteplatte <strong>des</strong> Büfetts (Abb. 205) sowie die horizontalen Le<strong>ist</strong>en <strong>des</strong> Auf-<br />
satzes e<strong>in</strong>. Beim Teegeschirrschrank (Abb. 207) bildet es zusätzlich den Vitr<strong>in</strong>enkomplex<br />
<strong>und</strong> den Fußsockel aus. Geometrische Ebenholze<strong>in</strong>lagen: beim Notenschrank (Abb. 209)<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Komb<strong>in</strong>ation aus Dreieck <strong>und</strong> Rechteck, beim Bücherschrank (Abb. 208) <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
auf dünnen B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n stehenden Eckschrank (Abb. 210) Rauten <strong>in</strong> negativer <strong>und</strong> positiver<br />
Gestalt, orientieren sich ebenfalls am geometrischen Stil der Wiener Sezession. Bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Spieltisch (Abb. 194) kontrastiert die aus Ulmenholz sternförmig parkettierte Platte mit<br />
den Tischkanten, Schubladen <strong>und</strong> B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n aus Ebenholz. E<strong>in</strong> breiter Rand aus massivem<br />
Ebenholz rahmt auch die Mahagoniplatte <strong>des</strong> r<strong>und</strong>en Salontisches (Abb. 188).<br />
Das Schlafzimmermobiliar <strong>ist</strong> robuster <strong>und</strong> vorwiegend <strong>in</strong> e<strong>in</strong>heimischen Hölzern aus-<br />
geführt. Nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der drei Nachtschränke zeigt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kantene<strong>in</strong>fassung <strong>und</strong> Griffknöpfe<br />
aus Ebenholz (Abb. 217). Die Betten haben rustikalen Charakter. E<strong>in</strong> dreiseitig geschlos-<br />
senes Exemplar (Abb. 219) knüpft an die im bäuerlichen Bereich Nordwestdeutschlands<br />
bis <strong>in</strong>s 19. Jahrh<strong>und</strong>ert vorherrschende Bettform <strong>des</strong> Alkovens an, ohne jedoch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Dachaufbau auszubilden. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> breit vorschw<strong>in</strong>genden Stollen, welche die mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
E<strong>in</strong>stieg versehene niedrige Vorderwand <strong>des</strong> Bettes tragen, er<strong>in</strong>nern an die im selben<br />
Gebiet verbreiteten Frontstollentruhen. 283 Die im Jugendstil <strong>und</strong> während der ersten<br />
Werkb<strong>und</strong>zeit weit verbreitete Vorliebe für "bäuerliche" Formen, die von der Volks-<br />
kunstbewegung am Ende <strong>des</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts ausg<strong>in</strong>g 284 <strong>und</strong> von Künstlern wie Hans<br />
Chr<strong>ist</strong>iansen, Patriz Huber <strong>und</strong> Richard Riemerschmid fortgeführt wurde, 285 trifft hier mit<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m heimatlichen Formenrepertoir zusammen, das Künstler <strong>und</strong> Auftraggeber durch die<br />
ländliche Umgebung Itzehoes wohlvertraut war <strong>und</strong> das Hablik als Ausdruck boden-<br />
ständiger Handwerkskunst verwendete.
- 121 -<br />
Das zweite, fre<strong>ist</strong>ehende Bett (Abb. 220) <strong>ist</strong> an allen Kanten mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m wellenartigen<br />
Band aus tief e<strong>in</strong>gearbeiteten Kerben versehen, das für Hablik-Möbel generell typisch <strong>ist</strong>.<br />
<strong>Dieser</strong> Wellenschnitt 286 <strong>ist</strong> an den zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Spitze emporgezogenen Rahmen von Vorder-<br />
<strong>und</strong> Rückwand plastisch durchgebildet. Ähnlich skulptural s<strong>in</strong>d auch die mächtigen,<br />
dreieckigen seitlichen Verstärkungsplatten bearbeitet (Abb. 220 b). Ebenholze<strong>in</strong>lagen auf<br />
den Füllungsbrettern der Frontwände, die geometrisch stilisierte Blumen zeigen, prägen<br />
die dekorative Ersche<strong>in</strong>ung <strong>des</strong> Möbels.<br />
Der zweiteilige Wäscheschrank (Abb. 215) <strong>ist</strong> <strong>in</strong> diffiziler Holzarbeit gestaltet. Die Fül-<br />
lungen der großen Tür <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Seitenwand bestehen aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Parkett sich über-<br />
schneidender <strong>und</strong> <strong>in</strong> der Höhe gestaffelter Hölzer, die x-förmig angeordnet s<strong>in</strong>d (Abb.<br />
215 a). Dreieckige Tafeln von besonders schöner Maserung schließen die Leerflächen der<br />
Kreuze. Die beiden Füllungen der schmaleren Schranktür bestehen aus jeweils drei senk-<br />
rechten Hölzern, deren großzügige Birnenholzmaserungen sich vom Eichenrahmen ab-<br />
heben. Zwölf kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>re Füllungen <strong>in</strong> der zugehörigen Seitenwand werden alternierend aus<br />
paarweise senkrecht oder waagerecht liegenden Hölzern gebildet. Die Rahmen s<strong>in</strong>d<br />
durchgehend abgefast; Wellenschnitt umzieht die vorderen Kanten <strong>des</strong> Schrankes.<br />
Neben <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r außerordentlichen Materialvielfalt <strong>und</strong> -qualität <strong>in</strong> verschiedenen Hölzern<br />
<strong>und</strong> dekorativ angeordneten Maserungen <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong>tensive Materialbearbeitung für alle<br />
Hablik-Möbel kennzeichnend. Sie zeigt sich vor allem <strong>in</strong> dem Wellenschnitt, der auch bei<br />
den Salonmöbeln zu beobachten <strong>ist</strong>. Er überzieht die Aufsatzstützen <strong>des</strong> Büfetts (Abb.<br />
205) <strong>und</strong> der Anrichte (Abb. 206), ersche<strong>in</strong>t an den Vorderb<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>des</strong> Bücherschranks<br />
(Abb. 208), bei den zum Salontisch gehörenden Sesseln (Abb. 196) sowie bei den Eßzim-<br />
merstühlen (Abb. 195). Reichere Verwendung f<strong>in</strong>det er auf robusteren Möbeln wie dem<br />
Eßtisch (Abb. 176), dem Sofa (Abb. 203) <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Schuhschrank (Abb. 211), wo er <strong>in</strong><br />
tief ausgearbeiteter Manier fast alle Möbelkanten überzieht. E<strong>in</strong>e ähnliche Zierform <strong>ist</strong><br />
nur aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m e<strong>in</strong>zigen Möbelensemble der Wiener Stiikunst bekannt: Eß- <strong>und</strong> Teetisch<br />
sowie zwei Sorten Stühle von Leopold Bauer (1872-1938) im österreichischen Museum<br />
für angewandte Kunst <strong>in</strong> Wien s<strong>in</strong>d an allen Kanten mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m zierlichen Wellenschnitt<br />
versehen (Behal 1981, Kat. Nr. 6-9).
- 122 -<br />
Überdeutliche Kennzeichen für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> stabile Konstruktion s<strong>in</strong>d sichtbare Verschraubungen<br />
sowie halb- <strong>und</strong> viertelr<strong>und</strong>e Verstärkungsplatten, die bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Vielzahl von Schränken<br />
<strong>und</strong> Tischen zwischen den B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>und</strong> dem Möbelkörper (Abb. 180, 194, 206, 209, 210),<br />
bei Stühlen <strong>und</strong> Sesseln auch zwischen Rückenlehne <strong>und</strong> Sitz (Abb. 195) oder an der<br />
Nahtstelle von Vorderpfosten <strong>und</strong> Armlehnen (Abb. 196) angebracht s<strong>in</strong>d. Ähnliche<br />
Elemente s<strong>in</strong>d nur vere<strong>in</strong>zelt bei anderen Entwerfern, etwa bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m 1912 von Rosa<br />
Krenn (1884-1970) gestalteten Zierschrank im Österreichischen Museum (Behal 1981,<br />
Kat. Nr. 144) oder bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Sessel von August Endell aus dem Jahre 1899 (Abb. 190) zu<br />
beobachten.<br />
Funktionalen <strong>und</strong> zugleich dekorativen Charakter haben großflächige Metallbeschläge,<br />
die stark beanspruchte Möbelkanten vor Abnutzung <strong>und</strong> Beschädigung schützen. Mit<br />
schlichten Mess<strong>in</strong>gplatten oder -bändern, wie sie Otto Wagner bei Möbeln <strong>und</strong> Holz-<br />
<strong>in</strong>terieur für das Österreichische Postsparkassenamt <strong>in</strong> Wien (1903/06) e<strong>in</strong>führte, s<strong>in</strong>d die<br />
Griffzone <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Wäscheschrankes (Abb. 214), Schloß <strong>und</strong> E<strong>in</strong>stellfach beim Bücher-<br />
schrank (Abb. 208) sowie die B<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s e<strong>in</strong>facheren Pendants zum Salontisch (Abb.<br />
192) beschlagen. Der Salontisch selbst (Abb. 188) besitzt wellenförmig ausgesägte <strong>und</strong><br />
um die Be<strong>in</strong>kanten herumgefaltete Beschläge. Sie verb<strong>in</strong>den die ursprüngliche Schutz-<br />
funktion mit der hell schimmernden Wirkung ornamental geführter handwerklicher<br />
Arbeit.<br />
Qualität, Vielfalt <strong>und</strong> <strong>in</strong>tensive Bearbeitung <strong>des</strong> Materials, stabile Konstruktion <strong>und</strong><br />
Funktionalität waren Habliks handwerkliche Gr<strong>und</strong>sätze, die er auch <strong>in</strong> theoretischen<br />
Abhandlungen vertrat. In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Rezension der Berl<strong>in</strong>er Schiffbau-Ausstellung, die er<br />
bereits 1908 <strong>in</strong> der "Neuen Revue. Halbmonatsschrift für das öffentliche Leben" publi-<br />
zierte, beschwor er den "ungeheuren Wert <strong>des</strong> Handwerks" (S. 1703), den er - ähnlich wie<br />
vor ihm Henry van de Velde 287 - <strong>in</strong> den technischen Konstruktionen <strong>und</strong> der material-<br />
gerechten Formgebung der gezeigten Schiffsmodelle erblickte. Im Handwerk sah er<br />
Kräfte fortwirken, die den Urmenschen dazu gebracht hatten, <strong>in</strong> der Natur Vor-<br />
gef<strong>und</strong>enes für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zwecke zu bearbeiten <strong>und</strong> zu verwerten. Die Bearbeitung von<br />
"Material" bedeutete für ihn Kampf mit der Natur <strong>und</strong> ihre materielle Aneignung. Die<br />
Handwerker, die diese kulturelle Le<strong>ist</strong>ung <strong>des</strong> Menschen weiterführten, seien die<br />
eigentlich
- 123 -<br />
"Schaffenden, Werte, Vergleiche Schaffenden" (ebd.). Der Mensch werde durch die<br />
Schaffenskraft <strong>des</strong> Handwerks <strong>und</strong> durch "jene unbegreifliche Urkraft, die wir alle nicht<br />
leugnen können, weil sie uns <strong>in</strong>newohnt ... zu unumschränkten Herrschern, Beherrschern<br />
jener Natur, die wir nicht selbst s<strong>in</strong>d" (ebd., 1704). Hablik rief die jungen Künstler auf,<br />
nach handwerklichen Gr<strong>und</strong>sätzen zu arbeiten <strong>und</strong> er<strong>in</strong>nerte sie daran, daß "e<strong>in</strong> Men-<br />
schenalter nicht ausreicht, 'Das Werk' zu schaffen, sondern daß die Schaffenskraft <strong>und</strong><br />
Erkenntnis der gesamten Menschheit vielleicht gerade reichen" (ebd., 1703). Neben die<br />
Naturerkenntnis stellte er die handwerkliche Beherrschung, Bearbeitung <strong>und</strong> Aneignung<br />
der Natur als F<strong>und</strong>ament für das "geme<strong>in</strong>same Streben" der künftigen Weltgeme<strong>in</strong>schaft<br />
<strong>und</strong> übertrug damit dem Handwerk <strong>e<strong>in</strong>e</strong> führende Rolle bei der Verwirklichung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
1906 als "Weltwerk" bezeichneten Utopie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neu gestalteten Welt. Die gesellschafts-<br />
erneuernde Aufgabe <strong>des</strong> Handwerks bestand <strong>in</strong> der Erkenntnis <strong>und</strong> Berücksichtigung der<br />
"Materialgesetze" (ebd.) <strong>und</strong> der daraus resultierenden Verpflichtung zur material-<br />
gerechten <strong>und</strong> zweckentsprechenden Verarbeitung <strong>und</strong> Formgebung.<br />
Die aufwendigen Holzarbeiten der Hablik-Möbel: diffizile Parkette, reliefplastische Bear-<br />
beitung <strong>und</strong> der dekorative E<strong>in</strong>satz der natürlichen Farben <strong>und</strong> Maserungen verkörpern<br />
jene Beherrschung der Natur, die das Handwerk zur gesellschaftserneuernden Kraft<br />
erheben sollte. Hablik schaltete sich mit diesen Bestrebungen <strong>in</strong> die seit John Rusk<strong>in</strong><br />
(1819-1900) <strong>und</strong> William Morris (1834-1896) geführte Diskussion um die Zukunft <strong>des</strong><br />
Kunstgewerbes e<strong>in</strong>, die durch die Gründung <strong>des</strong> Deutschen Werkb<strong>und</strong>es 1907 neuen<br />
Auftrieb erhalten hatte. Der englische Kunstschriftsteller <strong>und</strong> -erzieher John Rusk<strong>in</strong> hatte<br />
schon seit den 1850er Jahren den Aufbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Gesellschaft unter der Führung <strong>des</strong><br />
Handwerks als Gegenmodell zur kapital<strong>ist</strong>ischen Industrialisierung entwickelt. Begründet<br />
durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kritik am Qualitätsverfall <strong>des</strong> <strong>in</strong>dustriell gefertigten Kunstgewerbes wandte<br />
er sich gegen jede Art der Masch<strong>in</strong>enarbeit <strong>und</strong> gegen die daraus resultierende Arbeits-<br />
teilung, da sie den Arbeiter zum Lohnsklaven erniedrige. Er forderte die "Rückkehr der<br />
Gesellschaft zur freien, das heißt zur handwerklichen - <strong>und</strong> künstlerischen - Arbeit, zu<br />
dem Zustande, den er am besten <strong>in</strong> der mittelalterlichen Gesellschaft verwirklicht sah"<br />
(Posener, <strong>in</strong>: Arch+ 59, 1981, 9).
- 124 -<br />
Se<strong>in</strong> Schüler William Morris versuchte, mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m 1861 von ihm gegründeten Kunst-<br />
gewerbebetrieb dem Qualitätsverfall im Kunsthandwerk entgegenzuwirken. Die von ihm<br />
<strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Mitarbeitern nach den Gr<strong>und</strong>sätzen von Handarbeit <strong>und</strong> Materialgerechtigkeit<br />
geschaffenen Erzeugnisse sollten den breiten Volksmassen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Wertschätzung<br />
<strong>in</strong>dividueller Arbeit vermitteln, um so den Arbeiter von der <strong>in</strong>dustriell bed<strong>in</strong>gten "Ent-<br />
fremdung <strong>des</strong> Arbeitsprozesses vom Arbeitenden" (ebd., 13) zu erlösen. Seit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Be-<br />
schäftigung mit den Werken von Marx <strong>und</strong> Engels <strong>in</strong> den achtziger Jahren überwand<br />
Morris die zur mittelalterlichen Handwerkskultur zurückführende Ablehnung von<br />
Masch<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Arbeitsteilung <strong>und</strong> würdigte statt <strong>des</strong>sen die Masch<strong>in</strong>enarbeit als<br />
Entwicklung der Produktivkräfte <strong>und</strong> gr<strong>und</strong>legen<strong>des</strong> Mittel zum Aufbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen<br />
Gesellschaft. Die beabsichtigte Massenwirksamkeit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Kunsthandwerks scheiterte an<br />
den zu hohen Produktionskosten handgefertigter Waren <strong>in</strong> der kapital<strong>ist</strong>ischen Wirt-<br />
schaft. 288<br />
Die Werkstätten von William Morris, die Tapeten, Gobel<strong>in</strong>s, Teppiche, Stickereien,<br />
Webereien <strong>und</strong> Stoffdrucke, Möbel <strong>und</strong> Hausgerät herstellten, wurden zur Führer<strong>in</strong> <strong>des</strong><br />
englischen Arts-and-Crafts-Movement, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Reformbewegung verschiedener Kunst-<br />
handwerker-Gilden. Charles Robert Ashbee, der 1902 bei Oxford <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Landkommune<br />
von hochspezialisierten Kunsthandwerkern gründete, trat noch 1908 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Buch<br />
"Craftsmanship <strong>in</strong> Competitive Industry" für die Entwicklung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s ackerbauenden<br />
Handwerkertums e<strong>in</strong>, das die Gesellschaft durch die Herstellung von Kunstgewerbe aus<br />
kostbarsten Materialien unter den Bed<strong>in</strong>gungen materialgerechter <strong>und</strong> aufwendiger Ver-<br />
arbeitung von der Industrieproduktion zu den "Wirklichkeiten <strong>des</strong> Lebens" (Posener, <strong>in</strong><br />
Arch+ 59, 1981, 15) zurückführen sollte. Auch diese Gesellschaftsutopie scheiterte an<br />
den nur für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> reiche Oberschicht erschw<strong>in</strong>glichen Herstellungskosten.<br />
In der deutschen Kunstgewerbebewegung hatten sich Richard Riemerschmid, Hermann<br />
Obr<strong>ist</strong>, Bernhard Pankok <strong>und</strong> Bruno Paul mit den 1898 <strong>in</strong> München gegründeten "Ver-<br />
e<strong>in</strong>igten Werkstätten für Kunst im Handwerk" für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Reform der Möbelproduktion<br />
e<strong>in</strong>gesetzt <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> sachlich-organische Verb<strong>in</strong>dung von Material, Konstruktion <strong>und</strong><br />
Funktion verfolgt. In Organisationsform, Vertriebssystem <strong>und</strong> ästhetischen Idealen an<br />
Wil-
- 125 -<br />
liam Morris anknüpfend, wurde jedoch weder <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Rückkehr zum r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Handwerkertum<br />
noch die Rolle der Masch<strong>in</strong>enarbeit diskutiert (vgl. Nerd<strong>in</strong>ger 1983, 16). Für die Abtei-<br />
lung der Dresdner Werkstätten auf der 1906 von Fritz Schumacher organisierten 3. Deut-<br />
schen Kunstgewerbeausstellung <strong>in</strong> Dresden schuf Riemerschmid se<strong>in</strong> "Masch<strong>in</strong>enmöbel-<br />
Programm" als ersten Versuch, die <strong>in</strong>dustrielle Massenproduktion auf e<strong>in</strong> Niveau quali-<br />
tätvoller <strong>und</strong> funktionsgerechter Verarbeitung zu heben.<br />
Der national-liberale <strong>und</strong> chr<strong>ist</strong>lich-sozial engagierte Politiker Friedrich Naumann, dem<br />
Fritz Schumacher politisch verb<strong>und</strong>en war, nahm die Dresdner Kunstgewerbeausstellung<br />
zum Anlaß, für die Gründung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuen Kunstgewerbevere<strong>in</strong>s e<strong>in</strong>zutreten. Aufgr<strong>und</strong><br />
dieser Anregung setzten sich auch Hermann Muthesius, Karl Schmidt-Hellerau <strong>und</strong> J.J.<br />
Scharvogel bei Schumacher dafür e<strong>in</strong>, "die Ausstellung <strong>in</strong> die Gründung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s B<strong>und</strong>es<br />
von Künstlern <strong>und</strong> hochqualifizierten Vertretern von Gewerbe <strong>und</strong> Industrie ausmünden<br />
zu lassen" (Eckste<strong>in</strong> 1958, 10). Muthesius, von 1896 bis 1903 als Attaché für Architektur<br />
an der Deutschen Botschaft <strong>in</strong> London mit der Beobachtung der englischen Arts-and-<br />
Crafts-Bewegung beauftragt, seit 1904 Beamter im Preußischen Handelsm<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium,<br />
wurde 1907 auf den ersten Lehrstuhl für angewandte Kunst an die Berl<strong>in</strong>er Handels-<br />
hochschule berufen. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Antrittsvorlesung knüpfte er an die auf der Dresdner<br />
Kunstgewerbeausstellung verfolgten Bestrebungen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r material- <strong>und</strong> funktions-<br />
gerechten Verarbeitung im Kunstgewerbe an:<br />
"Und so bildete es von vornhere<strong>in</strong> den Haupt<strong>in</strong>halt <strong>des</strong> modernen Kunstgewerbes,<br />
sich den Zweck <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s jeden Gegenstan<strong>des</strong> zunächst e<strong>in</strong>mal recht deutlich klarzumachen<br />
<strong>und</strong> die Form logisch aus dem Zweck zu entwickeln ... zu der Gestaltung<br />
nach dem Zweck kam ... die Gestaltung nach dem Charakter <strong>des</strong> Materials, <strong>und</strong> mit<br />
der Rücksicht auf das Material war gleichzeitig die Rücksicht auf die dem Material<br />
entsprechende Konstruktion gegeben. Zweck, Material <strong>und</strong> Fügung geben dem<br />
modernen Kunstgewerbler die e<strong>in</strong>zigen Direktiven, die er befolgt." (Muthesius<br />
1907, 64)<br />
Muthesius' Rede führte im Juni 1907 zu scharfen Ause<strong>in</strong>andersetzungen zwischen tradi-<br />
tionsverb<strong>und</strong>enen <strong>und</strong> fortschrittlichen Kräften im "Fachverband für die wirtschaftlichen<br />
Interessen <strong>des</strong> Kunstgewerbes", aus dem die Muthesius gesonnenen Firmen schließlich<br />
austraten <strong>und</strong> sich noch im gleichen Jahr unter der Führung von Naumann, Schumacher<br />
<strong>und</strong> Schmidt-Hellerau im "Deutschen Werkb<strong>und</strong>" neu organisierten.
- 126 -<br />
Fritz Schumacher sprach <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gründungsrede die Ursache <strong>des</strong> Qualitätsverfalls im<br />
Kunstgewerbe offen aus: "... die Gefahr der Entfremdung zwischen dem ausführenden<br />
<strong>und</strong> dem erf<strong>in</strong>denden Ge<strong>ist</strong>e" (Schumacher 1932, 330 f.), zwischen Industrie <strong>und</strong> Ent-<br />
werfer. Der Deutsche Werkb<strong>und</strong> verfolgte <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Satzung als e<strong>in</strong>ziges Ziel: "Die<br />
Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie <strong>und</strong><br />
Handwerk durch Erziehung, Propaganda <strong>und</strong> geschlossene Stellungnahme zu e<strong>in</strong>schlä-<br />
gigen Fragen" (Die Durchge<strong>ist</strong>igung ... 1912, Anhang). Er schloß ausdrücklich an die von<br />
Rusk<strong>in</strong> <strong>und</strong> Morris verfochtenen Qualitätsideale material- <strong>und</strong> funktionsgerechter Verar-<br />
beitung an, verwarf aber deren Rückkehr zum r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Handwerkertum 289 <strong>und</strong> verfolgte<br />
statt <strong>des</strong>sen die "Veredelung" der <strong>in</strong>dustriellen Massenproduktion:<br />
"Wir sagen uns jetzt: Die Sache muß von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m anderen Ende angefangen werden,<br />
die Massenproduktion kann nicht beseitigt werden, folglich müssen wir sie heben.<br />
Und hier<strong>in</strong> beruht das eigentliche Zeitgemäße, das Moderne der Idee <strong>des</strong><br />
Deutschen Werkb<strong>und</strong>es." (Muthesius, <strong>in</strong>: Die Veredelung ... 1908, 41)<br />
Hablik knüpfte mit der Rezension der Berl<strong>in</strong>er Schiffbau-Ausstellung an die von Rusk<strong>in</strong><br />
bis zum Werkb<strong>und</strong> propagierten Qualitätsideale <strong>in</strong> der gewerblichen Arbeit an. Ihre<br />
Verwirklichung, die er mit der Forderung nach "strengster Ehrlichkeit <strong>und</strong> ungeheuer viel<br />
lohnender Arbeit" (Hablik 1908, 1703) von den am Aufbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Welt beteiligten<br />
künftigen Generationen erwartete, verband er jedoch weder mit dem Rückgriff auf r<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Handarbeit noch forderte er die "Veredelung" der Industrieproduktion. Er entwarf<br />
vielmehr das Bild <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r homogenen Gesellschaft aus mittelständischen Handwerkern,<br />
denen die Beherrschung von Hand- <strong>und</strong> Masch<strong>in</strong>enarbeit gleichermaßen vertraut war. Die<br />
körperlich fordernde Handarbeit galt ihm dabei ebenso wie die schnelle präzise Arbeit der<br />
Masch<strong>in</strong>e als Ausdruck menschlichen "Erf<strong>in</strong>derge<strong>ist</strong>es" <strong>und</strong> als Überw<strong>in</strong>dung der Natur-<br />
kräfte. In dieses Bild paßten auch die von ihm zitierten gewerblichen Großprojekte: die<br />
Produktionsweise im Schiffbau, die Konstruktion <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Brücke, die sich aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Vielzahl spezialisierter, teils masch<strong>in</strong>eller, teils handwerklicher Arbeitsvorgänge zusam-<br />
mensetzten. Er beschränkte damit die masch<strong>in</strong>elle Tätigkeit auf die Arbeit am E<strong>in</strong>zel-<br />
stück: Se<strong>in</strong> utopischer Entwurf sah die Wiederholungsarbeit <strong>in</strong> der Massenproduktion<br />
nicht vor.
- 127 -<br />
Habliks E<strong>in</strong>satz für das mittelständische Handwerk entsprach den Bedürfnissen <strong>des</strong> wohl-<br />
habenden Bürgertums, das er zur tragenden Gesellschaftsschicht s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s utopischen<br />
Weltentwurfs bestimmt hatte. Diese Schicht, die der Künstler bereits mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Archi-<br />
tekturphantasien <strong>und</strong> Naturobjekten versorgte, war nicht auf <strong>in</strong>dustrielle Massenprodukte<br />
angewiesen. Sie konnte sich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> qualitätvolle Handwerkerarbeit le<strong>ist</strong>en, die ihrem Reprä-<br />
sentationsbedürfnis <strong>und</strong> ihrem Wunsch nach dauerhafter Haltbarkeit der Erzeugnisse<br />
entsprach. Ihre Nachfrage schuf die materielle Basis für Habliks Anliegen, durch hand-<br />
werkliche Produkte das Bewußtse<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuen Naturverständnisses auf die für die<br />
Welterneuerung ausersehene Gesellschaftsschicht zu übertragen.<br />
Zur Durchsetzung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s gesellschaftlichen Modells strebte Hablik konkrete Reformen im<br />
Handwerk an. Mit zwei etwa 1915 entstandenen Vorträgen für das Tischlerhandwerk, <strong>in</strong><br />
denen er auf die offenbar problematische Zusammenarbeit mit den Handwerkern während<br />
der Ausführung der entworfenen Mobiliare reagierte, versuchte er s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Vorstellungen<br />
von Materialvielfalt, materialgerechter Verarbeitung <strong>und</strong> solider Konstruktion zu ver-<br />
mitteln. 290 In Erweiterung der Thesen von Rusk<strong>in</strong> <strong>und</strong> Morris machte er die Industrie<br />
auch für den "allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Verfall <strong>des</strong> Handwerks" verantwortlich: E<strong>in</strong>e "äffische Nach-<br />
ahmungssucht", e<strong>in</strong> "schwunghafter Handel mit gegenseitigen Diebereien, Bluff, Zeug-<br />
<strong>und</strong> Materialschw<strong>in</strong>del <strong>in</strong> jeder Weise" bei den <strong>in</strong>dustriell produzierten "unbezahlbaren<br />
Luxusmöbeln" bis h<strong>in</strong> zu "Massenwaren tiefsten Durchschnitts" hätten auch im Hand-<br />
werk dafür gesorgt, daß "es <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n größeren Tiefstand wirklich nicht mehr geben kann".<br />
Das Handwerk stehe diesen Tendenzen weder nach noch habe es ihnen etwas entgegen-<br />
zusetzen.<br />
Ähnlich hatte Friedrich Naumann bereits auf der Werkb<strong>und</strong>tagung 1908 im S<strong>in</strong>ne <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Appells an die Sittlichkeit gefordert,<br />
"daß man den Stoff nicht verschludert <strong>und</strong> verschleudert, sondern es sozusagen für<br />
e<strong>in</strong> moralisches Unrecht gegenüber edlen Materien ansieht, wenn man etwas<br />
Schlechtes <strong>und</strong> Schäbiges aus ihnen macht". (Die Veredelung ... 1908, 67)<br />
1912 beklagte dann auch Karl Schmidt-Hellerau <strong>in</strong> dem Aufsatz "Materialverschwendung<br />
<strong>und</strong> Materialgefühl" im Werkb<strong>und</strong>jahrbuch - <strong>und</strong> be-
- 128 -<br />
schuldigte damit ausdrücklich die Möbel<strong>in</strong>dustrie -, daß "durch das E<strong>in</strong>treten der Maschi-<br />
nenarbeit <strong>in</strong> den Wirtschaftsprozeß ... das Gefühl für edles Material <strong>und</strong> anständige Arbeit<br />
... verloren gegangen <strong>ist</strong>" (S. 50):<br />
"Wenn wir Holz zu Sch<strong>und</strong>möbeln verarbeiten ..., so arbeiten wir eigentlich<br />
Feuerholz <strong>und</strong> verwüsten das Material, versündigen uns an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Naturprodukt."<br />
(S. 51)<br />
Hablik zog <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Vorträgen für den Bereich <strong>des</strong> mittelständischen Handwerks, der<br />
nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Willen alle gestalterischen Zukunftsaufgaben zu le<strong>ist</strong>en hatte, die Konse-<br />
quenzen: Voraussetzung für die Ausübung <strong>des</strong> Tischlerhandwerks sei e<strong>in</strong> umfangreiches<br />
Materiallager, das "vom Besonderen das Eigenartigste" enthalten soll:<br />
"Es muß das schönste Wurzelmaser-, das schönste Stammaser- neben dem besten<br />
ste<strong>in</strong>harten Eichenholz, Nußbaum, Birnbaum, Erle, Esche, Rüster usw. vorhanden<br />
se<strong>in</strong>."<br />
Zu den Gr<strong>und</strong>lagen dieses Berufes zählte er:<br />
"... e<strong>in</strong> ausgezeichnetes technisches Verständnis für Konstruktion ... Raumgefühl ...<br />
Gefühl für Verhältnis <strong>und</strong> Proportionen ... Stilgefühl <strong>und</strong> vor allem sicheres<br />
Empf<strong>in</strong>den für das Material ..."<br />
"Wir wollen wieder ab von dem Schw<strong>in</strong>del re<strong>in</strong> äußerlicher Vortäuschung kostbarer<br />
D<strong>in</strong>ge, wir wollen wieder organische Möbel, welche durch ihre Konstruktion<br />
alle<strong>in</strong> zusammenhalten <strong>und</strong> nur das zeigen, was sie wirklich s<strong>in</strong>d, nicht nur außen,<br />
sondern auch <strong>in</strong>nen, vorn, h<strong>in</strong>ten, oben <strong>und</strong> unten."<br />
Den Lehrl<strong>in</strong>gen wieder "Ehrfurcht vor dem Handwerk" beizubr<strong>in</strong>gen, sei die Aufgabe<br />
derer, "die gleich mir das Handwerk nicht nur kennen, sondern <strong>in</strong> ihm den Ursprung allen<br />
Menschenwerkes überhaupt sehen <strong>und</strong> schätzen". So wie sich der Deutsche Werkb<strong>und</strong><br />
mit Hermann Muthesius <strong>und</strong> Karl Schmidt-Hellerau die "E<strong>in</strong>wirkung auf den Konsu-<br />
menten", "auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> größere gebildete Schicht" zum Ziel setzte, 291 so forderte Hablik von<br />
den Käufern der Möbel: In k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Haus dürfe es e<strong>in</strong> Möbelstück geben, "<strong>des</strong>sen Zweck,<br />
Machart, Kostenpunkt nicht mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m guten Me<strong>ist</strong>er vor s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Anschaffung besprochen<br />
worden <strong>ist</strong>".<br />
Habliks Überzeugung von der Zukunft <strong>des</strong> mittelständischen Handwerks brachte ihn<br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>swegs <strong>in</strong> Konflikt mit dem Deutschen Werkb<strong>und</strong>, der ja das Fernziel <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
"Veredelung" der Industrieproduktion formuliert hatte:
- 129 -<br />
Auch das "Zusammenwirken von Kunst, Industrie <strong>und</strong> Handwerk" war eigens <strong>in</strong> die<br />
Satzung aufgenommen worden. "Die B<strong>in</strong>dung an das Handwerk bestand", so Sebastian<br />
Müller (1974, 105), "gemäß der konkreten entwicklungsgeschichtlichen Lage dar<strong>in</strong>, daß<br />
die Künstler <strong>und</strong> Firmen, von denen die Gründung <strong>des</strong> Werkb<strong>und</strong>es ausg<strong>in</strong>g, pr<strong>in</strong>zipiell<br />
doch der Wiederbelebung kunsthandwerklicher, obgleich auch manufakturartiger Produk-<br />
tionsformen durch den Jugendstil verpflichtet waren". Daher nahm der Werkb<strong>und</strong> immer<br />
wieder selbstentwerfende Kunsthandwerker auf. Elisabeth L<strong>in</strong>demann, die bereits auf der<br />
Dresdner Kunstgewerbeausstellung 1906 mit Möbelstoffen <strong>und</strong> Wandbehängen vertreten<br />
war, 292 wurde 1912 Mitglied <strong>des</strong> Werkb<strong>und</strong>es. 293 Wenzel Hablik erlangte 1916 auf ihren<br />
Vorschlag h<strong>in</strong> die Mitgliedschaft. 294<br />
Die Diskussionen im Deutschen Werkb<strong>und</strong> waren stets kontrovers. Die Kölner Werk-<br />
b<strong>und</strong>tagung 1914 zeigte, daß mit Hermann Muthesius <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Thesen zur Typi-<br />
sierung im Kunstgewerbe gegenüber Henry van de Velde <strong>und</strong> <strong>des</strong>sen Überzeugung von<br />
der Notwendigkeit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künstlerisch-<strong>in</strong>dividual<strong>ist</strong>ischen Stilkunst zwei Lager im<br />
Werkb<strong>und</strong> vertreten waren, die sich jederzeit zu schärfsten Ause<strong>in</strong>andersetzungen bereit-<br />
fanden. Es verw<strong>und</strong>ert daher auch nicht, wenn Habliks Bewertung <strong>des</strong> Handwerks als<br />
gesellschaftserneuernder Kraft gerade Thesen ähnelte, unter denen sich die Gegner <strong>des</strong><br />
Deutschen Werkb<strong>und</strong>es formierten. So vertrat der "Fachverband für die wirtschaftlichen<br />
Interessen <strong>des</strong> Kunstgewerbes", von dem sich 1907 der Werkb<strong>und</strong> abgespalten hatte <strong>und</strong><br />
der sich als Widersacher gegen die vom Werkb<strong>und</strong> geförderten Künstler-Entwerfer <strong>und</strong><br />
die Industrie verstand, noch 1914 die Forderung nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m unabhängigen, entwickelten<br />
Handwerk. Ähnlich wie Hablik 1908, der den jungen Künstlern "das Nächstliegende ...<br />
den ungeheuren Wert <strong>des</strong> Handwerks" (S. 1703) ans Herz gelegt hatte, formulierte der<br />
Fachverband, "daß die Kunst aus dem Handwerk hervorgehen muß!" Es sei "nur e<strong>in</strong><br />
Künstler, der das Handwerk völlig beherrscht <strong>und</strong> im E<strong>in</strong>vernehmen mit dem Handwerk<br />
schafft ... imstande, das Kunsthandwerk vorwärts zu br<strong>in</strong>gen" (Der "Deutsche Werkb<strong>und</strong>"<br />
1915, 86).<br />
Adolf Loos kritisierte seit 1908 <strong>in</strong> polemischen Aufsätzen den Deutschen Werkb<strong>und</strong> <strong>und</strong><br />
setzte sich für die Entwicklung <strong>des</strong> Handwerks e<strong>in</strong>. In sei-
- 130 -<br />
nem Aufsatz "Die Überflüssigen" (1908) stellte er dem Ziel <strong>des</strong> Werkb<strong>und</strong>es, "die Kunst<br />
<strong>in</strong> das Handwerk (zu) br<strong>in</strong>gen" <strong>und</strong> damit "der Kultur auf die B<strong>e<strong>in</strong>e</strong> helfen zu wollen"<br />
(Loos 1962, 267) die Frage entgegen:<br />
"Brauchen wir den 'angewandten Künstler'? Ne<strong>in</strong>. Alle Gewerbe, die bisher diese<br />
überflüssige Ersche<strong>in</strong>ung aus ihrer Werkstatt fernzuhalten wußten, s<strong>in</strong>d auf der<br />
Höhe ihres Könnens. (...) ... die kultivierten Erzeugnisse unserer Zeit haben mit der<br />
Kunst k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Zusammenhang. (...) Wir brauchen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tischlerkultur." (ebd., 268<br />
ff.)<br />
Loos machte die Pr<strong>in</strong>zipien der materialgerechten Formgebung <strong>und</strong> der Beherrschung <strong>des</strong><br />
Werkzeugs, die auch Hablik als Inbegriff <strong>des</strong> Handwerkertums erkannt hatte, zur Gr<strong>und</strong>-<br />
lage s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ornamentfe<strong>in</strong>dlichkeit (1917): "... die r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, pure Konstruktion ... Gerade Li-<br />
nien, rechtw<strong>in</strong>klige Kanten: so arbeitet der Handwerker, der nichts als den Zweck vor<br />
Augen <strong>und</strong> Material <strong>und</strong> Werkzeug vor sich hat" (Loos 1962, 345). Mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m wahren<br />
"Kulturoptimismus" (Sebastian Müller) vertraute Loos <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r fortschrittlichen Handwer-<br />
kerschaft die Gestaltung der gesamten Lebensumwelt an, ohne daß es <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Organisation<br />
wie <strong>des</strong> Werkb<strong>und</strong>es bedurft hätte.<br />
Vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> von Habliks theoretischen Äußerungen, der Gr<strong>und</strong>sätze <strong>des</strong> Werk-<br />
b<strong>und</strong>es <strong>und</strong> von Adolf Loos s<strong>in</strong>d die deutlich sichtbaren Konstruktionselemente der<br />
Hablik-Möbel, die offenliegenden Schrauben <strong>und</strong> Verstärkungsplatten, die bei Möbeln<br />
üblicherweise verdeckt angebracht s<strong>in</strong>d, als Lehrbeispiele für solide Konstruktion zu<br />
verstehen. In Detailzeichnungen dieser Elemente forderte Hablik von den ausführenden<br />
Tischlern umfangreiche Verzapfungen (Abb. 225) <strong>und</strong> damit <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Konstruktionsqualität,<br />
die offenbar nicht mehr selbstverständlich war.<br />
E<strong>in</strong>en ähnlich pädagogischen Charakter haben die wellenförmig ausgekerbten Möbel-<br />
kanten. In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Betrachtung über die "Anatomie <strong>des</strong> Ornaments" 295 beschrieb der Künst-<br />
ler Ornament als "rhythmische Vorwärtsbewegung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kraftl<strong>in</strong>ie". Während die Natur<br />
"durch (das) gesetzmäßige Organisieren von <strong>in</strong>nen heraus nur belebte Außenseiten"<br />
gestalte, könne der Mensch nur "etwas an Leben Er<strong>in</strong>nern<strong>des</strong> schaffen". Der "körperhafte<br />
Schmuck <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s D<strong>in</strong>ges" dürfe <strong>und</strong> könne nicht Natur abbilden (weil der Mensch nichts<br />
Lebendiges schaffen kann), sondern müsse Ausdruck von Naturerfahrungen se<strong>in</strong>. Er sei
- 131 -<br />
"rhythmischer Ausdruck alles <strong>des</strong>sen, was den S<strong>in</strong>nen beim Sehen, Hören, Riechen,<br />
beim Schmecken, Fühlen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Freude bereitet, für welche es k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> vorbildmäßigen<br />
festgelegten Formen <strong>in</strong> der Natur gibt ... (...) Je<strong>des</strong> Empf<strong>in</strong>den läßt sich<br />
als rhythmisches Ornament wiedergeben ..."<br />
Die ständig wechselnden Lichtreflexe <strong>des</strong> Wellenschnitts fordern den Betrachter zur<br />
Berührung der rhythmischen Strukturen heraus. Das Material soll als bearbeitetes Natur-<br />
produkt erkannt werden.<br />
Naturerfahrung durch Materialbearbeitung war ebenfalls <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der Theorien, die während<br />
der gesamten Entwicklung der Kunstgewerbebewegung diskutiert wurden. Wie sich<br />
bereits für Rusk<strong>in</strong> schöpferische Arbeit nur <strong>in</strong> den Unregelmäßigkeiten <strong>des</strong> manuell<br />
bearbeiteten Werkstücks offenbarte, wurde für Henry van de Velde die "Belebung <strong>des</strong><br />
Stoffes" - so der Titel <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Aufsatzes von 1902 - erst durch die handwerkliche Bear-<br />
beitung möglich:<br />
"Holz, Metall, St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>und</strong> Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> verdanken ihre eigenartige Schönheit dem<br />
Leben, das die Bearbeitung, die Werkzeugspuren, die verschiedenen Arten, <strong>in</strong><br />
welchen sich die bege<strong>ist</strong>erte Leidenschaft oder die Sensibilität <strong>des</strong>jenigen, der sie<br />
bearbeitet, äußert, ihnen aufprägt." (van de Velde 1955, 169)<br />
Richard Riemerschmid vertrat auf der ersten Werkb<strong>und</strong>tagung 1908 die These von der<br />
Naturerfahrung durch Materialbearbeitung:<br />
"Wem unter s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Händen das tote Material lebendig wird, so daß es auch <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
solche Art Seele bekommt, <strong>und</strong> daß es dann wie von selber s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> eigenste Form<br />
sucht, auf Reize antwortet, wächst <strong>und</strong> wird, der <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Künstler." (Die Veredelung<br />
... 1908, 35)<br />
Für ihn sei es, so schrieb er 1917 <strong>in</strong> den "Künstlerischen Erziehungsfragen", "die Natur<br />
selber, die aus dem Werkstoff heraus mitlehrend wirkt" (S. 10). Ähnlich wie Habliks<br />
Möbel zeigten auch die von Riemerschmid folgerichtig die Maserung <strong>des</strong> Naturholzes,<br />
offene Konstruktionsfugen sowie sichtbare Verzapfungen (vgl. Müller 1974, 70).<br />
Ausdruck von Naturerfahrungen s<strong>in</strong>d bei Habliks Möbeln auch solche Stilelemente, die<br />
aus dem Formrepertoire s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r graphischen Arbeiten zitieren. Im Mobiliar für Hermann<br />
Biel er<strong>in</strong>nern wellenförmig angelegte Rahmen <strong>und</strong> Lehnen beim Schreibtischsessel (Abb.<br />
184) an die "bewegte Li-
- 132 -<br />
nie" der Mappe "Schaffende Kräfte" <strong>und</strong> sch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n naturähnliche Strukturen abzubilden.<br />
Die karikaturhafte Vere<strong>in</strong>fachung <strong>und</strong> Stilisierung animalischer Bewegungsmerkmale,<br />
wie sie <strong>in</strong> der Radierungsmappe bei Wolken <strong>und</strong> Meereswellen zu beobachten <strong>ist</strong>, wird<br />
auch bei den Möbeln zur Darstellung natürlicher Strukturen verwendet. So bilden die<br />
B<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>des</strong> Salontisches (Abb. 188), die von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Mittelpfosten ausgehen, zwei zunächst<br />
breite, dann schmal aufsetzende Schenkel aus, die an animalische Gliedmaßen er<strong>in</strong>nern.<br />
Auch die Füße <strong>des</strong> Standspiegels (Abb. 221) <strong>und</strong> der Doppelfuß <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Ziertischchens<br />
(Abb. 193) haben die Gestalt von Tierklauen. E<strong>in</strong> Klavierhocker mit ausladenden B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
(Abb. 202), e<strong>in</strong> für Richard Biel entworfener, behäbig geschwungener Sessel (Abb. 232)<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong> zu <strong>des</strong>sen Mobiliar gehören<strong>des</strong> Kranken-Privé (Abb. 275) mit vier steil aufragen-<br />
den <strong>und</strong> <strong>in</strong> 'Laufrichtung' zeigenden Voluten vermitteln vorwärtsdrängende Bewegung:<br />
krakenartig tastend, gemächlich schreitend, schlangenartig vorwärtszüngelnd.<br />
Parallelen zu anderen Entwerfern liegen <strong>in</strong> der Anwendung jener <strong>in</strong> den naturwissen-<br />
schaftlichen Tafelwerken um 1900 veröffentlichten Naturformen, die der florale Jugend-<br />
stil zu Gestaltungselementen verarbeitete. Vorwärtszüngelnde Voluten, wie sie Hablik<br />
verwendete, übernahm etwa Hermann Obr<strong>ist</strong> aus Fotografien junger aufgerollter Farn-<br />
blätter <strong>des</strong> Fotografen <strong>und</strong> Kunstgewerbelehrers Karl Blossfeld (1865-1932, seit 1899 un-<br />
ter Bruno Paul an der Kunstgewerbeschule <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>), andere Formen von Pflanzen,<br />
Kle<strong>in</strong>st- <strong>und</strong> Meerestieren aus Ernst Haeckels "Kunstformen der Natur" (Wichmann<br />
1984, 109, 58 u.a.). In Möbelornamente übersetzte anthropomorphe Formen s<strong>in</strong>d bei<br />
August Endell <strong>und</strong> Bernhard Pankok schon 1899 zu beobachten: Beide gestalteten gleich-<br />
zeitig Stuhllehnen mit 'Schultern' <strong>und</strong> an den Vorderpfosten umgreifenden 'Klauen' (Abb.<br />
189, 190). Endells Schreibtischsessel von 1896 bildet an den Vorderb<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n offenbar<br />
funktionslose 'Knie' aus (Abb. 191) (vgl. Ausstellungs-Katalog Endell 1977, 14).<br />
Habliks Bestrebungen zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r größtmöglichen Materialvielfalt im Handwerk, die an<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Möbeln ablesbaren Naturmetaphern, orientalische Motive als Ausdruck höchster<br />
Formenvielfalt, Elemente volkstümlicher Handwerkskunst, aufwendige Materialver-<br />
arbeitung <strong>und</strong> sichtbare Kon-
- 133 -<br />
struktionsteile vere<strong>in</strong>igten sich zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m pädagogischen Konzept, das handwerkliche<br />
Arbeit als Beherrschung naturgegebener Materialien vermitteln sollte. Hablik beab-<br />
sichtigte, die Erkenntnis der Natur im bürgerlichen Innenraum zu verankern <strong>und</strong> so die<br />
angestrebte Gesellschaftsreform auf den Gr<strong>und</strong>lagen von Naturerkenntnis <strong>und</strong> Natur-<br />
verehrung e<strong>in</strong>zuleiten.<br />
Im Frühjahr 1912, sobald die Arbeiten zu dem Mobiliar für Hermann Biel abgeschlossen<br />
waren, wandte sich der Künstler wieder den drei Jahre zuvor begonnenen Plänen für <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Neue<strong>in</strong>richtung <strong>des</strong> Hauses Richard Biel zu. Er griff <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Skizze für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Innenraum mit<br />
Wandpaneelen <strong>und</strong> Möbeln (Abb. 226) von 1909 wieder auf <strong>und</strong> schuf danach drei<br />
lavierte Feder- <strong>und</strong> Tuschp<strong>in</strong>selzeichnungen als Interieurentwürfe für das Haus s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Mäzens. Sie zeigen das weitgehend mit Wandschränken <strong>und</strong> Paneelen verkleidete Schlaf-<br />
zimmer der Dame (Abb. 227-228) 296 sowie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ähnlich ausgebaute Dachstube (Abb.<br />
229). Die dar<strong>in</strong> enthaltenen E<strong>in</strong>zelmöbel, die er auch <strong>in</strong> Ble<strong>ist</strong>iftzeichnungen vorstellte,<br />
schlossen wieder an orientalische Formen an. Der Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frisiertoilette (Abb. 230)<br />
variiert das Exemplar für Ada Biel. Die Seiten- <strong>und</strong> Mittelspiegel s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> drei e<strong>in</strong>zelnen<br />
Kielbögen auf gleiche Höhe gesetzt. Die Kommoden zeigen mit gewellten Schubladen<br />
<strong>und</strong> preziösen E<strong>in</strong>zelfüßen verspieltere Formen. Der zugehörige Stuhl (Abb. 231) bezeugt<br />
mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r flügelartigen Rückenlehne <strong>und</strong> dem quastenverzierten dreieckigen Polstersitz<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> orientalische Herkunft. K<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s der E<strong>in</strong>zelmöbel wurde ausgeführt. Auch die Ent-<br />
würfe der Wand- <strong>und</strong> Deckenverkleidungen müssen noch e<strong>in</strong>mal überarbeitet worden<br />
se<strong>in</strong>; denn die heute erhaltenen Wandschränke, Paneele, Türen <strong>und</strong> Zimmerdecken im<br />
ehemaligen Hause Richard Biel <strong>in</strong> Itzehoe s<strong>in</strong>d nur entfernt mit ihnen verwandt. 297<br />
Bei der bis 1915 erfolgten Neue<strong>in</strong>richtung blieb der Baukörper der Gründerzeitvilla un-<br />
angetastet. In die ursprünglichen Fensteröffnungen wurden "Stumpfs Reform-Schiebe-<br />
fenster" e<strong>in</strong>gesetzt, deren zickzackförmige Sprossenführung nach Habliks Entwurf sich<br />
deutlich von den h<strong>ist</strong>or<strong>ist</strong>ischen Pilastern, Gebälken <strong>und</strong> Gesimsverdachungen absetzt<br />
(Abb. 234).<br />
Das Entree, e<strong>in</strong> quer zum E<strong>in</strong>gang liegender kurzer Flur, den man vom W<strong>in</strong>dfang aus<br />
über e<strong>in</strong>ige Treppenstufen erreicht, erfuhr als Empfangs-
- 134 -<br />
raum die prächtigste Ausgestaltung. Die Wände, die zentrale Flügeltür zum Salon sowie<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> weitere Zimmertür wurden mit verschiedenfarbigen, im Naturton belassenen Hölzern<br />
asymmetrisch waagerecht <strong>und</strong> senkrecht getäfelt (Abb. 235-237 a), die über <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Farb-<br />
skala von gelblichem Birnholz bis zu schwarzem Ebenholz variieren <strong>und</strong> sorgfältig aus-<br />
gesuchte Maserungen zeigen. Durch den Kontakt gleicher oder die kontrapunktische<br />
Anordnung verschiedener Holzarten ergibt sich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Formen- <strong>und</strong> Farbenkomposition<br />
von der Wirkung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r abstrakten Malerei. Der Treppenaufgang zum Obergeschoß sowie<br />
drei von dort erreichbare Deckenschränke wurden <strong>in</strong> derselben Weise getäfelt (Abb. 238-<br />
240). Die ebenfalls vom Entree abgehende Tür zum Schlafzimmer erhielt dagegen e<strong>in</strong><br />
unauffälliges, Rahmen <strong>und</strong> Füllung vortäuschen<strong>des</strong> Parkett (Abb. 241-241 a).<br />
Der Salon wurde mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r zurückhaltenderen Täfelung aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bis zur Türhöhe rei-<br />
chenden, auf Rahmen <strong>und</strong> Füllung gearbeiteten flachen Kassettierung mit kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n hoch-<br />
rechteckigen Feldern (Abb. 242-242 a) ausgestattet. In die Mitte der Füllungen s<strong>in</strong>d kurze<br />
vertikale Mess<strong>in</strong>gbänder e<strong>in</strong>gelegt.<br />
Lange, zu großen Quadraten geordnete Hölzer verkleiden die Salondecke <strong>und</strong> zeigen<br />
lediglich <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m halbr<strong>und</strong>en Erker <strong>in</strong>teressantere stumpfw<strong>in</strong>klige Überschneidungen<br />
(Abb. 243). Prunkstücke <strong>des</strong> Salons s<strong>in</strong>d s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> drei Flügeltüren, von denen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> zum<br />
Entree <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> das Eßzimmer führt. Sie s<strong>in</strong>d mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Parkett aus schmalen Längs-<br />
<strong>und</strong> Querhölzern <strong>und</strong> breiteren Holztafeln belegt, die mit zahlreichen, zu ornamentalen<br />
Mustern angeordneten Nieten befestigt s<strong>in</strong>d (Abb. 242, 244-246 a). Lange handgetriebene<br />
Mess<strong>in</strong>gbeschläge mit Wellenl<strong>in</strong>ien <strong>und</strong> stilisierten Fischen (Abb. 244 a), ornamentalen<br />
Blattrispen, Blütenkelchen <strong>und</strong> Fruchtblättern (Abb. 245 a, 246 a) prägen durch Ihre<br />
funkelnde Punzierung den herrschaftlichen Charakter <strong>des</strong> Raumes.<br />
Das Eßzimmer <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> ganz mit Holz verkleidetes Gehäuse, das der Familie <strong>und</strong> ihren<br />
Gästen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong>time <strong>und</strong> zugleich repräsentative Atmosphäre bot. Es <strong>ist</strong> <strong>in</strong> der gleichen Art<br />
wie der Salon getäfelt; die e<strong>in</strong>gelegten Mess<strong>in</strong>gstreifen (Abb. 247) fehlen. Die dreifach<br />
nach <strong>in</strong>nen abgestufte
- 135 -<br />
Decke <strong>ist</strong> mit langen Hölzern verschalt, die nach Art <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r (unechten) Spirale gegen-<br />
e<strong>in</strong>ander versetzt s<strong>in</strong>d (Abb. 248).<br />
Das angrenzende Schlafzimmer <strong>ist</strong> an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Seite mit wandfüllenden E<strong>in</strong>bauschränken<br />
ausgestattet, die nur den Durchgang zum Entree freilassen (Abb. 249-249 a). Sie s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
unterschiedlich hohe <strong>und</strong> breite Türen, Klappen <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ausziehbaren Bettkasten ge-<br />
gliedert. Teils auf Rahmen <strong>und</strong> Füllung, teils <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Art Fachwerk gearbeitet, bieten sie<br />
e<strong>in</strong> bewegtes Bild <strong>in</strong>tensiver Holzverarbeitung <strong>und</strong> hoher Funktionalität. Die übrigen<br />
Wände s<strong>in</strong>d erst im oberen Drittel bis zur Decke mit senkrechten Hölzern verkleidet. Die<br />
Deckentäfelung wird durch e<strong>in</strong> symmetrisches Muster gegene<strong>in</strong>ander versetzter langer<br />
Hölzer <strong>und</strong> e<strong>in</strong> mittleres Quadrat aus spiralig angeordneten dunklen Stäben gebildet<br />
(Abb. 251).<br />
Die Decke <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s anderen Raumes <strong>ist</strong> mit rechteckigen Holz- oder Stuckle<strong>ist</strong>en als Laby-<br />
r<strong>in</strong>th gestaltet (Abb. 252). E<strong>in</strong>e weitere Deckenverkleidung besteht aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r großen Zahl<br />
quadratischer Metallplatten, <strong>in</strong> deren unregelmäßig gehämmerte Flächen achtzackige<br />
Sterne getrieben s<strong>in</strong>d (Abb. 253).<br />
Bereits während <strong>des</strong> H<strong>ist</strong>orismus <strong>und</strong> <strong>des</strong> Jugendstils gehörten vollständig getäfelte <strong>und</strong><br />
mit E<strong>in</strong>bauten versehene Räume zu den Spitzenle<strong>ist</strong>ungen der Innenraumkunst <strong>und</strong><br />
wurden häufig ausgestellt <strong>und</strong> publiziert. Zwei reich geschnitzte, paneelierte, mit e<strong>in</strong>ge-<br />
bauten Betten, Schränken, verdachten Erkern <strong>und</strong> Kassettendecken ausgestattete "Nieder-<br />
deutsche Zimmer" <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Mischstil aus heimatlichen Formen <strong>und</strong> Renaissance-<br />
elementen, die der Flensburger Möbelfabrikant He<strong>in</strong>rich Sauermann (1842-1904) mit der<br />
von ihm geleiteten Fachschule für Kunsttischler <strong>und</strong> Bildschnitzer (gegründet 1890) im<br />
Auftrag der Reichsregierung für die Weltausstellungen <strong>in</strong> Chicago 1893 <strong>und</strong> Paris 1900<br />
geschaffen hatte, erlangten als Musterräume für den großbürgerlichen Bedarf höchste<br />
<strong>in</strong>ternationale Auszeichnungen <strong>und</strong> positive Besprechungen <strong>in</strong> den nationalen Kunst-<br />
gewerbezeitschriften. 298<br />
Auf der Pariser Weltausstellung 1900 war auch das von Bruno Paul entworfene "Jagd-<br />
zimmer" ausgestellt, <strong>des</strong>sen Täfelung aus Langhölzern <strong>und</strong> vertikalen Querbrettchen<br />
(Abb. 254) als Vorläufer für Habliks Speisezim-
- 136 -<br />
merpaneel (Abb. 247) <strong>und</strong> die Salontüren (vgl. Abb. 244) im Hause Richard Biel gelten<br />
kann. Zur gleichen Zeit entstanden die schlichten, gelegentlich von geschwungenem<br />
Ornament durchsetzten <strong>und</strong> bis zum vollständigen hölzernen Gehäuse verb<strong>und</strong>enen<br />
Paneele, E<strong>in</strong>bauten <strong>und</strong> Deckenverkleidungen von Patriz Huber <strong>in</strong> den Häusern Bürck<br />
<strong>und</strong> Gluckert auf der Darmstädter Mathildenhöhe, die <strong>in</strong> der offiziellen Festschrift zur<br />
Eröffnung der Künstlerkolonie "E<strong>in</strong> Dokument Deutscher Kunst" 1901 publiziert wurden<br />
(Koch 1901, 130 f., 154, 160, 164 f.).<br />
Die deutlichsten Parallelen zu Wenzel Habliks geometrisierenden, von der konstruktiven<br />
Qualität <strong>und</strong> der Oberflächenwirkung <strong>des</strong> Holzes bestimmten Wand- <strong>und</strong> Deckenverklei-<br />
dungen zeigen die 1906/07 von Charles (1868-1957) <strong>und</strong> Henry Greene (1870-1954) <strong>in</strong><br />
Pasadena geschaffenen Innene<strong>in</strong>richtungen. Greene & Greene, die zu den "wichtigsten<br />
Vertretern der Art-Nouveau-Bewegung <strong>in</strong> Amerika" zählten (Mak<strong>in</strong>son 1982, 276),<br />
konzentrierten sich auf die Wirkung der naturbelassenen Holzflächen. Die für ihre<br />
Arbeiten charakter<strong>ist</strong>ischen l<strong>in</strong>earen Stabkonstruktionen, aus denen sie u.a. den Treppen-<br />
aufgang im Hause Robert R. Blacker (Pasadena, 1907, Abb. 255) gestalteten, s<strong>in</strong>d mit<br />
Habliks Entreetäfelung eng verwandt. 299 Die Greenes gründeten die hohe Qualität ihrer<br />
Tischlerarbeiten <strong>und</strong> die angemessene Verwendung <strong>des</strong> Materials ähnlich wie Hablik auf<br />
die Theorien der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung <strong>und</strong> e<strong>in</strong> genaues Naturstudium<br />
(ebd., 275 f.).<br />
E<strong>in</strong> späteres Beispiel für streng geometrisierende Holzverkleidungen s<strong>in</strong>d die als Fisch-<br />
gratmuster ausgeführten Paneele von Walter Gropius <strong>und</strong> Adolf Meyer <strong>in</strong> dem Blockhaus<br />
Sommerfeld Berl<strong>in</strong>-Lichterfelde 1920/21 (Abb. 256). Sie s<strong>in</strong>d Ausdruck <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r von<br />
Gropius 1920 neu entdeckten Vorliebe für das Holz als "Baustoff der Gegenwart" <strong>und</strong><br />
"w<strong>und</strong>ervoll gestaltungsfähiges Material" für den "primitiven Anfangszustand unseres<br />
sich neu aufbauenden Lebens" (Gropius 1920, 5), dürfen aber angesichts der Le<strong>ist</strong>ungen<br />
von Greene & Greene <strong>und</strong> Wenzel Hablik zehn Jahre zuvor nicht überschätzt werden.<br />
Konnten schon Habliks aufwendige farbige Täfelungen im Entree <strong>des</strong> Hauses Richard<br />
Biel als Visitenkarte für die Le<strong>ist</strong>ungsfähigkeit <strong>des</strong> Bielschen Holzgroßhandels gelten, so<br />
lag auch bei dem Sägewerksbesitzer <strong>und</strong> Bauunternehmer Adolf Sommerfeld der Bau<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Holzhauses mit reichem Teakholz-Design nahe (vgl. Pehnt 2 1981, 110 f.).
- 137 -<br />
Die Möbel, die Hablik zwischen 1912 <strong>und</strong> 1915 für die neu e<strong>in</strong>gerichtete Villa s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Mäzens entwarf, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> noch stärkerem Maße als die für Hermann Biel Ausdruck von<br />
Materialvielfalt <strong>und</strong> <strong>in</strong>tensiver Materialbearbeitung. E<strong>in</strong> angeblich 1915 aus dem Baum<br />
der Sequoie, <strong>des</strong> Mammutbaums, angefertigter Prunkschrank, der aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m zweitürigen<br />
Unterbau <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m ebenso hohen, leicht zurückgesetzten Aufsatz mit stumpfem Sattel-<br />
dach besteht (Abb. 257), wird von verschiedenen Arten der Holzverarbeitung geprägt:<br />
Wellenschnitt <strong>und</strong> abgefaste Teile, die alle Möbelkanten überziehen, zeigen die skulp-<br />
turalen Möglichkeiten <strong>des</strong> Holzes. Zweifach abgestufte Rahmen <strong>und</strong> viertelr<strong>und</strong>e Verstär-<br />
kungsplatten an den B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n mit großen sichtbaren Schrauben verdeutlichen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> kon-<br />
struktive <strong>und</strong> stabilisierende Funktion. Farbliche Differenzierung <strong>und</strong> ausgesuchte Ma-<br />
serungen <strong>in</strong> den Füllungen stellen die dekorative Qualität heraus. E<strong>in</strong> Metallbeschlag, der<br />
mehr als die halbe Aufsatzhöhe e<strong>in</strong>nimmt <strong>und</strong> auf beiden Türen vielfach verschraubt <strong>ist</strong>,<br />
verb<strong>in</strong>det die Schutzfunktion mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r phantasievollen, ornamental geführten hand-<br />
werklichen Gestaltung. Er schließt an ähnliche Objekte <strong>des</strong> Wiener Jugendstils an. 300 Die<br />
Gliederung <strong>des</strong> Schrankes durch Geschoßabstufung <strong>und</strong> Betonung der Mittelachse<br />
entspricht noch dem Aufbau gründerzeitlicher Repräsentationsmöbel.<br />
Das Büfett, das auch <strong>in</strong> dieser E<strong>in</strong>richtung den größten Raum e<strong>in</strong>nahm (Abb. 258), <strong>ist</strong><br />
wiederum nach Art der geometrischen Wiener Möbel durch Kontraste zwischen hellem<br />
Teakholz <strong>und</strong> dem Ebenholz der Schubladenrahmen, der mittleren Ladenfront, der<br />
Aufsatzstützen <strong>und</strong> Vitr<strong>in</strong>entüren gegliedert. Rauten- <strong>und</strong> herzförmige Perlmutt- <strong>und</strong><br />
Halbedelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong><strong>in</strong>lagen <strong>in</strong> den gewellten Stützen sowie verschiedene auffällige, hand-<br />
gefertigte Mess<strong>in</strong>gbeschläge prägen den dekorativen Charakter <strong>des</strong> Möbels. Die wel-<br />
lenförmig verschränkten Stäbe der unteren Türfüllungen s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> besonders schönes<br />
Beispiel für die bei fast allen Hablik-Möbeln zu beobachtende aufwendige <strong>und</strong> exakte<br />
Holzverarbeitung.<br />
Dem geometrischen Gliederungspr<strong>in</strong>zip folgt auch die für Juanita Biels Kr<strong>ist</strong>allsammlung<br />
geschaffene kubische Vitr<strong>in</strong>e mit Ebenholzrahmen <strong>und</strong> quadratischen Mahagonifurnieren<br />
(Abb. 259). Blütenartige Intarsien aus Perlmutt <strong>und</strong> verschiedenfarbige Holzfurniere bei<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m <strong>in</strong> den Rechnungsbelegen als "Zierschrank" aufgeführten Halbschrank (Abb. 260)<br />
ent-
- 138 -<br />
sprechen ebenso wie die Halbedelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong><strong>in</strong>lagen <strong>des</strong> Büfetts den dekorativen Gestaltungen<br />
<strong>des</strong> Wiener Jugendstils: "Der Glanz <strong>und</strong> die Farbenpracht (der Wiener Möbel) wurden<br />
durch wertvolle Materialien wie Perlmutter, Elfenbe<strong>in</strong>, Schildpatt, Marmor, aber auch<br />
durch verschiedene Metallarten, die <strong>in</strong> das Gr<strong>und</strong>holz e<strong>in</strong>gelegt wurden, sowie durch<br />
dekorative Beschläge <strong>und</strong> Metallauflagen, oft noch mit e<strong>in</strong>gelegten Glasst<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n gestei-<br />
gert." H<strong>in</strong>zu kamen Effekte seltener ausländischer Hölzer <strong>in</strong> ihren natürlichen Farb-<br />
nuancen, Intarsien, Marketerie <strong>und</strong> Holzschnitzerei (Behal 1981, 12). 30l<br />
Zu den prunkvollen Salonmöbeln der E<strong>in</strong>richtung gehörte auch der Sessel für Juanita<br />
Biel: e<strong>in</strong> 'Thronsessel' mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r von Voluten <strong>und</strong> Bögen bekrönten 'manns'hohen<br />
Rückenlehne (Abb. 261).<br />
Diejenigen Möbel <strong>des</strong> Bielschen Inventars, die für den täglichen Gebrauch gedacht waren<br />
<strong>und</strong> ihren Platz nicht im Salon hatten, wurden durchweg aus massivem Eichenholz<br />
gearbeitet. E<strong>in</strong> Tisch (Abb. 263), drei Lehnstühle (Abb. 262), Truhe (Abb. 274) <strong>und</strong><br />
Betten (Abb. 273), e<strong>in</strong> Garderoben- (Abb. 267) <strong>und</strong> e<strong>in</strong> r<strong>und</strong>er Marmortisch (Abb. 264)<br />
zeigen außer häufigerem <strong>und</strong> gröber gearbeitetem Wellenschnitt k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> dekorativen<br />
Elemente.<br />
Innerhalb der Familie Biel kam es zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r weiteren Verbreitung von Hablik-Möbeln. Um<br />
1911 bestellte Elsa, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schwester der Brüder Biel, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schlafzimmere<strong>in</strong>richtung bei<br />
dem Künstler. Von dem aus Birnholz gefertigten Mobiliar haben sich Bett, Schrank,<br />
Spiegel <strong>und</strong> Garderobe erhalten. Das Bett (Abb. 277) modifiziert das "Alkoven"-Modell<br />
<strong>und</strong> besitzt mit Ablageklappen versehene gerade Stollenwände. Fast alle Möbelkanten<br />
s<strong>in</strong>d, ebenso wie beim Spiegel (Abb. 278) <strong>und</strong> der Garderobe (Abb. 279), mit Wellen-<br />
schnitt versehen. Der zweitürige Kleiderschrank (Abb. 276) wirkt durch verschieden<br />
große waagerechte <strong>und</strong> senkrechte Füllungen <strong>und</strong> unterschiedliche Schubladen im<br />
Sockelgeschoß lebendig <strong>und</strong> dekorativ. Ablageklappen an der l<strong>in</strong>ken Seitenwand, ovale<br />
Mess<strong>in</strong>gbeschläge <strong>und</strong> Ebenholzknöpfe setzen weitere Akzente. Aussteuermobiliare für<br />
weitläufigere Familienzweige s<strong>in</strong>d heute verschollen. E<strong>in</strong>es wurde während <strong>des</strong><br />
ch<strong>in</strong>esisch-japanischen Krieges <strong>in</strong> Ts<strong>in</strong>gtau, der Hauptstadt <strong>des</strong> bis 1914 bestehenden<br />
deutschen Pachtgebietes Kiautschou, zurückgelassen. 302
- 139 -<br />
Hermann <strong>und</strong> Richard Biel, wohlhabende Großkaufleute <strong>in</strong> der väterlichen Firma, waren<br />
Söhne <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s typischen "Gründers" der 1870er Jahre: <strong>des</strong> Kaufmanns, Stadtverordneten,<br />
Aufsichtsratsmitglieds <strong>und</strong> Direktors der Itzehoer Spar- <strong>und</strong> Leihkasse Wilhelm Biel. 303<br />
Der Stil, die Materialien <strong>und</strong> die Herstellungsart der für sie entworfenen E<strong>in</strong>richtungen<br />
waren von großbürgerlichem Zuschnitt. Die Ausbildung repräsentativer Sitzmöbel <strong>und</strong><br />
Schrankformen entsprach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Lebensstil, wie ihn bereits das wohlhabende Bürgertum<br />
der Gründerzeit gepflegt hatte. Halbedelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, Intarsien <strong>und</strong> seltene Hölzer verbreiteten<br />
e<strong>in</strong> Flair kostbarer Materialien, das den gesellschaftlichen Status ebenso untermauerte wie<br />
der Besitz e<strong>in</strong>maliger, von Künstlerhand entworfener <strong>und</strong> <strong>in</strong> monatelanger Kle<strong>in</strong>arbeit<br />
manuell gearbeiteter Möbel. 304 Bei der Neugestaltung der Innenräume für Richard Biel<br />
bestätigte Hablik die zentrale Stellung <strong>des</strong> Salons, die durch die Raumfolge der Gründer-<br />
zeitvilla vorgegeben war. Im Entree trennte er durch die ger<strong>in</strong>gere Bewertung der Schlaf-<br />
zimmertür gegenüber den sonstigen prachtvollen Täfelungen den privaten vom Reprä-<br />
sentationsbereich, wie es <strong>in</strong> den großbürgerlichen Häusern der Gründerzeit üblich gewe-<br />
sen war. 305 Die Ausstattung <strong>des</strong> Salons mit Prunkmöbeln <strong>und</strong> funkelnden Zierbeschlägen<br />
übertraf die immer noch aufwendige Dekoration der privateren <strong>und</strong> der ungestaltet ge-<br />
bliebenen oberen Räume <strong>des</strong> Hauses <strong>und</strong> orientierte sich damit an jenen Forderungen, die<br />
Jacob von Falke 1871 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Abhandlung "Die Kunst im Hause" für den Salon auf-<br />
gestellt hatte:<br />
"Dagegen mag man denn im Salon entfalten, was man an Glanz <strong>und</strong> Pracht, an<br />
elegantem Sch<strong>e<strong>in</strong>e</strong> zur Repräsentation <strong>des</strong> Hauses für nötig hält. Der Salon <strong>ist</strong> die<br />
Stätte der Geselligkeit, die Stätte für den Verkehr der Familie mit der Außenwelt;<br />
mag sich darum auch hier das Haus, wo es repräsentiert <strong>ist</strong>, von s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r glänzendsten<br />
Seite zeigen." (Falke 1871, 299 f.)<br />
Falkes Buch war auf die Wohnbedürfnisse <strong>des</strong> Großbürgertums abgestimmt. An diese<br />
Gesellschaftsschicht wandte sich die Verbrauchererziehung seit der Mitte <strong>des</strong> neunzehn-<br />
ten Jahrh<strong>und</strong>erts, die <strong>in</strong> der Folge der ab 1820 e<strong>in</strong>setzenden Theoriediskussion zur<br />
gestalterischen <strong>und</strong> technischen Qualität im Kunstgewerbe die Orientierung an h<strong>ist</strong>o-<br />
rischen Vorbildern - den Stilen aller vergangenen Völker <strong>und</strong> Epochen - propagierte.<br />
Vorbilderhefte, Kunstgewerbezeitschriften <strong>und</strong> die neu gegründeten Kunstgewerbe-<br />
museen dienten neben der Schulung der Gewerbetreibenden
- 140 -<br />
auch der "geschmacklichen" Bildung der bürgerlichen Konsumenten. Die Rückbes<strong>in</strong>nung<br />
auf h<strong>ist</strong>orische Stile erlangte politische Bedeutung: Mit der Reichsgründung 1871 glaubte<br />
man, <strong>in</strong> der Renaissance auch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n e<strong>in</strong>heitlichen nationalen Stil gef<strong>und</strong>en zu haben, der<br />
vor allem vom Bürgertum gepflegt wurde (M<strong>und</strong>t 1971, 332). 306 Selbst Wilhelm Lübke,<br />
der sich 1863 (S. 114) wie andere Kunstgewerbetheoretiker <strong>in</strong> der Nachfolge Gottfried<br />
Sempers gegen national<strong>ist</strong>ische Implikationen <strong>in</strong> der Kunst ausgesprochen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> "Welt-<br />
bürgertum der Kultur" erkannt hatte, stimmte seit der Reichsgründung <strong>in</strong> den "Ruf nach<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r nationalen Kunst" (1885, 9) e<strong>in</strong>.<br />
Auch zu Beg<strong>in</strong>n der Stilwende, so Gert Selle (1974, 68) war "das Proletariat als Ziel-<br />
gruppe überhaupt nicht ex<strong>ist</strong>ent". Im Mittelpunkt der kunstgewerblichen Produktion<br />
"steht das bürgerliche Privathaus, das zum <strong>in</strong>dividual<strong>ist</strong>ischen Kunstwerk <strong>und</strong> zur Total-<br />
bühne privatisierender Lebensweise emporstilisiert wird, ohne den herrschaftlich demon-<br />
strativen Gestus der Gründerzeitvilla ganz aufzugeben" (ebd., 69).<br />
Der Deutsche Werkb<strong>und</strong>, der gegen die mangelnde Qualität <strong>des</strong> <strong>in</strong>zwischen an die Volks-<br />
massen weitergegebenen "Jugendstil"-Kunstgewerbes <strong>in</strong>dustrieller Produktion zu Felde<br />
zog, sprach mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Verbrauchererziehung wiederum nur den "gebildeten Mittelstand<br />
als erwünschten kulturellen Träger" (ebd., 57) <strong>und</strong> damit das "reiche Bürgertum" (Camp-<br />
bell 1981, 53 f.) an.<br />
Die von Wenzel Hablik geplante Erneuerung der menschlichen Gesellschaft war <strong>in</strong> der<br />
Nachfolge der gesamtkünstlerischen Konzepte <strong>des</strong> Jugendstils ebenfalls alle<strong>in</strong> auf diese<br />
Gesellschaftsschicht gerichtet. Nur sie konnte sich E<strong>in</strong>richtungsgegenstände <strong>in</strong> der von<br />
ihm geforderten handwerklichen Qualität le<strong>ist</strong>en. Die Innendekoration erhielt dabei neben<br />
Habliks Radierungen, Ölgemälden <strong>und</strong> den Kr<strong>ist</strong>all- <strong>und</strong> Naturaliensammlungen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
entscheidenden Bildungsauftrag: Die dekorative Anordnung verschiedenfarbiger Hölzer<br />
<strong>und</strong> ihrer Maserungen, die <strong>in</strong> der Entreetäfelung für Richard Biel ihren Höhepunkt<br />
erreichte, repräsentierte zusammen mit den Perlmutt- <strong>und</strong> Holz<strong>in</strong>tarsien der Prunkmöbel<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Materialvielfalt, die e<strong>in</strong> womöglich weltumspannen<strong>des</strong> Zeugnis der Natur <strong>in</strong> den<br />
bürgerlichen Innenraum br<strong>in</strong>gen sollte.
- 141 -<br />
Im Begleitheft der Altonaer Gesamtausstellung 1918 beschrieb der Künstler erneut die<br />
unlösbare Verb<strong>in</strong>dung zwischen Handwerk <strong>und</strong> Natur. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Aufforderung, die K<strong>in</strong>der<br />
wieder die "ewig gültigen Naturgesetze" <strong>und</strong> "das Handwerk ... als Freude <strong>und</strong> Stolz am<br />
Können, als schaffende, vorwärtswirkende Kraft" zu lehren, schloß er die These an, daß<br />
nur im E<strong>in</strong>klang mit den Naturgesetzen "<strong>e<strong>in</strong>e</strong> wirkliche Freiheit denkbar <strong>ist</strong>, nicht <strong>in</strong> der<br />
Abhängigkeit von Staaten <strong>und</strong> Religionen":<br />
"Es liegt mir ... daran ... den Weg anzudeuten, der aus dem Irrgarten von Vorurteil<br />
<strong>und</strong> bürgerlicher Erziehung h<strong>in</strong>ausführt <strong>in</strong> die weiten schönen Gärten menschlicher<br />
Freiheit, deren Tore sich jedem öffnen, der den Zauberschlüssel gef<strong>und</strong>en. <strong>Dieser</strong><br />
Zauberschlüssel <strong>ist</strong> Natur." (Hablik 1918, 1 f.)<br />
Wenn Hablik <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Vorträgen von 1915 zu mehr "Ehrfurcht vor dem Handwerk", im<br />
Ausstellungs-Essay 1918 zu größerer "Ehrfurcht vor der Natur" (S. 1) aufrief, so verfolgte<br />
er damit das gleiche Ziel: E<strong>in</strong>e neue Wertschätzung <strong>des</strong> Handwerks sollte zur umfas-<br />
senden Erkenntnis der Natur führen <strong>und</strong> damit die Voraussetzung für neue menschliche<br />
Lebensformen schaffen, die ihr Ziel <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m geme<strong>in</strong>schaftlichen "Weltwerk" <strong>und</strong><br />
menschlicher Freiheit f<strong>in</strong>den sollten. Der pädagogisch motivierte Versuch, im bürger-<br />
lichen Milieu <strong>e<strong>in</strong>e</strong> auf Naturerkenntnis <strong>und</strong> Naturverehrung basierende Welterneuerung<br />
zu realisieren, griff mit der symbolischen <strong>und</strong> objekthaften Vergegenwärtigung <strong>des</strong><br />
utopischen Entwurfs <strong>in</strong> den Bildwerken <strong>und</strong> Sammlungen sowie durch die handwerkliche<br />
Gestaltung vollständiger Innene<strong>in</strong>richtungen auf den gesamten bürgerlichen Alltag über,<br />
der weith<strong>in</strong> durch den Besitz <strong>und</strong> die Nutzung materieller Güter aus dem Bereich <strong>des</strong><br />
Wohnens geprägt <strong>ist</strong>. Zwar sollte der über die Naturerkenntnis zu beschreitende Weg zu<br />
menschlicher Freiheit aus dem "Irrgarten bürgerlicher Erziehung" herausführen; er war<br />
jedoch nur unter der Voraussetzung der materiellen Prosperität dieser Schicht zu ver-<br />
wirklichen. Auch das Handwerk hatte sich nach Habliks Vorstellungen dieser wirtschaft-<br />
lichen Kraft anzugleichen:<br />
"E<strong>in</strong>e gute Tischlerei unserer Zeit entsprechend <strong>ist</strong> nicht das, was sich der sogenannte<br />
Kle<strong>in</strong>me<strong>ist</strong>er beliebt darunter vorzustellen, sondern es <strong>ist</strong> schon e<strong>in</strong> ganz<br />
respektables Unternehmen ..." 307<br />
Die von Hablik projektierte zukünftige Gesellschaft beschränkte sich damit auf zwei<br />
Gruppen: das durch Bildpropaganda, Naturaliensammlungen
- 142 -<br />
<strong>und</strong> Innendekorationen zur ge<strong>ist</strong>igen Elite herangebildete Großbürgertum <strong>und</strong> die auf das<br />
gleiche Bildungs- <strong>und</strong> Wohlstandsniveau gehobene Handwerkerschaft. Das Ziel war die<br />
Schaffung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r homogenen bürgerlichen Gesellschaft, <strong>in</strong>nerhalb derer sich die natur-<br />
philosophisch begründete Welterneuerung auf gesicherter theoretischer <strong>und</strong> materieller<br />
Gr<strong>und</strong>lage verwirklichen ließ. Der Plan <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Unabhängigkeit "von Staaten <strong>und</strong> Religio-<br />
nen" beabsichtigte e<strong>in</strong> über die ganze Erde verbreitetes Bürgertum, das menschliche Frei-<br />
heit <strong>und</strong> "Weltwerk" auf den Gr<strong>und</strong>lagen von Naturerkenntnis <strong>und</strong> Naturverehrung<br />
erlangen sollte. Protagon<strong>ist</strong> dieser Welterneuerung war der weltläufige Bürger der 'Upper<br />
class', alle übrigen Gesellschaftsschichten blieben bei diesem Konzept ausgeblendet.<br />
Habliks Plan blieb e<strong>in</strong> Ziel im S<strong>in</strong>ne <strong>des</strong> "trans" Friedrich Nietzsches; denn das Behar-<br />
rungsbedürfnis der bürgerlichen Schicht hätte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> vollständige Erneuerung ihres All-<br />
tagsbereichs niemals zugelassen. 308<br />
Immerh<strong>in</strong> trugen Hablik die Mobiliare <strong>und</strong> Innene<strong>in</strong>richtungen, die er zwischen 1908 <strong>und</strong><br />
1915 für die Familie Biel geschaffen hatte, <strong>in</strong> den Kreisen <strong>des</strong> Itzehoer Bürgertums <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Anerkennung <strong>in</strong> allen Fragen der Innendekoration e<strong>in</strong>. Man beugte sich der<br />
mitunter diktatorisch vorgetragenen Autorität <strong>des</strong> Künstlers, solange die materiellen<br />
Reserven nicht bedroht waren. Gegenstände, die nicht von ihm entworfen oder aus-<br />
gesucht waren, durften im Salon nicht ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, 309 die kunstvollen Parkette der Tische<br />
nicht unter Decken verborgen werden. 310 Karl He<strong>in</strong>rich Frese schickte dem Künstler<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Wohnungsplan nach Königsberg h<strong>in</strong>terher mit der Aufgabe, die Farbgestaltung der<br />
Räume durch Farbklexe festzuhalten, 311 die Frage nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Büfett-Entwurf beendete er<br />
mit den Worten: "Aber Ihr müßt es wissen, Ihr seid der Me<strong>ist</strong>er ...". 312 Bei allem konser-<br />
vativen Ge<strong>ist</strong>, der diese Familien bestimmte, 313 war man doch mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r den Idealen <strong>des</strong><br />
Deutschen Werkb<strong>und</strong>es entsprechenden E<strong>in</strong>richtung auf der Höhe der Zeit <strong>und</strong> zeigte sich<br />
mit der Aufnahme von Kr<strong>ist</strong>allsammlungen <strong>und</strong> utopisch motivierten Bildern neuen Ideen<br />
gegenüber aufgeschlossen. Man kaufte die Gemälde <strong>des</strong> noch jungen Künstlers, nahm<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Naturphilosophie <strong>und</strong> Kunstgewerbetheorien zum<strong>in</strong><strong>des</strong>t über die erworbenen<br />
Gegenstände auf <strong>und</strong> zählte sich so zu den Gebildeten der Gesellschaft.
- 143 -<br />
IV. Gebrauchs<strong>text</strong>ilien<br />
Im Oktober 1907, wenige Tage nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m ersten Besuch <strong>in</strong> Itzehoe, lernte Hablik durch<br />
Richard Biel die Leiter<strong>in</strong> der Meldorfer Museumsweberei, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> spätere Ehefrau Elisa-<br />
beth L<strong>in</strong>demann, kennen. 1879 als Tochter <strong>des</strong> Bauern Otto L<strong>in</strong>demann <strong>in</strong> Westerwohld<br />
(Süderdithmarschen) geboren, hatte sie nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ausbildung als Entwurfszeichner<strong>in</strong> bei<br />
Professor Erich Kle<strong>in</strong>hempel <strong>in</strong> Dresden <strong>und</strong> als Weber<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Webschule von "Hand-<br />
arbetets Vänner" <strong>in</strong> Stockholm im Jahre 1902 von dem Landrat <strong>des</strong> Kreises Dithmarschen<br />
die Aufgabe erhalten, die letzten vier noch im Kreise lebenden Weberfamilien mit Arbeit<br />
<strong>und</strong> Material zu versorgen <strong>und</strong> <strong>in</strong> Meldorf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Webschule e<strong>in</strong>zurichten. Sie übernahm<br />
die Leitung der "Meldorfer Museumsweberei", die ihren Anfang vom Dithmarscher Lan-<br />
<strong>des</strong>museum aus genommen hatte. Mit der Zeit gelang ihr der Aufbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s lebensfähigen<br />
Geschäftsbetriebes, <strong>in</strong> dem Schürzen, Schals, Decken, Kissen, Bodenteppiche, Vorhänge,<br />
Tischläufer, K<strong>in</strong>derkappen, Handtaschen <strong>und</strong> Möbelbezugsstoffe hergestellt <strong>und</strong> neue<br />
Weber<strong>in</strong>nen ausgebildet wurden. Seit 1906 fertigte der Betrieb auf Jacquard-Webstühlen<br />
<strong>Kopie</strong>n von h<strong>ist</strong>orischen Schleswiger Bildbeiderwands sowie Jacquard-Stoffe mit zeit-<br />
gemäßen Mustern von Elisabeth L<strong>in</strong>demann selbst <strong>und</strong> anderen Entwurfskünstlern. Im<br />
gleichen Jahr entstand der erste Bildteppich dieser Werkstatt nach dem Entwurf <strong>des</strong><br />
Malers Paul Türoff (1873-1942) <strong>in</strong> starker Anlehnung an die Arbeiten der Scherrebeker<br />
Webschule. 314<br />
Wohl im Dezember 1907 erhielt Hablik von Elisabeth L<strong>in</strong>demann das Angebot, "Ihnen<br />
auf jede verkaufte Arbeit, die nach Ihren Entwürfen <strong>und</strong> genau nach Ihren Angaben, nach<br />
Ihrer Werkstattzeichnung <strong>und</strong> Farbenauswahl angefertigt <strong>ist</strong>, zwanzig Prozent der Ver-<br />
kaufssumme zu zahlen." 315 Der Künstler nahm an <strong>und</strong> erweiterte se<strong>in</strong> Entwurfsrepertoire<br />
auf das Warenangebot der Weberei. In der Folgezeit entstanden <strong>in</strong> der Werkstatt Wand-<br />
behänge, Applikationen <strong>und</strong> Stickereien auf Tischdecken <strong>und</strong> Kissen, weiterh<strong>in</strong> Kissen<br />
<strong>und</strong> Taschen <strong>in</strong> Gobel<strong>in</strong>technik sowie Bezugs- <strong>und</strong> Vorhangstoffe <strong>in</strong> Jacquard-Gewebe<br />
nach Habliks Entwurf. 316<br />
Wandbehänge entwarf der Künstler bis auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ausnahme erst seit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Orientreise<br />
1910. Es waren zunächst Seidenstickereien auf handgewebtem
- 144 -<br />
L<strong>e<strong>in</strong>e</strong>nstoff oder Gobel<strong>in</strong>webereien mit schlängelnden Blütengewächsen, bunten "Para-<br />
diesvögeln" <strong>und</strong> Schmetterl<strong>in</strong>gen, die mit ihren exotischen Motiven, der <strong>in</strong>nigen Ver-<br />
flechtung von Ornament <strong>und</strong> figürlicher Darstellung <strong>und</strong> der leuchtenden Farbigkeit<br />
Habliks Bew<strong>und</strong>erung für die "märchenhaften Formen <strong>und</strong> Farben" 317 der orientalischen<br />
Teppichkunst dokumentierten.<br />
Bei den Gebrauchs<strong>text</strong>ilien s<strong>in</strong>d um 1912/13 ebenfalls orientalische Motive anzutreffen.<br />
E<strong>in</strong> Ornamententwurf mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m dichten Gewebe aus Vögeln <strong>und</strong> Pflanzenzweigen (Abb.<br />
286) sowie e<strong>in</strong> bandwerkartiges Muster (Abb. 287) s<strong>in</strong>d dem vorderen Orient verpflichtet,<br />
während zungen- <strong>und</strong> flammenartige Gebilde (Abb. 288-289) auf ostasiatische Vorbilder<br />
zurückgreifen. E<strong>in</strong>es dieser Ornamente <strong>ist</strong> als züngelnder schwarzer Untergr<strong>und</strong> mit<br />
hellblauen Sternen gestaltet, auf dem gelb-orange <strong>und</strong> rote Flammen ansetzen (Abb. 289).<br />
Die <strong>text</strong>ile Umsetzung der leuchtendfarbigen Kontraste <strong>ist</strong> als glänzende Seidenappli-<br />
kation vorzustellen, wie sie etwa e<strong>in</strong> Kissen mit applizierten Zungen <strong>und</strong> Flammen <strong>in</strong><br />
streng geometrischem Rahmen zeigt (Abb. 290). E<strong>in</strong> Muster mit kielbogenförmigem<br />
Umriß <strong>und</strong> stilisierten Mohnblumen sollte <strong>in</strong> schwarzer Seidenlitze <strong>und</strong> mit schwarzer<br />
<strong>und</strong> roter Seidenstickerei ausgeführt werden (Abb. 291).<br />
Flächengestaltungen mit gleichmäßig verw<strong>und</strong>enen <strong>und</strong> ornamentierten Schlangen, die<br />
von losen Blättern (Abb. 294) oder geometrischen Rosetten (Abb. 293) begleitet werden,<br />
sch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n an Wiener Dekorationsmuster anzuschließen. Sie zeigen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ähnliche Stili-<br />
sierung der Naturform wie die Arbeiten der von Hablik gelobten Czeschka-Schüler<strong>in</strong><br />
Mizzi von Uchatius, 318 die während <strong>des</strong> Studienjahres 1904/05 zusammen mit ihm<br />
Czeschkas Vertretungskurs für den nach Paris gewechselten Baron von Myrbach be-<br />
suchte. 319 Die Kommiliton<strong>in</strong> verarbeitete bewegte <strong>und</strong> mite<strong>in</strong>ander verschlungene Tier-<br />
figuren zu endlosen Rapporten (vgl. "Jung Wien" um 1907, 56 ff.). Als freier durch-<br />
geführte Arbeit hat sich das Foto <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r von Hablik entworfenen Tischdecke mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Schlange <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Streumuster aus Blättern <strong>und</strong> Rosetten <strong>in</strong> Seidenstickerei erhalten<br />
(Abb. 292).<br />
In der Gobel<strong>in</strong>-Weberei entstanden zwischen 1911 <strong>und</strong> 1914 Kissen <strong>und</strong> Stofftaschen mit<br />
geometrischen Ornamenten <strong>in</strong> leuchtend hellen Farben,
- 145 -<br />
wie sie e<strong>in</strong> Kissen mit türkisen, hellgrünen, roten <strong>und</strong> orangen Sternformen <strong>und</strong> Rosetten<br />
<strong>in</strong> schwarzem Rautenmuster zeigt (Abb. 295-295 a). Auch sonst dom<strong>in</strong>ieren Zacken <strong>und</strong><br />
Sterne, Rauten <strong>und</strong> unregelmäßige Geißblattmuster (Abb. 296), die auch als Seidenappli-<br />
kationen ausgeführt werden konnten. 320 Die harten Prismen <strong>und</strong> Zacken der Kr<strong>ist</strong>alle<br />
sch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n hier <strong>in</strong> der angewandten Kunst wiederzukehren. E<strong>in</strong> erster Möbelbezugsstoff<br />
von 1911 zeigt beige Schneekr<strong>ist</strong>alle auf weißem Schild <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m dicht rautierten Gr<strong>und</strong>-<br />
muster (Abb. 297).<br />
In Verb<strong>in</strong>dung zu Habliks utopischen Konzepten stand aber vor allem der Stoff "Zacken-<br />
muster" aus demselben Jahr (Abb. 298), <strong>in</strong> <strong>des</strong>sen blitzartigem Zacken-'Kardiogramm' 321<br />
die "bewegte L<strong>in</strong>ie" der Kr<strong>ist</strong>allphantasien <strong>in</strong> der Mappe "Schaffende Kräfte" <strong>und</strong> der<br />
Blitz als Symbol der Naturkräfte von den Zeigern der Mess<strong>in</strong>guhr (Abb. 172) wieder-<br />
kehren. Die Beziehung zur kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong> motivierten Architektur <strong>ist</strong> auch bei den Zacken-<br />
<strong>des</strong>igns von Pavel Janák aus der Gruppe <strong>des</strong> Böhmischen Architekturkubismus 322 gege-<br />
ben, der ebenfalls 1911 Tapeten, Dosen <strong>und</strong> Kaffeeservice mit sehr ähnlichen Mustern<br />
entwarf (Abb. 300-302). Zur gleichen Zeit entstanden <strong>in</strong> dieser Gruppe Möbel mit<br />
gezackten Rücklehnen <strong>und</strong> prismatisch verschnittenen Bauteilen. 1914 nahm Walter<br />
Gropius das Zackenmuster auf: Der Bezugsstoff für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schlafwagene<strong>in</strong>richtung auf der<br />
Kölner Werkb<strong>und</strong>-Ausstellung (Abb. 303) <strong>ist</strong> Habliks Entwurf von 1911 täuschend ähn-<br />
lich, jedoch <strong>in</strong> etwas ruhigeren L<strong>in</strong>ien durchgeführt. Habliks "Zackenmuster", als<br />
Jacquard-Weberei für Möbelbezüge 323 <strong>und</strong> Vorhänge <strong>in</strong> zwei bis vier Farben herge-<br />
stellt, 324 erlangte erst Anfang der zwanziger Jahre s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> größte Bedeutung, als er bei<br />
Innenraumgestaltungen <strong>des</strong> Künstlers mit Zackentapeten, zackenförmigen Wanddeko-<br />
rationen, kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>-kub<strong>ist</strong>ischen Gemälden <strong>und</strong> Kunsthandwerk <strong>in</strong> 'utopischen' Formen<br />
zusammentraf.<br />
E<strong>in</strong>en anhaltenden Erfolg erzielte die Meldorfer Museumsweberei mit den um 1912 <strong>und</strong><br />
1914 von Wenzel Hablik entworfenen Stoffen "Nautilus" (Abb. 304) <strong>und</strong> "Falkenmuster"<br />
(Abb. 305), die als Jacquard-Webereien <strong>in</strong> Wolle <strong>und</strong> L<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n nach Art der Schleswiger<br />
Beiderwand-Gewebe <strong>des</strong> 17. bis 19. Jahrh<strong>und</strong>erts hergestellt wurden.
- 146 -<br />
"Nautilus" zeigt senkrechte gewellte Bänder mit abwechselnd an beiden Seiten anset-<br />
zenden Volutenzweigen. Das Motiv <strong>ist</strong> der Spiralschale der gleichnamigen Meeres-<br />
schnecke entlehnt, die <strong>in</strong> mehreren Exemplaren <strong>in</strong> der Naturaliensammlung <strong>des</strong> Künstlers<br />
vorkommt; stil<strong>ist</strong>isch schließt es an die bekannten Wellen- <strong>und</strong> Volutenzweige <strong>in</strong> den<br />
Gemälden von Gustav Klimt <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>des</strong>sen Fries für das Speisezimmer <strong>des</strong> Palais Stoclet<br />
<strong>in</strong> Brüssel (1905/11) an. Wienerischen E<strong>in</strong>fluß verraten auch die lockeren Blattranken<br />
beim "Falkenmuster", deren Volutenschwünge <strong>und</strong> herzförmige Blätter Dekorations-<br />
motiven entsprechen, die Otto Prutscher (1880-1949), seit 1907 Professor an der Wiener<br />
Kunstgewerbeschule, zwischen 1911 <strong>und</strong> 1914 bevorzugt bei Marketeriearbeiten e<strong>in</strong>setz-<br />
te (vgl. Behal 1981, 233). 325 Die auf dem Rankenwerk stehenden Falken, paarweise von-<br />
e<strong>in</strong>ander abgewandt, <strong>in</strong> fließenden Jugendstilformen <strong>und</strong> mit ornamentaler B<strong>in</strong>nen-<br />
zeichnung, s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>gsmotiv Wenzel Habliks, das nach der Falke-Sonne-Allegorie<br />
<strong>in</strong> der Mappe "Schaffende Kräfte" (Abb. 59-59 a) 1913 auf dem Deckblatt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Mappe<br />
von zehn Exlibris (Abb. 306) <strong>und</strong> schließlich auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Grabste<strong>in</strong> wiederkehrt. Der<br />
Künstler mag sich mit dem Wanderfalken als S<strong>in</strong>nbild s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r eigenen Reiselust <strong>und</strong><br />
Weltoffenheit identifiziert haben.<br />
Stoffentwürfe hatte Hablik bereits während s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Wiener Studienzeit für die Wiener<br />
Möbelfabrikanten August Ungethüm <strong>und</strong> Hugo Schmidl geschaffen. 326 Die e<strong>in</strong>zigen er-<br />
haltenen frühen Ornamentstudien aus dem Jahre 1906 zeigen vor allem vorwärtsdrän-<br />
gende, pfeilartige Muster, die aus Rechenkästchen entwickelt s<strong>in</strong>d (Abb. 280-282). E<strong>in</strong><br />
Beispiel zeigt prismenartig-kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Formen (Abb. 284). Die zweifarbige Durchfüh-<br />
rung der Ornamente <strong>in</strong> gebrochenen, matten Farben wie Ocker <strong>und</strong> Violettrosa mit<br />
Graugrün sowie dem 'exzentrischen' Kontrast von Schwarz <strong>und</strong> Gold stehen den Farb-<br />
nuancierungen Josef Hoffmanns <strong>und</strong> den Farbgestaltungen <strong>in</strong> der Zeitschrift Ver Sacrum<br />
nahe.<br />
Mit Hugo Schmidl <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ehefrau Paula, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Schwäger<strong>in</strong> <strong>des</strong> Schriftstellers Jakob<br />
Wassermann, war der Künstler über das Geschäftliche h<strong>in</strong>aus eng befre<strong>und</strong>et. Durch sie<br />
lernte er neben Wassermann auch Arthur Schnitzler <strong>und</strong> Alexander Roda-Roda kennen.<br />
Der offensichtlichen Aneignung von Wiener Stilelementen, zu denen später die moti-<br />
vischen
- 147 -<br />
Anleihen bei Adolf Böhms Illustrationsgraphik <strong>in</strong> der Mappe "Schaffende Kräfte", die<br />
Vielfalt kostbarer Materialien, geometrische Helldunkelkontraste <strong>und</strong> Metallbeschläge<br />
bei den Möbeln, schließlich die zur Wiener Stilkunst tendierenden Stoff<strong>des</strong>s<strong>in</strong>s für die<br />
"Meldorfer Museumsweberei" gehören, stand Habliks ständige verbale Verurteilung der<br />
Wiener Stilkunst entgegen. In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Brief an Paula Schmidl rechtfertigte er wenige Tage<br />
nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Übersiedlung nach Prag Anfang November 1905 den Wechsel von der Wie-<br />
ner Kunstgewerbeschule an die Prager Akademie:<br />
"... (ich) wollte eben woh<strong>in</strong> gehen, wo man Gott den Tag nicht mit Papierschnitzeln<br />
abstiehlt, <strong>und</strong> sich selbst schließlich zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r himmelhohen Lüge zusammenleimt,<br />
geschmückt mit Ornamenten <strong>und</strong> Mosaiken, daß man sich endlich erhaben fühlt<br />
über die Offenbarungen der herrlichen Natur ... Dorth<strong>in</strong> wollt ich, wo man noch<br />
fühlt, daß es <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Lebens wert <strong>ist</strong> zu hören, was die e<strong>in</strong>zige Künstler<strong>in</strong> spricht,<br />
welche W<strong>und</strong>er sie uns unermüdlich immer wieder vor Augen führt. In Wien könnt<br />
ich's nicht f<strong>in</strong>den ... Ja, manchmal irr an allem b<strong>in</strong> ich geworden, <strong>und</strong> die Versuchung<br />
war groß, wenn ich sah, wie jeder hastet, so rasch wie möglich bekannt zu<br />
werden, es auch wurde ... <strong>und</strong> womit!? E<strong>in</strong> Exlibris, ke<strong>in</strong> sonderlicher Gedanke<br />
wohl, aber e<strong>in</strong> verblüffen<strong>des</strong> Rätsel für Kurzsichtige, zwei drei Schwarzweißflecken<br />
auf Tonpapier, e<strong>in</strong> paar Stoffmuster - <strong>und</strong> schon schwellte sich s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Brust<br />
<strong>und</strong> er heimste Lob e<strong>in</strong> <strong>und</strong> Zufriedenheit <strong>und</strong> stolze Hoffnungen! Oh! Wie ich alle<br />
jene Flunkereien haßte ..." 327<br />
Kaum hatte er im August 1907 von Professor Rudolf von Larisch das Buch "Jung Wien.<br />
Ergebnisse aus der Wiener Kunstgewerbeschule" erhalten - wohl als Belegexemplar für<br />
die eigenen dort veröffentlichten Schriftproben (Abb. 722-724) 328 - schrieb er s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
ehemaligen Lehrer <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n (dann offenbar doch nicht abgesandten) Brief, um ihm mitzu-<br />
teilen, es fehle<br />
"dem ganzen etwas Stil. (...) Daß die Wiener Kollegen so mordsfaul s<strong>in</strong>d, kann ich<br />
doch nicht glauben, wie anders aber soll ich mir diese alten Sachen erklären. Es<br />
wandern doch nicht alle im Kreise?" 329<br />
Das Buch enthält überwiegend Innendekorationen <strong>in</strong> geometrischen Helldunkelkon-<br />
trasten, darunter Arbeiten <strong>des</strong> Wiener Kommilitonen <strong>und</strong> Hoffmann-Schülers Carl Witz-<br />
mann. Noch im November 1911 beklagte sich Hablik bei <strong>des</strong>sen Bruder Hans über das<br />
"Wienerische ... die Produkte der Hoffmann - Moser - Kl<strong>in</strong>g - Czeschka ...":
- 148 -<br />
"Jeder dieser Leute hat was schönes - <strong>und</strong> an sich <strong>ist</strong> es noch ke<strong>in</strong> schlechtes<br />
Zeugnis, wenn man trotzdem den <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n (C. ausgenommen) nicht vom anderen<br />
kennt - aber auf die Dauer wirken die unselbständigen Nachahmungen ... unerträglich,<br />
<strong>und</strong> es <strong>ist</strong> Zeit, daß sich ernste Leute damit beschäfigen, diesen Ödge<strong>ist</strong><br />
totzuschlagen ..." 330<br />
Carl Otto Czeschka <strong>und</strong> Anton Kl<strong>in</strong>g waren unter<strong>des</strong>sen 1907 bzw. 1908 von der Wiener<br />
an die Hamburger Kunstgewerbeschule berufen worden. Hablik, der sich aufgr<strong>und</strong> der<br />
E<strong>in</strong>ladung von Ferd<strong>in</strong>and Avenarius seit August 1907 <strong>in</strong> Kampen auf Sylt aufhielt, traf<br />
Czeschka <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Monat später <strong>in</strong> Hamburg <strong>und</strong> notierte <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tagebuch: "Mit ihm<br />
über Wiener Verhältnisse gesprochen." 331 E<strong>in</strong>e Begegnung mit Czeschka <strong>und</strong> Kl<strong>in</strong>g im<br />
November 1908 <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Hamburger Restaurant förderte offene Spannungen zutage:<br />
"C. verhält sich sehr reserviert. (...) Kl<strong>in</strong>g! Unerhört! Diese beiden, verschieden<br />
wie Tag <strong>und</strong> Nacht - zusammen an der Kunstgewerbeschule <strong>in</strong> H.! C., der gewissenhafte<br />
Kunstgewerbler <strong>und</strong> K., der Kitscher! Ich b<strong>in</strong> so paff gewesen, daß ich gewiß<br />
den hellsten Uns<strong>in</strong>n geredet habe." 332<br />
Als Habliks ehemaliger Wiener Kommilitone Franz Delavilla (1884-1967) ebenfalls an<br />
die Hamburger Kunstgewerbeschule berufen wurde 333 <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Schülern im September<br />
1911 <strong>und</strong> im Mai 1912 Besuche <strong>in</strong> Habliks Atelier <strong>in</strong> Itzehoe vermittelte, 334 hatte dieser<br />
wiederum an den ihm vorgelegten Schülerarbeiten zu bemängeln, "wie Leute wie Dela-<br />
villa, Kl<strong>in</strong>g usw. ... 'arbeiten'. Natürlich typische 'Wiener' Ornamentik". 335<br />
Habliks Verb<strong>in</strong>dung nach Wien blieb jedoch bestehen. Er arbeitete auch von Itzehoe aus<br />
für Hugo Schmidl, dem er gelegentlich Stoffentwürfe zusandte. Während s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s vier-<br />
monatigen Aufenthalts <strong>in</strong> Wien seit Mai 1915, als er bei den österreichischen Behörden<br />
erfolglos um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zulassung zum Kriegsdienst nachsuchte, fertigte er Möbel- <strong>und</strong> Innen-<br />
raumentwürfe für August Ungethüm an. 336 Zu beiden Betrieben blieb er bis zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Tode <strong>in</strong> fre<strong>und</strong>schaftlichem Kontakt.<br />
Für die Meldorfer Museumsweberei bildeten Habliks neue Beiderwand<strong>des</strong>s<strong>in</strong>s "Zacken",<br />
"Nautilus" <strong>und</strong> "Falkenmuster", vor allem auch durch den Wienerischen Anklang der<br />
beiden letztgenannten, e<strong>in</strong> modernes Gegengewicht zu den bis zu diesem Zeitpunkt von<br />
der Werkstatt kopierten h<strong>ist</strong>o-
- 149 -<br />
rischen Bildbeiderwands. Aber <strong>in</strong> der Art <strong>des</strong> Gewebes <strong>und</strong> den Verwendungsmöglich-<br />
keiten der neuen Stoffe orientierte man sich noch an ihren h<strong>ist</strong>orischen Vorläufern. Die<br />
Schleswigsche Beiderwand, bis <strong>in</strong>s neunzehnte Jahrh<strong>und</strong>ert ausschließlich für Bettvor-<br />
hänge verwendet, war zum erstenmal während <strong>des</strong> H<strong>ist</strong>orismus <strong>in</strong> dem "Niederdeutschen<br />
Zimmer" von He<strong>in</strong>rich Sauermann auf der Weltausstellung <strong>in</strong> Chicago 1893 als Wandbe-<br />
spannung verwendet worden. Elisabeth L<strong>in</strong>demann, die nach 1907 zeitweilig den von<br />
Museumsdirektor Ernst Sauermann, dem Sohn <strong>des</strong> Flensburger Möbelfabrikanten <strong>und</strong><br />
Museumsgründers, <strong>in</strong>s Leben gerufenen "Nordschleswigschen Vere<strong>in</strong> für Hausweberei"<br />
<strong>in</strong> Flensburg geleitet hatte, muß <strong>e<strong>in</strong>e</strong> dieser Bespannungen aus dem im Museum aus-<br />
gestellten Zimmer von der Pariser Weltausstellung 1900 gekannt haben. Sie propagierte<br />
auch Habliks "Falkenmuster" als<br />
"neuartige Wandbespannung ... (die) sich für moderne Wohnräume besonders gut<br />
eignet. (...) Solche Wandbespannung ersetzt die Tapete vollwertig. Besonders <strong>in</strong><br />
Landhäusern, Siedlungen <strong>und</strong> ähnlichen Bauten s<strong>in</strong>d derartige Textilien sehr<br />
beliebt. (...) Die Entwürfe s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> zwei bis drei Farben ausgeführt, me<strong>ist</strong> werden<br />
ungebrochene Töne gewählt, die den Wohnräumen e<strong>in</strong> frisches Aussehen geben<br />
<strong>und</strong> zu den Möbeln passen." 337<br />
Der "großbürgerliche Bedarf", den Sauermann mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Innenräumen zu befriedigen<br />
suchte, wurde von Elisabeth L<strong>in</strong>demann erneut geweckt. Das "Falkenmuster" war wegen<br />
der hohen Herstellungskosten der handgearbeiteten Stoffe als Wandbespannung nur <strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m solventen großbürgerlichen Haushalt denkbar. Die schwere Qualität der Stoffe,<br />
ihre Lichtechtheit <strong>und</strong> das neuzeitliche Design kamen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bedürfnis <strong>des</strong> Bürgertums<br />
nach repräsentativen Wohnformen entgegen, das sich - wie bereits bei der Villene<strong>in</strong>-<br />
richtung für Richard Biel bemerkt - seit der Gründerzeit nicht gewandelt hatte.<br />
Habliks erklärtes Anliegen war es, alle privaten Handarbeiten aus dem bürgerlichen All-<br />
tag zu verbannen; gr<strong>und</strong>legend war der absolute Anspruch <strong>des</strong> Künstlers <strong>in</strong> allen Fragen<br />
<strong>des</strong> "Geschmacks". In der Familie Biel konnte er diese Forderung durchsetzen: Nach den<br />
vorliegenden Rechnungen <strong>und</strong> Briefen wurden sämtliche im Haus benötigten Textilien<br />
bei der Handweberei bestellt. Damit war es dem Künstler auch durch die Ge-<br />
brauchs<strong>text</strong>ilien gelungen, Motive <strong>des</strong> utopisch-naturphilosophischen Themenkreises <strong>und</strong><br />
das Konzept qualitätvoller handwerklicher Arbeit im bürgerlichen Innenraum zu ver-<br />
ankern.
- 150 -<br />
5. KAPITEL:<br />
UTOPISCHE ARCHITEKTUR<br />
Mit dem Beg<strong>in</strong>n <strong>des</strong> Ersten Weltkriegs trat die künstlerische Arbeit für Hablik <strong>in</strong> den<br />
H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>. Kriegsbege<strong>ist</strong>erung erfüllte die Stadt Itzehoe:<br />
"Am 31. Juli 1914 wurde <strong>in</strong> allen Straßen der Mobilmachungsbefehl verlesen. Um<br />
Mitternacht riefen die Glocken der Laurentiikirche den Landsturm unter Waffen.<br />
Am nächsten Morgen drängten die Menschen zur Kirche. ... 'Nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r kurzen,<br />
aber kraftvollen Ansprache <strong>des</strong> Pastors Reimers forderte Propst Völkel die Geme<strong>in</strong>de<br />
auf, <strong>in</strong> knieendem Gebet Gottes Be<strong>ist</strong>and für unser Vaterland, unsere<br />
Krieger <strong>und</strong> unsere Herzen zu erflehen.' (...) In den ersten Tagen drängten sich<br />
H<strong>und</strong>erte von Kriegsfreiwilligen vor den Kasernentoren <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Kasernenhöfen.<br />
Aus Hamburg kamen junge Kaufleute, aus Kiel Studenten, aus Glückstadt <strong>und</strong><br />
Itzehoe Primaner, alle beseelt von dem Wunsch, so schnell wie möglich Soldat zu<br />
werden." (Irmisch 1960, 408 f.)<br />
Hablik, der wegen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Armbeh<strong>in</strong>derung zum Kriegsdienst nicht zugelassen worden<br />
war, 338 überkam <strong>in</strong> den folgenden Monaten e<strong>in</strong> "Gefühl körperlicher Überflüssigkeit". 339<br />
Er schrieb an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Fre<strong>und</strong> He<strong>in</strong>rich Vlček <strong>in</strong> Königgrätz:<br />
"... besonders hart trifft, daß ich zuhaus sitzen muß, ich, der ich mich seit zehn<br />
Jahren nach diesem Krieg gesehnt habe. (...) Wie würde ich mich herzlich freuen,<br />
von tapferen Taten von Euch zu hören - von der Freude am Krieg <strong>und</strong> Sieg, wie sie<br />
mich ganz <strong>und</strong> gar erfüllt, der ich hier ohnmächtig verschmäht sitzen muß." 340<br />
Für die folgenden drei Jahre stellte Hablik die Arbeit an der Kr<strong>ist</strong>all- <strong>und</strong> Glasarchitektur<br />
e<strong>in</strong>. Das "Schautempel"-Projekt vom 7. Juli 1914 (Abb. 120-123) markierte <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n vorläu-<br />
figen Abschluß. Am 1. August, dem Tag der deutschen Kriegserklärung an Rußland,<br />
wurde die Kölner Werkb<strong>und</strong>-Ausstellung vorzeitig geschlossen. Von dem abrupten Ende,<br />
das die Ausstellung "<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m f<strong>in</strong>anziellen Fiasko (enden ließ), ja e<strong>in</strong>zelne Aussteller an<br />
den Rand <strong>des</strong> Ru<strong>in</strong>s brachte" (Thiekötter 1984, 76), war auch die mit den neuesten<br />
Stoffentwürfen von Wenzel Hablik vertretene Meldorfer Museumsweberei betroffen.<br />
Mangel an Aufträgen <strong>und</strong> Material bestimmte die folgenden Jahre der Werkstatt. Im<br />
Januar 1915 malte der
- 151 -<br />
Künstler die letzten Ölgemälde für die kommenden zwei Jahre, drei W<strong>in</strong>terlandschaften.<br />
1915 endete auch die Arbeit an der Innene<strong>in</strong>richtung für Richard Biel.<br />
Von s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Reise nach Wien im Frühjahr 1915 brachte Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Anzahl von<br />
Möbelentwürfen mit, die merkwürdig unproportionierte Schranktypen zeigen, von s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Aufenthalt bei den österreichischen Soldaten an der Isonzo-Front e<strong>in</strong>ige großformatige<br />
Ble<strong>ist</strong>iftzeichnungen vom Soldatenleben. Im März 1916 verschaffte ihm der als Leutnant<br />
dienende Meldorfer Gymnasialprofessor Karl He<strong>in</strong>rich Frese die Gelegenheit, die folgen-<br />
den vier Monate ebenfalls als Kriegsmaler beim Landsturmbataillon auf Sylt zu ver-<br />
br<strong>in</strong>gen. 341<br />
Im Juni 1917 heirateten Wenzel Hablik <strong>und</strong> Elisabeth L<strong>in</strong>demann. Die Meldorfer Muse-<br />
umsweberei wurde als Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann nach Itzehoe verlegt. Die Ge-<br />
samtausstellung <strong>des</strong> Ehepaares vom Juli bis August 1918 im Altonaer Museum wurde<br />
zum Ausdruck für den Neubeg<strong>in</strong>n ihres geme<strong>in</strong>samen Schaffens. Jetzt, fünf Monate vor<br />
Kriegsende, war an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n deutschen Sieg nicht mehr zu denken; <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Monat später<br />
wurden Friedensangebote unterbreitet. Wenzel Hablik schrieb:<br />
"Nach wie vor <strong>ist</strong> es auch während <strong>des</strong> Krieges Sommer, Herbst <strong>und</strong> W<strong>in</strong>ter geworden,<br />
blühen die Blumen, s<strong>in</strong>gen die Vögel, braust der Sturm <strong>und</strong> orgelt das<br />
Meer. Wo wäre also für den Menschen mit ges<strong>und</strong>en S<strong>in</strong>nen e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong> zum<br />
Verzagen? (...) K<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zeit hatte Mut <strong>und</strong> Energie, Friede <strong>und</strong> Freude jemals so<br />
nötig als die nach diesem Weltkrieg, gilt es doch dann, die durch die lange<br />
Kriegsdauer fast ganz vernichteten Lebenswerte von neuem zu begründen."<br />
(Hablik 1918, 1)<br />
Nach den Ölgemälden "Zerstörung" (Abb. 145) <strong>und</strong> "Meereszauber" (Abb. 142) vom<br />
August bzw. September 1917 folgte am 2./3. November 1918 das Bild "Der Weg <strong>des</strong> Ge-<br />
nius" (Abb. 146) als dritte große Architekturallegorie. Es setzte der Vernichtung aller<br />
gesellschaftlichen Gr<strong>und</strong>werte <strong>und</strong> der Sehnsucht nach glückseliger Ruhe <strong>in</strong> den voran-<br />
gegangenen Bildern das aktiv<strong>ist</strong>ische Streben nach dem Aufbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Gesellschaft<br />
entgegen. Am 9. November 1918 überschritt der Kaiser die Grenze <strong>in</strong>s niederländische<br />
Exil. Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann rief die Republik aus. Am 11. November<br />
1918 war der Erste Weltkrieg zu Ende.
- 152 -<br />
Die Aktiv<strong>ist</strong>en um Kurt Hiller <strong>und</strong> Alfred Wolfenste<strong>in</strong> hatten sich seit dem Sommer 1917<br />
zu organisieren begonnen. Mit der Gründung <strong>des</strong> "B<strong>und</strong>es zum Ziel" am 10./12. August<br />
1917 schienen sich Hillers Pläne für e<strong>in</strong> "Deutsches Herrenhaus", <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Kammer der Gei-<br />
stigen" 342 zu verwirklichen, die das "Volk" zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m neuen Geme<strong>in</strong>schaftswillen veran-<br />
lassen <strong>und</strong> die Menschheit <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m zweischichtigen Gesellschaftssystem aus Volk <strong>und</strong><br />
ge<strong>ist</strong>iger Elite <strong>in</strong>s "Paradies" führen sollte (vgl. Whyte 1981, 65 ff., 78 f.).<br />
Der "B<strong>und</strong> zum Ziel", von dem sich im W<strong>in</strong>ter 1917 unter dem E<strong>in</strong>druck der russischen<br />
Revolution die Verfechter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s proletarischen Umsturzes abspalteten (ebd., 79), trat auf<br />
E<strong>in</strong>ladung Kurt Hillers am 7./8. November 1918 erneut <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zusammen, benannte<br />
sich zunächst <strong>in</strong> "Aktiv<strong>ist</strong>enb<strong>und</strong>" um <strong>und</strong> konstituierte sich nach der Abdankung <strong>des</strong><br />
Kaisers zwei Tage später im Reichstag als "Politischer Rat ge<strong>ist</strong>iger Arbeiter". Der RGA,<br />
dem auch Bruno Taut angehörte, bekannte sich zu Hillers aktiv<strong>ist</strong>ischer Philosophie <strong>und</strong><br />
befürwortete e<strong>in</strong> zweischichtiges Regierungssystem aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m frei gewählten Reichstag<br />
<strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m spontan gebildeten "Rat der Ge<strong>ist</strong>igen". Ende November 1918 gründete Bruno<br />
Taut nach dem Vorbild <strong>des</strong> RGA <strong>und</strong> der Arbeiter- <strong>und</strong> Soldatenräte den "Arbeitsrat für<br />
Kunst", zu <strong>des</strong>sen frühesten Führern auch Walter Gropius <strong>und</strong> Adolf Behne gehörten<br />
(ebd., 81 ff.).<br />
In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m ersten Programm vom Dezember 1918 343 forderte der AfK:<br />
"... die politische Umwälzung (muß) benutzt werden zur Befreiung der Kunst von<br />
jahrzehntelanger Bevorm<strong>und</strong>ung ... Kunst <strong>und</strong> Volk müssen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> E<strong>in</strong>heit bilden.<br />
(...) Zusammenschluß der Künste unter den Flügeln <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r großen Baukunst <strong>ist</strong> das<br />
Ziel. Fortan <strong>ist</strong> der Künstler alle<strong>in</strong> als Gestalter <strong>des</strong> Volksempf<strong>in</strong>dens verantwortlich<br />
für das neue Gewand <strong>des</strong> Staates."<br />
Das im gleichen Monat von Bruno Taut verfaßte erste Architektur-Programm 344 <strong>des</strong><br />
Arbeitsrates ernannte die Architektur zum Träger aller ge<strong>ist</strong>igen Kräfte:<br />
"Gestalter der Empf<strong>in</strong>dungen der Gesamtheit, die heute schlummern <strong>und</strong> morgen<br />
erwachen, <strong>ist</strong> der Bau. Erst die vollständige Revolution im Ge<strong>ist</strong>igen wird diesen<br />
Bau schaffen."
- 153 -<br />
In Entsprechung zur aktiv<strong>ist</strong>ischen Philosophie Kurt Hillers forderte Taut die Vere<strong>in</strong>i-<br />
gung von "Volk" <strong>und</strong> "Ge<strong>ist</strong>" durch die Architektur:<br />
"Unterstützung baulicher Ideen, welche über das Formale h<strong>in</strong>weg die Sammlung<br />
aller Volkskräfte im S<strong>in</strong>nbild <strong>des</strong> Bauwerks <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r besseren Zukunft anstreben <strong>und</strong><br />
den kosmischen Charakter der Architektur aufzeigen, sog. Utopien."<br />
Das Programm enthielt Pläne für die Errichtung von Volkshäusern <strong>und</strong> Siedlungen sowie<br />
für die Ausbildung <strong>und</strong> die gesellschaftliche Stellung der Architekten.<br />
Bereits im Frühjahr 1918 hatte Taut unter dem E<strong>in</strong>druck der aktiv<strong>ist</strong>ischen Politik,<br />
bee<strong>in</strong>flußt durch die sozial<strong>ist</strong>ischen Thesen Gustav Landauers <strong>und</strong> die Architektur- <strong>und</strong><br />
Gesellschaftsutopien Paul Scheerbarts mit den Zeichnungen zur Mappe "Alp<strong>in</strong>e Archi-<br />
tektur" (1919) begonnen. Als Ausdruck <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r durch die Arbeit an der utopischen Archi-<br />
tektur vere<strong>in</strong>igten Menschheit türmten sich jetzt auch bei Taut - wie bereits fünfzehn<br />
Jahre zuvor <strong>in</strong> den Zeichnungen Wenzel Habliks - kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong> facettierte Kuppeln über steil<br />
abfallenden Berghängen, sollten Felsmassive durch mechanische Arbeit umgestaltet<br />
werden. "Andacht <strong>in</strong> der Schönheit" war der religiös motivierte Zweck <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s "Felsen-<br />
domes" (Bl. 11), den er als Pfeilerhalle mit gläsernen Gewölben "<strong>in</strong> der Taltiefe zwischen<br />
kr<strong>ist</strong>allisch-kantig bearbeiteten Bergen" plante. "Der Alpenbau" im dritten Teil <strong>des</strong> Wer-<br />
kes war ausdrücklich der Völkervere<strong>in</strong>igung gewidmet. Taut rief die "Völker Europas"<br />
(Bl. 16) auf, die höchste Alpenkette vom Mont Blanc her "umzubauen" <strong>und</strong> mit<br />
"Bergbekrönungen, -bearbeitungen <strong>und</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Glasarchitekturen" zu versehen - <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Aufgabe, die "Zank, Streit <strong>und</strong> Krieg" unter den Völkern verdrängen sollte.<br />
1918 wurde auch Wenzel Hablik durch die Aufrufe der Aktiv<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> <strong>des</strong> Arbeitsrates<br />
für Kunst motiviert, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arbeit an der utopischen Architektur wiederaufzunehmen. Er<br />
schloß an se<strong>in</strong> letztes kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>es Baukonzept, den "Schautempel" von 1914 (Abb. 120-<br />
123), an <strong>und</strong> entwarf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n "Hängenden Kuppelbau" aus sechs untere<strong>in</strong>andergestaffelten<br />
<strong>und</strong> jeweils um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> halbe Seitenlänge verdrehten polygonalen Stockwerken (Abb. 307).<br />
Die Ecküberstände zwischen allen Geschossen s<strong>in</strong>d mit Prismen verkleidet, so daß sich<br />
e<strong>in</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong> gegliederter Gesamtkörper ergibt. Der
- 154 -<br />
Bau sollte zwischen zwei Felsarmen im Gebirge montiert werden <strong>und</strong> stellte damit die<br />
Verb<strong>in</strong>dung zu Habliks frühen kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Gebirgsarchitekturen wieder her.<br />
Die Politik <strong>des</strong> Arbeitsrates für Kunst führte zu k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Erfolg. Angesichts der Bestä-<br />
tigung der etablierten Kulturbeamten durch das neue Kultusm<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium erwies sich die<br />
geforderte Beteiligung der "Architekten im öffentlichen Leben bei Besetzung wichtiger<br />
Ämter" <strong>und</strong> die bereits im ersten Programm erwartete "engste Fühlung" <strong>des</strong> AfK "mit den<br />
Regierungsgewalten <strong>und</strong> Vere<strong>in</strong>igungen ähnlicher Tendenz" als Fiasko (Whyte 1981, 85).<br />
E<strong>in</strong>e Regierungskommission <strong>des</strong> AfK <strong>in</strong> allen künstlerischen Fragen wurde von dem<br />
SPD-M<strong>in</strong><strong>ist</strong>er Adolf Hoffmann zurückgewiesen. Die Wahl zur konstituierenden National-<br />
versammlung am 17. Januar 1919 brachte der SPD <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mehrheit von 163 Sitzen, wäh-<br />
rend die für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Räteregierung e<strong>in</strong>tretende USPD nur 22 Sitze gewann. Die erneute Eta-<br />
blierung der bürgerlichen Adm<strong>in</strong><strong>ist</strong>ration <strong>und</strong> das damit verb<strong>und</strong>ene Scheitern der sozia-<br />
l<strong>ist</strong>ischen Revolution stürzte die Führer <strong>des</strong> AfK <strong>in</strong> tiefe Resignation. Bruno Taut trug<br />
sich für kurze Zeit mit dem Gedanken, nach Amerika auszuwandern <strong>und</strong> trat im Februar<br />
1919 von der AfK-Führung zurück (ebd., 98 f.). Walter Gropius übernahm am 1. März als<br />
Vorsitzender <strong>des</strong> Geschäftsausschusses die Leitung <strong>des</strong> "Arbeitsrats", Taut blieb gewöhn-<br />
liches Mitglied.<br />
I. Entwürfe für den "Arbeitsrat für Kunst"<br />
Noch im Januar 1919 hatte Taut den Vorschlag zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Ausstellung für unbekannte<br />
Architekten" gemacht, die - wie Gropius später im Flugblatt zur Ausstellung formulierte -<br />
den "Aufbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r glühenden, kühnen, weitvorauseilenden Bauidee" <strong>in</strong>itiieren sollte:<br />
"Künstler, stürzen wir endlich die Mauern um, die unsere verbildende Schulweisheit<br />
zwischen den 'Künsten' errichtete, um alle wieder Bauende zu werden!<br />
Wollen, erdenken, erschaffen wir geme<strong>in</strong>sam den neuen Baugedanken. Maler <strong>und</strong><br />
Bildhauer, durchbrecht also die Schranken zur Architektur <strong>und</strong> werdet Mitbauende,<br />
Mitr<strong>in</strong>gende um das letzte Ziel der Kunst: die schöpferische Konzeption der<br />
Zukunftskathedrale, die wieder alles <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gestalt se<strong>in</strong> wird, Architektur <strong>und</strong><br />
Plastik <strong>und</strong> Malerei." 345
- 155 -<br />
In Zeitungsanzeigen wie z.B. im Berl<strong>in</strong>er Localanzeiger vom 25. Januar 1919, lud der<br />
"Arbeitsrat" "alle <strong>in</strong> der Öffentlichkeit unbekannten Architekten (e<strong>in</strong>) ... charakter<strong>ist</strong>i-<br />
sche Proben ihres Könnens <strong>in</strong> Form von kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Skizzen <strong>und</strong> Fotografien nach ihren<br />
Entwürfen beliebiger Art (Idealprojekte) ... e<strong>in</strong>zusenden". Wenzel Hablik folgte dieser<br />
Aufforderung. Am 10. Februar 1919 erhielt er von Walter Gropius die Nachricht, se<strong>in</strong><br />
Entwurf habe "allseitiges Interesse" geweckt, <strong>und</strong> er sei für die Teilnahme an der Aus-<br />
stellung e<strong>in</strong>stimmig gewählt worden. 346<br />
Die "Ausstellung für unbekannte Architekten" wurde am 25. März 1919 im Graphischen<br />
Kab<strong>in</strong>ett J.B. Neumann am Kurfürstendamm <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> eröffnet. In der Pressekritik fand<br />
vor allem der Gegensatz zwischen den zurückhaltend konventionellen Entwürfen der<br />
Architekten, zu denen etwa <strong>e<strong>in</strong>e</strong> R<strong>in</strong>ganlage aus E<strong>in</strong>zelhäusern von Otto Biel, e<strong>in</strong> Land-<br />
haus von Friedrich Kaldenbach, Wolkenkratzer <strong>und</strong> Hafenspeicher von Paul Andrae ge-<br />
hörten, <strong>und</strong> den atektonisch freien, phantasievollen Schöpfungen der "Maler, Bildhauer<br />
<strong>und</strong> Musiker" starke Beachtung. Von den letzteren erregten die architektonisch kaum faß-<br />
baren naiven Strichzeichnungen <strong>des</strong> ehemaligen Viol<strong>in</strong><strong>ist</strong>en Jefim Golyscheff <strong>und</strong> die<br />
schneckenartigen oder qualligen Glasbauten <strong>des</strong> Malers <strong>und</strong> Naturwissenschaftlers Her-<br />
mann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> heftige Empörung. Bei den "<strong>in</strong> flutenden Farblichtkegeln zum Himmel<br />
wuchtenden" Türmen von Johannes Molzahn, dem gläsernen Tempel von Arnold Topp,<br />
"<strong>in</strong> <strong>des</strong>sen von veilchenfarbenem Licht durchflossenen Hallen opalisierende Plastiken<br />
stehen", <strong>und</strong> dem farbigen Modell <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Kunsttempels "mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m schönen kr<strong>ist</strong>allischen<br />
Glasdach" von dem Bildhauer Oswald Herzog, wurden die Schriften Paul Scheerbarts<br />
<strong>und</strong> Bruno Tauts "Glashaus" von 1914 als geme<strong>in</strong>same Wurzel erkannt. Hermann Obr<strong>ist</strong><br />
lieferte den Entwurf zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m "höhlenartigen Grabmal"; Fidus zeigte Pläne s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bereits<br />
h<strong>in</strong>länglich bekannten Tempelkunst. 347<br />
Wenzel Hablik hatte jene nach 1908 entstandenen Entwürfe e<strong>in</strong>gesandt, die sich an der<br />
Repräsentationsarchitektur <strong>und</strong> den Stahlkonstruktionen <strong>des</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts orientierten:<br />
e<strong>in</strong> Blatt aus dem Wettbewerb "Schloß Waldthausen" <strong>und</strong> die zugehörige Ölskizze (1908,<br />
Abb. 106), das "Regierungs-/Repräsentationsgebäude" mit "Tanz-" <strong>und</strong> "Teepavillon"<br />
(1914, Abb. 126-128), zwei Entwürfe für das "Theater <strong>und</strong> Künstlerhaus" (1914,
- 156 -<br />
Abb. 129-130) sowie die Denkmälergruppe von 1915/16 (Abb. 131-133) <strong>und</strong> "<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Luft-<br />
poststation für Flugzeuge" (1917). 348 Offenbar eigens für die Ausstellung hatte er die<br />
Innenansicht <strong>des</strong> "Schautempels" (1914, Abb. 123) <strong>und</strong> den Entwurf zum "Vielfamilien-<br />
wohnhaus" (1912, Abb. 113) e<strong>in</strong> zweites Mal ausgeführt. In den Neufassungen ersetzte er<br />
die Prismenbänder <strong>des</strong> "Vielfamilienwohnhauses" durch Schiebefenster (Abb. 308), die<br />
prismatische Galerieverglasung <strong>des</strong> "Schautempels" durch senkrecht gegliederte Scheiben<br />
(Abb. 309). Hier wurde <strong>in</strong> der Mitte <strong>des</strong> Kuppelraumes als Rem<strong>in</strong>iszenz an den Brunnen<br />
im Ornamentraum <strong>des</strong> Tautschen "Glashauses" e<strong>in</strong> sechseckiges Wasserbass<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gefügt;<br />
auf den Gemäldezyklus über "Das Meer" wurde verzichtet. Im Unterschied zu den dunk-<br />
len <strong>und</strong> stumpfen Farben der ersten Fassung <strong>ist</strong> der Raum jetzt von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r lichten Far-<br />
bigkeit aus hellroten <strong>und</strong> hellblauen Tönen erfüllt, die die Weite <strong>des</strong> überspannten Kup-<br />
pelraums <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>-gläsernen Charakter betont.<br />
Habliks wichtigster Beitrag aber waren vier neu entwickelte Varianten für "Ausstel-<br />
lungsbauten", die sich nach dem am "Schautempel" (Abb. 123) erprobten Schema der<br />
"freitragenden Kuppel" <strong>in</strong> mehreren gegene<strong>in</strong>ander verdrehten Stockwerken erheben<br />
sollten. Während die Stockwerke bei der "Variante A 2 mit variiertem Licht" (Abb.<br />
310) 349 nur um e<strong>in</strong> Sechstel der Gr<strong>und</strong>länge verdreht s<strong>in</strong>d, stehen sie bei den anderen<br />
Varianten genau übereck, jeweils um die halbe Gr<strong>und</strong>seite <strong>des</strong> vorhergehenden verdreht.<br />
Bei der Variante "A 8" (Abb. 311) vermitteln (auf quadratischem Gr<strong>und</strong>riß) abgestumpf-<br />
te Dreieckgiebel sowie dazwischengesetzte Schrägdächer zum nächsthöheren Stockwerk.<br />
So entsteht aus den ständig gegene<strong>in</strong>ander verdrehten Drei- <strong>und</strong> Rechtecken <strong>e<strong>in</strong>e</strong> prisma-<br />
tisch verschnittene Pyramide von monolithischer Geschlossenheit, e<strong>in</strong> freiplastisches<br />
S<strong>in</strong>nbild kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>er Strukturen. Der Vermerk "Kalkspat" <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r 1921 entstandenen<br />
Neufassung (Abb. 374) verwe<strong>ist</strong> auf den kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Ursprung <strong>des</strong> Konzepts. Die Giebel,<br />
die darunter liegenden Wandsegmente <strong>und</strong> Schrägdächer verb<strong>in</strong>den sich zu Rhombo-<br />
edern - jener geometrischen Form, <strong>in</strong> der der Kalkspat sehr vollkommen kr<strong>ist</strong>allisiert<br />
(Mottana u.a. 1979, 194 ff.). Die Variante "A 9" (Abb. 312), bei der die Giebelzonen<br />
fortgefallen <strong>und</strong> über jeder Gebäudeecke prismatische Schrägdächer errichtet s<strong>in</strong>d, geht
- 157 -<br />
auf die prismatische Variante <strong>des</strong>selben M<strong>in</strong>erals zurück. Aus dem Fortfall der Schräg-<br />
dächer ergibt sich schließlich der Ausstellungsbau "A 11" (Abb. 313) aus aufe<strong>in</strong>anderge-<br />
schichteten <strong>und</strong> um 45° verdrehten Würfeln, der - wie <strong>in</strong> der Neufassung von 1921 (Abb.<br />
376) vermerkt - dem M<strong>in</strong>eral Flußspat <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r würfelförmigen Gestalt entspricht (vgl.<br />
ebd., 126).<br />
Damit verdrängte Hablik erstmals die kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Naturform <strong>und</strong> wandte das r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> geome-<br />
trische System der Kr<strong>ist</strong>alle auf die gesamte Außenarchitektur an. Er hatte e<strong>in</strong> techni-<br />
sches, <strong>in</strong> Eisenbeton <strong>und</strong> Glas auszuführen<strong>des</strong> Symbol für den Kr<strong>ist</strong>all entwickelt. Die<br />
freiplastische Geschlossenheit der Türme <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> auf die Inszenierung <strong>des</strong> Innenraums<br />
abzielende farbige Fassung der Glasdächer orientierten sich nicht zuletzt an der ästheti-<br />
schen Wirkung <strong>des</strong> "Glashauses" von Bruno Taut.<br />
Die Neufassung zum Kuppel<strong>in</strong>nenraum (Abb. 309) <strong>und</strong> die Funktion der "Ausstellungs-<br />
bauten" signalisierten die Wiederaufnahme <strong>und</strong> Erweiterung <strong>des</strong> "Schautempel"-Kon-<br />
zepts von 1914. Die Vermittlung von Kultur <strong>und</strong> die idealisierte Darstellung von Natur<br />
<strong>und</strong> Technik sollten sich zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Instrument der Volkserziehung verb<strong>in</strong>den, das durch<br />
die denkmalartige Wirkung der Architektur <strong>und</strong> das Erleben <strong>des</strong> Innenraums kultischen<br />
Charakter erhielt. Ausstellungsgebäude sowie verwandte Kuppelkonstruktionen, die<br />
Hablik bis 1925 <strong>in</strong> weiteren Variationen entwarf, wurden als Stätten der Volksbildung<br />
<strong>und</strong> der Massenversammlungen zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Gr<strong>und</strong>muster s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Gesellschaftsentwurfs.<br />
Die "Ausstellungsbauten" fanden <strong>in</strong> der Pressekritik als Vermittler zwischen den phanta-<br />
stischen, "geträumten" Entwürfen der anderen Künstler <strong>und</strong> den konventionellen Archi-<br />
tektenzeichnungen starke Beachtung. Max Osborn bekannte <strong>in</strong> der Vossischen Zeitung:<br />
"So etwas könnte <strong>in</strong> ähnlicher Form schon e<strong>in</strong>mal Wahrheit werden"; Paul Fechter<br />
schrieb <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er Norddeutschen Allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Zeitung: "Hier spricht konstruktive<br />
Phantasie." 350 Der Aufforderung von Walter Gropius: "Utopische Ideenskizzen s<strong>in</strong>d be-<br />
sonders erwünscht", hatte Hablik mit der Auswahl s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeiten allerd<strong>in</strong>gs nicht ent-<br />
sprochen. Entwürfe für kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Bergarchitekturen, für Flugmasch<strong>in</strong>en <strong>und</strong> fliegende<br />
Siedlungen hatte er nicht e<strong>in</strong>gereicht.
- 158 -<br />
In dem vierseitigen Faltblatt zur Ausstellung rief Adolf Behne zum Kauf der Architektur-<br />
zeichnungen auf. Die neuen Besitzer würden<br />
"an den architektonischen Entwürfen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> tiefere <strong>und</strong> dauerhaftere Freude haben,<br />
als an so manchem Blatte freier Graphik. Denn <strong>e<strong>in</strong>e</strong> architektonische Skizze regt<br />
stets von neuem die Phantasie an, daß sie mitarbeitet, mitbaut, mit will. In viel<br />
höherem Maße als die freien graphischen Werke wenden sich die architektonischen<br />
Entwürfe an den Willen <strong>und</strong> erfüllen damit <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mission."<br />
Auch Bruno Taut appellierte an das Publikum:<br />
"Wir rufen nach allen Zukunftsgläubigen. Alle starke Zukunftssehnsucht <strong>ist</strong> werdende<br />
Architektur. Es wird e<strong>in</strong>mal <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Weltanschauung da se<strong>in</strong>, <strong>und</strong> dann wird<br />
auch ihr Zeichen, ihr Kr<strong>ist</strong>all - - die Architektur da se<strong>in</strong>."<br />
In der aktiv<strong>ist</strong>ischen Tradition <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Vere<strong>in</strong>igung von Ge<strong>ist</strong> <strong>und</strong> Volk forderte Walter<br />
Gropius die<br />
"Wiedergeburt jener Ge<strong>ist</strong>ese<strong>in</strong>heit, die sich zur W<strong>und</strong>ertat der gotischen Kathedrale<br />
aufschwang. Wir erleben sie nicht mehr. Aber es gibt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Trost für uns. Die<br />
Idee, der Aufbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r glühenden, kühnen, weitvorauseilenden Bauidee, die <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
glücklichere Zeit, die kommen muß, erfüllen soll." 351<br />
Wiederum war nur das gebildete Bürgertum als Träger aller zukünftigen Aufgaben an-<br />
gesprochen; denn nur diese Schicht hätte sich <strong>in</strong> der Not der Nachkriegszeit den Kauf<br />
künstlerischer Arbeiten le<strong>ist</strong>en können. Wenzel Hablik, der dieses Pr<strong>in</strong>zip schon <strong>in</strong> sei-<br />
nem Itzehoer Kreis praktiziert hatte, sah plötzlich durch den Verkauf von Entwürfen die<br />
Urheberschaft an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Architekturideen gefährdet, glaubte wohl angesichts <strong>des</strong> revo-<br />
lutionären Neubeg<strong>in</strong>ns, daß er selbst bald als Baume<strong>ist</strong>er <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Architektur her-<br />
vortreten werde. Er mußte sich <strong>in</strong><strong>des</strong>sen von Walter Gropius belehren lassen,<br />
"daß ich <strong>in</strong> der Frage der Verkäuflichkeit von Architekturentwürfen anderer Ansicht<br />
b<strong>in</strong> wie Sie. Wir wollen ja gerade mit dieser Ausstellung bezwecken, daß die<br />
Architekten <strong>in</strong> die Lage gesetzt werden, utopische Bauideen mehr als bisher im<br />
Entwurf zu Papier zu br<strong>in</strong>gen, um das Publikum anzuregen, daß es solche Blätter<br />
genau so wie andere Blätter Graphik käuflich erwirbt. (...) Das soll e<strong>in</strong>s der vielen<br />
Mittel se<strong>in</strong>, die wir durchzuführen beabsichtigen, um dem Publikum endlich<br />
Architektur näherzubr<strong>in</strong>gen." 352
- 159 -<br />
Auch die künftigen Projekte <strong>des</strong> "Arbeitsrates für Kunst" dienten der Ausarbeitung <strong>und</strong><br />
propagand<strong>ist</strong>ischen Verbreitung von Architekturideen, die das Entstehen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r vom Ge-<br />
me<strong>in</strong>schaftsge<strong>ist</strong> beseelten Gesellschaft vorbereiten sollten. Das am 1. <strong>und</strong> 22. März 1919<br />
im Haus der Deutschen Gesellschaft <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> vom Plenum aller versammelten Mitglieder<br />
verabschiedete Programm <strong>des</strong> Arbeitsrates, das den Text <strong>des</strong> ersten Programms vom<br />
Dezember 1918 wiederholte, 353 kündigte an:<br />
"Als wichtigste Aufgabe der nächsten Zukunft betrachtet der Arbeitsrat den Zusammenschluß<br />
der der geschlossenen Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft angehörenden Künstler<br />
auf der Basis <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r geme<strong>in</strong>samen Ausarbeitung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s umfassenden utopischen<br />
Bauprojektes, das im gleichen Maße architektonische wie plastische <strong>und</strong> malerische<br />
Entwürfe umfassen soll."<br />
Dieselbe Passage erschien <strong>in</strong> der auch an Wenzel Hablik verschickten E<strong>in</strong>ladung, dem<br />
Arbeitsrat als zahlen<strong>des</strong> Mitglied beizutreten. 354 Der Künstler erklärte s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zustimmung<br />
zu dem Programm <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mitgliedschaft im "Arbeitsrat für Kunst" am 12.4.1919. 355<br />
Se<strong>in</strong> Name erschien daraufh<strong>in</strong> unter dem nach diesem Datum gedruckten vierseitigen<br />
Programm, das "<strong>in</strong> mehreren Auflagen gedruckt <strong>und</strong> <strong>in</strong> tausenden Exemplaren an Künst-<br />
ler <strong>und</strong> Persönlichkeiten <strong>des</strong> öffentlichen Lebens sowie an Zeitungen <strong>und</strong> Zeitschriften ...<br />
versandt" 356 wurde. Die "Ausstellung für unbekannte Architekten" wurde vom 15.6. bis<br />
15.7.1919 <strong>in</strong> der Künstlervere<strong>in</strong>igung "Kugel" <strong>in</strong> Magdeburg wiederholt.<br />
Im November 1919 brachte der Arbeitsrat unter dem Titel "Ja! Stimmen <strong>des</strong> Arbeitsrates<br />
für Kunst <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>" s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> erste Buchpublikation heraus. Sie enthielt Antworten auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
im Frühjahr unter den Mitgliedern veranstaltete Umfrage zu künstlerischen Problemen,<br />
die Bruno Taut bereits größtenteils <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Architektur-Programm vom Dezember<br />
1918 angeschnitten hatte: die Reform der künstlerischen Ausbildung <strong>und</strong> die Förderung<br />
der handwerklichen Tätigkeit, das Siedlungswesen, die Farbbehandlung <strong>des</strong> Stadtbil<strong>des</strong><br />
<strong>und</strong> die Gestaltung öffentlicher Bauten, die Stellung <strong>des</strong> Künstlers im sozial<strong>ist</strong>ischen<br />
Staat, die Gew<strong>in</strong>nung <strong>des</strong> Volkes <strong>und</strong> der "E<strong>in</strong>klang mit dem Volk", die Propagierung <strong>des</strong><br />
"Gesamtkunstwerks" als Vere<strong>in</strong>igung von Architektur, Plastik <strong>und</strong> Malerei <strong>und</strong> die Vor-<br />
bereitung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r gesellschaftlichen Erneuerung durch Architektur <strong>und</strong> bildende Kunst.<br />
Neben Stellungnahmen von Behne, Bell<strong>in</strong>g, F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, Gropius, César
- 160 -<br />
Kle<strong>in</strong>, Obr<strong>ist</strong>, Osthaus, Schmidt-Rottluff, Bruno <strong>und</strong> Max Taut u.a. wurden vierzig Re-<br />
produktionen von freien Gemälden, Zeichnungen <strong>und</strong> Plastiken sowie von gebauter <strong>und</strong><br />
entworfener Architektur veröffentlicht, die als "alle<strong>in</strong>ige Antwort" auf die ange-<br />
sprochenen Themen gelten sollten. 357 E<strong>in</strong>en E<strong>in</strong>druck von den <strong>in</strong> Architektur mani-<br />
festierten gesellschaftlichen Zukunftsträumen gaben das kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong> modellierte "Aus-<br />
stellungsgebäude Variante A 8" (Abb. 311) von Wenzel Hablik, Bruno Tauts "Dom-<br />
stern" aus der "Alp<strong>in</strong>en Architektur" <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e "Festhalle" von Wassili<br />
Luckhardt.<br />
Ebenfalls im November 1919 schrieb Bruno Taut an zwölf Architekten, Maler <strong>und</strong> Lite-<br />
raten mit der E<strong>in</strong>ladung, an jener Arbeitsgruppe teilzunehmen, die später unter dem<br />
Namen "Gläserne Kette" bekannt wurde. 358 In R<strong>und</strong>briefen <strong>und</strong> Zeichnungen sollten uto-<br />
pische Baugedanken ausgetauscht werden. Zu bauen gebe es heute fast nichts, schrieb<br />
Bruno Taut,<br />
"<strong>und</strong> wenn wir irgendwo doch bauen können, tun wir es, um zu leben. (...) Ehrlich<br />
gesagt: es <strong>ist</strong> ganz gut, daß heute nicht 'gebaut' wird. So können die D<strong>in</strong>ge reifen,<br />
wir sammeln Kraft, <strong>und</strong> wenn es wieder beg<strong>in</strong>nt, dann kennen wir unser Ziel <strong>und</strong><br />
s<strong>in</strong>d stark genug, unsere Bewegung vor Verkle<strong>ist</strong>erung <strong>und</strong> Entartung zu schützen.<br />
Seien wir mit Bewußtse<strong>in</strong> 'imag<strong>in</strong>äre Architekten'! Wir glauben, daß erst <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
völlige Umwälzung uns zum Werk führen kann. Der Bürger, der Herr Kollege <strong>in</strong>begriffen,<br />
wittert ganz mit Recht <strong>in</strong> uns die Revolution. (...)<br />
Verschw<strong>in</strong>den der Persönlichkeit, Aufgehen im Höheren - <strong>ist</strong> die Architektur<br />
e<strong>in</strong>mal da, dann <strong>ist</strong> der Me<strong>ist</strong>er namenlos." (Ausstellungs-Katalog Gläserne Kette<br />
1963, 10)<br />
Fast alle Adressaten stimmten dem Vorhaben zu; es waren neben Wenzel Hablik: Wil-<br />
helm Brückmann (Emden), Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> (Schönau), Paul Goesch (Berl<strong>in</strong>), Jakobus<br />
Göttel (Köln), Walter Gropius (Weimar), Hans Hansen (Köln), Carl Krayl (Tuttl<strong>in</strong>gen),<br />
Hans <strong>und</strong> Wassili Luckhardt (Berl<strong>in</strong>), Hans Scharoun (Insterburg) <strong>und</strong> Max Taut (Berl<strong>in</strong>).<br />
Der Kunstschriftsteller Adolf Behne konnte nicht für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mitarbeit gewonnen werden.<br />
Bis auf Hans Hansen <strong>und</strong> Hans Scharoun waren alle Teilnehmer Mitglieder <strong>des</strong> "Arbeits-<br />
rates für Kunst". Hablik <strong>und</strong> F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> waren die e<strong>in</strong>zigen Nichtarchitekten der Gruppe.<br />
Ihre Beiträge zur "Ausstellung für unbekannte Architekten" <strong>und</strong> zum Buch "Ja! Stimmen"<br />
hatten sie als utopische Architekten bekannt gemacht. Habliks Interesse an der phantasti-
- 161 -<br />
schen Architektur war den Mitgliedern bereits durch die seit 1909 vielfach ausgestellte<br />
<strong>und</strong> rezensierte Mappe "Schaffende Kräfte" geläufig. Kurz nach der Gründung der Ge-<br />
me<strong>in</strong>schaft schrieb Wassili Luckhardt an Wenzel Hablik:<br />
"Ihr Werk 'Schaffende Kräfte' habe ich s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rzeit <strong>in</strong> der Ausstellung der Kunstgewerbemuseumsbibliothek<br />
gesehen <strong>und</strong> erworben. Die Radierungen haben mich<br />
sehr berührt, namentlich Ihr E<strong>in</strong>leitungsschreiben dazu. Ich freue mich, durch den<br />
schönen Zusammenschluß-Gedanken von Herrn Taut Ihre Bekanntschaft zu<br />
machen." 359<br />
II. Arbeiten für die "Gläserne Kette"<br />
1. H<strong>ist</strong>orisches, Projekte, Theorien<br />
Die Arbeitsgruppe begann, sich zu organisieren. Jeder Teilnehmer erhielt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n selbst-<br />
gewählten Decknamen 360 <strong>und</strong> wurde aufgefordert, "<strong>in</strong> kurzen Zeiträumen je nach Nei-<br />
gung <strong>und</strong> zwanglos auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m handlichen Blatt Pauspapier ... s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ideen" 361 aufzu-<br />
zeichnen oder aufzuschreiben <strong>und</strong> jedem <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Lichtpause zu schicken. Durch die Deck-<br />
namen sollte die Gruppe den Charakter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Geheimb<strong>und</strong>es erhalten, <strong>und</strong> Taut nahm<br />
jeden <strong>in</strong> die Pflicht, "nichts verständnislosen Blicken auszusetzen" 362 : "Der Kreis <strong>des</strong> -<br />
wenigstens vorausgesetzten - Verständnisses erleichtert uns alles durch Knappheit <strong>des</strong><br />
Ausdrucks, schwer verständlich für den Außenstehenden." 363 Sollte e<strong>in</strong> Mitglied vor<br />
Auflösung der Gruppe ausscheiden, hatte es alle angesammelten Beiträge an Taut oder<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n anderen zurückzuschicken oder sie zu vernichten.<br />
Die Schaffung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r revolutionären Keimzelle, die mit den Mitteln der Architektur die<br />
gesellschaftliche Erneuerung vorbereiten sollte, orientierte sich zwar an den elitären<br />
Zirkeln der Aktiv<strong>ist</strong>en nach Art <strong>des</strong> von Kurt Hiller geforderten "Deutschen Herren-<br />
hauses" oder <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Kammer der Ge<strong>ist</strong>igen". 364 Die hermetische Abriegelung der Gruppe<br />
von der Außenwelt widersprach jedoch dem Ziel <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r größeren Publizität utopischer<br />
Architekturentwürfe, das Taut noch e<strong>in</strong> halbes Jahr zuvor zusammen mit Adolf Behne<br />
<strong>und</strong> Walter Gropius <strong>in</strong> der "Ausstellung für unbekannte Architekten" vertreten hatte.
- 162 -<br />
<strong>Dieser</strong> Konflikt führte zum ersten Streit <strong>in</strong> der "Gläsernen Kette". Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> er-<br />
öffnete am 27.12.1919 die Diskussion unter den Gruppenmitgliedern mit der Forderung<br />
nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r elitären, vollständig abgeschlossenen Geme<strong>in</strong>schaft:<br />
"Je kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r, je ausgewählter, je geschliffener unser Kreis <strong>ist</strong>, <strong>des</strong>to <strong>in</strong>tensiver, strahlender<br />
wird er wirken, - haltet re<strong>in</strong> unsern Tempel. Eskato Bebeloi! Zurück die<br />
Profanen!" 365<br />
Die Massen, "tausend nackte Seelen, tausend M<strong>in</strong>dere <strong>und</strong> Verm<strong>in</strong>derte ... tausend Viel-<br />
siedlerkrebsle<strong>in</strong>, die Schutz suchen von All-tagen <strong>und</strong> All-nächten", hätten andächtig auf<br />
die Fortsetzung der Schöpfung zu warten, die die Architektengeme<strong>in</strong>schaft durch e<strong>in</strong><br />
neues "Bauen" verwirklichen sollte:<br />
"... <strong>und</strong> ich will Euch sagen, was Bauen heißt: - Der Schöpfung Siebenheit um <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Welle weitertragen <strong>in</strong> der Brandungskette zum Unendlichen." 366<br />
Es war Wenzel Hablik, der F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>s Brief als höchst arrogant <strong>und</strong> <strong>des</strong>sen elitäres Geha-<br />
be <strong>und</strong> ausschweifenden metaphorischen Sprachstil als völlig verfehlt empfand. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
"Antwort auf Prometh" griff er F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> im Januar 1920 scharf an:<br />
"Aber wehe den Schnatterern! - wehe den Gänserichen - die stets glauben - das<br />
'Kapital' zu bewachen, wenn sie schreien - wehe den Verfluchten - die mit verdorrten<br />
Zungen Geräusche machen <strong>und</strong> die m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n - daß die Millionen niederknien<br />
werden!" 367<br />
Mit dem pädagogischen Engagement <strong>und</strong> messianischen Sendungsbewußtse<strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
frühen Architekturphantasien <strong>und</strong> kunsthandwerklichen Arbeiten rief er die "idealen<br />
Schriftsteller" auf, alle neuen Ideen freudig herauszutragen, zu kämpfen <strong>und</strong> zu predigen.<br />
Als Propheten sollten sie die Menschen das "Freuen am Se<strong>in</strong>, am All - am Werden <strong>und</strong><br />
Vergehen" lehren <strong>und</strong> "von den neuen Sonnen - Monden - Sternen!" reden. In der Spra-<br />
che s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Mappe "Schaffende Kräfte" (1909) wandte er sich an die "Schaffenden" <strong>und</strong><br />
beschwor erneut die der Natur <strong>in</strong>newohnenden "ewigen Kräfte". So wie er 1913 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Brief an Prof. Rose Burger e<strong>in</strong> "Gottähnlichwerden" <strong>des</strong> schöpferischen Menschen<br />
vorausgesagt hatte, 368 forderte er jetzt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Religion:
- 163 -<br />
"Lehrt sie von neuem zu glauben - daß es <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Religion gibt, die k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Pfaffen <strong>und</strong><br />
Rabb<strong>in</strong>er braucht - zeigt ihnen die göttliche Kraft der eigenen Herzen!" 369<br />
Die Ablehnung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Geheimb<strong>und</strong>es <strong>und</strong> die erhoffte Wirksamkeit der eigenen Ideen<br />
veranlaßten ihn, anstelle <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Decknamens weiterh<strong>in</strong> die ligierten Initialen "W.H." zur<br />
Kennzeichnung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeiten zu verwenden. 370<br />
Bereits <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Woche vor F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>s erstem R<strong>und</strong>brief war <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> die Idee <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Veröf-<br />
fentlichung der jungen, noch unartikulierten Architekturgruppe entstanden. Hans Luck-<br />
hardt telegraphierte an Hablik <strong>und</strong> bat ihn um Zusendung von Abbildungsmaterial. Die<br />
Publikation sollte als Märzausgabe der "Monatshefte" oder als eigener Band bei Wasmuth<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n. 371 Im Januar konnte Luckhardt <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m R<strong>und</strong>brief bereits mitteilen,<br />
daß mit Wasmuth <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Buchveröffentlichung <strong>und</strong> mit J.B. Neumann, dem Inhaber <strong>des</strong><br />
Graphischen Kab<strong>in</strong>etts am Kurfürstendamm, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ausstellung der Gruppe im April 1920<br />
verabredet worden sei. Buch <strong>und</strong> Ausstellung sollten zusammenwirken.<br />
Hablik war dieses Projekt jedoch zu konventionell. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m zweiten R<strong>und</strong>brief an die<br />
"Gläserne Kette" warnte er davor, die Gruppe als bloßen Ausstellungsverband anzusehen<br />
<strong>und</strong> forderte als erstes geme<strong>in</strong>sames Arbeitsprojekt,<br />
'"das 'Buch' zu schaffen ... welches alle Bibeln <strong>und</strong> Korane <strong>und</strong> 'heiligen' Schriften<br />
überflüssig <strong>und</strong> vergessen macht - weil es von der Religion <strong>des</strong> Schaffens redet -<br />
weil es Schaffen <strong>ist</strong>." 372<br />
Offenbar hoffte er, mit Hilfe der Geme<strong>in</strong>schaft das seit 1903 projektierte populäre Lehr-<br />
buch über die Neugestaltung der Welt aus dem Ge<strong>ist</strong>e der Natur <strong>und</strong> ihrer Gesetze ("Ide-<br />
ale Bauten") zu verwirklichen; denn die erhoffte Massenwirksamkeit hatte er mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Radierungsmappe "Schaffende Kräfte" nicht erreichen können. "Das Buch" sollte sich<br />
gegen den Krieg <strong>in</strong> der Welt richten - mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r stärkeren Wirkung als jene Kraft, die die<br />
Schrecken <strong>des</strong> kaum beendeten Krieges entfacht hatte. Es sollte daher "Ideen <strong>und</strong> Vor-<br />
schläge" enthalten, "welche Völker e<strong>in</strong>igen" <strong>und</strong> Anregungen zu "positivem Werk",<br />
"Ewigkeitswerte", "Ideale", "Gleichnisse
- 164 -<br />
der höchsten Lebenswerte" <strong>und</strong> "alles - was die Seele der Menschen bewegt" vermitteln.<br />
Das "Weltwerk" <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r gee<strong>in</strong>ten Menschheit, das Hablik seit 1906 vor Augen hatte, konnte<br />
für ihn auch jetzt nur durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> religiös motivierte, moralische, ethische <strong>und</strong> ge<strong>ist</strong>ige<br />
Erneuerung verwirklicht werden.<br />
Bruno Taut, <strong>des</strong>sen Mappe "Alp<strong>in</strong>e Architektur" (1919) - ebenfalls als "symbolisches<br />
Gegengewicht zum Militarismus, Nationalismus <strong>und</strong> Materialismus entworfen" (Whyte<br />
1981, 122) - e<strong>in</strong> ähnlich elitäres Schicksal wie Habliks "Schaffende Kräfte" erlangte, 373<br />
nahm das Projekt bege<strong>ist</strong>ert auf. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m R<strong>und</strong>brief vom 3. Februar 1920 machte er es<br />
zum "nächsten Ziel" der Gruppe <strong>und</strong> konkretisierte die Idee:<br />
"Wissen wir nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Jahr: da <strong>ist</strong> die Re<strong>in</strong>heit, - dann bauen wir 'das Buch':<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n großen Orig<strong>in</strong>alband, bei dem es Glück <strong>und</strong> Ehre <strong>ist</strong>, e<strong>in</strong> oder zwei Seiten<br />
zeichnen oder schreiben zu dürfen. E<strong>in</strong> paar Monate bei jedem, als Wertsendung<br />
weiter, das 'Bauhaus' <strong>in</strong> Weimar schmiedet das Schloß, die Bänder, ziseliert,<br />
graviert den Deckel - wie?, das wird sich f<strong>in</strong>den. Am besten ke<strong>in</strong> 'Kunstgewerbe',<br />
ganz primitiv, simpel, schwer. Re<strong>in</strong>heit!" 374<br />
Von den übrigen Gruppenmitgliedern quittierte lediglich Hans Scharoun das Vorhaben<br />
mit der ironischen Bemerkung: "Nun sollen wir Bücher bemalen", 375 akzeptierte es aber<br />
doch. Er sprach sich gegen e<strong>in</strong> bewußtes Projektieren <strong>und</strong> Suchen nach Erkenntnis aus,<br />
das manier<strong>ist</strong>ische Verhärtung <strong>und</strong> e<strong>in</strong> verfrühtes Zusammenraffen von "Brocken zu<br />
letzter Synthese" bedeute. Spontaneität <strong>und</strong> S<strong>in</strong>nenrausch sollten vorprogrammierte Ent-<br />
täuschungen verh<strong>in</strong>dern. Hablik reagierte darauf heftig. In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m späteren R<strong>und</strong>brief hielt<br />
er "Hannes" Gesetzmäßigkeiten <strong>und</strong> Fakten aus der Natur vor, die je<strong>des</strong> zufällige Schaf-<br />
fen ausschlössen. Er verband den "Schöpfergedanken" mit der "gesetzmäßig gewordenen<br />
Form" <strong>und</strong> wendete dies auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> künstlerische Arbeit an: "... so wie ich mich nicht<br />
fürchte, an viele m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ideale zu denken <strong>und</strong> im Ge<strong>ist</strong>e sogar daran zu arbeiten!" 376<br />
Im Mai 1920 fand die seit Jahresbeg<strong>in</strong>n von Hans Luckhardt vorbereitete Ausstellung der<br />
Gruppe unter dem Titel "Neues Bauen" bei J.B. Neumann <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> statt. Außer Ent-<br />
würfen <strong>des</strong> Architekten <strong>und</strong> früheren Gropius-Mitarbeiters Friedrich Kaldenbach 377 wur-<br />
den nur Arbeiten aus der "Glä-
- 165 -<br />
sernen Kette" gezeigt. Walter Gropius <strong>und</strong> Jakobus Göttel, die sich weder mit Briefen<br />
noch mit Zeichnungen an der Gruppenarbeit beteiligten, waren auch hier nicht vertreten.<br />
Die geplante Veröffentlichung erschien als "Zweite Buchpublikation <strong>des</strong> Arbeiterrates für<br />
Kunst" unter dem Titel "Ruf zum Bauen". Sie enthielt e<strong>in</strong>leitende Sätze von Hans Scha-<br />
roun, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n dreiseitigen Essay, <strong>in</strong> dem Adolf Behne die phantastischen Entwürfe gegen-<br />
über der wirklichen Architektur abgrenzte <strong>und</strong> als Wegbereiter <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künftigen Kultur<br />
verteidigte, den Text zu Bruno Tauts im gleichen Jahr erschienenem Architekturschau-<br />
spiel "Der Weltbaume<strong>ist</strong>er", den Projektvorschlag "Der Bauhof" von Hans Hansen sowie<br />
<strong>in</strong> ihrem größeren Teil Abbildungen von zwei<strong>und</strong>vierzig phantastischen Architektur-<br />
entwürfen aus der Gläsernen Kette. 378 Von Wenzel Hablik, der sich nicht an der Aus-<br />
stellung beteiligte, wurde das Gemälde "Kr<strong>ist</strong>allschloß im Meer" von 1914 (Abb. 140)<br />
unter dem Titel "Phantasie" reproduziert. 379 Es dürfte die früheste aller <strong>in</strong> dem Buch wie-<br />
dergegebenen Arbeiten se<strong>in</strong>.<br />
Im Anschluß an die Ausstellung entwarf Hans Luckhardt e<strong>in</strong> neues Projekt: Um das, "was<br />
<strong>in</strong> unserer Phantasie vor Augen steht ... viel handgreiflicher gestalten" 380 zu können,<br />
schlug er vor, "mit Malern <strong>und</strong> Bildhauern der r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Form, die dann bis zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m gewis-<br />
sen Grade Architekten würden, e<strong>in</strong> großes, farbiges Modell, wenn möglich im Glaspalast"<br />
herzustellen. Es kam, ebenso wie "das Buch", nie zustande.<br />
Im theoretischen Teil der R<strong>und</strong>briefe versuchte Taut, die Gruppe auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> aktiv<strong>ist</strong>ische<br />
Gr<strong>und</strong>haltung e<strong>in</strong>zuschwören <strong>und</strong> so den Zusammenhalt zu stärken. Mit der Gläsernen<br />
Kette hoffte er jene ge<strong>ist</strong>ige Elite gef<strong>und</strong>en zu haben, die er zusammen mit den Aktiv<strong>ist</strong>en<br />
um Kurt Hiller <strong>und</strong> das "Ziel"-Jahrbuch als Wegbereiter für das Paradies auserkoren<br />
hatte. Der "hohe, priesterhaft herrliche, göttliche Beruf" <strong>des</strong> Architekten, wie er 1919 <strong>in</strong><br />
der "Stadtkrone" geschrieben hatte, 381 erfuhr <strong>in</strong> den Utop<strong>ist</strong>en noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Steigerung. In<br />
elitärer Selbste<strong>in</strong>schätzung schrieb er: "Wir s<strong>in</strong>d das Salz der Erde." 382 Um dieses Selbst-<br />
verständnis nicht zu gefährden, versuchte er, Stilfragen der zukünftigen Architektur zu-<br />
rückzudrängen. 383 Die anderen Mitglieder folgten ihm hier<strong>in</strong> jedoch nicht. Hans Luck-<br />
hardt verwies Tauts aktiv<strong>ist</strong>ische Bestrebungen <strong>in</strong> den Bereich <strong>des</strong> "Religiös-
- 166 -<br />
Primitiven", für das <strong>in</strong> den Massen ke<strong>in</strong> echtes Bedürfnis vorliege. Der "Zug zum Auto-<br />
matischen", der <strong>in</strong> der menschlichen Entwicklung immer weiter um sich greife, erfordere<br />
bei allen Bauaufgaben die "r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Form", die "losgelöst von allem Dekorativen, aus den<br />
Urelementen Gerade, R<strong>und</strong> <strong>und</strong> Unbestimmt frei gestaltet, jedem Ausdruck dienen kann,<br />
sei es für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Kultbau, sei es für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fabrik." 384 Die Architektur dürfe die Natur nicht<br />
nachahmen, sondern müsse als von Menschenhand Geschaffenes e<strong>in</strong> "selbständiges<br />
Strukturleben" haben. Mit Boden <strong>und</strong> Himmel bilde sie dieselbe E<strong>in</strong>heit wie die Natur-<br />
objekte <strong>und</strong> sei <strong>in</strong>sofern selbst Natur. Architektur <strong>und</strong> Natur seien e<strong>in</strong>ander gleich-<br />
gestellt. 385<br />
Auch für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bruder Wassili Luckhardt bildete die Erkenntnis der Natur die we-<br />
sentliche Voraussetzung für die architektonische Gestaltung. Ähnlich wie Hablik be-<br />
merkte Luckhardt, daß alle E<strong>in</strong>zelmotive <strong>in</strong> der Natur "e<strong>in</strong> <strong>und</strong> demselben sichtbaren oder<br />
fühlbaren Bewegungsgesetz unterworfen s<strong>in</strong>d". Er stellte die Frage, ob "auch Bauwerke<br />
den E<strong>in</strong>druck solcher Naturempf<strong>in</strong>dungen hervorrufen" können <strong>und</strong> setzte der Baukunst<br />
das Ziel, "e<strong>in</strong> Abbild <strong>des</strong> Kosmos zu geben ... denn hier<strong>in</strong> besteht m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Me<strong>in</strong>ung nach<br />
Anfang <strong>und</strong> Ende <strong>des</strong> großen Baugedankens, den wir gestalten wollen". Bei s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Suche<br />
nach Gr<strong>und</strong>formen architektonischer Gestaltung stieß auch er auf den Kr<strong>ist</strong>all, da dieser<br />
offenbar die "Urform" jeglicher Gestaltung <strong>in</strong> der Natur darstellte. Ähnlich wie bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Kr<strong>ist</strong>alldruse sollten sich die Baumassen "beim frei <strong>in</strong> die Natur gestellten Bau ... <strong>in</strong> ge-<br />
waltiger, dynamischer Bewegung ... gegen- <strong>und</strong> durche<strong>in</strong>anderschieben, daß verschiedene<br />
Bewegungsrichtungen sich kreuzen oder mite<strong>in</strong>ander kämpfen (wie auf Bildern von Fei-<br />
n<strong>in</strong>ger z.B.), aber so ... daß schließlich doch alles ausbalanciert <strong>und</strong> im Gleichgewicht <strong>ist</strong><br />
...". 386<br />
In den Äußerungen der Brüder Luckhardt wiederholte sich Habliks künstlerisches<br />
Programm, "die Natur nicht nachzuahmen, sondern es ihr gleich zu tun" 387 <strong>und</strong> damit<br />
sowohl zur Erkenntnis der Natur als auch zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künftigen Architektur zu gelangen.<br />
Zustimmend zu dem Beitrag von Hans Luckhardt schrieb Hablik denn auch:<br />
"Wenn wir den Begriff 'Nachahmung' ausschalten - was bleibt übrig? Die 'Anregung'<br />
der Millionen D<strong>in</strong>ge durch ihr Se<strong>in</strong>, der Reiz für den Willen mit der<br />
subjektiven Begrenzung von Macht, Können <strong>und</strong> Stoff." 388
- 167 -<br />
Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> dagegen lehnte es ab, den neuen Stil <strong>in</strong> primitiven Gr<strong>und</strong>formen, "<strong>in</strong><br />
der Massenanziehung <strong>des</strong> gigantisch Monumentalen oder <strong>in</strong> der fasz<strong>in</strong>ierenden Mono-<br />
tonie formaler Parallelismen" 389 zu suchen <strong>und</strong> polemisierte gegen den "verfluchten Kri-<br />
stall mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m kürzesten Weg, mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r scharfen Strenge <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Urväterstolz". 390<br />
Se<strong>in</strong> Bauproblem sei die "Neubildung ungewesener <strong>und</strong> unnachahmlicher Formen", 391<br />
"die mutierte, komplexe Entwicklung der Großkörper selbst", 392 die <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "äußerste Indi-<br />
vidualisierung" ermögliche: "Nichts <strong>ist</strong> identisch, - fort mit dem Symbol!" 393<br />
Die Vermischung von gesellschaftskritischen Ansätzen, Stildiskussionen <strong>und</strong> sehr per-<br />
sönlichen Ansichten über Gott <strong>und</strong> die Natur führte <strong>in</strong> den R<strong>und</strong>briefen zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r all-<br />
gem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Konzeptlosigkeit. Hatte sich F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> schon früh durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> komplizierte<br />
Sprache isoliert, 394 so begaben sich die anderen Teilnehmer bei der Diskussion archi-<br />
tektonischer Formprobleme <strong>in</strong> die selbstgewählte Isolation. Jeder bestand auf der Ver-<br />
b<strong>in</strong>dlichkeit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Formenkanons <strong>und</strong> kritisierte die anderen wegen ihrer stil<strong>ist</strong>ischen<br />
Eigenheiten. Scharoun bezeichnete Bruno Taut als Scholastiker, 395 Taut kritisierte F<strong>in</strong>-<br />
sterl<strong>in</strong>s "Monumentalität um jeden Preis". 396 Goesch, der sich das Wort Flauberts zu<br />
eigen gemacht hatte: "E<strong>in</strong> Kunstwerk muß dumm se<strong>in</strong> wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kuh", 397 mußte sich bald<br />
darauf von Hablik sagen lassen, daß derartige Plaudereien selbst "als Bosheit oder Scherz<br />
nachgesprochen ... überflüssig" seien. 398 Fühlte F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> sich bei der Kuppel von St.<br />
Peter <strong>in</strong> Mess<strong>in</strong>a an <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "entstachelte Ech<strong>in</strong>odermenleiche" er<strong>in</strong>nert, 399 so fragte Hablik<br />
postwendend nach, ob er nun <strong>des</strong>wegen nie mehr <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kuppel bauen dürfe. 400 Und als<br />
F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Differenz mit den 'Kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>ischen'" vermerkte 401 <strong>und</strong> sich gegen alle<br />
Kanten <strong>in</strong> der Architektur aussprach, "von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m bogenfe<strong>in</strong>dlichen, boshaften Ge<strong>ist</strong>e<br />
gekantet <strong>und</strong> geschärft, auf daß die weichen Seelen dran sich zehren", 402 fragte Hablik<br />
zurück:<br />
"Prometh, <strong>ist</strong> es nicht doch auch schön - <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Punkt auch mal <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Geraden<br />
durch den Raum zu schleudern, auf die Gefahr h<strong>in</strong> - er schneidet sich an den<br />
scharfen Kr<strong>ist</strong>allkanten der Bauten von Glas? Oder <strong>des</strong> Namenlosen? Oder der<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n? Oder ersticht sich gar an D<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n eignen? Verfängt sich <strong>in</strong> etwelchen<br />
Tentakeln? ------. Ist das nicht 'Auswahl' ?" 403
- 168 -<br />
Problematisch waren für die Gläserne Kette auch zeitliche Leerläufe, die immer wieder<br />
e<strong>in</strong>traten. Waren <strong>in</strong> den ersten drei Monaten <strong>des</strong> Jahres 1920 etwa fünfzehn R<strong>und</strong>briefe<br />
erschienen, darunter drei von Wenzel Hablik, kam zwischen April <strong>und</strong> Juni nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kri-<br />
tik der Ausstellung "Neues Bauen" von Hans Luckhardt als R<strong>und</strong>brief heraus. Die lite-<br />
rarische Diskussion wurde ausschließlich von Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, Bruno Taut, den Brü-<br />
dern Luckhardt, Hans Scharoun <strong>und</strong> Wenzel Hablik bestritten, die allesamt auch Zeich-<br />
nungen kursieren ließen. Aber obwohl sich Taut ständig um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> zusammenfassende Ge-<br />
sprächsleitung bemühte, die säumigen Mitglieder zu Me<strong>in</strong>ungsäußerungen aufforderte<br />
<strong>und</strong> sie zuletzt sogar mit Ausschluß bedrohte, kam <strong>e<strong>in</strong>e</strong> kont<strong>in</strong>uierliche Brieffolge nicht<br />
zustande.<br />
Seit Januar 1920 gab Taut die Zeitschrift "Frühlicht" als Beilage der von Cornelius Gur-<br />
litt, Bruno Möhr<strong>in</strong>g <strong>und</strong> ihm selbst im Zirkel-Verlag redigierten Zeitschrift "Stadtbau-<br />
kunst alter <strong>und</strong> neuer Zeit" heraus. Die "Stadtbaukunst" vertrat die vergangenheitsbezo-<br />
gene Architekturauffassung von Gurlitt <strong>und</strong> Möhr<strong>in</strong>g, das "Frühlicht" unter der Alle<strong>in</strong>-<br />
verantwortung von Taut die dada<strong>ist</strong>ischen <strong>und</strong> utopischen Bauideen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Kreises. Hier<br />
konnte immerh<strong>in</strong> Paul Goesch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> architektonischen Essays <strong>und</strong> Entwürfe ver-<br />
öffentlichen, erschienen Entwürfe von Carl Krayl <strong>und</strong> Max Taut, die sich an der Glä-<br />
sernen Kette ausschließlich mit Zeichnungen beteiligten. Außerdem brachte Bruno Taut<br />
Entwürfe <strong>und</strong> Texte von Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> sowie Zeichnungen von Wassili Luckhardt<br />
<strong>und</strong> Hans Scharoun heraus, die bereits <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>schaft kursiert waren. Damit trat der<br />
Geheimb<strong>und</strong>gedanke endgültig zugunsten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r engagierten Öffentlichkeitsarbeit zurück.<br />
In "Frühlicht" verkörperten Paul Scheerbarts "Glashausbriefe" an Bruno Taut aus dem<br />
Jahre 1914, e<strong>in</strong> Abschnitt aus <strong>des</strong>sen Roman "Liwûna <strong>und</strong> Kaidôh" (1902) wie auch der<br />
Artikel "Glasarchitektur" aus Adolf Behnes "Wiederkehr der Kunst" (1919) den "Glas-<br />
papa" Paul Scheerbart als aktuellsten Ursprung der kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en <strong>und</strong> kosmischen Archi-<br />
tekturutopien. Zitate von Me<strong>ist</strong>er Eckhart (1260-1327), He<strong>in</strong>rich Suso (1295-1366) <strong>und</strong><br />
aus den Visionen der Schwester Hadewich (um 1250), schließlich Abschnitte aus Walde-<br />
mar Bonsels' "Indienfahrt" (1916) <strong>und</strong> Bruno Tauts Artikel über den "Siamesischen<br />
Tempelbau" wiesen erneut auf Gotik <strong>und</strong> Orient als Vorbilder <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künftigen Gesell-<br />
schaftsform h<strong>in</strong>:
- 169 -<br />
"Noch aber s<strong>in</strong>d wir nicht soweit. Noch lebt <strong>in</strong> Europa der Europäer. Da bleibt uns<br />
nur, soweit als möglich, aus dem engen Fenster auszublicken - nach Osten.<br />
Die Kunst <strong>des</strong> Ostens <strong>ist</strong> für uns von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Werte, den nie die klassische gehabt<br />
hat -." (Behne, <strong>in</strong>: Frühlicht 1, Januar 1920)<br />
"Murx den Europäer!<br />
murx ihn! murx ihn!<br />
murx ihn ab!" (Scheerbart, ebd.)<br />
Aber schon im Juli 1920 mußte Taut der Gläsernen Kette mitteilen, daß das "Frühlicht"<br />
"im Zirkel-Verlag ausgeleuchtet" habe. "Der Verlag sowie Möhr<strong>in</strong>g <strong>und</strong> Gurlitt konnten<br />
se<strong>in</strong> Licht nicht vertragen. Man wollte verh<strong>in</strong>dern, daß im nächsten Heft bestimmte Stel-<br />
len aus dem Beitrag von Tancred (sexuelle D<strong>in</strong>ge) gedruckt würden." 404<br />
Im gleichen Monat gelang es Taut, die Gruppenmitglieder mit dem Projekt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s uto-<br />
pischen Films erneut zur Mitarbeit zu bewegen. Er sandte ihnen unter dem von Hans<br />
Chr<strong>ist</strong>ian Andersen entliehenen Märchentitel "Die Galoschen <strong>des</strong> Glücks" das Exposé<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Spielfilms zu, den die Teilnehmer als Geme<strong>in</strong>schaftsaufgabe <strong>in</strong> ihrem persönlichen<br />
Stil ausgestalten sollten. Der Film schildert die Erlebnisse <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s jungen Paares, das mit<br />
Hilfe von "Glückspant<strong>in</strong>en" <strong>in</strong> die Jahre 2000 <strong>und</strong> 3000 versetzt wird <strong>und</strong> auf traumhafte<br />
Architekturen trifft. In gewachsenen Bauten aus Glas <strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>all, geformt wie Flammen,<br />
Bäume <strong>und</strong> Blumen, als leuchtende Glaskuppeln, die sich zur "Baublume" entfalten,<br />
wohnen Menschen, die im Erleben dieser Architektur e<strong>in</strong> gelöstes Dase<strong>in</strong> führen. Bei der<br />
Fahrt mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m "merkwürdig geformten, glitzernden, leichtschwebenden Luftvehikel"<br />
erkennt das Paar, daß diese Menschen begonnen haben, die Erde "umzubauen", "bauen<br />
schon an den Alpen anstatt Krieg zu führen". Zurück <strong>in</strong> der eigenen Zeit, wird das<br />
Schicksal der beiden durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Wechsel aus den Mietskasernen <strong>des</strong> öden Vorstadt-<br />
viertels <strong>in</strong> bäuerliche Umgebung romantisch verklärt. 405<br />
Hablik g<strong>in</strong>g bege<strong>ist</strong>ert auf Tauts "Filmidee" e<strong>in</strong>, die sich <strong>in</strong> dem phantastischen Hand-<br />
lungsablauf <strong>und</strong> den Details kaum von Romanen <strong>und</strong> Erzählungen Paul Scheerbarts<br />
unterscheidet. 406 Er wollte "schon vor etwa acht Jahren an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ähnlichen Sache" 407 ge-<br />
arbeitet haben 408 <strong>und</strong> erklärte
- 170 -<br />
sich <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m R<strong>und</strong>brief vom 22. Juli bereit, "<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Art Stadt für den Film (zu) bauen",<br />
sowie<br />
"Zukunftsprojekte ... für E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>dividuen, <strong>und</strong> zwar am Meere, im Meere (unter<br />
Wasser), im Gebirge, <strong>in</strong> den Hochalpen, im Flachland, im Fels (Berg<strong>in</strong>neres), <strong>in</strong><br />
freier Luft (fliegende Häuser)."<br />
Die "Erbauung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Glashauses" sollte "<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Perioden dargestellt" werden. 409<br />
Ebenfalls als szenisches Exposé schilderte er die Errichtung "riesiger schillernder Glas-<br />
kuppeln", die wie Seifenblasen aus verflüssigtem Sand herzustellen waren. Ihre Ausfor-<br />
mung geschah durch Druckschläuche, die von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Luftschiffwerkstätte" herabgelassen<br />
wurden:<br />
"Schon erheben sich stattliche Gebilde, riesige schillernde Glaskuppeln, die <strong>in</strong> Spitzen<br />
<strong>und</strong> Zacken ausgezogen werden - Kugeln <strong>und</strong> Zungen - Kegel <strong>und</strong> blumige<br />
Rohre - Glitzern, Gleißen - Funkensprühen. Das Gr<strong>und</strong><strong>in</strong>nere der Krater erstarrt<br />
zusammenhängend zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m geschmolzenen F<strong>und</strong>ament, <strong>und</strong> von der Mitte<br />
ausstrahlend erhebt sich Raumgebilde an Raumgebilde - -<br />
Das große Luftschiff begibt sich fort - - sieben Flugzeuge verlassen es <strong>und</strong> kreisen<br />
um die Baustelle. Das Schiff entläßt Arbeiter <strong>und</strong> die Details werden gemacht."<br />
Hablik verknüpfte bereits realisierbare <strong>und</strong> vertraute Produktionsverfahren <strong>und</strong> -geräte<br />
mit utopischen Arbeitsweisen <strong>und</strong> erweiterte so Tauts traumartige Darstellung um die<br />
technische Dimension. K<strong>e<strong>in</strong>e</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ideen war <strong>in</strong><strong>des</strong>sen ganz neu. Bereits 1907 <strong>und</strong> 1909<br />
hatte er die Bearbeitung ganzer Bergmassive von Luftschiffen aus <strong>in</strong> Traumbildern zu<br />
Papier gebracht. 410 Die Vorstellung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Produktion großer Glasmengen aus verflüssig-<br />
tem Erdreich hatte er 1908 auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Entwurf zu den "Schaffenden Kräften" als "ver-<br />
schiedenfarbiges Glas aus Lava" (Abb. 49) vermerkt.<br />
Nachdem sich Taut im Oktober <strong>des</strong> Jahres e<strong>in</strong>gehender mit dem Medium Film beschäftigt<br />
hatte, verwarf er das Projekt wieder, da der Film unter den derzeitigen technischen Mög-<br />
lichkeiten nicht als Propagandamittel für die utopische Architektur geeignet sei. Das Zu-<br />
sammentreffen der "gröbsten Wirklichkeit" <strong>und</strong> der Natur mit dem phantastischen Sujet<br />
sei "kunstwidrig" <strong>und</strong> führe zu lächerlichen Effekten. 411<br />
Ebenfalls im Juli 1920 kamen die persönlichen Konflikte unter den Gruppenmitgliedern<br />
zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Höhepunkt. Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> hatte im März
- 171 -<br />
<strong>des</strong> Jahres <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Essay versandt, der unter dem Titel "Der achte Tag" an die biblische<br />
Schöpfungsgeschichte anknüpfte 412 <strong>und</strong> <strong>in</strong> dem er Vorbilder aus der belebten Natur wie<br />
auch die applikativen bauplastischen Naturnachahmungen vergangener Stilepochen für<br />
die utopische Architektur verwarf. Er schrieb: "Nur das Unmittelbare, Unnachahmliche<br />
<strong>des</strong>tilliert die Werte", 413 "der Wille der Weltfluiden sucht sich neue Wege ... - 'unser neu-<br />
es Bild <strong>und</strong> unsern neuen Bau' ". 414 Den übrigen Gruppenmitgliedern lastete er die Orien-<br />
tierung an fremden Vorbildern an:<br />
"Gleich E<strong>in</strong>siedlerkrebsen stecken wir ja unseren unbeschützten Seelenpodex <strong>in</strong> die<br />
verlassenen oder sarkophagen Schalen artfremder Geschöpfe, <strong>und</strong> diese Unart <strong>ist</strong><br />
zur erbfesten Artgewohnheit geworden, der sich bis heute ke<strong>in</strong> Mitglied dieses<br />
Kreises entzogen hat." 415<br />
Am 28. Juli antwortete Hablik auf F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>s Beitrag mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Parabel unter dem Titel<br />
"Der 9. Tag". Nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ironischen E<strong>in</strong>leitung, die F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>s metaphorischen Sprachstil<br />
aufs Korn nimmt <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kritik <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>liches Gezänk ummünzt, 416 beschreibt er die<br />
durch immer neue Ideen <strong>und</strong> Me<strong>in</strong>ungen konzeptlos gewordene Arbeit der Gläsernen<br />
Kette: Die E<strong>in</strong>siedlerkrebse, S<strong>in</strong>nbild für die Mitglieder der Gruppe, gründen auf Geheiß<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s besonders ausgezeichneten Exemplars (Bruno Taut) <strong>e<strong>in</strong>e</strong> lose Geme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong><br />
gehen auf Wanderschaft. Sie begegnen den "Verkündern der Götter", die ihnen den Bau<br />
von "Tempeln" abfordern. Unter dieser Aufgabe wächst die Geme<strong>in</strong>schaft zwar zusam-<br />
men, errichtet aber unter wechselnden philosophischen Aspekten, mit immer neuen<br />
Materialien <strong>und</strong> Konstruktionsweisen Bauwerke, die sämtlich k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bestand haben. Zu-<br />
letzt - <strong>und</strong> das <strong>ist</strong> Habliks Verheißung an die Geme<strong>in</strong>schaft - gelangen die verh<strong>in</strong>derten<br />
Baume<strong>ist</strong>er <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n paradiesischen Garten, der ihnen die größten W<strong>und</strong>er der belebten<br />
<strong>und</strong> unbelebten Natur offenbart. Leuchtende Regenbogen, Sonnenr<strong>in</strong>ge, Mondhöfe <strong>und</strong><br />
Sternenfunkeln, Bäume mit "Stammsäulen von durchsichtigem Edelopal durchzogen wie<br />
mit Venen von Smaragd <strong>und</strong> roten Korallen, dar<strong>in</strong>nen buntfarbige lebende Perlen pulsend<br />
hüpften", Tiere <strong>und</strong> Insekten ex<strong>ist</strong>ieren hier <strong>in</strong> e<strong>in</strong>trächtiger Vielfalt. Angesichts dieser<br />
Naturw<strong>und</strong>er zerbrechen die Baume<strong>ist</strong>er "Richtstab, Dreieck <strong>und</strong> Lot". 417<br />
Die Schilderung dieser Ideallandschaft läßt drei Arten der Naturrezeption erkennen, aus<br />
denen sich die künftige Architektur entwickeln soll. Die
- 172 -<br />
allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Term<strong>in</strong>ologie <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zelne Motive s<strong>in</strong>d der wirklichen Natur entnommen.<br />
Daneben ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Naturformen <strong>in</strong> ornamentaler Stilisierung, die an Habliks Tier- <strong>und</strong><br />
Pflanzenmuster <strong>in</strong> den Textilentwürfen von 1910/15 er<strong>in</strong>nern 418 <strong>und</strong> teilweise durch<br />
kunsthandwerkliche Begriffe charakterisiert werden: "Märchen-Schmetterl<strong>in</strong>ge", "Äste ...<br />
gleißenden Schlangenleibern gleich <strong>in</strong> rhythmischer Atembewegung schwellend", "grü-<br />
nes Dämmern wie im Frühl<strong>in</strong>gswald sank dunkelnd hernieder - von amethystfarbenen<br />
Blitzen durchwebt". Bewegungen, optische <strong>und</strong> akustische Signale lenken die Aufmerk-<br />
samkeit auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> dritte Gruppe von Objekten, die zwar künstlich, aber offenbar im 'Ge<strong>ist</strong><br />
der Natur' geschaffen worden s<strong>in</strong>d: "... <strong>und</strong> sie fanden im Blattw<strong>in</strong>kel <strong>des</strong> ?millionsten<br />
Blattes ... die Welt ihrer Vorstellung schaukeln als glitzern<strong>des</strong> unfaßliches Gebilde". Das<br />
Mite<strong>in</strong>ander von wirklicher <strong>und</strong> künstlerisch angeeigneter Natur <strong>in</strong> unendlicher Vielfalt<br />
stellt jene zukünftige Welt dar, die Hablik bereits <strong>in</strong> der Mappe "Schaffende Kräfte"<br />
(1909) projektiert hatte <strong>und</strong> die er nun den Mitgliedern der Gläsernen Kette als Entwurf<br />
<strong>des</strong> von allen angestrebten Paradieses präsentiert. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Huldigung an die Natur gipfelt <strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gr<strong>und</strong>formel aus den vier Urelementen, mit deren Hilfe alle<strong>in</strong> die neue Welt ge-<br />
schaffen werden soll. Sie wird den Baume<strong>ist</strong>ern <strong>in</strong> der Parabel als Schlußstrich unter jede<br />
Form- <strong>und</strong> Stildiskussion offenbart:<br />
"Erde x Erde x Feuer x Wasser x Luft = Dir, b<strong>ist</strong> Du lieber Bruder <strong>und</strong> Du - <strong>und</strong> ihr<br />
alle Ihr Brüder <strong>und</strong> Euch gehört das Reich der Verwandlung".<br />
Auch <strong>in</strong> anderen R<strong>und</strong>briefen vermittelte Hablik s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Naturverehrung als Gr<strong>und</strong>lage<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künftigen Weltgestaltung. Mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m "Gruß von der Nordsee, von rollender Bran-<br />
dung, von fliegendem Sande, von den großen W<strong>und</strong>ern <strong>und</strong> Offenbarungen der Natur"<br />
sandte er den Gruppenmitgliedern aus Hörnum auf Sylt den fünften Aphorismus der<br />
Mappe "Schaffende Kräfte" (1909) zu: "Über Menschen erhaben s<strong>in</strong>d viele, die vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Grashalm niederknien." Er zählte Beispiele aus den "großen W<strong>und</strong>ern <strong>und</strong> Offenbarungen<br />
der Natur" auf, von Milben über Flechten <strong>und</strong> Moose bis zu "Weltenkörpern", um<br />
schließlich - eher rhetorisch - zu fragen: "Wer <strong>ist</strong> <strong>des</strong> Menschen Lehrme<strong>ist</strong>er? Woher<br />
stammt e<strong>in</strong>zig <strong>und</strong> alle<strong>in</strong> se<strong>in</strong> Können?" Den Warnungen Bruno Tauts <strong>und</strong> Hermann<br />
F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>s vor den - von Ernst Haeckel als Term<strong>in</strong>us entliehenen - "Kunstformen der<br />
Natur" 419 entgegnete er:
- 173 -<br />
"(Ihr wollt) Naturformen leugnen 420 ... obwohl Ihr doch nur durch sie lebt <strong>und</strong><br />
atmet - nur durch sie <strong>und</strong> ihre verpönten Formenschätze, davon das kle<strong>in</strong>ste<br />
Beispiel noch mehr Rätsel <strong>ist</strong> als das 'Große' was der Mensch 'ganz aus sich!<br />
selbst!!' vermöge der Kraft s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Ichs - schafft." 421<br />
Er folgte erneut Schopenhauers Annahme <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s h<strong>in</strong>ter den Naturersche<strong>in</strong>ungen verbor-<br />
genen schöpferischen Willens (Die Welt als Wille <strong>und</strong> Vorstellung, 1819) <strong>und</strong> leitete da-<br />
raus die Notwendigkeit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künftigen Architektur ab:<br />
"Ich will bauen, weil ich bauen muß, weil ich die Symbole der Weltkle<strong>in</strong>igkeiten,<br />
als da s<strong>in</strong>d: die Pflanzen, die Tiere, die St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, die Menschen, seit m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Knabenzeit<br />
als den gesetzmäßigen Ausdruck <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s mächtigen Bauwillens empf<strong>in</strong>den<br />
muß." 422<br />
Am 4. August 1920, dem neun<strong>und</strong>dreißigsten Geburtstag Wenzel Habliks, entstanden<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> beiden letzten R<strong>und</strong>briefe. Mit Feder auf unregelmäßige Papiervierecke geschrieben<br />
<strong>und</strong> anschließend für die Gläserne Kette hektographiert, waren sie zugleich e<strong>in</strong>drucks-<br />
volle Zeugnisse <strong>in</strong>dividueller Schriftkunst (Ab. 314-315). Po<strong>in</strong>tiert faßte er die wichtig-<br />
sten Botschaften an die Geme<strong>in</strong>schaft zusammen. Als Lehre aus den ziellosen Stildis-<br />
kussionen folgerte er:<br />
"Liebe Brüder! Von 'das darfst Du', das 'darf man', 'so mußt Du', oder 'so nicht' -<br />
kann bei unseren Utopien gar k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Rede se<strong>in</strong>! Das <strong>ist</strong> me<strong>in</strong> letztes 'Bekenntnis'!!"<br />
Er forderte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> völlige Stilpluralität - wenn sie nur mit dem 'Ge<strong>ist</strong> der Natur' vere<strong>in</strong>bar<br />
sei:<br />
"Wir dürfen alles - - aber auch alles tun, das heißt 'bauen', 'ismussen', 'ickern' <strong>und</strong><br />
'<strong>ist</strong>en', was uns <strong>in</strong> frohen St<strong>und</strong>en froh macht alle unsere S<strong>in</strong>ne! Wir dürfen 'nachahmen',<br />
was wir wollen, wenn nur das lebendige Kosmische ja dazu sagt. So wie<br />
wir alle Baustoffe verarbeiten 'lernen' werden - so <strong>ist</strong> alles Leben <strong>und</strong> Geschehen<br />
r<strong>in</strong>gs um uns nur der 'Punkt', der an unsere schaffensfrohen F<strong>in</strong>ger spr<strong>in</strong>gt, um<br />
irgendwie <strong>in</strong> den Raum geschnippt zu werden! gehascht <strong>und</strong> losgelassen, <strong>und</strong> die<br />
Materie folgt ihm freu<strong>des</strong>trahlend!! Seid glücklich wie die K<strong>in</strong>der! K<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ängste<br />
mehr!" 423<br />
Hablik hatte damit noch e<strong>in</strong>mal das utopische Bauen <strong>in</strong> Allnatur <strong>und</strong> Weltall verankert<br />
<strong>und</strong> den künftigen Menschen als gottähnlichen Beherrscher <strong>und</strong> Gestalter von Materie<br />
<strong>und</strong> Raum gekennzeichnet, der s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ge-
- 174 -<br />
staltungskraft aus k<strong>in</strong>dlicher Spielfreude gew<strong>in</strong>nt. Den spontan-<strong>in</strong>fantilen Antriebsmotor<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Utopien verkörperte er <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m zweiten Brief <strong>in</strong> dem Wort "Bauspiele", maß die<br />
eigene Schöpferkraft an den härtesten Materialien der Natur <strong>und</strong> plante die Dienstbar-<br />
machung der vier Elemente Erde, Feuer, Wasser, Luft:<br />
"K<strong>in</strong>der! was für herrliches Zeug hat unsere Erde noch an Stoff für unsere Bauspiele!<br />
Denkt nur!: Fels haben wir! Metalle <strong>und</strong> Diamant! <strong>und</strong> der viele schöne<br />
Sand! <strong>und</strong> das Wasser! das Feuer! <strong>und</strong> die Luft zum Blasen, Saugen, Stoßen,<br />
Bohren, Heben, Drücken! Schmelzen! Und fliegen können wir auch schon bald!<br />
Bald können wir <strong>in</strong> der Luft wohnen! bohrt die Techniker an! brennt sie mit dem<br />
Feuer Eurer Fantasien, daß sie recht bald Masch<strong>in</strong>en bauen, die an irgend<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Punkt den Fels schmelzen - lustig glätten - Risse kitten mit e<strong>in</strong>geschmolzenen, zu<br />
bunten Kugeln <strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>allen erstarrendem Kitt - Blasen werfend wie Raketen <strong>und</strong><br />
gleißen wie diese." 424<br />
Otto Kohtz hatte 1909 mit ähnlichem Wortlaut <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n "Gedanken über Architektur" die<br />
Erwartung formuliert:<br />
"Vielleicht kommt e<strong>in</strong>mal die Zeit, wo der Mensch die Macht hat, nicht nur<br />
Schlösser <strong>und</strong> Gärten zu bauen, wie <strong>in</strong> Versailles, sondern mit den Bergen zu<br />
spielen wie das K<strong>in</strong>d mit dem Sand." (S. 3)<br />
In Wenzel Habliks Planspielen wurde diese Hoffnung zur technisch durchdachten, zur<br />
konkreten Utopie.<br />
Mit Habliks letzten beiden R<strong>und</strong>briefen schienen auch bei den anderen Gruppenmit-<br />
gliedern die persönlichen Standpunkte geklärt. Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> schrieb Anfang<br />
August: "Ich b<strong>in</strong> fertig im Ge<strong>ist</strong>e. Bei Glas (Bruno Taut) sche<strong>in</strong>t dasselbe der Fall zu<br />
se<strong>in</strong>", 425 <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Monat später: "Ich glaube, wir werden nicht mehr viel reden." 426<br />
Anfang Oktober versuchte Taut e<strong>in</strong> letztes Mal, die Gruppe durch e<strong>in</strong> Ausstellungsprojekt<br />
zusammenzuhalten. Sie sollte sich im Frühjahr 1921 auf der Darmstädter Mathildenhöhe<br />
an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ausstellung der Architektengruppe "Die Bauwandlung" beteiligen, die eben erst<br />
unter der Führung <strong>des</strong> ehemaligen Wiener Sezession<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> nun <strong>in</strong> Darmstadt an-<br />
sässigen Architekten Emanuel Margold gegründet worden war. Taut warnte die Gruppe,<br />
der er jetzt "geschmackvolles Atelierkünstlertum" vorwarf, 427 daß er weder Fotografien<br />
noch Skizzen oder Gipsmodelle für die Ausstellung zulassen werde. F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> g<strong>in</strong>g noch<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Schritt weiter:
- 175 -<br />
"Bauen oder Nichtbauen, - das dünkt mich die e<strong>in</strong>zige Frage: e<strong>in</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Probegarten Gottes sollte unsre Ausstellung se<strong>in</strong>. Nicht mehr Projekte <strong>und</strong> Projektionen,<br />
- sondern 'lebende' Modelle <strong>in</strong>terner <strong>und</strong> externer Raumkunst / 'pro<br />
popolo' / - Ist das heute möglich??" 428<br />
Schon im Oktober hatte Bruno Taut angekündigt: "Wenn aber nichts aus dem ganzen<br />
wird, so werde ich <strong>in</strong> dieser Sache zur Passivität kommen <strong>und</strong>, wie jeder von uns, den<br />
eigenen Weg weiter gehen"; 429 am 24. Dezember 1920 erschien der letzte R<strong>und</strong>brief der<br />
Geme<strong>in</strong>schaft aus der Feder Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>s. Se<strong>in</strong> Wunsch, zu "erneuern den Schwur<br />
unsrer Brüderschaft", 430 blieb ohne Echo. Die Gläserne Kette hatte damit seit dem ersten<br />
R<strong>und</strong>brief Bruno Tauts auf den Tag genau e<strong>in</strong> Jahr <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Monat bestanden.<br />
2. Entwürfe<br />
Die Zeichnungen, die <strong>in</strong>nerhalb der Gläsernen Kette kursierten oder <strong>in</strong> der Ausstellung<br />
"Neues Bauen" gezeigt wurden, waren <strong>in</strong> der Mehrzahl visionäre Formphantasien. Bruno<br />
Taut, der sich vorwiegend an Ideen Paul Scheerbarts orientierte, leitete den Austausch am<br />
23.12.1919 mit der Skizze <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r turmartigen, strahlenden "Glas-Kr<strong>ist</strong>allpyramide" e<strong>in</strong>, bei<br />
der <strong>in</strong> großer Höhe "Tafeln der 7 Farben" montiert werden sollten (Abb. 316). Scheerbart<br />
hatte schon <strong>in</strong> dem Mondroman "Die große Revolution" (1902) Türme mit signalgeben-<br />
den Funktionen beschrieben. E<strong>in</strong>e "Farben- <strong>und</strong> Lichtsignalsprache", die mit Glaspalästen<br />
<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung stand, erfand er 1912 für das Münchhausen-Brevier "Das große Licht" (S.<br />
133). Für zwei der Tafeln hatte Taut Zitate aus Scheerbarts Roman "Lesabéndio" (1913)<br />
vorgesehen. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n zweiten Entwurf vom 26. Dezember (Abb. 317) widmete Taut dem<br />
"Tortenstern" <strong>in</strong> Scheerbarts Roman "Liwûna <strong>und</strong> Kaidôh" (1902). Er folgte dem<br />
literarischen Vorbild aufs Wort <strong>und</strong> zeichnete um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> goldene Kuppel als Zentrum "hell-<br />
<strong>und</strong> dunkelblaue Zackenr<strong>in</strong>ge", "silberne Türme", "hell- <strong>und</strong> dunkelgrüne Würfel", "Glas-<br />
türme" sowie e<strong>in</strong> abschließen<strong>des</strong> "Pyramidendiadem von gelben Topasen <strong>und</strong> lila Ame-<br />
thyst" (vgl. Scheerbart: Liwûna 1902, 84 ff.).<br />
Auch die Brüder Luckhardt, Hans Scharoun <strong>und</strong> Carl Krayl nahmen sich Scheerbarts<br />
kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Phantasiearchitekturen 431 <strong>und</strong> den Kr<strong>ist</strong>all als
- 176 -<br />
"S<strong>in</strong>nbild neuen Lebens" (Koch 1900, 60), als Symbol <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s <strong>in</strong> Architektur manifestierten<br />
alles umfassenden Ge<strong>ist</strong>es <strong>und</strong> der Geburt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuen Gesellschaftsmodells zum Vorbild.<br />
Wassili Luckhardt hielt sich dabei eng an die monolitische Gestalt <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>alls <strong>und</strong><br />
konstruierte <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n pyramidenartigen <strong>und</strong> mehrfach abgestuften, gänzlich prismatisch<br />
verschnittenen "Kultbau" aus diamantartig geschliffenen Kr<strong>ist</strong>allblöcken, Rhomben <strong>und</strong><br />
Sternen (Abb. 318-319). Se<strong>in</strong> e<strong>in</strong>sam auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Insel ruhender "Kr<strong>ist</strong>all" (Abb. 320) war<br />
als völlig funktionsloses, r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s <strong>und</strong> unberührbares Symbol der künftigen Architektur zu<br />
verstehen. Hans Luckhardt verband das Kr<strong>ist</strong>all-Thema mit seriellen <strong>und</strong> rhythmischen<br />
Ersche<strong>in</strong>ungen <strong>und</strong> entwarf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n aus zahllosen prismatischen Kr<strong>ist</strong>allnadeln zusammen-<br />
gesetzten "Konzertsaal" (Abb. 321). Hans Scharouns Aquarelle <strong>und</strong> Federzeichnungen<br />
enthielten eruptive, blütenartige Studien, die von prismatischen Monoliten zerschnitten<br />
(Abb. 322) oder durch Sterne, Rhomben <strong>und</strong> Dreiecke gegliedert wurden (Abb. 323). Bei<br />
Carl Krayl erschien e<strong>in</strong> "Kosmischer Bau" an scharfzackigem Gebirgsabhang als strah-<br />
lende Kr<strong>ist</strong>alldruse (Abb. 324); <strong>und</strong> auch se<strong>in</strong> als f<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Gewebe geometrischer <strong>und</strong> amor-<br />
pher Umrisse zusammengesetzes "Strahlen<strong>des</strong> Haus zur Schaukel" (Abb. 325) verbreitete<br />
mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n prismatisch strukturierten Teilen kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Glanz. E<strong>in</strong>en engeren Bezug zur<br />
realen Architektur hatten die Zeichnungen Max Tauts. Sie ließen hochfahrende <strong>und</strong> lang-<br />
gestreckte Baumassen <strong>in</strong> ihrer landschaftlichen E<strong>in</strong>bettung erkennen (Abb. 326), zeigten<br />
durch Pfeiler, Bögen <strong>und</strong> Gewölbe gewonnene Räume <strong>und</strong> wiesen den Beton als zukünf-<br />
tiges Baumaterial aus (Abb. 327). Bodenformationen aus verschachtelten Tetraedern <strong>und</strong><br />
prismatische Brechungen an Pfeilern <strong>und</strong> Gewölben bildeten das kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Element der<br />
Entwürfe.<br />
Wilhelm Brückmann, Paul Goesch <strong>und</strong> Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> setzten sich von dieser The-<br />
matik ab. Brückmann entwarf ge<strong>ist</strong>erhafte grotten- <strong>und</strong> tempelartige Architekturen, die<br />
stil<strong>ist</strong>isch <strong>und</strong> thematisch an Zeichnungen von Paul Scheerbart anknüpften. Hier erschien<br />
Kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>es nur kaum erkennbar als architektonischer Zierat (Abb. 328). Goeschs bunt-<br />
farbige Aquarelle zeigten Baukastenarchitekturen mit exzessiver fremdartiger Ornamen-<br />
tik, die sich zu burgen- <strong>und</strong> torähnlichen Anlagen zusammenstellen ließen (Abb. 329).<br />
"Traum aus Glas", "Haus der Künste", "Wahlhallen" hießen die Großbauten, die Her-<br />
mann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> gemäß s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r theoreti-
- 177 -<br />
schen Forderungen <strong>in</strong> immer neuen Variationen völlig amorpher "ungewesener <strong>und</strong><br />
unnachahmlicher Formen" 432 zu Papier brachte <strong>und</strong> die dennoch an riesenhaft vergrößerte<br />
Austern <strong>und</strong> Krebsscheren er<strong>in</strong>nerten (Abb. 330-331).<br />
Die Kritik von Hans Luckhardt, F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>s Blätter seien "mit größter Phantasie im e<strong>in</strong>zel-<br />
nen h<strong>in</strong>geworfen. In großer Menge wirken sie e<strong>in</strong>tönig", 433 traf im Gr<strong>und</strong>e die Mehrzahl<br />
aller ausgestellten <strong>und</strong> <strong>in</strong> R<strong>und</strong>briefen verschickten Arbeiten. Nach wenigen Beispielen<br />
waren Stil <strong>und</strong> Formenkanon <strong>des</strong> Künstlers bekannt, war die Möglichkeit zu unendlicher<br />
Variation ohne den H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r s<strong>in</strong>nvollen Verwertung gegeben. Max Taut ver-<br />
schickte fünf hektographierte Entwürfe, Bruno Taut <strong>und</strong> Scharoun vier, F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong> ließ es<br />
bei drei Blättern bewenden. 434 Alle<strong>in</strong> Hablik, der auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> seit 1903 geschaffenen Arbei-<br />
ten zur Kr<strong>ist</strong>allarchitektur zurückgreifen konnte, arbeitete e<strong>in</strong> vergleichsweise großes<br />
Konvolut von sechs<strong>und</strong>zwanzig Zeichnungen aus. 435 Von diesen erhielt aber nur Walter<br />
Gropius, der sich selbst nicht an der Gruppenarbeit beteiligte, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n kompletten Satz der<br />
als Blaupausen vervielfältigten Entwürfe. 436 Durch das e<strong>in</strong> Jahr zuvor gegründete Bau-<br />
haus, das er als erfolgversprechendstes gesamtkünstlerisches Unternehmen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Zeit<br />
leitete, mag er Hablik als Schlüsselfigur zur künstlerischen Anerkennung erschienen<br />
se<strong>in</strong>. 437 Bruno Taut, Paul Goesch <strong>und</strong> Hans Scharoun wurden nahezu vollständig, die<br />
übrigen Mitglieder nur mit ausgewählten Blättern beliefert. 438<br />
Hablik entwarf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ganze utopische Welt, die er <strong>in</strong> Übersichtsskizzen <strong>und</strong> Landschafts-<br />
ausschnitten, <strong>in</strong> näher aufgenommenen Bau- <strong>und</strong> Vegetationsgruppen <strong>und</strong> durch e<strong>in</strong>zelne,<br />
speziellen Bauaufgaben gewidmete Architekturprojekte vorstellte. So gew<strong>in</strong>nt der Be-<br />
trachter, der immer der Bildmitte als dem objektivsten Standort zugeordnet <strong>ist</strong>, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die neue Welt wie durch e<strong>in</strong> Teleobjektiv. Gekrümmte Himmels-, Horizont-<br />
<strong>und</strong> Bodenl<strong>in</strong>ien, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> dadurch konvexe Bildebene zeigen ihm <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n fremden Stern, auf<br />
den er zufliegt oder den er nur durch optische Instrumente zu erreichen vermag. Doch die<br />
Utopie bleibt fremd <strong>und</strong> unnahbar: Der Blick h<strong>in</strong>ter die Kulissen, <strong>in</strong> die Gebäude bleibt<br />
verwehrt.
- 178 -<br />
a) Großlandschaften<br />
Entwürfe von Bergketten, die ganz mit Kr<strong>ist</strong>allbauten überzogen s<strong>in</strong>d, gehen auf Habliks<br />
früheste Arbeiten zu diesem Thema zurück. Zwei Ansichten von "Bearbeiteten (<strong>und</strong><br />
bebauten) Bergen" zitieren <strong>in</strong> der Gesamtanlage <strong>und</strong> <strong>in</strong> Details Ble<strong>ist</strong>iftzeichnungen der<br />
Jahre 1906/07. E<strong>in</strong>mal s<strong>in</strong>d der aus Quarzformen bestehende Baukörper, E<strong>in</strong>zelelemente<br />
<strong>in</strong> der Art von Szepterquarzen <strong>und</strong> vielgezackten Sternen, Gliederungen der Felswände<br />
<strong>und</strong> vorgelagerte Wolkenbänder (Abb. 332) aus dem frühen Vorbild (Abb. 32) wörtlich<br />
übernommen. Galerieartige, prismatisch konstruierte Fensterreihen stammen aus anderen<br />
Zeichnungen der frühen Jahre. Bei dem zweiten Beispiel 439 wurde e<strong>in</strong> aus dem Vorder-<br />
gr<strong>und</strong> emporsteigender <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Höhle endender Bergrücken aus der frühen Zeich-<br />
nung (Abb. 25) zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r von Terrassenanlagen e<strong>in</strong>gefaßten Bergquelle mit kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong><br />
ornamentiertem Höhlene<strong>in</strong>laß umgestaltet (Abb. 333). Zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r l<strong>in</strong>ks stehenden Szepter-<br />
quarzgruppe gesellte sich rechts e<strong>in</strong> Pendant, so daß die Bergquelle jetzt von zwei 'Tor-<br />
pfeilern' e<strong>in</strong>gerahmt wird. In beiden Fällen wurde die natürliche, durch unregelmäßige<br />
Konturen <strong>und</strong> Flächen charakterisierte Gestalt der Kr<strong>ist</strong>alle <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> technisierte Form mit<br />
geraden Begrenzungsl<strong>in</strong>ien <strong>und</strong> planen Prismenflächen, die natürlich ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>nden<br />
Felsteile <strong>in</strong> technisch bearbeitete Anlagen mit schnecken-, zacken-, <strong>und</strong> mäanderartigen<br />
Rillenornamenten überführt. Gegenüber der lastenden Schwere der frühen Zeichnungen<br />
gewannen die Neufassungen durch die reicher verwendeten Prismen, Zacken <strong>und</strong> Stern-<br />
formen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> strahlend heitere Atmosphäre.<br />
Der zeichnerischen Bearbeitung der Blätter lag e<strong>in</strong> Bedeutungswandel zugr<strong>und</strong>e. Anstelle<br />
der als Metaphern seelischer Abgründe <strong>und</strong> ge<strong>ist</strong>ig-schöpferischer Höhenflüge zu verste-<br />
henden frühen Kr<strong>ist</strong>allbauten waren <strong>in</strong> der Gläsernen Kette dynamische Strukturen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
revolutionäre Formgebung, der Kr<strong>ist</strong>all als alles überstrahlen<strong>des</strong> Symbol der künftigen<br />
Gesellschaft sowie zukunftsweisende technische Neuerungen gefragt. Hatte der Künstler<br />
aus der Endfassung der Mappe "Schaffende Kräfte" alle Ansätze <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r utopischen Archi-<br />
tektur zugunsten ex<strong>ist</strong>entieller Themen getilgt, so modernisierte er jetzt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> frühen Ar-<br />
beiten <strong>und</strong> konzentrierte sich - den Zeichen der Zeit gehorchend - auf ihre utopische<br />
Komponente.
- 179 -<br />
S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> tiefempf<strong>und</strong>ene Naturverehrung, auf die er <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n R<strong>und</strong>briefen auch die zukünf-<br />
tige Gesellschaft verpflichtete, wirkte sich radikaler als zuvor auf die Landschaftsent-<br />
würfe aus. Bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Fels<strong>in</strong>sel, gänzlich bearbeitet <strong>und</strong> bebaut" (Abb. 334) wich das<br />
anfängliche, den Naturgewalten <strong>in</strong> heroischem Kampf abgetrotzte Nebene<strong>in</strong>ander von<br />
natürlich Gewachsenem <strong>und</strong> künstlich Gebautem <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r spielerisch bewältigten Neuge-<br />
staltung der gesamten Natur. "Neue Flugzeuge mit Vorrichtung, wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Libelle zu lan-<br />
den, Scheiben (Glas) vom Fels<strong>in</strong>nern (Unterkunft mit Station) aus beleuchtet, R<strong>in</strong>nsale <strong>in</strong><br />
dem Fels, zum gewaltigen Ornament gestaltet, Hafen (Licht unter Wasser)" s<strong>in</strong>d (schrift-<br />
lich auf dem Entwurf fixierte) Motive, die den spielerischen Charakter der geplanten<br />
technischen Innovationen hervorheben.<br />
Dem spielerischen Element treten gewaltige architektonische Komplexe gegenüber.<br />
Längliche facettierte Kuppeln <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> fünffache Zackenkrone überdachen die Terrassen<br />
der "Bebauten Bergspitzen" (Abb. 335). E<strong>in</strong>e riesige, r<strong>und</strong>um facettierte Kugel ruht auf<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m aus Szepterquarzen, Galerien, Tetraedern <strong>und</strong> Zackensternen aufgetürmten Berg,<br />
zusätzlich von Wolkenr<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> Schriftbändern glorifiziert: "Nicht der Wunsch zu<br />
'imponieren', sondern die Ahnung kommender größter Lust am Bauen der Völker künden<br />
diese ersten Zeichen" (Abb. 336). Die kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Form <strong>in</strong> gläsernen Prismen <strong>und</strong> Facetten<br />
tritt hier, wie bei den gleichzeitigen Entwürfen von Scharoun, Bruno Taut <strong>und</strong> den<br />
Brüdern Luckhardt als Kultarchitektur auf. Ihrem Herrschaftsanspruch, der die Idee <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
utopischen Architektur <strong>und</strong> der Völkervere<strong>in</strong>igung verkündet, haben sich alle Menschen<br />
<strong>in</strong> kultischer Verehrung zu unterwerfen. Die Wörter "Runen" (Abb. 336) <strong>und</strong> "Völker"<br />
(auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r zweiten Fassung <strong>des</strong>selben Blattes), <strong>in</strong> große Ste<strong>in</strong>kugeln e<strong>in</strong>gemeißelt, offen-<br />
baren das Konzept <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r religiös-primitiven Urgesellschaft, wie Hans Luckhardt sie auch<br />
bei Bruno Taut ausgemacht haben wollte.<br />
Taut komb<strong>in</strong>ierte <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Aufsatz "Architektur neuer Geme<strong>in</strong>schaft", der 1920 <strong>in</strong> dem<br />
von Alfred Wolfenste<strong>in</strong> herausgegebenen aktiv<strong>ist</strong>ischen Jahrbuch "Die Erhebung" er-<br />
schien <strong>und</strong> mit fünfzehn Architekturentwürfen aus der Gläsernen Kette illustriert war, 440<br />
den völkerverb<strong>in</strong>denden <strong>und</strong> den religiösen Anspruch der utopischen Architektur:
- 180 -<br />
"Das Geme<strong>in</strong>schaftsgefühl <strong>ist</strong> <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m neuen Maße frei geworden. Deshalb der<br />
Ruf nach der Architektur; denn diese <strong>ist</strong> nichts anderes als die Kr<strong>ist</strong>allisation <strong>des</strong><br />
Geme<strong>in</strong>schaftsgefühls. (...) Der Ruf nach der Architektur <strong>ist</strong> offenbar <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sehnsucht<br />
nach sichtbarer Gestalt <strong>des</strong> Glaubens." (S. 270 ff.)<br />
Noch im gleichen Jahr schilderte er <strong>in</strong> dem Buch "Die Auflösung der Städte" die Auswir-<br />
kungen der Völkervere<strong>in</strong>igung auf die Neugestaltung der Welt:<br />
"Gleichmäßig durch aller Mühe <strong>ist</strong> die Erde bebaut, berieselt - überall h<strong>in</strong>gestreut<br />
wohnt man zwischen den Ozeanen von Wasser <strong>und</strong> Wald. Die großen Sp<strong>in</strong>nen -<br />
die Städte, s<strong>in</strong>d nur noch Er<strong>in</strong>nerungen aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Vorzeit, <strong>und</strong> mit ihnen die<br />
Staaten." (Bl. 12)<br />
Die Utopien der Gläsernen Kette waren nicht zuletzt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Antwort darauf, daß die zwan-<br />
zig Jahre zuvor begonnenen Bemühungen um die Errichtung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Völkerb<strong>und</strong>es den<br />
Ersten Weltkrieg nicht hatten verh<strong>in</strong>dern können. Als Fortführung der Haager Friedens-<br />
konferenzen von 1899 <strong>und</strong> 1907 hatte der amerikanische Präsident Thomas Woodrow<br />
Wilson 1916 die Schaffung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Völkerb<strong>und</strong>es angeregt. Erst am 16.1.1920 nahm der<br />
Völkerb<strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arbeit auf als Vere<strong>in</strong>igung von dreizehn neutralen Staaten mit den<br />
alliierten <strong>und</strong> assoziierten Mächten <strong>des</strong> ErstenWeltkrieges. Die Hoffnung der Utop<strong>ist</strong>en<br />
auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> grenzenlose Vere<strong>in</strong>igung aller Menschen stand nicht auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Programm. Se<strong>in</strong><br />
Ziel war die Erhaltung <strong>des</strong> Friedens durch die Sicherung der bestehenden Ländergrenzen.<br />
b) Landschaftsdetails<br />
Die völlige Neugestaltung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bestehenden Berglandschaft erforderte die Anfertigung<br />
von Detailentwürfen. E<strong>in</strong> ästhetisches Experiment Wenzel Habliks war der Plan <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
skulpturalen Bearbeitung von "Bergspitzen", die zu Menschen- oder Widderköpfen um-<br />
gebildet werden sollten (Abb. (337-338). Augen <strong>und</strong> Zähne aus strahlendem, prismatisch<br />
geschliffenem Kr<strong>ist</strong>all <strong>in</strong> gezackten, scharfkantigen Gesichtern <strong>und</strong> die Überkrustung der<br />
Widdergeweihe mit zahllosen Diamantbossen reihen diese Arbeiten <strong>in</strong> die Kr<strong>ist</strong>allphan-<br />
tasien e<strong>in</strong>.<br />
Fünf Jahre später wurden Habliks Entwürfe von Gutzon Borglums (1871-1941) Plan<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r <strong>in</strong> den Fels gehauenen Präsidentengalerie <strong>in</strong> den Black
- 181 -<br />
Hills von South Dacota, USA, e<strong>in</strong>geholt. Das Mount Rushmore National Memorial mit<br />
den Köpfen von Wash<strong>in</strong>gton, Jefferson, Roosevelt <strong>und</strong> L<strong>in</strong>coln wurde nach der Billigung<br />
durch den amerikanischen Kongreß (1925) zwischen 1927 <strong>und</strong> 1941 <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Höhe von<br />
1.830 Metern über dem Meeresspiegel mit Preßluftbohrern <strong>in</strong> den Granit e<strong>in</strong>gegraben.<br />
Die Ähnlichkeit von Habliks Entwurf mit Borglums ausgeführtem Projekt <strong>ist</strong> ver-<br />
blüffend. 441<br />
c) Utopische Gärten <strong>und</strong> Bauensembles<br />
Nur Bruno Taut <strong>und</strong> Wenzel Hablik gelangten <strong>in</strong> ihren utopischen Zeichnungen bis zu<br />
E<strong>in</strong>zelheiten der Landschaftsgestaltung. Taut plante <strong>in</strong> der "Alp<strong>in</strong>en Architektur" (1919)<br />
e<strong>in</strong> Tal mit "Säulengängen über <strong>und</strong> zwischen den Wasserstürzen mit rub<strong>in</strong>roten Glas-<br />
säulen" (Bl. 9), lanzettförmige Betonwände mit weißem Milchglas <strong>in</strong> den Wäldern von<br />
Pontres<strong>in</strong>a <strong>in</strong> der Schweiz (Bl. 12) <strong>und</strong> e<strong>in</strong> "steiles Gestade mit funkelnden massiven<br />
edelste<strong>in</strong>artigen Glaskr<strong>ist</strong>allen besetzt" <strong>in</strong> der "Gegend von Porto Venere" (Bl. 15).<br />
Novalis hatte <strong>in</strong> "He<strong>in</strong>rich von Ofterd<strong>in</strong>gen" von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m künstlichen Garten berichtet, der<br />
<strong>in</strong> der Märchenerzählung <strong>des</strong> Dichters Kl<strong>in</strong>gsohr der kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Burg vorgelagert war:<br />
"Am herrlichsten nahm sich auf dem großen Platze vor dem Palaste der Garten aus,<br />
der aus Metallbäumen <strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>allpflanzen bestand, <strong>und</strong> mit bunten Edelste<strong>in</strong>blüten<br />
<strong>und</strong> Früchten übersäet war." (Ausg. 1982, 122)<br />
Ähnlich schilderte der E<strong>in</strong>siedler s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Wanderungen durch verschiedene Gebirge, die ihn<br />
<strong>in</strong> "Zaubergärten" führten:<br />
"Was ich ansah, war von köstlichen Metallen <strong>und</strong> auf das kunstreichste gebildet. In<br />
den zierlichen Locken <strong>und</strong> Ästen <strong>des</strong> Silbers h<strong>in</strong>gen glänzende, rub<strong>in</strong>rote, durchsichtige<br />
Früchte, <strong>und</strong> die schweren Bäumchen standen auf kr<strong>ist</strong>allenem Gr<strong>und</strong>e ..."<br />
(ebd., 89)<br />
Hablik g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Entwürfen auch diesen Schritt. Er zeichnete - detailliert bis zu den<br />
kle<strong>in</strong>sten Gräsern <strong>und</strong> Moosen - <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n utopischen Garten mit "natürlichen <strong>und</strong> künst-<br />
lichen Vegetationen, Ste<strong>in</strong>, Glas, Mono-
- 182 -<br />
lithen, Edelmetalle, Moos, Wasser (Labrador, Porphyr, Granit)" (Abb. 339). Zwischen<br />
Büschen <strong>und</strong> Blumen, "Alpenpflanzen" <strong>und</strong> "bemoosten St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n" stehen ornamentierte<br />
<strong>und</strong> mit Voluten geschmückte "Glasbäume", teils "opak", teils durchsichtig, buntfarbig<br />
<strong>und</strong> irisierend, mit Gold <strong>und</strong> Silber belegt <strong>und</strong> mit silbernen Kugeln behängt. Analog zu<br />
den Schilderungen <strong>in</strong> der Parabel "Der 9. Tag" 442 <strong>ist</strong> die Überführung natürlicher Struk-<br />
turen <strong>in</strong> serielles Ornament <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gemäßigte Achsensymmetrie zu beobachten. Vo-<br />
luten, animalische Körperhaltung, gefiederte Schweife <strong>und</strong> Bocksfüße verleihen künst-<br />
lichen Gebilden den Ansche<strong>in</strong> natürlicher Bewegtheit. Der Betrachter erlebt "das neue<br />
Paradies", 443 <strong>in</strong> dem belebte Objekte ornamental geb<strong>und</strong>en, künstlich-ornamentale belebt<br />
ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, als Beispiel <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r völlig neu gestalteten Natur. Der spielerisch zusammen-<br />
gesetzte Entwurf wird durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> weitere Beischrift <strong>in</strong> das utopische Gesellschafts-<br />
konzept e<strong>in</strong>gefügt: Die als "W<strong>und</strong>er-Bauten (Museen, Musikhäuser)" entschlüsselten<br />
Objekte sollten der Erziehung zur e<strong>in</strong>heitlichen Volksgeme<strong>in</strong>schaft dienen: " 'Ziele' für<br />
die Jugend (schwer zu erreichen im Gebirge)".<br />
Karl-He<strong>in</strong>z Knupp (1980, 123) hat auf Textstellen bei Scheerbart h<strong>in</strong>gewiesen, <strong>in</strong> denen<br />
von Kuppeln aus Blumenkelchen <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Himmelsblüte die Rede <strong>ist</strong>. Offenbar nach<br />
dieser Vorlage entfalteten sich bei Max Taut <strong>und</strong> Hans Scharoun Blüten als architek-<br />
tonische Komplexe. Bruno Tauts "Bergblüten" <strong>in</strong> der "Alp<strong>in</strong>en Architektur" (Bl. 10) <strong>und</strong><br />
dem Entwurf "Die große Blume" <strong>in</strong> der "Auflösung der Städte" (Bl. 14) schlossen sich<br />
dann von Wenzel Hablik "Blumengrüße aus der neuen Welt" (Abb. 340) an. Hier bilden<br />
drei als Blumen gestaltete "Farbige Glashäuser", deren unregelmäßig-knotige Stengel <strong>und</strong><br />
sternförmige Blüten aus kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Facetten zusammengesetzt s<strong>in</strong>d, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Baugruppe <strong>in</strong><br />
hügeliger Landschaft. 444 Für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Paradiesgarten entwickelte Hablik e<strong>in</strong> "Doppel-<br />
Wohnhaus" (Abb. 342), das als 'Kr<strong>ist</strong>allbaum' pflanzliche <strong>und</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Formen<br />
vere<strong>in</strong>igt:<br />
"Da wohnten Menschen auf kr<strong>ist</strong>allnen Bäumen <strong>und</strong> darauf wuchsen Bäume von<br />
Gott. Und Blumen von Gold <strong>und</strong> Edelste<strong>in</strong> <strong>und</strong> blühende Sträucher von Glas, darum<br />
1000 Glöckchen tönten, leuchteten zwischen Moos <strong>und</strong> Erdbeeren <strong>und</strong> Pfirsichen;<br />
<strong>und</strong> fröhliche K<strong>in</strong>der schwebten mit den Schwalben um die Wette."
- 183 -<br />
Auch die Gestalt <strong>des</strong> Blitzes, aus Habliks bildnerischen <strong>und</strong> kunsthandwerklichen Ar-<br />
beiten als Natursymbol geläufig, wurde zu architektonischer Form verarbeitet. "Blitz-<br />
Feuer-Türme aus Glas" (Abb. 343) mit unregelmäßig gebrochenen Schäften <strong>und</strong> pfeil-<br />
spitzenförmigen Köpfen 445 begleiten mit ihren Strahlen e<strong>in</strong> Segelschiff an e<strong>in</strong>samem<br />
Gestade. Blumen, Kr<strong>ist</strong>alle <strong>und</strong> Blitze symbolisieren <strong>in</strong> der utopischen Architektur die<br />
Natur als Schöpfer aller D<strong>in</strong>ge, ihre Schönheit, ihren Gestaltungswillen <strong>und</strong> die <strong>in</strong> ihr<br />
waltenden Kräfte: "Glaubt nur an die Natur! Ehret ihre Gesetze!"<br />
Waren diese nur der äußeren Form gehorchenden Bauentwürfe ohne erkennbare Zugänge,<br />
Fenster <strong>und</strong> Innenräume alle<strong>in</strong> durch die Beischriften als Architekturen zu erkennen, so<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den pilzartigen Türmen für die "Siedelung e<strong>in</strong>iger Familien" (Abb. 344) zum<strong>in</strong>-<br />
<strong>des</strong>t Fenster <strong>und</strong> Türen vorgesehen. Mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m traditionellen Standort "im Schwarzwald<br />
oder <strong>in</strong> der Heide" <strong>und</strong> pragmatisch fungierenden "Glasmauern als W<strong>in</strong>dschutz" stellte<br />
der Künstler die utopischen Bauten <strong>in</strong> die Wirklichkeit. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Formexperimente waren<br />
ke<strong>in</strong> bitterer Ernst, <strong>und</strong> neben der religiös-geme<strong>in</strong>schaftsbildenden Komponente war <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
phantasievolle Spontaneität, wie Hablik sie <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n beiden letzten Briefen an die Glä-<br />
serne Kette vertrat, 446 Antriebsmotor für den Aufbau der neuen Gesellschaft.<br />
Obwohl bei der Ansicht "Aus der neuen Stadt" (Abb. 345) e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Mal Innenräume<br />
<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ansammlung dreieckiger Gebäude mit spitzovalen Glaskuppeln sichtbar werden,<br />
löste der Künstler den Ansche<strong>in</strong> der Unbewohnbarkeit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r grotesken Architekturen<br />
niemals auf. Die Frage ihrer Innenstruktur <strong>und</strong> ihres tektonischen Aufbaus verwies er an<br />
die Spezial<strong>ist</strong>en. Zitierte Bruno Taut <strong>in</strong> der "Alp<strong>in</strong>en Architektur" Goethe mit dem Aus-<br />
spruch: "Man verlangt so selten von den Menschen das Unmögliche" (Bl. 10), so<br />
bemerkte Hablik zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n "Blitz-Feuer-Türmen" (Abb. 343): "Ärgert die Technicker!<br />
Und sie werden euch W<strong>und</strong>erd<strong>in</strong>ge schaffen!"<br />
Das symbolische Übergewicht der äußeren Form <strong>und</strong> <strong>des</strong> Baumaterials Glas gegenüber<br />
der Tektonik <strong>und</strong> dem menschlichen Anspruch auf wohnliche Geborgenheit provozierte<br />
die Kritik <strong>des</strong> Direktors der Bibliothek im Berl<strong>in</strong>er Kunstgewerbemuseum, Peter Jessen,<br />
der während der zehner Jahre trotz s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ablehnenden Haltung 447 die Mappe "Schaffende<br />
Kräfte"
- 184 -<br />
ausgestellt hatte. 448 Auf der Skizze zum "Kr<strong>ist</strong>allbaum" (Abb. 342 a) vermerkte Hablik<br />
die entsetzte Reaktion "Direktor Jessen gezeigt, sagt, <strong>ist</strong> verrückt! Niemals wird sich e<strong>in</strong><br />
Mensch f<strong>in</strong>den, der <strong>in</strong> Gläserhäusern wohnen will!" "Sagen Sie das nur nicht anderen<br />
Leuten, sonst schafft man Sie als geme<strong>in</strong>gefährlich <strong>in</strong>s Irrenhaus!" kommentierte Jessen<br />
den Entwurf "Blitz-Feuer-Türme" (Abb. 343 a). Selbst Bruno Taut, der sich für Habliks<br />
reiche Sendungen an die Gläserne Kette bedankte, erbat sich "die kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bemerkung zu<br />
gestatten, daß ich hier <strong>und</strong> da e<strong>in</strong> wenig 'Manier' herausfühle". 449<br />
d) Spezialbauten<br />
Habliks vierte Gruppe von Entwürfen für die Gläserne Kette zeigt Bauten für besondere<br />
Aufgaben: <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Hochschule für M<strong>in</strong>eralogie" <strong>und</strong> e<strong>in</strong> "Museum im Hochgebirge", e<strong>in</strong><br />
"Ausstellungsgebäude", "Künstler- <strong>und</strong> Gelehrtenheime", "Festbauten" sowie mehrere<br />
"Varianten freitragender Kuppelbauten" als "Wahrzeichen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Stadt".<br />
Die "Hochschule für M<strong>in</strong>eralogie" (Abb. 349) <strong>und</strong> das "Museum im Hochgebirge" (Abb.<br />
350), zwei aus rechtw<strong>in</strong>klig verzahnten Kr<strong>ist</strong>allfächern konstruierte Bauten, s<strong>in</strong>d ganz mit<br />
schweren Zackenprismen <strong>und</strong> Tetraedern überkrustet. Aus der Verb<strong>in</strong>dung von kostbaren<br />
Baumaterialien "Glas, Silber, Gold <strong>und</strong> Kupfer" mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m "Standort an schwer zugängli-<br />
cher Stelle" bildeten sie e<strong>in</strong> Lehrbeispiel aus Kunst <strong>und</strong> Natur für den zukünftigen Men-<br />
schen: "nur wirkliches Interesse f<strong>in</strong>det den Weg".<br />
Die Entwürfe für e<strong>in</strong> "Künstler- <strong>und</strong> Gelehrtenheim <strong>in</strong> den Dünen auf Sylt" 450 (Abb. 352-<br />
353) gehen mit ihrer fragilen, dynamischen Schneckenkonstruktion auf Vladimir Tatl<strong>in</strong>s<br />
Turmmodell für die Dritte Internationale (Petrograd 1919/20, Abb. 354) zurück. Virgilio<br />
Marchi formulierte <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Gebäudeentwurf für die Piazza <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r futur<strong>ist</strong>ischen Stadt<br />
(1919, Abb. 355) den gegenläufigen Schwung aus Plattformen <strong>und</strong> Bogenstellungen.<br />
Habliks Konzept vertrat <strong>in</strong> der Nachfolge von Ernst Haeckels "Kunstformen der Natur"<br />
exemplarisch die Vere<strong>in</strong>igung von Kunst <strong>und</strong> Natur <strong>in</strong> der neuen Welt: "Wandel-<br />
Zickzackgänge <strong>und</strong> Hallen, durch vielfarbiges Glas - Achat <strong>und</strong> dünne Alabasterwände<br />
getrennt wie das Innere
- 185 -<br />
von Muscheln oder Zellen der Bäume". Im Außen- wie im Innenbau waren hier Erlebnis-<br />
räume geplant, die die Benutzer der Bauten <strong>in</strong> Erziehung, Forschung <strong>und</strong> Kunst auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Synthese mit der Natur verpflichten sollten.<br />
Bei den Entwürfen für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n "Freitragenden selbstspannenden Kuppelbau, 'Wahrzeichen'<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Stadt" (Abb. 357-358) 451 diente die Vermittlung <strong>des</strong> Raumerlebnisses kulti-<br />
schen Zwecken. Der dreifach abgestufte Sockelbau aus Bogenstellungen nach dem Kon-<br />
struktionsschema von Paxtons Londoner Kr<strong>ist</strong>allpalast (1851) sollte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kuppel mit<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Spannweite von dreih<strong>und</strong>ert Metern tragen, die sich als freitragende Konstruktion<br />
aus der bekannten Verdrehung übere<strong>in</strong>anderliegender Kuppelsegmente ergab. Im Innern<br />
<strong>des</strong> Kuppelbaus vermitteln an Ketten aufgehängte Kugeln den E<strong>in</strong>druck <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Himmels-<br />
gewölbes mit frei schwebenden Planeten. E<strong>in</strong>e veränderte Fassung <strong>des</strong> Entwurfs (Abb.<br />
358 a) zeigt unter dem Titel "die Halle der 7 W<strong>und</strong>er" <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n "Schautempel der Natur":<br />
"K<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kirchen <strong>und</strong> Altare, aber Gotteshäuser voll positiven Gottestums". E<strong>in</strong>e weitere<br />
Gruppe von Kuppelvarianten, kreisr<strong>und</strong>e Türme mit e<strong>in</strong>geschnürten Kuppelsegmenten<br />
(Abb. 363-366), ahmt <strong>in</strong>dische Pagoden nach (Abb. 367) <strong>und</strong> läßt erneut den E<strong>in</strong>fluß<br />
östlicher Kulturen <strong>und</strong> Religionen sichtbar werden.<br />
Der "freitragende Kuppelbau" <strong>in</strong> der Nachfolge <strong>des</strong> "Schautempel"-Entwurfs von 1914<br />
wurde den Mitgliedern der Gläsernen Kette zugleich als technische Innovation vorge-<br />
stellt. Der Außenansicht <strong>und</strong> dem Querschnitt war e<strong>in</strong> weiteres Blatt "Zur Erklärung <strong>des</strong><br />
Pr<strong>in</strong>zips der freitragenden Kuppel" 452 beigefügt:<br />
"Spannweite bis 1000 m möglich <strong>und</strong> mehr. Ohne Kuppelgerüst zu bauen! Unbegrenzte<br />
Ausführungsmöglichkeiten, was Form <strong>und</strong> Material sowie Ausschmükkung<br />
anbelangt."<br />
Hablik erwartete offenbar, daß <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der Architekten der Geme<strong>in</strong>schaft die Chance dieser<br />
technischen Neuerung ergreifen <strong>und</strong> Max Bergs Breslauer "Jahrh<strong>und</strong>erthalle" <strong>in</strong> den<br />
Schatten stellen würde. 453<br />
Zwei Entwürfe für Festbauten (Abb. 368-369) orientierten sich an den Architektur-<br />
zeichnungen Max Tauts, die von riesigen aufwärtsstrebenden Betonflächen <strong>in</strong> dreieckiger<br />
oder polygonaler Form geprägt waren. Der
- 186 -<br />
Gegensatz aus steilen <strong>und</strong> verzogenen Pyramidenformen zu R<strong>und</strong>bögen <strong>und</strong> ovalen Ele-<br />
menten sowie oben aufgepflanzte Fahnen, die den "Triumph der Gesetze <strong>in</strong> der Natur"<br />
(Abb. 369) verkünden sollten, verweisen auf Max Tauts "Betonhallen"-Entwurf (Abb.<br />
327) für die Gläserne Kette. Die geplante geometrische <strong>und</strong> ornamentale Bemalung der<br />
Festbauten "nur <strong>in</strong> den Complementären" (Abb. 368) schloß an den farbigen Entwurf zum<br />
"Vielfamilienwohnhaus" (1912, Abb. 113) an, berücksichtigte aber auch neueste Bestre-<br />
bungen zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r farbigen Architektur, die Bruno Taut 1919 mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m "Aufruf zum<br />
farbigen Bauen" <strong>in</strong>itiiert hatte. 454<br />
Die Planungen für Hochschule <strong>und</strong> Museum, für Ausstellungs-, Kult- <strong>und</strong> Festbauten<br />
entsprachen <strong>in</strong> ihrem gesellschaftlichen Niveau den Bedürfnissen <strong>des</strong> Bürgertums. Die<br />
repräsentative Gestaltung durch kostbare Materialien <strong>und</strong> die Betonung der architek-<br />
tonischen Mittelachsen verkörperte die Herrschaft <strong>des</strong> bürgerlichen Bildungsideals. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Vermittlung über Erlebnisräume mit naturphilosophischer <strong>und</strong> religiöser Gr<strong>und</strong>haltung<br />
richtete sich auf die künftige homogene Weltgeme<strong>in</strong>schaft - e<strong>in</strong> Weltbürgertum, das<br />
bürgerlich repräsentierte <strong>und</strong> dem reflexiv bürgerliche Ideale vermittelt werden sollten.<br />
III. Hablik als E<strong>in</strong>zelkämpfer<br />
1. Künstlerische Vere<strong>in</strong>samung<br />
Hablik, der sich mit großem E<strong>in</strong>satz an der Gläsernen Kette beteiligt hatte, nahm das<br />
E<strong>in</strong>schlafen der Geme<strong>in</strong>schaft zum Jahresende 1920 mit Unverständnis <strong>und</strong> Enttäuschung<br />
zur Kenntnis. Bis zum Sommer <strong>des</strong> folgenden Jahres bemühte er sich, den Kontakt zu<br />
e<strong>in</strong>zelnen Mitgliedern der Gruppe wieder aufzunehmen. Bruno Taut, seit Mai 1921<br />
Stadtbaurat <strong>in</strong> Magdeburg, schrieb ihm Ende August, se<strong>in</strong> Schweigen bedeute<br />
"nichts anderes als <strong>e<strong>in</strong>e</strong> sehr starke Arbeitsüberlastung <strong>in</strong>folge m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r hiesigen<br />
Tätigkeit. Die 'Fühlung' wünsche ich unbed<strong>in</strong>gt aufrecht zu erhalten. Ich gebe<br />
wieder e<strong>in</strong> 'Frühlicht' heraus als Vierteljahresschrift, zu <strong>des</strong>sen Mitarbeit ich Sie<br />
sehr gern sehen möchte. Wenn es geht, kommen Sie bitte auf Ihrer Rückreise über<br />
Magdeburg." 455
- 187 -<br />
Hablik hatte sich offenbar auch um e<strong>in</strong> Treffen mit den Brüdern Luckhardt bemüht; denn<br />
bald darauf schlug ihm Wassili <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zusammenkunft mit Taut <strong>in</strong> Magdeburg vor, wo man<br />
auch Carl Krayl antreffen werde. 456 Es werde ihn <strong>in</strong>teressieren, "den neuen Wirkungskreis<br />
von Bruno Taut kennenzulernen". 457 Die Begegnung fand schließlich bei den Brüdern<br />
Luckhardt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> statt. Hablik schrieb darüber zwei Jahre später an Adolf Behne, der<br />
ebenfalls dort erschienen war:<br />
"Ich weiß nicht, wie weit Sie über das 'fre<strong>und</strong>schaftliche Austauschverhältnis' von<br />
ungefähr 14 Menschen untere<strong>in</strong>ander, das Taut s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rzeit angeregt hat, orientiert<br />
s<strong>in</strong>d. Ich weiß nur, daß Sie gerade da waren, als ich voller unbändiger Ungeduld<br />
über das 'ewige Schweigen' unter eben diesen 14 Taut bei den Brüdern Luckhardt<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> aufsuchte. 'Man' schien sich nichts zu sagen zu haben, <strong>und</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> persönliche<br />
Auffassung von eben dieser 'Austauschgeschichte' war wohl falsch. Vieles<br />
mag den damaligen Verhältnissen zuzuschieben se<strong>in</strong>, jedenfalls ertönte nur noch - -<br />
- Schweigen r<strong>in</strong>gsum auf me<strong>in</strong> wiederholtes Pochen als e<strong>in</strong>ziges Echo. Ich sah Sie<br />
also persönlich damals nur kurz, gesprochen haben wir so gut wie nichts, <strong>und</strong> doch<br />
habe ich es außerordentlich bedauert, daß Sie damals nicht geblieben s<strong>in</strong>d. Denn<br />
ich glaube, wir hätten uns was zu sagen gehabt. Wie die Situation freilich damals<br />
lag, war es schwierig, den 'Anfangsbuchstaben' zu f<strong>in</strong>den, denn ich persönlich war<br />
auf etwas ganz anderes gefaßt, als ich <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> bei Luckhardts fand, als ich von<br />
hier aus 'geträumt' hatte. Ich glaubte, gegen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> 'Arbeitswoge' zu prallen, die ich<br />
mir <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m abgeschlossenen W<strong>in</strong>kel nicht heftig genug vorstellen konnte,<br />
zumal ich zum Platzen voll von Ideen <strong>und</strong> Plänen geladen war." 458<br />
Bereits während der Laufzeit der Gläsernen Kette hatte sich Hablik aufgr<strong>und</strong> der starken<br />
Resonanz, die die kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Architektur <strong>in</strong> der Geme<strong>in</strong>schaft erhielt, wieder stärker um<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kr<strong>ist</strong>allsammlung gekümmert. Im Verlauf <strong>des</strong> Jahres 1920 war s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Korrespon-<br />
denz mit M<strong>in</strong>eralienhandlungen <strong>in</strong> Hamburg, Idar-Oberste<strong>in</strong> <strong>und</strong> Wien sprunghaft ange-<br />
stiegen, wo er für sich <strong>und</strong> für Fre<strong>und</strong>e umfangreiche Bestellungen aufgab. 459 Jetzt, 1921,<br />
begann er <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n regen fachlichen Briefwechsel mit dem Leiter der M<strong>in</strong>eralien-Niederlage<br />
der Bergakademie Freiberg <strong>in</strong> Sachsen, Direktor Edelmann, 460 <strong>in</strong> <strong>des</strong>sen Folge ganze Kol-<br />
lektionen von Kr<strong>ist</strong>allen <strong>und</strong> hölzernen Kr<strong>ist</strong>allmodellen gegen Bezahlung von Freiberg<br />
nach Itzehoe wechselten. 461 Um sich bei Edelmann <strong>und</strong> beim Reichse<strong>in</strong>fuhramt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>,<br />
das für Sendungen aus Österreich zuständig war, Respekt zu verschaffen, wies er auf die<br />
Notwendigkeit h<strong>in</strong>, für die "künstle-
- 188 -<br />
rischen Arbeiten (Architektur, Plastik, Malerei) s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Studiensammlung von Anschau-<br />
ungsmaterial ... zu vermehren". 462 Direktor Edelmann nahm Habliks Bitten um besonders<br />
schöne <strong>und</strong> ausgefallene Exemplare als Vorbilder für "m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Arbeit <strong>in</strong> Betreffs der<br />
Kr<strong>ist</strong>all Architektur" 463 ernst <strong>und</strong> bemühte sich, "alles (zu tun), um Ihnen das Weiter-<br />
arbeiten durch Beschaffung billigeren Materials zu ermöglichen". 464<br />
E<strong>in</strong>e zw<strong>in</strong>gende Notwendigkeit für die Vergrößerung <strong>des</strong> Vorbilderf<strong>und</strong>us bestand jedoch<br />
nicht. Lange vor 1920 hatte die zur Wiener Zeit begonnene Kr<strong>ist</strong>all- <strong>und</strong> Naturalien-<br />
sammlung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n bedeutenden Umfang erreicht. Darüber h<strong>in</strong>aus war der Künstler selbst <strong>in</strong><br />
der Lage, e<strong>in</strong>zelne Kr<strong>ist</strong>alle oder Kr<strong>ist</strong>allgruppen zu skizzieren, die er <strong>in</strong> ähnlicher Größe<br />
<strong>und</strong> Form zu erhalten wünschte. 465 Vor allem das Wismut, <strong>des</strong>sen mäanderartige Schrau-<br />
benversetzungen <strong>in</strong> den utopischen Entwürfen immer stärkere Bedeutung erlangten, war<br />
von Anfang an <strong>in</strong> der Sammlung vorhanden: Der Großvater hatte e<strong>in</strong> Exemplar von der<br />
Pariser Weltausstellung 1867 mitgebracht. 466 Dennoch erwarb Hablik im April 1920 von<br />
dem M<strong>in</strong>eralien-Comptoir Julius Böhm <strong>in</strong> Wien e<strong>in</strong> weiteres sogenanntes "Erdbeben" -<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kr<strong>ist</strong>allstufe <strong>des</strong> Wismuts, die während <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>allisationsprozesses zusammen-<br />
gefallen <strong>und</strong> <strong>in</strong> gestuften Mäandermustern erstarrt war. 467 Im Juni 1921 unternahmen<br />
Hablik <strong>und</strong> Direktor Edelmann geme<strong>in</strong>same Anstrengungen, um <strong>in</strong> Freiberg Wismut-<br />
kr<strong>ist</strong>alle <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m komplizierten technischen Verfahren herstellen zu lassen. 468 Aus dieser<br />
Zeit dürfte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Kr<strong>ist</strong>allstufe stammen, die sich heute <strong>in</strong> der Sammlung Hablik<br />
bef<strong>in</strong>det (Abb. 370).<br />
Das neu erwachte Interesse für die Kr<strong>ist</strong>allsammlung war von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Sammeleifer getrie-<br />
ben, der die größtmögliche Zahl der seltensten <strong>und</strong> formenreichsten Naturw<strong>und</strong>er verei-<br />
nigt wissen wollte. Sie waren die Repräsentanten der <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Universalnatur, deren Ge<strong>ist</strong><br />
<strong>und</strong> Gesetze die Gr<strong>und</strong>lage <strong>des</strong> utopischen Weltentwurfs darstellten. Künstlerische Arbeit<br />
<strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>allsammlung bildeten für Hablik die angestrebte Vere<strong>in</strong>igung von Kunst <strong>und</strong><br />
Natur, zu der ebenso die selbstgestalteten Sammlungsschränke <strong>und</strong> die kr<strong>ist</strong>alltragenden<br />
Metallobjekte gehörten (Abb. 371-373). Der Künstler beabsichtigte, jenes Ambiente zu<br />
vervollkommnen, <strong>in</strong> dem die Architekturphantasien gedeihen sollten. Ganz e<strong>in</strong>ge-<br />
schlossen von der rie-
- 189 -<br />
sigen Kr<strong>ist</strong>allsammlung, schien sich das Projekt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s utopischen Paradieses zu verwirk-<br />
lichen. Hablik rechnete mit der propagand<strong>ist</strong>ischen Wirkung dieser Symbiose. 1923 lud er<br />
Adolf Behne e<strong>in</strong>, sich <strong>in</strong> Itzehoe 'vor Ort' von dem Fortgang s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeit an der uto-<br />
pischen Architektur zu <strong>in</strong>formieren. Nur hier, <strong>in</strong> der Ausstrahlung <strong>des</strong> Ambientes aus<br />
Kunst <strong>und</strong> Natur, schien es ihm s<strong>in</strong>nvoll, Behne "e<strong>in</strong> überzeugen<strong>des</strong> Gebilde ... vorzu-<br />
stellen". 469<br />
Analog zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m verstärkten E<strong>in</strong>satz für die Kr<strong>ist</strong>allsammlung schuf er im Jahre 1921<br />
nur wenige neue Architekturentwürfe. Der Verlust der Motivation durch die Gläserne<br />
Kette hatte sich stärker auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arbeit ausgewirkt, als er es später zugeben mochte.<br />
Zunächst entstanden lediglich Neufassungen der 1919 auf der "Ausstellung für unbe-<br />
kannte Architekten" gezeigten Entwürfe für "Ausstellungsbauten" (Abb. 374-376). Er<br />
tilgte zeichnerische Fehler <strong>und</strong> Unstimmigkeiten <strong>in</strong> der Baukonstruktion; Strahlen- <strong>und</strong><br />
Wolkengloriolen traten an die Stelle der seitlichen Beischriften. Waren die Urfassungen<br />
mit der Bezeichnung der Gr<strong>und</strong>risse <strong>und</strong> der Baumaterialien dem <strong>in</strong>novativen Architek-<br />
turentwurf gewidmet, so vertraten die Neufassungen die Sicherung <strong>des</strong> Konzepts durch<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ausgefeilten künstlerischen Vortrag.<br />
Mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Serie von drei Holzschnitten, die 1921/22 <strong>in</strong> der Büsumer lan<strong>des</strong>k<strong>und</strong>lichen<br />
Zeitschrift "Dithmarschen" erschien, stellte der Künstler s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> utopischen Architekturen<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m heimatlichen Publikum vor. E<strong>in</strong>e strahlende, <strong>in</strong> Kr<strong>ist</strong>allspitzen e<strong>in</strong>gebettete Facet-<br />
tenkuppel (Abb. 377), e<strong>in</strong> aus Kr<strong>ist</strong>allkuben aufgeschichtetes "Wohnhaus <strong>in</strong> der Heide"<br />
(Abb. 378) sowie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> am Meeresgestade aufgestellte Variation <strong>des</strong> Wismutkr<strong>ist</strong>alls<br />
(Abb. 379) boten unter dem Titel "Glas aus Erde" <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n knappen Querschnitt durch die<br />
Arbeit <strong>des</strong> vorangegangenen Jahres. 470<br />
Sicherung <strong>des</strong> erarbeiteten Formenkanons <strong>und</strong> Verankerung <strong>in</strong> der Alltagswelt bedeutete<br />
auch die erneute Übertragung <strong>des</strong> utopischen Sujets <strong>in</strong> das Medium <strong>des</strong> Gemäl<strong>des</strong>. Als<br />
erstes von drei Ölbildern entstand im Mai 1921 das Gemälde "Gebirgsland" (Abb. 380)<br />
mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Ensemble utopischer Architekturen. Es <strong>ist</strong> aus Versatzstücken früherer<br />
Entwürfe komb<strong>in</strong>iert: Im Zentrum steht der als "Museum im Hochgebirge" (Abb. 350)<br />
bekannte fächerartige, kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong> überkrustete Bau, schräg davor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s der
- 190 -<br />
kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Knospengebilde aus den Entwürfen für "Bearbeitete <strong>und</strong> bebaute Berge"<br />
(Abb. 332-333). Von hier stammen auch die <strong>in</strong> Terrassen angelegten Hänge, Schluchten<br />
<strong>und</strong> Wasserkanäle der Vordergr<strong>und</strong>landschaft. Bergseen auf verschiedenem Niveau, Wie-<br />
senmatten, Gruppen p<strong>in</strong>ienartiger Bäume <strong>und</strong> Kugeln auf vere<strong>in</strong>zelten Plateaus s<strong>in</strong>d aus<br />
den Bildern "Quellen<strong>in</strong>sel" (Abb. 134) <strong>und</strong> "Meereszauber" (Abb. 142) von 1917 über-<br />
nommen. Kubische Bergformationen im h<strong>in</strong>teren Bildgr<strong>und</strong> gehen auf das Gemälde "Der<br />
Weg <strong>des</strong> Genius" (1918, Abb. 146) zurück. Neu erf<strong>und</strong>en <strong>ist</strong> lediglich e<strong>in</strong> zweifach mu-<br />
schelartig geöffneter Bau am l<strong>in</strong>ken Bildrand. Das Ensemble besitzt ähnlich wie der 1920<br />
entworfene Paradiesgarten mit "natürlichen <strong>und</strong> künstlichen Vegetationen" (Abb. 339)<br />
ke<strong>in</strong> kompositorisches Konzept. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> leuchtende Farbigkeit aus kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n kontrastreich<br />
komb<strong>in</strong>ierten Flächen orientiert sich an der Farbbehandlung der Expression<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> der<br />
Fauves, <strong>in</strong>sbesondere an den Farbkompositionen Robert Delaunays (Abb. 381).<br />
In derselben buntfarbigen Technik entstand zwischen dem 13. <strong>und</strong> 16. Mai das Bild<br />
"Flugzeugtürme, Silos, Künstlerwohnungen" (Abb. 382). S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> pseudosymmetrische<br />
Komposition mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m zentralen Kr<strong>ist</strong>allbaum <strong>und</strong> flankierenden Türmen aus Kr<strong>ist</strong>all-<br />
kuben folgt dem strengen Aufbau der "Quellen<strong>in</strong>sel" (Abb. 134). Die Bauten s<strong>in</strong>d aus den<br />
Blättern "Doppel-Wohnhaus" (Abb. 342) <strong>und</strong> "Aus der neuen Stadt" (Abb. 345) geläufig.<br />
Kreisr<strong>und</strong>e bläuliche Wolkenbänder vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m fahlgelben, von Lichtblitzen durchzuckten<br />
Himmel glorifizieren die utopischen Architekturen.<br />
An den beiden folgenden Tagen malte Hablik den Innenraum <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s "Domes", <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Fest-<br />
halle" mit "Gondelkanal, Wasserkünsten, leuchtenden Gasglasballons" (Abb. 383). Es <strong>ist</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Halle mit kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong> facettierten Gewölben <strong>und</strong> Pfeilern, die nach unten spitz zulaufen<br />
<strong>und</strong> <strong>in</strong> Kugelgelenken aufsetzen. Zwei dieser Pfeiler stehen <strong>in</strong> dem "Gondelkanal", <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
breiteren Wasserstraße, die von menschenbesetzten Gondeln befahren <strong>und</strong> von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
schmalen Brücke mit mäanderförmigen Stützen überspannt wird. Am Ufer rollen sich<br />
dickleibige Voluten auf; weiter <strong>in</strong> der Tiefe <strong>des</strong> Raumes liegen sternförmige Polyeder, die<br />
bis zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Drittel der Hallenhöhe erreichen. Vielzackige Sterne <strong>und</strong> buntschillernde<br />
Kugeln durchfliegen den Raum. Der Betrachter sche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> immenser Höhe <strong>in</strong> die
- 191 -<br />
Halle h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zufliegen: über sich <strong>in</strong> den dunkelblau <strong>und</strong> schwarz sich verlierenden Gewöl-<br />
ben noch e<strong>in</strong>ige der bunten Gasballons - wirbelnde Farbkreise wie Delaunay sie <strong>in</strong> den<br />
Bildern <strong>des</strong> Kirchen<strong>in</strong>nern von Sa<strong>in</strong>t-Séver<strong>in</strong> verwendete (Abb. 384).<br />
Mit dem e<strong>in</strong>zigen vorangegangenen utopischen Innenraum, der Kuppel <strong>des</strong> "Schau-<br />
tempels" von 1914 (Abb. 123), hat das "Dom-Innere" nur noch wenig geme<strong>in</strong>. Dem der<br />
Volkserziehung dienenden Tempel steht e<strong>in</strong> Kathedralbau als gotisierende Freipfeiler-<br />
halle mit Kappengewölben gegenüber. Für e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziges Mal ließ Hablik das Pr<strong>in</strong>zip der<br />
"freitragenden Kuppel" zurück <strong>und</strong> gab sich der Gotik-Rezeption <strong>des</strong> utopischen Expres-<br />
sionismus h<strong>in</strong>. 471 Lange vor Landauer, Worr<strong>in</strong>ger, Behne <strong>und</strong> Scheffler hatte Paul<br />
Scheerbart 1897 <strong>in</strong> der - von Bruno Taut <strong>in</strong> der "Stadtkrone" (1919) wieder veröffent-<br />
lichten - Parabel "Das neue Leben. Architektonische Apokalypse" <strong>e<strong>in</strong>e</strong> durch gläserne<br />
Dome <strong>und</strong> Paläste geläuterte Gesellschaft aus "guten Menschen" entworfen. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
1914 erschienenen Buch "Glasarchitektur" nahm er dann ebenfalls die Gotik zum<br />
Ausgangspunkt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s utopischen Architektur- <strong>und</strong> Gesellschaftskonzepts:<br />
"Die Glasarchitektur <strong>ist</strong> nicht ohne die Gotik zu denken. Damals, als die gotischen<br />
Dome <strong>und</strong> Burgen entstanden, hatte man auch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Glasarchitektur gewollt. Sie<br />
kam nur nicht ganz zur Ausführung, weil man noch nicht das unerläßliche Eisenmaterial<br />
zur Verfügung hatte. Dieses erst gestattet, den ganzen Glastraum zu<br />
realisieren." (S. 30)<br />
Die wenigen Innenraumentwürfe aus der Gläsernen Kette orientieren sich an diesem<br />
Gr<strong>und</strong>satz. In Bruno Tauts Architekturschauspiel "Der Weltbaume<strong>ist</strong>er" (1920) wächst<br />
e<strong>in</strong> gotischer Bau empor (Bl. 3) <strong>und</strong> "entfaltet s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Hallen" (Bl. 6) zu vielfarbigem Licht<br />
<strong>und</strong> Glockenklang. Wassili Luckhardts Innenansicht aus dem "Kultbau" (Abb. 319) zeigt<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> halbr<strong>und</strong>e Apsis mit Stichkappen über den Fenstern <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Zellengewölbe, das<br />
mit H<strong>und</strong>erten bunter Glasdreiecke gefüllt <strong>ist</strong>. E<strong>in</strong> ähnlich konstruierter kryptenartiger<br />
Raum war für e<strong>in</strong> Landhaus <strong>in</strong> Gestalt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r gotischen Hallenkirche vorgesehen (Abb.<br />
385). Max Tauts Entwurf für e<strong>in</strong> "Blütenhaus" von 1921 (Abb. 386) kommt Habliks<br />
"Dom-Inneren" am nächsten. Auch hier öffnen sich über spitz zulaufenden prismatischen<br />
Pfeilern <strong>und</strong> sichelförmigen Bögen blauschwarze Gewölbe, versperren spitzzackige Poly-<br />
eder den Hallenboden, erstrahlt der Raum <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bunten Farbsymphonie.
- 192 -<br />
Alle diese Räume haben jene Geme<strong>in</strong>samkeit, die Taut <strong>in</strong> der "Alp<strong>in</strong>en Architektur"<br />
formulierte: "Zweck <strong>des</strong> Domes? K<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r - wem nicht Andacht <strong>in</strong> der Schönheit genügt"<br />
(1919, B. 11). Demgegenüber erweiterte jedoch Hablik die Erlebnisqualität s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Rau-<br />
mes. Die schwebenden Sterne <strong>und</strong> "leuchtenden Gasballons" vermitteln e<strong>in</strong> bisher unbe-<br />
kanntes Gefühl der Schwerelosigkeit, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Aufbruch zu fernen Welten im schwerelosen<br />
All. Der Gondelkanal bietet e<strong>in</strong> geradezu tour<strong>ist</strong>isches Vergnügen, das den gebauten<br />
Raum aus der Bewegung heraus erleben läßt. Sterne, Voluten <strong>und</strong> vom Wismut abge-<br />
leitete Mäander werden <strong>in</strong> der Vorbeifahrt als Symbole <strong>des</strong> Weltalls, der Bewegung <strong>in</strong><br />
der Natur <strong>und</strong> ihrer im Kr<strong>ist</strong>all verewigten Schöpfungskraft erkannt. Der Erlebnisraum<br />
bietet zusätzlich die Möglichkeit der Naturerkenntnis.<br />
Mit der angestrebten Dualität von Erleben <strong>und</strong> Erkenntnis näherte sich Hablik der Archi-<br />
tekturauffassung Rudolf St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rs, der zwischen 1913 <strong>und</strong> 1920 <strong>in</strong> Dornach das erste<br />
Goetheanum als Wirkungszentrum der Anthroposophie errichtet hatte. So wie Taut <strong>und</strong><br />
Hablik den "Dom" als höchsten ge<strong>ist</strong>igen Ausdruck der künftigen Gesellschaft ansahen,<br />
hatte St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r die ägyptischen, persischen, griechischen <strong>und</strong> gotischen Tempel - mit denen<br />
er das Goetheanum verglich - als wichtigste Äußerung <strong>des</strong> Ge<strong>ist</strong>eslebens ihrer jeweiligen<br />
Zeit empf<strong>und</strong>en (vgl. Santomasso 1973, 241). Die Gestaltung <strong>des</strong> ersten Goetheanums,<br />
<strong>des</strong>sen beide Kuppeln mit figürlichen, aus Farbströmen entwickelten Darstellungen<br />
ausgemalt waren, leitete St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r aus derselben Dualität von Erkennen <strong>und</strong> Erleben ab:<br />
"Was man aus anthroposophischer Erkenntnis heraus <strong>in</strong> Gedanken formt, das steht<br />
für sich da. (...) Dagegen hat man durch das Erleben derjenigen Wirklichkeit,<br />
welche Anthroposophie enthüllt, das Bedürfnis, <strong>in</strong> Formen, <strong>in</strong> Farben künstlerisch<br />
zu leben." (St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r, Ausg. 1961, 311)<br />
"Erkennen <strong>und</strong> künstlerisches Gestalten schließen sich im Herzpunkt <strong>des</strong> Erlebens zu<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m umfassenderen Ganzen zusammen" (Schuyt/Elffers 1980, 28). Auch das Goethe-<br />
anum war nach Auffassung von Åke Fant (1977, 156) <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Zukunftskathedrale", <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Art<br />
"Stadtkrone" für die umgebende Architektur. Es war "positiven menschlichen Tugenden<br />
gewidmet, sollte <strong>in</strong> (s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n) Formen das Vertrauen zu Frieden <strong>und</strong> Freiheit erwecken".
- 193 -<br />
In demselben S<strong>in</strong>ne waren Raumerlebnis <strong>und</strong> Naturerkenntnis <strong>in</strong> Habliks "Dom-Inneren"<br />
ke<strong>in</strong> Selbstzweck, sondern auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> geme<strong>in</strong>schaftsbildende Wirkung h<strong>in</strong> angelegt. Die<br />
"gotischen" Dimensionen <strong>und</strong> Formen der Halle spiegeln die Erwartung jenes "e<strong>in</strong>igen-<br />
den Kollektivwillens", jener "Massenk<strong>und</strong>gebungen" wider, die Karl Scheffler für die<br />
gotische Epoche festgestellt hatte. Um die Antriebskraft <strong>des</strong> gotischen "Formwillens" zu<br />
erklären, hatte Scheffler Formulierungen gewählt, die mit den Sehnsüchten der Utop<strong>ist</strong>en<br />
nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r <strong>in</strong> die Zukunft vordr<strong>in</strong>genden schaffensfreudigen <strong>und</strong> sozial homogenen Ge-<br />
me<strong>in</strong>schaft übere<strong>in</strong>stimmten:<br />
"Der Empordrängende vor allem will ungewöhnliche Denkmale s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Willens<br />
errichten, er denkt <strong>in</strong> st<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rnen Babelgedanken. (...) In Augenblicken, wo e<strong>in</strong> Volk<br />
<strong>in</strong> der Mitte dasteht zwischen unbed<strong>in</strong>gter Anbetung <strong>und</strong> Ge<strong>ist</strong>esfreiheit, wo es sich<br />
selbst wachsen fühlt <strong>und</strong> auch die Lust <strong>des</strong> Wachsens, geraten die Werke am größten<br />
<strong>und</strong> reichsten im S<strong>in</strong>ne <strong>des</strong> Ge<strong>ist</strong>es der Gotik. (...) Darum s<strong>in</strong>d vor allem werdende<br />
Völker, die noch auf Morgenstufen weilen, Völker mit Jüngl<strong>in</strong>gstemperament,<br />
voll vom Ge<strong>ist</strong>e der Gotik." (1917, 36)<br />
Auf der Gr<strong>und</strong>lage dieser Erkenntnisse knüpfte Hablik, der <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Entwurf "Bauen im<br />
Gebirge" (Abb. 336) die "Ahnung kommender größter Lust am Bauen der Völker" vor-<br />
ausgesagt hatte, an die gotisierende Halle die Erwartung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künftigen, von tiefer Reli-<br />
giosität beseelten <strong>und</strong> durch Architektur sozial gee<strong>in</strong>ten Menschheit. Dennoch sah er<br />
offenbar <strong>in</strong> der durch Pfeiler verstellten gotischen Halle <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n technischen Rückschritt. 472<br />
"Dome" nannte er fortan nur noch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> nach dem Pr<strong>in</strong>zip der freitragenden Kuppel" ent-<br />
worfenen Großbauten.<br />
2. Architektur für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Gesellschaft<br />
Tauts E<strong>in</strong>ladung zur Mitarbeit an der Zeitschrift "Frühlicht", 473 die dieser seit dem Herbst<br />
1921 als "Folge für die Verwirklichung <strong>des</strong> neuen Baugedankens" im Karl Peters Verlag<br />
<strong>in</strong> Magdeburg wieder herausgab, öffnete Hablik erneut den Zugang zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Publika-<br />
tionsorgan aus dem Kreis der Gläsernen Kette. Im zweiten Heft vom W<strong>in</strong>ter 1921/22<br />
erschien se<strong>in</strong> Entwurf für den aus Würfeln zusammengesetzten "Ausstellungsbau" <strong>in</strong> der<br />
Fassung von 1919 (Abb. 313). Zwischen den kub<strong>ist</strong>isch-sachlichen Entwürfen von Jaco-<br />
bus J. Pieter Oud für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fabrik- <strong>und</strong> Kontoranlage
- 194 -<br />
<strong>und</strong> von Antonio Sant'Elia für e<strong>in</strong> Geschäftshaus wurde Habliks "Turm" zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Projekt<br />
realer Architektur <strong>und</strong> verlor damit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> utopische <strong>und</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Diktion. Die darunter<br />
abgebildete Ansicht <strong>des</strong> Londoner Kr<strong>ist</strong>allpalastes verwies auf die Tradition sachlicher<br />
kubischer Architektur <strong>und</strong> bestätigte zugleich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der Wurzeln von Habliks Kuppel- <strong>und</strong><br />
Ausstellungsbauten.<br />
Die Zusammenstellung der Abbildungen entsprach dem vorangegangenen Essay "Archi-<br />
tekten" von Adolf Behne, der zeitgenössische Architekturströmungen beschrieb <strong>und</strong> zu-<br />
gleich ornamentlose, rationale Bauten von Adolf Loos' "Haus am Michaelerplatz“ <strong>in</strong><br />
Wien (1910) bis zur Gruppe De Stijl favorisierte. Behne, der der Gläsernen Kette nahe-<br />
gestanden hatte, erklärte alles "Utopische" für überholt:<br />
"Als nach Kriegsende die Welle <strong>des</strong> Utopischen <strong>und</strong> Romantischen auch die jungen<br />
Architekten ergriff (Ausstellungen 'Unbekannter Architekten' <strong>und</strong> 'Neues<br />
Bauen'), war das die Folge der langen Isolierung, als Reaktion <strong>des</strong> Gefühls auf die<br />
Nutzlosigkeit der geopferten Jahre verständlich. Aber wohl alle Utop<strong>ist</strong>en haben<br />
<strong>in</strong>zwischen vom Kult <strong>des</strong> Phantastischen zum Lebendigen <strong>und</strong> zur Selbstbes<strong>in</strong>nung<br />
zurückgef<strong>und</strong>en." (Behne 1921, 55)<br />
Gleichwohl erschienen <strong>in</strong> den ersten drei Heften von "Frühlicht" neben städtebaulichen<br />
Analysen <strong>und</strong> Entwürfen für Magdeburg von Bruno Taut <strong>und</strong> Carl Krayl erneut Erzäh-<br />
lungen <strong>und</strong> Sprüche von Paul Scheerbart, Tauts "kosmisch-komisches" Weltraum-<br />
Karussell aus der "Auflösung der Städte" (1920), Variationen der utopischen Bauten von<br />
Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, Carl Krayls "Kathedrale der Chr<strong>ist</strong>ian Science", mosaikartige <strong>und</strong><br />
vernetzte Studien von Paul Goesch für Innenenräume <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Portal, schließlich Max<br />
Tauts kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>-gotisieren<strong>des</strong> Grabmal Wiss<strong>in</strong>ger <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>-Stahnsdorf <strong>und</strong> Tatl<strong>in</strong>s<br />
Denkmal für die Dritte Internationale. Kurt Schwitters veröffentlichte se<strong>in</strong> aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Arzneikork, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Buchen- <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Kiefernstumpf zusammengenageltes Modell für<br />
e<strong>in</strong> "Schloß <strong>und</strong> Kathedrale mit Hofbrunnen" <strong>und</strong> forderte die "Merzarchitektur". Erst das<br />
vierte <strong>und</strong> letzte Heft "gehört bereits anderen, neuen Stimmen im Widerspiel der Kräfte:<br />
... dem Weltstadt-Denker Mart<strong>in</strong> Mächler ... Mies van der Rohe, der von 1921 an die<br />
Architektur-Sektion der 'Novembergruppe' leitet ... dem Rotterdamer Stadtbaume<strong>ist</strong>er<br />
J.J.P. Oud: Ohne <strong>in</strong> dürren
- 195 -<br />
Rationalismus zu verfallen, wird <strong>e<strong>in</strong>e</strong> sich rationell auf die heutigen Lebensumstände<br />
gründende Baukunst vor allem sachlich se<strong>in</strong>" (Conrads 1963, 10).<br />
Wenzel Hablik lieferte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> der umfangreichsten utopischen Arbeiten für die Zeitschrift,<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Aufsatz über "Die freitragende Kuppel <strong>und</strong> ihre Variabilität, unter Berücksichti-<br />
gung verschiedener Materialien <strong>und</strong> Verwendungsmöglichkeiten" - e<strong>in</strong> unverlangtes<br />
Manuskript mit Gr<strong>und</strong>rissen, Bauentwürfen <strong>und</strong> Detailplänen, das Taut im Januar 1922<br />
dankend annahm 474 <strong>und</strong> im dritten Heft der Zeitschrift veröffentlichte. 475<br />
Die Darstellung <strong>des</strong> bekannten <strong>und</strong> im Gr<strong>und</strong>e e<strong>in</strong>fachen Konstruktionspr<strong>in</strong>zips nahm den<br />
kürzesten Raum e<strong>in</strong>. Der Künstler erläuterte die Verdrehung der quadratischen oder viel-<br />
eckigen Gr<strong>und</strong>formen <strong>und</strong> die Überdachung von Ecküberständen mit prismatischen<br />
Oberlichtern. Der Kuppelaufbau aus übere<strong>in</strong>ander liegenden "Eisenkonstruktionsr<strong>in</strong>gen"<br />
habe den Vorteil, daß nur senkrechte Belastungen berechnet zu werden brauchten, die<br />
Schalungs- <strong>und</strong> Gerüstmasse ger<strong>in</strong>g gehalten <strong>und</strong> der ganze Bau nahezu ohne Gerüst<br />
aufgeführt werden könne. Diese E<strong>in</strong>sparungen würden sich besonders bei großen Raum-<br />
dimensionen auszahlen. Die Materialien hätten sich nach der Größe <strong>des</strong> Gebäu<strong>des</strong> zu<br />
richten: Holz, Ziegel <strong>und</strong> Fachwerk bei Gartenhäusern, Spielbuden <strong>und</strong> Festhallen, Eisen,<br />
Beton <strong>und</strong> Glas bei Zirkus- oder Theaterbauten. Nach dem Vorbild der für Lichtzeichen<br />
<strong>und</strong> Werbe<strong>in</strong>serate gedachten Signaltürme <strong>in</strong> Scheerbarts Roman "Das große Licht"<br />
(1912, 133) kam auch e<strong>in</strong> "Riesenmeßturm" <strong>in</strong> Betracht: "alle Wände vollkommen ohne<br />
Löcher, überall Oberlicht <strong>und</strong> alle Außenflächen als Plakatraum <strong>und</strong> Lichtreklame zu<br />
verwenden" (Hablik 1922, 94).<br />
Lag bei den Kuppelentwürfen von 1920 (Abb. 357-358) das größere Gewicht auf der<br />
Raumwirkung, so drängte sich bei den im Aufsatz enthaltenen Zeichnungen kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>er<br />
Facettenreichtum <strong>in</strong> den Vordergr<strong>und</strong>. Zwei schlanke Türme waren vollständig aus<br />
Dreiecken <strong>und</strong> Facetten zusammengesetzt (ebd., 96/97, Fig. M/T); <strong>e<strong>in</strong>e</strong> andere Variante<br />
sollte durch das Fortlassen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s horizontalen Elements "bei weiterer Durchbildung zu<br />
den freiesten Kr<strong>ist</strong>allformen mit schillerndster Facettierung" führen (ebd., 96, Fig. S).
- 196 -<br />
Der Künstler <strong>in</strong>terpretierte s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Entwürfe <strong>in</strong> ihrer Dualität von Naturverehrung <strong>und</strong><br />
Naturbeherrschung. Die kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Gestaltung entspreche formalen Gesetzen, die die<br />
Natur als Lehrme<strong>ist</strong>er<strong>in</strong> offenbare. Diese Gesetze würden durch die neuartige Beherr-<br />
schung natürlicher Materialien <strong>in</strong> idealer Weise erfüllt:<br />
"Allmutter Natur (gibt uns) <strong>in</strong> den grotesken Gebilden der verschiedenen Kr<strong>ist</strong>alle<br />
Architekturgesetze für die kühnsten Glasbauten ablesbar zu sehen ... die auch für<br />
den 'Glasbaume<strong>ist</strong>er' der Zukunft e<strong>in</strong> w<strong>und</strong>ervolles Lehr- <strong>und</strong> Vergleichsmaterial<br />
se<strong>in</strong> werden. Besonders dann, wenn wir das Glas aus dem jeweiligen Gr<strong>und</strong> an Ort<br />
<strong>und</strong> Stelle, also aus Erde, machen <strong>und</strong> ... im Großen zu verarbeiten gelernt haben!<br />
... Glas aus Erde!, <strong>in</strong> jedem Durchsichtigkeits- <strong>und</strong> Helligkeitsgrad herstellbar -<br />
durch e<strong>in</strong> neues Verhüttungsverfahren -, <strong>in</strong> jeder Farbe herstellbar durch ger<strong>in</strong>ge<br />
Beimengungen anderer Stoffe! (...)<br />
Die vielen Möglichkeiten, die es <strong>in</strong> technischer H<strong>in</strong>sicht gibt, berechtigen uns<br />
jedenfalls schon heute, vom 'Bauen' als von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Kr<strong>ist</strong>allisieren zu reden, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Ane<strong>in</strong>andersetzen von 'gesetzmäßig ausgerichteten Molekülen' verschiedenster<br />
Materialien zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m e<strong>in</strong>heitlichen Gebilde." (ebd., 96)<br />
In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m dritten Komplex deutete er wirkungsästhetische Verb<strong>in</strong>dungen zwischen den<br />
Kuppelbauten <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neu zu schaffenden Gesellschaft an. Die <strong>in</strong> dem Entwurf zum<br />
"Dom-Inneren" implizierte Utopie bauender Massenbewegungen erhielt konkrete Züge<br />
<strong>und</strong> orientierte sich deutlich an der Gotik-Rezeption von Worr<strong>in</strong>ger bis Scheffler <strong>und</strong> dem<br />
Gesellschaftsentwurf der Aktiv<strong>ist</strong>en um Landauer <strong>und</strong> Taut:<br />
"... <strong>in</strong> Massen würde man vielleicht begreifen, daß der 'E<strong>in</strong>zelne', gemessen an<br />
unserem Ideenwillen - nichts <strong>ist</strong>, nichts vermag - daß aber 50.000 oder 100.000<br />
nüchterne, frische <strong>und</strong> ges<strong>und</strong>e Arbeiter <strong>e<strong>in</strong>e</strong> aufwärtsstrebende Kraft von ungeheurer<br />
Expansion bedeuten könnten, genügend, Berge zu versetzen - wenn das<br />
nötig wäre. Aus dem wiedererwachenden Gefühl für Re<strong>in</strong>lichkeit von <strong>in</strong>nen <strong>und</strong><br />
außen, aus dem Gefühl heraus, welches ungetrübte Gehirne alles Freudige doppelt<br />
fühlen läßt, empfänglich geworden für die Tragkraft <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Idee - würde sich<br />
b<strong>in</strong>nen kurzem das Verlangen zu lebendiger großer Tat von selbst gebären!" (ebd.,<br />
97)<br />
Das ethische Gr<strong>und</strong>verständnis der neuen Weltgeme<strong>in</strong>schaft sollte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Re<strong>in</strong>heit <strong>des</strong><br />
Ge<strong>ist</strong>es <strong>und</strong> der Empf<strong>in</strong>dungen se<strong>in</strong>, fixiert <strong>in</strong> gläserner Ästhetik:<br />
"Heraus zum Kampf ihr Dichter <strong>und</strong> Weltweisen - ihr Propheten <strong>und</strong> Doktoren -<br />
ihr Künstler <strong>und</strong> Gelehrte! Herbei, <strong>und</strong>
- 197 -<br />
helft uns - diese abgründige F<strong>in</strong>sternis der Häuser, Herzen <strong>und</strong> Gehirne - <strong>in</strong> blanke<br />
Sonne <strong>und</strong> durchsichtiges Glas zu verwandeln - helft uns - daß alle Menschen groß<br />
<strong>und</strong> kle<strong>in</strong> wieder an das R<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>und</strong> Schöne glauben lernen!" (ebd.)<br />
Formulierungshilfen hatte Hablik bei Bruno Taut gef<strong>und</strong>en, der bereits <strong>in</strong> der "Alp<strong>in</strong>en<br />
Architektur" (1919, Bl. 16) die "Völker Europas" zum Zusammenschluß <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bauen-<br />
den Massenbewegung aufrief:<br />
"Spannt die Massen <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Aufgabe e<strong>in</strong>, die sie alle erfüllt vom Ger<strong>in</strong>gsten<br />
bis zum Ersten. (...) Die ... s<strong>in</strong>nfällig deutlich für alle <strong>in</strong> der Vollendung <strong>ist</strong>. Jeder<br />
sieht im großen Geme<strong>in</strong>samen deutlich das Werk s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Hände: jeder baut - im<br />
wahren S<strong>in</strong>ne. Alle dienen der Idee, der Schönheit - als Gedanken der Erde, die sie<br />
trägt."<br />
Entwurfszeichnungen, die im Umkreis <strong>des</strong> Aufsatzes entstanden, bezogen sich zum <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
auf die technische Innovation der Kuppelkonstruktion, zum anderen auf die kompromiß-<br />
lose kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Formgebung <strong>des</strong> Außenbaus. E<strong>in</strong> technisch motiviertes Blatt enthält das<br />
"Konstruktionsschema <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r R<strong>in</strong>gseite für größere Kuppelspannweiten", zwei Prismen-<br />
konstruktionen sowie Gr<strong>und</strong>riß <strong>und</strong> Perspektive <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Turms mit achteckigen <strong>und</strong> quadra-<br />
tischen Stockwerken (Abb. 387). Zwei Blätter zeigen Detailstudien für übere<strong>in</strong>ander-<br />
liegende Kuppelr<strong>in</strong>ge, bei denen sich Bogenstellungen <strong>und</strong> prismatische Ecklösungen ab-<br />
wechseln (Abb. 388-389). Der vollständigen, geradezu gesetzmäßigen Durchbildung<br />
kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>er Strukturen <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Studie zum Kuppelbau gewidmet, die an jeder Seite <strong>des</strong><br />
Polygons e<strong>in</strong> prismatisch gefaltetes Portal vorsieht (Abb. 390). Leitete sich die Kombi-<br />
nation von Portal, gegenläufigem Treppengiebel <strong>und</strong> Kuppel von den Außenentwürfen<br />
zum "Schautempel" (Abb. 120) her, so schließen die dreifach gezackte Bekrönung <strong>und</strong><br />
der darunterliegende Gewändebogen an den Entwurf "Tür <strong>und</strong> Tor" (1919) von Hans<br />
Scharoun an (Abb. 391). Die Portale s<strong>in</strong>d als Kulissen vor die Außenwände gestellt <strong>und</strong><br />
dienen der Kultarchitektur als Propaganda<strong>in</strong>strument. Mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Höhe von dreißig bis<br />
fünfzig Metern, ihren <strong>in</strong> den Außenraum greifenden Sternzacken <strong>und</strong> dem dreieckig<br />
gegliederten Treppenvorraum bereiten sie das Raumerlebnis <strong>des</strong> Kuppelsaals vor. Die<br />
Facettenkonstruktionen wecken Assoziationen zu den ethischen Gr<strong>und</strong>werten, die der<br />
Kuppelbau verkörpert: Re<strong>in</strong>heit <strong>des</strong> Ge<strong>ist</strong>es <strong>und</strong> der Empf<strong>in</strong>dungen, Durchsichtigkeit <strong>und</strong><br />
emotionale Größe <strong>des</strong> gesamten menschlichen Lebens.
- 198 -<br />
Auf der Suche nach der ästhetischen Vollendung der Kr<strong>ist</strong>allarchitektur zeichnete Hablik<br />
immer wieder Ansichten von Berg- <strong>und</strong> Uferlandschaften mit kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Bauten: Pris-<br />
mensäulen mit sternförmigen Köpfen (Abb. 392), prismatische Kr<strong>ist</strong>all-"Blumen" <strong>und</strong><br />
Büschel von Szepterquarzen (Abb. 394), Terrassenanlagen <strong>und</strong> kronenförmige Kuppeln<br />
(Abb. 395), <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n schlanken Turm aus polygonalen R<strong>in</strong>gen neben <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r durch Dreiecke,<br />
Prismen <strong>und</strong> gezackte Dornen reich gegliederten Baukrone (Abb. 396). Wie Paul Scheer-<br />
bart <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Romanen verwandelte auch Hablik am Zeichentisch die gesamte Erde <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>es Paradies.<br />
Schon im März 1922 hatte auf Veranlassung von Bruno Taut der Kunstschriftsteller<br />
Oskar Beyer bei Hablik um <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n weiteren Aufsatz für das im Furche-Verlag neu erschei-<br />
nende Jahrbuch "Schöpfung. E<strong>in</strong> Buch für religiöse Ausdruckskunst" nachgefragt. 476 Der<br />
Band sollte Kunstäußerungen der Gegenwart zusammenführen, die als Anfang <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
"neuen großen religiösen Stilbildung" gelten konnten. Zugleich waren Beiträge über<br />
"religiös geb<strong>und</strong>ene <strong>und</strong> schöpferische Kunstvergangenheiten" erwünscht, "weil wir auch<br />
diese 'h<strong>ist</strong>orischen' Werke als Zeugnisse ewig jugendlicher <strong>und</strong> gegenwärtiger Bewegtheit<br />
empf<strong>in</strong>den." 477 In dem e<strong>in</strong>leitenden Aufsatz zu dem 1923 erschienenen Jahrbuch machte<br />
Beyer deutlich, daß er ebenfalls das Fernziel <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "neuen Geme<strong>in</strong>schaft" verfolgte<br />
(Beyer, Hrsg., 1923, 7). Auf die derzeitige <strong>in</strong>dividual<strong>ist</strong>ische Vere<strong>in</strong>zelung <strong>in</strong> der Kunst<br />
würde dann e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>schaftlicher Stil folgen, "<strong>in</strong> dem sich die ge<strong>ist</strong>ige Überzeugungs-<br />
e<strong>in</strong>heit von Menschenbrüdern spiegelt" (ebd.). Die Auswahl der h<strong>ist</strong>orischen Beiträge <strong>des</strong><br />
Ban<strong>des</strong>, der <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ideologisch-anthologischen Aufmachung den aktiv<strong>ist</strong>ischen Jahr-<br />
büchern "Das Ziel" von Kurt Hiller <strong>und</strong> "Die Erhebung" von Alfred Wolfenste<strong>in</strong> folgte,<br />
richtete sich nach dem von Worr<strong>in</strong>ger <strong>in</strong>itiierten Kulturbild <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r 'guten' Kunst der Gotik<br />
<strong>und</strong> <strong>des</strong> Orients - Stilen, "die Ausdruck <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Volkswillens s<strong>in</strong>d ... nicht aber ... der 'klas-<br />
sischen Antike', die k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> wahre Volksgeme<strong>in</strong>schaft besaß" (ebd., 3). 478<br />
Hablik verfaßte unter dem euphorischen Titel "Dom!" <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Aufsatz, der der Forderung<br />
<strong>des</strong> Herausgebers nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r religiös motivierten geme<strong>in</strong>schaftsbildenden Kunst ent-<br />
sprach <strong>und</strong> <strong>in</strong> dem er die kultische Bedeutung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kuppelbauten offenlegte. Er rief zur<br />
Errichtung von Domen als "Werk übervoller Herzen, Freudendankopfer von Nationen<br />
<strong>und</strong> Völkern,
- 199 -<br />
geschaffen als Denkmal mit weitem Zeithorizont, Wahrzeichen <strong>des</strong> Weltfriedens auf"<br />
(Hablik 1923, 65). Nach den Dutzenden, zwei Jahre zuvor entstandenen Entwürfen für<br />
die Gestaltung der neuen Welt beschwor er erneut:<br />
"Sehnsüchte der Menschen nach umfassenden positiven Tatsymbolen, greifbaren<br />
großen D<strong>in</strong>gen, Ewigkeitswerten. Welch andere erste Form sollte wohl dafür möglich<br />
se<strong>in</strong> als der Dom!" (ebd., 65)<br />
Nach dem strengen Schema der Gotik-Rezeption würdigte er die Bauaufgabe "Dom" als<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsarbeit "sittlich <strong>und</strong> ge<strong>ist</strong>ig hochstehender Völkerschaften, erbaut unter rest-<br />
loser Beteiligung aller" <strong>und</strong> feierte sie als "Idol der freien Künste <strong>und</strong> Handwerke aller<br />
Zeiten" (ebd., 63). Gerade die Mißstände der Jetzt-Zeit: der verlorene Krieg, Rohstoff-<br />
mangel <strong>und</strong> -verschwendung, kranke Industrien <strong>und</strong> "sieches Handwerk" sollten zur<br />
Erneuerung der Welt motivieren. Aus diesem "Chaos <strong>des</strong> Verfalls" führten nur das<br />
Schweigen über die "negativen D<strong>in</strong>ge" <strong>und</strong> die "Tat" - jenes aktiv<strong>ist</strong>ische Vorwärts-<br />
drängen, das bei Hablik (<strong>und</strong> ehedem <strong>in</strong> der Gläsernen Kette) nur "Bauen" bedeuten<br />
konnte. Der Text stand zusammen mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Aufsatz von Paul Fechter unter dem Motto<br />
"Der Kultbaugedanke <strong>in</strong> der neuen Architektur" 479 <strong>und</strong> wurde von zwei Entwürfen be-<br />
gleitet, die k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Zweifel daran ließen, daß es sich bei den "Domen" um Kuppelbauten<br />
nach dem von Hablik erf<strong>und</strong>enen Bausystem handeln sollte: "Dom K 5" auf fünf mit<br />
Bögen verb<strong>und</strong>enen Bergspitzen als freitragende Kuppel "aus hellblauem, smaragd-grü-<br />
nem <strong>und</strong> silbernem Glas" (Abb. 397) sowie die Variante "D.K. 8" als antennengespickte<br />
Glaskuppel auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m doppelten R<strong>in</strong>g von Bogenstellungen im Meer, mit weit herausra-<br />
genden E<strong>in</strong>fahrten, durch die Schiffe <strong>in</strong> das Innere gelangen sollten (vgl. Abb. 398-398<br />
b). 480 Meer <strong>und</strong> Gebirge kamen als e<strong>in</strong>ziger "Bauort" <strong>in</strong> Frage (ebd., 65), da sich nur dort<br />
der Schaffensdrang <strong>des</strong> Menschen durch die "Macht der Naturkräfte" (ebd., 63) vollenden<br />
konnte: "daß die Welt dem Menschen gehört, den Menschen allen zu gleichem Recht im<br />
S<strong>in</strong>ne von Allnatur!" (ebd., 64)<br />
Die bekannten E<strong>in</strong>zelmotive <strong>des</strong> utopischen Weltentwurfs, die bis <strong>in</strong> frühe Zeichnungen<br />
<strong>und</strong> Texte <strong>des</strong> Künstlers zurückverfolgt werden können: Naturverehrung <strong>und</strong> Würdigung<br />
<strong>des</strong> Handwerks, Glaskuppeln im Hochgebirge
- 200 -<br />
<strong>und</strong> im Meer, die Beschwörung kultisch bestimmter, schöpferischer Urvölker, wurden auf<br />
den Idealbau der künftigen Gesellschaft zugespitzt, den Endpunkt <strong>und</strong> "Kr<strong>ist</strong>allisationspol<br />
opferfrohen Schaffens" (ebd., 63).<br />
<strong>Dieser</strong> "Kr<strong>ist</strong>allisationspol" wurde noch e<strong>in</strong>mal zwei Jahre später Gegenstand <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s gro-<br />
ßen Ölgemäl<strong>des</strong>: 1924 malte Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ganz <strong>in</strong> Rottönen gehaltene "Freitragende Kup-<br />
pel mit fünf Bergspitzen als Basis" <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Spannweite von tausend Metern (Abb. 401)<br />
- <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Variante <strong>des</strong> "Doms K 5" von 1922. In starker Untersicht <strong>und</strong> von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Wolken-<br />
gloriole umhüllt, <strong>in</strong> deren Lichtbahnen sich die Kuppel verliert, wird der Bau zum Gegen-<br />
stand feierlicher Andacht. In den zahllosen, teils fre<strong>ist</strong>ehenden Bögen zwischen den<br />
Bergspitzen sch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n sich die Bogenstellungen von Paxtons "Kr<strong>ist</strong>allpalast" zu befreien.<br />
Erst 1937 werden sie <strong>in</strong> Paul Klees "Revolution <strong>des</strong> Viadukts" (Abb. 402) noch e<strong>in</strong>mal<br />
belebt.<br />
Der Abdruck s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Aufsätze <strong>in</strong> "Frühlicht" <strong>und</strong> <strong>in</strong> der "Schöpfung" hatte Hablik offenbar<br />
ermutigt, mit weiteren Plänen zur künftigen Weltgeme<strong>in</strong>schaft an die Öffentlichkeit zu<br />
treten. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Brief an Adolf Behne vom 27. Dezember 1923, <strong>in</strong> dem er auch auf das<br />
Treffen bei den Brüdern Luckhardt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>g<strong>in</strong>g, forderte er den Kunsth<strong>ist</strong>oriker auf,<br />
"... mal e<strong>in</strong> oder zwei Tage hierher nach Itzehoe zu kommen, <strong>und</strong> an Hand verschiedener<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeiten <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Propagandaform zu beraten für die Idee geme<strong>in</strong>samen<br />
Schaffens aufgr<strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r 'allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n freiwilligen Bauarmee'."<br />
Behne sei sicher durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> "orientierte schriftstellerische Tätigkeit" <strong>in</strong> der Lage, gerade<br />
über die Kreise Deutschlands e<strong>in</strong> Bild zu geben, die er, Hablik, "erregen" wollte. Er den-<br />
ke, daß jetzt die Zeit günstig sei,<br />
"e<strong>in</strong>stweilen e<strong>in</strong>, wenn auch phantastisches 'Nur-Papier-Beispiel' aufzustellen <strong>und</strong><br />
die Wirkung <strong>des</strong>selben zur größtmöglichen zu steigern - eben dadurch, daß das<br />
Ganze (eben die angedeutete 'allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bauarmee') unverhohlen als 'Phantasiegebilde',<br />
aber mit den klipp <strong>und</strong> klar besprochenen 'Ausführungsmöglichkeiten'<br />
behaftet, ans Tageslicht gebracht werden soll. " 481<br />
Der Brief hatte nicht den gewünschten Erfolg. Behne antwortete, er könne "zur Zeit noch<br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> feste Zusage" für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Besuch machen <strong>und</strong> bat Hablik, ihm s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gedanken brief-<br />
lich mitzuteilen: "Ergibt sich dann, daß wir unbed<strong>in</strong>gt mite<strong>in</strong>ander sprechen müssen, so<br />
müssen wir weitersehen - ich werde me<strong>in</strong> Möglichstes tun." 482
- 201 -<br />
Kam es vorerst nicht zu der erwarteten "Propagandaform", so brachte der Künstler s<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Zukunftspläne doch <strong>in</strong> Manuskripten <strong>und</strong> Tagebuchaufzeichnungen zu Papier. Zusam-<br />
mengesetzt ergeben die <strong>und</strong>atierten Fragmente 483 e<strong>in</strong> illustratives Planspiel für die Errich-<br />
tung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Neuen Stadt" <strong>und</strong> ihres "Wahrzeichens", der "selbstspannenden Kuppel", das<br />
<strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m konkreten Stil weit über die Beschwörungsformeln <strong>des</strong> "Dom!"-Aufrufes h<strong>in</strong>-<br />
ausgeht. Der Höhepunkt von Habliks utopischen Arbeiten, der sakrale Kuppelbau, wird<br />
mit menschlichem Leben erfüllt:<br />
"Durch das Buch <strong>und</strong> h<strong>in</strong>reißende Vorträge führender schöpferischer Kräfte -<br />
unsere neuen Dichter! - <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Volksmasse von Millionen Köpfen bege<strong>ist</strong>ert<br />
worden, sechs St<strong>und</strong>en täglich für die Idee zu arbeiten. Sechs St<strong>und</strong>en bewußter<br />
Arbeit von ganzem Herzen aus freiem Willen gele<strong>ist</strong>et, <strong>in</strong> der Erkenntnis, daß nur<br />
freudige Arbeit e<strong>in</strong> großes Werk schaffen kann. Viele Reiche haben von ihren<br />
Mitteln das me<strong>ist</strong>e gegeben."<br />
Nachdem e<strong>in</strong> Bauplatz gef<strong>und</strong>en <strong>ist</strong>, erhält<br />
"jeder Mitarbeiter am großen Werk ... e<strong>in</strong> Stück Land zugewiesen <strong>und</strong> erwe<strong>ist</strong><br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Ernst <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tüchtigkeit damit, daß er sogleich beg<strong>in</strong>nt, das Land urbar<br />
zu machen, bis auf den Platz, der für se<strong>in</strong> künftiges Haus bestimmt <strong>ist</strong>. Es werden<br />
Werkstätten <strong>und</strong> Arbeiterunterkunftshäuser erbaut, welche für je 1000 Arbeiter<br />
Raum bieten. Es s<strong>in</strong>d pflichterfüllte unbestechliche Gewerkschaftsführer da, welche<br />
der Leitung der Zentrale die Kräfte zuführen, welche aber auch die Macht <strong>und</strong><br />
Pflicht haben, Unwürdige (Faulenzer, Diebe) etc. unbarmherzig von der Geme<strong>in</strong>schaft<br />
auszustoßen."<br />
Straßen <strong>und</strong> Plätze werden errichtet, Kanalisation <strong>und</strong> Fortbewegungsmittel <strong>in</strong> ganz<br />
neuen Formen konzipiert.<br />
"Erwarten wir also von den neuen technischen Möglichkeiten <strong>des</strong> Bauens e<strong>in</strong> neues<br />
Heil. Wir werden jetzt Glashäuser bauen. Nicht im S<strong>in</strong>ne unserer jetzigen 'Wohnk<strong>ist</strong>en'<br />
- nicht mit 'Fensterscheiben <strong>in</strong> Ölkitt gesetzt', sondern massive Bauten aus<br />
Schaum-Guß-Blasen- <strong>und</strong> Schmelzglas an Ort <strong>und</strong> Stelle erzeugt <strong>in</strong> technisch<br />
unendlicher Variabilität <strong>und</strong> <strong>in</strong> allen Graden der Durchsichtigkeit <strong>und</strong> Farbe!"<br />
"E<strong>in</strong> Schmelztrichter auf dem jeweiligen 'Bauplatz', Zutaten der fehlenden, Neutralisation<br />
der überschüssigen Substanzen. (...) 'Hochsaugen' von Glasblöcken, als<br />
'Lastmauern', 'Pfeiler' oder Material'vorrat' dazu dienend durch nachträgl. Ansetzen<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Schmelze. 'Gebrauchs'formen zu machen (Waschbecken, Badwannen, Tische,<br />
Schrankhüllen, Aquarien usw.). E<strong>in</strong>legen von Metallröhren, Durchblasen von<br />
Wasserkanälen."
- 202 -<br />
Noch während der Arbeiten an Straßen <strong>und</strong> Siedlung wird<br />
"am schönsten Platz ... der Gr<strong>und</strong> vorbereitet für den Mittelpunkt, das Wahrzeichen<br />
... <strong>und</strong> es wird e<strong>in</strong> Bauwerk von solchen Ausmessungen erstehen, wie es sich nur<br />
e<strong>in</strong> Heer Arbeiter le<strong>ist</strong>en kann, welches Schaffensfreude entflammt, die Idee e<strong>in</strong>igt.<br />
E<strong>in</strong>e selbstspannende Kuppel von 300 Metern Spannweite <strong>und</strong> 500 m Höhe soll<br />
sich erheben, welche alles das überwölbt, was den Bewohnern der neuen Stadt als<br />
ihr Höchstes <strong>und</strong> Heiligstes gilt."<br />
"Nachdem die F<strong>und</strong>amente liegen, die Wasserwerke e<strong>in</strong>gebaut, die Lichtwerke -<br />
die Zufuhrbahntunnel, die Schiffskanäle unter- <strong>und</strong> oberirdisch, wird das Bauwerk<br />
als e<strong>in</strong> Mauer- <strong>und</strong> Säulenr<strong>in</strong>g wie e<strong>in</strong> Amphitheater sich erheben <strong>und</strong> ohne Gerüst<br />
wird sich dann R<strong>in</strong>g um R<strong>in</strong>g die Kuppel darüber wölben ...<br />
R<strong>in</strong>g um R<strong>in</strong>g wird auch die elektrische Bahn weiter - höher führen, welche die<br />
Arbeiterheere täglich an- <strong>und</strong> abführt, werden die Gleitbahnen höher geführt,<br />
woran die Lastseile die schon unten fast vollkommen fertiggestellten Teile hochw<strong>in</strong>den.<br />
Noch niemals wird e<strong>in</strong> solcher Bau mit solcher Sicherheit <strong>und</strong> Lebensdauer<br />
mit so ger<strong>in</strong>gen Kosten <strong>und</strong> solcher Schnelligkeit entstanden se<strong>in</strong>. Niemals<br />
wurde gestreikt - niemals waren Unzufriedenheiten zu schlichten, es sei denn, daß<br />
die Mehrzahl der Arbeiter mit den Jahren <strong>und</strong> der wachsenden Freude am Werk<br />
immer längere Arbeitszeiten freiwillig vorschlugen <strong>und</strong> durchführten.<br />
Es schloß sich der letzte Kuppelr<strong>in</strong>g - das letzte Seil gleitet unbelastet zur Tiefe -<br />
<strong>und</strong> frei im Raum erhebt sich das Siegeszeichen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r E<strong>in</strong>heit <strong>des</strong> Friedens <strong>und</strong> <strong>des</strong><br />
positiven neuen Weltge<strong>ist</strong>es, wie es sich s<strong>in</strong>nfälliger noch nie erwiesen."<br />
"H<strong>und</strong>erttausende Männer <strong>und</strong> Frauen strömen durch Riesene<strong>in</strong>gangspforten - die<br />
Augen zu dem unwahrsche<strong>in</strong>lichen Glitzern <strong>und</strong> Gleißen zu erheben, zu dem Farbenglühen<br />
<strong>und</strong> Sonnenfunkeln, <strong>und</strong> der Blick stürzt freudetrunken <strong>in</strong> die Höhen,<br />
daher es wie Götterstimmen orgelt <strong>und</strong> jubelt. Aus Edelmetall <strong>und</strong> St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n gefertigte<br />
Weltkörper schweben an kunstvollen Ketten <strong>in</strong> dem Raum <strong>und</strong> vollenden den<br />
E<strong>in</strong>druck der Ätherfreiheit, durch die der Atem der Gottheit weht. In dem mittelsten<br />
Raum strömt alles an die Opfertische <strong>und</strong> legt die Gaben nieder für den Weiterbau<br />
der Stadt zum Heil der Jugend, welche nun schon ihr Heim gef<strong>und</strong>en hat -<br />
zum Lohn für das Alter, welches neue Wertmaße geschaffen hat."<br />
In dem Szenario "Die neue Stadt" hatte Hablik Motive der eigenen bis dah<strong>in</strong> entstandenen<br />
utopischen Zeichnungen <strong>und</strong> Texte mit Vorgaben aus fremden zeitgenössischen Utopien<br />
komb<strong>in</strong>iert. "Das Buch" aus s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Brief an die Gläserne Kette vom Januar 1920 <strong>und</strong> die<br />
"feurigflüssigen" Schmelzglas-Krater aus dem Film-Exposé für Bruno Taut f<strong>in</strong>den sich<br />
ebenso wie die an Ketten hängenden Planetenkugeln aus dem "Schnitt
- 203 -<br />
durch den Kuppelbau" vom 6.1.1920 (Abb. 358). Das Motiv <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "elektrischen Bahn"<br />
war <strong>in</strong> Scheerbarts Roman "Ich liebe Dich!" (1897, 14) vorgegeben; gläserne Möbel <strong>und</strong><br />
Innene<strong>in</strong>richtungen hatte dieser 1914 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Buch "Glasarchitektur" propagiert (S.<br />
18).<br />
Der Handlungsablauf folgte <strong>in</strong> groben Zügen jenem Siedlungsgeschehen, das Bruno Taut<br />
1920 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Buch "Die Auflösung der Städte" für "Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaften" von fünf-<br />
h<strong>und</strong>ert bis sechsh<strong>und</strong>ert Menschen projektiert hatte. Auch dort sollte "jeder Mensch die<br />
Erdfläche haben, die er von Natur braucht" (S. 4), wurden neuartige Verkehrsnetze ge-<br />
schaffen (S. 5), begab man sich zum "Ziel der Wallfahrt <strong>und</strong> Sammlung" <strong>in</strong> den "Tempel<br />
von rub<strong>in</strong>rotem Glas" (S. 15), wo unter Orgelklängen <strong>und</strong> farbenglühender Beleuchtung<br />
(S. 18) von den "Geme<strong>in</strong>schaften" Weihegaben niedergelegt wurden (S. 27).<br />
Das Konzept organisierter "Arbeiterheere" oder <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bauarmee" wurzelte<br />
<strong>in</strong> sozialutopischen Schriften, die schon vor dem Ersten Weltkrieg erschienen waren.<br />
Neben Theodor Herzls Überlegungen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s durch "Arbeiterheere" errichteten "Juden-<br />
staates" hatte der österreichische Sozialreformer Josef Popper (1838-1921) 1912 den Plan<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Nährarmee" zur Ex<strong>ist</strong>enzsicherung der Gesellschaft entwickelt. Nach dem Ende<br />
<strong>des</strong> Krieges wurden Arbeitsdienstpflicht, "Arbeitsheer" <strong>und</strong> "volkswirtschaftliche Dienst-<br />
pflicht" als Methoden zum wirtschaftlichen <strong>und</strong> moralischen Wiederaufbau <strong>des</strong> Reiches<br />
diskutiert (Köhler 1967, 11 ff.). 484<br />
Der zukünftige Mensch, den Hablik <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Aufsätzen der Jahre 1922/23 entwarf: re<strong>in</strong>-<br />
lich von <strong>in</strong>nen <strong>und</strong> außen, mit ungetrübtem Gehirn, unbestechlich <strong>und</strong> voll Arbeitsfreude<br />
- kräftig genug, Berge zu versetzen - aufgeschlossen für das Schöne, tatkräftig für die<br />
neue Idee, entsprach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Idealbild <strong>des</strong> Menschen, das der amerikanische Schriftsteller<br />
Walt Whitman (1820-1892) <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Gesängen über die Landschaften Amerikas <strong>und</strong> die<br />
Freiheit <strong>des</strong> amerikanischen Volkes geprägt hatte. Whitman, <strong>des</strong>sen Hauptwerk "Leaves<br />
of Grass" (1855/92) Habliks umfangreiche Bibliothek von Reisebeschreibungen <strong>und</strong><br />
erdk<strong>und</strong>licher Literatur ergänzte, verkündete e<strong>in</strong> neues Menschengeschlecht:
- 204 -<br />
"Wenn jetzt tausend vollkommene Männer ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
würden, so sollte es mich nicht w<strong>und</strong>ernehmen.<br />
Wenn jetzt tausend schöne Weibergestalten ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
würden, so sollte es mich nicht überraschen.<br />
Jetzt seh' ich das Geheimnis, wie die tüchtigsten Menschen<br />
gebildet werden:<br />
Dadurch, daß sie aufwachsen <strong>in</strong> freier Luft, essen <strong>und</strong> schlafen<br />
mit der Erde.<br />
Hier <strong>ist</strong> Raum für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große persönliche Tat."<br />
(Gesang von der Straße; Ausg. 1949, 175)<br />
Whitman erreichte seit 1919 mit der neuen Übersetzung der "Grashalme" durch den<br />
Schriftsteller Johannes Schlaf, der ebenso wie Paul Scheerbart zu dem Kreis der von<br />
Herwarth Walden geförderten Autoren gehörte (Brühl 1983, 20 f.), <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Popu-<br />
larität. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Aufbruchsideen paßten zu den expression<strong>ist</strong>ischen Verkündern <strong>des</strong> neuen<br />
Menschen Georg Kaiser <strong>und</strong> Johannes R. Becher, zur Oh-Mensch-Prosa Franz Werfels.<br />
S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> revolutionären Appelle: "Allons! den großen Genossen nach ..." (Gesang von der<br />
freien Straße; Ausg. 1949, 179), "Pioniere! Pioniere"! (ebd., 185), 485 "Amerikaner! Erobe-<br />
rer! Märsche der Menschheit! Vorderste! Jahrh<strong>und</strong>ertsmärsche! Libertad! Massen!" (Von<br />
Long Island geh' ich aus; ebd., 125) waren Vorläufer der aktiv<strong>ist</strong>ischen Aufrufe zum<br />
Zusammenschluß im "B<strong>und</strong>" <strong>und</strong> zu geme<strong>in</strong>samer "Tat". Hier fand Hablik s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Aufrufe<br />
an die "Dichter <strong>und</strong> Propheten", 486 an "Künstler <strong>und</strong> Gelehrte" (Hablik 1922, 97):<br />
"Dichter der Zukunft! Redner, Sänger, Musiker der Zukunft!<br />
Nicht das Heute kann mich rechtfertigen noch Antwort geben<br />
auf die Frage nach m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Bestimmung.<br />
Wohl aber ihr, e<strong>in</strong> neues Geschlecht, e<strong>in</strong>geboren, athletisch,<br />
festländisch, größer als alle bisherigen."<br />
(Dichter der Zukunft; Whitman, Ausg. 1949, 20)<br />
Die "große Tat", die "Probe der Weisheit" (Gesang von der freien Straße; ebd., 175) ver-<br />
körperte sich bei Walt Whitman <strong>in</strong> jener Metapher, die Hablik zum Ziel architektoni-<br />
scher Utopie <strong>und</strong> gesellschaftlicher Erneuerung erklärt hatte, der "neuen Stadt":<br />
"E<strong>in</strong>en Traum träumte ich <strong>und</strong> sah <strong>in</strong> ihm <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Stadt, unüberw<strong>in</strong>dlich den Angriffen<br />
der ganzen übigen Erde;<br />
Und ich träumte, dies sei die neue Stadt der Fre<strong>und</strong>e.<br />
Nichts war dort größer als die Eigenschaft starker Liebe;<br />
alles regierte sie.<br />
Stündlich nahm man sie wahr <strong>in</strong> den Handlungen der Bewohner jener Stadt<br />
Und <strong>in</strong> all ihren Blicken <strong>und</strong> Worten." (E<strong>in</strong> Traum; ebd., 168)
- 205 -<br />
3. E<strong>in</strong> Volkshaus für Itzehoe<br />
"Mit dem sozialen Idealismus <strong>und</strong> Pazifismus gewannen zwei Bauaufgaben e<strong>in</strong> beson-<br />
deres Gewicht, das Volkshaus <strong>und</strong> der Sakralbau" (Pehnt 1985, 10).<br />
Volkshäuser waren bereits im neunzehnten Jahrh<strong>und</strong>ert durch gewerkschaftliche Ini-<br />
tiative entstanden <strong>und</strong> setzten sich gegen die "gesellschaftlichen Bauten der bürgerlichen<br />
Klasse" (LdK V, 464) ab. Sie enthielten Versammlungs- <strong>und</strong> Vortragsräume, Bibliothek,<br />
kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Konzert- <strong>und</strong> Theaterbühnen <strong>und</strong> mitunter gastronomische E<strong>in</strong>richtungen. In<br />
Selbsthilfe wurde 1894/95 das Volkshaus von Blankenburg im Harz errichtet; 1899 baute<br />
Victor Horta <strong>in</strong> Brüssel <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Maison du Peuple". 1902 entstand das Volkshaus <strong>in</strong> Jena;<br />
seit 1903 kämpfte der sozialdemokratische Vere<strong>in</strong> Halle für den zwischen 1905 <strong>und</strong> 1907<br />
als "Schutz- <strong>und</strong> Trutzburg <strong>des</strong> Proletariats" errichteten Halleschen Volkspark (Hopf-<br />
garten 1965, 6 f.).<br />
Die Herkunft aus der Arbeiterbewegung belegt der französische Schriftsteller Louis<br />
Guilloux (1899-1980) mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m 1927 geschriebenen Roman "La maison du peuple" (dt.<br />
Das Volkshaus, 1983). Guilloux schildert die Gründung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r sozial<strong>ist</strong>ischen Ortsgruppe<br />
durch Arbeiter, die sich kurz nach der Jahrh<strong>und</strong>ertwende aus Enttäuschung über das<br />
bürgerliche Programm <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r soeben e<strong>in</strong>gerichteten Volkshochschule vere<strong>in</strong>igt hatten.<br />
Dem überwältigenden Erfolg bei der bevorstehenden Geme<strong>in</strong>deratswahl folgt aufgr<strong>und</strong><br />
von Intrigen die völlige Zerschlagung der Gruppe. Jahre später entsteht der Plan <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Neuanfangs der politischen Arbeit durch die Errichtung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Volkshauses, <strong>des</strong>sen<br />
Fertigstellung jedoch der Beg<strong>in</strong>n <strong>des</strong> Ersten Weltkriegs verh<strong>in</strong>dert.<br />
Die zweite Wurzel <strong>des</strong> Volkshausgedankens lag <strong>in</strong> der bürgerlich-<strong>in</strong>tellektuellen Reform-<br />
bewegung um 1900. Die 1902 gegründete Deutsche Gartenstadtgesellschaft brachte <strong>in</strong><br />
ihren theoretischen Diskussionen den "Wunsch nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m neuen Geme<strong>in</strong>schaftsge<strong>ist</strong>,<br />
nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Volkshaus, nach besserer Volks- <strong>und</strong> Schulpädagogik" (Bollerey/Hartmann<br />
1978, 212) zum Ausdruck. In der ersten deutschen Gartenstadt Hellerau bei Dresden<br />
sollte der "Markt" mit allen notwendigen E<strong>in</strong>kaufs-, Dienstle<strong>ist</strong>ungs-, Kommunikations-<br />
<strong>und</strong> Soziale<strong>in</strong>richtungen den Ort geme<strong>in</strong>schaftlicher Zusammen-
- 206 -<br />
kunft bilden. 1917 konstituierte sich der Deutsche Volkshausb<strong>und</strong>, dem führende Archi-<br />
tekten wie Mies van der Rohe, Bruno Paul <strong>und</strong> Bruno Taut angehörten.<br />
Taut, der sowohl den sozial<strong>ist</strong>ischen Ideen Gustav Landauers als auch der Deutschen<br />
Gartenstadtgesellschaft verpflichtet war, ließ <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Plan zur Errichtung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Stadt-<br />
krone" (1919) bürgerliches Kulturprogramm <strong>und</strong> das Konzept <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r sozial gee<strong>in</strong>ten<br />
Menschheit zusammenfließen. Vier kreuzförmig angeordnete Großbauten sollten den<br />
Mittelpunkt <strong>und</strong> die architektonische Bekrönung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r utopischen Stadt bilden: Opern-<br />
haus, Schauspielhaus sowie großes <strong>und</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Volkshaus, die <strong>in</strong> tiefergelegenen Arealen<br />
durch Bibliothek, Museum, Musikpavillons <strong>und</strong> Cafés zu ergänzen waren. Die nach dem<br />
Vorbild von Kirchen <strong>und</strong> Moscheen, Tempeln, Palästen <strong>und</strong> Grabmonumenten h<strong>ist</strong>ori-<br />
scher Städte angeordnete <strong>und</strong> durch e<strong>in</strong> "Kr<strong>ist</strong>allhaus" abgeschlossene "Stadtkrone" sollte<br />
die "sozial gerichteten Hoffnungen <strong>des</strong> Volkes" (Taut: Stadtkrone 1919, 66) verwirk-<br />
lichen, sollte als architektonisches Symbol "den sozialen Gedanken", "e<strong>in</strong> Chr<strong>ist</strong>entum <strong>in</strong><br />
neuer Form" (ebd., 59) als Programm der Zukunft verkünden. "Die Volkshäuser haben<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ähnlichen Klang, den vollen harmonischen Ton der Menschengeme<strong>in</strong>schaft" (ebd.,<br />
67).<br />
Als S<strong>in</strong>nbild <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r gee<strong>in</strong>ten Menschheit, der Verb<strong>in</strong>dung von "Volk" <strong>und</strong> "Ge<strong>ist</strong>" <strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m monumentalen kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Bauwerk, wurde das Volkshaus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s der häufigsten<br />
Themen <strong>in</strong> der Gläsernen Kette. Von Hans Scharoun s<strong>in</strong>d alle<strong>in</strong> fünf Entwürfe dazu be-<br />
kannt, vier <strong>in</strong> den für ihn üblichen blütenartig aufbrechenden Formen (Abb. 403), <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s <strong>in</strong><br />
real<strong>ist</strong>ischer Darstellung als kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>er Tempel. 487 Das Volkshaus von Hans Luckhardt<br />
war als dreifach gestaffelter massiver Block (Ruf zum Bauen, Abb. 6), das von Max Taut<br />
aus segelartigen <strong>in</strong>e<strong>in</strong>andergeschichteten Betonwänden geplant (Pehnt 1985, Abb. 30).<br />
Bruno Taut skizzierte <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ersten R<strong>und</strong>briefe vom 27. Dezember 1919 e<strong>in</strong><br />
Volkshaus aus gläsernen Kuppeln (Whyte 1981, Abb. 76), <strong>in</strong> der "Auflösung der Städte"<br />
(1920) <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s als Arena mit Zeltdächern, Wasserkanal <strong>und</strong> Vergnügungspark. Es diente<br />
der "Zusammenkunft der Werktätigen" <strong>und</strong> enthielt Ausstellungs- <strong>und</strong> Versuchsräume für<br />
Landwirtschaft, Gewerbe <strong>und</strong> Handwerk, e<strong>in</strong> Hotel, Vorratssilos für Notjahre sowie e<strong>in</strong><br />
"ausladen<strong>des</strong> Plateau für Luftfahrer" (S. 12).
- 207 -<br />
Wenzel Hablik, <strong>des</strong>sen "Schautempel"-Projekt von 1914 (Abb. 120-123) schon <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Art<br />
Volkshausentwurf darstellte, brauchte sich nicht mehr mit utopischen Entwürfen zu die-<br />
sem Thema aufzuhalten. Im Jahre 1919 hatte der Itzehoer Kommerzienrat von de Vos der<br />
Stadt das Gr<strong>und</strong>stück Westerhof geschenkt, zu dem <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gründerzeitliche Villa sowie e<strong>in</strong><br />
Park mit Teichen <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bachlauf gehörten. Während die Stadt Itzehoe hier e<strong>in</strong> -<br />
wegen Geldmangels <strong>und</strong> Inflation nicht durchzuführen<strong>des</strong> - Krankenhaus plante (Irmisch<br />
1960, 417), sah Hablik <strong>in</strong> den unweit von s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m eigenen Haus <strong>in</strong> der Ta<strong>ist</strong>raße gele-<br />
genen Baulichkeiten die idealen Voraussetzungen für e<strong>in</strong> Volkshaus.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg war der "Volkshausgedanke" vor allem durch die Verelen-<br />
dung weiter Kreise der Arbeiterschaft aktuell geworden. In Itzehoe hatten das Zement-<br />
werk Alsen <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fabrik für Hochseefischer<strong>e<strong>in</strong>e</strong>tze schon bald nach Kriegsbeg<strong>in</strong>n<br />
wegen der Rohstoffknappheit ihre Produktion e<strong>in</strong>gestellt. Die Arbeiter gerieten durch<br />
Erwerbslosigkeit, nach dem Krieg durch die Inflation <strong>in</strong> bittere Armut. Die städtische<br />
Wohlfahrtspflege mußte mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Volksküche, Ausschüssen für Kriegsbeschädigte <strong>und</strong><br />
H<strong>in</strong>terbliebene, durch K<strong>in</strong>derheime <strong>und</strong> Schulk<strong>in</strong>derspeisung auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> breite Basis gestellt<br />
werden (ebd., 416).<br />
Wohl im März 1920 trat Hablik dem Deutschen Volkshausb<strong>und</strong> bei. 488 Im gleichen Mo-<br />
nat startete der Bauausschuß <strong>des</strong> B<strong>und</strong>es, bestehend aus Hermann Muthesius, Bruno Taut<br />
<strong>und</strong> Regierungsbaume<strong>ist</strong>er Schilbach, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Werbekampagne, <strong>in</strong> deren Verlauf "sämtliche<br />
Städte, ... alle Kreise <strong>und</strong> Regierungen, ... alle <strong>in</strong> Frage kommenden Ver<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, Organi-<br />
sationen (<strong>und</strong>) Privatpersonen, im ganzen über Zwölftausend Stellen" 489 um Zuschüsse<br />
zur "Herstellung von idealen Volkshausentwürfen" 490 für die jeweilige Stadt ersucht<br />
wurden. Zur Begründung führte der Bauausschuß aus:<br />
"Es besteht heute k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Möglichkeit, Volkshäuser als Mittelpunkte aller kulturellen,<br />
sozialen <strong>und</strong> Wohlfahrtsarbeit, als Stätten der Volkshochschule, der Volksbücherei,<br />
der Lesehallen-Bewegung zu errichten. (...) Das Volkshaus <strong>ist</strong> ke<strong>in</strong><br />
Luxusbau, wie vielfach irrtümlich angenommen wird. Es <strong>ist</strong> von allen Seiten heute<br />
anerkannt, daß zum Wiederaufbau unserer Volksgeme<strong>in</strong>schaft solche Häuser<br />
zw<strong>in</strong>gende Notwendigkeit s<strong>in</strong>d. (...) Deshalb wird allgeme<strong>in</strong> gefordert, daß, wenn<br />
wieder die Möglichkeit zum Bauen vorliegt, sofort mit dem Bau begonnen werden<br />
sollte. Aber dazu gilt es die Vorbereitungen zu treffen.
- 208 -<br />
(...) ... ideale Entwürfe sollen den Volkshaus-Gedanken im allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n klären -<br />
<strong>in</strong>sbesondere h<strong>in</strong>sichtlich <strong>des</strong> Bauprogramms <strong>und</strong> der Gruppierung der Räume -<br />
dann aber auch F<strong>in</strong>gerzeige für die zur Ausführung gelangenden lokalen Entwürfe<br />
bieten." 491<br />
Ohne besonderen Auftrag entwarf Hablik bis spätestens 1923 den detaillierten Plan zu<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Volkshaus für Itzehoe, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n sechs<strong>und</strong>dreißigseitigen "Propagandavortrag, betref-<br />
fend die Verwertung der Bauten <strong>des</strong> Westerhofs zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Volkshaus - Der Volkshaus-<br />
gedanke; S<strong>in</strong>n, Ziel, Verwirklichung <strong>in</strong> Itzehoe". 492<br />
S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Entwürfe waren von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m sozialen Engagement aus bürgerlicher Sicht geprägt.<br />
Waren sie zunächst auf e<strong>in</strong> "Volks- oder Bürgerhaus aus dem Volk resp. Bürgertum für<br />
das Volk resp. das Bürgertum" 493 ausgerichtet, so stand <strong>in</strong> der Endfassung <strong>des</strong> "Propagan-<br />
davortrags" die sittliche <strong>und</strong> ge<strong>ist</strong>ige 'Hebung' der dem Bürgertum nächstniedriger stehen-<br />
den Schicht im Vordergr<strong>und</strong>: Durch das Volkshaus sollte "hauptsächlich die <strong>in</strong>telligente<br />
Arbeiterschaft ... aber auch der typische Kle<strong>in</strong>bürger von ... unwürdigen <strong>und</strong> gedanken-<br />
losen Zerstreuungen abgehalten werden". Geplant waren Abteilungen zur L<strong>in</strong>derung all-<br />
gem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Not, für das "positive Tun" von Jugendgruppen <strong>und</strong> Vere<strong>in</strong>igungen sowie für<br />
die Förderung von Handwerk, Gewerbe <strong>und</strong> Kunst: Volksküche, öffentlicher Wärmeraum<br />
<strong>und</strong> Lesesaal, Vortragsraum, Räume für weibliche <strong>und</strong> männliche Handarbeiten, Ausstel-<br />
lungsräume, e<strong>in</strong> Jugendherbergsheim sowie Stallungen für die Schw<strong>e<strong>in</strong>e</strong>- <strong>und</strong> Geflügel-<br />
zucht. Bei der Durchführung <strong>des</strong> Vorhabens waren alle Kreise der Bevölkerung heran-<br />
zuziehen, wobei "alles Politische ... ausgeschaltet" werden sollte. E<strong>in</strong>e straffe Organi-<br />
sation sollte Protektions- <strong>und</strong> Pfründenwirtschaft verh<strong>in</strong>dern. Die Ziele aller Aktivitäten<br />
um das Volkshaus: "freies öffentliches Interesse ... Ruhe, Ordnung, Entwicklung <strong>und</strong><br />
Ansehen der Stadt Itzehoe" entsprachen dabei den klassischen Bedürfnissen <strong>des</strong> Büger-<br />
tums. Die geplante Erfassung sämtlicher arbeitsfähiger Töchter <strong>und</strong> Söhne der Stadt,<br />
"Haus bei Haus", der Arbeitslosen, ihrer Berufe <strong>und</strong> die sofortige Zuweisung "an die<br />
zuständige Arbeitsstelle" war als erste Initiative zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r e<strong>in</strong>heitlich geplanten Gesell-<br />
schaft zu verstehen. Sie eröffnete bereits die Perspektive auf Arbeitspflicht <strong>und</strong> Arbeits-<br />
dienst <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m totalitären Staat.
- 209 -<br />
Hablik übermittelte s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schrift an den Landrat Pahlke <strong>des</strong> Kreises Ste<strong>in</strong>burg, erhielt sie<br />
jedoch mit der Bemerkung zurück: "... beherzigenswerte Vorschläge ... aber alles unmög-<br />
lich! Utopien, Utopien!" 494 Als im März 1924 <strong>in</strong> Itzehoe der Wettbewerb für e<strong>in</strong> Krieger-<br />
denkmal <strong>des</strong> Feldartillerieregiments "Graf Waldersee Nr. 9" ausgeschrieben wurde,<br />
machte der Künstler <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n erneuten Vorstoß zur Verwirklichung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ideen. Mit mehre-<br />
ren Leserbriefen <strong>in</strong> den Itzehoer Nachrichten, <strong>in</strong> deren Verlauf er '<strong>und</strong>eutscher Umtriebe'<br />
bezichtigt wurde, 495 trat er anstelle <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s obligaten Denkmals für die Errichtung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Hauses mit warmen Ruhe- <strong>und</strong> Lesestuben e<strong>in</strong>. 496 Am 1. August 1925 wurde<br />
jedoch das Standbild <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s behelmten Soldaten vor der Itzehoer Propstei als Neuner-<br />
Denkmal e<strong>in</strong>geweiht (Irmisch 1960, 422). Die Initiative <strong>des</strong> Generalsekretärs <strong>des</strong> Deut-<br />
schen Volkshausb<strong>und</strong>es, Ferd<strong>in</strong>and Goebel, im Januar 1925 unter der Leitung Wenzel<br />
Habliks <strong>in</strong> Itzehoe <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Volkshaus-Geme<strong>in</strong>de" aufzubauen, verlief ebenfalls im Sand. 497<br />
4. Letzte Arbeiten zur Kr<strong>ist</strong>allarchitektur<br />
1923 <strong>und</strong> 1924 schuf Hablik noch e<strong>in</strong>mal mehrere Gruppen von Entwürfen, die die Kri-<br />
stallarchitektur <strong>in</strong> verschiedenen Entwicklungsstufen <strong>und</strong> Zeichentechniken variierten.<br />
Während sich die Architekten der Gläsernen Kette seit 1921/22 wieder mit Stadtplanung<br />
<strong>und</strong> realer Architektur befaßten, 498 war Hablik offenbar der e<strong>in</strong>zige aus der Gruppe, der<br />
das Thema bis <strong>in</strong> diese Zeit weiterverfolgte.<br />
Es entstanden erneut Kuppel- <strong>und</strong> Turmvarianten (Abb. 404-407), Skizzen zum "Weg <strong>des</strong><br />
Genius" (Abb. 408-409, vgl. Abb. 146), e<strong>in</strong> Ble<strong>ist</strong>iftentwurf zum "Dom-Inneren" (Abb.<br />
411, vgl. Abb. 383). Studien zur zeichnerischen Gestaltung kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>er Strukturen folg-<br />
ten: <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schlucht aus trigonalen prismatischen Kr<strong>ist</strong>allen (Abb. 412), e<strong>in</strong> hornartig ge-<br />
bogener Bau mit wismutartigen Schraubenversetzungen (Abb. 413), e<strong>in</strong> turmartiger<br />
Komplex, <strong>des</strong>sen verw<strong>in</strong>kelte Wandflächen an Rudolf St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rs Haus Duldeck (1916) <strong>und</strong><br />
an das Zweite Goetheanum (1924/28) er<strong>in</strong>nern (Abb. 414). Zu den letzten Arbeiten<br />
gehört <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gruppe von großformatigen aquarellierten Tuschp<strong>in</strong>selzeichnungen, deren<br />
ungewöhnlich natural<strong>ist</strong>ische Kr<strong>ist</strong>alldarstellungen <strong>in</strong> krassem Gegensatz zu ihren archi-<br />
tektonischen Be-
- 210 -<br />
zeichnungen stehen. Die Quarzgruppen mit den Titeln "Technische Hochschule" (Abb.<br />
415), "Sternwarte, Hochschule für Himmels- u. Licht-Luft-Wissenschaften" (Ab. 416)<br />
<strong>und</strong> "Insel-Bauten" (Abb. 417) ähneln wirklichen Objekten aus der Sammlung <strong>des</strong><br />
Künstlers (Abb. 415 a, 416 a, 150). Glatte <strong>und</strong> unregelmäßige Oberflächen, Schichtun-<br />
gen <strong>und</strong> Verwerfungen s<strong>in</strong>d durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> differenzierte P<strong>in</strong>selführung, - verschattete <strong>und</strong><br />
spiegelnde Flächen, Lichtbrechungen <strong>und</strong> Transparenz durch den Gegensatz von Schwär-<br />
zungen <strong>und</strong> durchsch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>nder Aquarellierung wiedergegeben. Das "Nordische Glashaus"<br />
(Abb. 418) - e<strong>in</strong> schräg liegender Rauchquarz, der <strong>e<strong>in</strong>e</strong> mit Palmen bestandene Fluß-<br />
landschaft ganz umhüllt - markiert das Endstadium der kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Utopie: Die Dis-<br />
krepanz zwischen der natural<strong>ist</strong>ischen Darstellung der Kr<strong>ist</strong>allmorphologie <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r <strong>in</strong><br />
diesen Formen nicht mehr vorstellbaren Architektur <strong>ist</strong> unauflösbar geworden.<br />
Die Kr<strong>ist</strong>allphantasien der Gläsernen Kette, die damit ihren endgültigen Abschluß gefun-<br />
den hatten, waren seit 1921 <strong>in</strong> die wirklich gebaute Architektur vorgedrungen. Otto Bart-<br />
n<strong>in</strong>g gab dem zwischen 1921 <strong>und</strong> 1924 errichteten Haus Schuster <strong>in</strong> Wylerberg bei Kleve<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> mehrfachen Prismen vorspr<strong>in</strong>gende Bauseite (Pehnt 2 1981, Abb. 388); se<strong>in</strong> Was-<br />
serturm <strong>in</strong> Zippau um 1922 zeigt die scharfen Prismen <strong>und</strong> Kanten monolithischer Kri-<br />
stalle (ebd., Abb. 390). Peter Behrens verwendete kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Strukturen 1920/24 bei den<br />
mehrfach gefalteten Glaskuppeln über der Ehrenhalle im Verwaltungsgebäude der Farb-<br />
werke Hoechst (ebd., Abb. 62). Für den Wettbewerb um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Heldengedächtnishalle auf<br />
dem Ohlsdorfer Friedhof veröffentlichte die "Bau-R<strong>und</strong>schau" 1921 <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Entwurf <strong>des</strong><br />
Hamburger Architekten Max Gerntke (Abb. 419), der "im S<strong>in</strong>ne von Taut mit Glasdä-<br />
chern <strong>und</strong> monumental gestalteten Kr<strong>ist</strong>allformen" arbeitete. Gerntke galt der Zeitschrift<br />
als "Pfadf<strong>in</strong>der <strong>und</strong> Schrittmacher"; se<strong>in</strong> Entwurf werde "immer e<strong>in</strong> charakter<strong>ist</strong>isches<br />
Zeitbild bleiben" (S. 224).<br />
Die vollständige kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Durchbildung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s architektonischen Komplexes wurde<br />
jedoch nur <strong>in</strong> dem Reklamebau an der Berl<strong>in</strong>er Avus 1922/23 von Wassili Luckhardt <strong>und</strong><br />
Rudolf Bell<strong>in</strong>g (Abb. 420) <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Jahrmarktsbauten der "Albulabahn" im Lunapark<br />
(Abb. 421-422) Wirklichkeit. Zwischen 1923 <strong>und</strong> 1926 gerieten kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Motive als<br />
Dekorationselemente <strong>und</strong> Fassadengliederungen zur architektonischen Konfektionsware.
- 211 -<br />
Wohn- <strong>und</strong> Geschäftshäuser erhielten spitz vorstoßende Erker <strong>und</strong> Dachaufsätze, drei-<br />
eckige Arkaden, prismatische, gezackte <strong>und</strong> strahlenförmige Stuckornamente im E<strong>in</strong>-<br />
gangsbereich, kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Zapfen <strong>und</strong> Kandelaber als freiplastischen Fassadenschmuck<br />
(Abb. 423-425; vgl. Pehnt 1964, 2). In Mittel- <strong>und</strong> Norddeutschland bot der traditionelle<br />
<strong>und</strong> durch den Hamburger Kontorhausstil, durch Fritz Höger <strong>und</strong> Fritz Schumacher<br />
wieder modern gewordene Backste<strong>in</strong>bau ideale Voraussetzungen für ste<strong>in</strong>gewordene<br />
Strahlenornamente <strong>und</strong> vorspr<strong>in</strong>gende "Diamant"-Bossen.<br />
In den Architekturutopien von der Mitte bis zum Ende der zwanziger Jahre fanden die<br />
Kr<strong>ist</strong>allphantasien der Gläsernen Kette k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Erneuerung. Hochhaus-Entwürfe, die den<br />
größten Teil visionärer Architekturzeichnungen ausmachten, entfernten sich von ihren<br />
kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Protagon<strong>ist</strong>en - den Entwürfen von Ludwig Mies van der Rohe <strong>und</strong> Hans<br />
Soeder für das Bürohaus an der Friedrichstraße <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> 1921/22 (Pehnt 2 1981, Abb. 70,<br />
72) - <strong>und</strong> huldigten statt <strong>des</strong>sen den New Yorker Wolkenkratzern <strong>und</strong> ihren durch die<br />
"Zon<strong>in</strong>g Resolution" von 1916 auf gezwungenen Treppenformen 499 : jenen sich nach oben<br />
immer mehr verjüngenden Baumassen, die die Oberstadt von "Metropolis" <strong>in</strong> Fritz Langs<br />
gleichnamigem Film von 1927 prägten. 500 Wie e<strong>in</strong> Nachhall aus der fernen Zeit kosmi-<br />
scher Kr<strong>ist</strong>allutopien wirkt dagegen die Vision <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "neuen Stadt", die Le Corbusier<br />
1929 im Pariser Journal "L'Intransigeant" veröffentlichte:<br />
"Durch das Geäst der Bäume, durch das liebliche Arabeskennetz der Blätter wirst<br />
du gegen den Himmel weit vone<strong>in</strong>ander entfernt ungeheure Kr<strong>ist</strong>allkörper erblicken,<br />
höher als irgende<strong>in</strong> Gebäude der Welt. Kr<strong>ist</strong>all, das im All spiegelt, das im<br />
grauen W<strong>in</strong>terhimmel leuchtet, das viel mehr <strong>in</strong> der Luft zu schweben sche<strong>in</strong>t, als<br />
auf dem Boden zu stehen, Kr<strong>ist</strong>all, das bei Nacht e<strong>in</strong> Funkeln <strong>ist</strong>, e<strong>in</strong> elektrisches<br />
Zauberwerk." (Die Straße, zit. n.: Ausstellungs-Katalog Le Corbusier 1957, 22)
- 212 -<br />
6. KAPITEL:<br />
DIE VERWIRKLICHUNG DER UTOPIE (1919-1925)<br />
I. Innenausstattungen<br />
1. Mobiliare<br />
Die wirtschaftliche Situation <strong>des</strong> Bürgertums hatte sich während <strong>des</strong> Ersten Weltkriegs<br />
nicht wesentlich verändert. In Itzehoe konnten die mittelständischen Nahrungs- <strong>und</strong> Ge-<br />
nußmittelbetriebe sowie die als Familienunternehmen arbeitenden Mühlenwerke ihre<br />
Produktion mit der E<strong>in</strong>führung von Ersatz-Kaffee, Dörrgemüse <strong>und</strong> der "Militärmüllerei"<br />
sogar noch ausweiten (Irmisch 1960, 406). "Die hiesigen Textilgeschäfte entwickelten<br />
sich trotz Krieg <strong>und</strong> Inflation gut. Neben e<strong>in</strong>igen großen Geschäftshäusern wurden zahl-<br />
reiche kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>re Ladengeschäfte neu e<strong>in</strong>gerichtet" (ebd., 415).<br />
Der Meldorfer Gymnasialprofessor Karl He<strong>in</strong>rich Frese, der seit Januar 1915 als Leutnant<br />
beim Landsturmbataillon "Rendsburg" zum Küstenschutz auf Sylt stationiert war (Frese<br />
o.J., 4), konnte noch während <strong>des</strong> Krieges, im August 1916, wieder Entwürfe für e<strong>in</strong><br />
Eßzimmermobiliar <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Kachelofen bei Hablik bestellen. 501 Für das Zimmer s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Haushälter<strong>in</strong> gab er <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>Kopie</strong> jenes Salonmobiliars <strong>in</strong> Auftrag, das 1910 für ihn ange-<br />
fertigt worden war (vgl. Abb. 157). 502 Se<strong>in</strong> Bruder Emil Frese, Roßlederfabrikant <strong>in</strong><br />
Uetersen, hatte bereits im November 1915 um Zeichnungen für Stühle, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Uhr <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Tischdecke gebeten. 503 Später gab er ebenfalls e<strong>in</strong> Eßzimmer bei dem Künstler <strong>in</strong> Auf-<br />
trag.<br />
Als Hablik 1918 wieder mit dem Entwurf von Mobiliaren <strong>und</strong> Innene<strong>in</strong>richtungen be-<br />
gann, wies er - wie bereits zehn Jahre zuvor - auf die Bedeutung <strong>des</strong> Handwerks als<br />
"schaffende vorwärtswirkende Kraft" für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> zukünftige Gesellschaft h<strong>in</strong>. Das Handwerk<br />
solle, so schrieb er im Vorwort zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Altonaer Gesamtausstellung, den folgenden<br />
Generationen "Ehrfurcht vor der Natur" als "oberstes Gesetz aller Erkenntnis" vermitteln;<br />
denn Naturverehrung <strong>und</strong> Naturerkenntnis öffneten die "weiten
- 213 -<br />
schönen Gärten menschlicher Freiheit" zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Gesellschaft, die jegliche "Abhän-<br />
gigkeit von Staaten <strong>und</strong> Religionen" ablösen sollte (Hablik 1918).<br />
Mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r E<strong>in</strong>schätzung handwerklicher Arbeit sah er sich 1919 <strong>in</strong> den Plänen <strong>des</strong> Ar-<br />
beitsrates für Kunst bestätigt. Bruno Taut forderte im Architekturprogramm 504 <strong>des</strong> AfK,<br />
das sich die Tradition der mittelalterlichen Bauhütte zum Vorbild nahm <strong>und</strong> Kultbauten<br />
für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Volksgeme<strong>in</strong>schaft anstrebte, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Handwerkerlehre als Gr<strong>und</strong>bed<strong>in</strong>gung<br />
für die Architektenausbildung. Die zweite, auch <strong>in</strong> den Mitteilungen <strong>des</strong> Deutschen<br />
Werkb<strong>und</strong>es veröffentlichte Flugschrift: "Vorschläge zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Lehrplan für Hand-<br />
werker, Architekten <strong>und</strong> Bildende Künstler" von Otto Bartn<strong>in</strong>g bezeichnete das Hand-<br />
werk als "das e<strong>in</strong>heitliche Mittel jeder bildnerischen Tätigkeit ... Vom Handwerk zum<br />
Bauwerk führt der natürliche Werdegang ..." (S. 42). Walter Gropius übernahm diese<br />
Gr<strong>und</strong>sätze <strong>in</strong> das Gründungsmanifest <strong>und</strong> das Programm <strong>des</strong> Staatlichen Bauhauses <strong>in</strong><br />
Weimar. Als "unerläßliche Gr<strong>und</strong>lage für alles bildnerische Schaffen" 505 sollte das<br />
Handwerk jene Zukunftsaufgabe erfüllen, die Hablik seit mehr als zehn Jahren gefordert<br />
hatte - die Errichtung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Architektur als Ausdruck <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r gee<strong>in</strong>ten Gesellschaft:<br />
"Wollen, erdenken, erschaffen wir geme<strong>in</strong>sam den neuen Bau der Zukunft, der<br />
alles <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gestalt se<strong>in</strong> wird: Architektur <strong>und</strong> Plastik <strong>und</strong> Malerei, der aus Millionen<br />
Händen der Handwerker e<strong>in</strong>st gen Himmel steigen wird als kr<strong>ist</strong>allenes<br />
S<strong>in</strong>nbild <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuen kommenden Glaubens." 506<br />
Aufgr<strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r theoretischen Überzeugungen wandte sich Hablik wieder jenen Kon-<br />
struktions- <strong>und</strong> Dekorationspr<strong>in</strong>zipien zu, die seit den Mobiliaren für Hermann <strong>und</strong><br />
Richard Biel 1911-1915 als Lehrbeispiele für Materialvielfalt <strong>und</strong> handwerkliche Quali-<br />
tätsarbeit zu Markenzeichen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Möbelstils geworden waren. So wurden auch die<br />
Möbel für Karl He<strong>in</strong>rich <strong>und</strong> Emil Frese mit diffizilen Parketten ausgestattet, zeigten e<strong>in</strong>-<br />
<strong>und</strong> mehrfache Rahmen mit dekorativ gemaserten Füllungstafeln, Wellenschnitt an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Vielzahl von Möbelkanten, viertelr<strong>und</strong>e Verstärkungselemente, sichtbare Verschrau-<br />
bungen, handgesägte blanke Mess<strong>in</strong>gbeschläge <strong>und</strong> wellenförmig geschliffene Glas-<br />
scheiben. Auch nach dem Krieg behielt das Büfett - seit der Gründerzeit unangetastet das<br />
wichtigste Prunkmöbel
- 214 -<br />
im bürgerlichen Haushalt - s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> zentrale Stellung. In den Eßzimmern der Brüder Frese<br />
bestimmte es weiterh<strong>in</strong> durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n repräsentativen Aufbau <strong>und</strong> durch leuchtende Hell-<br />
dunkelkontraste mit Zonen aus schwarzer Mooreiche gegenüber Bauteilen aus unge-<br />
strichenen hellen Hölzern das Gesamtbild der E<strong>in</strong>richtungen.<br />
Im Mobiliar für Karl He<strong>in</strong>rich Frese, den alle<strong>in</strong>stehenden Gymnasiallehrer, fielen die<br />
Möbelformen noch vergleichsweise bescheiden aus. Das Büfett zeigte über <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
schwarzen gekehlten Sockel <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n helleichenen zweitürigen Unterbau mit komplizierten<br />
Parkettfüllungen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> schwarz kontrastierende Schubladenzone sowie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n aus Moor-<br />
eiche konstruierten stützengetragenen Vitr<strong>in</strong>enaufsatz (Abb. 426). Von der Abschluß-<br />
le<strong>ist</strong>e waren blaue Vorhänge bis zur Decke gespannt, h<strong>in</strong>ter denen sich weiterer Stauraum<br />
verbarg. 507 Dazu gesellte sich e<strong>in</strong> schwerer Eßtisch mit schwarz abgesetzten Schubladen<br />
an den Längsseiten, mit zwei seitlichen auf Kufen gestellten Pfostenb<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>und</strong> Fuß-<br />
brettern (Abb. 427). Die verstärkenden Viertelkreiselemente fielen hier besonders groß<br />
aus <strong>und</strong> wurden zwischen B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>und</strong> Kufen zusätzlich mit geschnitzten Voluten <strong>und</strong><br />
abgefasten Kanten versehen. Acht rechteckige armlose Ledersessel konnten zu Sitzreihen<br />
zusammengeschoben werden (Abb. 428).<br />
Im Eßzimmer für Emil Frese nahm das Büfett auf dreie<strong>in</strong>halb Metern <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ganze Wand-<br />
breite e<strong>in</strong>. Der dreiflügelige Komplex zeigt im Untergeschoß ebenfalls helle, aus drei-<br />
fachen Rahmen konstruierte Schranktüren, während der Sockel, zwei untere Laden im<br />
Mittelbau <strong>und</strong> der Aufsatz aus der schwärzlichen Mooreiche gefertigt s<strong>in</strong>d (Abb. 429).<br />
Dazu gehören e<strong>in</strong> Ausziehtisch mit parkettierter Platte (Abb. 430-430 d) <strong>und</strong> vier viertel-<br />
ovale Sitzbänke, deren Sitzflächen <strong>und</strong> Lehnen als Stabroste für abnehmbare Kissen<br />
gearbeitet s<strong>in</strong>d (Abb. 431-431 b). Zwei Spieltische mit Mittelsäule, kastenartiger Basis<br />
<strong>und</strong> Kufen (Abb. 432), dazu jeweils e<strong>in</strong> hoher <strong>und</strong> zwei niedrige Lehnstühle (Abb. 433-<br />
433 c) ergänzen das Mobiliar. Die Stühle erhalten durch e<strong>in</strong> rückwärtiges Stollenbe<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
hohe Stabilität. Die Armlehnen wurden durch erhabene Griffle<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> F<strong>in</strong>germulden<br />
verstärkt.<br />
Entsprechend den Erwartungen an e<strong>in</strong> die Zukunft gestalten<strong>des</strong> Handwerk hatte Hablik<br />
Materialbearbeitung <strong>und</strong> Konstruktionsqualität s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Möbel
- 215 -<br />
erneut gesteigert. Die zierlichen, mitunter hochbe<strong>in</strong>igen Formen der frühen Salonmöbel<br />
waren verschw<strong>und</strong>en. Stärker als zuvor wurde das "Material", die schwere Masse Holz,<br />
durch breit lastende Baukörper mit bohlen- oder pfostenstarken B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n sichtbar gemacht.<br />
Größere Kontrastfelder ersetzten jetzt die geometrischen Helldunkelmuster <strong>des</strong> Wiener<br />
Jugendstils <strong>und</strong> dokumentierten das natürliche Vorkommen großer Mengen farblich<br />
differenzierten Materials (Abb. 429). Bei den Eßtischen wurde durch die Verdoppelung<br />
der Stützensysteme <strong>und</strong> die H<strong>in</strong>zunahme von Kufen <strong>und</strong> Fußbrettern (Abb. 427, 430) die<br />
Darstellung handwerklicher Qualität gesteigert. Ihre Konstruktion folgte den <strong>in</strong> Schles-<br />
wig-Holste<strong>in</strong> seit der Spätrenaissance gebräuchlichen Wangen- <strong>und</strong> Pfostentischen (vgl.<br />
Deneke 1983, 52; Katalog der Möbelsammlung 1976, 113, Kat. Nr. 363-388) <strong>und</strong> erzeug-<br />
te so e<strong>in</strong> Bild bodenständiger Handwerkskunst.<br />
In entsprechenden Formen entstand auch das Mobiliar für Louis Frese, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Vetter von<br />
Karl He<strong>in</strong>rich <strong>und</strong> Emil Frese <strong>und</strong> ebenfalls Lederfabrikant, der Hablik 1919 den Auftrag<br />
zum Umbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neu erworbenen Hauses an der Elbchaussee <strong>in</strong> Blankenese bei Ham-<br />
burg erteilte. Zunächst entstanden Gr<strong>und</strong>risse für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Raumaufteilung (Abb. 443),<br />
Innenraumentwürfe <strong>in</strong> schwarzer <strong>und</strong> farbigen Tuschen <strong>und</strong> Goldbronze auf Karton sowie<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gruppe von Möbelentwürfen als detailliert ausgeführte farbige Tuschp<strong>in</strong>selzeich-<br />
nungen von hoher künstlerischer Qualität. Die geplanten Raumgestaltungen: <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Bronzedecke (Abb. 444), kassettierte Wandverkleidungen mit Metalle<strong>in</strong>lagen (Abb. 445),<br />
Türen <strong>in</strong> Holzparkett <strong>und</strong> mit überlangen Beschlägen (Abb. 446), holzverschalte Wand-<br />
sockel <strong>und</strong> wandfüllende E<strong>in</strong>bauschränke (Abb. 447) zitierten die zwischen 1912 <strong>und</strong><br />
1915 im Hause Richard Biel entstandenen Interieurs. E<strong>in</strong>e Wandverkleidung mit auf-<br />
steigenden ornamentalen Blättern <strong>und</strong> Voluten sollte Textil<strong>des</strong>s<strong>in</strong>s aus dieser Zeit wieder-<br />
aufnehmen (Abb. 444).<br />
Die dargestellten Möbel zeigten die ganze Palette der auf Habliks Naturphilosophie ba-<br />
sierenden Möbelformen: Das rückwärtige, zweifach gestelzte Be<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Ziertischchens<br />
(Abb. 449), die krakenartigen <strong>und</strong> metallbeschlagenen Füße <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s r<strong>und</strong>um mit Wellen-<br />
schnitt versehenen Tisches mit Mittelstütze (Abb. 450), der orientalisierende, kielbogen-<br />
förmige Aufsatz <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Sammlungsvitr<strong>in</strong>e (Abb. 451), verschiedenfarbige Intarsien <strong>und</strong><br />
herzförmige Beschläge bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m mehrfach gestuften Halbschrank (Abb. 452) standen für<br />
ausgefeilte Handwerkskunst, den Formenreichtum östlicher
- 216 -<br />
Kulturen, für Naturdarstellung <strong>und</strong> Funktionalität, repräsentierten aber zugleich den<br />
hohen Standard großbürgerlicher Wohnkultur. Die Verwertung ausgefallener <strong>und</strong> kost-<br />
barer Hölzer als Darstellung der naturgegebenen Materialvielfalt sollte jetzt ihren Höhe-<br />
punkt erreichen. E<strong>in</strong>mal war "besonders schön geflammtes Holz" gefordert (Abb. 451),<br />
e<strong>in</strong> andermal sollten Mahagoni, Ebenholz, Teak- <strong>und</strong> Schlangenholz (Abb. 460 a), dann<br />
wieder Pernambuk, Mahagoni, Amarant <strong>und</strong> Ebenholz (Abb. 453), schließlich Mahagoni,<br />
gebeizte <strong>und</strong> polierte Ulme, Nußbaum, Ebenholz <strong>und</strong> Eiche (Abb. 454) auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Möbel<br />
nebene<strong>in</strong>ander ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n.<br />
Kaum <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der Interieur- <strong>und</strong> Möbelentwürfe für das Haus an der Eibchaussee wurde<br />
jedoch ausgeführt. In der zwe<strong>ist</strong>öckigen Villa aus der Zeit der Jahrh<strong>und</strong>ertwende blieben<br />
neben der ursprünglichen Raumfolge jene Bauteile aus der späten Gründerzeit erhalten,<br />
die den herrschaftlichen Charakter <strong>des</strong> Hauses prägten: das mit Jugendstilfliesen ge-<br />
schmückte Entree, die buntverglaste <strong>in</strong>nere Flügeltür, der breit geschwungene Aufgang<br />
zum Obergeschoß <strong>und</strong> der Speisenaufzug zu der im Keller gelegenen Küche. Lediglich<br />
der Salon mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m halbovalen Erker zur Straße h<strong>in</strong> <strong>und</strong> das mit breiten Schiebetüren<br />
angeschlossene Eßzimmer mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m großzügigen Balkon zum Garten erhielten 1919/20<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Innene<strong>in</strong>richtung nach Habliks Entwurf. 508<br />
Er verkleidete das Eßzimmer mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Sockelpaneel, gliederte die Wände <strong>in</strong> ger<strong>in</strong>gen<br />
Abständen durch senkrechte, dunkel gebeizte <strong>und</strong> mit Wellenschnitt versehene Stangen<br />
bis zur Decke <strong>und</strong> schloß sie dort durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Le<strong>ist</strong>e <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Gesims ab (Abb. 455). Die<br />
rechteckigen Wandsegmente wurden mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m grüngoldenen Stoff bespannt, so daß sich<br />
e<strong>in</strong> dunkelfarbiger Gesamte<strong>in</strong>druck ergab. Die Decke erhielt e<strong>in</strong> <strong>in</strong> neun Felder geteiltes<br />
Rechteck aus ebensolchen Stangen (Abb. 455 a); die Zimmertür wurde mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
spiralförmigen Parkett belegt (Abb. 455 d). Die Raumgestaltung war e<strong>in</strong> Nachklang der<br />
ganz aus Holz konstruierten Raumgehäuse <strong>des</strong> H<strong>ist</strong>orismus <strong>und</strong> <strong>des</strong> Jugendstils, nahm<br />
aber mit ihrer strengen kontrastreichen Geometrie 509 japanische Raumelemente (Abb.<br />
456-457) auf, die Anfang der zwanziger Jahre als Vorbild für den Stijl <strong>und</strong> <strong>in</strong> Bruno<br />
Tauts Buch "Die neue Wohnung" (1924, natürlich hergeleitet aus der Japan-Vor liebe <strong>des</strong><br />
Jugendstils <strong>und</strong> der Orient-Verehrung von Worr<strong>in</strong>ger über die Aktiv<strong>ist</strong>en bis zu Behne<br />
<strong>und</strong> Taut) wieder aktuell wurden.
- 217 -<br />
Das Gliederungssystem <strong>und</strong> die Möbel waren aufe<strong>in</strong>ander abgestimmt. An der <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Wand stand vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m großen Wandfeld e<strong>in</strong> breites Büfett (Abb. 458) mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m sechs-<br />
türigen Unterbau <strong>und</strong> konvex geschwungenen Seitenflügeln, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m auf die Mitte be-<br />
schränkten Aufsatz aus kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Schubkästen mit herzförmigen Beschlägen <strong>und</strong> dem<br />
obenauf liegenden Vitr<strong>in</strong>enblock, der über den seitlichen Freiräumen mit Pfosten abge-<br />
stützt war. Der an e<strong>in</strong>igen Kanten aufsch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>nde Wellenschnitt, die Beschlagformen <strong>und</strong><br />
die Türparkette kennzeichneten es als Hablik- Entwurf. Die hellglänzend marmorierte<br />
Verkleidung der Stützen soll aus Perlmutt bestanden haben. 510 Gegenüber standen zu<br />
beiden Seiten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Sofas (Abb. 459), <strong>und</strong> ebenfalls von Gliederungsstangen<br />
e<strong>in</strong>gerahmt, zwei schmale Büfetts mit e<strong>in</strong>fach abgstütztem <strong>und</strong> spitz angeschwungenem<br />
Aufsatz (Abb. 460). Doppelt abgestufte Türfüllungen mit Wellenschnitt, Spiral- <strong>und</strong> W<strong>in</strong>-<br />
kelparkett (Abb. 460 b/c) sowie der gewellte Glasschliff s<strong>in</strong>d auch bei diesen Möbeln<br />
Motive <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r <strong>in</strong>tensiven Materialbearbeitung. Das Ensemble war die getreue Ausführung<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s der E<strong>in</strong>zelentwürfe von 1919 (Abb. 460 a) <strong>und</strong> zeigte die im Entwurf vermerkten<br />
Hölzer: das asiatische oder afrikanische Padouk, Mahagoni, Teak- <strong>und</strong> Ebenholz, die auf<br />
den Möbeln <strong>e<strong>in</strong>e</strong> leuchtende Farbigkeit erzeugen. Selbst das südamerikanische Schlan-<br />
genholz, das ebenso wie andere exotische Hölzer durch den Gerbstofflieferanten der<br />
Lederfabrik Louis Frese beschafft werden konnte, 511 läßt sich mit sternförmigen Perlmutt-<br />
e<strong>in</strong>lagen <strong>in</strong> den Stützen <strong>des</strong> Vitr<strong>in</strong>enaufsatzes nachweisen.<br />
In der Mitte <strong>des</strong> Raumes stand e<strong>in</strong> schwerer Eßtisch (Abb. 458), wie er aus dem Mobiliar<br />
für Emil Frese bekannt <strong>ist</strong>. Passend zu den rustikalen Formen der gewellten B<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>und</strong> der<br />
Fußbretter zeigen auch die zugehörigen Polsterstühle e<strong>in</strong> bohlenstarkes Element, das<br />
zugleich die Rückenlehne <strong>und</strong> das rückwärtige Be<strong>in</strong> bildet (Abb. 461). Die Stühle folgten<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m der "Volkskunst" entliehenen Typ, der um 1900 bereits bei Richard Riemerschmid<br />
sowie bei Hugh Baillie-Scott <strong>und</strong> Koloman Moser vorkommt (Abb. 462-464).<br />
Der Salon erhielt k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Wandverkleidungen. Nur die Zimmerdecke wurde mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Gesims <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r e<strong>in</strong>gerückten Le<strong>ist</strong>e abgesetzt. Der Erker mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ursprünglichen<br />
Fenstergliederungen <strong>und</strong> Sockeln bekam <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n
- 219 -<br />
neuen Parketthimmel. Hier wurden jetzt zwei viertelr<strong>und</strong>e Sofas mit achteckigen Spiel-<br />
tischen (Abb. 465) aufgestellt, <strong>in</strong> den Raumecken daneben standen pfeilerartige Vitr<strong>in</strong>en<br />
(Abb. 466, vgl. Abb. 448). Gegenüber, neben der Schiebetür zum Eßzimmer, erhob sich<br />
<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ecke der w<strong>in</strong>kelförmige dreigeschossige Bücherschrank (Abb. 467). 512<br />
So wie man im Entree nicht auf hergebrachte Formen der Repräsentation verzichten<br />
wollte, so war mit Habliks Möbeln auch <strong>in</strong> Eßzimmer <strong>und</strong> Salon die Gründerzeit zu-<br />
rückgekehrt: Auf dem großen Büfett standen wieder die handgetriebenen Zierteller aus<br />
Mess<strong>in</strong>g; <strong>in</strong> dem Sofa mit den kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Büfetts lebten Möbelformen aus den herr-<br />
schaftlichen Salons wieder auf. Wie <strong>in</strong> den "überbauten Sofas" <strong>des</strong> späten neunzehnten<br />
Jahrh<strong>und</strong>erts (Abb. 468) saß man <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r prunkvollen Möbelarchitektur, e<strong>in</strong>gerahmt von<br />
repräsentativen Aufbauten <strong>und</strong> <strong>in</strong> Reichweite der häuslichen Pretiosen. Immer noch blieb<br />
die prunkvolle Neuausstattung auf die 'öffentlichen' Räume beschränkt, illustrierte das<br />
Mobiliar den gesellschaftlichen Umgang. Der geplante Aufbruch <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Welt, der<br />
revolutionäre Neubeg<strong>in</strong>n, die Programme der Gläsernen Kette waren <strong>in</strong> diesen Räumen<br />
nicht nachzuvollziehen.<br />
Unter dem E<strong>in</strong>druck der großen Innene<strong>in</strong>richtungen <strong>und</strong> Mobiliare entschlossen sich auch<br />
Verwandte <strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e der Familien Biel <strong>und</strong> Frese, E<strong>in</strong>zelmöbel <strong>und</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>re Ensem-<br />
bles bei Hablik <strong>in</strong> Auftrag zu geben. Nach den Aufzeichnungen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Verkaufsbuches<br />
arbeitete er bis zum März 1925 <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Innene<strong>in</strong>richtung für Carl Nikolaus Kähler, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Neffen von Richard <strong>und</strong> Hermann Biel, aus. Heute s<strong>in</strong>d davon lediglich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Nachbildung<br />
<strong>des</strong> Prunkschrankes für Richard Biel (vgl. Abb. 257) <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Nähtisch mit Schubladen-<br />
sockel <strong>und</strong> seitlichen Klappen (Abb. 269) erhalten. 513<br />
Durch die Vermittlung von Karl He<strong>in</strong>rich <strong>und</strong> Emil Frese kam im September 1917 Dr.<br />
Hans Witthöft aus Tornesch <strong>in</strong> Holste<strong>in</strong> zum erstenmal zu Hablik nach Itzehoe. 514 Für ihn<br />
entwarf der Künstler <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r prächtigsten Möbel, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n zweigeschossigen Eichen-<br />
schrank mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m ungewöhnlichen tonnenartigen Dach (Abb. 472). In den Täfelungen<br />
<strong>und</strong> Kassetten der Seitenwände sowie <strong>in</strong> den dreifach gegliederten Kreuz- <strong>und</strong> W<strong>in</strong>-<br />
kelrahmen <strong>des</strong> Unterbaus, der doppelten Abschlußle<strong>ist</strong>e, den ger<strong>und</strong>eten
- 219 -<br />
Verstärkungsplatten <strong>und</strong> dem an fast allen Kanten aufsch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>nden Wellenschnitt erreichte<br />
die handwerkliche Verarbeitung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n erneuten Höhepunkt.<br />
Mit Georg Hormann, dem Direktor der Westholste<strong>in</strong>ischen Bank <strong>in</strong> Itzehoe, hatte sich der<br />
Künstler aufgr<strong>und</strong> <strong>des</strong> geme<strong>in</strong>samen Interesses für Kr<strong>ist</strong>alle <strong>und</strong> M<strong>in</strong>eralien angefre<strong>und</strong>et.<br />
Er arrangierte mitunter <strong>des</strong>sen Sammlungen 515 <strong>und</strong> fertigte dafür Kr<strong>ist</strong>allständer an. Seit<br />
1921 entwarf er für Hormann <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n (offenbar nicht ausgeführten) Schreibtisch sowie<br />
Sammlungs- <strong>und</strong> Mappenschränke, die mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r kassettenartigen Gliederung auf Rahmen<br />
<strong>und</strong> Füllung <strong>in</strong> massivem Teakholz angefertigt wurden (Abb. 473). E<strong>in</strong> Jahr später wurde<br />
e<strong>in</strong> Aussteuermobiliar für die Tochter <strong>des</strong> Bankdirektors projektiert. 516 Von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Eßzimmer mit r<strong>und</strong>em Ausziehtisch (vgl. Abb. 474 b) <strong>und</strong> Büfett s<strong>in</strong>d heute nur noch die<br />
Stühle bekannt. Umlaufender Wellenschnitt <strong>und</strong> übergroße Verstärkungsplatten zwischen<br />
Lehne <strong>und</strong> Sitz s<strong>in</strong>d hier die klassischen Motive der Hablik-Möbel (Abb. 474). Die<br />
flammenartig emporzüngelnde Form der Lehnenpfosten stammt aus der Natursymbolik<br />
<strong>des</strong> Künstlers <strong>und</strong> übermittelt die Belebtheit <strong>des</strong> natürlichen Materials.<br />
Weiter entstanden nach dem Ende <strong>des</strong> Ersten Weltkriegs die Möbel für das eigene Haus<br />
<strong>des</strong> Künstlers sowie E<strong>in</strong>zelstücke oder heute verlorene Mobiliare für Geschw<strong>ist</strong>er <strong>und</strong><br />
Cous<strong>in</strong>en von Elisabeth L<strong>in</strong>demann. Mit dem Jahresende 1922 stellte Hablik den Möbel-<br />
entwurf zunächst e<strong>in</strong>. Die Inflation hatte bewirkt, daß niemand mehr Arbeitslöhne,<br />
Material oder fertige Möbel hätte bezahlen können. Der Geldwertverlust traf jetzt vor<br />
allem das mittelständische Bürgertum, <strong>des</strong>sen Ersparnisse plötzlich wertlos geworden<br />
waren. Der Wellenschnitt <strong>und</strong> die anderen seit 1919 besonders auffällig gewordenen Stil-<br />
elemente liefen mit diesem Zeitpunkt aus.<br />
2. Erste "utopische" Innenräume<br />
Mit der Renaissance <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>allmotivs seit der Jahrh<strong>und</strong>ertwende wurden kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e<br />
Formen vere<strong>in</strong>zelt auch im Kunstgewerbe angewendet. Adolf Loos stattete 1901 <strong>und</strong><br />
1907/08 Privatwohnungen <strong>in</strong> Wien <strong>und</strong> Pilsen sowie 1913 auch das Herrenmoden-<br />
geschäft Kniže <strong>in</strong> Wien <strong>und</strong> Paris mit
- 220 -<br />
Kugellampen aus, die aus fünfeckigen Facetten konstruiert waren (Abb. 475-476).<br />
Ferd<strong>in</strong>and Avenarius entwarf (vor 1906) e<strong>in</strong> Büfett, <strong>des</strong>sen prismatisch gefalteter Aufbau<br />
über strahlenförmig angeordneten Scheiben ebenfalls e<strong>in</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>es Motiv darstellt<br />
(Abb. 477).<br />
Die Gruppe der böhmischen Architekturkub<strong>ist</strong>en 517 um Vlastislav Hofmann, Josef Gočár<br />
<strong>und</strong> Pavel Janák wandte sich seit 1909 mit Entwürfen für Architektur <strong>und</strong> Kunstgewerbe<br />
<strong>in</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en <strong>und</strong> kub<strong>ist</strong>ischen Formen gegen die Wiener Stilkunst, gegen den E<strong>in</strong>fluß<br />
Otto Wagners auf die böhmischen Architekten, letztlich gegen die politische Abhängig-<br />
keit von Wien (vgl. Pehnt 2 1981, 61 f.). Auch hier entstanden neben Tapeten <strong>und</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>-<br />
rem Kunsthandwerk mit kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Motiven (Abb. 300-302) prismatische, polygonale<br />
Lampen (Abb. 478). Möbel zeigten w<strong>in</strong>dschiefe Baukörper mit antifunktionaler kubischer<br />
Eigendynamik (Abb. 479-481). E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>s Theorie über die Auflösung <strong>des</strong> Raum-Zeit-<br />
Kont<strong>in</strong>uums durch die Bewegung der Materie versprach den Aufbruch <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Welt;<br />
Dynamik sollte <strong>in</strong> der gestalteten Materie ihren Niederschlag f<strong>in</strong>den. Die geometrisch-<br />
dynamische Form <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>alls wurde zur Metapher für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> die Zukunft wirkende<br />
Gestaltung: "For these architects too, nature became space which was a cr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e entity<br />
not a geometrical order but a geometrical rhythm determ<strong>in</strong>ed by the art<strong>ist</strong>'s shape-<br />
form<strong>in</strong>g will" (Lamarová 1976, 104). Theoretisch begründet durch den Wunsch nach<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neu gestalteten Welt, erfüllte sich die Sehnsucht der Gruppe nach dem "Ge-<br />
samtkunstwerk", der allgegenwärtigen künstlerischen Gestaltung im Alltagsleben, seit<br />
1912 durch die Gründung der künstlerischen Werkstätten Prag P.U.D., die die Möbel<br />
produzierten, <strong>und</strong> durch die Artěl-Kooperative, <strong>in</strong> der die Objekte aus Keramik, Glas <strong>und</strong><br />
Metall hergestellt wurden (ebd., 106).<br />
Hablik führte nach den Kr<strong>ist</strong>allsammlungen, den utopischen Gemälden <strong>und</strong> Graphiken<br />
der frühen Zeit seit 1919 ebenfalls Elemente <strong>in</strong> die Innendekoration e<strong>in</strong>, die <strong>in</strong> direkter<br />
Beziehung zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Architekturutopien standen. Zu dem Eßzimmermobiliar<br />
für Emil Frese entwarf er <strong>e<strong>in</strong>e</strong> an Ketten aufgehängte sternförmige Deckenlampe (Abb.<br />
482), die wie die Lampen der Prager Gruppe aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Mess<strong>in</strong>ggerüst mit Milchglas-<br />
scheiben konstruiert war. 518 Tatsächlich dürfte Hablik, der im Febru-
- 221 -<br />
ar 1913 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> böhmische Heimatstadt Brüx gere<strong>ist</strong> war 519 <strong>und</strong> der auch von Itzehoe aus<br />
die Verb<strong>in</strong>dung zur Prager Akademie hielt, 520 Anregungen von der Prager Gruppe <strong>und</strong><br />
ihren Werkstätten bezogen haben. Motivisch entstammte die Lampe Habliks kosmischen<br />
Phantasien der "Schaffenden Kräfte" <strong>und</strong> der Universum-Bilder <strong>und</strong> nahm die an "kunst-<br />
vollen Ketten" schwebenden "Weltkörper" im geplanten Kuppelbau der "Neuen Stadt"<br />
vorweg. Als erstes kunsthandwerkliches Objekt, das auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> utopischen Entwürfe<br />
zurückg<strong>in</strong>g, war der lichtspendende weiße Milchglasstern e<strong>in</strong> Versuch, die kosmisch-<br />
weihevolle Stimmung <strong>des</strong> Kuppelbaus, "den E<strong>in</strong>druck der Ätherfreiheit, durch die der<br />
Atem der Gottheit weht", 521 im bürgerlichen Innenraum zu verwirklichen.<br />
Im Eßzimmer für Emil Frese wies auch die farbliche Neugestaltung, die Hablik 1923<br />
ausführte, 522 <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Zeit. Der Künstler gliederte Wände <strong>und</strong> Decke <strong>des</strong> Raumes nach<br />
den Vorbildern der Stijl-Gruppe asymmetrisch durch verschiedenfarbige Streifen <strong>und</strong><br />
Flächen, die <strong>e<strong>in</strong>e</strong> vertikal vernetzte Raumschale suggerieren sollten, <strong>und</strong> löste damit das<br />
herkömmliche Pr<strong>in</strong>zip von "Tragen <strong>und</strong> Lasten" auf. Die Farbgestaltung gehörte zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Serie von Raumexperimenten, die dynamische Konstruktionsweisen, ganzheitlich aus<br />
Stahlbeton, Schaum- oder Gußglas gebildete, "utopische" Innenräume vorbereiten soll-<br />
te. 523 An der <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Wand <strong>des</strong> Eßzimmers stand e<strong>in</strong> zweigeschossiger Ofen mit schwarzen,<br />
weißen <strong>und</strong> farbigen Kacheln nach Habliks Entwurf; die Wand gegenüber füllte zur<br />
Hälfte das vom Künstler geliehene Gemälde <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Bergbachs <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>asien (1911, Gv.<br />
228). Naturerkenntnis <strong>und</strong> handwerkliche Arbeit, Weltraumsymbolik <strong>und</strong> die Vermittlung<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuartigen Raumgefühls verbanden sich zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m pädagogischen Gesamtkonzept,<br />
das die wohlhabende bürgerliche Schicht auf ihre führende Rolle <strong>in</strong> der utopischen<br />
Gesellschaft vorbereiten sollte.<br />
Für die Räume im Hause Louis Frese plante Hablik <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ersten Entwürfen (Abb.<br />
446) <strong>e<strong>in</strong>e</strong> aus Rhomben konstruierte kugelartige Deckenlampe, die den Facettenkugeln<br />
von Adolf Loos ähnelte. Die ausgeführten Glaskörper (Abb. 483-484), die dann <strong>in</strong> zwei<br />
Exemplaren über dem Tisch im Eßzimmer h<strong>in</strong>gen (Abb. 458), verloren diese Ähnlichkeit<br />
jedoch wieder durch ihre unregelmäßige handwerkliche Gestaltung. Sie repräsentierten,<br />
da Naturaliensammlungen, Gemälde <strong>und</strong> Graphiken mit phantastischen Architekturen<br />
offenbar fehlten, alle<strong>in</strong> die utopische Kr<strong>ist</strong>allwelt. E<strong>in</strong>e
- 222 -<br />
schlanke, quadratische Glasvitr<strong>in</strong>e, die durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n pyramidenförmigen Aufsatz die<br />
Gestalt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s fre<strong>ist</strong>ehenden Kr<strong>ist</strong>alls erhalten sollte (Abb. 524 453-454), wurde nicht<br />
ausgeführt. 524<br />
Georg Hormann, der mit dem Künstler befre<strong>und</strong>ete Kr<strong>ist</strong>allsammler, dürfte für <strong>des</strong>sen<br />
utopische Phantasien besonders zugänglich gewesen se<strong>in</strong>. Für ihn entwarf Hablik neben<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der noch öfter vorkommenden sternförmigen Deckenlampen (Abb. 486) <strong>e<strong>in</strong>e</strong> fünf-<br />
zig Zentimeter hohe Tischlampe (Abb. 487), die als e<strong>in</strong> vere<strong>in</strong>fachtes Modell der 1919<br />
entwickelten kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en "Ausstellungsbauten" (Abb. 311) gelten kann. Über dem fünf-<br />
eckigen Gr<strong>und</strong>bau erhebt sich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> aus Dreiecken gebildete Kuppel, die durch die Dre-<br />
hung der Kuppelr<strong>in</strong>ge um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> halbe Seitenlänge entsteht. Nach zwei R<strong>in</strong>gen wird sie<br />
durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> flache Pyramide abgeschlossen. Die als Kielbögen ausgeschnittenen Stand-<br />
b<strong>e<strong>in</strong>e</strong> verkörpern das auch im "Schautempel" von 1914 (Abb. 120) enthaltene orienta-<br />
lische Element. Die Lampe 525 <strong>ist</strong> bereits realisiertes Abbild der Kr<strong>ist</strong>allarchitektur <strong>und</strong><br />
vergegenwärtigt den utopischen Weltentwurf im Alltag <strong>des</strong> bürgerlichen Rezipienten. Die<br />
offen angebrachten Nieten, die Blechschnitte <strong>des</strong> Sockels, die gefalzten Rahmen <strong>und</strong> ihre<br />
Überschneidungen s<strong>in</strong>d als programmatisch wirkende Motive für handwerkliche Arbeit<br />
zugleich Merkmale <strong>des</strong> exklusiv <strong>und</strong> e<strong>in</strong>malig hergestellten Kunstwerks, <strong>des</strong>sen Besitzer<br />
zum ausgewählten Kreis der künftigen Gesellschaft zählt. Außer den Möbeln erhielt die<br />
Familie Hormann Ölbilder, Schmuck <strong>und</strong> Besteck nach Habliks Entwurf. 526 Unter dem<br />
leuchtenden Milchglasstern, zwischen Kr<strong>ist</strong>allsammlung <strong>und</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong> gestaltetem Ge-<br />
brauchsgegenstand schien sich <strong>in</strong> dem vom Künstler geprägten Alltag die Erneuerung <strong>des</strong><br />
gesellschaftlichen Lebens durch Natur <strong>und</strong> Kunst vorzubereiten.<br />
Carl Ste<strong>in</strong>, Teilhaber <strong>in</strong> der Itzehoer Tapetengroßhandlung Adolf Soetje, 527 beschäftigte<br />
den Künstler bereits seit 1908 mit der Gestaltung von Tapetenmustern. Diese fast schon<br />
gehaßte Arbeit <strong>des</strong> Musterzeichnens, 528 die dem Künstler nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ankunft <strong>in</strong> Itzehoe<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ersten Broterwerb sichern <strong>und</strong> den Mäzen Richard Biel f<strong>in</strong>anziell entlasten sollte, 529<br />
führte bis <strong>in</strong> die Mitte der zwanziger Jahre zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Massenproduktion von Hablik-<br />
Tapeten. Tausende von Tapetenrollen, die die "Hamburger Tapetenfabrik Werner &<br />
Sievers" <strong>in</strong> Bald Ol<strong>des</strong>loe druckte, wurden
- 223 -<br />
durch Großhändler <strong>in</strong> ganz Deutschland bis nach Skand<strong>in</strong>avien <strong>und</strong> Südamerika ver-<br />
trieben. 530 Auch über die Tapetenmuster 531 transportierte Hablik Motive s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Natur- <strong>und</strong><br />
Kr<strong>ist</strong>allsymbolik <strong>in</strong> den Innenraum. Mäandervariationen, die er mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r steigenden<br />
Vorliebe für die Schraubenversetzungen <strong>des</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Wismuts seit 1918 auch für<br />
Bezugs-, Vorhang- <strong>und</strong> Kleiderstoffe verwendete, wurden <strong>in</strong> den zwanziger Jahren sehr<br />
beliebt (Abb. 488-490). In der "Zackentapete" (Abb. 491-493), die den Stoffentwurf<br />
"Zackenmuster" (Abb. 298) von 1911 wieder aufnahm, 532 kehrten der Blitz als Ausdruck<br />
der schöpferischen Naturgewalten, "die erstarrten Gewitterblitze als Symbole für die Kri-<br />
stallbauten" 534 wieder. Das unruhig bewegte, blitzartige 'Kardiogramm' aus verschieden<br />
breiten L<strong>in</strong>ien war <strong>in</strong> der Tapetenversion achsensymmetrisch angeordnet <strong>und</strong> bildete <strong>in</strong><br />
bis zu sieben kontrastierenden Farben 535 senkrecht verlaufende Rautenbänder (Abb. 494).<br />
E<strong>in</strong>e "Wolken-Tulpen-Tapete" (Abb. 495) mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m wolkenartig emporquellenden<br />
goldbronzenen Stamm, aus dem grüne Blattgewächse mit dunkelroten tulpenartigen Blü-<br />
tenkelchen hervorbrechen, entsprach den um 1919 entstandenen exotisch-floralen Stoff-<br />
applikationen.<br />
Ste<strong>in</strong>s, die die Hablik-Tapeten für ihr eigenes Haus verwendeten <strong>und</strong> die Räume als<br />
beispielhafte Gestaltung <strong>in</strong> den Tapetenprospekten der Firma publizierten, beauftragten<br />
den Künstler nach dem Krieg auch mit Möbelentwürfen. E<strong>in</strong>e Ecke <strong>des</strong> Salons, <strong>in</strong> der das<br />
1914 erworbene Gemälde <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Kr<strong>ist</strong>allbergs "Stimmungsbild für e<strong>in</strong> Musikzimmer"<br />
(Abb. 139) h<strong>in</strong>g, wurde mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bunten, kontrastreichen Bahnentapete aus Quadraten<br />
<strong>und</strong> Mäandern 536 sowie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Spieltisch mit vier Sesseln <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Sternlampe als<br />
geschlossenes Hablik-Ensemble e<strong>in</strong>gerichtet (Abb. 496). Wie <strong>in</strong> den Interieurs für Emil<br />
Frese <strong>und</strong> Georg Hormann waren damit mehrere, die utopische Welterneuerung<br />
vorbereitende Gestaltungsmuster komb<strong>in</strong>iert: Die Möbel verkündeten durch die hand-<br />
werklichen Elemente - Wellenschnitt, auffallend große <strong>und</strong> mehrfach verschraubte Ver-<br />
stärkungsplatten, Parkett <strong>und</strong> Helldunkelkontraste beim achteckigen Spieltisch (Abb.<br />
497), breite Stützen, sichtbare Schrauben <strong>und</strong> Zapfen bei den r<strong>und</strong>lichen Polstersesseln<br />
(Abb. 498-498 a) - die Bearbeitung <strong>des</strong> naturgegebenen Materials als Gr<strong>und</strong>bed<strong>in</strong>gung<br />
künftiger Lebensgestaltung. Der "Kr<strong>ist</strong>allberg" war e<strong>in</strong> Beispiel utopischer Architektur;<br />
die Sternlampe symbolisierte den
- 224 -<br />
geplanten Aufbruch zum Kosmos. Die Mäander <strong>des</strong> Tapetenmusters zeigten die Schrau-<br />
benversetzungen <strong>des</strong> Wismuts als allgegenwärtige kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Gestaltung. Der übrige<br />
Raum war mit der dynamischen "Zackentapete", mit mehreren Blumen- <strong>und</strong> Land-<br />
schaftsbildern <strong>des</strong> Künstlers sowie mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Sitzgruppe aus Sofa, zwei Sesseln <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Be<strong>ist</strong>elltisch (Abb. 499) nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Entwurf ausgestattet. 537<br />
Aber schon im Eßzimmer zeigte sich, daß Ste<strong>in</strong>s den Künstler nur nach Bedarf mit dem<br />
Entwurf von E<strong>in</strong>richtungsgegenständen beauftragten; denn außer <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m von ihm gestal-<br />
teten Nähtisch im geometrischen Wiener Stil mit Ebenholzrahmen <strong>und</strong> hellen Flächen<br />
standen hier nur Möbel aus fremder Produktion (Abb. 500). Die Wände waren mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
kontrastreichen Version <strong>des</strong> Mäandermusters tapeziert. E<strong>in</strong> gemaltes Deckenquadrat, von<br />
dem <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Hablik-Lampe aus zwei gekreuzten Glasplatten mit offenen Glühbirnen herab-<br />
h<strong>in</strong>g, wiederholte mit sechs verschiedenen Farbstreifen die Buntfarbigkeit der Tapete.<br />
E<strong>in</strong>zelstücke im Haus waren e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>teilig kassettierter Stubenschrank (Abb. 501) <strong>und</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Klavierbank, die reichhaltig mit Wellenschnitt verziert s<strong>in</strong>d. Die Zeichnung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Uhrgehäuses für "Ste<strong>in</strong>" vom Dezember 1922 (Abb. 502) war <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der letzten Entwürfe,<br />
die dieses Stilelement zeigen.<br />
Mit sternförmigen <strong>und</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Lampen, Zackenstoffen, Zacken- <strong>und</strong> Mäandertapeten<br />
war es Hablik gelungen, utopische Motive umfassender als zuvor im Innenraum e<strong>in</strong>zu-<br />
setzen. Und auch auf den Möbeln erschienen stern- <strong>und</strong> rautenförmige Ebenholze<strong>in</strong>lagen<br />
(Abb. 497), kehrte das Flammenschwert aus Habliks eigenem Exlibris (Abb. 77) <strong>in</strong> den<br />
emporzüngelnden Stuhlpfosten (Abb. 474) wieder. Im geschlossenen Ensemble aus Mö-<br />
beln, Tapete, Lampe <strong>und</strong> Ölbild erreichte der Künstler die dreidimensionale Gestaltung<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s utopischen Konzepts, die anfaßbare <strong>und</strong> begehbare Utopie, wie Kurt Schwitters sie<br />
zur gleichen Zeit außerhalb jeder gesellschaftlichen E<strong>in</strong>b<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> daher radikaler <strong>und</strong><br />
<strong>in</strong> größeren Dimensionen <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m "Merzbau" (1920-36) aus Holz, Gips <strong>und</strong> Objets<br />
trouvés <strong>in</strong> kub<strong>ist</strong>ischen <strong>und</strong> amorphen Formen verwirklichte.<br />
Seit 1920 bee<strong>in</strong>flußten die utopischen Architekturentwürfe, die auf den Ausstellungen<br />
"für unbekannte Architekten" (1919) <strong>und</strong> "Neues Bauen" (1920) sowie <strong>in</strong> den Publika-<br />
tionen <strong>des</strong> Arbeitsrates für Kunst gezeigt wor-
- 225 -<br />
den waren, auch anderweitig die Innendekoration. In diesem Jahr übertrugen Rudolf<br />
Bell<strong>in</strong>g, Mitglied der Künstlerischen Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft im AfK, <strong>und</strong> der Architekt<br />
Walter Würzbach die Kr<strong>ist</strong>allvisionen der Utop<strong>ist</strong>en <strong>in</strong> die Innenausstattung <strong>des</strong> We<strong>in</strong>-<br />
restaurants im Berl<strong>in</strong>er Scala-Palast (Abb. 503-504). Auf sternförmigem Gr<strong>und</strong>riß<br />
wurden die Wände mit überschnittenen kubischen Flächensegmenten rhythmisiert; die<br />
Decke zeigte freiplastische Kr<strong>ist</strong>allzacken. Paul Westheim erkannte die modische Atti-<br />
tüde <strong>und</strong> befand, dies sei "nicht das Volkshaus, das <strong>in</strong> den Manifesten <strong>und</strong> Papier-Exhibi-<br />
tionen der jungen Architektur-Ideologen uns verheißen <strong>ist</strong>" (1920, 366).<br />
Dekorativer <strong>und</strong> anspruchsloser gestalteten Bell<strong>in</strong>g, Würzbach <strong>und</strong> César Kle<strong>in</strong>, der mit<br />
Behne <strong>und</strong> Gropius den Geschäftsausschuß <strong>des</strong> AfK leitete, die Innenräume im Hause<br />
Wolfgang Gurlitt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, wo sie buntfarbige Zacken, Rauten <strong>und</strong> Prismen zu Wand-<br />
malereien <strong>und</strong> Möbelelementen verarbeiteten (Abb. 505-506). Inzwischen boten auch die<br />
Kunstgewerbefabriken prismatisch verschnittene <strong>und</strong> mit Sternmustern bemalte Lampen<br />
an (Abb. 507). Zackentapeten <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m neo-barocken Münchener Theaterraum (Abb.<br />
508), e<strong>in</strong> Sofa, <strong>des</strong>sen gezackte Rückenlehne sich im Muster <strong>des</strong> Bezugsstoffes fortsetzte<br />
(Abb. 509), gehörten zum Modernsten, was die Kunstgewerbezeitschriften zu bieten<br />
hatten. Gleichzeitig wurden Innendekorationen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Neo-Rokoko gefeiert, das auch die<br />
"expression<strong>ist</strong>ischen" Zackenmuster dekorativ verarbeiten konnte (Abb. 510): "Ch<strong>in</strong>a,<br />
Rokoko, Expressionismus, alles unter der Herrschaft sensitivster Fe<strong>in</strong>nervigkeit zusam-<br />
mengefaßt ... h<strong>in</strong>gegeben an den Ge<strong>ist</strong> modischer Gefälligkeit ... aus Bezirken der E<strong>in</strong>bil-<br />
dungskraft stammend, wo es ke<strong>in</strong> plumpes Ernstnehmen der D<strong>in</strong>ge mehr gibt ... daß<br />
nichts mehr bleibt als e<strong>in</strong> Lächeln, hauchartig über die schimmernde Fläche gebreitet"<br />
(Frank 1919, 78).<br />
II. "Ubergangsbauten". Die utopische Dimension der Farbe<br />
Der Vermarktung utopischer Formen zu Dekorationselementen für Architektur <strong>und</strong><br />
Kunstgewerbe hatte Hablik seit 1921 e<strong>in</strong> neues Innenraumkonzept entgegenzusetzen. Es<br />
bestand <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuartigen Gliederung tradi-
- 226 -<br />
tioneller quaderförmiger Räume sowie bereits gebauter oder baubarer kubischer Architek-<br />
turen durch leuchtende, stark kontrastierende Farbflächen <strong>und</strong> -streifen <strong>und</strong> stand unter<br />
dem Motto "Übergangsbauten". 538 War <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Verwirklichung der Kr<strong>ist</strong>allarchitektur <strong>in</strong><br />
absehbarer Zeit nicht zu erwarten, so sah der Künstler erneut im Innenraum die Mög-<br />
lichkeit, e<strong>in</strong> ausgesuchtes Publikum auf neue Lebensformen vorzubereiten. 1925 resü-<br />
mierte er:<br />
"... es gilt noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Weile zu warten, was s<strong>in</strong>d 50 Jahre? was s<strong>in</strong>d 500 Jahre? (...)<br />
Es gilt aber auch, den 'Übergang' vorzubereiten zu jener Zeit ..." 539<br />
1. Theorie <strong>und</strong> Entwürfe<br />
Die Diskussion über <strong>e<strong>in</strong>e</strong> farbige Architektur g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Deutschland vor allern von Bruno<br />
Taut aus. Angeregt durch Ferd<strong>in</strong>and Avenarius 540 <strong>und</strong> durch Theodor Goecke, 541 s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Lehrer an der Technischen Hochschule Charlottenburg (1908), setzte sich Taut für <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
flächendeckende Anwendung der Farbe e<strong>in</strong> <strong>und</strong> wurde 1914 durch die noch <strong>in</strong> Pastell-<br />
tönen gestrichenen Häuser der Gartenstadt Berl<strong>in</strong>-Falkenberg <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r breiteren Öffentlich-<br />
keit bekannt. Paul Scheerbart unterstützte den 'Farbwillen' <strong>des</strong> Fre<strong>und</strong>es mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Sprü-<br />
chen für das "Glashaus": "Das bunte Glas / Zerstört den Haß." "Wer die Farbe flieht, /<br />
Nichts vom Weltall sieht." Aber auch für Scheerbart wäre die farbig gestrichene Fassade<br />
nur e<strong>in</strong> unzureichender Übergang gewesen; se<strong>in</strong> "Farbenglück" war <strong>in</strong> den utopischen<br />
Romanen nur mit Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>und</strong> Perlmutt, Glaskugeln <strong>und</strong> "Höhlensternen", <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Vorschlägen für die "Glasarchitektur" (1914) nur mit "haltbaren Farben" <strong>in</strong> Glas, Email,<br />
Majolika <strong>und</strong> Porzellan (S. 32) zu verwirklichen: "Nicht 'mehr Licht!' - 'mehr<br />
Farbenlicht!' muß es heißen" (S. 120). Bruno Tauts "Glashaus" konnte <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Teil dieser<br />
Forderungen noch im gleichen Jahr erfüllen. 542 1919 <strong>in</strong>itiierte Taut <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n "Aufruf zum<br />
farbigen Bauen", der zunächst <strong>in</strong> der "Bauwelt", 1921 <strong>in</strong> "Frühlicht" veröffentlicht <strong>und</strong><br />
von über fünfzig namhaften Architekten unterstützt wurde.<br />
In der modernen Malerei war die ausschließliche Favorisierung r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r leuchtender Farb-<br />
flächen bis zu diesem Zeitpunkt bereits h<strong>in</strong>reichend thematisiert. Sowohl die seit 1905<br />
geschlossen auftretende Künstlergruppe
- 227 -<br />
Les Fauves um Matisse <strong>und</strong> Vlam<strong>in</strong>ck, wie auch die im gleichen Jahr <strong>in</strong> Dresden gegrün-<br />
dete Gruppe der "Brücke"-Künstler beriefen sich mit ihrer Bevorzugung r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Farben <strong>in</strong><br />
Komplementärkontrasten schon auf van Gogh <strong>und</strong> Gaugu<strong>in</strong>, die mit ihren Gegen-<br />
positionen zur Farbenzerlegung <strong>des</strong> Impressionismus den Beg<strong>in</strong>n der modernen Bewe-<br />
gungen markiert hatten: Beide sahen <strong>in</strong> den durch die Impression<strong>ist</strong>en befreiten Farben<br />
elementare Ausdrucksmöglichkeiten der menschlichen Ex<strong>ist</strong>enz. Für Gaugu<strong>in</strong> offenbarte<br />
sich <strong>in</strong> den r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Farben, die er <strong>in</strong> großen, scharf umrissenen Flächen verwendete, <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
"mysteriöse, rätselhafte Kraft". Nur <strong>in</strong> der "Intensität" läge die Natur der Farbe begrün-<br />
det! "Die r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Farbe! <strong>und</strong> man muß ihr alles opfern" (zit. n. Morice 1919, 225). Van<br />
Gogh, der dem Kolorit <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> den Enthusiasmus im Leben gleichsetzte (Ausg. 1928,<br />
Bd. 3, 27) formulierte bereits die künftigen Aufgaben: "Der Maler der Zukunft, das <strong>ist</strong> e<strong>in</strong><br />
Kolor<strong>ist</strong>, wie es ihn noch nie gab ..." (ebd., 106).<br />
Die von ihm betriebene Maximierung der Farbwerte führte Dera<strong>in</strong> <strong>und</strong> Matisse zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
durch Komplementärkontraste gesteigerten Malerei <strong>in</strong> fest umrissenen Farbflächen.<br />
Dera<strong>in</strong> schrieb über s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frühzeit: "Die Farben wurden für uns Dynamitpatronen. Sie<br />
sollten das Licht entladen. Wir g<strong>in</strong>gen direkt die Farbe an. Die Idee <strong>in</strong> ihrer Frische war<br />
w<strong>und</strong>ervoll, daß man alles über das Wirkliche h<strong>in</strong>ausheben konnte" (zit. n. Hess 1956,<br />
35).<br />
Robert Delaunay, der sich nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r kurzen fauv<strong>ist</strong>ischen Phase 1909 kub<strong>ist</strong>ischen <strong>und</strong><br />
später abstrakten Bildlösungen zuwandte, bee<strong>in</strong>flußte durch se<strong>in</strong> Interesse für die Dyna-<br />
mik <strong>und</strong> die rhythmische Bewegung der Farbe die Expression<strong>ist</strong>en. Konzentrisch ange-<br />
legte monochrome Farbzonen, wie er sie <strong>in</strong> verschiedenen Bildern zwischen 1913 <strong>und</strong><br />
1917 verwendete (Abb. 381), kehrten <strong>in</strong> Habliks "Gebirgsland" (Abb. 380) <strong>in</strong> ähnlicher<br />
Struktur wieder; Delaunays seit 1909 entstandene Ansichten <strong>des</strong> Kirchen<strong>in</strong>nern von<br />
Sa<strong>in</strong>t-Séver<strong>in</strong> (Abb. 384) bee<strong>in</strong>flußten <strong>in</strong> Perspektive, Buntfarbigkeit <strong>und</strong> mit ihren<br />
wirbelnden Farbstrukturen Habliks Darstellung <strong>des</strong> "Dom-Inneren" mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n leuch-<br />
tenden "Gasballons" (Abb. 383). Farbe bedeutete für Delaunay zugleich die Darstellung<br />
<strong>des</strong> Lichts. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m "Disque simultané" ordnete er 1913 kreisförmig gesetzte Farben<br />
derart an, daß <strong>in</strong> allen Zirkeln kontrastierende Farben e<strong>in</strong>ander gegenüberstanden -
- 228 -<br />
e<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>modell, "das sowohl die Totalität der Farben enthielt wie auch die Bewegung<br />
<strong>des</strong> Lichts <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> zugleich unendliche <strong>und</strong> abgeschlossene Form brachte" (Vriesen/Im-<br />
dahl 1967, 61).<br />
In den Architekturvisionen der Gläsernen Kette vere<strong>in</strong>igten sich die verschiedenen Posi-<br />
tionen: die Farbe als Ausdruck menschlicher Ex<strong>ist</strong>enz, die r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, leuchtende Farbe als<br />
letzte Konsequenz bildnerischer <strong>und</strong> architektonischer Gestaltung, die Farbe als Ausdruck<br />
<strong>des</strong> Lichts - wobei sich Fidus' "Empor zum Licht!" <strong>in</strong> e<strong>in</strong> 'Empor zur Farbe!' verwandelte.<br />
Hablik sah im Dombau s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Neuen Stadt" H<strong>und</strong>erttausende die Augen "zu dem un-<br />
wahrsche<strong>in</strong>lichen Glitzern <strong>und</strong> Gleißen ... zu dem Farbenglühen <strong>und</strong> Sonnenfunkeln"<br />
erheben, "der Blick stürzt freudetrunken <strong>in</strong> die Höhen, daher es wie Götterstimmen orgelt<br />
<strong>und</strong> jubelt". 543 Bruno Taut entwarf für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Stadtkrone" <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n als "Farbenmeer" ausge-<br />
breiteten Stadtbereich "zum Zeichen <strong>des</strong> Glückes im neuen Leben" (1919, 69). Adolf<br />
Behne charakterisierte die Farbe als das "Elementare, Unmittelbare, Hüllenlose. Jeder<br />
r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Farbenklang <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Ton aus dem Universum, etwas Letztes, Entscheiden<strong>des</strong>". In der<br />
Rückkehr zur farbigen Architektur sah er - <strong>in</strong>spiriert durch die Baukunst außereuro-<br />
päischer <strong>und</strong> 'primitiver' Völker - die Quelle <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Volkskunst, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "e<strong>in</strong>heitlichen<br />
Volkskultur" (Wiederkehr der Kunst 1919, 102 f.). Der "Arbeitsrat für Kunst" stellte für<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Band "Ja! Stimmen <strong>des</strong> Arbeitsrates" führenden Malern, Architekten <strong>und</strong> Kunst-<br />
kritikern die Frage nach der "Farbbehandlung <strong>des</strong> Stadtbil<strong>des</strong>" <strong>und</strong> der "Bemalung von<br />
Fassaden <strong>und</strong> Innenräumen" (Ja! 1919, 8). Von den acht<strong>und</strong>zwanzig E<strong>in</strong>sendern traten<br />
aber nur Karl Schmidt-Rottluff <strong>und</strong> Georg Tappert für farbige Hausanstriche e<strong>in</strong>: der <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
sah "ganze Straßenfronten der Großstadt (mit) farbigen Streifen <strong>in</strong> Höhe <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Stock-<br />
werks" (S. 90), der andere e<strong>in</strong>heitlich rote, blaue <strong>und</strong> grüne Straßenzüge vor sich (S. 97).<br />
Seit 1921 gelang es Bruno Taut als Stadtbaurat von Magdeburg, die Farbe im Straßenbild<br />
zum Tagesgespräch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ganzen Stadt <strong>und</strong> zum bevorzugten Thema der Architekturzeit-<br />
schriften zu machen. Das Magdeburger Rathaus wurde von Karl Völker aus Halle durch<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> kontrastreiche Fassung aller Architekturglieder farbig neu gestaltet. Der Karlsruher<br />
Maler Oskar Fischer (1892-1955) 544 überzog die vom gründerzeitlichen Stuck befreite<br />
Fassade <strong>des</strong> Kaufhauses Barasch mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Netz geometrischer
- 229 -<br />
Farbflächen. E<strong>in</strong> Wettbewerb für Hausanstriche <strong>und</strong> Reklame erbrachte bis Ende 1922<br />
über e<strong>in</strong>h<strong>und</strong>ert farbig bemalte Häuser <strong>und</strong> ungezählte bunte Kioske, Brandgiebel, Zaun-<br />
reklamen <strong>und</strong> Straßenbahnen. Zwar wurde schon im Jahr darauf der schlechte Zustand<br />
der Hausanstriche beklagt, doch konnte Taut s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Magdeburger Erfahrungen ab 1924 als<br />
Siedlungsplaner <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> verwerten. Bis <strong>in</strong> die dreißiger Jahre wurden die von ihm ent-<br />
worfenen Siedlungen monochrom oder mit verschiedenfarbig abgesetzten Flächen bemalt<br />
<strong>und</strong> erregten dadurch <strong>in</strong>ternationales Aufsehen. 545<br />
Seit 1917 versuchten auch die holländischen Künstler um die von Theo van Doesburg<br />
herausgegebene Zeitschrift De Stijl das Verhältnis von Architektur <strong>und</strong> Farbe neu zu<br />
bestimmen. Auf der Gr<strong>und</strong>lage von Piet Mondrians Gemäldekompositionen aus Recht-<br />
eckflächen <strong>in</strong> r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Farben entwickelten Bart van der Leck <strong>und</strong> Vilmos Huszar für den<br />
Innenraum, Doesburg, Cornelis van Eesteren <strong>und</strong> Gerrit Thomas Rietveld für die Ar-<br />
chitektur Gliederungs- <strong>und</strong> Konstruktionssysteme aus re<strong>in</strong>farbigen Flächen, die durch<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> "wechselseitige Beziehung der Massen" (van Doesburg 1919, 32), durch das<br />
"Gleichgewicht" nicht-äquivalenter Teile (ders. 1924, 81) <strong>e<strong>in</strong>e</strong> absolute Harmonie dar-<br />
stellen sollten. Der <strong>in</strong> der Malerei erprobte "Neo-Plastizismus" auf der Basis <strong>des</strong> rechten<br />
W<strong>in</strong>kels sowie der Horizontalen <strong>und</strong> der Vertikalen, der drei Gr<strong>und</strong>farben Rot, Gelb <strong>und</strong><br />
Blau <strong>und</strong> der unbunten Farben Weiß, Grau <strong>und</strong> Schwarz bedeutete "Gestaltung <strong>in</strong> räum-<br />
licher Flächigkeit", sollte "raumschaffend im Gegensatz zum farblos Flächigen der Bau-<br />
kunst" wirken (van der Leck 1917, 7). Er war damit von vornhere<strong>in</strong> auf die Anwendung<br />
<strong>in</strong> der Architektur ausgelegt. Van der Leck schrieb 1917: Die Malerei "wird ... bei ihrer<br />
Weiterentwicklung vom Vere<strong>in</strong>zelten zum Allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n die gesamte Farbkomposition<br />
<strong>und</strong> die dem Malen zugehörige Formkonzeption am Gebäude als ihre rechtmäßige<br />
Domäne beanspruchen" (ebd., 6). Und Mondrian ergänzte drei Jahre später: "Die Bau-<br />
kunst braucht <strong>in</strong> faßbarer Wirklichkeit nur zu realisieren, was die Malerei <strong>in</strong> der Neuen<br />
Gestaltung abstrakt angelegt hat" (Mondrian 1920, 30).<br />
Bereits 1917 übertrug Huszar diese Pr<strong>in</strong>zipien <strong>in</strong> den Innenraum. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ausmalung<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Schlafraumes für Cornelis Bruynzeel (Abb. 511) dienten Komb<strong>in</strong>ationen von<br />
gelben, weißen, blauen <strong>und</strong> grauen Rechteckflächen
- 230 -<br />
zur Akzentuierung von Wandabschnitten <strong>und</strong> Möbelsituationen. Durch die Umkehrung<br />
von Farbkomb<strong>in</strong>ationen auf gegenüberliegenden Wänden ergab sich e<strong>in</strong> neues Gefühl für<br />
das Volumen <strong>des</strong> Raumes, wurden die Wände <strong>und</strong> das davor plazierte Mobiliar zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
harmonischen Ganzen verb<strong>und</strong>en (vgl. Friedman, Hrsg., 1982, 172). In den folgenden<br />
Jahren beschäftigte sich auch Theo van Doesburg mit der "Farbauflösung" von Innenräu-<br />
men (Abb. 512). Beide - das Gleichgewicht der Flächen <strong>und</strong> Räume wie auch die Kon-<br />
frontation der Farbflächen <strong>in</strong> Außenbau <strong>und</strong> Innenraum - bildeten das Konstruktions-<br />
pr<strong>in</strong>zip für das 1924 von Rietveld errichtete Haus Schröder <strong>in</strong> Utrecht (Abb. 513-514).<br />
Im Dezember 1920 traf Doesburg im Hause von Bruno Taut <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> zum erstenmal mit<br />
Walter Gropius, Adolf Meyer <strong>und</strong> Fred Forbat als Vertretern <strong>des</strong> Bauhauses zusammen.<br />
E<strong>in</strong>en Monat später folgte er ihrer E<strong>in</strong>ladung zur Besichtigung <strong>des</strong> Instituts <strong>und</strong> ließ sich<br />
im April 1921 <strong>in</strong> Weimar nieder. Heftige Kritik am Bauhaus <strong>und</strong> schwere Differenzen<br />
mit Gropius verh<strong>in</strong>derten Doesburgs Anstellung als Bauhaus-Me<strong>ist</strong>er. Bis 1923 hielt er<br />
eigenständige Kurse <strong>in</strong> Weimar ab. So sehr sich das offizielle Bauhaus gegen den Stijl-<br />
Redakteur wehrte, wurde doch vor allem <strong>in</strong> der Architektur, der Möbelgestaltung <strong>und</strong> der<br />
Typographie "die <strong>in</strong>ternationale Welt <strong>des</strong> Konstruktivismus Bauhaus-Me<strong>ist</strong>ern wie Bau-<br />
haus-Lehrl<strong>in</strong>gen durch van Doesburg erst nahegebracht" (von Wiese 2 1984, 265). Wäh-<br />
rend der Ära Gropius (1919-1928) beschäftigten sich die Werkstätten für Wandmalerei<br />
vor allem unter der Leitung von H<strong>in</strong>nerk Scheper seit 1925 mit der "Farbe als Element<br />
der Akzentuierung wie auch der Begrenzung <strong>des</strong> Raumes" (Sammlungs-Katalog Bauhaus<br />
2 1984, 139). Scheper <strong>und</strong> Alfred Arndt entwickelten Farbpläne für die Innenräume <strong>und</strong><br />
die Außengestaltung <strong>des</strong> Dessauer Bauhauses <strong>und</strong> der Me<strong>ist</strong>erhäuser von Walter Gropius.<br />
Die Farbgestaltungen <strong>des</strong> Stijls bee<strong>in</strong>flußten auch die Arbeiten von Bruno Taut. In se<strong>in</strong><br />
aufklärerisch wirken<strong>des</strong> Buch "Die neue Wohnung" nahm er 1924 Entwürfe für farbige<br />
Innenräume von Huszar, Rietveld <strong>und</strong> Jan Wils auf <strong>und</strong> bot eigene Farbpläne sowie e<strong>in</strong><br />
Schema von Otto Bartn<strong>in</strong>g zur farblichen Neuordnung bestehender Innenräume an. Tauts<br />
1927 erschienene Publikation über das eigene Wohnhaus enthielt bereits <strong>e<strong>in</strong>e</strong> farbige<br />
Blitzlichtaufnahme der mit roten, gelben <strong>und</strong> blauen Wänden gestalteten Arbeitsnische im<br />
Obergeschoß <strong>des</strong> Hauses.
- 231 -<br />
Wenzel Hablik hatte schon 1912 se<strong>in</strong> "Vielfamilienwohnhaus im Gebirge" (Abb. 113) mit<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r vollständigen Fassadenbemalung aus roten, gelben, blauen <strong>und</strong> schwarzen Streifen<br />
von der Höhe <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s oder mehrerer Stockwerke vorgesehen (so wie Schmidt-Rottluff es<br />
dann 1919 <strong>in</strong> den "Stimmen <strong>des</strong> Arbeitsrates" forderte). S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> farbigen Architektur- <strong>und</strong><br />
Innenraumentwürfe der zwanziger Jahre s<strong>in</strong>d jedoch vor dem H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> der nationalen<br />
<strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationalen Entwicklung zu sehen. 1917 reagierte er auf die Gründung der Zeit-<br />
schrift De Stijl <strong>und</strong> auf die erste <strong>in</strong> Farbstreifen <strong>und</strong> -flächen vorgenommene Innenraum-<br />
gestaltung von Vilmos Huszar (Abb. 511) mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m eigenen Entwurf. Er zeichnete <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Raumquader mit Übereckfenster (Abb. 515), <strong>in</strong> dem rote, gelbe, blaue <strong>und</strong> graue Streifen<br />
von den Wänden aus rechtw<strong>in</strong>klig gebrochen <strong>in</strong> die Decke h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>greifen, dort Segmente<br />
abteilen <strong>und</strong> wieder <strong>in</strong> die Wand zurückgeführt werden. Während Huszar mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Farbstreifen <strong>in</strong> der jeweiligen Wand- oder Deckenfläche verblieb, ließ Hablik e<strong>in</strong>zelne<br />
Streifen über Wände <strong>und</strong> Decke frei mäandrieren: Die Mäander, die von den Strukturen<br />
<strong>des</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Wismuts abgeleitet waren (Abb. 370), schufen e<strong>in</strong> vollständig umklam-<br />
mertes Raumvolumen <strong>und</strong> suggerierten die Ablösung von "Tragen <strong>und</strong> Lasten" durch<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> r<strong>und</strong>um vernetzte Raumkonstruktion.<br />
Hablik übertrug die neu gef<strong>und</strong>ene Struktur <strong>in</strong> den Außenbau. Für e<strong>in</strong> zweiteiliges<br />
"Wohnhaus <strong>und</strong> Atelier" (1921, Abb. 516) entwarf er blau <strong>und</strong> gelb schimmernde quader-<br />
förmige Raumkörper aus "Gußglas" <strong>und</strong> "isolierendem Schaumglas", die von roten,<br />
grauen <strong>und</strong> schwarzen dreidimensional mäandrierenden Klammern aus Eisenbeton zu-<br />
sammengehalten werden. Die Orig<strong>in</strong>alität <strong>des</strong> Entwurfs bestand <strong>in</strong> der idealen Symbiose<br />
<strong>des</strong> freiplastischen Glaskörpers mit der kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Form <strong>des</strong> Wismuts, dem 'neuen' (um<br />
1900 an der Ecole <strong>des</strong> Beaux Arts <strong>und</strong> durch Auguste Perret entwickelten) Material<br />
Eisenbeton <strong>und</strong> den r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Farben, die je<strong>des</strong> für sich das 'Gr<strong>und</strong>sätzliche' <strong>und</strong> 'Wahre'<br />
repräsentierten.<br />
E<strong>in</strong>flüsse der <strong>in</strong>ternationalen Architektur s<strong>in</strong>d jedoch unabweisbar. Frank Lloyd Wrights<br />
Unity-Temple <strong>in</strong> Chicago (1906, Abb. 517) stand Pate für die Bipolarität <strong>des</strong> Gr<strong>und</strong>risses,<br />
das Robie-Haus (1909, Abb. 518) für die fre<strong>ist</strong>ehenden Platten- <strong>und</strong> Glaskonstruktionen.<br />
Aus dem Mittelbau der von J.J.P. Oud geplanten Fabrik für Purmerend (1919, Abb. 519)<br />
s<strong>in</strong>d die
- 232 -<br />
rechtw<strong>in</strong>klig gegene<strong>in</strong>ander gesetzten Stützen, Platten <strong>und</strong> Quader abgeleitet. Im gleichen<br />
Jahr 1921 baute Willem Mar<strong>in</strong>us Dudok, Stadtarchitekt von Hilversum, die Geme<strong>in</strong>de-<br />
schule A.D. Boschdrift (Abb. 520), die ebenfalls Horizontale <strong>und</strong> Vertikale, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n mitt-<br />
leren quaderförmigen Kubus <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> leicht vertiefte rechtw<strong>in</strong>klige Klammer um zwei<br />
knappe Fensterbänder <strong>in</strong> sich vere<strong>in</strong>igte.<br />
Habliks Versuche, r<strong>und</strong>um geschlossene Architekturen mit der mäanderartigen Struktur<br />
<strong>des</strong> Wismuts zu komb<strong>in</strong>ieren, blieben konventionell. Beim "Wohnhaus dreier Familien"<br />
(Abb. 522) wurde der kreuzförmig angeordnete Gr<strong>und</strong>bau durch stufenartig vorkragende<br />
Stockwerke <strong>und</strong> Mäander-Skulpturen ergänzt. Farbstreifen akzentuieren die schmalen,<br />
rechtw<strong>in</strong>klig abknickenden Bauteile. Bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m nur noch schemenhaft erkennbaren Vil-<br />
lenbau (Abb. 524) überkrusten Spiral- <strong>und</strong> Mäanderornamente die Fassaden; Fenster <strong>und</strong><br />
Türen werden durch herabgezogene oder geschichtete Wandblöcke <strong>in</strong> Jugendstil-Manier<br />
gegliedert. Freiplastische Mäanderbänder ranken sich von neu gebildeten Terrassen <strong>und</strong><br />
Balkonen bis auf das Dach empor. E<strong>in</strong>e kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gruppe von Zeichnungen (Abb. 525-527)<br />
zeigt schlanke, mit Mäanderreliefs überzogene Türme, deren völlige Inkrustation an fern-<br />
östliche Tempelbauten er<strong>in</strong>nert.<br />
Die Gliederung <strong>des</strong> Innenraums durch mäandrierende Farbsteifen, von der Hablik<br />
ausgegangen war, beschäftigte ihn 1924 erneut <strong>in</strong> großen farbigen Entwürfen. Er verließ<br />
das Primat der drei Gr<strong>und</strong>farben <strong>und</strong> konzipierte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Festhalle" (Abb. 528), deren<br />
Decke <strong>und</strong> Wände mit schmalen, immer wieder rechtw<strong>in</strong>klig abknickenden Streifen <strong>in</strong><br />
über fünfzehn leuchtend kräftigen Farben (darunter mehreren Grün- <strong>und</strong> Brauntönen)<br />
bemalt werden sollten. Die parallel geführten Farbstreifen steigen an den Wänden empor,<br />
umgreifen rechtw<strong>in</strong>klig e<strong>in</strong> größeres Deckensegment <strong>und</strong> werden wieder <strong>in</strong> die Wand<br />
zurückgeführt. So geschieht auch hier <strong>e<strong>in</strong>e</strong> optische Neubestimmung <strong>des</strong> Konstruktions-<br />
systems: Die Decke verliert ihren Ruhepunkt auf den Wänden, Wand <strong>und</strong> Decke sch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
<strong>in</strong> ihrer Umklammerung <strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samer Bewegung begriffen. E<strong>in</strong>e bis zum Decken-<br />
balken geführte Mäanderskulptur thematisiert den kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Ursprung <strong>des</strong> Systems.
- 233 -<br />
In e<strong>in</strong>igen Studien für Schlafräume komb<strong>in</strong>ierte Hablik die Raumpr<strong>in</strong>zipien <strong>des</strong> Stijls, die<br />
Berücksichtigung der Möbelstandorte, die Richtung <strong>des</strong> Raumes <strong>und</strong> die Farbabstimmung<br />
auf Zonen e<strong>in</strong>fallenden Lichts, 546 mit dem eigenen System mäandrierender Streifenglie-<br />
derungen. Den Entwurf für e<strong>in</strong> "Fremdenzimmer" (Abb. 528) stellte er 1924 unter das<br />
Motto "Rezept der Sonne": Er beließ Wand- <strong>und</strong> Deckenregion um das Eckfenster <strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m mittleren Beige, legte aber <strong>in</strong> der vom Sonnenlicht beschienenen Wand weiße<br />
Rechteckflächen an <strong>und</strong> leitete von dort <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zone hellen Lichts als mäandrierenden<br />
weißen Streifen <strong>in</strong> die Decke h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>. Parallel dazu wurden kräftige Farbstreifen <strong>in</strong> Rot,<br />
Grün, Braun <strong>und</strong> Blau von der Wand <strong>in</strong> die Decke geführt; sie umrahmen die licht-<br />
beschienenen Zonen, akzentuieren den Standort <strong>des</strong> Bettes <strong>und</strong> vermitteln mit ihrer<br />
dynamischen Struktur die Längsrichtung <strong>des</strong> Raumes. In dem Entwurf für e<strong>in</strong> Schlaf-<br />
zimmer mit partiellen Glaswänden <strong>und</strong> Glasdecke (Abb. 529) beschreiben helle Streifen<br />
<strong>in</strong> Blau, Weiß <strong>und</strong> Orange die Lichtstreuung an der sonst dunkelbraun gehaltenen Decke.<br />
E<strong>in</strong> weiterer Entwurf für e<strong>in</strong> Schlafzimmer (Abb. 530) stellt die von Nachttischlampen<br />
beleuchteten Wandstreifen dem verschatteten dunkelbraunen Deckenabschnitt gegenüber.<br />
Flächen mittleren Lichts werden durch kräftige Rot-, Blau- <strong>und</strong> Grüntöne charakterisiert.<br />
Das Mobiliar blieb <strong>in</strong> allen Entwürfen auf das Notwendigste beschränkt <strong>und</strong> zeigt bereits<br />
kubische, von allem Dekorativen entblößte Formen. Quaderförmige braun-blau gestreifte<br />
Polstersofas <strong>in</strong> der "Festhalle" (Abb. 528), von allen Aufbauten befreite Betten mit<br />
schlichten Bänken oder Kästen am Fußende, e<strong>in</strong> gläserner Vitr<strong>in</strong>enpfeiler mit ange-<br />
schlossenen Sammlungsschränken (Abb. 529, wie sie später <strong>in</strong> Habliks eigenes Atelier<br />
e<strong>in</strong>gebaut wurden) entsprechen den auf Funktionalität <strong>und</strong> harmonischer Flächenauf-<br />
teilung basierenden Möbeln <strong>des</strong> Stijls <strong>und</strong> den seit 1923 am Bauhaus entstandenen<br />
Arbeiten von Marcel Breuer.<br />
In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ausstellung im Kunstvere<strong>in</strong> für Böhmen im Künstlerhaus <strong>des</strong> Prager Parlaments<br />
faßte Hablik 1925 die Entwürfe "Künstlerhaus <strong>und</strong> Atelier", "Wohnhaus dreier Familien",<br />
die "Festhalle", das "Fremdenzimmer" <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Re<strong>in</strong>zeichnung <strong>des</strong> Schlafzimmers mit<br />
partiellen Glaswänden unter dem Titel "Übergangsbauten" zusammen. 547 Die Gliede-<br />
rungsstruktur <strong>des</strong> Wismuts erhielt hier zukunftsweisenden Charakter. Der Wismut, der<br />
mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n geschichteten <strong>und</strong> verworfenen Kompartimenten
- 234 -<br />
(Abb. 370) selbst <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Mikrokosmos urtümlicher Siedlungsanlagen ähnelt, sollte als<br />
künstlich (im Verhüttungsprozeß) hergestellter Kr<strong>ist</strong>all die Herrschaft <strong>des</strong> Menschen über<br />
die Naturgesetze <strong>und</strong> damit das Gr<strong>und</strong>pr<strong>in</strong>zip der von Hablik geplanten utopischen Welt<br />
verkörpern. Die mäandrierende, dreidimensional umklammernde Form, <strong>in</strong> gegossenem<br />
Beton auszuführen, ermöglichte erstmals <strong>e<strong>in</strong>e</strong> plastische Architektur unter Verwendung<br />
vollständiger Glaskörper. E<strong>in</strong>e "Kr<strong>ist</strong>allarchitektur" an jedem beliebigen Ort schien <strong>in</strong><br />
greifbare Nähe gerückt. Die Anwendung der Farbe erreichte <strong>in</strong> den Entwürfen bereits<br />
jene Intensität, die Hablik <strong>und</strong> die übrigen Mitglieder der Gläsernen Kette als unab-<br />
d<strong>in</strong>gbar für das Geme<strong>in</strong>schaftserlebnis der künftigen Gesellschaft vorausgesagt hatten.<br />
E<strong>in</strong>e Buntfarbigkeit aus unzähligen, nebene<strong>in</strong>ander gesetzten, möglichst r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>und</strong> kom-<br />
plementär verteilten Farbflächen, wie sie das utopische "Dom-Innere" (Abb. 383) an allen<br />
Teilen der Architektur zeigte, sollte <strong>in</strong> tatsächlich ex<strong>ist</strong>ierenden Innenräumen Wirk-<br />
lichkeit werden.<br />
2. Ausgeführte Projekte<br />
Zusammen mit den Kr<strong>ist</strong>allformen der Gläsernen Kette waren seit 1920 auch grellbunte<br />
Farbflächen <strong>und</strong> Zackenbänder, Kub<strong>ist</strong>isches <strong>und</strong> afrikanische Motive, alles was der Ex-<br />
pressionismus vordergründig zu bieten hatte, <strong>in</strong> den Innenraum vorgedrungen - zunächst<br />
allerd<strong>in</strong>gs nur auf Künstlerfesten, wo man sich selbst nicht allzu ernst zu nehmen<br />
brauchte. So war beim Ball der Berl<strong>in</strong>er Kunstgewerbeschule (Abb. 531) unter der Regie<br />
von Bruno Paul "die große Treppenhalle ... zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Symphonie von Karm<strong>in</strong>rot, Orange<br />
<strong>und</strong> Weiß umgestaltet worden", <strong>in</strong> der We<strong>in</strong>stube, von der Klasse César Kle<strong>in</strong> ausgemalt,<br />
war "das Wüsteste <strong>des</strong> Expressionismus ... bunt <strong>in</strong> bunt, ganz zügellos, zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r leicht<br />
angetrunkenen Phantasie zusammengeschlossen" (Bernoulli 1920, 60). Die Dekorationen<br />
beim Hamburger Künstlerfest "Die Götzenpauke" 1921 (Abb. 532-534) <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Jahr<br />
später "Der himmlische Kreisel" (Abb. 535) zeigten bunte Zackenmuster, mit dreieckigen<br />
Lichtbahnen bemalte Wände <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Decke aus prismatischen kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Formen. Im<br />
Hause von Bernhard Hoetger <strong>in</strong> Worpswede charakterisierten gemalte Felder aus drei-<br />
eckigen, von r<strong>und</strong>en Elementen überschnittenen Lichtbahnen Wände <strong>und</strong> Decke (Abb.<br />
536).
- 235 -<br />
Hier sah Walter Müller-Wulckow (1920, 68) "kosmische Geometrien. Blendende Licht-<br />
bündel durchdr<strong>in</strong>gen im Dunkel vorschießend blaue Schattenkegel ... mischen sich <strong>in</strong><br />
Lichtstrudeln, deren Ränder grün <strong>und</strong> orangegelb phosphoreszieren. Der Fazettschliff der<br />
modernen vielspältigen Seele projiziert hier ihr Weltbild auf die Wölbung <strong>des</strong> begrenzten<br />
Raumes, ahnungsvoll nach den Harmonien am Firmament <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Welt greifend, wie sie<br />
noch nicht da <strong>ist</strong>."<br />
Wenzel Hablik entwickelte farbige Innenräume, die gemäß s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Theorie der "Über-<br />
gangsbauten" auf das Geme<strong>in</strong>schaftserlebnis <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r zukünftigen Gesellschaft ausgerichtet<br />
waren <strong>und</strong> <strong>in</strong> denen er die auf den Künstlerfesten gezeigten r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Farbflächen <strong>und</strong><br />
bunten Zackenmuster verarbeitete. Sie wurden die wohl konsequentesten Farbgestal-<br />
tungen ihrer Zeit. Der "Übergangs"-Charakter zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "utopischen" Architektur kam am<br />
deutlichsten <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m privaten Projekt zum Ausdruck. Der Pastor <strong>und</strong> Schriftsteller<br />
Gustav Frenssen (1863-1945), Verfasser der <strong>in</strong> H<strong>und</strong>erttausenderauflagen verbreiteten<br />
Bauernromane "Jörn Uhl" <strong>und</strong> "Hilligenlei", war mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau Anna Frenssen <strong>in</strong> dem<br />
Dorf Barlt <strong>in</strong> Dithmarschen <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m alten reetgedeckten Haus ansässig. Frenssen, der<br />
schon mit den Eltern von Elisabeth L<strong>in</strong>demann befre<strong>und</strong>et gewesen war <strong>und</strong> den jetzt mit<br />
Wenzel Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Blutsbrüderschaft" verband, 548 übertrug dem Fre<strong>und</strong> die farbliche<br />
Gestaltung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Räume. Leuchtend blaue, gelbe <strong>und</strong> grüne Farben für Decken <strong>und</strong><br />
Wände s<strong>in</strong>d aus den zwanziger Jahren bezeugt. E<strong>in</strong> von Hablik gestalteter Ofen mit<br />
verschieden breiten Bändern aus schwarzen <strong>und</strong> weißen Kacheln wurde aufgestellt (Abb.<br />
537). E<strong>in</strong>schneidender aber war die Ausmalung von Decke <strong>und</strong> Wänden im "Saal", der<br />
großen Wohnstube <strong>des</strong> Hauses (Abb. 538). 549 Der "Saal" war höher als die übrigen Räu-<br />
me. Ausgemalt wurde der über der normalen Höhe liegende Wand- <strong>und</strong> Deckenab-<br />
schnitt: Die dunkleren Deckenbalken wurden <strong>in</strong> der Längsrichtung von zweifach aus-<br />
knickenden Farbstreifen gerahmt <strong>und</strong> an den Seitenwänden von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m mäandrierenden<br />
Band umklammert. Die Wandflächen waren mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m umlaufenden hellen Band abge-<br />
setzt, das sich alternierend zu den Mäandern rechtw<strong>in</strong>klig verbreiterte. Das ganze scharf<br />
abgetrennte Raum- <strong>und</strong> Deckensegment <strong>in</strong> fünf oder sechs verschiedenen Farben unter-<br />
strich die große Höhe <strong>und</strong> vermittelte <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n schwebenden, zugleich rhythmisch-dyna-<br />
mischen Charakter. Kaum anders-
- 236 -<br />
wo wird der "Übergang" <strong>in</strong> die "utopische" Gestaltung so deutlich wie hier; denn Gustav<br />
<strong>und</strong> Anna Frenssen behielten die von ihnen geliebten kostbaren Biedermeier-Möbel. 550<br />
Durch Aufträge von Geschäftsleuten erhielt Hablik die Gelegenheit, se<strong>in</strong> für die "Über-<br />
gangsbauten" entwickeltes Farbkonzept auch <strong>in</strong> öffentlich zugänglichen Räumen zu<br />
verwirklichen. 1921 beauftragte ihn die Tapetengroßhandlung Adolf Soetje <strong>in</strong> Itzehoe,<br />
deren Besitzer Henry Soetje <strong>und</strong> Carl Ste<strong>in</strong> sich damit auch außerhalb ihrer eigenen<br />
Wohnungen an <strong>e<strong>in</strong>e</strong> höchst avantgard<strong>ist</strong>ische Raumausstattung wagten, mit der Neuge-<br />
staltung ihres Tapetenausstellungsraums. Die Aufgabe bestand <strong>in</strong> dem Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Innendekoration, die die ganze Aufmerksamkeit <strong>des</strong> Besuchers auf die angebotenen<br />
Tapetenbahnen lenken sollte.<br />
E<strong>in</strong>e mehrseitige Broschüre der Firma Soetje mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Reproduktion von Habliks Farb-<br />
entwurf zeigte die völlige Buntheit <strong>des</strong> neu entworfenen Raumes (Abb. 539). Wände <strong>und</strong><br />
Decke, die Deckenbalken, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> fre<strong>ist</strong>ehende Stütze, Treppe <strong>und</strong> Tür zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Nebenraum<br />
waren lückenlos mit mittelbreiten <strong>und</strong> rhythmisch mäandrierenden Farbstreifen über-<br />
zogen. Die Deckenbalken wurden <strong>in</strong> tiefem Rot, die mit grünen Streifen abgesetzten<br />
Deckenfelder orange gestrichen. Der e<strong>in</strong>zige Querbalken erhielt parallele Streifen <strong>in</strong> Dun-<br />
kelrot, Grün, Weiß, Gelb <strong>und</strong> Orange, die als mäanderähnliches Band um die Längs-<br />
balken herumliefen. Die fre<strong>ist</strong>ehende Stütze sollte "aus baulichen Gründen verschw<strong>in</strong>den,<br />
<strong>ist</strong> aber auf ausdrückliches Verlangen <strong>des</strong> Künstlers stehengeblieben <strong>und</strong> bildet jetzt<br />
tatsächlich den dekorativen Schwerpunkt <strong>des</strong> Raumes" (Bröcker 1921). Senkrechte Strei-<br />
fen <strong>in</strong> Dunkelrot, Weiß <strong>und</strong> Grün wurden hier rechtw<strong>in</strong>klig um e<strong>in</strong> mittleres Feld aus<br />
gelben, weißen <strong>und</strong> schwarzen Streifen herumgeführt. Die zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Nebenraum führende<br />
Treppe war ebenso wie die Tür mit Flächen <strong>in</strong> Rot, Braun, Blau, Orange <strong>und</strong> Schwarz<br />
ausgemalt. Daneben stand e<strong>in</strong> bis zur Decke reichender Wandschrank für Tapeten-<br />
musterkarten, <strong>des</strong>sen Außenfläche wechselnde Tapetenmuster <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Raster aus<br />
schwarzen Holzrahmen zeigte. An den Wänden h<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> ganzer Länge die ausgestellten<br />
Tapetenbahnen, jede von roten, grünen <strong>und</strong> orangen Farbstreifen e<strong>in</strong>gefaßt. 551
- 237 -<br />
Hablik war von den theoretischen Forderungen <strong>des</strong> Stijls ausgegangen: Der "architek-<br />
tonisch verfehlte, also <strong>in</strong> den Dimensionen unharmonische Raum" sollte durch "farbige<br />
Aufteilung <strong>in</strong> e<strong>in</strong> neues (harmonisches) Gleichgewicht gebracht" werden (ebd.). Über-<br />
flüssig empf<strong>und</strong>ene Bauteile erhielten daher durch farbige Fassung <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue, dekorative<br />
Funktion. Die lückenlose Anwendung der Farbe g<strong>in</strong>g aber weit über die Flächenakzentu-<br />
ierungen <strong>des</strong> Stijls h<strong>in</strong>aus. Farbmuster <strong>und</strong> Bauteile verselbständigten sich. Wie im "Saal"<br />
<strong>des</strong> Hauses Frenssen schien die Verb<strong>in</strong>dung zwischen Deckenbalken <strong>und</strong> Wand <strong>und</strong> zwi-<br />
schen Längs- <strong>und</strong> Querbalken zu spielerischen Steckverb<strong>in</strong>dungen gelöst. Akzentuierung<br />
<strong>und</strong> Rhythmisierung der e<strong>in</strong>zelnen Bauteile vermittelten die optische Auflösung von<br />
"Tragen <strong>und</strong> Lasten" <strong>und</strong> damit <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Neubewertung der statischen Verhältnisse. Die frei-<br />
stehende Stütze verlor durch ihre geschlossene Bemalung <strong>und</strong> die Unterbrechung der<br />
vertikalen L<strong>in</strong>ien ihren tragenden Charakter: Sie wurde zum verehrungswürdigen 'Totem-<br />
pfahl', der une<strong>in</strong>geschränkte Buntfarbigkeit feierlich verkündete.<br />
Der Anklang an fremde, 'primitive' Kulturen entsprach sowohl Adolf Behnes Bevorzu-<br />
gung <strong>des</strong> Primitivismus <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künftigen "farbigen" Volkskultur (Wiederkehr der Kunst<br />
1919, 102 f., 109) als auch Habliks eigener Motivkette von den "Runen" der Urvölker<br />
(Abb. 336) bis zur religiösen Massenbewegung der utopischen Gesellschaft. Die bunt<br />
bemalten Pfeiler <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r 'archaischen' Kultur, die <strong>in</strong> dem Gemälde "Zerstörung" (1917,<br />
Abb. 145) schon wieder der Vernichtung anheim fiel, waren hier realisiert.<br />
E<strong>in</strong>e erzieherische Wirkung <strong>des</strong> Raumes im H<strong>in</strong>blick auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n "Mut zur Farbe" wurde,<br />
da er zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Grossogeschäft gehörte, vor allem auf das Handwerk erwartet; "denn s<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Besucher s<strong>in</strong>d vorwiegend Handwerkerkreise, die <strong>in</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>ren <strong>und</strong> kle<strong>in</strong>sten Orten oft die<br />
e<strong>in</strong>zigen Träger ästhetischer Gestaltung s<strong>in</strong>d" (Bröcker 1921). So wurde wiederum, wie<br />
zuvor bei der Möbeltischlerei, das mittelständische, bürgerlich orientierte Handwerk zur<br />
tragenden Schicht beim Aufbau der neu zu gestaltenden utopischen Welt bestimmt.<br />
Der Raum war für die Firma Soetje, die die Broschüre an die Presse <strong>und</strong> an die "Fach-<br />
welt" verschickte, e<strong>in</strong> werbewirksamer Erfolg. Die <strong>in</strong> Itzehoe ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>nde Zeitung "Nor-<br />
discher Kurier" veröffentlichte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Stellung-
- 238 -<br />
nahme <strong>des</strong> Deutschen Künstlerb<strong>und</strong>es <strong>in</strong> Weimar, die Habliks Kompetenz <strong>in</strong> allen<br />
künstlerischen Fragen" bestätigte. 552 Die Lösung der Raumgestaltung - so der Zeitungs-<br />
redakteur - sei "so verblüffend e<strong>in</strong>zigartig, daß sie <strong>in</strong> der gesamten Fachwelt <strong>und</strong> darüber<br />
h<strong>in</strong>aus fast e<strong>in</strong>stimmiges Lob gef<strong>und</strong>en" habe. Adolf Behne zeigte sich <strong>in</strong>teressiert <strong>und</strong><br />
erbat fotografische Aufnahmen <strong>des</strong> Raumes. 553 Bruno Taut, der sich gerade <strong>in</strong> der aktiv-<br />
sten Phase der Magdeburger "Farbenbewegung" befand, erbot sich, den Temperaentwurf<br />
zusammen mit Habliks Aufsatz "Die freitragende Kuppel" <strong>in</strong> der Zeitschrift "Frühlicht"<br />
zu veröffentlichen: "weil ich täglich sehe, daß man an solchen Sachen leichter zu unserer<br />
Idee kommt". 554 Der Druck der Farbreproduktion scheiterte aber aus term<strong>in</strong>lichen <strong>und</strong><br />
f<strong>in</strong>anziellen Gründen. 555<br />
Der "Nordische Kurier" kündigte <strong>in</strong> demselben Artikel (Fischer 1922) <strong>e<strong>in</strong>e</strong> weitere In-<br />
nendekoration <strong>des</strong> Künstlers <strong>in</strong> Itzehoe an: die Erneuerung <strong>des</strong> Restaurationsraums im<br />
Zentral-Hotel <strong>in</strong> der Breiten Straße. Man könne bereits jetzt "verraten, daß hier etwas<br />
Neues im Werden <strong>ist</strong>, das für unsere nicht gerade allzu kunsts<strong>in</strong>nige Stadt etwas E<strong>in</strong>zig-<br />
artiges darstellt". Die vollständige Neue<strong>in</strong>richtung der Gaststube, von der farbige Ent-<br />
würfe <strong>und</strong> zeitgenössische Fotografien erhalten s<strong>in</strong>d (Abb. 540-547), fand im Herbst 1922<br />
statt. 556 Der Künstler entwarf die Ausmalung von Decke <strong>und</strong> Wänden, die Paneele, die<br />
Lampen <strong>und</strong> das gesamte Mobiliar mit den dazugehörigen Bezugsstoffen.<br />
Die Möbel entsprachen dem noch bis Ende 1922 verfolgten 'schweren' Stil. Abgefaste<br />
Rahmen <strong>und</strong> Füllungen bei Türen, Wandschränken <strong>und</strong> Vitr<strong>in</strong>en (Abb. 540), Wellen-<br />
schnitt, sechseckige Mess<strong>in</strong>gbeschläge, Tische mit halbr<strong>und</strong> ausladenden Kufen <strong>und</strong><br />
Hocker mit Stabrost <strong>und</strong> stollenartigem Rückbe<strong>in</strong> bildeten die gängigen Motive (Abb.<br />
543). Die Gaststube wurde <strong>in</strong> Sitznischen unterteilt, die von halbhohen Trennwänden mit<br />
e<strong>in</strong>gehängten Bänken, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tisch <strong>und</strong> dem dazugestellten Hocker gebildet wurden. Zur<br />
Straße h<strong>in</strong> waren die Abteile den Fenstern zugeordnet (Abb. 541), im rückwärtigen Teil<br />
<strong>des</strong> Raumes standen sie rechts <strong>und</strong> l<strong>in</strong>ks von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m aus Holzpfeilern gebildeten Gang<br />
(Abb. 540). Über jedem Tisch h<strong>in</strong>g <strong>e<strong>in</strong>e</strong> würfelförmige Deckenlampe mit weißen Milch-<br />
glasscheiben.
- 239 -<br />
Wie der Mäander bei den vorangegangenen Projekten, so war hier der Zacken das un-<br />
übersehbare rhythmisch-kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Motiv. Die Wandpfeiler zwischen den Fenstern <strong>und</strong><br />
die Pfeilerreihen zu beiden Seiten <strong>des</strong> Gangs waren mit e<strong>in</strong>- oder mehrfach gebrochenen,<br />
parallel oder gegene<strong>in</strong>ander geführten, unterschiedlich breiten Zacken <strong>in</strong> Schwarz, Weiß<br />
<strong>und</strong> Rostrot bemalt (Abb. 544). Die Pfeilerbasen waren mit Metallblech beschlagen (Abb.<br />
540). Mehrfach rahmende Farbstreifen an der Decke grenzten die Pfeiler als selbständige<br />
Dekorationsstücke aus (Abb. 547) <strong>und</strong> gaben ihnen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n fre<strong>ist</strong>ehenden, von der tragen-<br />
den Funktion befreiten Charakter. Für die gepolsterten Sitzbänke verwendete Hablik den<br />
Zackenstoff von 1911 (Abb. 298).<br />
In den fensterlosen Abteilen übernahm die Farbe - nach den Pr<strong>in</strong>zipien <strong>des</strong> Stijls - die<br />
Führung <strong>des</strong> Lichts. Die Wände wurden hier mit dreifach gestuften weißen Flächen<br />
ausgemalt, die, vom Lampenlicht erhellt, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Fensterersatz bildeten (Abb. 543). Die<br />
gleichmäßige Abfolge der Flächen bewirkte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Neugliederung der Wände, die dem<br />
Rhythmus der Pfeiler <strong>und</strong> Sitznischen entsprach. Ähnlich wie bei dem späteren "Fest-<br />
hallen"-Entwurf (Abb. 528) wurden Farbstreifen von der Wand <strong>in</strong> die Decke geführt <strong>und</strong><br />
umgriffen dort rechtw<strong>in</strong>klige Deckensegmente. Mit illusion<strong>ist</strong>ischem Effekt verwandelte<br />
sich so die Beziehung zwischen der tragenden Wand <strong>und</strong> der lastenden Decke <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
aufsteigend fließende E<strong>in</strong>heit. Konsequent wurde der Übergang von Wand <strong>und</strong> Decke als<br />
Hohlkehle konstruiert. 557<br />
Durch die lückenlose Anwendung der Farbe, die Neugliederung <strong>des</strong> Raumes, die Koppe-<br />
lung von Farbe <strong>und</strong> Licht, die Schaffung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r r<strong>und</strong>um vernetzten, 'wie aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Guß'<br />
modellierten Raumschale wurde die Gaststube zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m echten "Übergangsbau". S<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Zackenmuster gewannen als Farbblitze kosmischen Charakter, die Lampen symbolisier-<br />
ten leuchtend schwebende Glaskuben.<br />
In der Itzehoer Bevölkerung fand die Neue<strong>in</strong>richtung k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zustimmung. Die Gäste<br />
blieben weg, <strong>und</strong> im Februar 1926 mußte der Besitzer, der 1916 aus der deutschen Kolo-<br />
nie Togo zugewanderte Theobald Paetow, se<strong>in</strong> Hotel schließen. Er habe versucht, so der<br />
Itzehoer Chron<strong>ist</strong> Rudolf Krohn,
- 240 -<br />
"durch Neue<strong>in</strong>richtung <strong>und</strong> Neuausmalung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Räume das Interesse weiter<br />
Kreise für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Betrieb zu erwecken. (...) Die <strong>in</strong> dieser Neue<strong>in</strong>richtung verkörperte<br />
Idee hat die öffentliche Gunst nicht erwerben können. Die Besucher sahen<br />
dar<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bruch mit der Tradition ... Es <strong>ist</strong> eben nicht so leicht, das Volksbewußtse<strong>in</strong><br />
zur ästhetischen Anschauungsweise moderner, akademischer Künstler<br />
alsbald zu bekehren, solange nicht <strong>in</strong> den breiten Volksschichten <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sättigung an<br />
bisherigen Formen <strong>und</strong> Farben empf<strong>und</strong>en wird." (Krohn 1926, 172)<br />
Das Hotel wurde an <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Textilfirma verkauft, die es zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Warenhaus umgestaltete.<br />
Im selben Jahr 1926 beauftragte Friedrich Bölck, Chef <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Lebensmittelkonzerns mit<br />
eigener Kaffeerösterei, Margar<strong>in</strong>e- <strong>und</strong> Fleischwarenfabrik, Hablik mit der Neue<strong>in</strong>-<br />
richtung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s "Contorsaals" <strong>in</strong> Bad Ol<strong>des</strong>loe. 558 Auch bei diesem Projekt 559 stellte sich<br />
dem Künstler die Aufgabe, 'störenden' Bauteilen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n neuen S<strong>in</strong>n zu geben. Hier war es<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> aus schweren Balken gebildete Kassettendecke (Abb. 548), die zum Hauptgegen-<br />
stand der farbigen Raumausmalung wurde. Bei ihrer vollständigen Überführung <strong>in</strong>s<br />
Dekorative wurden die massivsten Teile, die Kreuzstellen der Balken, besonders hervor-<br />
gehoben <strong>und</strong> mit quadratischen roten Rahmen akzentuiert (Abb. 548 a). Die Innenseiten<br />
der Balken erhielten goldene, hellblaue <strong>und</strong> rote Farbstreifen, die sich an den Kreu-<br />
zungen trafen <strong>und</strong> zu den roten Quadraten herabgeführt wurden. In die Mitte der Kas-<br />
setten wurden goldene Quadrate mit hellblauen Rahmen e<strong>in</strong>getragen, von denen die be-<br />
kannten weißen Würfellampen herabh<strong>in</strong>gen. Die Ausmalung unterstrich die Tiefe der<br />
Kassetten: Der Blick <strong>in</strong> die Höhe, <strong>in</strong> der rote, goldene <strong>und</strong> hellblaue Quadrate sowie die<br />
leuchtenden Glaskuben der Lampen zu schweben schienen, sollte farbtrunken machen.<br />
Für die weitere Ausstattung <strong>des</strong> Raumes waren "genau zur Malerei gestimmte" Vorhänge<br />
<strong>in</strong> Indanthrenfarben vorgesehen. 560<br />
Friedrich Bölck (1877-1940) verkörperte den Idealtyp <strong>des</strong> Hablik-Rezipienten. Wie Carl<br />
Ste<strong>in</strong>, die Brüder Biel <strong>und</strong> Frese war er wohlhabender Unternehmer, der sich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> E<strong>in</strong>-<br />
richtung von Künstlerhand le<strong>ist</strong>en konnte. Bis zur Mitte der zwanziger Jahre hatte es<br />
Bölck, <strong>des</strong>sen Unternehmen sich über ganz Deutschland <strong>und</strong> bis <strong>in</strong> die Nachbarländer<br />
erstreckte, mit Gütern <strong>und</strong> Ländereien zu großem Wohlstand gebracht. Durch die E<strong>in</strong>rich-<br />
tung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s K<strong>in</strong>derheims für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Angestellten <strong>und</strong> die Unterstützung Be-
- 241 -<br />
dürftiger galt er als sozial engagiert. Als Mitglied der DDP <strong>und</strong> der Deutschen Friedens-<br />
gesellschaft stand er Friedrich Naumann sowohl <strong>in</strong> politischer H<strong>in</strong>sicht als auch <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
liberalen Verständnis für neue künstlerische Ideen nahe. Auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Gut Trenthorst tra-<br />
fen sich prom<strong>in</strong>ente ausländische <strong>und</strong> deutsche Demokraten zu politischen Gesprächen<br />
(Sander 1959, 52 ff.).<br />
Für Friedrich Bölcks Sohn entwarf Hablik 1927 e<strong>in</strong> zweigeschossiges flachgedecktes<br />
Wohnhaus, das aber nicht ausgeführt wurde. 561 Terrassen, die im Obergeschoß um Ost-<br />
<strong>und</strong> Südseite <strong>des</strong> Hauses herumlaufen <strong>und</strong> ebenso wie das Dach bepflanzt werden sollten,<br />
schlossen an die begrünten Außenräume der Bauten für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Volksgeme<strong>in</strong>schaft an.<br />
E<strong>in</strong>e von der Terrasse zum Dach führende, mehrfach rechtw<strong>in</strong>klig gebrochene Kon-<br />
struktion aus buntbemalten Streben stammte aus den Mäanderdekorationen der "Über-<br />
gangsbauten".<br />
3. "Utopische" Gestaltungen im Haus <strong>des</strong> Künstlers<br />
Die freieste Gestaltungsmöglichkeit bot sich Hablik <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m eigenen Haus, der Grün-<br />
derzeitvilla <strong>in</strong> der Itzehoer Talstraße, die er nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Heirat mit Elisabeth L<strong>in</strong>demann<br />
1917 gekauft hatte. Dort entstand etwa 1922 die radikalste Fassung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r farbigen Innen-<br />
räume.<br />
Im Eßzimmer <strong>des</strong> Hauses (Abb. 549-555) wurden Wände <strong>und</strong> Decke lückenlos mit<br />
farbigen Streifen unterschiedlicher Länge <strong>und</strong> Breite bemalt, die gerade verliefen oder<br />
mehrfach rechtw<strong>in</strong>klig abknickten, sich transparent kreuzten, überdeckten oder unter-<br />
liefen <strong>und</strong> von den Wänden aus über den hohlkehligen Wandabschluß <strong>in</strong> die Decke h<strong>in</strong>-<br />
e<strong>in</strong>gezogen wurden. Konsequenter als bei den anderen "Übergangsbauten" verband das<br />
dichte Streifengeflecht Wände <strong>und</strong> Decke zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r fließenden E<strong>in</strong>heit, die plastisch-<br />
modellierende Bautechniken optisch vorwegnahm. Die zeitgenössischen Aufnahmen<br />
zeigen starke Kontraste zwischen allen Streifen <strong>und</strong> Flächen der völlig buntfarbigen Be-<br />
malung. Nur der "Festhallen"-Entwurf von 1924 (Abb. 528) läßt heute die Wirkung <strong>des</strong><br />
Raumes erahnen. 562
- 242 -<br />
E<strong>in</strong>zelne Motive der Wandgestaltung waren wienerischen Ursprungs. Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> selbständige<br />
Ornamentfelder aus schmalen kurzen Farbstreifen <strong>und</strong> rechtw<strong>in</strong>kligen Flächen, die <strong>in</strong><br />
Terrassen gegliedert waren (Abb. 549), oder <strong>in</strong> dynamischer Schichtung als baumartige<br />
Gebilde die ganze Wand emporstiegen (Abb. 553), ähnelten Josef Hoffmanns geometri-<br />
schen Supraporten <strong>in</strong> der "Beethovenausstellung" der Wiener Sezession 1902 - zwei Mör-<br />
telschnittreliefs aus h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>ander gestaffelten Rechteckflächen, die durch ihre "für<br />
damals verblüffende Abstraktion" (Bisanz-Prakken 1980, 29) Aufsehen erregt hatten<br />
(Abb. 556). Wie Hoffmanns Reliefs, die die vielfachen rechteckigen Raum- <strong>und</strong> Glie-<br />
derungselemente der Ausstellungssäle im M<strong>in</strong>iaturformat verdichteten (ebd.), waren<br />
Habliks Ornamentfelder als Kr<strong>ist</strong>allisationspunkte der großen Streifenbemalung zu ver-<br />
stehen. 563 Mehrfach <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander beschriebene Quadrate, an der Ofenwand frei auf größere<br />
geometrische Flächen verteilt (Abb. 553), ähnelten den mosaikartigen H<strong>in</strong>tergründen <strong>in</strong><br />
den Bildnissen <strong>und</strong> Figurenkompositionen von Gustav Klimt.<br />
In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m über fünf Meter langen Läufer, der vorübergehend zum Fotografieren neben<br />
dem Kachelofen aufgehängt wurde (Abb. 554), kehrten die 'klimtschen' Rechtecke <strong>und</strong><br />
Quadrate zusammen mit dem Mäandermuster wieder. Die roten Rechtecke <strong>und</strong> das<br />
schwarze, frei mäandrierende Streifenband bildeten auf hellem Gr<strong>und</strong> starke Akzente. Für<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n kurzen Zeitraum waren Decke, Wand <strong>und</strong> Boden <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r umlaufenden geometri-<br />
schen Gestaltung mite<strong>in</strong>ander verb<strong>und</strong>en. In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r anderen Ecke <strong>des</strong> Raumes zeigte e<strong>in</strong><br />
Sofa (Abb. 555) den ebenfalls 1922 entworfenen schwarzweißen Bezugsstoff "Mäander-<br />
motiv" mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m kle<strong>in</strong>teiligeren, dichten Muster, das hier mit den farbigen Wandstreifen,<br />
zwei kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>ren Ornamentfeldern <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m neuen, <strong>in</strong> diesem Jahr entstandenen uto-<br />
pischen Ölbild zusammentraf.<br />
Das Gemälde, ohne Titel (Abb. 556 a), zeigt utopische Bauten <strong>in</strong> Form stereometrischer<br />
Körper, entsprach <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Buntheit der farbigen Gestaltung der Wände <strong>und</strong> wurde so zu<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Teil der Innendekoration. In der Bildmitte erheben sich Bauten aus freien <strong>und</strong><br />
spiralförmigen Mäandern, die den plastischen Ornamenten der "Übergangsbauten" ent-<br />
sprechen. Zu beiden Seiten schließen Motive aus früheren Arbeiten an: l<strong>in</strong>ks geometri-
- 243 -<br />
sierte knospenartige Gewächse, rechts vielzackige schwebende Sterne. E<strong>in</strong>e Masch<strong>in</strong>en-<br />
welle, kreisförmige Rotationen, die Momentaufnahme <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ausrollenden schalenför-<br />
migen Spirale s<strong>in</strong>d dynamische Strukturen, die an die Bilder der Futur<strong>ist</strong>en er<strong>in</strong>nern. Sie<br />
stehen weit entfernten Hochhausquadern <strong>und</strong> strahlenförmigen Himmelsbahnen gegen-<br />
über - ruhenden Polen, zu denen e<strong>in</strong> Regenbogen vermittelt.<br />
Neben dem Mäander-Sofa, im Brennpunkt aller geometrischen Gestaltungen (Abb. 555),<br />
stand auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kommode e<strong>in</strong> über dreißig Zentimeter hoher Kugelbehälter (Abb. 557)<br />
mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m breiten saturnartigen R<strong>in</strong>g, ähnlich jenen Planeten, die <strong>in</strong> vielen Varianten<br />
Habliks Universum-Bilder bevölkern. Auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n drei trigonalen Standb<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n gleicht er<br />
den Raumschiffen der Marsbewohner, die Kurd Laßwitz 1897 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m utopischen<br />
Roman "Auf zwei Planeten" beschrieb, oder der schwebenden "Entdecker-Siedelung", die<br />
Hablik 1925 selbst entwarf (Abb. 604). 564<br />
So fanden sich die Mäanderstrukturen, die r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Farben, die schwebenden Sterne <strong>und</strong><br />
Rotationen <strong>des</strong> utopischen Ölbil<strong>des</strong> <strong>in</strong> den Textilien, der Wandbemalung <strong>und</strong> dem pla-<br />
stischen Saturn-Objekt wieder. Die im Entwurf dargestellte Utopie war im Innenraum<br />
sche<strong>in</strong>bar Realität geworden; die Wirklichkeit <strong>des</strong> Innenraums wurde durch das Gemälde<br />
<strong>in</strong> erlebte Utopie überführt. Mit den Mitteln von Malerei <strong>und</strong> Plastik, Farbe <strong>und</strong> Orna-<br />
ment hatte der Künstler <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Schwebezustand zwischen Wirklichkeit <strong>und</strong> Utopie arran-<br />
giert. Die Illusion der Utopie aber war der Zweck der "Übergangsbauten".<br />
Der saturnförmige Mess<strong>in</strong>gbehälter war nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s von mehreren Metallobjekten <strong>in</strong> Gestalt<br />
utopischer Architekturen, die zwischen 1921 <strong>und</strong> 1925 entstanden. Die Kunsthand-<br />
werker<strong>in</strong> Liane Haarbrücker (1902-1977), die 1917 nach Itzehoe gekommen war, schuf<br />
diese Dosen nach Habliks Entwurf: zume<strong>ist</strong> <strong>in</strong> dreieckigen Formen gefaltete Gefäße aus<br />
glattem oder gehämmertem Mess<strong>in</strong>g- oder Silberblech auf drei oder vier B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, also<br />
prismatische oder sternförmige Objekte (Abb. 558-562), e<strong>in</strong>mal <strong>e<strong>in</strong>e</strong> auf der Spitze<br />
stehende Doppelpyramide mit gewellt emporsteigenden Flügeln (Abb. 563). Sie s<strong>in</strong>d mit<br />
Dreiecken oder Zacken graviert, zeigen gewellte Kanten <strong>und</strong> sichtbar genietete Falze -<br />
Motive <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r <strong>in</strong>tensiven Materialverarbeitung, wie sie aus Habliks Mobiliaren bekannt<br />
s<strong>in</strong>d <strong>und</strong> hier zu-
- 244 -<br />
kunftsweisend <strong>in</strong> die "utopische" Formgebung e<strong>in</strong>gehen. Die Dosen, die etwa gleich-<br />
zeitigen Metallarbeiten der tschechischen Architekturkub<strong>ist</strong>en Vlastislav Hofman <strong>und</strong><br />
Rudolf Stockar nahestehen (Abb. 564-565), s<strong>in</strong>d als Keksbehälter, Zuckerdosen oder<br />
T<strong>in</strong>tenfaß (Abb. 558) zu verwenden, ihre Oberteile lassen sich aufklappen oder abneh-<br />
men. Plastische Kunstwerke mit utopischer S<strong>in</strong>ngebung, machen sie das Verhältnis von<br />
Realität <strong>und</strong> Utopie zum Konflikt: Durch ihre profane Funktion erhält der feierliche Kult<br />
der Utopie unwillkürlich groteske Züge.<br />
Liane Haarbrücker, die Klempner<strong>in</strong>, arbeitete wohl bis zum September 1919 an verschie-<br />
densten Metallarbeiten <strong>in</strong> der eigens im Haus <strong>in</strong> der Talstraße e<strong>in</strong>gerichteten Klempner-<br />
werkstatt. Sie g<strong>in</strong>g dann nach Berl<strong>in</strong>, um an der Kunstgewerbeschule <strong>und</strong> am Kunstge-<br />
werbemuseum bei Bruno Paul <strong>und</strong> Emil Orlik zu studieren. Dort, <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r eigenen Werk-<br />
statt, <strong>und</strong> bei Aufenthalten <strong>in</strong> Itzehoe stellte sie die "utopischen" Metalldosen her, die<br />
sowohl ihre wie auch Habliks Signatur tragen. 1924 legte sie bei Bruno Paul ihr Examen<br />
ab. Im November 1927 übersiedelte sie nach Heidelberg <strong>und</strong> kehrte zwei Jahre später als<br />
Frau <strong>des</strong> Publiz<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> Politikwissenschaftlers Adolf Grabowsky (1880-1969) nach<br />
Berl<strong>in</strong> zurück. Metallarbeiten nach Habliks Entwurf, die sie auch <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> ausstellen <strong>und</strong><br />
verkaufen konnte, fertigte sie noch bis 1930. Fortan, aber auch schon früher, arbeitete sie<br />
nach eigenen Vorlagen. 565 Ohne <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Vorgabe <strong>des</strong> Künstlers stellte sie zwei "utopische"<br />
Dosen her, die sich von s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Entwürfen nicht unterscheiden (Abb. 566-567). 1934<br />
emigrierte das Ehepaar Grabowsky nach Arlesheim bei Basel.<br />
Utopie <strong>und</strong> Wirklichkeit verbanden sich im Hause Hablik auch durch jene utopischen<br />
Gemälde, die schon früher entstanden, aber nicht verkauft worden waren. Vor allem die<br />
Universum-Bilder von 1909 <strong>und</strong> 1912 (Abb. 96, 101) waren so groß, daß sie <strong>in</strong> den<br />
Räumen der Gründerzeitvilla gehängt werden mußten. Das früheste Universum-Bild h<strong>in</strong>g<br />
im Schlafraum <strong>des</strong> Künsters (Abb. 568) über <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m schlichten Bett mit den typischen<br />
seitlichen Stollen <strong>und</strong> mit hölzerner Wandverschalung, l<strong>in</strong>ks <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tür mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m kompli-<br />
zierten kreuzförmigen Parkett (Abb. 568 a), rechts <strong>e<strong>in</strong>e</strong> etwa 1922 entstandene Tisch-<br />
lampe mit hochovalem Corpus <strong>und</strong> zackenförmigem Kranz aus der Serie der Stern-<br />
lampen. Auch hier trat gleichsam <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der Planeten <strong>des</strong> Weltraumbil<strong>des</strong> als plastischer<br />
Körper <strong>in</strong> die Wirk-
- 245 -<br />
lichkeit h<strong>in</strong>aus. Die <strong>in</strong>tensive Verarbeitung <strong>des</strong> Materials Holz, die sichtbar gemachte Sta-<br />
bilität <strong>des</strong> Möbels, das gemalte <strong>und</strong> das plastische Abbild der Utopie zeigten ihre Zuge-<br />
hörigkeit zum gleichen utopischen Konzept. 566<br />
Das Bild "Der Weg <strong>des</strong> Genius" von 1918 (Abb. 146) wurde <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m anderen Schlaf-<br />
raum mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Bettdecke nach dem Entwurf "Sternmuster" konfrontiert (Abb. 569). Der<br />
handgewebte <strong>und</strong> <strong>in</strong> verschiedenen kontrastreichen Farbkomb<strong>in</strong>ationen bekannte<br />
Jacquardstoff 567 (Abb. 570) übersetzt die unregelmäßig geschichteten <strong>und</strong> geometrisch<br />
stilisierten Felsklippen <strong>des</strong> Gemäl<strong>des</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong> dreifarbiges, kle<strong>in</strong>teilig-unruhiges Muster aus<br />
breit strahlenden Sternen <strong>und</strong> gebrochenen Rauten. Es schließt an Habliks zahlreiche<br />
asterische <strong>und</strong> kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Motive an <strong>und</strong> verb<strong>in</strong>det - wie im Gemälde der Kr<strong>ist</strong>allbau <strong>und</strong><br />
die ihn umfliegenden Planeten - Kr<strong>ist</strong>allwelt <strong>und</strong> Universum <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m symbolischen<br />
Ornament.<br />
E<strong>in</strong>e komplette Möbelausstattung nach eigenem Entwurf fehlte im Hause Hablik; denn<br />
den materiellen Wohlstand s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Auftraggeber konnte der Künstler selbst nie erreichen.<br />
E<strong>in</strong>künfte wurden me<strong>ist</strong> sofort <strong>in</strong> neues Arbeitsmaterial oder <strong>in</strong> die Kr<strong>ist</strong>allsammlung<br />
<strong>in</strong>vestiert. E<strong>in</strong>zelne für den eigenen Bedarf entworfene Möbel <strong>und</strong> E<strong>in</strong>bauten (Abb. 571-<br />
572) wurden nach dem Erwerb <strong>des</strong> Hauses, wahrsche<strong>in</strong>lich 1919 mit dem Neubeg<strong>in</strong>n <strong>in</strong><br />
der Möbelproduktion, angefertigt. E<strong>in</strong>e doppelte Bettstelle, heute nur noch durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Fotografie bekannt (Abb. 573), <strong>ist</strong> durch die Ähnlichkeit mit den Kastenbetten für Her-<br />
mann <strong>und</strong> Elsa Biel (Abb. 219, 277) als Hablik-Entwurf zu erkennen. Motive handwerk-<br />
licher Verarbeitung: umlaufender Wellenschnitt, auch an zwei zur Decke reichenden<br />
Pfosten, geschnitzte Voluten <strong>und</strong> sichtbare Verschraubungen an den Seitenstollen trafen<br />
mit geometrischen Stoffmustern, dem "Mäandermotiv" <strong>und</strong> dem "Sternmuster" sowie<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Mäander-Läufer, zusammen. Im bunten Eßzimmer (vgl. Abb. 549) stand e<strong>in</strong> aus<br />
Eiche <strong>und</strong> Mooreiche gefertigter Geschirrschrank (Abb. 574) mit schwarzen Laden <strong>und</strong><br />
Türsprossen, Wellenschnitt <strong>und</strong> gezackten Mess<strong>in</strong>gbeschlägen. 568 Die Eßzimmerstühle<br />
(Abb. 576-576 b) gleichen den Lehnstühlen aus der Spielgarnitur für Emil Frese (Abb.<br />
433). Zwei komb<strong>in</strong>ierte Bücher- <strong>und</strong> Sammlungsschränke (Abb. 577-578) weisen sich<br />
durch gewellte B<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>und</strong> breite Stützbretter unter dem Schrankkörper als Hablik-Möbel<br />
aus. Der Schreibtisch <strong>des</strong> Künstlers (Abb. 579) zeigt wichtige konstruktive Merkmale<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Möbel: Verstärkungs-
- 246 -<br />
streben <strong>und</strong> W<strong>in</strong>kelhölzer an den B<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, zweifach gestaffelte Füllungen, Schübe <strong>und</strong><br />
Türen an Vorder- <strong>und</strong> Rückseite sowie seitlich überstehende Schubkästen mit zwei wei-<br />
teren unterhängenden Laden. Zu den wenigen aufwendigeren Möbeln gehört auch die<br />
quadratische Sammlungsvitr<strong>in</strong>e (Abb. 580). Bei e<strong>in</strong>igen e<strong>in</strong>fachen Gebrauchsmöbeln wie<br />
Küchenschrank (Abb. 581), Stuhl (Abb. 582) <strong>und</strong> Bücherbord (Abb. 584) s<strong>in</strong>d viertel-<br />
r<strong>und</strong>e Verstärkungsplatten <strong>und</strong> breit angeschwungene Wangen als typische Hablik-Ele-<br />
mente zu erkennen.<br />
Im Eßzimmer trafen die aufwendig verarbeiteten Möbel als Repräsentanten <strong>des</strong> natur-<br />
philosophischen Weltentwurfs auf das bunte Streifengeflecht <strong>und</strong> die Mäander <strong>des</strong> neuen<br />
farbig-dynamischen Raumkonzepts. Der kostbare Geschirrschrank wurde <strong>in</strong> die Ausma-<br />
lung der Wände e<strong>in</strong>gefügt: e<strong>in</strong> dunkel gestrichener H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> setzte die Pultdächer <strong>des</strong><br />
Schrankes <strong>in</strong> zwei rechteckige Stufen um <strong>und</strong> führte ihn so <strong>in</strong> die achsiale Überhöhung<br />
gründerzeitlicher Büfetts zurück (Abb. 549). Damit wurden auch im "Übergangsbau" der<br />
handwerkliche Aspekt <strong>und</strong> Formen bürgerlicher Repräsentation respektiert.<br />
Um die Mitte der zwanziger Jahre aber wurde Hablik s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "schweren" Möbel selbst<br />
überdrüssig. Der Kontakt mit dem Bauhaus 1923 569 bewirkte den Wunsch nach leichteren<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>facher gebauten Möbeln. Die behäbigen Eßzimmerstühle wurden durch Bauhaus-<br />
Modelle ersetzt; e<strong>in</strong>zelne Möbel nach dem Entwurf von Marcel Breuer kamen <strong>in</strong>s<br />
Haus. 570 Das bunte Eßzimmer blieb zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Zeit ohne nachhaltiges Echo. 571 Von den<br />
prom<strong>in</strong>enten Persönlichkeiten, die <strong>in</strong> den zwanziger Jahren das Haus <strong>in</strong> der Talstraße<br />
besuchten, unter ihnen der Maler <strong>und</strong> Graphiker Hugo St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r-Prag, die Weber<strong>in</strong> Maria<br />
Br<strong>in</strong>ckmann <strong>und</strong> der Kunsth<strong>ist</strong>oriker Carl Georg Heise, hat sich lediglich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Äußerung<br />
<strong>des</strong> Malers <strong>und</strong> Lebensreformers Fidus erhalten. Fidus, der 1923 <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Lichtbildervortrag<br />
<strong>in</strong> Itzehoe hielt, 572 schrieb im September 1927 aus Berl<strong>in</strong>:<br />
"Hochwerter Me<strong>ist</strong>er! Ehe ich noch <strong>in</strong> den Katalog blicken konnte, hatte m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
kunstverständige Frau schon Ihre 'Kakteen' <strong>in</strong> der Gr. Berl<strong>in</strong>er aufgespießt! Gottlob,<br />
Sie malen doch 'noch Bilder'! - Aber - <strong>ist</strong> Ihr Eßzimmer immer noch bunt?<br />
Das <strong>ist</strong> doch eigentlich der Teppichweber<strong>in</strong> zuständig! Ihr Fidus." 573
- 247 -<br />
III. "Zyklus Architektur"<br />
1925 schloß Hablik s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> utopischen Architekturentwürfe - die e<strong>in</strong> Jahr zuvor beendeten<br />
Kr<strong>ist</strong>allbauten <strong>und</strong> die "Übergangsbauten" der Jahre 1921-24 - mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m weiteren gro-<br />
ßen Radierungszyklus ab. Zu dieser Zeit war das Kunsthandwerk, der Entwurf von Tex-<br />
tilien, Metallarbeiten, Schmuck <strong>und</strong> anderen Gebrauchs- <strong>und</strong> Dekorationsgegenständen,<br />
bereits <strong>in</strong> den Vordergr<strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeit getreten. Dennoch mochte sich der Künstler<br />
nicht mit der Wirkungslosigkeit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s utopischen Konzepts <strong>und</strong> der völligen Ignorierung<br />
<strong>des</strong> Themas durch die übrigen Mitglieder der Gläsernen Kette zufriedengeben.<br />
Bereits im Februar 1923 wollte er Direktor Edelmann von der Freiberger Bergakademie<br />
darüber <strong>in</strong>formieren, daß er s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Studien zur Kr<strong>ist</strong>allarchitektur abgeschlossen habe <strong>und</strong><br />
hoffe,<br />
"noch <strong>in</strong> diesem Sommer <strong>e<strong>in</strong>e</strong> umfangreiche Mappe mit Zeichnungen <strong>und</strong> Plänen,<br />
Vorschlägen <strong>und</strong> Studien <strong>in</strong> Druck zu geben." 574<br />
Gegen Jahresende war die technische Gestalt der Mappe beschlossen. Im Dezember<br />
schrieb er an Adolf Behne: Da es offenbar unmöglich sei, von s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>in</strong>zwischen geschaf-<br />
fenen (farbigen) Innenräumen publikationsfähige Fotos herstellen zu lassen, wolle er sich<br />
davon unabhängig machen,<br />
"<strong>in</strong>dem ich wieder mal <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Cyclus Radierungen <strong>in</strong> Mappenform herausbr<strong>in</strong>gen<br />
will. Von diesem Cyclus s<strong>in</strong>d so <strong>und</strong> so viele Skizzen <strong>und</strong> Entwürfe fertig, die<br />
Ihnen zum Teil vielleicht wenigstens <strong>in</strong> der Idee durch Taut (wenn er Ihnen m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Zeichnungen <strong>und</strong> Briefe gezeigt hat) bekannt se<strong>in</strong> dürften ..." 575<br />
Die zwanzig Radierungen, die er dann seit dem folgenden Jahr ausarbeitete <strong>und</strong> im Som-<br />
mer 1925 576 <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m e<strong>in</strong>fachen Papierumschlag als "Zyklus Architektur" herausgab, s<strong>in</strong>d<br />
- da als Publikations<strong>in</strong>strument gedacht - größtenteils Reproduktionen seit 1919 entstan-<br />
dener Entwürfe zur Architektur der Kr<strong>ist</strong>all- <strong>und</strong> der "Übergangsbauten".<br />
Entgegen der tatsächlichen Entwicklung der Architekturentwürfe zeigt der Zyklus im<br />
ersten Teil "Übergangsbauten", 577 wobei zwischen dem ersten Blatt "Wohnhaus dreier Fa-<br />
milien" (Abb. 585) <strong>und</strong> dem achten Blatt "Wohnhaus <strong>und</strong> Atelier" (Abb. 592) erstmals<br />
die kuppelartigen Türme un-
- 248 -<br />
ter diesem Titel firmieren. Neben dem unbedeutenden Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Turmes aus verdreh-<br />
ten Stockwerken von 1920 (Abb. 586) ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n hier - jetzt unter dem Titel "Bauten im<br />
Grand Canyon" - die Dreierserie der "Ausstellungs-Bauten" (Abb. 587-589), schließlich<br />
die "Hochhäuser <strong>und</strong> Hafenbauten" von 1923 (Abb. 590) sowie e<strong>in</strong> vorher unbekannter<br />
polygonaler Turm als "Kuppelvariante im Wasser" (Abb. 591).<br />
Im zweiten Teil folgen unter dem Oberbegriff "Utopien" zunächst mehrere nach dem<br />
Schwierigkeitsgrad geordnete Großkuppeln: e<strong>in</strong> "Dom <strong>in</strong> der Wüste Sahara" nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Entwurf von 1922 (Abb. 593), der im gleichen Jahr <strong>in</strong> "Frühlicht" veröffentlichte "Schnitt<br />
durch den Kuppelbau" (Abb. 594), die "Freitragende Kuppel auf fünf Bergspitzen" nach<br />
dem Gemälde von 1924 (Abb. 595) <strong>und</strong> schließlich als komplizierteste Bauaufgabe die<br />
"Hängende Kuppel über drei Bergspitzen" von 1918 (Abb. 596). Es folgen fünf Darstel-<br />
lungen nach Entwürfen für die Gläserne Kette: Die "Bearbeitete <strong>und</strong> bebaute Fels<strong>in</strong>sel"<br />
(Abb. 597), e<strong>in</strong> Blatt mit Stern- <strong>und</strong> Szepterkr<strong>ist</strong>allen (Abb. 598), das "Museum im<br />
Hochgebirge" (Abb. 599), der "Berg-Dom" (Abb. 600) <strong>und</strong> der Kr<strong>ist</strong>allbaum (Abb. 601).<br />
Die letzten drei Blätter zeigen utopische Fahrzeuge: e<strong>in</strong> sp<strong>in</strong>delförmiges "Glas-Eisenhaus<br />
im Meer" nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r <strong>und</strong>atierten flüchtigen Skizze (Abb. 602), die "Fliegende Siedlung"<br />
von 1914 (Abb. 603) sowie die (als Mess<strong>in</strong>gdose ausgeführte) "Entdecker-Siedelung" <strong>in</strong><br />
Gestalt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "schwebenden Metallkugel" mit saturnartigem R<strong>in</strong>g (Abb. 604).<br />
Die Neugruppierung der Entwürfe von den baubaren Architekturen <strong>des</strong> ersten zu den<br />
gänzlich utopischen Konzepten <strong>des</strong> zweiten Teils erzeugt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> allmähliche Steigerung <strong>in</strong><br />
der utopischen Diktion <strong>und</strong> <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Resümee unter die genau entgegengesetzt verlaufene<br />
Arbeit <strong>des</strong> Künstlers aus den letzten zehn Jahren.<br />
Die ursprünglichen Entwürfe wurden zume<strong>ist</strong> kompositionsgetreu auf trapezförmige<br />
Platten übertragen <strong>und</strong> ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n daher spiegelbildlich im Druck. Neben waagerechten<br />
<strong>und</strong> senkrechten ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n im zweiten Teil <strong>des</strong> Zyklus auch verdrehte Trapeze, die <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
dynamischen Gesamte<strong>in</strong>druck der Radierungsfolge bewirken. Korrekturen von Konstruk-<br />
tionsfehlern, stärkere Detaillierung, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ausschnittveränderung <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Neu-
- 249 -<br />
strukturierung der Komposition kommen vor. Die Verf<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rung der Wolkenstrukturen<br />
<strong>und</strong> <strong>in</strong>tensivere Glorien- <strong>und</strong> Strahlenmotive kennzeichnen die Absicht <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r größeren<br />
optischen Wirkung für die endgültige Fassung <strong>des</strong> Architekturkonzepts. E<strong>in</strong>ige Blätter er-<br />
hielten jedoch aufgr<strong>und</strong> vermehrter B<strong>in</strong>nenzeichnung (Abb. 587), <strong>des</strong> von Hablik immer<br />
wieder reklamierten übersatten Drucks von Otto Fels<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> (Abb. 592), von Un-<br />
sicherheiten <strong>in</strong> Perspektive <strong>und</strong> Komposition (Abb. 599, 601) <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ger<strong>in</strong>gere künstleri-<br />
sche Qualität als die entsprechenden Entwürfe. Demgegenüber erreichten Blätter mit<br />
mathematisch genauer Strukturierung (Abb. 590) durch die exakte L<strong>in</strong>ie der Ätzung e<strong>in</strong><br />
deutlicheres Ersche<strong>in</strong>ungsbild.<br />
Auch <strong>in</strong> den Beischriften, die die Bildfelder <strong>in</strong> eckiger Versalschrift ergänzen <strong>und</strong> über<br />
Funktion, Konstruktion <strong>und</strong> Materialien der dargestellten Bauten <strong>in</strong>formieren, greift der<br />
Künstler frühere Motive auf. So geht das Programm <strong>des</strong> Kuppelbaus (Abb. 594), "die<br />
Menschen <strong>in</strong> der Idee zur positiven Tat zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, um die Kräfte der Zerstörung zu b<strong>in</strong>den<br />
im Gedanken an die schöpferische Kraft <strong>in</strong> uns", gleichermaßen auf die 1906 entwickelte<br />
"Idee <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s geme<strong>in</strong>samen Strebens zugunsten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Weltwerkes", 578 den Schöpfergedan-<br />
ken der Mappe "Schaffende Kräfte" <strong>und</strong> die Verdammung <strong>des</strong> Krieges <strong>in</strong> den Briefen an<br />
die Gläserne Kette zurück. Technische Details stammen aus den Beischriften zum "Re-<br />
gierungs-/Repräsentationsgebäude" von 1914, den Erläuterungen zum "Dom-Inneren"<br />
von 1921 oder s<strong>in</strong>d aus dem Szenario "Die neue Stadt" 579 entnommen. Die Darstellung<br />
der "bearbeiteten <strong>und</strong> bebauten Fels<strong>in</strong>sel" (Abb. 597), die auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Traumaufzeichnung<br />
von 1909 zurückgeht, 580 <strong>ist</strong> mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Aufruf zu jener "allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n freiwilligen Bau-<br />
armee" komb<strong>in</strong>iert, die Hablik 1923 Adolf Behne vorgeschlagen hatte <strong>und</strong> die zur Er-<br />
richtung der "Neuen Stadt" e<strong>in</strong>gesetzt werden sollte. Der "Zyklus Architektur" war die<br />
Behne gegenüber angekündigte "Propagandaform", die die Idee der "Bauarmee" verbrei-<br />
ten sollte:<br />
"Praktische Aufgaben der 1jährig freiwilligen Arbeits-Armee. Wieviel jetzt unbrauchbare<br />
Welt könnte Paradies se<strong>in</strong>! 10 Millionen Männer nur je 1 Jahr Kriegsdienst<br />
= 10 Millionen Arbeitsjahre! Warum nicht 10 Mill. Jahre 'Krieg(s-) Arbeit<br />
positiver Art' ? Arbeit an neuen Bauproblemen?" (Abb. 597)<br />
Die Überw<strong>in</strong>dung <strong>des</strong> Krieges durch neue "utopische" Bauaufgaben <strong>ist</strong> auch das Thema<br />
<strong>des</strong> separat gedruckten vierseitigen Manifestes "Völker
- 250 -<br />
der Erde! Nationen! Stämme! Geschlechter!", das der Radierungsmappe als Vorwort<br />
beigegeben wurde. 581 Ähnlich wie Bruno Taut <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Aufruf an die "Völker Europas!"<br />
<strong>in</strong> der "Alp<strong>in</strong>en Architektur" (1919) wandte sich Hablik gegen Neid, Raub, Rache <strong>und</strong><br />
Vergeltung, gegen Politik, Organisationen <strong>und</strong> Ländergrenzen, gegen Kriegsschiffe,<br />
Kanonen <strong>und</strong> Soldaten, die den Zusammenbruch aller ethischen Konstellationen bewirkt<br />
hätten. "Gangbare Wege <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> bessere Zukunft" eröffneten sich durch den "Glauben an<br />
die ewige Kraft ... die alles gemacht hat, die allem das Leben gab. Denn diese Kraft <strong>ist</strong> ...<br />
ewiger Wille zu ewiger Tat!" E<strong>in</strong> "neuer Ge<strong>ist</strong> <strong>in</strong> Architektur", die "Erkenntnis von Na-<br />
turgesetzen <strong>und</strong> die Technik von Jahrh<strong>und</strong>erten" sollten die Gr<strong>und</strong>lagen der Welterneu-<br />
erung bilden. Ideen für utopische Bautechniken, die den Kampf mit den Naturgewalten<br />
als Überw<strong>in</strong>dung <strong>des</strong> Krieges thematisieren, stammen auch hier aus den Traumauf-<br />
zeichnungen von 1909 <strong>und</strong> den Manuskripten für die Gläserne Kette. Die "allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Bauarmee" blieb im Manifest e<strong>in</strong> vere<strong>in</strong>zeltes Motiv:<br />
"(Denkt) an die Zeit, wo die 'zweijährig-freiwillige Arbeits-Armee' s<strong>in</strong>gend die<br />
ganze Welt durchzieht - überall dort, wo e<strong>in</strong> Problem zu lösen <strong>ist</strong>, Bataillone,<br />
Regimenter, Kompanien usw. zurücklassend."<br />
Wie <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m ersten R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette ("Heraus - Heraus! Ihr Dichter <strong>und</strong><br />
Propheten ..." 582 ) forderte Hablik die<br />
"Weltweisen <strong>und</strong> Dichter - die Gelehrten, Techniker <strong>und</strong> Ingenieure ... heraus zu<br />
beweisen, daß sie für das Positive ihrer Arbeit kämpfen wollen als für Ideale ...<br />
Daß sie die Idee über alles stellen ..."<br />
Die Rückbes<strong>in</strong>nung auf die "allgütige erf<strong>in</strong>derische Natur ... (mit) ihren kosmischen<br />
Gesetzen" solle den ersten Tag der zukünftigen Welt vorbereiten:<br />
"An diesem Tag werden die letzten Götter sterben. Denn es wird <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Menschen-<br />
Religion erstehen.<br />
An diesem Tag werden alle Menschen auf der ganzen Erdkugel e<strong>in</strong>ander von An-<br />
gesicht schauen <strong>und</strong> hören ihre Stimme - <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r wird den andern verstehen.<br />
An diesem Tag werden alle Tiere ihre Freiheit wieder haben - wie es k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
e<strong>in</strong>zigen unfreien Menschen geben wird. An diesem Tag wird unsere Erde <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
neuen Licht erstrahlen <strong>und</strong> der Alltag sich <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ewigen Festtag der göttlichen<br />
Arbeit verwandeln" (...)
- 251 -<br />
Denn an diesem Tag werden die Herzen der Menschheit zum erstenmal im Gleichklang<br />
schlagen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sek<strong>und</strong>e lang - <strong>und</strong> diese <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sek<strong>und</strong>e schon wird <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kraftwoge<br />
se<strong>in</strong> von so unwiderstehlicher Gewalt der Überzeugung - daß die Sterne aufleuchten<br />
werden - (denn die erste <strong>und</strong> bitterste Sek<strong>und</strong>e der Ewigkeit <strong>ist</strong> dann vergangen)."<br />
Die Wirkung <strong>des</strong> Manifests, das <strong>in</strong> Habliks E<strong>in</strong>zelausstellung im Kunstvere<strong>in</strong> für Böhmen<br />
im Künstlerhaus <strong>des</strong> Prager Parlaments vom 17.4. bis 2.5.1925 erstmals veröffentlicht<br />
wurde <strong>und</strong> dort als Flugschrift auslag, 583 <strong>und</strong> die Reaktion auf den Radierungszyklus<br />
waren jedoch enttäuschend ger<strong>in</strong>g. Die <strong>in</strong> Prag gezeigten Orig<strong>in</strong>alentwürfe <strong>und</strong> das Mani-<br />
fest erregten nur <strong>in</strong> der böhmischen Presse e<strong>in</strong>iges Aufsehen. 584 Der "Zyklus Architektur",<br />
den der Künstler noch bis <strong>in</strong> die dreißiger Jahre an Bekannte <strong>und</strong> 'fachlich Interessierte'<br />
verschickte, war nur Adolf Behne 585 <strong>und</strong> Prof. Max von Jungwirth, 586 dem Leiter der<br />
Teplitzer Fachschule für Ton<strong>in</strong>dustrie <strong>und</strong> Habliks Lehrer von 1898 bis 1902, e<strong>in</strong> Dank-<br />
schreiben wert. 587 Die Mappe war e<strong>in</strong> Relikt jener kurzen, vom Arbeitsrat für Kunst<br />
e<strong>in</strong>geleiteten Phase der revolutionären Architektur, die für Bruno Taut <strong>und</strong> die me<strong>ist</strong>en<br />
anderen Mitglieder der Gläsernen Kette spätestens mit der endgültigen E<strong>in</strong>stellung der<br />
Zeitschrift "Frühlicht" im Jahre 1922 beendet war.<br />
IV. Bestrebungen zum Gesamtkunstwerk<br />
"Was gefordert wird, versteht sich nicht von selbst. Erst mit dem Ende <strong>des</strong> Gesamtkunst-<br />
werks beg<strong>in</strong>nt das zum Programm erhobene 'Gesamtkunstwerk'. Jenes ereignete sich, von<br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Reflexion belastet, vor der Trennung der Künste <strong>in</strong> autonome Gattungen, dieses <strong>ist</strong><br />
der auf Rückbes<strong>in</strong>nung gründende Versuch, die E<strong>in</strong>zelkünste wieder mite<strong>in</strong>ander zu<br />
vere<strong>in</strong>igen" (Hofmann 2 1983, 84). Hofmann führt die gesamtkünstlerischen Bestrebungen<br />
im Wien der Jahrh<strong>und</strong>ertwende auf die dem Kaiser dargebrachten Huldigungen zu staats-<br />
zeremoniellen Anlässen zurück: "Aus der Verherrlichung <strong>des</strong> Herrschers geht die Huldi-<br />
gung an die Kunst hervor. In ihr offenbart sich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r gläubigen Geme<strong>in</strong>de, was ehedem<br />
die Religion versprach: Heilung <strong>und</strong> Erlösung" (ebd., 85). Erlösungsanspruch <strong>und</strong> Kol-<br />
lektivwillen vertraten auch die bis <strong>in</strong>s Detail im "modernen Stil" durchge-
- 252 -<br />
bildeten Gebrauchsgegenstände der Wiener Werkstätte: Der Konsument sollte von der<br />
talmihaften Massenware befreit, "Gebrauchsgeräte wie Kunstwerke gehandhabt" <strong>und</strong> "der<br />
gesamte Alltag ... zum Ritual" erhoben werden (ebd., 88 f.).<br />
Hablik, Schüler der Wiener Stilkunst, folgte mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m utopischen Weltentwurf der Ab-<br />
sicht <strong>des</strong> im Bereich <strong>des</strong> Alltags <strong>und</strong> der Gebrauchsgegenstände angelegten "Gesamt-<br />
kunstwerks": Das Ideal der homogenen Geme<strong>in</strong>schaft, die religiös motivierte Rituali-<br />
sierung von Arbeit <strong>und</strong> Versammlung, die Erlösung <strong>des</strong> Menschen <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r nur das "Rei-<br />
ne <strong>und</strong> Schöne" (Hablik 1922, 97) verkörpernden neuen Welt bildeten sowohl die Gr<strong>und</strong>-<br />
idee s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Architektur- <strong>und</strong> Gesellschaftsentwürfe als auch der Innene<strong>in</strong>richtungen für<br />
das Itzehoer Großbürgertum.<br />
Die Idee <strong>des</strong> Gesamtkunstwerks wurde <strong>in</strong> der Werkb<strong>und</strong>zeit weiterverfolgt: e<strong>in</strong>mal durch<br />
die "Künstlerentwerfer" um Henry van de Velde, die sich aus dem "Jugendstil" <strong>in</strong> den<br />
Werkb<strong>und</strong> h<strong>in</strong>übergerettet hatten, zum zweiten durch die Anhänger von Hermann Muthe-<br />
sius, die <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Typisierung aller Lebensbereiche, 588 "vom Sofakissen zum Städtebau", 589<br />
anstrebten. Hablik erweiterte <strong>in</strong> dieser Zeit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Begriff vom Gesamtkunstwerk auf den<br />
Bereich der Natur, um diese mit allen vom Menschen gestalteten Lebensbereichen zu<br />
vere<strong>in</strong>igen. 590<br />
Walter Gropius, angeregt durch die von den Aktiv<strong>ist</strong>en propagierten Vorbilder der östli-<br />
chen Kulturen <strong>und</strong> der mittelalterlichen Bauhütte, kämpfte 1919 im Arbeitsrat für Kunst<br />
für<br />
"die Wiedervere<strong>in</strong>igung aller werkkünstlerischen Diszipl<strong>in</strong>en - Bildhauerei, Malerei,<br />
Kunstgewerbe <strong>und</strong> Handwerk - zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Baukunst als deren unablösliche<br />
Bestandteile. Das letzte, wenn auch ferne Ziel <strong>ist</strong> das E<strong>in</strong>heitskunstwerk - der große<br />
Bau -, <strong>in</strong> dem es k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Grenze gibt zwischen monumentaler <strong>und</strong> dekorativer<br />
Kunst." (Ja! 1919, 30)<br />
Das <strong>in</strong> diesem Jahr gegründete Bauhaus sollte durch die Vere<strong>in</strong>igung aller Künste unter<br />
dem Primat <strong>des</strong> Handwerks <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gee<strong>in</strong>te, dem geme<strong>in</strong>schaftlichen Sakralbau zustrebende<br />
Gesellschaft vorbereiten: "Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit <strong>ist</strong> der Bau!" 591 Auch<br />
für Hablik wurden, vorbereitet durch die fast zwanzigjährige Entwurfsarbeit an der Kri-
- 253 -<br />
stallarchitektur <strong>und</strong> erneut angeregt durch die Korrespondenz der Gläsernen Kette, Archi-<br />
tektur <strong>und</strong> Gesamtkunstwerk vollends synonym:<br />
"denn das Bauen <strong>ist</strong> für mich nichts anderes als die Schaffung <strong>des</strong> 'Gesamtkunstwerks'<br />
..." 592<br />
"... ich (b<strong>in</strong>) von jeher für die Architektur e<strong>in</strong>getreten als das ideale ... Dach, unter<br />
welches alle Künste sich zusammenf<strong>in</strong>den müßten (das Gesamtkunstwerk) ..." 593<br />
"Wir brauchen neue Ideale. E<strong>in</strong>es davon <strong>ist</strong> das 'Gesamtkunstwerk', der Bau!<br />
Nicht die 'Ziegelk<strong>ist</strong>e <strong>und</strong> Not-Wohnschachtel' -, sondern <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Architektur als<br />
lebendiges Element im S<strong>in</strong>ne kosmischer Gesetze, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Parallele zu dem hohen<br />
Stand unserer Technik - welche ja nichts anderes <strong>ist</strong> - als das Produkt erkannter<br />
Naturgesetze, zielbewußter Tat - getragen von der Idee. 'Wirklichkeit gewordene<br />
Utopie <strong>ist</strong> jede Masch<strong>in</strong>e.'" 594<br />
In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Erhebungsbogen <strong>des</strong> Altonaer Künstlervere<strong>in</strong>s, dem Hablik 1919 beitrat, 595 ant-<br />
wortete er auf die Frage nach den Zielen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kunst:<br />
"Durchführung <strong>des</strong> 'Gesamtkunstwerks', den Bau. K<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Spezialisierung auf e<strong>in</strong>zelnen<br />
Gebieten: alles Können <strong>in</strong> den Dienst <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r organischen Gesamtheit stellen.<br />
Vielseitigkeit Bed<strong>in</strong>gung. Deshalb Durchbildung aller Handwerke im gleichen<br />
S<strong>in</strong>ne. M<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tätigkeit erstreckt sich über die Handwerke h<strong>in</strong>weg zur sog. Kunst<br />
<strong>und</strong> wieder zurück zur E<strong>in</strong>heit mit allem Handwerklichen. Tischlerwerkstatt für<br />
Modellbau; Ste<strong>in</strong>sägen <strong>und</strong> Ste<strong>in</strong>schleiferei, sowie Klempnerei für kunstgewerbliche<br />
Arbeit, Modelle <strong>und</strong> Beispiele im Hause; Webereiwerkstätte für Kleiderstoffe,<br />
Dekorationsstoffe, Decken usw.; Atelier für Malerei <strong>und</strong> Modellieren ..." 596<br />
Hatte Hablik schon <strong>in</strong> den von ihm gestalteten E<strong>in</strong>richtungen mit Möbeln, Wandpaneelen,<br />
Tapeten <strong>und</strong> farbigen Dekorationen, Lampen, Textilien, Gemälden <strong>und</strong> Graphiken die<br />
Schaffung <strong>des</strong> Gesamtkunstwerks angestrebt, so war die "Durchbildung aller Handwerke"<br />
erst mit der Verlegung von Elisabeth L<strong>in</strong>demanns Meldorfer Museumsweberei nach Itze-<br />
hoe <strong>und</strong> der Konzentrierung von Habliks künstlerischer Arbeit im Haus <strong>in</strong> der Talstraße<br />
möglich geworden. Hier gab es jetzt das geräumige, mit der Kr<strong>ist</strong>allsammlung verb<strong>und</strong>e-<br />
ne Atelier, entstand das bunte Eßzimmer als eigenes geschlossenes Gesamtkunstwerk,<br />
wurden im Keller die Edelste<strong>in</strong>schleiferei <strong>und</strong> die Metallwerkstatt e<strong>in</strong>gerichtet. Es ent-<br />
standen neben den Metalldosen auch figürliche Objekte, Eßbestecks <strong>und</strong> Schmuck, Kera-<br />
miken, bemalte Holzschalen <strong>und</strong> Porzellanteller. Schließlich erlaubte das Haus
- 254 -<br />
e<strong>in</strong> gesellschaftliches Leben, das von den Mitarbeitern der Werkstätten, den K<strong>und</strong>en der<br />
Handweberei, von befre<strong>und</strong>eten Künstlern, durch Veranstaltungen für Musik <strong>und</strong> Aus-<br />
druckstanz geprägt war.<br />
1. Gebrauchts<strong>text</strong>ilien<br />
Die Meldorfer Museumsweberei wurde seit dem Frühjahr 1917 unter dem Namen "Hand-<br />
weberei Hablik-L<strong>in</strong>demann" <strong>in</strong> mehreren Werkstattgebäuden am Holzkamp <strong>in</strong> Itzehoe<br />
weitergeführt. Bis <strong>in</strong> die Mitte der dreißiger Jahre entwickelte sie sich zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Groß-<br />
betrieb mit sechzig Angestellten (Frenssen 1935).<br />
Die Kriegs- <strong>und</strong> Nachkriegsjahre brachten der Handweberei jedoch bis etwa 1920 wegen<br />
<strong>des</strong> Materialmangels <strong>e<strong>in</strong>e</strong> schwere Zeit. Da es vor allem an Webgarnen fehlte, wurden<br />
"künstlerische Handarbeiten" zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m wichtigen Zweig der Werkstatt: Tischdecken <strong>und</strong><br />
Kissen mit Seidenstickerei oder Seidenapplikationen, gehäkelte Untersetzer <strong>und</strong> Nadel-<br />
kissen, gestrickte Damenhandtaschen <strong>und</strong> Pompadours, Hutblumen aus Perlen, Leder,<br />
Samt <strong>und</strong> Filz zu den phantastischen Hüten der Zeit. Zackenlitzen, Glasperlen, schwarz<br />
übersponnene Knöpfe oder anderes, was unerwartet auf den Markt kam, wurde <strong>in</strong> großen<br />
Mengen verarbeitet. 1919/20 erschienen die gerade erf<strong>und</strong>enen, endlos gesponnenen<br />
Kunstseiden, e<strong>in</strong> Zelluloseprodukt, zum erstenmal <strong>in</strong> der Werkstatt. Aus Folien geschnit-<br />
tene Zellglasbändchen <strong>und</strong> Roßhaarimitationen wurden mit schwarzem, korallenrotem<br />
<strong>und</strong> weißem Baumwollgarn zu Bezugsstoffen für die Stahlrohrmöbel der Firma Thonet<br />
verarbeitet. Auch Sisalb<strong>in</strong>dfäden, Korbmacherrohr, Zellophankordel <strong>und</strong> Zellophan-<br />
goldband wurden verwebt. 597<br />
Wenzel Hablik schloß <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Entwürfen an die bis 1914 entstandenen Arbeiten an. Er<br />
zeichnete <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Serie von Kissen mit orchideenartigen Phantasiegewächsen <strong>in</strong> Seiden-<br />
stickerei auf vier-, sechs- oder achteckigem Fond (Abb. 605-612), die mit ihren exotisch-<br />
floralen Motiven <strong>und</strong> der ornamentalen Pflanzenstilisierung den "Paradiesvogel"-Gobe-<br />
l<strong>in</strong>s <strong>und</strong> orientalisierenden Ornamententwürfen aus den Jahren 1910-1914 folgten. Orien-<br />
talische Motive wurden so über den Ersten Weltkrieg h<strong>in</strong>weg <strong>in</strong> die zwanziger Jahre h<strong>in</strong>-<br />
e<strong>in</strong>getragen. Die Farbgebung war jedoch lichter <strong>und</strong> extra-
- 255 -<br />
vaganter geworden. Ähnlich wie bei der "Wolken-Tulpen-Tapete" (Abb. 495) ersche<strong>in</strong>t<br />
e<strong>in</strong> leuchten<strong>des</strong> Blutrot als beherrschende Farbe <strong>in</strong> allen Blüten. Dazu kommen e<strong>in</strong> helles<br />
Gelb, Orange, Rosa <strong>und</strong> Hellblau, aber auch Schwarz <strong>und</strong> Grüntöne, wo Blattwerk es er-<br />
fordert. Die Stickereien wurden von den Mitarbeiter<strong>in</strong>nen der Handweberei "genau nach<br />
Entwurf" (Sibylle Hablik) ausgeführt. Der exotisch-florale Stil mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n aufbrechenden<br />
Blüten wurde Anfang der zwanziger Jahre allerorten <strong>und</strong> <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung mit den gängigen<br />
Zackenmustern (Abb. 510) zum modischen Dekorationsstil für Porzellan <strong>und</strong> Tapeten,<br />
Buche<strong>in</strong>bände <strong>und</strong> Textilien (Abb. 613).<br />
Ähnlich wie 1911, als Hablik den phantasievollen Bildmotiven den strengen "Zacken-<br />
stoff" (Abb. 298) gegenüberstellte, entwarf er jetzt verschiedene Mäandermuster als geo-<br />
metrisches Pendant. Führend war der Beiderwandstoff "Mäandermotiv" (Abb. 614), der<br />
für Vorhänge, Möbelbezüge (das "Mäandersofa" im bunten Eßzimmer) <strong>und</strong> Tischdecken<br />
verwendet wurde. Daneben gab es <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n dunkelblauen Mäander auf weißem Gr<strong>und</strong>, <strong>des</strong>-<br />
sen Kanten zu kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Mäanderspiralen aufgelöst waren (Abb. 615), den Jacquardstoff<br />
"Geschlossener Mäander" (Abb. 616) mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Geflecht aus mehrfach gerahmten I-<br />
förmigen Mustern, schließlich den Stoff "Mäanderband" (Abb. 617-617 a) aus endlosen,<br />
mit kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Stäben <strong>und</strong> Strichen besetzten Z<strong>in</strong>nenbändern.<br />
Analog zum kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Motiv der Mäanderstoffe entstanden 1922 die bunten Rauten-<br />
<strong>und</strong> Zackenkomb<strong>in</strong>ationen <strong>des</strong> "Sternmusters" (vgl. Abb. 570, 618). Se<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>motiv<br />
wurde für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n weiteren Jacquardstoff mit schmalen Streifen aus Rauten <strong>und</strong> Sternen<br />
komb<strong>in</strong>iert (Abb. 619). Beide geometrischen Formen vere<strong>in</strong>igte e<strong>in</strong> schwarz-braunes,<br />
durch weiße Mäander belebtes "Kelim"-Dess<strong>in</strong> aus Rauten <strong>und</strong> Quadraten (Abb. 620).<br />
E<strong>in</strong> weiterer, fernöstlich wirkender "Kelim" zeigte frei mäandrierende Bänder aus brau-<br />
nen, grauen, türkisen <strong>und</strong> schwarzen Farbstreifen mit mehrfach verästelten seitlichen<br />
Mäandern (Abb. 621). Die "Kelim"-Muster wurden sowohl für Stoffe als auch für Boden-<br />
teppiche benutzt.<br />
1923 entwarf Hablik das figürliche Muster "Mäanderh<strong>und</strong>" (Abb. 622), das <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n aus<br />
e<strong>in</strong>beschriebenen Quadraten, Z<strong>in</strong>nenbändern, Schachbrettmustern <strong>und</strong> Mäanderspiralen<br />
konstruierten H<strong>und</strong>, e<strong>in</strong> Glockenblumenmotiv,
- 256 -<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n "geschlossenen Mäander", <strong>e<strong>in</strong>e</strong> unregelmäßige Mäanderzange sowie e<strong>in</strong> Ornament-<br />
feld aus sechs kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n geometrisierten H<strong>und</strong>en vere<strong>in</strong>igt. Außerdem entstand der Stoff-<br />
entwurf "Tiermäander" (auch: "Hirschmuster", Abb. 624) mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m dicht gewebten<br />
Muster aus Sternen, Rauten, geometrisierten Tieren <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bildfeld, <strong>in</strong> dem das Le-<br />
gendenmotiv der Jagd nach dem goldenen Hirschen dargestellt <strong>ist</strong>. 598 Beide Muster grei-<br />
fen, ähnlich wie das 1914 entstandene "Falkenmuster" (Abb. 305), auf die "Volkskunst"<br />
zurück. Während sich der Stoff "Mäanderh<strong>und</strong>" mit dem Glockenmotiv <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r dich-<br />
ten Abfolge horizontal <strong>und</strong> vertikal unterschiedlicher Motivbänder aus Tieren <strong>und</strong> Orna-<br />
menten an der Schleswigschen Bildbeiderwand <strong>des</strong> 18. Jahrh<strong>und</strong>erts orientiert, er<strong>in</strong>nert<br />
der "Tiermäander" an skand<strong>in</strong>avische Webereien. Die Abkunft der ehemaligen "Mu-<br />
seumsweberei" von der schleswig-holste<strong>in</strong>ischen "Volkskunst" <strong>und</strong> Elisabeth L<strong>in</strong>de-<br />
manns Ausbildung <strong>in</strong> Stockholm s<strong>in</strong>d hier <strong>in</strong> Wenzel Habliks Entwürfe e<strong>in</strong>geflossen.<br />
Im Unterschied zu den alten Bildbeiderwands, zu Habliks "Falkenmuster" <strong>und</strong> zum "Nau-<br />
tilus" von 1912 (Abb. 304) gab es bei den neuesten Entwürfen k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kurvaturen. Ent-<br />
sprechend der rechtw<strong>in</strong>kligen Kreuzung von Kett- <strong>und</strong> Schußfäden wurden r<strong>und</strong>e Formen<br />
rechtw<strong>in</strong>klig gebrochen, Diagonalen <strong>in</strong> Treppenmuster zerlegt. <strong>Dieser</strong> Vorgang erleichtert<br />
die Übertragung <strong>des</strong> Entwurfs vom Karopapier auf das zu webende Werkstück, war aber<br />
vor allem programmatisch zu verstehen. Das fertige, geometrisch stilisierte Muster sollte<br />
den Arbeitsvorgang <strong>und</strong> die Eigenschaften <strong>des</strong> Materials offen darlegen <strong>und</strong> so das<br />
Interesse <strong>und</strong> Verständnis der Käufer für die handwerkliche Gestaltung wecken. In der<br />
selben Technik schuf die Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann seit 1927 nach Habliks Ent-<br />
würfen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Serie großformatiger, bis zu fünfh<strong>und</strong>ert Zentimeter Höhe erreichender<br />
Bildgobel<strong>in</strong>s. Die Darstellungen reichten vom "Korallenbaum", der motivisch dem<br />
"Mäanderläufer" (Abb. 554) entsprach, über Menschenszenen, südliche Landschaften,<br />
Segelschiff- <strong>und</strong> Verkehrsmotive zu Tierfiguren, die sämtlich dem Webvorgang ent-<br />
sprechend geometrisch stilisiert wurden.<br />
Seit 1922 kamen neben den strengen geometrischen Mustern auch bunte Stoffe mit ver-<br />
schieden breiten, leuchtenden Farbstreifen für Vorhänge,
- 257 -<br />
Decken <strong>und</strong> Kissen heraus. Hier wurde k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Farbkomb<strong>in</strong>ation gescheut: Dunkelrot,<br />
Rosa, Orange <strong>und</strong> Gelb wurden durch grasgrüne <strong>und</strong> türkise Streifen getrennt (Abb. 625).<br />
Dunkelste Farben: Blau, Braun <strong>und</strong> Schwarz standen nebene<strong>in</strong>ander <strong>und</strong> wurden von bis<br />
zu zehn Schattierungen <strong>in</strong> Gelb oder Grün abgelöst (Abb. 626-627). Handgewebte Vor-<br />
hänge <strong>in</strong> dieser Art waren für den Kontorsaal der Firma Bölck <strong>in</strong> Bad Ol<strong>des</strong>loe vorgese-<br />
hen (Abb. 548). Die Reisedecke "Z<strong>in</strong>nienplaid" (Abb. 628) markiert mit ihrer leuchten-<br />
den, aber bereits <strong>in</strong>s Helle gebrochenen Farbigkeit aus roten, gelben <strong>und</strong> orangen, hell-<br />
blauen, grünen <strong>und</strong> türkisen Kreuzstreifen <strong>und</strong> Karos den Höhepunkt der Entwicklung.<br />
Die leuchtend farbigen Textilien standen <strong>in</strong> direkter Verb<strong>in</strong>dung zum Innenraumprojekt<br />
der "Übergangsbauten". Sie trugen die Idee der Buntfarbigkeit an den großen K<strong>und</strong>en-<br />
kreis der Handweberei heran, dem Habliks farbige Innenräume unbekannt waren, <strong>und</strong><br />
konnten so als Multiplikatoren <strong>des</strong> <strong>in</strong> die Zukunft gerichteten Gestaltungskonzepts wir-<br />
ken. 1925 schrieb Hablik an Adolf Behne, den er zwei Jahre zuvor noch für das Projekt<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Bauarmee" bege<strong>ist</strong>ern wollte:<br />
"Es <strong>ist</strong> unser Bestreben, allen Schwierigkeiten zum Trotz, das Beste an Material<br />
<strong>und</strong> leuchtenden Farben sowohl für Kleider - wie Möbel- <strong>und</strong> Dekorationsstoffe zu<br />
verwenden, um Farbe <strong>in</strong>s Haus <strong>und</strong> auf die Straße zu br<strong>in</strong>gen. (...) Ich verehre ... <strong>in</strong><br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau die Bahnbrecher<strong>in</strong> auf dem Gebiet der gediegenen zeitgenössischen<br />
Handwebtechnik <strong>und</strong> deren 'Wiedererweckung' aus dem Verfall." 599<br />
Der Erfolg gab dem Ehepaar recht: "Alle K<strong>und</strong>en schmachten nach modernen handge-<br />
webten Stoffen. Die glatten Fabrikstoffe wollen sie alle nicht mehr," 600 schrieb Elisabeth<br />
L<strong>in</strong>demann zur gleichen Zeit von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ihrer häufigen Geschäftsreisen.<br />
Die abstrakten farbigen Dess<strong>in</strong>s entsprachen den gleichzeitig am Bauhaus entstandenen<br />
Textilien, ohne daß sich entscheiden ließe, von wo der maßgebende E<strong>in</strong>fluß auf die je-<br />
weils neueste Textilgestaltung ausg<strong>in</strong>g. Das Bauhaus, das seit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Gründung 1919 über<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Weberei verfügte, bevorzugte die Werkstattarbeit an Material <strong>und</strong> Technik gegen-<br />
über der r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Entwurfzeichnung. Denn nur so konnten die <strong>text</strong>ilen Strukturen im end-<br />
gültigen Entwurf Berücksichtigung f<strong>in</strong>den (Radewaldt 1986, 122). Damit bestimmte auch<br />
die Bauhaus-Webereien der Gr<strong>und</strong>satz, daß die rechtw<strong>in</strong>klige Verb<strong>in</strong>dung von Kette <strong>und</strong><br />
Schuß <strong>in</strong> der fertigen Weberei sicht-
- 258 -<br />
bar se<strong>in</strong> müsse (Ausstellungs-Katalog Am Webstuhl 1976, 6). Die dort entstandenen<br />
Decken <strong>und</strong> Behänge orientierten sich <strong>in</strong> den Mustern <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihrer Buntfarbigkeit an der<br />
geometrisch-abstrahierenden Malerei aus dem Vorkurs Itten (Sammlungs-Katalog Bau-<br />
haus 2 1984, 125).<br />
Auch <strong>in</strong> der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre entwickelten sich die Dess<strong>in</strong>s der Hand-<br />
weberei Hablik-L<strong>in</strong>demann <strong>und</strong> <strong>des</strong> Bauhauses parallel. Bei Wenzel Hablik gab es wieder<br />
strenge geometrische Stoffmuster: schwarz-graue <strong>und</strong> durch braun ergänzte Dess<strong>in</strong>s aus<br />
waagerechten, mit Querstrichen gefüllten Bahnen, wobei Diagonalstreifen Farbverschie-<br />
bungen <strong>und</strong> Spiegelungseffekte, Rauten- <strong>und</strong> Sternmuster bewirkten (Abb. 629-631). Am<br />
Bauhaus schuf V<strong>in</strong>cent Weber um 1928 <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Folge von drei Gobel<strong>in</strong>s mit schwarzen,<br />
grauen <strong>und</strong> hellfarbigen Rautenmustern, die durch waagerechte <strong>und</strong> diagonale Brechun-<br />
gen entstanden (Abb. 632). Die Farbigkeit der Textilien wurde jetzt auf Schwarz <strong>und</strong><br />
Grau sowie lichte Braun- <strong>und</strong> Gelbtöne reduziert. Für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Innenraum entwarf Hablik<br />
1928 <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n braunen <strong>und</strong> gelbtonigen Bezugsstoff mit geflechtartigem Muster (Abb. 786),<br />
das gleichfalls Farbbrechungen <strong>und</strong> Spiegelungseffekte enthält. Der Stoff <strong>ist</strong> als Che-<br />
nilleweberei <strong>in</strong> Gold- <strong>und</strong> Brauntönen erhalten (Abb. 633). Er wurde 1929 <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Aus-<br />
stellung über "Handgewebte Teppiche der besten deutschen Webereien" <strong>in</strong> der Lübecker<br />
Overbeck-Gesellschaft gezeigt (Enss 1978, Abb. 32). Bereits 1926 hatte Anni Albers am<br />
Bauhaus Muster mit ähnlichen Effekten <strong>und</strong> Farbstellungen entwickelt (Abb. 634).<br />
Habliks erste Möbelstoffe mit figürlichen Motiven: ziehende Vögel, E<strong>in</strong>geborene <strong>in</strong> Se-<br />
gelschiffen <strong>und</strong> auf Großwildjagd, g<strong>in</strong>gen auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bildbehänge von 1928 zurück (Abb.<br />
635-636). Die leicht h<strong>in</strong>schraffiert wirkenden Figuren erschienen <strong>in</strong> tiefbrauner Zeich-<br />
nung <strong>und</strong> etwas Hochrot auf goldbraunem Gr<strong>und</strong>. Vom Februar 1931 datieren mäander-<br />
ähnliche Muster, die jedoch durch teilende Farbkontraste zu Hakenreihen aufgelöst s<strong>in</strong>d<br />
(Abb. 637-638). Mit Braun <strong>und</strong> Schwarz zeigen sie die typische Farbkomb<strong>in</strong>ation am<br />
Beg<strong>in</strong>n der dreißiger Jahre.<br />
E<strong>in</strong>en bedeutenden Zweig <strong>in</strong> der Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann nahm die Produktion<br />
von Kleiderstoffen e<strong>in</strong>. Anfang der zwanziger Jahre wurden vor allem die verschiedenen<br />
Mäanderstoffe zu Kleidern, 601 halblangen Sakkos (Abb. 639) <strong>und</strong> Capes (Abb. 640) ver-<br />
arbeitet. Noch 1924 bestellte
- 259 -<br />
Wolfgang Schumann, der Stiefsohn von Ferd<strong>in</strong>and Avenarius, für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frau <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Jacke<br />
aus dem Stoff "Mäandermotiv". 602 Die Schnitte dieser Beiderwandkleider waren lose<br />
fallend <strong>und</strong> wenig körperbetont, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Folge der bereits im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert von den Frau-<br />
enver<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n <strong>und</strong> der Reformbewegung e<strong>in</strong>geleiteten Bestrebungen zum "Reformkleid". 603<br />
"Durch die Jugendbewegung, durch Bewegungen wie 'Frauenkleidung - Frauenkultur' ...<br />
war ... Handgewebtes - vor allem <strong>in</strong> den 20er <strong>und</strong> 30er Jahren - Mode <strong>und</strong> be<strong>in</strong>ahe Welt-<br />
anschauung geworden" (Ausstellungs-Katalog Am Webstuhl 1976, 11). Hatten die<br />
"expression<strong>ist</strong>ischen" Zackenmuster 1920 auch <strong>in</strong>ternational <strong>in</strong> die Mode E<strong>in</strong>gang gefun-<br />
den (Abb. 641), so bedeuteten die "Mäanderkleider" für Habliks Werk <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n weiteren<br />
Schritt zum Gesamtkunstwerk der utopischen Gestaltung. Gegen Ende der zwanziger<br />
Jahre entstand noch e<strong>in</strong>mal <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Nachfrage nach Beiderwandkleidern. Hierfür ent-<br />
warf der Künstler seit 1928 <strong>e<strong>in</strong>e</strong> umfangreiche Serie von Stoffen <strong>und</strong> Kleidungsmodellen<br />
(Abb. 642-645) <strong>in</strong> den für die Zeit typischen Farbkomb<strong>in</strong>ationen aus Schwarz, Natur,<br />
Braun, Gelb <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m lichten Rot. Die Modelle blieben fallend <strong>und</strong> wenig tailliert (Abb.<br />
646).<br />
Durch ihre qualitativ herausragenden Erzeugnisse <strong>in</strong> immer neuen Stoffen <strong>und</strong> Dess<strong>in</strong>s<br />
gelangte die Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann bis zur Mitte der zwanziger Jahre zu natio-<br />
nalem <strong>und</strong> <strong>in</strong>ternationalem Ansehen. Im Herbst 1921 wurde sie Mitglied im Grassib<strong>und</strong><br />
<strong>und</strong> nahm seitdem zweimal jährlich während der Leipziger Messe an den Ausstellungen<br />
der Kunsthandwerker im Grassimuseum teil. Hier traf das Ehepaar Hablik mit den füh-<br />
renden Kritikern <strong>und</strong> Architekten der Zeit zusammen. Im Mai 1925 stellte Herwarth Wal-<br />
den <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Auswahl der Textilien im "Sturm" <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> aus. 604 Hablik versprach sich<br />
davon Anerkennung <strong>und</strong> Förderung aus dem Kreis s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ehemaligen Mitstreiter an der<br />
utopischen Architektur <strong>und</strong> bat daher Adolf Behne,<br />
"sich die Arbeiten mal anzusehen <strong>und</strong> evtl. e<strong>in</strong>ige jüngere Architekten (ich denke<br />
dabei an die beiden Luckhardts, Paul Goesch <strong>und</strong> andere) mitzunehmen ... weil ich<br />
gelegentlich durch Sie hören möchte, wie weit z.B. <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> diese Kreise auf m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
strengen Absichten reagieren." 605<br />
Bruno Taut, der 1926 mit dem Ehepaar Hablik auf der Leipziger Messe zusammentraf,<br />
erkannte den Betrieb "nach näheren Beobachtungen" als
- 260 -<br />
den wichtigsten s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Art. 606 Er bestellte daher bei der Handweberei die benötigten Vor-<br />
hänge <strong>und</strong> Chaiselonguedecken für se<strong>in</strong> (1927 veröffentlichtes) neues Wohnhaus <strong>und</strong> hier<br />
<strong>in</strong>sbesondere für das farbige Arbeitszimmer. Da der Betrieb auch auf Bestellung arbeitete,<br />
gab er die Farben <strong>des</strong> Raumes, die Möbelstandorte <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Vorschlag für die Gestal-<br />
tung auf, überließ den Entwurf der Textilien aber der Werkstatt. 607 Der Architekt Erich<br />
Mendelsohn bat Wenzel Hablik 1929 um Stoffproben <strong>und</strong> Fotos von Innene<strong>in</strong>richtun-<br />
gen. 608 Mehrmals im Jahr nahm die Handweberei an <strong>in</strong>ternationalen Ausstellungen teil.<br />
Sie war 1924 <strong>und</strong> 1927 auf den Jahresschauen Deutscher Arbeit <strong>und</strong> 1925 auf der Deut-<br />
schen Jahresschau für Textil<strong>in</strong>dustrie <strong>in</strong> Dresden vertreten, auf den Werkb<strong>und</strong>ausstellun-<br />
gen von 1924 <strong>und</strong> 1927, <strong>in</strong> den gleichen Jahren auf der Mostra <strong>in</strong>ternazionale delle Arti<br />
decorative <strong>in</strong> Monza, 1931 auf der Deutschen Bauausstellung <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> sowie 1933 auf<br />
der Utställ<strong>in</strong>g av nutida tysk arkitektur <strong>in</strong> Stockholm. Überall <strong>in</strong> Deutschland lagen die<br />
Stoffe, Decken <strong>und</strong> Kissen aus Itzehoe <strong>in</strong> den Schaufenstern der Geschäfte aus. 609 Anfang<br />
der dreißiger Jahre konnte die Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann als bedeutendster hand-<br />
werklicher Textilbetrieb <strong>in</strong> Europa gelten. 610<br />
2. Kle<strong>in</strong>plastik <strong>und</strong> Kassetten, Besteck,<br />
Schmuck, Porzellan <strong>und</strong> Gebrauchsgraphik<br />
Mehrere Jahre vor dem E<strong>in</strong>treffen von Liane Haarbrücker <strong>in</strong> Itzehoe hatte sich Wenzel<br />
Hablik schon e<strong>in</strong>mal mit Metallarbeiten beschäftigt. Nach der wohl 1911 entstandenen<br />
Mess<strong>in</strong>guhr (Abb. 172) stellte er selbst im darauffolgenden Jahr zwei getriebene Kupfer-<br />
töpfe mit gepunzten Figuren <strong>und</strong> Ornamenten her: der <strong>e<strong>in</strong>e</strong> zeigte ruhende Krieger,<br />
Löwen- <strong>und</strong> Bärentöter, Wolken <strong>und</strong> ziehende Vögel, der andere feuerspeiende phanta-<br />
stische Tiere. Schriftbänder schlossen an die Aphorismen der Mappe "Schaffende Kräfte"<br />
an. 611 Wohl zur gleichen Zeit arbeitete er für Richard Biel <strong>e<strong>in</strong>e</strong> kupferne Essenstülpe mit<br />
gepunzten Spiel- <strong>und</strong> Jagdszenen (Abb. 647). Stil- <strong>und</strong> Konstruktionselemente aus den<br />
Möbelentwürfen kehrten bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Gestell für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n antiken Hängetopf <strong>in</strong> gewellten Kan-<br />
ten, ziselierten Wellen- <strong>und</strong> Volutenornamenten sowie deutlich sichtbar genieteten Ver-<br />
stärkungsw<strong>in</strong>keln <strong>und</strong> -streben wieder (Abb. 648).
- 261 -<br />
Seit 1917 fertigte dann Liane Haarbrücker <strong>in</strong> Itzehoe <strong>und</strong> <strong>in</strong> ihren eigenen Werkstätten <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong> <strong>und</strong> Heidelberg Metallarbeiten nach Habliks Entwurf. In ihr hatte der Künstler <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Schüler<strong>in</strong> gef<strong>und</strong>en, die sich mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Formvorstellungen <strong>und</strong> handwerklichen Bestre-<br />
bungen völlig identifizierte.<br />
Neben den utopischen Dosen entstanden so seit 1921 auch Tierfiguren, die sich teils als<br />
Dosen öffnen lassen, teils r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> "Schauobjekte" s<strong>in</strong>d. Diese Kle<strong>in</strong>plastiken, aus Mess<strong>in</strong>g-<br />
oder Silberblech zu plastischen Körpern gefaltet <strong>und</strong> zusammengelötet oder -genietet,<br />
zeigen verschiedene Arten der Abstraktion. Beim "Fisch" (Abb. 649), dem "Eilenden<br />
Vögle<strong>in</strong>" (Abb. 650) <strong>und</strong> dem über fünfzig Zentimeter hohen papageienähnlichen "Pfef-<br />
ferfresser" (Ab. 651) wurden - analog zu anderen Naturformen <strong>in</strong> Habliks Werk: den zie-<br />
henden Wolken <strong>und</strong> Meereswellen der "Schaffenden Kräfte", den animalischen Schen-<br />
keln, Klauen <strong>und</strong> Voluten bei e<strong>in</strong>zelnen Möbeln - die anatomische Gestalt <strong>und</strong> Bewe-<br />
gungsmerkmale karikaturhaft vere<strong>in</strong>facht, übersteigert <strong>und</strong> ornamental stilisiert. Orna-<br />
ment <strong>und</strong> Formel waren <strong>in</strong>spiriert von den "Kunstformen der Natur" (Ernst Haeckel) <strong>und</strong><br />
dienten der Erkenntnis, nicht der Abschilderung der natürlichen Gestalt.<br />
Andere Tierfiguren, e<strong>in</strong> "Eichkätzchen" (Abb. 652) mit weichem geschlossenem Umriß<br />
<strong>und</strong> tetraedrisch gespitzten Ohren, der "Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Falke" (Abb. 653), <strong>des</strong>sen gesamter Kör-<br />
per zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m e<strong>in</strong>zigen, seitlich gedrehten Schwung reduziert <strong>ist</strong>, zeigen Vorstufen geome-<br />
trischer Abstraktion. Der "Große Falke" (Abb. 654) folgt schließlich mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n prisma-<br />
tisch abgeknickten, nur durch den Schwung <strong>des</strong> Halses aufgelockerten Flächen der frühen<br />
kub<strong>ist</strong>ischen Plastik bei Alexander Archipenko (1911) <strong>und</strong> Rudolf Bell<strong>in</strong>g (1916/ 1921).<br />
Vollständig aus geometrischen Körpern konstruiert s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Vogel" (Abb. 655)<br />
<strong>und</strong> der "Mäanderh<strong>und</strong>" (Abb. 656), die sich beide durch Abklappen <strong>des</strong> Kopfes bzw. von<br />
Kopf <strong>und</strong> Rücken als Dosen öffnen lassen. Während der "Große Falke" das Liebl<strong>in</strong>gstier<br />
<strong>des</strong> Künstlers verkörpert, 612 gehört der "Mäanderh<strong>und</strong>" mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ziselierten Wismut-<br />
Ornamenten zu den Mäanderstoffen <strong>und</strong> Wandbemalungen im bunten Eßzimmer. Die<br />
verschiedenen Arten der Abstraktion waren nicht durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> stil<strong>ist</strong>ische Entwicklung,<br />
sondern durch Formexperimente am jeweils zu gestaltenden Objekt begründet. 613
- 262 -<br />
Spuren <strong>des</strong> Herstellungsvorgangs: gehämmerte Flächen, unregelmäßige Ziselierungen<br />
<strong>und</strong> Falze wurden absichtlich nicht überarbeitet. Sie künden ebenso wie die ornamentalen<br />
Formen vom Kampf mit dem Material <strong>und</strong> der Intensität der handwerklichen Arbeit <strong>und</strong><br />
entsprechen damit den auch <strong>in</strong> der Holzverarbeitung zu beobachtenden Bestrebungen. Die<br />
bei allen Figuren als Halbedelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> ornamentalen Fassungen aufgesetzten Augen s<strong>in</strong>d,<br />
ebenso wie die Möglichkeit, e<strong>in</strong>ige der Objekte als Dosen zu öffnen, e<strong>in</strong> handwerklicher<br />
Überraschungseffekt. Der Reiz der technischen Konstruktion überwiegt den Gebrauchs-<br />
wert. In ihrem mittleren Genre zwischen unbeachtetem Nippes <strong>und</strong> freier Plastik bean-<br />
spruchen die Metalltiere <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n bevorzugten Platz im Wohnbereich <strong>des</strong> kunsts<strong>in</strong>nigen<br />
Bürgertums. Hier bildeten sie e<strong>in</strong> perfektes Lehrbeispiel für die von Hablik geforderte<br />
Verb<strong>in</strong>dung von Naturverehrung <strong>und</strong> handwerklicher Arbeit als Gr<strong>und</strong>lage <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künf-<br />
tigen Gesellschaft.<br />
Durch Liane Haarbrückers Arbeit <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> erreichten die Metalltiere <strong>e<strong>in</strong>e</strong> stärkere Beach-<br />
tung als Habliks Möbel <strong>und</strong> Innene<strong>in</strong>richtungen. Der "Große Falke" <strong>und</strong> andere Vogel-<br />
figuren wurden im Juni 1923 anläßlich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s M<strong>in</strong><strong>ist</strong>erbesuchs <strong>in</strong> der Berl<strong>in</strong>er Kunstge-<br />
werbeschule von den Professoren diskutiert <strong>und</strong> lösten im Wirtschaftsm<strong>in</strong><strong>ist</strong>erium Zu-<br />
stimmung aus. 614 Liane gelang es, e<strong>in</strong>ige Figuren gegen Goldmark zu verkaufen. 615 Durch<br />
ihre Vermittlung stellte Herwarth Walden im November 1924 e<strong>in</strong>ige der Metalltiere <strong>und</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> "sechseckige Dose" <strong>in</strong> der "Sturm"-Buchhandlung aus. 616 Der "Große Falke" war mit<br />
vierh<strong>und</strong>ert Mark ausgezeichnet, aber Walden wies darauf h<strong>in</strong>, daß die Objekte trotz der<br />
Bege<strong>ist</strong>erung <strong>des</strong> Publikums <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s eigenen E<strong>in</strong>satzes angesichts der schlechten wirt-<br />
schaftlichen Lage nicht zu verkaufen seien. 617<br />
E<strong>in</strong>en Monat zuvor, am 5. Oktober 1924, hatte Liane Haarbrücker ihre Abschlußprüfung<br />
an der Kunstgewerbeschule bei Bruno Paul mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Mess<strong>in</strong>gkassette nach Habliks Ent-<br />
wurf bestanden, obwohl Paul kritisierte:<br />
"Der Kasten hätte Mess<strong>in</strong>g- <strong>und</strong> Eisencharakter mit den Nieten <strong>und</strong> ich müsse nach<br />
toten Gegenständen, die nicht kantig s<strong>in</strong>d, besser zeichnen." 618<br />
Metallkassetten <strong>in</strong> der erwähnten Art s<strong>in</strong>d nur noch wenige bekannt. E<strong>in</strong>e Briefpapier-<br />
kassette (Abb. 657) <strong>in</strong> zweifacher Ausführung mit ziseliertem
- 263 -<br />
Sonne-Mond-<strong>und</strong>-Sterne-Motiv, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Geldkassette (Abb. 658) mit mäandrierendem Li-<br />
nienmuster <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Kasten mit Achatplatte (Abb. 659) zeigen die mit Nieten befestigten<br />
Füße <strong>und</strong> schweren Beschläge (Abb. 659 a). Der von Bruno Paul kritisierte "Metall-<br />
charakter" beabsichtigte die deutliche Darstellung <strong>des</strong> Materials <strong>und</strong> der ihm ange-<br />
messenen handwerklichen Verarbeitung. R<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gebrauchsgegenstände: Tabletts <strong>und</strong><br />
Untersetzer (Abb. 660-664} schwanken zwischen völliger Schlichtheit <strong>und</strong> der Verwen-<br />
dung der bekannten Wellen-, Zacken- <strong>und</strong> Sternmuster.<br />
Die größte Auflage <strong>und</strong> Verbreitung unter den Metallarbeiten erlangte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Eßbesteck-<br />
serie (Abb. 665-677), die Hablik Anfang der zwanziger Jahre entwarf. 619 Er erschloß sich<br />
damit e<strong>in</strong> weiteres Gebiet, das seit den gesamtkünstlerischen Bestrebungen <strong>des</strong> "Jugend-<br />
stils" zum Repertoire der Künstlerentwerfer gehörte. Peter Behrens, Hans Chr<strong>ist</strong>iansen,<br />
Friedrich Wilhelm Kleukens <strong>und</strong> Joseph Maria Olbrich hatten <strong>in</strong> der Darmstädter Künst-<br />
lerkolonie Tafelbesteck entworfen. Ihren geschwungenen Modellen mit ziseliertem oder<br />
durchbrochenem floralem oder geometrischem Ornament (vgl. Ausstellungs-Katalog E<strong>in</strong><br />
Dokument 1976, Bd. 4) hatte Josef Hoffmann sachlich-gerade, flache Formen entgegen-<br />
gesetzt. E<strong>in</strong>ziger Schmuck s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s 1904-08 <strong>in</strong> der Wiener Werkstätte entstandenen Be-<br />
stecks für Fritz Waerndorfer waren e<strong>in</strong> Kugelfries an den Stielenden <strong>und</strong> die Mono-<br />
gramme der Besitzer (Ausstellungs-Katalog Traum 2 1985, 339), bei den Bestecken für<br />
Sonja Knips (ebd., 350) <strong>und</strong> für das Cabaret Fledermaus (ebd., 361) nur noch die Mono-<br />
gramme. Josef Hoffmanns Besteck, im Oktober 1906 <strong>in</strong> der Ausstellung "Der gedeckte<br />
Tisch" im neuen Ausstellungssaal der Wiener Werkstätte <strong>in</strong> der Neustiftgasse gezeigt,<br />
schien der Kritik wie "anatomische Werkzeuge <strong>und</strong> würde sicherlich manchem durch die<br />
Er<strong>in</strong>nerung an den Seziersaal den Appetit verderben". 620<br />
Genau hier, aber mit positiven Vorzeichen, setzten Habliks Forderungen für e<strong>in</strong> neues<br />
Eßbesteck an. Es solle, so schrieb er <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Manuskript über "Neue Eßbesteckfor-<br />
men", 621<br />
"durchdacht se<strong>in</strong> wie e<strong>in</strong> Präzisionswerkzeug oder ... wie e<strong>in</strong> chirurgisches Instrument.<br />
(...) Die Form alle<strong>in</strong> soll sprechen <strong>und</strong> darum arbeite ich nur für den<br />
gewöhnlichen Gebrauchszweck. (...) Je<strong>des</strong> Teil muß gut <strong>in</strong> der Hand liegen, gut<br />
ausbalanciert <strong>und</strong> gut zu säubern se<strong>in</strong>."
- 264 -<br />
Gemäß s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Favorisierung <strong>des</strong> Handwerks für die gestalterischen Aufgaben der Zukunft<br />
war auch das neu entworfene Besteck für die handwerkliche Fertigung konzipiert. Je<strong>des</strong><br />
der etwa fünfzig Besteckteile wurde im Haus <strong>in</strong> der Talstraße oder <strong>in</strong> Liane Haarbrückers<br />
Werkstätte von Hand aus dickem Silberblech gesägt <strong>und</strong> nach Mess<strong>in</strong>gmodellen (Abb.<br />
673) getrieben. Das dabei entstehende Hammerschlagmuster, das bereits die Wiener<br />
Werkstätte für ganze Serien von Metallgefäßen e<strong>in</strong>geführt hatte (vgl. Wichmann 1984,<br />
194 f.), blieb als sichtbarer Ausdruck der handwerklichen Arbeit <strong>und</strong> <strong>des</strong> bearbeiteten<br />
Materials erhalten. Es wurde nur bei wenigen sehr sachlichen Modellen unter hohem<br />
Silberverlust abgeschliffen. Für die schneidenden Messer stellte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fabrik <strong>in</strong> Sol<strong>in</strong>gen<br />
die rostfreien Stahlkl<strong>in</strong>gen her <strong>und</strong> umschmiedete sie mit den handgetriebenen Silber-<br />
griffen.<br />
Die Forderung <strong>des</strong> Künstlers nach funktionsgerechter Handhabung offenbarte sich für<br />
den Benutzer <strong>in</strong> allen E<strong>in</strong>zelteilen <strong>des</strong> Bestecks. Bei Löffeln <strong>und</strong> Gabeln bewirkten<br />
Verbreiterungen der Stielenden die geforderte "Balance". Diese 'Gegengewichte', bei lan-<br />
gen Modellen kreisr<strong>und</strong>, bei kürzeren rautenförmig oder queroval, bei Teelöffeln <strong>und</strong><br />
Schiebern als kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Perle gestaltet (Abb. 666, 668, 672), gaben durch ihre unvermittelte<br />
Ausprägung die konstruktive Idee <strong>des</strong> Entwerfers an den Benutzer weiter. Trichterartige<br />
Löffel (Abb. 672), muldenförmige Gabeln mit langen Mittelz<strong>in</strong>ken (Abb. 666), die But-<br />
termesser mit r<strong>und</strong> ausbuchtender Kl<strong>in</strong>ge, die Käsemesser als spitz ausgezogene Beile<br />
gestaltet (Abb. 670), stellen ihren hohen Gebrauchswert zugleich lehrhaft überzogen dar<br />
oder fühlen sich <strong>in</strong> romantische Funktionsvorstellungen e<strong>in</strong>. Spezialteile waren für die<br />
Darstellung ihrer Funktion besonders prä<strong>des</strong>t<strong>in</strong>iert. So war der Tortenheber (Abb. 676),<br />
wie der Künstler selber schrieb, "als dreieckige Kelle mit e<strong>in</strong>seitig hochgebogenem Rand<br />
geformt, an der Spitze <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Erhöhung, welche die geschnittenen Kuchenstücke leicht<br />
vone<strong>in</strong>ander trennt <strong>und</strong> abhebt". 622 Der Eis<strong>des</strong>sertlöffel (Abb. 671) sollte sich mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
asymmetrischen R<strong>und</strong> den Wandungen von Dessertschalen anpassen; der spitze Stiel<br />
diente zum Aufspießen der Früchte. Das Fischmesser (Abb. 671) besaß zwei Z<strong>in</strong>ken zur<br />
Verarbeitung der Gräten. Die "kurze Löffelgabel" (Abb. 668) war für letzte Kuchen- <strong>und</strong><br />
Dessertreste gedacht. Neben s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m eigentlichen Zweck war das Besteck e<strong>in</strong> Lehrbeispiel<br />
für Funktiona-
- 265 -<br />
lität, das zum spielerischen Gebrauch der "Instrumente" aufforderte <strong>und</strong> sich mit lebens-<br />
reformerischer Absicht an den Benutzer wandte. Der pädagogische Erfolg war bei jedem<br />
e<strong>in</strong>zelnen Teil vorausberechnet.<br />
Der Formenkanon <strong>des</strong> Bestecks <strong>und</strong> <strong>des</strong> zugehörigen Tischgeräts, Schöpfkellen, Tee-<br />
siebe, Eierbecher, Zuckerschale <strong>und</strong> Sahneguß, Vorlagetabletts, Schalen <strong>und</strong> E<strong>in</strong>sätze<br />
(Abb. 678-681), rekrutiert sich aus e<strong>in</strong>fachen geometrischen Figuren: Zirkelschlägen <strong>und</strong><br />
Ovalen, Quadraten, Rechtecken, gleichseitigen oder gleichschenkligen Dreiecken, die den<br />
geforderten technischen Charakter symbolisieren. Weit ausladende Bögen, staksig aufset-<br />
zende Standb<strong>e<strong>in</strong>e</strong> von Gefäßen, das Silberblech immer wieder umgebogen oder aufge-<br />
rollt, folgen orientalischen Vorbildern. Wellenschnitt an den aufgenieteten Griffen von<br />
Obstmesser <strong>und</strong> Nußstecher (Abb. 669) sowie e<strong>in</strong> blitzartiges, durchbrochenes Muster<br />
beim Teesieb (Abb. 678) gehören zu den spezifischen Motiven <strong>des</strong> Künstlers. Die Durch-<br />
dr<strong>in</strong>gung von sichtbar gemachter Funktionalität mit geometrischen, orientalisierenden<br />
<strong>und</strong> dynamischen Formen gibt Habliks Tafelbesteck s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> unverwechselbare Gestalt.<br />
Mag Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Übernahme s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Bestecks durch die Industrie nicht ausgeschlossen<br />
haben, so standen doch die handwerkliche Fertigung <strong>und</strong> die Beschränkung der Funktio-<br />
nalität auf die Handhabung der e<strong>in</strong>zelnen "Instrumente" dem Funktionalismusbegriff der<br />
Zeit entgegen. Seit der Gründung <strong>des</strong> Deutschen Werkb<strong>und</strong>es 1907, bei der die enge Ver-<br />
b<strong>in</strong>dung zwischen Entwerfer, Handel <strong>und</strong> Industrie gefordert wurde, <strong>und</strong> <strong>in</strong>sbesondere<br />
durch die Typisierungsbestrebungen von Hermann Muthesius auf der Werkb<strong>und</strong>tagung<br />
1914 <strong>in</strong> Köln galten die Vere<strong>in</strong>fachung der Form als Voraussetzung für die <strong>in</strong>dustrielle<br />
Produktion, die sachlich-klare Gestaltung als Ausdruck masch<strong>in</strong>enbed<strong>in</strong>gter Ästhetik.<br />
Auch das Bauhaus, 1919 noch auf die Zukunftsbestimmung <strong>des</strong> Handwerks festgelegt,<br />
schwenkte wieder auf diese Richtung e<strong>in</strong>. Walter Gropius reduzierte 1923 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Schrift über "Idee <strong>und</strong> Aufbau <strong>des</strong> Staatlichen Bauhauses" (Schneede, Hrsg., 1979, 168<br />
ff.) die handwerkliche Konzeption <strong>des</strong> Kunstgewerbes auf die Gr<strong>und</strong>lagenentwicklung<br />
<strong>und</strong> die Zuträgerschaft für die <strong>in</strong>dustrielle Produktion:<br />
"Das Bauhaus bejaht die Masch<strong>in</strong>e als modernstes Mittel der Gestaltung <strong>und</strong> sucht<br />
die Ause<strong>in</strong>andersetzung mit ihr. (...) Das Bauhaus will also k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Handwerkerschule<br />
se<strong>in</strong>, sondern es
- 266 -<br />
sucht bewußt die Verb<strong>in</strong>dung mit der Industrie; denn das Handwerk der Vergangenheit<br />
ex<strong>ist</strong>iert nicht mehr. (...) E<strong>in</strong>e bewußte Rückkehr zum alten Handwerk<br />
wäre daher e<strong>in</strong> atav<strong>ist</strong>ischer Irrtum. (...) Die Werklehre <strong>des</strong> Bauhauses soll den<br />
Lehrl<strong>in</strong>g zur Normarbeit vorbereiten." (ebd., 174)<br />
Ungeachtet dieser Forderungen erregte Habliks handgefertigtes Besteck bis <strong>in</strong> die drei-<br />
ßiger Jahre durch die ständige Präsentation auf dem Stand der Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>-<br />
demann im Grassimuseum während der Leipziger Messen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n großen Käuferkreis <strong>und</strong><br />
wurde auf Bestellung <strong>in</strong> vielfacher Auflage angefertigt. Auf der Messe wurde das Besteck<br />
zusammen mit den utopischen Dosen, den Metalltieren, Kassetten <strong>und</strong> Tischgerät präsen-<br />
tiert (Abb. 683). Der Arbeitsbereich Metall erwies sich vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m <strong>in</strong>ternationalen Publi-<br />
kum als ästhetisch geschlossener <strong>und</strong> geschäftsfähiger Produktionszweig.<br />
Anfang der dreißiger Jahre kam für den Bereich Metall e<strong>in</strong> eigener Werbeprospekt heraus<br />
(vgl. Abb. 682). Zu dieser Zeit wurde der Künstler bereits mit Aufträgen für das Besteck<br />
überhäuft. Da Liane Haarbrücker seit 1930 nicht mehr zur Verfügung stand, nahm er den<br />
Besteckschmiedeme<strong>ist</strong>er Friedrich Böse aus der Itzehoer Juwelierfirma Spliedt <strong>in</strong> die Me-<br />
tallwerkstatt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Hauses auf. 623 Böse, mit über fünfzigjähriger Praxis, hatte "nach an-<br />
fänglich doch erheblichen Schwierigkeiten langsam Erfolg" <strong>und</strong> fertigte schließlich sämt-<br />
liche Modelle. 624<br />
Im Itzehoer Bereich kamen die Abnehmer <strong>des</strong> Bestecks weitgehend aus jenem großbür-<br />
gerlichen Kreis, der mit den Gemälden, Graphiken <strong>und</strong> Innene<strong>in</strong>richtungen <strong>des</strong> Künstlers<br />
vertraut war. Die Familien Richard <strong>und</strong> Hermann Biel, Carl Ste<strong>in</strong>, Bankdirektor Georg<br />
Hormann, Dr. Lammers aus Wilster (e<strong>in</strong> Schwager von Dr. Hans Witthöft aus Tornesch)<br />
<strong>und</strong> das Ehepaar Frenssen besaßen vollständige Bestecke oder e<strong>in</strong>zelne Teile. Mono-<br />
gramme oder Namenszüge <strong>in</strong> eckiger Hablik-Schrift waren nach dem Vorbild der Wiener<br />
Bestecke der e<strong>in</strong>zige <strong>in</strong>dividuelle Schmuck (Abb. 668). Die Besteller auf den Leipziger<br />
Messen dürften zume<strong>ist</strong> ebenfalls großbürgerlicher Herkunft gewesen se<strong>in</strong>. Für diese<br />
Käuferschicht stellte die durch das Hammerschlagdekor deutlich sichtbare Handarbeit e<strong>in</strong><br />
besonderes Wertkriterium dar. E<strong>in</strong> Kommerzienrat aus Gotha teilte dem Künstler mit, der<br />
e<strong>in</strong>getroffene Tortenheber
- 267 -<br />
"hat sehr gut gefallen. Bei dem <strong>in</strong> Leipzig gesehenen Muster war die Martellierung<br />
etwas reicher <strong>und</strong> dichter <strong>und</strong> sah darum etwas besser aus." 625<br />
Ähnlich wie bei Habliks Innendekorationen traf die lehrhafte Darstellung <strong>in</strong>tensiver Ma-<br />
terialbearbeitung mit dem Wunsch der Käufer nach auffälligen Wertkriterien zusammen.<br />
E<strong>in</strong> weiterer von Hablik <strong>in</strong>tensiv betriebener Arbeitsbereich war der Entwurf von<br />
Schmuck. Bereits 1912 fertigte er selbst für Juanita, die Frau Richard Biels, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n auf<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Silberplatte gefaßten Nephritanhänger an (Abb. 684-684 a). Bis zum Beg<strong>in</strong>n <strong>des</strong><br />
Ersten Weltkriegs <strong>und</strong> <strong>in</strong> unveränderten Formen zwischen 1919 <strong>und</strong> 1923 entstand dann<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Zahl von Kettenanhängern mit ovalen <strong>und</strong> seitlich abgeschrägten Schmuck-<br />
st<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, zume<strong>ist</strong> Achatscheiben, aber auch Lapislazuli, Opal <strong>und</strong> Chrysokoll. Vollstän-<br />
dige Rückplatten kamen jetzt nicht mehr vor. Die St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, die der Künstler <strong>in</strong> größeren<br />
Mengen von Edelste<strong>in</strong>handlungen <strong>und</strong> Ste<strong>in</strong>schmuckfabriken <strong>in</strong> Idar-Oberste<strong>in</strong> bezog,<br />
wurden entweder mit beidseitig umgreifenden, auf der Vorderseite gewellten Metall-<br />
r<strong>in</strong>gen gefaßt (Abb. 685-686), oder ornamental ausgesägte <strong>und</strong> aufgenietete Kupfer- oder<br />
Silberbeschläge verb<strong>in</strong>den Ste<strong>in</strong> <strong>und</strong> Kettenöse (Abb. 687-690). Die Fassungen wurden<br />
nach Habliks detaillierten Entwürfen von Goldschmieden, seit 1917 auch von Liane<br />
Haarbrücker angefertigt. 626<br />
Die Beschläge zeigen zackig geschwungene, orientalisierende <strong>und</strong> florale Formen, wie<br />
sie aus den Textilapplikationen von 1913 bekannt s<strong>in</strong>d (Abb. 287-288), oder sie passen<br />
sich der Achatzeichnung an (Abb. 691). Auch die Schneckenstrukturen <strong>und</strong> die fe<strong>in</strong>ge-<br />
fiederten Flügelwolken aus der Mappe "Schaffende Kräfte" kehren hier wieder (Abb.<br />
692). Ähnliche Metallschnitte dienten als Träger für Anhänger aus geschliffenem Berg-<br />
kr<strong>ist</strong>all (Abb. 692-693). Mit den Methoden der Schmuckherstellung entstanden auch<br />
Kleiderknöpfe: r<strong>und</strong>e Achatscheiben (Abb. 694) <strong>und</strong> quadratische Perlmuttplättchen<br />
(Abb. 695) <strong>in</strong> Silberfassung, aber auch ungefaßte Achatstücke mit e<strong>in</strong>gearbeiteter Öse<br />
(Abb. 696) <strong>und</strong> Hutnadeln mit silber- oder mess<strong>in</strong>ggefaßten Achatköpfen (Abb. 697). Der<br />
Achat entsprach mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r klaren natürlichen Zeichnung <strong>und</strong> der Brillanz s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Farben<br />
<strong>in</strong> besonderem Maße den von Hablik verehrten "Kunstformen der Natur"
- 268 -<br />
(Ernst Haeckel). In dem natürlichen Material fanden sich jene starken Helldunkel-<br />
kontraste, die der Künstler auch <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Möbel- <strong>und</strong> Stoffentwürfen verwendete <strong>und</strong> die<br />
<strong>in</strong> den Jahren vor <strong>und</strong> nach dem Ersten Weltkrieg Mode waren.<br />
Daneben entwarf Hablik Anfang der zwanziger Jahre kostbaren Gold- <strong>und</strong> Silber-<br />
schmuck. Für Juanita Biel fertigte Liane Haarbrücker nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Zeichnungen <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Brosche mit molluskenartigen Perl- <strong>und</strong> Volutenmotiven (Abb. 699) sowie e<strong>in</strong> Silber-<br />
kollier (Abb. 700) an, beide mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r dichten Reihe roter Korallenstäbe behängt. Für die<br />
Tochter <strong>des</strong> Bankdirektors Hormann arbeitete sie e<strong>in</strong> silbernes Gliederhalsband mit drei<br />
goldenen Quadraten, e<strong>in</strong>gelegten Diamanten <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Smaragd (Abb. 701) sowie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
volutengeschmückten <strong>und</strong> auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Silberkartusche montierten Opalanhänger mit silber-<br />
ner Halskette (Abb. 702). Bei beiden Arbeiten stehen die kostbaren Materialien gegen die<br />
planvoll unsaubere Verarbeitung <strong>des</strong> Dekors. Jeweils e<strong>in</strong> Kranz von Bohrmulden um die<br />
Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>des</strong> Gliederkolliers <strong>ist</strong> mit dem Augenmaß gesetzt; die Grate s<strong>in</strong>d stehen-<br />
geblieben. Die Voluten <strong>des</strong> Opalanhängers zeigen unregelmäßige, mühevoll <strong>in</strong> das Gold<br />
gegrabene W<strong>in</strong>dungen. Auch hier war die lehrhafte Darstellung von Handarbeit <strong>und</strong><br />
Materialeigenschaften beabsichtigt. Gleichzeitig mit diesen Schmuckstücken entstand<br />
offenbar <strong>e<strong>in</strong>e</strong> größere Anzahl von R<strong>in</strong>gen, 627 von denen noch drei mit Opalen <strong>in</strong> Gold-<br />
fassung (Abb. 703) bekannt s<strong>in</strong>d.<br />
Nach e<strong>in</strong>igen Jahren der Unterbrechung, wohl ausgelöst durch die Inflation 1923, begann<br />
Hablik 1927 erneut mit dem Entwurf von Schmuck. Er griff <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Idee der Wiener Werk-<br />
stätte aus der Zeit um 1910 wieder auf (Abb. 704) <strong>und</strong> komb<strong>in</strong>ierte jetzt unterschiedlich<br />
große <strong>und</strong> verschiedenfarbige Turmal<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Gold- oder Silberfassungen zu R<strong>in</strong>gen <strong>und</strong><br />
Kettenanhängern. Geometrische <strong>und</strong> mosaikartige leuchtende Farbkomb<strong>in</strong>ationen, wie sie<br />
hier entstanden, waren wieder aktuell geworden. E<strong>in</strong> Anhänger für Liesel Hormann zeigt<br />
<strong>in</strong> der Silberplatte neben den verschiedenfarbigen Turmal<strong>in</strong>en <strong>in</strong> unterschiedlichen For-<br />
men, Größen <strong>und</strong> Schliffen auch durchbrochene geometrische Figuren (Abb. 705). Der<br />
R<strong>in</strong>g für Elisabeth L<strong>in</strong>demann, zum Geburtstag 1927 angefertigt, vere<strong>in</strong>igt rechteckige,<br />
asymmetrisch angeordnete St<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r breitrandigen Goldfassung (Abb. 706). Scharfe,<br />
parallel geführte Schnitte <strong>in</strong> den unregelmäßigen
- 269 -<br />
Graten charakterisieren mit ihrem harten Metallglanz die handwerkliche Bearbeitung <strong>des</strong><br />
edlen Materials.<br />
E<strong>in</strong>e Sonderstellung <strong>in</strong> Habliks Kunsthandwerk nimmt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Serie von bemalten Porzel-<br />
lantellern e<strong>in</strong>, die unsigniert <strong>und</strong> <strong>und</strong>atiert geblieben <strong>ist</strong>. 628 Lediglich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der Teller<br />
(Abb. 708) <strong>ist</strong> mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m breiten mehrfachen Zackenband dekoriert, das aus dem Stoff-<br />
entwurf "Zackenmuster" von 1911 (Abb. 298) entwickelt <strong>ist</strong>. Die übrigen, im E<strong>in</strong>zel-<br />
handel gekauften weißen Teller bemalte der Künstler mit Motiven, die kaum Verb<strong>in</strong>-<br />
dungen zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m übrigen Werk haben (Abb. 709-714). Es s<strong>in</strong>d geometrische Kompo-<br />
sitionen, die sich aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m dynamischen Spiel von kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Flächen <strong>und</strong> dünnen L<strong>in</strong>ien<br />
ergeben <strong>und</strong> die den Arbeiten der russischen Konstruktiv<strong>ist</strong>en nahestehen: Kreisflächen-<br />
segmente s<strong>in</strong>d weiten Zirkelschlägen, Radien <strong>und</strong> Dreieckschenkeln, Halbmonde <strong>und</strong><br />
Schweife Viereckvarianten gegenübergestellt; Rechtecke, Geraden, Treppen <strong>und</strong> rechte<br />
W<strong>in</strong>kel fügen sich mit Dreiecksflächen, Spitzw<strong>in</strong>keln <strong>und</strong> Kreisbögen zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r losen Har-<br />
monie zusammen. Neben Braun-, Grün- <strong>und</strong> Blautönen, Gelb <strong>und</strong> hellem Violett, wie sie<br />
aus Habliks Tapeten<strong>des</strong>s<strong>in</strong>s bekannt s<strong>in</strong>d, bleiben Schwarz als graphischer Gr<strong>und</strong>ton <strong>und</strong><br />
Gold als Kontrapunkte zu Weiß die entscheidenden Farben. 629<br />
Deutliche Parallelen <strong>in</strong> der Anordnung von L<strong>in</strong>ien <strong>und</strong> geometrischen Figuren sowie dem<br />
E<strong>in</strong>satz von monochromen <strong>und</strong> re<strong>in</strong>schwarzen Flächen bestehen zu den von Kasimir Ma-<br />
lewitsch seit 1913 entwickelten supremat<strong>ist</strong>ischen Kompositionen (Abb. 715). Habliks<br />
zentrierte Gestaltungen erreichen die durch Exzentration entstehende Spannung der Ar-<br />
beiten von Malewitsch jedoch nicht <strong>und</strong> verharren größtenteils <strong>in</strong> unfreien Zirkel-L<strong>in</strong>eal-<br />
Konstruktionen. Da der Suprematismus auch El Lissitzky <strong>und</strong> Wassily Kand<strong>in</strong>sky, über<br />
Kand<strong>in</strong>skys Unterricht das Bauhaus sowie den gesamten <strong>in</strong>ternationalen Konstruktivis-<br />
mus bee<strong>in</strong>flußte, ergeben sich auch zwischen e<strong>in</strong>zelnen Werken dieser Künstler <strong>und</strong><br />
Habliks Tellerserie stil<strong>ist</strong>ische Übere<strong>in</strong>stimmungen. Nikolai Suet<strong>in</strong> (1897-1954), bis zur<br />
Mitte der zwanziger Jahre <strong>in</strong> der aktuellen Diskussion über den Suprematismus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der<br />
engsten Mitarbeiter von Malewitsch, untersuchte die Anwendungsmöglichkeiten supre-<br />
mat<strong>ist</strong>ischer Formen auf die Architektur <strong>und</strong> bemalte Porzellan mit Kompositionen dieser<br />
Art. Suet<strong>in</strong> war seit 1923 künstlerischer
- 270 -<br />
Leiter der Porzellanfabrik Lomonossow <strong>in</strong> Len<strong>in</strong>grad. Die von ihm seit 1922 entworfenen<br />
<strong>und</strong> ausgeführten Teller (Abb. 716) könnten e<strong>in</strong> Vorbild für Habliks Tellerserie gewesen<br />
se<strong>in</strong>.<br />
Im Gegensatz zu den Kompositionen <strong>des</strong> Suprematismus, die von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r vollständigen<br />
Befreiung der Kunst vom Gegenstand ausg<strong>in</strong>gen, f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> Habliks Gestaltungen<br />
vere<strong>in</strong>zelt e<strong>in</strong>gestreute zeichenhaft reduzierte Figuren: e<strong>in</strong> spr<strong>in</strong>gen<strong>des</strong> Strichmännchen<br />
mit emporgerissenem Arm, gegenüber e<strong>in</strong> dickes Insekt mit kreisr<strong>und</strong>em Körper, e<strong>in</strong><br />
tanzender Harlek<strong>in</strong> auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m hellblauen Bogen, Pferd <strong>und</strong> Reiter <strong>in</strong> der Art moderner<br />
Piktogramme (Abb. 714). Sie s<strong>in</strong>d ebenso wie die von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Schräge purzelnden Striche<br />
<strong>und</strong> die häufiger vorkommenden verschränkten Kreisbögen (Abb. 713) zur Darstellung<br />
von Bewegung, Schw<strong>in</strong>gungen <strong>und</strong> akustischen Signalen Motive <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r zeichenhaften<br />
Bildsprache, die um die Mitte der zwanziger Jahre im Umkreis der typographischen<br />
Arbeiten <strong>des</strong> Stijls, <strong>des</strong> Bauhauses <strong>und</strong> von Kurt Schwitters ("Die Scheuche", 1925)<br />
entstand. Geometrische Figuren mit höherem Bildwert: Blitze <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> strahlende Kuppel<br />
(Abb. 713), Mond- <strong>und</strong> Kometenmotive (Abb. 711-712) entstammen Habliks utopischen<br />
Arbeiten, ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n aber auch <strong>in</strong> Kand<strong>in</strong>skys Bildern der Jahre um 1925 (Abb. 717).<br />
Habliks Tellerserie <strong>ist</strong> ebenfalls <strong>in</strong> diese Zeit zu datieren.<br />
Neben weiterem Kunsthandwerk, unter anderem vier bemalten Holzschalen mit orchi-<br />
deenartigen Blüten, Zacken- <strong>und</strong> Streifenmustern (Abb. 7IS-721), schuf Hablik <strong>in</strong> grö-<br />
ßerem Umfang Entwürfe zur Gebrauchsgraphik. Während <strong>des</strong> Unterrichts bei Rudolf von<br />
Larisch <strong>in</strong> der Klasse für Schrift an der Wiener Kunstgewerbeschule hatte er jene Versal-<br />
schrift entwickelt, die er 1909 für den Umschlagtitel der Mappe "Schaffende Kräfte" ver-<br />
wendete (Abb. 55). Die e<strong>in</strong>zelnen Lettern füllten ihre rechteckigen Begrenzungen voll-<br />
ständig aus <strong>und</strong> konnten so ohne überflüssige Zwischenräume sehr eng gesetzt werden.<br />
Der Entwurf (Abb. 722-724), der seit 1907 <strong>in</strong> mehreren Publikationen erschien, 630 wurde<br />
jedoch nicht so populär, wie Hablik es etwa nach dem Vorbild der während <strong>des</strong> ganzen<br />
Jugendstils verwendeten Eckmann-Schrift erwartet hatte.<br />
Ferd<strong>in</strong>and Avenarius, der die Hablik-Schrift als unleserlich empfand, gab dennoch zur<br />
Unterstützung <strong>des</strong> Künstlers seit 1907 mehrere Drucksachen
- 271 -<br />
für Kunstwart <strong>und</strong> Dürerb<strong>und</strong> bei ihm <strong>in</strong> Auftrag - nicht ohne immer wieder auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
lesbarere Variante zu drängen. 631 Seit 1908 erschien der "Kunstwart" mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m von Ha-<br />
blik gestalteten Titel (Abb. 725); Kunstwart-Leitung <strong>und</strong> Dürerb<strong>und</strong> erhielten Briefköpfe<br />
<strong>in</strong> derselben Art (Abb. 726-727). Für die 1907 bis 1909 von Avenarius oder dem Dürer-<br />
b<strong>und</strong> herausgegebenen Sammelbände "Balladenbuch" (Abb. 728), "Das fröhliche Buch"<br />
(Abb. 729) <strong>und</strong> "Am Lebensquell. E<strong>in</strong> Hausbuch zur geschlechtlichen Erziehung" (Abb.<br />
730) sowie für Wolfgang Schumanns Novelle "Wolf Castells Gast" (Abb.731), 1909 bei<br />
Callwey <strong>in</strong> München, entwarf der Künstler E<strong>in</strong>bände <strong>und</strong> Schrifttitel.<br />
Auftragsarbeiten waren auch Briefköpfe, Signets <strong>und</strong> Prospekte für die Firmen Richard<br />
Biel (Abb. 732) <strong>und</strong> Adolf Soetje, Reklame <strong>und</strong> Verpackungen für die Itzehoer Kaffee-<br />
rösterei C.C. von Holste<strong>in</strong> sowie zahlreiche Visitenkarten <strong>und</strong> Exlibris für Privatleute.<br />
Das Notgeld der Stadt Itzehoe, das der Künstler <strong>in</strong> den Jahren 1918, 1921 <strong>und</strong> 1923<br />
gestaltete, zeigt neben dem eigenen Schriftentwurf bereits an Stijl <strong>und</strong> Bauhaus an-<br />
gelehnte Typographien (Abb. 733-736). Auch der Buche<strong>in</strong>band zu dem Roman "Letzte<br />
Ferien" von Walter Harich 1928 verrät den E<strong>in</strong>fluß von Bauhaus-Entwürfen (Abb. 737).<br />
Im gleichen Jahr entstanden Drucksachen für den Altonaer Künstlervere<strong>in</strong> (Abb. 738-<br />
739).<br />
Zweimal erhielt der Künstler Aufträge zur Gestaltung von Grabanlagen. Als der Meldor-<br />
fer Gymnasialprofessor Karl He<strong>in</strong>rich Frese 1927 starb, wurden für ihn e<strong>in</strong> großer mit<br />
Hablik-Schrift gravierter F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>g <strong>und</strong> später für den Vater Chr<strong>ist</strong>ian Frese <strong>und</strong> den 1932<br />
gestorbenen Bruder Emil Frese kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>re Naturst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> aufgestellt (Abb. 740). 1928 entwarf<br />
Hablik das Grabmal der Familie Rolfs aus der Verwandtschaft von Elisabeth L<strong>in</strong>demann.<br />
Der hochrechteckige Travert<strong>in</strong>block mit eckig-geometrischer Schrift erhielt durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
oben aufgesetzte Kugel kosmisch-symbolischen Charakter (Abb. 741). Etwa 1932 schuf<br />
der Künstler den Friedhof der eigenen Familie von Elisabeth L<strong>in</strong>demann, der mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Kreis von F<strong>in</strong>dl<strong>in</strong>gen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m vorgeschichtlichen Th<strong>in</strong>gplatz ähnelt <strong>und</strong> sich <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Wald<br />
bei dem Stammhof der L<strong>in</strong>demanns <strong>in</strong> dem Dorf Westerwohld <strong>in</strong> Süderdithmarschen<br />
bef<strong>in</strong>det.
- 272 -<br />
Habliks Entwurfstätigkeit für Textilien <strong>und</strong> Kunsthandwerk blieb ganz <strong>in</strong> der Tradition<br />
der Künstlerentwerfer <strong>des</strong> "Jugendstils", die auf den Gr<strong>und</strong>lagen von William Morris <strong>und</strong><br />
mit den Mitteln <strong>des</strong> Kunsthandwerks "die Neugestaltung der ganzen formalen Umwelt<br />
<strong>des</strong> täglichen Lebens" (Ahlers-Hestermann 1981, 38) <strong>in</strong> Angriff genommen hatten. So<br />
wie bei Henry van de Velde, der neben der gesamten E<strong>in</strong>richtung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Hauses 1896<br />
auch die Empfangstoilette s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau entwarf, griff Habliks Gestaltungswille selbst auf<br />
die privatesten D<strong>in</strong>ge <strong>des</strong> täglichen Lebens über: das Besteck, mit dem man ißt, die<br />
Kleidung, die Knöpfe, den Schmuck. In der begrenzten Hablik-Geme<strong>in</strong>de der Itzehoer<br />
Familien waren die Gestaltungen <strong>des</strong> Künstlers allgegenwärtig; Briefe von s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Reisen<br />
<strong>und</strong> Wanderungen wurden als schriftliche Zeugnisse s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Naturphilosophie e<strong>in</strong> Teil<br />
ihrer eigenen Ge<strong>ist</strong>eswelt.<br />
3. Lebensgestaltung, Musik <strong>und</strong> Ausdruckstanz<br />
Der anhaltende E<strong>in</strong>fluß von Wenzel Habliks künstlerischen Arbeiten auf den Alltag der<br />
Itzehoer Familien noch bis <strong>in</strong> die folgende <strong>und</strong> die übernächste Generation <strong>ist</strong> kaum denk-<br />
bar ohne die Ausstrahlung, die von der Persönlichkeit <strong>des</strong> Künstlers, von s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Familie<br />
<strong>und</strong> dem Haus <strong>in</strong> der Talstraße ausg<strong>in</strong>g. Der Künstler selbst, von zierlicher Gestalt <strong>und</strong><br />
mit fast kahlgeschorenem blondem Haar, erregte schon durch se<strong>in</strong> eigenwilliges Äußeres<br />
Aufsehen. Knielange Hosen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> hochgeschlossene Weste <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Jackett mit kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Stehkragen, alles maßgeschneidert aus gedeckten oder naturfarbenen handgewebten<br />
Stoffen, dazu schwarze oder bunte Kniestrümpfe, außer Haus e<strong>in</strong> offen wehender Mantel<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong> breitkrempiger Hut, bildeten s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> übliche Kleidung (Abb. 742). 632 Schon im<br />
Wiener Fre<strong>und</strong>eskreis um Hugo <strong>und</strong> Paula Schmidl war er durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kleidung aufge-<br />
fallen. So notierte Arthur Schnitzler am 14. Mai 1915 über das gesellschaftliche Leben<br />
bei Schmidls:<br />
"O. sang, von Viki begleitet. E<strong>in</strong> junger Radierer, Hablik, <strong>in</strong> sonderbarem Costume,<br />
<strong>des</strong>sen sehr orig<strong>in</strong>elle Arbeiten gezeigt werden. Jakob Wassermann, <strong>in</strong> schmierigem<br />
Smok<strong>in</strong>g ... <strong>in</strong> Discussion mit Arthur Kaufmann, der ihm zu rational<strong>ist</strong>isch<br />
dünkt. Allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>res Philosophisches." 633 (Tagebuch 1913-1916, 1983)
- 273 -<br />
Auch <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, im Café <strong>des</strong> Westens, wo Hablik im Mai 1912 mit Herwarth Walden<br />
zusammentraf, war er durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n unkonventionellen Aufzug aufgefallen: "Als ich h<strong>in</strong>-<br />
e<strong>in</strong>kam, tönte mir aus allen Ecken e<strong>in</strong> 'Ah' <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Kichern <strong>und</strong> Lachen entgegen." Max<br />
Oppenheimer <strong>und</strong> Willy Nowak, die Kommilitonen von der Prager Akademie, stellten ihn<br />
wegen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kleidung zur Rede. 634<br />
Abram Enss, der Lübecker Schriftsteller, Journal<strong>ist</strong> <strong>und</strong> Kunstkritiker, 635 berichtet über<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Begegnung mit dem Künstler im August 1931:<br />
"Me<strong>in</strong> Besuch <strong>in</strong> Itzehoe war für mich e<strong>in</strong> großes Erlebnis. E<strong>in</strong>drucksvoll war die<br />
Vielseitigkeit <strong>des</strong> Künstlers <strong>und</strong> Sammlers Hablik, z.B. s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ste<strong>in</strong>- <strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>allsammlung,<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gemälde <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r südamerikarüschen Reise. Vor allem waren Habliks<br />
Ersche<strong>in</strong>ung <strong>und</strong> Persönlichkeit, se<strong>in</strong> vornehmes, schlichtes Wesen, se<strong>in</strong><br />
Ge<strong>ist</strong> bee<strong>in</strong>druckend. Ich sah ihn zuerst auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Messe im Grassimuseum, wo er<br />
durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> zierliche Gestalt, den kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Kopf, das sprechende Profil, aber auch<br />
durch die schlichte schwarze Kleidung <strong>und</strong> das kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Käppi auffiel. Das <strong>ist</strong> mir<br />
alles ganz plastisch vor Augen." 636<br />
Stärker an Itzehoe geb<strong>und</strong>en <strong>ist</strong> die Beschreibung von Ruth Siegmann, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Tochter aus<br />
dem Hause Carl Ste<strong>in</strong>:<br />
"... ich weiß genau, wie oft wir K<strong>in</strong>der über Herrn Hablik lachten, wenn wir ihm<br />
begegneten auf dem Schulweg, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Villa lag dicht bei unserem Lyzeum. Er war<br />
kle<strong>in</strong> von Statur, schmal <strong>und</strong> sehr wendig <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bewegungen. Er trug immer<br />
kurze Hosen <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Käppi auf dem fast kahlen Kopf. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Töchter waren Schulkameraden<br />
von mir, unsere Eltern waren befre<strong>und</strong>et. Sie waren viele Jahre h<strong>in</strong>durch<br />
echte Anhänger s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Stiles, er entwarf Möbel, Silberbestecke <strong>und</strong> Lampen<br />
für uns ..." 637<br />
Susanne <strong>und</strong> Sibylle, die Töchter <strong>des</strong> Ehepaars Hablik, 1918 <strong>und</strong> 1923 geboren, fielen<br />
unter den Klassenkamerad<strong>in</strong>nen durch ihre handgewebten Kleider aus Hablik-Stoffen<br />
auf. 638<br />
Das Haus <strong>in</strong> der Talstraße wurde <strong>in</strong> den zwanziger Jahren der Rahmen für kulturelle <strong>und</strong><br />
gesellschaftliche Ereignisse, die sich aus dem umfangreichen Geschäftsbetrieb der Hand-<br />
weberei <strong>und</strong> den Kontakten auf den Messen <strong>und</strong> Ausstellungen ergaben. Zwischen 1925<br />
<strong>und</strong> 1932 kam der Pian<strong>ist</strong> Joseph Pembaur (1875-1950), e<strong>in</strong> bedeutender Interpret roman-<br />
tischer Werke <strong>und</strong> Professor an der staatlichen Akademie für Tonkunst <strong>in</strong> München,<br />
mehrfach zu Besuch <strong>und</strong> gab im Hause vielbeachtete Konzerte.
- 274 -<br />
Schon 1920 hatte Hablik Figuren <strong>und</strong> Kostüme für den Ausdruckstanz entworfen. Die<br />
Stern-, Zacken-, Orchideen- <strong>und</strong> Schlangenmuster der eng anliegenden Tanzkostüme<br />
(Abb. 743-746) übersetzen vorwiegend die erogenen Körperzonen <strong>in</strong> dynamische Formen<br />
<strong>und</strong> wirken wie direkte Bemalungen <strong>des</strong> menschlichen Körpers. Die Tänzer<strong>in</strong> bewegt das<br />
kontrastreich bunte, flammende Ornament: Der Mensch wird e<strong>in</strong> Teil der gesamtkünst-<br />
lerischen Gestaltung aller Lebensbereiche. Im Oktober 1927 trat die Weber<strong>in</strong> Edelgard<br />
von Wulffen (Abb. 747) <strong>in</strong> die Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann e<strong>in</strong>. 639 Sie wurde Wenzel<br />
Habliks bevorzugtes Aktmodell - <strong>und</strong> sie beherrschte den Ausdruckstanz. Bei ihren Tanz-<br />
vorführungen, die seitdem regelmäßig im Haus <strong>in</strong> der Talstraße <strong>in</strong> kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rem Kreis statt-<br />
fanden, trug sie Gesichtsmasken, die Hablik entworfen hatte <strong>und</strong> die als Blechscheren-<br />
schnitte ausgeführt waren (Ab. 748-750). Der Künstler selbst spielte dazu Schlagzeug auf<br />
selbstgefertigten Blechen <strong>und</strong> Gongs. Getanzt wurde aber auch nach der Musik von<br />
Edward Grieg. 640<br />
Bei den Tanzfiguren flossen ostasiatische Ausdrucksformen e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>e kniende Gestalt mit<br />
Flammennimbus, deren Hände <strong>in</strong> fernöstlicher Tanz- oder Gebetshaltung vor den<br />
Oberkörper gestellt s<strong>in</strong>d (Abb. 751), gehört zu den Figuren vom Ende der zwanziger<br />
Jahre. Die schlangengleichen Bewegungen beim <strong>in</strong>dischen Tempeltanz, die Armhal-<br />
tungen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s tanzenden Shivas (Abb. 753) s<strong>in</strong>d die Motive der übrigen Entwürfe (Abb.<br />
752). Kulturformen Asiens, die seit den Schriften der Aktiv<strong>ist</strong>en als Vorbild für <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Erneuerung der menschlichen Gesellschaft galten, wurden hier <strong>in</strong> der eigenen Lebensge-<br />
staltung als weiterer Schritt <strong>in</strong> die Zukunft verwirklicht. Neben Büchern über die Kunst<br />
Asiens f<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> Habliks Bibliothek auch Abhandlungen über die Weisheit <strong>des</strong><br />
Ostens.<br />
Im September 1923 sah Hablik beim Besuch <strong>des</strong> Bauhauses während der Weimarer<br />
Werkb<strong>und</strong>-Tagung auch Arbeiten der dortigen Bühnenwerkstatt:<br />
"Das Theater <strong>des</strong> Bauhauses brachte e<strong>in</strong>ige Lichtspieleffekte sehr <strong>in</strong>struktiver Art,<br />
die aber kaum verstanden worden se<strong>in</strong> dürften ... Ferner <strong>e<strong>in</strong>e</strong> 'mechanische' Ballettvorstellung<br />
mit Musik <strong>in</strong> sehr orig<strong>in</strong>ellen Formen bei<strong>des</strong>. Das Ballett erntete<br />
stürmischen Beifall." 641<br />
Das "Mechanische Ballett", <strong>e<strong>in</strong>e</strong> 1923 uraufgeführte Studienarbeit von Kurt Schmidt,<br />
Georg Teltscher <strong>und</strong> Theodor Bogler, zeigte Abstraktionen
- 275 -<br />
<strong>des</strong> menschlichen Körpers aus farbigen geometrischen Flächenformen, die von dah<strong>in</strong>ter<br />
verborgenen Akteuren über <strong>e<strong>in</strong>e</strong> schwarz ausgeschlagene Bühne getragen wurden. Es<br />
entstand der E<strong>in</strong>druck <strong>in</strong> Bewegung versetzter konstruktiv<strong>ist</strong>ischer Bilder (Scheper 1977,<br />
1/196).<br />
Das Theater, seit dem Beg<strong>in</strong>n <strong>des</strong> zwanzigsten Jahrh<strong>und</strong>erts zahlreichen Reformver-<br />
suchen unterworfen, war auf experimentellen Bühnen <strong>in</strong> den E<strong>in</strong>fluß der Kub<strong>ist</strong>en,<br />
Futur<strong>ist</strong>en <strong>und</strong> Konstruktiv<strong>ist</strong>en geraten. Die Bestrebungen um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> optische Darstellung<br />
von Raum <strong>und</strong> Zeit, Mechanisierung <strong>und</strong> Dynamik bewirkten - unter gleichzeitiger Los-<br />
lösung von den traditionellen literarischen Vorlagen - die H<strong>in</strong>wendung zu Tanz <strong>und</strong> Bal-<br />
lett. Die Bühne wurde als "Raum" erkannt, das gemalte Bühnenbild wich der dreidimen-<br />
sionalen Bühnenarchitektur. Zahlreiche Architekten befaßten sich mit Problemen <strong>des</strong><br />
Theaters: Veränderungen <strong>in</strong> den baulichen Strukturen zwischen Zuschauerraum <strong>und</strong><br />
Bühne sollten <strong>e<strong>in</strong>e</strong> völlige Erneuerung <strong>des</strong> Theaters <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r gesellschaftlichen Funk-<br />
tionen bewirken (ebd., l/l92 f.).<br />
Am Bauhaus beschäftigten sich Laszlo Maholy-Nagy <strong>und</strong> Wassily Kand<strong>in</strong>sky, vor allem<br />
aber Oskar Schlemmer, seit 1923 Leiter der Bühnenwerkstatt, mit dem Theater. Schlem-<br />
mer, bekannt für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> figur<strong>in</strong>enhaften, auf stereometrische Körper reduzierten Men-<br />
schendarstellungen, untersuchte die Beziehungen zwischen dem kubischen Bühnenraum<br />
<strong>und</strong> dem dar<strong>in</strong> agierenden, nach "Maß <strong>und</strong> Zahl" def<strong>in</strong>ierten Menschen (ebd., 1/197). In<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m nur 1922/23 vollständig aufgeführten "Triadischen Ballett" bestimmten starre<br />
stereometrische Kostüme die Bewegungen <strong>des</strong> Tanzes. Seit der Übersiedlung <strong>des</strong> Bau-<br />
hauses nach Dessau 1925 entwickelte Schlemmer verschiedene pantomimische Tänze<br />
<strong>und</strong> Demonstrationen, <strong>in</strong> denen der Mensch "- durch Trikots <strong>und</strong> Masken vere<strong>in</strong>heitlicht -<br />
als Prototyp <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s bestimmten Verhaltens gegenüber den formalen Bühnenelementen<br />
Raum, Form, Farbe, Licht <strong>und</strong> Materie" reagiert: Raumtanz, Formentanz, Gestentanz,<br />
Kulissentanz, Metalltanz, Stäbetanz (ebd.).<br />
Habliks Tanzfiguren nahmen e<strong>in</strong>zelne Motive dieser Verwandlung <strong>des</strong> Menschen <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
mechanisch agieren<strong>des</strong>, roboterhaftes Wesen auf. Bei den Masken, die Edelgard von<br />
Wulffen während ihrer Tanzvorführungen anlegte (Abb. 748-749), wurde der flächige<br />
Charakter <strong>des</strong> Metallblechs an den
- 276 -<br />
weit umrissenen Ohren, den grob geschnittenen Streifen für Haare <strong>und</strong> Bart <strong>und</strong> an den<br />
aufgenieteten stereometrischen Nasen noch verstärkt. Die Augen erhielten ornamentale<br />
<strong>und</strong> geometrische Formen; von der Stirn ragte e<strong>in</strong> antennenartiger Metallstreifen empor.<br />
E<strong>in</strong>zelne Entwürfe sahen hohe Blechkronen mit Zacken, Strahlen <strong>und</strong> Voluten (Abb. 754)<br />
sowie Armschienen <strong>und</strong> Panzerungen von Brust, Oberarmen <strong>und</strong> Scham vor (Abb. 755),<br />
die <strong>in</strong> ihrer metallenen Geometrie den E<strong>in</strong>druck roboterartiger, außerirdischer Wesen mit<br />
hoheitlich-religiösen Riten vermitteln. Mit den Bewegungen der Tänzer<strong>in</strong> beg<strong>in</strong>nt e<strong>in</strong><br />
solches Wesen zu agieren, <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r für die Dauer <strong>des</strong> Tanzes anhaltenden Überrealität<br />
sche<strong>in</strong>t e<strong>in</strong> Teil <strong>des</strong> utopischen Dase<strong>in</strong>s mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n technischen <strong>und</strong> religiösen Inhalten<br />
verwirklicht. In Anlehnung an das "Triadische Ballett" zeichnete auch Hablik kub<strong>ist</strong>ische<br />
Kostüme <strong>in</strong> Form gedrehter Tüten <strong>und</strong> Zyl<strong>in</strong>der (Abb. 756). Entwurfsreihen für die<br />
Abfolge mehrerer Tanz- <strong>und</strong> Ballettfiguren, die er mit Punktdiagrammen für Melodien<br />
komb<strong>in</strong>ierte (Abb. 757), 642 ähneln den von Oskar Schlemmer entwickelten "Gr<strong>und</strong>lagen<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Tanzschrift" (Abb. 758).<br />
Starken E<strong>in</strong>fluß auf die Tanzveranstaltungen im Hause Hablik hatten auch Person <strong>und</strong><br />
Schaffen der Tänzer<strong>in</strong> Mary Wigman (1886-1973). Während ihr Lehrer Rudolf von La-<br />
ban durch die von ihm seit 1922 <strong>in</strong> Hamburg aufgeführten Bewegungschöre bekannt<br />
wurde, entwickelte Mary Wigman den Solotanz als Ausdrucksform für den "Wandel <strong>und</strong><br />
Wechsel seelischer Zustände" (Hermand/Trommler 1978, 217). Mit der 1920 <strong>in</strong> Dresden<br />
gegründeten Wigman-Schule eröffnete sie "die Blütezeit <strong>des</strong> Tanzes ... <strong>in</strong> Deutschland<br />
Ende der zwanziger Jahre" (ebd.). Das Ehepaar Hablik war mit Mary Wigman persönlich<br />
bekannt <strong>und</strong> pflegte zu ihr <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n fre<strong>und</strong>schaftlichen Kontakt. 643 Der Künstler re<strong>ist</strong>e zu<br />
ihren Vorstellungen von weither an <strong>und</strong> besaß Bücher über ihr Schaffen. Edelgard von<br />
Wulffen trat nach ihrem Weggang aus Itzehoe <strong>in</strong> die Schule der Tänzer<strong>in</strong> Gret Palucca<br />
e<strong>in</strong>, die aus der Wigman-Schule hervorgegangen war.<br />
Auf der Suche nach neuen Formen der Welterfahrung, Selbstf<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Lebensge-<br />
staltung beschäftigte man sich im Hause Hablik auch mit Anthroposophie: Susanne<br />
Hablik, die ältere Tochter, erhielt 1927 für kurze Zeit von dem Itzehoer Lehrer <strong>und</strong><br />
Anthroposophen Eduard Ruben (gest.
- 277 -<br />
1973) Unterricht <strong>in</strong> Eurhythmie, 645 jener von den Anthroposophen gepflegten Bewe-<br />
gungskunst, bei der Wörter oder Melodien <strong>in</strong> Bewegungen umgesetzt werden. Auch Mary<br />
Wigman war Anthroposoph<strong>in</strong>.<br />
1928 übernahm Wenzel Hablik als Mitglied <strong>des</strong> Altonaer Künstlervere<strong>in</strong>s die Gestaltung<br />
<strong>des</strong> jährlichen Künstlerfestes, das unter dem Motto "Bei den Unterirdischen" (vgl. Abb.<br />
739) am 4. Februar im Hotel Kaiserhof <strong>in</strong> Altona stattfand. Habliks Raumdekorationen<br />
erhielten vielfaches Lob durch die Lokalpresse:<br />
"Sucht man nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Motto, so muß man es also prägen: höllisch gemütlich,<br />
vornehm dank <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Dekoration sämtlicher Räume durch Hablik, Itzehoe, der mit<br />
den vorhandenen bescheidenen Mitteln s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Phantasie raum- <strong>und</strong> stimmungstechnisch<br />
ganz <strong>in</strong>tim <strong>in</strong> den Dienst der Idee gestellt hatte. Rote Feuerscheiben deckten<br />
den großen Saal wirkungsvoll ab. Auf der Bühne groteske Figuren, die den höllischen<br />
Charakter <strong>des</strong> Festes sichtbar festlegten. Auf der Empore <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ausstellung<br />
himmlischer <strong>und</strong> irdischer Kunstwerke, <strong>in</strong> denen sich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> humorgesegnete<br />
Künstlerlaune <strong>in</strong> schmissiger Technik ausdrückte. Im zweiten Saal <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Teufelsküche<br />
<strong>in</strong> grotesker Architektur. Daneben das Ziel aller Erdenbewohner: e<strong>in</strong> Himmel<br />
mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r kühn bedachten freitragenden Kuppel nach dem System Habliks." 646<br />
E<strong>in</strong> weiterer, von der Presse vielbeachteter Höhepunkt <strong>des</strong> Künstlerfestes war <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tanz-<br />
aufführung zu mitternächtlicher St<strong>und</strong>e:<br />
"... e<strong>in</strong> paar glänzend gelungene Tanzbilder 'Feuer' <strong>und</strong> 'Alltagszwerge' von Hablik,<br />
zu der Kapellme<strong>ist</strong>er Paulsen die Musik schrieb ..." 647<br />
Die Tanzschritte <strong>und</strong> Gesten für diese Aufführung hatte der Künstler wie gewohnt <strong>in</strong><br />
Diagrammen festgelegt <strong>und</strong> mit Sprechgesang, Melodieführungen <strong>und</strong> Angaben für Mu-<br />
sik<strong>in</strong>strumente unterlegt. E<strong>in</strong>ige Tage vor der Veranstaltung war er eigens nach Hamburg<br />
gere<strong>ist</strong>, um mit den Tänzer<strong>in</strong>nen zu proben. Das Künstlerfest bot Hablik die e<strong>in</strong>malige<br />
Gelegenheit, die wichtigste s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r utopischen Architekturkonstruktionen, die aus übereck<br />
gestellten polygonalen R<strong>in</strong>gen gebildete "Freitragende Kuppel", 648 zusammen mit eigenen<br />
Ausdruckstänzen als kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Gesamtkunstwerk utopischer Lebensgestaltungen öffentlich<br />
vorzustellen.
- 278 -<br />
7. KAPITEL:<br />
DER FUNKTIONAL-DEKORATIVE INNENRAUM<br />
Die Herausgabe der Radierungsmappe "Zyklus Architektur" im Sommer 1925 bedeutete<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> deutliche Zäsur <strong>in</strong> Habliks Werk. Die Arbeit an utopischen Architekturmodellen war<br />
damit endgültig abgeschlossen, das Konzept der "Übergangsbauten" <strong>in</strong> mehreren Innen-<br />
raumprojekten verwirklicht worden. Gleich nach der Fertigstellung der Radierungen <strong>und</strong><br />
noch vor den ersten Versendungen der Mappe, die Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demann vornahm,<br />
begab sich der Künstler Ende September auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Reise nach La Paz zu He<strong>in</strong>rich L<strong>in</strong>de-<br />
mann, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bruder s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau. Außer Bolivien bere<strong>ist</strong>e er Chile, West-Indien <strong>und</strong> die<br />
Azoren 649 <strong>und</strong> kehrte erst im Juni <strong>des</strong> folgenden Jahres nach Itzehoe zurück.<br />
Im September 1926 zeichnete er den Entwurf zum Kontorsaal für Friedrich Bölck <strong>in</strong> Bad<br />
Ol<strong>des</strong>loe (Abb. 548). Im Oktober malte er <strong>in</strong> schneller Folge fünf Ölbilder mit Motiven<br />
aus Bolivien. 650 Ebenfalls <strong>in</strong> der zweiten Jahreshälfte entstand das "Eilende Vögle<strong>in</strong>"<br />
(Abb. 650), das Liane Haarbrücker anfertigte; e<strong>in</strong>ige Besteckteile s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dieses Jahr<br />
datiert. Vor allem aber wandte sich der Künstler neuen Aufträgen für Innenraumge-<br />
staltungen zu.<br />
I. Innenraumprojekte<br />
Im September/Oktober 1926 erhielt Hablik den Auftrag zur Neugestaltung <strong>des</strong> Laden-<br />
geschäfts der Witwe H. Otto <strong>in</strong> der Breiten Straße 16 <strong>in</strong> Itzehoe - e<strong>in</strong> Kunstgewerbeladen,<br />
der auch die Arbeiten der Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann vertrat. Im Verkaufsraum<br />
wurde <strong>e<strong>in</strong>e</strong> bis zur Decke reichende Pfeilervitr<strong>in</strong>e <strong>in</strong>stalliert, wie sie bereits im Schlaf-<br />
raum-Entwurf von 1924 (Abb. 529) ersche<strong>in</strong>t. E<strong>in</strong>e weitere, von allen Seiten zu bedie-<br />
nende Vitr<strong>in</strong>e mit Schubladensockel <strong>und</strong> Glasaufsatz zeigt Wellenschnitt <strong>und</strong> abgefaste<br />
Kanten (Abb. 761). Sie gehört zusammen mit den gehämmerten Schloßbeschlägen der<br />
E<strong>in</strong>gangstüren <strong>und</strong> den handgearbeiteten Türkl<strong>in</strong>ken mit gewellten Kanten <strong>und</strong> ziselierten<br />
L<strong>in</strong>ien (Abb. 763) zu den letzten Nachklängen der ausführlich verarbeiteten Details <strong>in</strong><br />
den
- 279 -<br />
Innene<strong>in</strong>richtungen <strong>des</strong> Künstlers. Die farbige Fassung <strong>des</strong> Verkaufstresens <strong>und</strong> der Bal-<br />
kendecke (Abb. 762) <strong>in</strong> mehreren verschiedenen Farbstreifen war e<strong>in</strong> letzter Versuch zu<br />
den "Übergangsbauten". Die heute noch vorhandene Neonreklame "H. Otto Ww." geht<br />
ebenfalls auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Entwurf Habliks zurück (Abb. 764).<br />
Bereits vor der Südamerikareise war der Künstler nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Wettbewerb mit der Reno-<br />
vierung <strong>des</strong> Stän<strong>des</strong>aals im Itzehoer Rathaus beauftragt worden. 1925 erfolgte die Neu-<br />
ausmalung aufgr<strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Entwurfs, der allerd<strong>in</strong>gs vom Ersten Bürgerme<strong>ist</strong>er Adolf<br />
Rohde abgeändert worden war (Verwaltungsbericht 1933, 199). 651 Die Handweberei<br />
Hablik-L<strong>in</strong>demann lieferte die Vorhänge. 652 Im November 1926 folgten Stuhlentwürfe<br />
"für das Rathaus" (Abb. 765-767): drei Varianten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Armlehnstuhls mit dreieckig em-<br />
porgezogener Rückenlehne, die zwischen <strong>in</strong>tensiver Holzverarbeitung mit Stabrosten <strong>und</strong><br />
Wellenschnitt, glatten Umrissen mit gewölbten Polsterkissen <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r orientalisieren-<br />
den Form mit angeknöpftem Halbpolster <strong>und</strong> Quastensitz schwanken. Die Entwürfe, die<br />
die Suche nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m angemessenen Zeitstil verraten, kamen nicht zur Ausführung,<br />
sondern wurden e<strong>in</strong> Jahr später durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n neuen Entwurf mit halbr<strong>und</strong>er Armrücken-<br />
lehne ergänzt (vgl. Abb. 765).<br />
Zu dieser Zeit, im August 1927, wurde Habliks "künstlerischer Rat" erneut für die Reno-<br />
vierung <strong>des</strong> Rathauses herangezogen, jetzt zur Neugestaltung <strong>des</strong> Treppenhauses, e<strong>in</strong>iger<br />
Büroräume <strong>und</strong> Sitzungssäle. Auch für diesen Auftrag war sicher s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fre<strong>und</strong>schaft mit<br />
Bürgerme<strong>ist</strong>er Rohde maßgebend. 653 Die daraufh<strong>in</strong> entstandenen Farbstudien verraten<br />
ebenfalls die Unsicherheit über den anzuwendenden Stil. Für das Treppenhaus war zwar<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> farbige Fassung vorgesehen, bei der e<strong>in</strong>zelne Farbstreifen nach dem Muster der<br />
"Übergangsbauten" mitunter <strong>in</strong> der Wandfläche abgeknickt <strong>und</strong> <strong>in</strong> die Decke h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>-<br />
geführt werden sollten (Abb. 768-769). Dom<strong>in</strong>ierend waren aber schlicht nebene<strong>in</strong>ander<br />
gesetzte Streifen <strong>und</strong> Flächen <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ger<strong>in</strong>gen Auswahl von Grün-, Gelb- <strong>und</strong> Rottönen.<br />
Für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Büroflur wurde <strong>e<strong>in</strong>e</strong> noch schlichtere Lösung mit gelb gestrichenen Wänden<br />
<strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r grünen Wand- <strong>und</strong> Deckenzone oberhalb der Türsturze geplant (Abb. 770).<br />
E<strong>in</strong>e Folge von roten <strong>und</strong> hellblauen Rahmungen um Türen <strong>und</strong> Fußle<strong>ist</strong>en er<strong>in</strong>nert an<br />
J.J.P. Ouds Halle im Obergeschoß <strong>des</strong> Er-
- 280 -<br />
holungsheims <strong>in</strong> Nordwijk (Abb. 771). Der Behördenauftrag dürfte dem Künstler <strong>in</strong><br />
bezug auf die Farben- <strong>und</strong> Formwahl <strong>e<strong>in</strong>e</strong> stärkere Zurückhaltung als bei den privaten<br />
Projekten auferlegt haben. In der Frage, ob bei dieser Aufgabe die Farbe nach den Forde-<br />
rungen <strong>des</strong> Stijls <strong>und</strong> nach dem System der "Übergangsbauten" zur Gliederung <strong>und</strong> zur<br />
Rhythmisierung der Räume e<strong>in</strong>gesetzt werden sollte oder ob sie sich den architektoni-<br />
schen Gegebenheiten unterzuordnen habe, blieben die Entwürfe unsicher. Genau dieses<br />
Problem wurde seit 1925 am Bauhaus diskutiert. Während Peter Keler e<strong>in</strong> Jahr zuvor<br />
noch Farbgestaltungen vorlegte, die nach dem Vorbild <strong>des</strong> Stijls den Raum <strong>in</strong> Funktions-<br />
bereiche gliederten, planten Fritz Kuhr <strong>und</strong> H<strong>in</strong>nerk Scheper seit 1926 e<strong>in</strong>farbig gestri-<br />
chene Raumteile <strong>und</strong> entschieden sich damit bis <strong>in</strong> die dreißiger Jahre für die gleichran-<br />
gige Behandlung der architektonischen E<strong>in</strong>zelformen (Sammlungs-Katalog Bauhaus<br />
2 1984, Nrn. 275-278).<br />
Die Anwendung der Farbe im öffentlichen Raum, für die Bruno Taut seit 1921 <strong>in</strong> Magde-<br />
burg gekämpft hatte, blieb auch <strong>in</strong> der zweiten Hälfte <strong>des</strong> Jahrzehnts problematisch. Die<br />
Zeiten seien auch heute noch - farblich gesehen - "von <strong>des</strong> Gedankens Blässe angekrän-<br />
kelt", urteilte Taut auf dem Deutschen Farbentag im April 1925 <strong>in</strong> Hamburg (Taut 1925,<br />
674). Und auch für das Bauhaus war "die Ausmalung von Ausstellungsräumen ... lange<br />
Zeit ... die e<strong>in</strong>zige Möglichkeit, mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Vorstellungen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r farbigen Raumgestaltung<br />
an e<strong>in</strong> breites Publikum heranzutreten" (Sammlungs-Katalog Bauhaus 2 1984, 143). Der<br />
Itzehoer Bürgerme<strong>ist</strong>er aber muß diesen Bestrebungen aufgeschlossen gegenüberge-<br />
standen haben. Zwar <strong>ist</strong> die endgültige Ausführung der Farbgestaltungen unbekannt, doch<br />
der Verwaltungsbericht der Stadt schreibt für das Jahr 1927:<br />
"Verschiedene Räume <strong>des</strong> Rathauses (Treppenhaus, Zimmer <strong>des</strong> Bürodirektors,<br />
Vorzimmer, Stan<strong>des</strong>amt, Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Sitzungssaal) wurden nach dem künstlerischen<br />
Rat <strong>des</strong> <strong>in</strong> Itzehoe wohnhaften Künstlers W.A. Hablik, die Stadthauptkasse <strong>und</strong><br />
e<strong>in</strong>ige andere Zimmer nach den Angaben <strong>des</strong> 1. Bürgerme<strong>ist</strong>ers <strong>in</strong> modernem Stil<br />
ausgeführt. Die moderne, farbenfreudige Ausgestaltung aller Innenräume <strong>des</strong><br />
Rathauses <strong>ist</strong> vielfach als vorbildlich anerkannt worden." (Verwaltungsbericht<br />
1930, 200)<br />
Im Dezember 1927 erhielt der Künstler den Auftrag, den Empfangsraum der Tageszei-<br />
tung "Nordischer Kurier" <strong>in</strong> Itzehoe neu zu gestalten. Der
- 282 -<br />
"Nordische Kurier" hatte 1922 bereits über die Umgestaltungen <strong>des</strong> Tapetenausstel-<br />
lungsraums bei Soetje <strong>und</strong> <strong>des</strong> Zentral-Hotels bege<strong>ist</strong>ert berichtet, <strong>und</strong> der Besitzer der<br />
Zeitung, Adolf Pohlmann, gehörte, wie der Industrielle Friedrich Bölck aus Bad Ol<strong>des</strong>loe,<br />
der liberalen Bewegung um Friedrich Naumann an. Pohlmann hatte den "Nordischen<br />
Kurier" 1901 als e<strong>in</strong> Organ gegründet, "das die Ideen Friedrich Naumanns <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r na-<br />
tionalsozialen Partei" <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong> propagand<strong>ist</strong>isch vertreten sollte (Irmisch<br />
1960, 389 f.). 1898 <strong>und</strong> 1903 kandidierte er bei den Reichstagswahlen für die national-<br />
soziale Partei. Als Angehöriger <strong>des</strong> liberalen Großbürgertums, das durch Naumanns E<strong>in</strong>-<br />
fluß den Ideen <strong>des</strong> Werkb<strong>und</strong>s aufgeschlossen gegenüberstand, verkörperte auch Pohl-<br />
mann den Idealtyp <strong>des</strong> Hablik-Rezipienten.<br />
Ähnlich wie beim Rathaus-Projekt experimentierte der Künstler <strong>in</strong> ersten Entwürfen zu-<br />
nächst mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m ger<strong>in</strong>gen Spektrum lichter Gelb- <strong>und</strong> Brauntöne mit etwas Hellblau<br />
(Abb. 772-774). Mehrfache breite Rahmungen sollten Türen <strong>und</strong> Fenster, Schreibtisch,<br />
Sitzgruppe <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n bis zur Decke reichenden fest <strong>in</strong>stallierten Vitr<strong>in</strong>enschrank um-<br />
ziehen. Die größeren Wandflächen blieben noch ungegliedert. Beim endgültigen Entwurf<br />
entschied sich Hablik für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Farbkomposition, die sich eng an die Gestaltungen <strong>des</strong><br />
Stijls anlehnt. Ähnlich wie Vilmos Huszar, der Hablik schon 1917 durch die früheste<br />
Farbgestaltung zum Schlafraum für Cornelis Bruynzeel (Abb. 511) bee<strong>in</strong>flußt hatte, legte<br />
er <strong>in</strong> der Wand durch mittelbreite Farbstreifen Zonen verschiedener Licht<strong>in</strong>tensität an<br />
(Abb. 775-775 a). So bildeten e<strong>in</strong> Spiegel l<strong>in</strong>ks von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Raumecke <strong>und</strong> e<strong>in</strong> hellblauer<br />
Farbstreifen auf der rechten Seite eigene Lichtakzente. Vertikale Streifen <strong>in</strong> Orange, Gelb<br />
<strong>und</strong> Rosa schlossen sich an. In der weiteren Wandfläche steigerten sich die Hellig-<br />
keitswerte von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m waagerechten orangen Streifen, der Sofa <strong>und</strong> Heizkörper abstufend<br />
e<strong>in</strong>faßte, über zwei weitere gelborange Flächen <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n hellgelben Streifen als Wand-<br />
abschluß bis zur weiß gestrichenen Decke. An die dynamischen Strukturen der "Über-<br />
gangsbauten" er<strong>in</strong>nert jetzt nur noch e<strong>in</strong> mäandrieren<strong>des</strong> hellblaues Band, das den unteren<br />
orangen Streifen vom Sofa über den Heizkörper, die folgende Raumecke <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Türnische bis zur Decke begleitet <strong>und</strong> dort die Rahmung <strong>des</strong> Wandschrankes bildet. Es<br />
unterstreicht die aufsteigende Lichtführung. Schmale, hoch angesetzte
- 282 -<br />
Streifen zur Akzentuierung, wie Hablik sie über dem seitlichen Durchgang verwendete<br />
(Abb. 775), waren schon <strong>in</strong> Huszars Schlafraum für Cornelis Bruynzeel (Abb. 511) das<br />
hauptsächliche Motiv, die Ecklösung beim Spiegel aus hellen Flächen <strong>und</strong> dunkleren<br />
Streifen sowie die E<strong>in</strong>beziehung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>ren Deckensegments folgten Huszars Raum-<br />
komposition von 1924 (Abb. 776-777).<br />
Endgültig gewandelt hatte sich Habliks Auffassung vom Mobiliar. Auch hier waren alle<br />
dynamischen Elemente, alle Motive <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r <strong>in</strong>tensiven Materialbearbeitung verschw<strong>und</strong>en.<br />
Nach dem Konzept <strong>des</strong> "Festsaal"-Entwurfs von 1924 (Abb. 528) zeigte die Sitzgruppe<br />
nur quaderförmige, <strong>in</strong> schlichte Seitenbretter gefaßte Polster. Dazu gehörten <strong>e<strong>in</strong>e</strong> flache<br />
kubische Eckvitr<strong>in</strong>e <strong>und</strong> e<strong>in</strong> ovaler Tisch mit flachem Korpus <strong>und</strong> hellen schlanken Bei-<br />
nen. Beim Schreibtisch (Abb. 775 b), der mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n schwarzen Ebenholzrahmen an die<br />
frühen wienerischen Exemplare anschloß, wurden die Seitenwände jetzt als glatte fur-<br />
nierte Flächen gestaltet. Der zugehörige Stuhl fügte sich mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r rechtw<strong>in</strong>klig ge-<br />
knickten Armlehne <strong>in</strong> das geometrische System <strong>des</strong> Raumes e<strong>in</strong>.<br />
Der dreigeschossige Wandschrank mit auffällig gemaserten glatten Flächen <strong>in</strong> Sockel-<br />
<strong>und</strong> Deckenzonen sowie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Vitr<strong>in</strong>enteil im Mittelgeschoß (Abb. 775 a) folgte eben-<br />
falls dem geometrischen Pr<strong>in</strong>zip von Kubus <strong>und</strong> Fläche. Flächige geometrische E<strong>in</strong>bau-<br />
systeme galten seit dem Anfang der zwanziger Jahre als Gewähr für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n funktionalen<br />
Innenraum. Die Gestaltung von Vilmos Huszar <strong>und</strong> Jan Wils für das Atelier Bers-<br />
senbrugge <strong>in</strong> Den Haag, <strong>in</strong> der Zeitschrift "De Stijl" 1921 veröffentlicht, hatte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>in</strong>i-<br />
tiierende Wirkung (Abb. 778). Am Bauhaus entwickelten Walter Gropius <strong>und</strong> Marcel<br />
Breuer 1926 ganz mit E<strong>in</strong>bauschränken ausgestattete Räume für die Dessauer Me<strong>ist</strong>er-<br />
häuser (Abb. 779). Gegenüber der ebenfalls durch Glastüren gegliederten Schrankwand<br />
im Arbeitszimmer von Bruno Taut 1926 (Abb. 780) hatte Habliks Planung organischere<br />
Proportionen auf zuweisen.<br />
In der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre war das ornamentfreie Möbel<strong>des</strong>ign mit glatten<br />
Kanten <strong>und</strong> großzügigen Flächen bereits überall <strong>in</strong> exemplarischen, von Architekten <strong>und</strong><br />
Innenausstattern entworfenen Räumen anzutreffen. 654 Habliks kubische Sitzgruppe zeigt<br />
unter vergleichba-
- 283 -<br />
ren Beispielen die radikalste Lösung. Bei den hier verwendeten Stoffen waren ebenfalls<br />
Mäander, Spirale <strong>und</strong> Zacken <strong>und</strong> damit die kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Symbole verschw<strong>und</strong>en. Die<br />
Sofabezüge, die <strong>in</strong> der Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann hergestellt worden waren, zeig-<br />
ten e<strong>in</strong> Streifen<strong>des</strong>s<strong>in</strong>, das mit kräftigen Tönen <strong>in</strong> Rot, Weiß, Gelb <strong>und</strong> Hellblau die Far-<br />
ben <strong>des</strong> Raumes aufnahm. Für Fenster <strong>und</strong> Durchgänge s<strong>in</strong>d handgewebte Vorhänge <strong>in</strong><br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m f<strong>e<strong>in</strong>e</strong>ren, lichten Streifenmuster zu denken.<br />
Die allmähliche Entwicklung von den "Übergangsbauten" zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Farbgebung, die die<br />
vorgegebenen architektonischen Flächen stärker respektiert, zeigte auch die erneute Um-<br />
gestaltung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Tapetenausstellungsraums der Firma Soetje im Jahre 1928 (Abb. 781-<br />
781 a). Sie könnte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Erweiterung <strong>des</strong> 1921 gestalteten Raumes (Abb. 539) darstellen<br />
<strong>und</strong> we<strong>ist</strong> ebenfalls <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n quer laufenden Deckenbalken <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Stützpfeiler auf. E<strong>in</strong><br />
hellgrünes Wand- <strong>und</strong> Deckensegment direkt über <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Eckfenster bildete den Aus-<br />
gangspunkt von rechtw<strong>in</strong>kligen Farbbahnen <strong>in</strong> Grün, Hellblau, Rosa, Orange <strong>und</strong> Rot, die<br />
auch hier als Zonen verschiedener Licht<strong>in</strong>tensität angelegt waren. Der Deckenbalken<br />
wurde jetzt durch e<strong>in</strong>fache weiße <strong>und</strong> orange Flächen zurückgenommen. Erst <strong>in</strong> der<br />
Stütze entwickelten sich dynamische Formen durch treppenartige weiße <strong>und</strong> rote Streifen,<br />
die zwei e<strong>in</strong>gebaute Leuchten umzogen. 655 Die grellbunte Rahmung der e<strong>in</strong>zelnen Tape-<br />
tenbahnen <strong>und</strong> die Verb<strong>in</strong>dung von Wand, Decke <strong>und</strong> Trägern durch Mäanderbänder war<br />
wieder aufgegeben worden. Statt <strong>des</strong>sen wurden die Wände vollständig mit Bahnen der<br />
neuesten Tapetenmuster ausgestattet. Abgesehen von dem Fenstermotiv trat damit die<br />
Verklammerung von Wand <strong>und</strong> Decke zugunsten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r größeren Ausstellungsfläche<br />
zurück.<br />
In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Anzahl von Folgeentwürfen beschäftigte sich Hablik auch weiterh<strong>in</strong> mit<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r durch die Lichtverhältnisse bestimmten farblichen Gliederung <strong>des</strong> Raumes <strong>und</strong> mit<br />
neuen Formen <strong>des</strong> Mobiliars. Vor allem der Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s frei konzipierten Ausstellungs-<br />
raums (Abb. 782), der ebenfalls durch Pfeiler <strong>und</strong> Fensterbänder charakterisiert <strong>ist</strong>, <strong>und</strong><br />
der Entwurf für e<strong>in</strong> Empfangszimmer (Abb. 783) <strong>in</strong> Anlehnung an das Projekt für den<br />
"Nordischen Kurier" wurden durch Zonen e<strong>in</strong>fallenden Lichts, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> dynamische Führung<br />
<strong>des</strong> Lichts <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Farbstreifen sowie die leuch-
- 284 -<br />
tend farbige Akzentuierung e<strong>in</strong>zelner Bauelemente gegliedert. Die r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Farben Rot,<br />
Gelb <strong>und</strong> Blau, beim Ausstellungsraum nach den Pr<strong>in</strong>zipien <strong>des</strong> Stijls angewendet, erfah-<br />
ren hier wie auch <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m weiteren "Entwurf für e<strong>in</strong> frei tapeziertes Besuchszimmer"<br />
(Abb. 784) durch neuartige Streifentapeten <strong>in</strong> Rosa, Hellorange, Hellblau <strong>und</strong> Grau<br />
bereits <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Brechung <strong>in</strong> lichtere Farbnuancen.<br />
Bei zwei Schlafraum-Entwürfen <strong>des</strong>selben Jahres wird die Buntfarbigkeit endgültig ver-<br />
lassen. Blau, Zimtbraun, Gold, Hellgrau <strong>und</strong> Elfenbe<strong>in</strong>weiß (Abb. 785) oder verschiedene<br />
Brauntöne mit Gelb <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m stumpfen Orange (Abb. 786) s<strong>in</strong>d die Ton-<strong>in</strong>-Ton<br />
gehenden Farbkomb<strong>in</strong>ationen, die den Stil der dreißiger Jahre e<strong>in</strong>leiten. Großzügige<br />
Holzflächen, E<strong>in</strong>bauschränke, wie sie das Bauhaus entwickelt hatte (vgl. Abb. 779),<br />
bestimmen die Entwürfe. Betten <strong>und</strong> Konsolen zeigen flache, nur auf das Notwendigste<br />
beschränkte Konstruktionsteile. Gestreifte <strong>und</strong> geflechtartig gemusterte Stoffe, sp<strong>in</strong>del-<br />
förmige Lampen, stilisierte Stern- <strong>und</strong> Blumenmotive s<strong>in</strong>d an die Stelle der utopischen<br />
Elemente getreten. Zunehmend machte sich auch Hablik die von Walter Gropius 1926<br />
aufgestellten "Gr<strong>und</strong>sätze der Bauhausproduktion" (S. 120) zu eigen: "Beschränkung auf<br />
typische, jedem verständliche Gr<strong>und</strong>formen <strong>und</strong> -farben. E<strong>in</strong>fachheit im Vielfachen,<br />
knappe Ausnutzung von Raum, Stoff, Zeit <strong>und</strong> Geld." E<strong>in</strong> Entwurf zeigte jetzt auch<br />
Stahlrohrmöbel (Abb. 787), die Marcel Breuer 1925 entwickelt hatte <strong>und</strong> die seitdem als<br />
Spitzenprodukte <strong>des</strong> Bauhauses galten. 1929 übertrug Hablik auch den fünf Jahre zuvor<br />
entstandenen bunten "Festsaal"-Entwurf <strong>in</strong> die aktuelle Farbkomb<strong>in</strong>ation aus braunen,<br />
gelben <strong>und</strong> grau-schwarzen Tönen (Abb. 788).<br />
Als die Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann im Dezember <strong>und</strong> Januar 1928/29 mit hand-<br />
gewebten Stoffen <strong>und</strong> Wandbehängen an der Ausstellung "Handwerkskunst im Zeitalter<br />
der Masch<strong>in</strong>e" <strong>in</strong> der Mannheimer Kunsthalle teilnahm, 656 wurde das Ehepaar Hablik wie<br />
die anderen beteiligten Kunsthandwerker über die Zukunft der handwerklichen Arbeit<br />
befragt. Wenzel Hablik begründete <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m zusammen mit Antworten von Adolf Beh-<br />
ne, Otto Bartn<strong>in</strong>g, Rudolf Koch, Richard Lisker u.a. im Ausstellungskatalog erschie-<br />
nenen Beitrag die Entwicklung der letzten Jahre, die <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n eigenen Innenraum-<br />
entwürfen durch die Abkehr von ausgeklügelter
- 285 -<br />
Handarbeit, symbolisch-dynamischen Motiven <strong>und</strong> Buntfarbigkeit h<strong>in</strong> zu normartigen<br />
Möbel- <strong>und</strong> E<strong>in</strong>bausystemen <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r flächigen, reduzierten Farbigkeit gekennzeichnet<br />
war:<br />
"Das handgearbeitete E<strong>in</strong>zelstück (...) kann <strong>und</strong> braucht es nicht mehr (zu) geben.<br />
Die Gründe ergeben sich, wenn wir uns die Räume <strong>des</strong> modernen Menschen vergegenwärtigen:<br />
helle glatte Wände, große Fensteröffnungen, e<strong>in</strong>gebaute Schränke<br />
<strong>und</strong> Behälter. (...) Dies läßt sich alles 'normen'; wo soll dann noch e<strong>in</strong> sog. 'E<strong>in</strong>zelstück'<br />
h<strong>in</strong>? Im S<strong>in</strong>ne der Vergangenheit unmöglich. (...) Trennen wir scharf Gebrauchsgegenstände<br />
von D<strong>in</strong>gen, so haben wir den neuen Weg vor uns - den neuen<br />
Raum. Die Erhaltung <strong>des</strong> 'E<strong>in</strong>zelstücks' als bisher angestaunte 'Glanzle<strong>ist</strong>ung' <strong>des</strong><br />
Handwerks <strong>ist</strong> darum unmöglich - <strong>und</strong> aus dem Angedeuteten auch nicht wünschenswert."<br />
(Hablik 1928, 34)<br />
An die Stelle <strong>des</strong> Handwerks trat jetzt auch für Hablik die <strong>in</strong>dustrielle Produktion. In der<br />
Entwicklung <strong>des</strong> Kunstgewerbes nach dem Vorbild der "Laboratoriumswerkstätten" <strong>des</strong><br />
Bauhauses (Gropius: Gr<strong>und</strong>sätze 1926, 120) sah er jene zukunftsweisende Kraft, die dem<br />
Handwerk noch verblieb:<br />
"... weil das Kunsthandwerk für die nächste Zeit schon nur noch Modellarbeit se<strong>in</strong><br />
wird, (ja, den besten Weg zeigt auch das Bauhaus) dem wandelbaren Zeitempf<strong>in</strong>den,<br />
schnellem, technischem Fortschritt <strong>und</strong> den jeweiligen Material-Neuheiten<br />
<strong>und</strong> Verbilligungen angepaßt. Man arbeitet nicht mehr 'für die Ewigkeit'. Überholtes<br />
wirft man weg. Darum sollen Gebrauchsgegenstände leicht erschw<strong>in</strong>glich<br />
<strong>und</strong> nichts 'Selbständiges' se<strong>in</strong>." (Hablik 1928, 34)<br />
Den "modernen" <strong>und</strong> damit den gegenwärtig lebenden Menschen, Synonym für die Kor-<br />
rektur aller bisherigen Zukunftsvisionen, vere<strong>in</strong>nahmte noch e<strong>in</strong>mal Walter Gropius <strong>in</strong><br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r E<strong>in</strong>schätzung der funktional<strong>ist</strong>ischen Bestrebungen <strong>des</strong> Bauhauses: "Die Standar-<br />
disierung der praktischen Lebensvorgänge", so schrieb er 1930 über die vier Jahre zuvor<br />
errichteten Dessauer "Bauhausbauten", "... befreit das Leben von unnötigem Ballast, um<br />
es <strong>des</strong>to ungehemmter <strong>und</strong> reicher sich entfalten zu lassen" (101).<br />
Hablik erhielt die Möglichkeit zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Innene<strong>in</strong>richtung mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m preisgünstigen norm-<br />
ähnlichen E<strong>in</strong>bausystem nur noch <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m eigenen Haus. 1928/29 ließ er im Atelier im<br />
Obergeschoß <strong>des</strong> Hauses <strong>in</strong> der Talstraße <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Decke aus hellbraunen Sperrholzplatten<br />
e<strong>in</strong>ziehen. Zu beiden Seiten
- 286 -<br />
der Fensterfront wurden raumhohe, vierachsige Schrankwände <strong>in</strong>stalliert (Abb. 789), die<br />
dem System für den "Nordischen Kurier" entsprachen. Im Vitr<strong>in</strong>enteil wurde die Natura-<br />
liensammlung <strong>des</strong> Künstlers aufgestellt. Nach dem Konzept <strong>des</strong> Schlafraum-Entwurfs<br />
von 1924 (Abb. 529) wurden die E<strong>in</strong>bauten durch zwei rechtw<strong>in</strong>klige Zeilen von halb-<br />
hohen Schränken ergänzt, die <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Pfeilervitr<strong>in</strong>e enden (Abb. 790). Das schlichte Rah-<br />
mensystem <strong>und</strong> die großzügigen Flächen, die raumsparende Konstruktion der Schiebe-<br />
türen <strong>und</strong> das preiswerte Sperrholzmaterial erfüllten die Anforderungen an den "neuen<br />
Raum". 657 Wo Holz an Decke <strong>und</strong> Wänden großflächig angebracht wurde, war die Bunt-<br />
farbigkeit endgültig gebrochen. Im Frühjahr 1933 ließ Hablik auch die Vorderfront <strong>des</strong><br />
Hauses nach eigenen Entwürfen umbauen. Die gründerzeitliche Fassade mit R<strong>und</strong>bo-<br />
genfenstern, Pilastern, gesprengtem Giebel, Balustraden <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Walmdach (Abb.<br />
791) wurde durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> rechteckige, weiß geflieste Front mit horizontalem Fensterband<br />
<strong>und</strong> Flachdach nach den Formen <strong>des</strong> Internationalen Stils ersetzt (Abb. 792).<br />
II. Neue Möbeltypen. Ensembles der dreißiger Jahre<br />
Aus der Arbeit an materialsparenden, auf e<strong>in</strong>fache Gr<strong>und</strong>formen reduzierten E<strong>in</strong>richtun-<br />
gen ergaben sich für Habliks Produktion zwei neue Möbeltypen. Die Sitzgruppe für den<br />
"Nordischen Kurier" bildete den Ausgangspunkt für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Serie von Couchen mit quader-<br />
förmiger Polsterung (Abb. 793). Die Seitenplatte wurde durch Holzrahmen ersetzt, der<br />
fest gepolsterte Unterbau auf Kufen gestellt, um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> bessere Beweglichkeit <strong>des</strong> Möbels<br />
zu erzielen (Abb. 794). Funktionaler war die Variante mit beweglichen, <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Rahmen-<br />
schale e<strong>in</strong>gelegten Kissen (Abb. 795). Exemplare dieser Art, die auch ohne Seiten- <strong>und</strong><br />
Rückenlehnen bekannt <strong>ist</strong> (Abb. 796), können leichter transportiert, die Polster problem-<br />
los gere<strong>in</strong>igt werden. E<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum an Holzteilen garantiert die schnelle Handhabung.<br />
Die Bezüge aus der Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann wechselten von buntfarbigen Strei-<br />
fen- <strong>und</strong> Karo<strong>des</strong>s<strong>in</strong>s <strong>in</strong> den Jahren 1927/28 zu Komb<strong>in</strong>ationen <strong>in</strong> Braun-Grau-Schwarz<br />
<strong>und</strong> "handgesponnener naturfarbener Wolle" (Abb. 798) seit dem Anfang der dreißiger<br />
Jahre.
- 287 -<br />
Die zweite Neuentwicklung war der "Kufensessel" (Abb. 799-803), konstruiert aus zwei<br />
seitlichen, durch Armlehnen, B<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>und</strong> Kufen gebildeten Holzrahmen, Querholmen vorn<br />
<strong>und</strong> h<strong>in</strong>ten mit e<strong>in</strong>gespannter Sperrholzplatte. Hier lag das Sitzkissen auf; das Rücken-<br />
polster wurde durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bügel <strong>in</strong> Verlängerung der Armlehnen gehalten. Die verbes-<br />
serte Beweglichkeit <strong>des</strong> Möbels <strong>und</strong> der E<strong>in</strong>zelteile sowie e<strong>in</strong> M<strong>in</strong>imum an Konstruk-<br />
tionselementen waren auch hier die angestrebten Verbesserungen.<br />
Bei<strong>des</strong> waren Möbeltypen, die zugleich zum Repertoire der Bauhausproduktion gehörten.<br />
E<strong>in</strong>e Couch mit beweglichen Polstern <strong>und</strong> Kissen ersche<strong>in</strong>t 1929 <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Wohnraum<br />
von Walter Gropius (Müller-Wulckow 1975, IV/103). Marcel Breuers erster Stahlrohr-<br />
sessel von 1925 aus seitlichen Rahmen mit e<strong>in</strong>gehängtem Sitz (Abb. 804) war dem Ku-<br />
fensessel vorangegangen. Gegenüber den gebogenen Metallrahmen bei Breuers Modell<br />
wurde der Rahmen <strong>des</strong> Kufensessels aus verzapften E<strong>in</strong>zelhölzern gebildet. 1929 schuf<br />
Breuer <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Variante <strong>des</strong> Stahlrohrsessels <strong>in</strong> dunkel gebeiztem Holz (ebd., IV/109).<br />
Die Vere<strong>in</strong>fachung von Form <strong>und</strong> Material <strong>und</strong> der Versuch normgerechter Möbeltypen<br />
waren auch das Thema der letzten, seit 1929 entstandenen Mobiliare. Furniere, gegen<br />
deren Verwendung Hablik sich 1915 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Vortrag "Handwerkliches betreffend" als<br />
"Vortäuschung kostbarer D<strong>in</strong>ge" gewandt hatte, 658 erlangten jetzt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> besondere Bedeu-<br />
tung: Sie verbilligten die Konstruktion gegenüber der Bauweise aus ausgesuchten Voll-<br />
hölzern. Reich gemaserte Furniere (vgl. Abb. 805) konnten ebenfalls zu dekorativen<br />
Oberflächen komb<strong>in</strong>iert werden, so daß die "Kunstformen der Natur" (Ernst Haeckel), die<br />
bei der Entwicklung <strong>des</strong> funktionalen Innenraums bereits vergessen schienen, auch auf<br />
kubischen Möbelkörpern <strong>und</strong> genormten Flächen ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n konnten.<br />
Das Mobiliar für Dr. Lammers aus Wilster wurde 1929 nach dem neuen Pr<strong>in</strong>zip ange-<br />
fertigt (Abb. 806-808 a). Wäscheschrank, Wandkonsolen, Büfett <strong>und</strong> Schreibtisch wurden<br />
nicht mehr auf Rahmen <strong>und</strong> Füllung, sondern aus furnierten Platten konstruiert. "Kombi-<br />
nationsnormen", wie Hablik sie 1928 im Mannheimer Katalog gefordert hatte (S. 34),<br />
fanden <strong>e<strong>in</strong>e</strong> erste Verwendung. Der Wäscheschrank bildete mit zwei separaten Flügeln<br />
e<strong>in</strong> symmetrisches Anbausystem. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Außenflächen zeigen reich gema-
- 288 -<br />
serte, zu symmetrischen Mustern angeordnete Furniere. Entsprechend besteht auch das<br />
Büfett aus drei gleichen, nur durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> lose Deckplatte verb<strong>und</strong>enen Schranksockeln mit<br />
ebenfalls zusammengestellten Vitr<strong>in</strong>enaufsätzen. Die Norm betrifft den äußeren Aufbau;<br />
der Innenausbau mit reichhaltigen Fächern <strong>und</strong> Schüben folgt den Forderungen <strong>des</strong><br />
Benutzers.<br />
Die Möbelentwürfe dieser Zeit s<strong>in</strong>d nur noch mit schnellen Strichen <strong>und</strong> Maßangaben,<br />
die Anordnung der Furniere mit knappen Wellenl<strong>in</strong>ien skizziert (Abb. 809-811). Die Ver-<br />
e<strong>in</strong>heitlichung von Konstruktion <strong>und</strong> Material machte detailliertere Angaben unnötig <strong>und</strong><br />
legte alle Möbel auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Standard mittlerer Qualität fest. Furnierte Platten wurden auch<br />
an den Kopf- <strong>und</strong> Fußenden von Betten, bei Tischflächen <strong>und</strong> -gestellen (Abb. 812) zum<br />
gängigen Konstruktionselement <strong>und</strong> verdrängten Bohlen, Rahmen <strong>und</strong> Parkette. Beim<br />
Büfett wurde auch künftig der klassische repräsentative Aufbau durch den auf die r<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Funktion beschränkten zurückgesetzten Vitr<strong>in</strong>enkasten ersetzt (Abb. 810). Ähnliche,<br />
"verschieden komb<strong>in</strong>ierbare Aufsätze", die den "Verzicht auf schwerfällige 'komplette<br />
Zimmere<strong>in</strong>richtungen'" erleichtern sollten (Müller-Wulckow 1975, IV/37), zeigte das<br />
1925 begonnene Möbelprogramm von Adolf Schneck, Professor an der Kunstakademie <strong>in</strong><br />
Stuttgart <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der Architekten der Weißenhofsiedlung (ebd.).<br />
Sperrholz, die extreme Form der furnierten Platte <strong>und</strong> als neues Material aus den Atelier-<br />
E<strong>in</strong>bauten bekannt, wurde bei den Möbeln nur versuchsweise verwendet. Von den Mö-<br />
belstücken, die Hablik <strong>in</strong> dieser Zeit für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n eigenen Haushalt anfertigen ließ: zwei<br />
Aussteuer-Truhen für die Töchter, Bett, Schreibtisch <strong>und</strong> Sekretär, wurden nur die<br />
Truhen (Abb. 813-813 a) vollständig aus Sperrholz konstruiert. Beim Bett (Abb. 814)<br />
besteht der Rahmen aus Sperrholz, jedoch das seitlich geschlossene Kopfende aus stär-<br />
keren Platten mit Rüsterfurnier. Die Nachteile <strong>des</strong> Sperrholzes zeigten sich schon nach<br />
kurzer Zeit: Das Material <strong>ist</strong> <strong>in</strong>stabil, so daß die Schiebetüren der Atelierschränke klem-<br />
men; Deckel <strong>und</strong> Böden der Truhen hängen durch. Das äußere Furnier <strong>des</strong> Sperrholzes<br />
platzt irreparabel ab (Ab.. 814). Von größerer Qualität <strong>ist</strong> daher der ganz aus furnierten<br />
Platten konstruierte Sekretär (Abb. 815). Auch hier beleben dekorative Rüsterfurniere,<br />
auf der Schreibplatte konzentrisch ange-
- 289 -<br />
ordnet, die rechteckig geschlossene Form. Der Vitr<strong>in</strong>enteil <strong>ist</strong> separat gebaut, um den<br />
Transport <strong>des</strong> Möbels zu erleichtern. Die offene Darstellung handwerklicher Konstruk-<br />
tion war auch unter den neuen Bed<strong>in</strong>gungen möglich: E<strong>in</strong> Schreibtisch (Abb. 816),<br />
sparsamer als alle zuvor entworfenen Exemplare ausgestattet, zeigt an allen Verb<strong>in</strong>dungs-<br />
punkten der Konstruktion sichtbare Verschraubungen <strong>und</strong> Zapfen.<br />
Als die Familie Carl Ste<strong>in</strong> 1932 das Aussteuer-Mobiliar für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ihrer beiden Töchter bei<br />
Hablik <strong>in</strong> Auftrag gab, wurde deutlich, daß die neuen Forderungen nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m schnellen<br />
Verbrauch <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m M<strong>in</strong>imum an dekorativer Ausstattung nicht mit den Vorstellungen<br />
der Auftraggeber übere<strong>in</strong>stimmen mußten. Man erwartete offenbar <strong>e<strong>in</strong>e</strong> E<strong>in</strong>richtung <strong>in</strong><br />
der vom Künstler gewohnten aufwendigen Qualität. Nur so sche<strong>in</strong>t es logisch, daß er<br />
Konstruktions- <strong>und</strong> Dekorationsformen aus s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n früheren Mobiliaren e<strong>in</strong> letztes Mal<br />
wieder aufleben ließ.<br />
Der Künstler legte s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Auftraggebern Entwürfe für Salonmöbel, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schlafzimmer-<br />
<strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Eßzimmere<strong>in</strong>richtung vor, die sorgfältig mit Farbstiften ausgeführt waren <strong>und</strong><br />
die auch <strong>in</strong> ihrem Besitz verblieben (Abb. 817-823). Die Möbelformen <strong>des</strong> Eßzimmers<br />
<strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Schreibtisches, der e<strong>in</strong>zigen heute noch bekannten Teile der E<strong>in</strong>richtung,<br />
entsprechen zwar mit ihren kubischen, auf Kufen gestellten <strong>und</strong> dekorativ furnierten<br />
Schrankkörpern den neu entwickelten Typen. So folgte das Büfett (Abb. 824-824 a) dem<br />
Pr<strong>in</strong>zip <strong>des</strong> Anbausystems aus zwei symmetrischen Flügeln mit mobilem Vitr<strong>in</strong>en-<br />
element. Zusätzlich wurden aber Motive aus den vor <strong>und</strong> nach dem Ersten Weltkrieg<br />
entstandenen Mobiliaren neu belebt, die die naturgegebene Materialvielfalt <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
<strong>in</strong>tensive handwerkliche Verarbeitung darstellen sollten. Wie zuvor bilden Schubladen-<br />
fronten <strong>und</strong> Griffknöpfe aus Ebenholz Kontraste zu den sonst hellen Holzflächen. E<strong>in</strong>e<br />
Steigerung der Kontraste aus verschiedenfarbigem Material bietet e<strong>in</strong> schachbrett-<br />
ähnliches Muster aus länglichen, rechteckig furnierten Flächen, das die Stütze <strong>des</strong><br />
Schreibtischs (Abb. 829) sowie die Seiten der Stühle (Abb. 827-828) <strong>und</strong> die B<strong>e<strong>in</strong>e</strong> <strong>des</strong><br />
Eßtisches (Abb. 826) überzieht. Die Stühle zeigen zusätzlich teils schwarze, teils helle<br />
Be<strong>in</strong>flächen. Symmetrische, aber auch asymmetrische Furniere, die den Mustern der<br />
früheren Parkettfüllungen folgen (Abb. 825), s<strong>in</strong>d ebenso wie die neuerlich ver-
- 290 -<br />
wendeten deutlich sichtbaren, dekorativ angeordneten Verschraubungen (Abb. 828) Moti-<br />
ve überlegter handwerklicher Verarbeitung. In der konstruktiven Gestaltung fallen die<br />
reichhaltigen Fächer <strong>und</strong> Schübe an allen Seiten <strong>des</strong> Schreibtisches (Abb. 829) als be-<br />
kanntes Motiv der Hablik-Möbel auf.<br />
E<strong>in</strong> letztes Mal hatte sich gezeigt, daß das vom Künstler vertretene Reformprogramm nur<br />
dann zu verwirklichen war, wenn es mit den Erwartungen der Auftraggeber nach dauer-<br />
hafter Qualität <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r repräsentativen Ersche<strong>in</strong>ung der Innene<strong>in</strong>richtungen zu vere<strong>in</strong>-<br />
baren war.
- 292 -<br />
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK INS "DRITTE REICH"<br />
Zwei gr<strong>und</strong>legende utopische Gedankenstränge durchziehen seit den frühen Kr<strong>ist</strong>all-<br />
phantasien Wenzel Habliks Werk: das Konzept <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s menschlichen Dase<strong>in</strong>s im Vere<strong>in</strong><br />
mit der Naturschöpfung <strong>und</strong> die Errichtung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r geme<strong>in</strong>schaftlich organisierten, die<br />
gesamte Weltbevölkerung umfassenden Gesellschaft. Symbolischer Ausdruck beider<br />
Zielvorstellungen <strong>ist</strong> die (vornehmlich kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e) Architektur: Der Kr<strong>ist</strong>all verkörpert die<br />
schöpferischen Naturkräfte, die architektonische Form die Gestaltung <strong>des</strong> menschlichen<br />
Dase<strong>in</strong>s. Durch die geme<strong>in</strong>schaftliche Errichtung der neuen Architektur <strong>und</strong> die dazu<br />
notwendige Aneignung <strong>und</strong> Überw<strong>in</strong>dung der Naturkräfte soll die solidarische, auf das<br />
geme<strong>in</strong>same Ziel h<strong>in</strong>arbeitende <strong>und</strong> durch die religiöse Verehrung der Natur gee<strong>in</strong>te<br />
Gesellschaft entstehen.<br />
Motive <strong>des</strong> geplanten, eng mit den Naturkräften verflochtenen menschlichen Dase<strong>in</strong>s s<strong>in</strong>d<br />
neben den frühen kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Bergbauten die mit kostbaren Materialien ausgestatteten<br />
<strong>und</strong> sich durch e<strong>in</strong> phantastisches Universum bewegenden 'Fliegenden Siedlungen', die<br />
Entwürfe realer Architekturen als Bauprojekte im Gebirge, "Schautempel" der Natur <strong>und</strong><br />
Denkmäler <strong>in</strong> heroischer Landschaft. Entsprechend zeigt sich das "geme<strong>in</strong>same Streben"<br />
der künftigen Gesellschaft zugunsten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s "Weltwerkes" <strong>in</strong> den gläsernen <strong>und</strong> gebaut-<br />
kubischen Elementen der Kr<strong>ist</strong>allbauten, der geplanten Züchtung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r menschlichen<br />
Superrasse durch die zum Mars reisenden Kolonisatoren, <strong>in</strong> dem geme<strong>in</strong>schafts-<br />
geb<strong>und</strong>enen Charakter der Realbauten als Siedlungsprojekte, Regierungspaläste <strong>und</strong> Stät-<br />
ten kultureller Volksbildung. Die verschiedenen gesellschaftlichen <strong>und</strong> architektonischen<br />
Reform- <strong>und</strong> Erweckungsbewegungen seit der Jahrh<strong>und</strong>ertwende: die Siedlungs-, Garten-<br />
stadt- <strong>und</strong> Lebensreformbewegung, die Künstlerkolonien, die Monumentalentwürfe der<br />
Wagnerschule, das erste kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e "Glashaus" von Bruno Taut <strong>und</strong> die Programme der<br />
Aktiv<strong>ist</strong>en bee<strong>in</strong>flußten Habliks utopisches Konzept, ohne daß sich der Künstler auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
dieser Richtungen festlegte.<br />
Bereits <strong>in</strong> der Mappe "Schaffende Kräfte" hatte sich Hablik als Künstler mit messiani-<br />
schem Sendungsbewußtse<strong>in</strong> dargestellt. In der Nachfolge von Mimesis-Theorien der Re-<br />
naissance <strong>und</strong> der Romantik sah er sich als
- 292 -<br />
Schöpfer <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Welt. Motivische Verwandtschaften <strong>des</strong> Radierungszyklus <strong>und</strong> der<br />
dar<strong>in</strong> enthaltenen autobiographischen Züge mit Friedrich Nietzsches "Also sprach Zara-<br />
thustra" sollten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m gebildeten Publikum die Identifikation <strong>des</strong> Künstlers mit dem<br />
Weltweisen <strong>und</strong> Religionsstifter vermitteln.<br />
Solchermaßen propagand<strong>ist</strong>isch vorbereitet, versuchte Hablik, se<strong>in</strong> Architektur- <strong>und</strong><br />
Gesellschaftskonzept durch Graphiken, Ölbilder <strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>allsammlungen <strong>in</strong> der bürger-<br />
lichen Schicht s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s privaten Umkreises zu verbreiten. War ebenso das Kulturprogramm<br />
der utopischen Geme<strong>in</strong>schaftsbauten e<strong>in</strong>deutig von bürgerlichem Zuschnitt, so bezog sich<br />
fortan das Konzept <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künftigen Gesellschaft auf e<strong>in</strong> ausschließlich bürgerlichen<br />
Idealen verpflichtetes gee<strong>in</strong>tes "Welt-Bürgertum". Habliks vor dem Ersten Weltkrieg ent-<br />
worfene Innendekorationen <strong>und</strong> Mobiliare dienten ihm ebenfalls als pädagogische Lehr-<br />
beispiele, um s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bürgerlichen Käuferschicht durch kostbare <strong>und</strong> vielfältige Materia-<br />
lien, <strong>in</strong>tensive Materialbearbeitung <strong>und</strong> besondere handwerkliche Le<strong>ist</strong>ungen die Natur-<br />
schöpfung <strong>und</strong> den Kampf <strong>des</strong> Menschen mit der Natur als Gr<strong>und</strong>lagen künftiger Le-<br />
bensgestaltung zu vermitteln. Dabei verwertete er die wichtigsten Reformbestrebungen<br />
der Kunstgewerbebewegung seit William Morris: Materialgerechtigkeit, zweckgemäße<br />
Verarbeitung <strong>und</strong> Konstruktion, qualitätvolle handwerkliche Gestaltung, um die Gr<strong>und</strong>-<br />
züge s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s naturphilosophischen Weltentwurfs zu def<strong>in</strong>ieren. Naturerkenntnis <strong>und</strong> hand-<br />
werkliche Beherrschung der Natur sollten das F<strong>und</strong>ament für das "geme<strong>in</strong>same Streben"<br />
der künftigen Weltgeme<strong>in</strong>schaft bilden. Sichtbarer Ausdruck für die bereits <strong>in</strong> Angriff<br />
genommene Verwirklichung der neuen Welt war die Schaffung <strong>des</strong> "Gesamtkunstwerks"<br />
aus Innendekorationen, Möbeln, Textilien, Kr<strong>ist</strong>allsammlungen <strong>und</strong> bildlichen Darstel-<br />
lungen der utopischen Architektur.<br />
Der Kontakt zum "Arbeitsrat für Kunst" <strong>und</strong> die Mitarbeit <strong>in</strong> der "Gläsernen Kette" er-<br />
öffneten Hablik e<strong>in</strong> Diskussionsforum, das s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n langjährigen Interessen entsprach <strong>und</strong><br />
von dem er sich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Verwirklichung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ideen erhoffte. Er gelangte zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r um-<br />
fassenden literarischen Artikulierung s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s auf der Naturverehrung basierenden Kon-<br />
zepts <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Welt, e<strong>in</strong>zelner technischer Utopien <strong>und</strong> Projekte. Aus der Überar-<br />
beitung der früheren zeichnerischen Entwürfe entwickelte er e<strong>in</strong> breites
- 293 -<br />
Spektrum utopischer Bauaufgaben, <strong>in</strong> <strong>des</strong>sen Mittelpunkt wiederum die auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> bürger-<br />
liche Gesellschaft abgestimmten Geme<strong>in</strong>schaftsbauten standen. Der Antriebsmotor der<br />
künftigen Gesellschaft war das Massenerlebnis: Aus den Entwürfen für "Dome" entstand<br />
das utopische Szenario <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "bauenden", durch die kultische Verehrung der Natur gee<strong>in</strong>-<br />
ten Massengesellschaft, aus der "Unwürdige" ausgestoßen werden sollten. Zeitgenössi-<br />
sche Massenutopien: der "Arbeitsdienst" <strong>und</strong> Walt Whitmans ideal<strong>ist</strong>isches Menschen-<br />
bild, dienten Hablik wiederum zur Def<strong>in</strong>ition s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s eigenen Konzepts. E<strong>in</strong>e direkte Folge<br />
der e<strong>in</strong>heitlichen, bereits mit totalitärem Anspruch geplanten Gesellschaft waren s<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
"Volkshaus"-Pläne, die ebenfalls <strong>in</strong> anderen zeitgenössischen, sozial<strong>ist</strong>ischen oder der<br />
Lebensreform nahestehenden Bestrebungen wurzelten.<br />
In der Innendekoration setzte Hablik nach dem Krieg s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> pädagogischen Bemühungen<br />
um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Verbreitung von Naturerkenntnis <strong>und</strong> Naturverehrung fort, <strong>in</strong>dem er Material-<br />
vielfalt, Materialbearbeitung <strong>und</strong> Funktionalität bei Mobiliaren <strong>und</strong> E<strong>in</strong>zelmöbeln noch<br />
deutlicher artikulierte <strong>und</strong> die daraus entwickelten charakter<strong>ist</strong>ischen Stilmerkmale auch<br />
auf Metallarbeiten, Schmuck <strong>und</strong> Tafelbesteck anwendete. Durch Tapeten- <strong>und</strong> Stoff-<br />
<strong>des</strong>s<strong>in</strong>s, Lampen sowie Metallobjekte mit kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en <strong>und</strong> kosmischen Motiven <strong>und</strong><br />
Formen erweiterte er die Darstellung utopischer Themen im Innenraum <strong>und</strong> gelangte <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>zelnen Fällen zu umfassenden gesamtkünstlerischen Lösungen.<br />
Seit dem Anfang der zwanziger Jahre übertrug er der "Farbe", die <strong>in</strong> den utopischen Ent-<br />
würfen als religiös-emotionales Stimulanz der Massenbewegung fungierte, die Aufgabe,<br />
den "Übergang" zur utopischen Architektur vorzubereiten. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> tatsächlich ausgeführ-<br />
ten, durch bunte Streifen, Zacken <strong>und</strong> Mäander gegliederten Innenräume, <strong>in</strong> denen er das<br />
Raumkonzept <strong>des</strong> Stijls <strong>und</strong> expression<strong>ist</strong>ische Vorgaben verarbeitete, gehören zu den<br />
bedeutendsten farbigen Innendekorationen der Zeit.<br />
Ab 1925 gewannen die funktional<strong>ist</strong>ischen Bestrebungen <strong>des</strong> Bauhauses <strong>in</strong> Habliks In-<br />
nenraum- <strong>und</strong> Möbelentwürfen zunehmend an Bedeutung <strong>und</strong> verdrängten schließlich die<br />
Natursymbolik <strong>und</strong> alle kosmisch-kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Motive. Der Künstler erkannte, daß die<br />
Zukunft der gewerblichen Gestaltung <strong>in</strong> der Industrieproduktion läge <strong>und</strong> daß die Reform<br />
der menschlichen Le-
- 294 -<br />
bensumwelt nicht <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r weiteren symbolischen <strong>und</strong> materiellen Überfrachtung, sondern<br />
alle<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Vere<strong>in</strong>fachung von Form, Funktion <strong>und</strong> Material zu suchen sei.<br />
Habliks künstlerische <strong>und</strong> philosophische Gr<strong>und</strong>lagen stammten im wesentlichen aus dem<br />
neunzehnten Jahrh<strong>und</strong>ert. Se<strong>in</strong> Naturverständnis <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Menschenbild orientierten sich<br />
erklärtermaßen an Schopenhauer <strong>und</strong> Nietzsche, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bildmotive g<strong>in</strong>gen durchweg auf<br />
romantische <strong>und</strong> symbol<strong>ist</strong>ische Themen zurück, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Architekturentwürfe hatten nicht<br />
selten h<strong>ist</strong>orisierenden Charakter. Auch <strong>in</strong> der Innenraumgestaltung blieben bis <strong>in</strong> die<br />
zwanziger Jahre dieses Jahrh<strong>und</strong>erts gründerzeitliche Möbelformen <strong>und</strong> das Bild <strong>des</strong><br />
herrschaftlichen Salons für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Entwürfe bestimmend. Habliks Utopie war im Bildpro-<br />
gramm <strong>und</strong> im gesellschaftlichen Entwurf auf die Lebensgestaltung der Gründerzeit <strong>und</strong><br />
der Jahrh<strong>und</strong>ertwende ausgerichtet <strong>und</strong> damit im eigentlichen S<strong>in</strong>ne rückwärts gewandt.<br />
Hier<strong>in</strong> liegen die Wirkungslosigkeit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Konzepts wie auch der übrigen utopischen<br />
Entwürfe aus dem Kreis der "Gläsernen Kette" begründet.<br />
Die eigentliche reformerische <strong>und</strong> zukunftsweisende Bedeutung kam den abstrakten<br />
Tendenzen <strong>in</strong> der Malerei sowie dem Funktionalismus <strong>in</strong> Architektur <strong>und</strong> Kunstgewerbe<br />
zu. In Deutschland wurde die Zukunft aller funktional<strong>ist</strong>ischen Bestrebungen jedoch<br />
gewaltsam beendet. Am 11. April 1933 wurde das Bauhaus, <strong>in</strong>zwischen <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> unter-<br />
gebracht, von den Nationalsozial<strong>ist</strong>en geschlossen. Zwei<strong>und</strong>dreißig Studierende wurden<br />
verhaftet. Zwölf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Mitglieder starben <strong>in</strong> Konzentrationslagern. Zahllose Anhänger<br />
der Lebensreform <strong>und</strong> der Jugendbewegung sahen <strong>in</strong> den Programmen <strong>und</strong> Massenbewe-<br />
gungen <strong>des</strong> Nationalsozialismus ihre eigenen Ideale verwirklicht. Allen voran "Fidus, der<br />
unbewußt se<strong>in</strong> ganzes Leben lang auf die 'St<strong>und</strong>e der Volkwerdung Deutschlands' h<strong>in</strong>-<br />
gearbeitet hat, (stand) bereit, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Teil zum Aufbau <strong>des</strong> ersehnten Reiches beizutragen"<br />
(Frecot u.a. 1972, 200). Er erwartete, "<strong>in</strong> dieser Volksgeme<strong>in</strong>schaft <strong>und</strong> durch ihre Führer<br />
zum Großschaffen berufen zu werden" (ebd., 199). Aus der Jugendbewegung, so Helga<br />
Greb<strong>in</strong>g ( 15 1964, 33 ff.), "bezog das antidemokratische Denken ... s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> erlebnismäßigen<br />
Antriebe": "Unreifes Suchen nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r idealen Gesellschaft, verb<strong>und</strong>en mit Rückgriffen<br />
auf das ständische Mittelalter, mit Versuchen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n antimarx<strong>ist</strong>ischen Sozialismus zu<br />
schaffen ..." kennzeichnete sie.
- 295 -<br />
Auch Wenzel Hablik, der sich noch bis <strong>in</strong> die dreißiger Jahre mit der Versendung der<br />
zweiten Radierungsmappe "Zyklus Architektur" für se<strong>in</strong> Konzept <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen, als Mas-<br />
senbewegung organisierten Gesellschaft e<strong>in</strong>setzte, sah se<strong>in</strong> utopisches Konzept durch die<br />
Machtergreifung der Nationalsozial<strong>ist</strong>en bestätigt. Nietzsches "Übermensch", Zucht-<br />
kolonien für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Superrasse, das auf Darw<strong>in</strong> basierende biologische "Recht <strong>des</strong> Stärke-<br />
ren", Massenbewegungen, der "neue Staat" <strong>und</strong> das "klassenlose Volk" (vgl. ebd., 31)<br />
schienen sich mit dem Beg<strong>in</strong>n <strong>des</strong> "Dritten Reiches" zu verwirklichen. Hablik ließ der<br />
"Aufbau <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuen Reiches", wie er auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Osterkarte 1933 an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Familie schrieb,<br />
auf "neue Möglichkeiten" <strong>und</strong> "auch für mich endlich mal <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Art 'Gerechtigkeit' ...<br />
wenigstens, was m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arbeiten anbelangt", hoffen:<br />
"Die Aufgaben <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s neuen Reiches müssen gewaltige se<strong>in</strong>, <strong>und</strong> solche Leute wie<br />
ich wären doch sicher brauchbar für vieles."<br />
Die bevorstehende E<strong>in</strong>führung <strong>des</strong> "Reichsarbeitsdienstes" schien ihm unbesehen als<br />
Verwirklichung der eigenen Ideen von Massenbewegungen <strong>und</strong> Bau-Armeen. Im Juni<br />
1933 schrieb er an den Autor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> erschienenen Aufsatzes zum "Arbeitsdienst":<br />
"E<strong>in</strong> Passus hat mich besonders <strong>in</strong>teressiert: 'Daß die deutsche Jugend bei der<br />
Anlage <strong>und</strong> dem Bau <strong>des</strong> REM im Wege <strong>des</strong> Arbeitsdienstes mithelfen soll!'<br />
Ich erwähnte schon bei Ihrem Besuch, daß dies me<strong>in</strong> hauptsächlichster Wunsch <strong>ist</strong>,<br />
<strong>und</strong> alle m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ideen auf dieser Basis sich bewegen.<br />
Was ich schon seit etwa 1918 immer wieder predige, <strong>ist</strong> dies: schafft der Jugend<br />
Betätigungsgebiete <strong>und</strong> zwar solche, die ihren Idealen entsprechen ...<br />
Das Kapitel 'Jugendaufgaben', das ich ausgearbeitet habe <strong>und</strong> das bis zum Dombau<br />
reicht, schließt nur solche Aufgaben e<strong>in</strong> <strong>und</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Überzeugung nach dürfte ke<strong>in</strong><br />
Arbeitsheer geeigneter se<strong>in</strong> für gerade solche Aufgaben - wie e<strong>in</strong> Jugend-Arbeitsheer."<br />
659<br />
Von weiterer politischer Betätigung hielt sich Hablik bis zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tod am 23. März<br />
1934 fern.
- 296 -
- 297 -<br />
ANMERKUNGEN<br />
1 Dr. E.D.: Wenzel-Hablik-Ehrung. Gedächtnisausstellung im Grassimuseum, <strong>in</strong>: Leipziger<br />
Neueste Nachrichten v. 29.8.1934<br />
2 od.: Gedächtnis-Ausstellung Wenzel Hablik, <strong>in</strong>: Neue Leipziger Zeitung, Nr. 248, 6.9.<br />
1934; ähnlich zuvor im Hamburger Fremdenblatt v. 26.3.1934 <strong>und</strong> <strong>in</strong> den Hamburger<br />
Nachrichten v. 27.3.1934. - "Wer war Wenzel Hablik? Dem Durchschnittskunstfre<strong>und</strong> <strong>ist</strong><br />
er vielleicht weniger bekannt, wohl aber dem Kunstgewerbler ..." (Gedächtnisausstellung<br />
Wenzel Hablik, <strong>in</strong>: Chemnitzer Tagesblatt v. 4.6.1935).<br />
3 Gedächtnisausstellung Wenzel Hablik, <strong>in</strong>: Leipziger Tageszeitung v. 29.8.1934<br />
4 Dr. He. (Theodor Heuss): Wenzel Hablik, Gedächtnisausstellung <strong>in</strong> der Kunsthütte, <strong>in</strong>:<br />
Chemnitzer Neueste Nachrichten, Nr. 161, 7.6.1935<br />
5 Wenzel-Hablik-Gedächtnis-Ausstellung <strong>in</strong> Chemnitz, <strong>in</strong>: Leipziger Neueste Nachrichten<br />
v. 22.6.1935<br />
6 Theodor Heuss 1935 (vgl. Anm. 4)<br />
7 R.L.: Wenzel-Hablik-Gedächtnisausstellung <strong>in</strong> Leipzig, <strong>in</strong>: Dresdner Nachrichten v.<br />
31.8.1939<br />
8 "... diese Ausstellung, die s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> ... Gatt<strong>in</strong>, selbst verdiente Kunstgewerbler<strong>in</strong>, betreut hat<br />
..." (tz: Wenzel Hablik zum Gedächtnis, <strong>in</strong>: Chemnitzer Tagesblatt, Nr. 152, 3.6.1935).<br />
"... <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gedächtnisausstellung ..., die von der Witwe <strong>des</strong> Künstlers, Elisabeth Hablik-<br />
L<strong>in</strong>demann, betreut wird ..." (vgl. Anm. 5)<br />
9 Nach dem Tod von Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demann im August 1960 betreuten die Töchter<br />
<strong>des</strong> Ehepaars den Nachlaß. Sibylle Hablik, verh. Sharma-Hablik, leitete die Archivierung<br />
der Handzeichnungen, der Tagebücher <strong>und</strong> der Korrespondenz e<strong>in</strong>. Susanne Kl<strong>in</strong>geberg,<br />
geb. Hablik, betreute den Nachlaß bis <strong>in</strong> die jüngste Zeit. Er <strong>ist</strong> 1985 <strong>in</strong> die Wenzel-<br />
Hablik-Stiftung mit gleichbleibendem Sitz <strong>in</strong> Itzehoe, Talstraße 14, übergegangen.<br />
10 Für den Berichtszeitraum der folgenden Jahre erschien bereits e<strong>in</strong> ausführlicher Aufsatz<br />
<strong>des</strong> Verf. unter dem Titel "Wenzel Hablik. Werkübersicht, Veröffentlichungen, Forschungen"<br />
<strong>in</strong> dem Kunstjahrbuch Nordelb<strong>in</strong>gen, Bd. 51, Heide 1982. Er enthält fast alle Veröffentlichungen,<br />
die sich mit Wenzel Hablik befaßt haben. <strong>Dieser</strong> Aufsatz wird im folgenden<br />
gekürzt zitiert.<br />
11 Die Ausstellung wurde von der Hamburger Lichtwark-Stiftung veranstaltet. Dazu erschien<br />
e<strong>in</strong> schmaler Katalog mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r von Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demann verfaßten Biographie<br />
<strong>des</strong> Künstlers, die sich auf die gezeigten Gemälde <strong>und</strong> den Zeitraum bis 1913<br />
bezog. Habliks <strong>in</strong> Auszügen abgedruckter Aufsatz "Dom" von 1923 <strong>und</strong> die Abbildung<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s "freitragenden selbstspannenden Kuppelbaus" von 1920 mußten hier unverständlich<br />
bleiben (Ausst.-Kat. Wenzel Hablik 1947).
- 298 -<br />
12 Ausst.-Kat. Zeitgenössische Kunst 1973; Ausst.-Kat. Kunsthandwerk 1974; Ausst.-Kat.<br />
Kunst 1978. - Joachim Kruse <strong>ist</strong> <strong>in</strong> diesen Katalogen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> kurze, aber treffende Charakterisierung<br />
Wenzel Habliks zu verdanken, die sich am Gesamtwerk orientiert. Ernst<br />
Schlee vermehrte sie um Erläuterungen zu <strong>des</strong>sen Mitarbeit <strong>in</strong> der Handweberei <strong>und</strong> um<br />
Beschreibungen der ausgestellten Bildgobel<strong>in</strong>s.<br />
13 Der Künstlerb<strong>und</strong> Ste<strong>in</strong>burg hatte nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ersten Präsentation der utopischen Graphiken<br />
<strong>und</strong> Handzeichnungen 1969 im Jahre 1977 weitere Arbeiten von Hablik zusammen<br />
mit Werken von vier Ste<strong>in</strong>burger Künstlern gezeigt, um an <strong>e<strong>in</strong>e</strong> fünfzig Jahre zuvor<br />
stattgef<strong>und</strong>ene Ausstellung ihrer Kunstwerke zu er<strong>in</strong>nern (Ausst.-Kat. Vor fünfzig Jahren<br />
1977). Wolfgang Reschke, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r der Initiatoren, machte es sich schon <strong>in</strong> diesem Katalog<br />
zum Ziel, den Künstler vor allem durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Selbstzeugnisse sprechen zu lassen. In<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Aufsatz im "Ste<strong>in</strong>burger Jahrbuch" zeichnete er 1980 e<strong>in</strong>zelne s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Lebensstationen,<br />
Werkgruppen <strong>und</strong> Gedankenstränge nach.<br />
14 Hier sei nochmals auf die ausführliche Darstellung der erschienenen Literatur <strong>in</strong> dem<br />
Aufsatz <strong>des</strong> Verf. von 1982 h<strong>in</strong>gewiesen (vgl. Anm. 10).<br />
15 Das mitunter hilflose Unterfangen, kunsth<strong>ist</strong>orische Analysen auf isolierte Bildbeispiele<br />
zu gründen, belegt schon das Buch von Borsi <strong>und</strong> König (1960). Borsi schreibt (<strong>in</strong> der dt.<br />
Zusammenfassung, S. XXIII): "Die Natur wird nicht ... durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n rationalisierenden<br />
Schaffensprozeß, durch den E<strong>in</strong>griff <strong>des</strong> Menschen als Rohstoff bearbeitet, sie <strong>ist</strong> Fe<strong>in</strong>d,<br />
<strong>des</strong>sen Macht schließlich durch den technischen Fortschritt <strong>und</strong> die Fraternität unter den<br />
Menschen bezwungen wird." In Habliks schriftlichem Nachlaß s<strong>in</strong>d jedoch die Äußerungen,<br />
die die Natur als vollkommene Lehrme<strong>ist</strong>er<strong>in</strong> verherrlichen, der es nachzueifern gilt,<br />
Legion. Utopische Entwürfe bearbeiteter Natur, die ihren Materialreichtum feiern <strong>und</strong> die<br />
Ebenbürtigkeit <strong>des</strong> zukünftigen Menschen mit der Gottnatur verkörpern, ex<strong>ist</strong>ieren aus<br />
der gesamten Zeit von 1903 bis 1925. In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m unpublizierten Brief an die "Gläserne<br />
Kette" ("Der 9. Tag", SHI) schildert Hablik e<strong>in</strong> utopisches Paradies, <strong>in</strong> dem natürliche<br />
<strong>und</strong> künstliche Vegetation <strong>in</strong> vollendeter Symbiose nebene<strong>in</strong>ander bestehen. - George R.<br />
Coll<strong>in</strong>s konfrontierte 1968 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Kommentar zur Ausstellung "Visionary Architects"<br />
<strong>des</strong> New Yorker Metropolitan Museums Habliks Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "Entdecker-Siedelung"<br />
(1925) <strong>in</strong> Gestalt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r "schwebenden Metallkugel" (Abb. 604) mit dem Projekt für e<strong>in</strong><br />
Kugelhaus von Laurent Vaudoyer (1784) (e<strong>in</strong> Vergleich, den bereits Conrads <strong>und</strong> Sperlich<br />
1960 gebracht hatten <strong>und</strong> der bereits dort nicht ganz stimmig war; vgl. Feuß 1982,<br />
136) <strong>und</strong> erweiterte diesen Vergleich um e<strong>in</strong> kugelförmiges schwimmen<strong>des</strong> Denkmal von<br />
Jean-Nicolas Sobre (1802). Er beschrieb diesen Vorgang als "comparison of two similar<br />
projects", während wir aufgr<strong>und</strong> unterschiedlicher ge<strong>ist</strong>iger H<strong>in</strong>tergründe <strong>und</strong> Ziele aller<br />
drei Projekte nur äußerlich gleiche Objekte, nämlich Kugeln, zu entdecken vermögen.<br />
Coll<strong>in</strong>s Annahme, Habliks Blatt habe zu den Arbeiten gehört, "that the German architects<br />
circulated among themselves dur<strong>in</strong>g the early 1920s" (1968, 314), <strong>ist</strong> durch das späte<br />
Entstehungsdatum widerlegt. - Ähnlich verlegte Udo Kultermann (Die Architektur im 20.<br />
Jahrh<strong>und</strong>ert, Köln 1977) Habliks Radierung "Fliegende Siedelung" (Abb. 603) ebenfalls<br />
aus dem 1925 entstandenen "Zyklus Architektur" nach 1920 <strong>und</strong> illustrierte damit die<br />
Vorgänge dieses Jahres. Der zugr<strong>und</strong>eliegende Ble<strong>ist</strong>iftentwurf stammt <strong>in</strong><strong>des</strong>sen schon<br />
von 1914, das thematische Konzept aus dem Jahre 1908.
- 299 -<br />
16 Die Architectural Association stellte 1980 die Architekturphantasien <strong>und</strong> utopischen<br />
Gemälde sowie e<strong>in</strong>ige Metallarbeiten <strong>in</strong> ihren Räumen aus. Dennis Sharp schrieb das<br />
Vorwort zum Katalog (Ausst.-Kat. Hablik 1980), A. Tischhauser gab <strong>e<strong>in</strong>e</strong> E<strong>in</strong>führung <strong>in</strong><br />
das Werk, E.A. Santomasso erläuterte die Mappe "Schaffende Kräfte". Die beiden letzten<br />
Beiträge waren Kurzfassungen der jeweiligen Examensarbeiten. Sie erschienen gleichzeitig<br />
<strong>und</strong> <strong>in</strong> erweiterter Form <strong>in</strong> der dritten Nummer der Architectural Association<br />
Quarterly, der Hauszeitschrift der AA.<br />
17 Der Zusammenhang liegt auf der Hand: Oswald Mathias Ungers, der 1963 die ganze<br />
Breite von Habliks Architekturphantasien <strong>in</strong> der Ausstellung "Gläserne Kette" zeigte <strong>und</strong><br />
im Katalog e<strong>in</strong>ige der "utopischen R<strong>und</strong>briefe" publizierte, gilt heute als Protagon<strong>ist</strong> der<br />
Postmodernen Architektur. Glaskuppeln, gefächerte Fensterelemente, prismatisch verschnittene<br />
Vordächer <strong>und</strong> Erker, die die Kr<strong>ist</strong>allarchitektur der zwanziger Jahre zitieren,<br />
s<strong>in</strong>d heute landauf, landab an Passagen, Stadtvillen <strong>und</strong> Bürohäusern als Versatzstücke<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r <strong>in</strong> die Zukunft gerichteten <strong>und</strong> doch mit dem romantischen Fluidum <strong>des</strong> vormodernen<br />
"Art Deco" behafteten Architektur zu sehen. Chr<strong>ist</strong>ian W. Thomsen schreibt <strong>in</strong> dem<br />
Abschnitt "Science Fiction <strong>und</strong> Postmoderne" <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Untersuchung "Städtephantasien"<br />
(<strong>in</strong>: du, Zeitschrift für Kunst <strong>und</strong> die Kultur, Heft 2, Zürich 1985, 62): "Nachdem die erste<br />
neue Welle der sechziger Jahre auf die drohende Überbevölkerung mit Superstrukturen<br />
<strong>und</strong> Modellen gigantischer Wohne<strong>in</strong>heiten <strong>in</strong> Unterwassersiedlungen, unterirdischen<br />
Städten, Brückenstädten <strong>und</strong> Weltraumkolonien reagiert hatte, beherrschen <strong>in</strong> den<br />
frühen achtziger Jahren kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>re Strukturen von hohem ästhetischem, ja poetischem Reiz<br />
die e<strong>in</strong>schlägige Diskussion. - Das Leben <strong>in</strong> Städten sche<strong>in</strong>t plötzlich wieder erstrebenswert,<br />
<strong>und</strong> es wird dafür <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fülle von s<strong>in</strong>nlichen, ästhetischen, kulturellen <strong>und</strong> ganz<br />
manifest praktischen Anregungen zur Gestaltung <strong>in</strong>dividueller wie kollektiver Lebensräume<br />
gegeben."<br />
18 Wolfgang J. Müller erwähnte <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Band "Kunsthandwerk <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong>"<br />
(1960, 7) Hablik als Tischler, Keramiker, Silberschmied <strong>und</strong> Entwerfer für die Stoffe der<br />
Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann. 1963 <strong>und</strong> 1965 berichtete He<strong>in</strong>z Spielmann im "Jahrbuch<br />
der Hamburger Kunstsammlungen" über den Ankauf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Eßbestecks, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Silberdose <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Lehnsessels durch das Museum für Kunst <strong>und</strong> Gewerbe. Ernst<br />
Schlee g<strong>in</strong>g sowohl <strong>in</strong> den Katalogen <strong>des</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong>ischen Lan<strong>des</strong>museums<br />
(vgl. Anm. 12) wie auch <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m 1979 erschienenen Aufsatz zum Gedächtnis von<br />
Lisbeth Hablik-L<strong>in</strong>demann auf Habliks kunsthandwerkliche Arbeiten e<strong>in</strong>. 1983 publizierte<br />
Gerhard Wietek <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Aufsatz über "Wenzel Hablik. E<strong>in</strong> Künstler zwischen<br />
Realität <strong>und</strong> Utopie" bemalte Porzellanteller <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Holzschale, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mess<strong>in</strong>gdose <strong>und</strong><br />
den Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Wandbehang aus dem Besitz <strong>des</strong> Lan<strong>des</strong>museums.<br />
19 Die biographischen Angaben stammen aus Briefen, Tagebuchaufzeichnungen <strong>und</strong> zume<strong>ist</strong><br />
fragmentarischen Lebensläufen, alle <strong>in</strong> der Sammlung Hablik, Itzehoe, sowie aus<br />
zwei handgeschriebenen Lebensläufen <strong>in</strong> der Sammlung Kähler, Kiel.
- 300 -<br />
20 Die gesellschaftlichen Verb<strong>in</strong>dungen <strong>und</strong> Ereignisse im Kreis um Hugo Schmidl <strong>und</strong><br />
Arthur Schnitzler s<strong>in</strong>d ausführlich dokumentiert bei Renate Wagner 1984. Vgl. außerdem<br />
weiter unten.<br />
21 Hablik hatte Otto Ewel <strong>in</strong> Brüx kennengelernt. - Ewel, geb. 1871 oder 1887 <strong>in</strong> Trutenau<br />
(Kr. Königsberg), studierte an den Akademien Königsberg <strong>und</strong> Dresden. Etwa 1908 gründete<br />
er die Königsberger Kunstgewerblichen Lehrwerkstätten, für die er auch Hablik als<br />
Lehrer gew<strong>in</strong>nen wollte. Als Kunstgewerbler trat er 1905 auf der Dresdner Kunstgewerblichen<br />
Ausstellung mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bildteppich hervor <strong>und</strong> errang dort 1906 die Goldmedaille.<br />
In Königsberg schuf er umfangreiche Wandmalereien <strong>und</strong> Glasfenster. Später Professor<br />
(Thieme-Becker, Vollmer).<br />
22 Willy Nowak, wie Hablik Deutsch-Böhme, geb. am 3.10.1886 <strong>in</strong> Mníšek, Maler <strong>und</strong><br />
Lithograph, studierte von 1903-06 an der Prager Akademie <strong>und</strong> g<strong>in</strong>g später nach München<br />
<strong>und</strong> Holland. 1929-39 Professor an der Prager Akademie (Thieme-Becker, Vollmer).<br />
23 "Was ich zehn Jahre lang herbeigesehnt, seit drei Jahren stündlich erwartet - jetzt will es<br />
grauenhafte Wirklichkeit werden - Krieg überall - Die Welt wird Kampf brüllen - Blut<br />
wird <strong>in</strong> Strömen fleußen - Neue Zeiten bereiten sich. Wie freu ich mich, das Werden<br />
wenigstens <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Beg<strong>in</strong>n zu erleben ..." (Tagebuchaufzeichnung v. 4.8. 1914, W/Tg<br />
10, SHI).<br />
24 In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m fragmentarischen Lebenslauf (sog. Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Lebenslauf, um 1908, Sammlung<br />
Kähler, Kiel) erwähnt Hablik, er habe schon vor dem Besuch der Bürgerschule, also mit<br />
etwa zehn Jahren "Raupen <strong>und</strong> Blumen wie auch Kr<strong>ist</strong>alle" nach der Natur gezeichnet.<br />
25 Aus dem Vorwort zum Radierungszyklus "Schaffende Kräfte", 1909 (vgl. 1. Kap., II)<br />
26 Ebd.<br />
27 S<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Mißmut über den Schulbetrieb brachte Hablik e<strong>in</strong>ige Jahre später zum Ausdruck:<br />
"In dieser Fachschule erlebte ich große Enttäuschungen (anfangs gab es nur totes ausgestopftes<br />
Tierzeug u. Vorlagen), später aber brachte ich m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schmetterl<strong>in</strong>ge mit, Blumen<br />
etc." (Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Lebenslauf, um 1908, vgl. Anm. 24). Aus dieser Zeit s<strong>in</strong>d Studien nach<br />
klassischen Vorlagen erhalten (Volutenkapitell, ion., "nach Modell", Aquarell 1899; Ecke<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Antentempels, Erechtheion, Aquarell 1901) sowie Pflanzenstudien nach der Natur<br />
<strong>und</strong> geometrische Zeichnungen (Projektionen, Durchdr<strong>in</strong>gungen, Elipsen, Spiralen,<br />
Ovale, 1899, alle SHI). In den Tagebuchaufzeichnungen von 1902 s<strong>in</strong>d als Klausurthema<br />
"e<strong>in</strong> Fliesenmuster" <strong>und</strong> als Konkurrenzarbeit "endlich e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong> Plakat für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> öffentliche<br />
Aufführung" erwähnt (25.6.1902, W/Tg l, SHI).<br />
28 Loses Tagebuchblatt v. 13.10.1902, W/Tg l, SHI<br />
29 Loses Tagebuchblatt v. 24.11.1902, W/Tg l, SHI<br />
30 E<strong>in</strong> Vergleich mit heute noch <strong>in</strong> der Sammlung Hablik vorhandenen Bergkr<strong>ist</strong>allen belegt<br />
die Naturnähe der Zeichnungen (Abb. 11 a, 14 a).<br />
31 Aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Fragebogen, um 1923, WH/A VIII div., SHI
- 301 -<br />
32 Habliks "Nationale zur Aufnahme <strong>in</strong> die k.k. Kunstgewerbeschule <strong>des</strong> k.k. Oesterr. Museums<br />
für Kunst <strong>und</strong> Industrie", Nr. 4, v. 22.9.1904 (Archiv der Hochsch. f. angewandte<br />
Kunst <strong>in</strong> Wien) enthält unter der Rubrik "Hat Vorlesungen zu besuchen" die E<strong>in</strong>tragung:<br />
"Kunstgeschichte" (von Koloman Moser unterzeichnet für Baron Myrbach).<br />
33 Tagebuchblatt v. 26.11.1903, W/Tg l, SHI<br />
34 Aus der Tagebuchaufzeichnung v. 5.8.1908,W/Tg l, SHI<br />
35 Hablik traf Czeschka seit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Übersiedlung nach Itzehoe mehrfach <strong>in</strong> Hamburg <strong>und</strong><br />
unterhielt sich mit ihm über "Wiener Verhältnisse" (Tagebuchaufzeichnung v. 1.9.1907,<br />
W/Tg 5, SHI).<br />
36 Am 5.9.1911 besuchten Schüler der Hamburger Kunstgewerbeschule Hablik <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Atelier <strong>in</strong> Itzehoe. Franz Delavilla ließ Grüße durch sie bestellen (W/Tg 9, SHI).<br />
37 Santomasso g<strong>in</strong>g bei dieser Darstellung <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m kurzen Abschnitt s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Dissertation<br />
"Orig<strong>in</strong>s and Aims of German Expression<strong>ist</strong> Architecture" (1973) von den Kr<strong>ist</strong>allarchitekturen<br />
<strong>in</strong> Habliks Radierungszyklus "Schaffende Kräfte" (1909) aus, deren Motive<br />
sich später im utopischen Expressionismus wiederf<strong>in</strong>den. Er führte k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> stil<strong>ist</strong>ische<br />
Analyse <strong>des</strong> Zyklus durch <strong>und</strong> gelangte weder zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r umfassenden Deutung noch zu<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r E<strong>in</strong>ordnung <strong>in</strong> das Gesamtwerk <strong>des</strong> Künstlers, wie wir sie im folgenden Abschnitt<br />
unserer Untersuchung durchführen.<br />
38 Vgl. hierzu auch die Dissertation von Rosemarie Haag Bletter über Bruno Taut <strong>und</strong> Paul<br />
Scheerbart 1973<br />
39 Beispiele <strong>des</strong> Kr<strong>ist</strong>allmotivs aus der Literaturgeschichte zitierte auch Karl-He<strong>in</strong>z Knupp<br />
<strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Dissertation über die Architekturphantasien Paul Scheerbarts (1980, 107 f.).<br />
40 Vgl. hierzu die Dissertation von Hubert Bär 1977<br />
41 Beispiele s<strong>in</strong>d die sog. "Burg", das Verwaltungsgebäude der Hörder Bergwerks- <strong>und</strong><br />
Hüttenvere<strong>in</strong> AG, Dortm<strong>und</strong>-Hörde, 1899, <strong>und</strong> das Haupttor der Borsig-Werke, Berl<strong>in</strong>-<br />
Tegel, 1895-98 (abgebildet bei Günter Drebusch 1977, 129 f.).<br />
42 Über s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> f<strong>in</strong>anzielle Situation schreibt Hablik später u.a.: "Es war <strong>e<strong>in</strong>e</strong> entscheidende<br />
Zeit für mich, reich an den bittersten Entbehrungen. (...) Erst als ich mich aufgerafft <strong>und</strong><br />
die Straße nach alten Aushängeschildern ablief, um diese mit geborgter Farbe zu bemalen<br />
etc., da wurde es besser" (Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Lebenslauf, um 1908, vgl. Anm. 24).<br />
43 Tagebuchnotiz v. 21.9.1902, W/Tg l, SHI<br />
44 "Es <strong>ist</strong>, wie es kommen mußte. Ich b<strong>in</strong> im Zweifel, ob ich nicht die ganze Malerei an den<br />
Nagel hängen soll. - Es fällt mir absolut nichts e<strong>in</strong>, <strong>und</strong> ich muß dem Baron recht geben,<br />
wenn er mich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n untätigen Träumer heißt. - Er hat recht. Den größten Teil <strong>des</strong> Tages<br />
verbr<strong>in</strong>ge ich mit m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Luftschlössern, m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Häuseln, wie sie der Baron nennt"<br />
(Tagebuchblatt v. 29.1.1904, W/Tg l, SHI).<br />
45 Tagebuchblatt v. 6.1.1904, W/Tg l, SHI<br />
46 Das Gemäldeverzeichnis enthält unter Nr. 257 die Angaben: "Krystallschloß, verschenkt<br />
an Dr. Feldste<strong>in</strong>, Brüx". - Die Hochzeit fand am 5.6.1904 <strong>in</strong> Kopitz-Brüx statt.
- 302 -<br />
47 Feldste<strong>in</strong> wird als "gewissenhafter Kunstsammler" beschrieben, der "eigene Privatsammlungen"<br />
besaß (frdl. Mittlg. Dr. Kurt Oberdorffer, Traunreut, ehem. Museumsdirektor <strong>in</strong><br />
Brüx, vom 13.3.1980).<br />
48 Dr. Hugo Feldste<strong>in</strong> an Wenzel Hablik, Brüx 17.5.1904, WH/K 25, SHI<br />
49 Ebd.<br />
50 Ebd.<br />
51 Zu dem Bild <strong>ist</strong> lediglich e<strong>in</strong> erster Entwurf erhalten, der jedoch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Kr<strong>ist</strong>allbau im<br />
Gebirge zeigt (Abb. 19). Die Zeichnung trägt die Beischrift: "Dr. Feldste<strong>in</strong> z. Hochzt. 1.<br />
Fassung".<br />
52 Vgl. hierzu bei Hubert Bär 1977 das Kapitel "Scheerbart <strong>und</strong> der utopische Sozialismus"<br />
53 Im neunzehnten Jahrh<strong>und</strong>ert gab es bereits e<strong>in</strong> Beispiel dafür: "Schon das mit vulgärem<br />
Fensterglas ausgefachte Eisengerüst <strong>des</strong> Londoner Ausstellungsgebäu<strong>des</strong> von 1851 <strong>und</strong><br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Nachfolger <strong>in</strong> Europa <strong>und</strong> den USA wurden emphatisch 'Kr<strong>ist</strong>allpalast' genannt"<br />
(Pehnt 2 1982, 41).<br />
54 Erstes Tagebuchblatt v. 26.2.1906, W/Tg 3, SHI<br />
55 Tagebuchblatt v. 1.5.1906, W/Tg 3, SHI. - Geme<strong>in</strong>t <strong>ist</strong> der Maler Willy Nowak (vgl.<br />
Anm. 22).<br />
56 Tagebuchblatt v. 29.1.1904, W/Tg l, SHI<br />
57 Erstes Tagebuchblatt v. 26.2.1906, W/Tg 3, SHI<br />
58 Vgl. hierzu auch das "Weltwerk"-Zitat, S. 32<br />
59 Tagebuchblatt v. April 1906, W/Tg 3, SHI<br />
60 Als allgeme<strong>in</strong>-menschlich, fast banal, nimmt sich die Beischrift "Eile mit Weile" zu<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Blatt mit zwei strahlenden Szepterquarzen h<strong>in</strong>ter Wolkenformationen aus.<br />
61 Endreime <strong>und</strong> unr<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Alliterationen enthält die Zeile: "Schutz <strong>und</strong> Trutz gegen fe<strong>in</strong>dliche<br />
Pfeile" (Abb. 22), Epanalepse (die Wiederholung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Wortes oder <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Wortgruppe<br />
am Vers- oder Satzanfang mit gefühlsverstärkender Wirkung; Braak 3 1969, 49)<br />
sowie Alliterationen der Ausruf: "Fliege fort, fliege m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sehnsucht" (Abb. 44). Der<br />
Zweizeiler: "Muß ich schon an der Erde kleben, dann wenigstens nicht mit dem Hirn"<br />
(Abb. 37) <strong>ist</strong> <strong>in</strong> jambischem Versmaß gehalten. Gehobene Wortwahl, dialektische Reime<br />
<strong>und</strong> Assonanzen fallen auf bei: "Du hast erst Fre<strong>und</strong>e, wenn sie d<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Höhen <strong>und</strong><br />
Schlünde sehen, ohne zu bangen <strong>und</strong> ohne zu neiden" (Abb. 35). Diese Beischrift von<br />
1907 bezieht sich auf Habliks isolierte Stellung an der Prager Akademie. - Hablik sah<br />
sich selbst auch als Schriftsteller. Obwohl er nur zu unvollendeten literarischen Versuchen<br />
gelangte, versuchte er, zwischen 1910 <strong>und</strong> 1912 mit der Galerie Th. Brodersen <strong>in</strong><br />
Weimar Exklusivverträge abzuschließen, die den Vertrieb s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r literarischen Erzeugnisse<br />
regeln sollten.<br />
62 Zweites Tagebuchblatt v. 26.2.1906, W/Tg 3, SHI
- 303 -<br />
63 E<strong>in</strong>e Tagebuche<strong>in</strong>tragung vom 2.12.1906 enthält die ersten Materialberechnungen "für<br />
die Radierungen (m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schlösser)". Später berichtet der Künstler, daß er auch mit anderen<br />
Druckverfahren gearbeitet hat. Zu unbekannter Zeit, aber vor 1907, entstanden sechs<br />
Blätter <strong>in</strong> je zehn Exemplaren als Algraphien, zehn Blätter <strong>in</strong> je vier Exemplaren als Lithographien<br />
sowie achtzig Holzschnittplatten (Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 5.8.1908, W/Tg 6,<br />
SHI). Diese Werke verkaufte er ausnahmslos; sie s<strong>in</strong>d heute verschollen.<br />
64 Das auf zwanzig Platten berechnete Werk sollte mit der Anschaffung von Papier, Säuren<br />
<strong>und</strong> Wannen auf 193 Kronen kommen. Hablik bemerkte ironisch: "Hurrah! Hoch unsere<br />
Akademie, die uns ungeh<strong>in</strong>dert vom Arbeiten träumen läßt!!" (Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 2.12.<br />
1906, W/Tg 4, SHI)<br />
65 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 11.5.1907, W/Tg 5, SHI<br />
66 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 5.6.1907, W/Tg 5, SHI<br />
67 In dem "Probedruck der Conturen" (Abb. 45) s<strong>in</strong>d noch zwei Stabwerkfenster mit Dreipässen<br />
deutlich zu erkennen, die <strong>in</strong> der Aquat<strong>in</strong>tafassung kaum mehr herauskommen.<br />
68 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 10.5.1907, W/Tg 5, SHI<br />
69 "5. Aug. 08. Heute beg<strong>in</strong>ne ich endlich das, was ich vor fünf Jahren so sehnsüchtig machen<br />
zu können wünschte. Das Märchenbilderbuch mit den Schlössern von Fels auf Luft<br />
gebaut" (Tagebuche<strong>in</strong>trag, W/Tg 6, SHI).<br />
70 Nicht identifizierte Briefnotiz v. Dez. 1908, WH/K 5, SHI<br />
71 Wie Habliks Verb<strong>in</strong>dung zur Berl<strong>in</strong>er Sezession zustande kam, <strong>ist</strong> bislang ungeklärt.<br />
Wahrsche<strong>in</strong>lich kam er zum erstenmal im Juli 1907 mit der Berl<strong>in</strong>er Kunstszene <strong>in</strong><br />
Berührung, als er von Prag nach Dresden, Berl<strong>in</strong>, Stett<strong>in</strong> <strong>und</strong> Danzig re<strong>ist</strong>e, um dort s<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Wanderung durch Ostpreußen aufzunehmen. Im selben <strong>und</strong> im folgenden Jahr unternahm<br />
er von Itzehoe aus etliche Reisen nach Berl<strong>in</strong>, wo er am 17.12.1907 auch mit Ferd<strong>in</strong>and<br />
Avenarius zusammentraf.<br />
72 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 16.8.1908, W/Tg 6, SHI<br />
73 Ferd<strong>in</strong>and Avenarius an Wenzel Hablik, München 4.12.1908, WH/K l, SHI<br />
74 Habliks Kenntnis <strong>des</strong> Buches läßt sich bis <strong>in</strong> das Jahr 1905 zurückverfolgen. Der <strong>in</strong> diesem<br />
Jahr entstandene Entwurf zum Kr<strong>ist</strong>allbau im Wasser ("Schaffende Kräfte", Bl. 6,<br />
Abb. 62) trägt den Aphorismus: "Unerschütterlich <strong>ist</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tiefe - aber sie glänzt von<br />
schwimmenden Rätseln <strong>und</strong> Gelächtern" (Abb. 30); er <strong>ist</strong> dem Kapitel "Von den Erhabenen"<br />
aus dem zweiten Teil <strong>des</strong> "Zarathustra" entnommen (Nietzsche, Ausg. 1979, 96). -<br />
Im Februar 1906 berichtet der Künstler <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tagebuch über He<strong>in</strong>rich Vlček, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Fre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Kommilitonen an der Prager Akademie: "... als ich, nach allen möglichen<br />
vorausgegangenen Kämpfen Nietzsche las, mußte er dasselbe tun ..." (Tagebuche<strong>in</strong>trag,<br />
W/Tg 3, SHI). Habliks Interesse für das Buch war so stark, daß er im März 1907, fünf<br />
Monate nach der Alpenwanderung, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Lesung daraus im Fre<strong>und</strong>eskreis veranstaltete -<br />
nicht ohne lehrhaften Impetus <strong>und</strong> mit wenig Erfolg: "31.3.07. Gestern Abend bei
- 304 -<br />
Koutnik Nietzsche vorgelesen - Zarathustra. Marta war 'verloren' <strong>und</strong> die anderen<br />
erleichtert wie ich fertig war. Vielleicht Herr K. konnte dem Vortrag etwas folgen. Komisch<br />
waren die ...! Ich las - die Heimkehr - v. K<strong>in</strong>d u. Ehe - vom Biß der Natter - v. d.<br />
Erhabenen - v. d. verkl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rnd. Jugend - v. Wege d. Schaffenden ..." (Tagebuche<strong>in</strong>trag,<br />
W/Tg 4, S HI).<br />
75 Hablik re<strong>ist</strong>e am 13.8.1906 von Prag nach Luzern, von wo er am 17.8. s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Alpenwanderung<br />
aufnahm. Sie führte ihn über Me<strong>in</strong><strong>in</strong>gen, Guttannen, Ober- <strong>und</strong> F<strong>in</strong>steraarhorn,<br />
Mönch, Jungfrau, Breithorn <strong>und</strong> Blümlisalp. Er fuhr von Brig nach Mailand, schließlich<br />
nach Genf <strong>und</strong> bestieg dann den Mont Blanc. Über Bern <strong>und</strong> München kehrte er am<br />
9.10.1906 nach Prag zurück (Bericht <strong>in</strong> W/Tg 3, SHI. Das Reisetagebuch g<strong>in</strong>g unterwegs<br />
verloren).<br />
76 Hablik lernte Bender im Juli 1909 bei Ferd<strong>in</strong>and Avenarius <strong>in</strong> Dresden kennen.<br />
77 Vor allem die Nähe von Habliks Wolkenbildungen zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Blatt von Alexander Cozens<br />
<strong>ist</strong> offensichtlich (Ausst.-Kat. William Turner 1976, Kat. Nr. 140). Cozens legte zunächst<br />
- wie später Hablik <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n beiden vorab entstandenen Aquat<strong>in</strong>taradierungen (Abb. 43,<br />
46) - e<strong>in</strong> L<strong>in</strong>iengefüge an <strong>und</strong> füllte die Flächen dann farbig aus. Bei Cozens wie auch bei<br />
Hablik können Teile der L<strong>in</strong>ienstruktur sowohl Wolken als auch Bergformationen charakterisieren.<br />
- Goethe schrieb 1817 <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Aufsatz über die Wolkengestalt nach Luke<br />
Howard (vgl. ebd., Kat. Nr. 145).<br />
78 Auch bei Hablik gibt es e<strong>in</strong>zelne Wolkenstudien <strong>in</strong> Feder oder Ble<strong>ist</strong>ift auf Papier (Abb.<br />
38). E<strong>in</strong> Gemälde von 1910 <strong>ist</strong> eigens dem Thema "E<strong>in</strong>e Wolke" gewidmet (Gv. 207;<br />
Ste<strong>in</strong>burger Jahrbuch 1982, Itzehoe 1981, Abb. 3 a-c).<br />
79 Zur Auffassung von Natur <strong>und</strong> Landschaft <strong>in</strong> Runges "Farbenlehre" (1806-10) vgl. weiter<br />
unten. An s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bruder Daniel schreibt Runge am 7.11.1809: "Wie selbst die Philosophen<br />
dah<strong>in</strong> kommen, daß man alles nur aus sich heraus imag<strong>in</strong>irt, so sehen wir oder<br />
sollen wir sehen <strong>in</strong> jeder Blume den lebendigen Ge<strong>ist</strong>, den der Mensch h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>legt, <strong>und</strong><br />
dadurch wird die Landschaft entstehen, denn alle Thiere <strong>und</strong> die Blumen s<strong>in</strong>d nur halb da,<br />
sobald der Mensch nicht das Beste dabey thut ..." (Runge 1841, I, 16). - Konstruktionen<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> besonderem Maße Runges Zeichnungen zu den "Zeiten" (1803), die ihren Aufbau<br />
aus e<strong>in</strong>fachen geometrischen Figuren <strong>und</strong> Rastern ableiten (vgl. Ausst.-Kat. Runge <strong>in</strong><br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Zeit 1977, Kat. Nrn. 165-168).<br />
80 Wenzel Hablik an Ewald Bender, Itzehoe 9.9.1909, zeitgenöss. Abschrift, WH/K 4, SHI<br />
81 Ebd.<br />
82 Ebd.<br />
83 Ebd.<br />
84 Hablik erläutert dies <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Brief an Ewald Bender (vgl. Anm. 80): "Und wenn nun<br />
e<strong>in</strong> Berg auftritt, <strong>und</strong> Sie hören die Worte murmeln: 'Das Weib, die Erde <strong>in</strong> die der Same<br />
fällt', so wird Ihnen eben dieser Berg mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m verschlossenen Innern, Symbol <strong>und</strong> Erde<br />
zugleich, deuten, daß nichts anderes als e<strong>in</strong> Gleichnis zwischen diesem (dem Weib), der<br />
Erde <strong>und</strong> jener schöpferischen Kraft geme<strong>in</strong>t sei, die wir alle ahnen, aber nicht kennen."
85 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 26.5.1907, W/Tg 5, SHI<br />
- 305 -<br />
86 Wenzel Hablik an Ewald Bender 1909 (vgl. Anm. 80). Zur Gestaltungsform der Versalien<br />
<strong>in</strong> den jeweiligen Schriftblättern vgl. weiter unten.<br />
87 Ebd.<br />
88 Dr. Hugo Feldste<strong>in</strong> an Wenzel Hablik 1904 (vgl. Anm. 48)<br />
89 Die Schilderung der Lebensstadien war schon im Mittelalter <strong>und</strong> im sechzehnten <strong>und</strong><br />
siebzehnten Jahrh<strong>und</strong>ert vorgeprägt, etwa bei Hans Baidung Grien: "Die sieben Stufen<br />
<strong>des</strong> menschlichen Lebens" (1544). Nach Caspar David Friedrichs "Lebensstufen" (1834/<br />
35) <strong>und</strong> Hans von Marees' "Lebensaltern" (1877/78) entstand 1897 Paul Gaugu<strong>in</strong>s Gemälde<br />
"Woher kommen wir? Wer s<strong>in</strong>d wir? Woh<strong>in</strong> gehen wir?", das <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n ganzen Lebenszyklus<br />
be<strong>in</strong>haltet. Ferd<strong>in</strong>and Hodler malte bevorzugt Jüngl<strong>in</strong>gs- <strong>und</strong> Greisendarstellungen.<br />
Edvard Munch arbeitete zwischen 1889 <strong>und</strong> 1909 an dem aus über zwanzig Gemälden<br />
bestehenden "Lebensfries". 1894 malte er "Die drei Stadien der Frau", 1902 "Die vier<br />
-", 1908 "Die drei Lebensalter". Den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten bei den Symbol<strong>ist</strong>en:<br />
Gaugu<strong>in</strong>s zweifelnden Lebensfragen, dem geschlossenen Lebenskreislauf bei<br />
Hodler, der Symbolisierung endgültiger Enttäuschung <strong>und</strong> Vergeblichkeit bei Munch,<br />
stellt Hablik den ständig aufs neue schaffenden Menschen gegenüber, der sich schließlich<br />
selbst als vergänglichen Teil der Naturschöpfung begreift.<br />
90 Aus dem Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Lebenslauf, um 1908 (vgl. Anm. 24)<br />
91 Wenzel Hablik an Ewald Bender 1909 (vgl. Anm. 80)<br />
92 Hablik schrieb 1907 <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Tagebuch: "Ich habe Fre<strong>und</strong>e! Treue, wahre Fre<strong>und</strong>e. Nietzsche,<br />
Schopenhauer, Shakespeare, Darw<strong>in</strong>, oh, wie konnte ich sie vergessen. Was brauche<br />
ich andere Fre<strong>und</strong>e? Ich spreche <strong>und</strong> streite ja mit Ihnen als würden sie leben, <strong>und</strong> sprechen<br />
sie nicht zu mir? Tauschen wir nicht unsere tiefsten Gedanken <strong>und</strong> schenken wir uns<br />
nicht unsere Seelen?" (Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 26.1. 1907, W/Tg 4, SHI) - Schopenhauers<br />
"Sämtliche Werke" stehen auf der L<strong>ist</strong>e <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Bücherk<strong>ist</strong>e, die dem Künstler am 14.7.<br />
1911 zugesandt wurde (WH/K 23, SHI). - Am 11.7.1916 schrieb er an Prof. Karl He<strong>in</strong>rich<br />
Frese, Meldorf: "... <strong>und</strong> ich b<strong>in</strong> schon wieder beim alten Schopenhauer als m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Tröster <strong>und</strong> so angelangt" (WH/K 15 a, SHI).<br />
93 Wenzel Hablik an Ewald Bender 1909 (vgl. Anm. 80)<br />
94 In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Brief an Prof. Rose Burger 1913 (vgl. u. Anm. 96) verknüpfte Hablik die Naturschöpfung<br />
ausdrücklich mit der Annahme <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s (göttlichen) Willens.<br />
95 Vorläufiger Titel der Radierungsmappe <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m <strong>und</strong>atierten Entwurf zum Vorwort, WH/<br />
K 43 a, SHI<br />
96 Wenzel Hablik an Prof. Rose Burger, Itzehoe 6.7.1913, WH/K 28, SHI<br />
97 Prof. Rose Burger (Gött<strong>in</strong>gen) war offenbar Ärzt<strong>in</strong>. Sie arbeitete mit dem Arzt Dr. Carl<br />
Haeberl<strong>in</strong> aus Wyk auf Föhr an dem Projekt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Buches. Hablik dürfte sie im Nordseesanatorium<br />
<strong>des</strong> mit allen befre<strong>und</strong>eten Arztes Karl Gmel<strong>in</strong> <strong>in</strong> Boldixum bei Wyk kennengelernt<br />
haben, wo auch Haeberl<strong>in</strong> tätig war (vgl. a. Anm. 165).
- 306 -<br />
98 Wenzel Hablik an Prof. Rose Burger 1913 (vgl. Anm. 96)<br />
99 Das Meer war zum erstenmal bei Habliks Besuchen <strong>in</strong> Norddeutschland <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bildwelt<br />
e<strong>in</strong>gedrungen. Das Erlebnis <strong>des</strong> Meeres bee<strong>in</strong>druckte ihn so stark, daß er es künftig <strong>in</strong> der<br />
E<strong>in</strong>schätzung der Naturgewalt mit der Bergwelt gleichsetzte: "E<strong>in</strong> mächtiges Sehnen<br />
zieht durch m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Seele - Dir, Meer - will ich mich ergeben. Dir, Norden - zu dem <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
unbegreifliche Verwandtschaft mich zieht, das Bäumen m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Blutes sagt es mir, das<br />
mit den Tönen <strong>des</strong> W<strong>in</strong><strong>des</strong> <strong>in</strong> E<strong>in</strong>s verkl<strong>in</strong>gt" (Wenzel Hablik an Richard Biel, Bremerhaven<br />
20.8. 1911, Sammlung Kähler, Kiel).<br />
100 Wenzel Hablik an Ewald Bender 1909 (vgl. Anm. 80)<br />
101 Die Werke von Charles Darw<strong>in</strong> gehörten neben denen von Friedrich Nietzsche zu Habliks<br />
bevorzugter Lektüre (Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 26.1.1907, W/Tg 4, SHI).<br />
102 Die Bezeichnung der Seelentiefe als "Ohnegr<strong>und</strong>" <strong>ist</strong> durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tagebuchnotiz vom<br />
7.12.1908 belegt: "Ich will e<strong>in</strong> Buch schreiben über me<strong>in</strong> Leben, aus dem Ohnegr<strong>und</strong> der<br />
Seele ..." (W/Tg 6, SHI).<br />
103 Wenzel Hablik an Ewald Bender 1909 (vgl. Anm. 80)<br />
104 Vgl. hierzu bei Karl-He<strong>in</strong>z Knupp 1980 das Kapitel "Höhlen- <strong>und</strong> Grottenarchitektur",<br />
besonders S. 114 f.<br />
105 Wolfgang Pehnt ( 2 1981, 43) hat darauf h<strong>in</strong>gewiesen, daß die Höhle als Wohnstätte Zarathustras<br />
(Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra, 1883/85) <strong>in</strong> der expression<strong>ist</strong>ischen<br />
Architektur motivisch verwertet wurde. Sie hat bei Nietzsche jedoch nicht<br />
unbed<strong>in</strong>gt positive Bedeutung; denn Zarathustra sagt zu dem Wahrsager: "Umsonst käme<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r auf diese Höhe, der den hier suchte: Höhlen fände er wohl <strong>und</strong> H<strong>in</strong>ter-Höhlen,<br />
Verstecke für Versteckte, aber nicht (!, A.F.) Glücks-Schachte <strong>und</strong> Schatzkammern <strong>und</strong><br />
neue Glücks-Goldadern" (Ausg. 1979, 196).<br />
106 Wenzel Hablik an Ewald Bender 1909 (vgl. Anm. 80)<br />
107 Später wird Hablik sich auch als Falken darstellen. Er wählt ihn auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m eigenen Exlibris<br />
zum 'Wappentier' (1913), da er sich - s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Reiselust folgend - selbst als Wanderfalken<br />
sah (Abb. 306).<br />
108 Der Lichtbildervortrag fand am 17.4.1923 statt (Frecot u.a. 1972, 375). - Fidus schrieb am<br />
20.9.1927 <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Postkarte an Hablik, nachdem er <strong>des</strong>sen Bild "Kakteen" auf der Großen<br />
Berl<strong>in</strong>er Kunstausstellung gesehen hatte, <strong>und</strong> g<strong>in</strong>g auch auf das bunt ausgemalte Eßzimmer<br />
<strong>des</strong> Hauses Hablik <strong>in</strong> der Itzehoer Talstraße e<strong>in</strong> (hierzu s. weiter unten). Die Adresse<br />
von Fidus f<strong>in</strong>det sich um 1933 <strong>in</strong> Habliks Adreßbuch.<br />
109 Franz Metzner (1870-1919) war 1903-06 Professor für Bildhauerei an der Wiener Kunstgewerbeschule.<br />
Er schuf 1906-13 <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> Bildwerke für das Leipziger Völkerschlachtdenkmal.<br />
Metzner gehört - jedoch nur für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Wiener Zeit - zu den von Hablik am<br />
me<strong>ist</strong>en verehrten Künstlern (vgl. Fragebogen um 1923, WH/A VIII div., SHI).<br />
110 Auf dem Ble<strong>ist</strong>iftentwurf zu dem Gemälde "Woher - Woh<strong>in</strong>?" vom 16.7.1912 s<strong>in</strong>d außerdem<br />
zwei Teilzitate von Aphorismen der "Schaffenden Kräfte" enthalten: "Götter <strong>und</strong><br />
Menschen haben bei mir gewohnt, <strong>und</strong> doch muß ich sterben" (aus dem Aphorismus zu<br />
Bl. 9
- 307 -<br />
[Abb. 65 a], dem letzten Blatt <strong>des</strong> Lebenszyklus); "<strong>und</strong> der Mensch f<strong>in</strong>det eher nicht<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Gott, bis daß er zwiefach (nicht) den Leib vernichtet" (aus dem Aphorismus zu Bl.<br />
2, [Abb. 58 a], leicht verändert). Beide Zitate kennzeichnen die letztliche Ohnmacht <strong>des</strong><br />
Menschen vor der göttlichen Naturschöpfung.<br />
111 Wenzel Hablik an Ewald Bender 1909 (vgl. Anm. 80)<br />
112 Undatierte Niederschrift, WH/K 43 a, SHI<br />
113 Entwurf zum Vorwort, <strong>und</strong>at., WH/K 43 a, SHI; auch im Brief an Ewald Bender 1909<br />
(vgl. Anm. 80)<br />
114 Wenzel Hablik an Ewald Bender 1909 (vgl. Anm. 80)<br />
115 Gabriele Sterner (1975, 96) zitiert diese Passage nach Interviews mit Aubrey Beardsley<br />
aus dem Buch von Robert Ross: The Life of Beardsley, London 1909 (frdl. Auskunft<br />
Frau Dr. Gabriele Sterner, München). Das Buch von Robert Ross erschien bezeichnenderweise<br />
im selben Jahr, <strong>in</strong> dem sich Wenzel Hablik gegenüber Ewald Bender über die<br />
"r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> L<strong>in</strong>ie" äußerte (vgl. Anm. 80).<br />
116 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 29.8.1908, W/Tg 6, SHI<br />
117 Stellvertretend für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Vielzahl von Belegen seien hier nur zwei zitiert: "Diese W<strong>und</strong>er<br />
(die Alpen, A.F.) schauen <strong>in</strong> ihren grauenhaften Riesengestalten, die allen Wettern trotzen<br />
<strong>und</strong> den zaghaftesten Menschen wieder zu sich br<strong>in</strong>gen" (Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 13.8.1906,<br />
W/Tg 3, SHI). "Das Glück <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Menschen <strong>ist</strong> erst dann vollkommen, wenn er die Natur<br />
begriffen, lieben gelernt hat, wenn er e<strong>in</strong> f<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Pflänzchen zwischen den F<strong>in</strong>gern halten<br />
kann <strong>und</strong> dabei Herzensfreude empf<strong>in</strong>den" (Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 26.5.1907, W/Tg 5, SHI).<br />
118 Formen dieser Art kommen <strong>in</strong> Habliks gesamtem Werk vor <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d selbst <strong>in</strong> ernsthafte<br />
Arbeiten e<strong>in</strong>gestreut. Besonders groteske Züge zeigt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Anzahl qualitätvoller<br />
Zirkusdarstellungen <strong>des</strong> Künstlers. E<strong>in</strong>e Kontaktaufnahme mit der Zeitschrift "Simplicissimus"<br />
um das Jahr 1917 scheiterte an der stil<strong>ist</strong>ischen Eigenart s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeiten.<br />
119 Die Adresse Emil Orliks f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> Habliks Adreßbuch.<br />
120 Orlik brachte nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ostasienreise e<strong>in</strong> Mappenwerk "Aus Japan" heraus (LdK, Bd. 3,<br />
647).<br />
121 Siegfried Wichmann bildete Habliks Welle bereits <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Japonismus-Band 1980 ab,<br />
ohne sie jedoch direkt mit der "Woge" von Hokusai zu konfrontieren (Abb. 326). Die<br />
Wellendarstellungen <strong>in</strong> Habliks Radierungszyklus "Das Meer" (1915) zeigen noch stärkere<br />
Anklänge an das japanische Vorbild.<br />
122 Hablik erhielt das Buch von Rudolf von Larisch zugeschickt. In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m nicht abgesandten<br />
Schreiben an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Lehrer bemängelte er: "Es fehlt dem ganzen etwas Stil. (...) Daß die<br />
Wiener Kollegen so mordsfaul s<strong>in</strong>d, kann ich doch nicht glauben, wie anders soll ich mir<br />
diese alten Sachen erklären. Es wandern doch nicht alle im Kreise? (...) Ich denke nicht<br />
gerade, daß es schlecht war, mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m solchen Reklamebuch unter gewisse unausrottbare<br />
Phil<strong>ist</strong>er zu fahren, aber dann müßte das D<strong>in</strong>g doch auch imponieren. Sonst s<strong>in</strong>d es mehr<br />
'große Worte', die nichts sonderliches bewirken" (Narmeln 5.8.1907, WH/K 43 a, SHI).
- 308 -<br />
123 Den H<strong>in</strong>weis auf diesen Aufsatz verdanke ich Anthony Tischhauser, Zürich.<br />
124 Rudolf von Larischs Buch "Unterricht <strong>in</strong> ornamentaler Schrift" stammt <strong>in</strong> der ersten Auflage<br />
von 1905 <strong>und</strong> erreichte bis 1930 zehn Auflagen. A.S. Levetus berichtete 1907 <strong>in</strong> der<br />
Zeitschrift "The Studio": "The methods of teach<strong>in</strong>g are the Professor's own, for ... he is<br />
bo<strong>und</strong> by no rules, and yet by a golden one which leads to success. He can rouse <strong>in</strong>terest<br />
and he can himself do what he teaches others to do. This new art is also mak<strong>in</strong>g itself feit<br />
everywhere, and <strong>in</strong> its way has also caused a revolution" (332).<br />
125 Wenzel Hablik an Ewald Bender 1909 (vgl. Anm. 80). - Als "sehr feierliche" <strong>und</strong> als<br />
"geheimnisvolle Type" beschrieb der Künstler <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Brief an Bender die Versalien zu<br />
den Aphorismen "Aare weiten ihre Schw<strong>in</strong>gen ..." (zu Bl. 13, Abb. 69 a) <strong>und</strong> "Es gab <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
St<strong>und</strong>e, <strong>in</strong> der ich tausend Tode starb ..." (zu Bl. 6, Abb. 62 a); die Schriftblätter zu den<br />
aus k<strong>in</strong>dlicher Perspektive betrachteten Gräsern (Bl. 5, Abb. 61 a) <strong>und</strong> zu den ans Ufer<br />
rollenden Wellen (Bl. 12, Abb. 68 a) sollten "die typische k<strong>in</strong>dliche Unschuld" <strong>und</strong> "sehr<br />
bewegte eilende Formen" symbolisieren.<br />
126 Vgl. unten Anm. 218<br />
127 Hakon: Kunstsalon K<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Commeter, <strong>in</strong>: Hamburger Fremdenblatt v. 7.5.1911<br />
128 Dr. Trabert: E<strong>in</strong> Expression<strong>ist</strong> im Magdeburger Kunstvere<strong>in</strong>, <strong>in</strong>: Magdeburger Zeitung v.<br />
29.10.1912<br />
129 Wenzel Hablik an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Unbekannten, o.O., 3.4.1909, nicht archiviert, SHI<br />
130 Wenzel Hablik an Franz Thiele, Itzehoe 22.11.1910, WH/K 43 a, SHI<br />
131 Briefl. Mittlg. Otto Fels<strong>in</strong>g an Wenzel Hablik, Berl<strong>in</strong> 28.9.1915, Akte Gesch., SHI<br />
132 Hablik bot die Mappe verschiedenen Galerien <strong>in</strong> "Vorzugsexemplaren" an. Sie wurde<br />
zwischen 1910 <strong>und</strong> 1916 mehrmals angefordert <strong>und</strong> ausgestellt von den Galerien Ernst<br />
Arnold (Dresden), Hofkunsthändler Emil Richter (Dresden), Lipsius & Tischer (Kiel) <strong>und</strong><br />
dem Hof-Kunst-Händler i.i. M.M. <strong>des</strong> Kaisers <strong>und</strong> der Kaiser<strong>in</strong> Amsler & Ruthardt<br />
(Berl<strong>in</strong>).<br />
133 Der Künstler erwähnte die Vernichtung der Druckplatten <strong>in</strong> mehreren Briefen an Ausstellungsleitungen<br />
mit dem Ziel, potentiellen Käufern <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Anreiz zur wertsteigernden<br />
Geldanlage zu bieten. In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Notiz zur Ausstellung im Bremer Kunstgewerbemuseum<br />
1917 bemerkte er: "Schaffende Kräfte. 350 Mk. E<strong>in</strong>zelblätter s<strong>in</strong>d nicht vorhanden, die<br />
Platten s<strong>in</strong>d abgeschliffen, von der Mappe s<strong>in</strong>d nur noch e<strong>in</strong>ige Exempl. vorhanden,<br />
welche nicht <strong>in</strong> E<strong>in</strong>zelblätter zerlegt werden können" (Kladde 1911, SHF).<br />
134 Die orig<strong>in</strong>ale vollständige Mappe <strong>ist</strong> nur noch <strong>in</strong> zwei Exemplaren bekannt (SHI <strong>und</strong><br />
Privatbesitz Meldorf).<br />
135 In dem Nachdruck fehlen u.a. die Suche nach der "unbekannten König<strong>in</strong>" (Bl. 7) sowie<br />
die Rückschau <strong>des</strong> Sterbenden (Bl. 9).
- 309 -<br />
136 Zum Begriff <strong>des</strong> "Schaffens" s. bei Hubert Bär 1977 das ausführliche Kapitel "Pathos <strong>des</strong><br />
Schaffens"<br />
137 Vgl. Anm. 24<br />
138 Aus dem Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Lebenslauf, um 1908 (vgl. Anm. 24)<br />
139 Wenzel Hablik an Ewald Bender 1909 (vgl. Anm. 80)<br />
140 Aus dem Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Lebenslauf, um 1908 (vgl. Anm. 24)<br />
141 Ferd<strong>in</strong>and Avenarius an Wenzel Hablik 1908 (vgl. Anm. 73)<br />
142 Vgl. Anm. 75<br />
143 Aus dem Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Lebenslauf, um 1908 (vgl. Anm. 24)<br />
144 Vgl. Anm. 74<br />
145 Erstes Tagebuchblatt v. 26.6.1906, W/Tg 3, SHI<br />
146 Wenzel Hablik an Ewald Bender 1909 (vgl. Anm. 80)<br />
147 "... das Dase<strong>in</strong>, so wie es <strong>ist</strong>, ohne S<strong>in</strong>n <strong>und</strong> Ziel, aber unvermeidlich wiederkehrend,<br />
ohne e<strong>in</strong> F<strong>in</strong>ale <strong>in</strong>s Nichts: 'die ewige Wiederkehr'. Das <strong>ist</strong> die extremste Form <strong>des</strong> Nihilismus,<br />
das Nichts (das 'S<strong>in</strong>nlose') ewig!" (Nietzsche, Ausg. 1980, Bd. 6: Aus dem Nachlaß<br />
der 80er Jahre, 83).<br />
148 Pütz stellt zudem bei Nietzsche die Verwendung von Bewegungsmerkmalen der Tiere<br />
fest, wie Hablik sie für die Charakterisierung von Wolken <strong>und</strong> Wellen benutzt: "Mit Vorliebe<br />
werden abstrakte Begriffe verleiblicht, <strong>und</strong> zwar so prall, daß sie sich geradezu animalisch<br />
verhalten ('S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ruhe hat sich noch nicht <strong>in</strong> die Sonne gelegt')" (Pütz 1979,<br />
284).<br />
149 Wenzel Hablik an Prof. Rose Burger 1913 (vgl. Anm. 96)<br />
150 Tagebuchblatt v. 26.2.1906, W/Tg 3, SHI<br />
151 Wenzel Hablik an Prof. Rose Burger 1913 (vgl. Anm. 96)<br />
152 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 19.7.1908, W/Tg 6, SHI<br />
153 Wenzel Hablik an Prof. Rose Burger 1913 (vgl. Anm. 96)<br />
154 Die Datierung der Blätter ergibt sich aus den Beischriften. Die Bemerkung: "Ich werde<br />
verrückt, m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kameraden 'entdecken' mich" (Abb. 90) dürfte sich auf die auch sonst<br />
öfter erwähnten Kommilitonen an der Prager Akademie beziehen <strong>und</strong> deutet damit auf<br />
das Jahr 1906. Die Beischrift: "... obwohl Hans Witzmann darüber lacht" (Abb. 89) dürfte<br />
ebenfalls zu dieser Zeit entstanden se<strong>in</strong>. Hablik besuchte Hans Witzmann im April 1906<br />
<strong>in</strong> Wien. Hans war der Bruder von Carl Witzmann. Carl, e<strong>in</strong> Schüler Josef Hoffmanns<br />
<strong>und</strong> von der Wiener Kunstgewerbeschule her mit Hablik befre<strong>und</strong>et, wurde 1915 Professor<br />
<strong>in</strong> Leipzig. Hans Witzmann starb 1914 <strong>in</strong> Wien.<br />
155 Orville <strong>und</strong> Wilbur Wright führten am 17.12.1903 den ersten gesteuerten Motorflug mit<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m selbstgebauten Flugzeug durch. 1908 fanden die ersten öffentlichen Motorflüge <strong>in</strong><br />
Deutschland statt. Im gleichen Jahr wurde aus Mitteln <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Volksspende die Luftschiff<br />
Zeppel<strong>in</strong> GmbH als Bauwerft für Zeppel<strong>in</strong>e errichtet.
156 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 9.6.1903, W/Tg l, SHI<br />
- 310 -<br />
157 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. Februar 1906, W/Tg 3, SHI<br />
158 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 11.5.1907, W/Tg 5, SHI<br />
159 Traumaufzeichnung v. 29.12.1908, W/Tg 6, SHI<br />
160 Rudi Schweikert (1979, 905 f.) nennt als wohl früheste Marsphantasie Carl Ignaz Geigers<br />
"Reise <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Erdbewohners <strong>in</strong> den Mars" (1790). 'Marsmenschen' kommen <strong>in</strong> Henri <strong>des</strong><br />
Parvilles "Un Habitant de la Planete Mars" (1865) <strong>und</strong> <strong>in</strong> Percy Gregs "Across the<br />
Zodiac" (1880) vor.<br />
161 Die Fliegende Siedlung von 1914 <strong>ist</strong> ebenfalls <strong>in</strong> den späten Radierungszyklus aufgenommen<br />
(Abb. 603).<br />
162 Traumaufzeichnung 1908 (vgl. Anm. 159); von dort auch die folgenden Zitate.<br />
163 So kann <strong>in</strong> dem Roman "Lesabéndio" (1913) e<strong>in</strong> Turmbauprojekt der Pallasianer erst<br />
nach der Entdeckung <strong>des</strong> "Kaddimohnstahls" <strong>in</strong> Angriff genommen werden. Hubert Bär<br />
resümiert, daß die Pallasianer mit der sie umgebenden Natur <strong>in</strong> technisch-wissenschaftliche<br />
Ause<strong>in</strong>andersetzung treten, die sie zu neuen Materialien führt, ohne daß sie unkontrollierbare<br />
Rückschläge erleiden müssen (Bär 1977, 196). - Zu Scheerbarts Erf<strong>in</strong>dungsgabe<br />
vgl. ebd., Kap. 5.1: "Die Konstruktion phantastischer Objekte im Werk Scheerbarts"<br />
(67 ff.) sowie Kap. 10.2: "Die technische Kulturutopie" (186 ff.).<br />
164 Erstes Tagebuchblatt v. 26.2.1906, W/Tg 3, SHI<br />
165 Dr. Gmel<strong>in</strong> <strong>und</strong> der zweite Arzt <strong>des</strong> Sanatoriums, Dr. Carl Haeberl<strong>in</strong>, kauften bei dieser<br />
Gelegenheit geme<strong>in</strong>sam <strong>und</strong> im voraus das erste Exemplar der wenig später fertiggestellten<br />
Mappe "Schaffende Kräfte" (Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 16.1.1909, W/Tg 6, SHI). Gmel<strong>in</strong><br />
kann als Vorkämpfer moderner Heilmethoden <strong>und</strong> als aufgeschlossener Kunstkenner<br />
gelten. Das von 1898 bis 1905 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Auftrag errichtete Nordseesanatorium <strong>in</strong> Boldixum<br />
auf Föhr entstand als zweites Frühwerk <strong>des</strong> Architekten August Endell nach dem<br />
Münchner Atelier "Elvira" (1896, vgl. Beseler 1981). Haeberl<strong>in</strong>, den Gmel<strong>in</strong> 1902 nach<br />
Föhr holte, befaßte sich als Dilettant mit Ersche<strong>in</strong>ungen <strong>des</strong> Volkslebens <strong>und</strong> mit den<br />
Lebens- <strong>und</strong> Arbeitsformen der Inselbewohner. Unter s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ägide wurde nach der Gründung<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Naturwissenschaftlich-Kulturh<strong>ist</strong>orischen Vere<strong>in</strong>s (1902) im Jahre 1908 e<strong>in</strong><br />
Heimatmuseum <strong>in</strong> Wyk auf Föhr errichtet. Haeberl<strong>in</strong> war durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> volksk<strong>und</strong>lichen<br />
Studien <strong>und</strong> als Arzt mit der Inselbevölkerung eng verb<strong>und</strong>en (vgl. Schlee 1971, 107 f.).<br />
Vgl. a. Anm. 97.<br />
166 Tagebuchaufzeichnung v. 16.1.1909, W/Tg 6, SHI<br />
167 In "Rakkox der Billionär" (1900) soll national motivierte militärische Gewalt folgendermaßen<br />
neutralisiert werden: "Wir müssen Ch<strong>in</strong>a zum <strong>in</strong>ternationalen Staate machen. Wir<br />
müssen durch glänzende Anerbietungen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Vermischung aller Rassen <strong>des</strong> Erdballs<br />
durchzuführen suchen. Wir müssen die Übersiedlung sehr vieler Europäer nach Ch<strong>in</strong>a<br />
<strong>und</strong> sehr vieler Ch<strong>in</strong>esen nach Europa veranlassen. (...) Wir müssen das r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Rührei aus<br />
den Nationen machen" (Scheerbart 1900, Ausg. 1976, 25 f.). - Im "Kometentanz" (1903)<br />
geht es bereits
- 311 -<br />
um genetische Rassenverrnischung: "Die Hofleute, die sich im Gefolge <strong>des</strong> Königs<br />
bef<strong>in</strong>den, gehören allen Menschenrassen <strong>des</strong> Erdballs an - zume<strong>ist</strong> neuen Mischrassen"<br />
(Scheerbart 1903, 15).<br />
168 Tagebuchaufzeichnung v. 16.1.1909, W/Tg 6, SHI<br />
169 Tagebuchaufzeichnung v. 29.1.1909, W/Tg 6, SHI; von dort auch die folgenden Zitate<br />
170 Er<strong>in</strong>nert sei an die Planetenk<strong>in</strong>derbilder <strong>des</strong> fünfzehnten Jahrh<strong>und</strong>erts <strong>in</strong> der Buchmalerei<br />
<strong>und</strong> <strong>in</strong> Fresken von P<strong>in</strong>turicchio mit der Darstellung von menschlichen Charakteren <strong>und</strong><br />
Berufen, die <strong>in</strong> astrologischem S<strong>in</strong>ne unter dem E<strong>in</strong>fluß bestimmter Planeten stehen. Die<br />
Darstellungen enthalten Personifikationen der betreffenden Planeten sowie Tierkreiszeichen.<br />
171 Siegmar Holsten (1983, 54 u. 62) nennt lediglich das Gemälde "Rex" <strong>des</strong> litauischen Malers<br />
Mikolajus Konstant<strong>in</strong>as (Čiurlionis (1875-1911) von 1908 <strong>und</strong> František Kupkas Gemälde<br />
"Der erste Schritt" (um 1909, Abb. ebd. 63) als vergleichbar frühe Darstellungen.<br />
Čiurlionis malte 1907-09 <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Reihe von Temperabildern, die Tierkreiszeichen, Sternformationen<br />
<strong>und</strong> Blicke <strong>in</strong>s All enthalten - zusammengesetzt aus summarischen Sternchenmotiven.<br />
S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bilder, die Titel wie "Sternsonate", "Die Erschaffung der Welt" oder<br />
"Die Welt <strong>des</strong> Mars" heißen, sollen "Gedanken über die geheimnisvolle Größe <strong>des</strong> Weltalls"<br />
ausdrücken (Ausst.-Kat. Čiurlionis 1979, 12). Das Gemälde "Rex" zeigt den Erdball<br />
mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m weiteren umschließenden Kreis, aus dem Architekturen nach Art mittelalterlicher<br />
Darstellungen <strong>des</strong> Neuen Jerusalems herauswachsen. František Kupka (1871-<br />
1957), der sich schon seit 1897 mit Astronomie beschäftigt hatte, zeigte <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bildern<br />
die "materielle Festigkeit leuchtender Körper <strong>und</strong> den Zeitverlauf ihrer Bewegungsbahnen",<br />
Themen zu Mikro- <strong>und</strong> Makrokosmos <strong>und</strong> gelangte früh zu gegenstandslosen<br />
Darstellungen (Holsten 1983, 64).<br />
172 William Turner: "Schatten <strong>und</strong> Dunkelheit; der Abend der S<strong>in</strong>tflut", 1843, London, Tate<br />
Gallery (Ausst.-Kat. William Turner 1976, Kat. Nr. 156)<br />
173 William Turner: "Licht <strong>und</strong> Farbe (Goethes Farbenlehre); der Morgen nach der S<strong>in</strong>tflut,<br />
Moses schreibt das Buch der Genesis", 1843, London, Tate Gallery (Ausst.-Kat. William<br />
Turner 1976, Kat. Nr. 157)<br />
174 Willy Ley berichtet, daß noch 1905/07 verschiedene Methoden der Sternfotografie mite<strong>in</strong>ander<br />
konkurrierten: "... Lowell hatte ... zwischen 1905 <strong>und</strong> 1907 den Versuch unternommen,<br />
Planet X (Trans-Neptun) fotografisch zu f<strong>in</strong>den. Hierzu hatte er den umgekehrten<br />
Weg e<strong>in</strong>geschlagen wie Prof. Max Wolf am Observatorium Königsstuhl, wenn er<br />
Planetoiden jagte. Professor Wolf g<strong>in</strong>g bei der Planetoidenjagd so vor, daß er <strong>e<strong>in</strong>e</strong> fotografische<br />
Platte, die den Fixsternen nachgeführt wurde, mehrere St<strong>und</strong>en belichtete. (...)"<br />
(Ley 1978, 476).<br />
175 Zu Fechner vgl. 1. Kapitel, S. 45 f.
- 312 -<br />
176 Titel solcher Aufsätze von Paul Scheerbart s<strong>in</strong>d: Sternschnuppen <strong>und</strong> Kometen, <strong>in</strong>: Die<br />
Gegenwart, Bd. 75, 1909, S. 242-44; Der Halleysche Komet, ebd., Bd. 76, S. 886; Die<br />
Nebulartheorie, ebd., S. 969-970; Nebelsterne, ebd. Bd. 78, 1910, S. 789-90. - Vgl. a. Bär<br />
1977, 114)<br />
177 Die "Astralen Noveletten" (1912) enthalten mehrfach kurze Beschreibungen von der<br />
Gestalt fremder Sterne: "Die Ceresleute wohnen nun gar nicht auf dem Kern <strong>des</strong> Sterns<br />
Ceres; sie wohnen auf Wolkenländern, die <strong>in</strong> komplizierten Kurven den eigentlichen<br />
Stern umschweben ..." (81). - "Der Asteroid Juno war <strong>e<strong>in</strong>e</strong> dicke r<strong>und</strong>e Scheibe ...; der<br />
Durchmesser ... betrug noch nicht e<strong>in</strong>mal zweih<strong>und</strong>ert Kilometer, dick war er höchstens<br />
fünf - aber so dick war er nur <strong>in</strong> der Mitte, den Rändern zu wurde er immer dünner" (67).<br />
- "Der Asteroid Vesta <strong>ist</strong> immer ganz von dicken schweren Wolken umhüllt ...: Die<br />
Vestabewohner wissen <strong>des</strong>wegen auch nicht, daß sie <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Raum leben, <strong>des</strong>sen Hauptmerkmal<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> vollkommen unverständliche Endlosigkeit <strong>ist</strong>" (49).<br />
178 Im Umkreis der Universum-Bilder entstand auch das im August 1913 fertiggestellte<br />
Gemälde "Woher - Woh<strong>in</strong>?" (Abb. 79), das den zusammengekauerten Denker vor dem<br />
H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s mit phantastischen Sternen dekorierten hellblauen Weltalls zeigt. Die<br />
Darstellung wird oben von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m halbr<strong>und</strong>en gemalten Rahmen begrenzt, <strong>in</strong> den acht zu<br />
Halbkugeln verschnittene Himmelskörper e<strong>in</strong>getragen s<strong>in</strong>d. Das Weltall <strong>ist</strong> hier allerd<strong>in</strong>gs<br />
nicht Hauptthema, sondern bestimmt Stimmung <strong>und</strong> Denkebene <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong>.<br />
179 Scheerbart zeichnete für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Lithographie-Mappe "Jenseitsgalerie" (1907) Darstellungen<br />
von Gestirnen, die jedoch zu grotesken "Wesen" mit Gesichtern <strong>und</strong> vielfältigen Auswüchsen<br />
physiognomisiert s<strong>in</strong>d (Abb. <strong>in</strong> der Neuauflage Paul Scheerbart: Die große Revolution.<br />
E<strong>in</strong> Mondroman <strong>und</strong> Jenseitsgalerie, Leipzig u. Weimar 1983 sowie bei Bär<br />
1977 <strong>und</strong> Rausch 1981).<br />
180 Marianne Kest<strong>in</strong>g (1983, 21) zitiert diese Begriffe nach Kand<strong>in</strong>skys eigenen Schriften.<br />
181 Baron Mart<strong>in</strong> von Waldthausen hatte bereits am 22. März 1902 <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Architektenwettbewerb<br />
für e<strong>in</strong> Schloß bei Budenheim am Rhe<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Nähe von Ma<strong>in</strong>z ausgeschrieben.<br />
Der Bau wurde im W<strong>in</strong>ter 1902/03 begonnen <strong>und</strong> im Januar 1910 fertiggestellt (frdl.<br />
Mittlg. Oberarchivrat Schütz, Stadtarchiv Ma<strong>in</strong>z). Baron Waldthausen schrieb am 22.<br />
Februar 1908 erneut <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Wettbewerb für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> schloßartige Villa bei Ma<strong>in</strong>z aus, an dem<br />
Hablik teilnahm. Preise <strong>in</strong> Höhe von 3.500, 2.500 <strong>und</strong> 1.500 Mark wurden ausgesetzt;<br />
den Zuschlag erhielt der Pforzheimer Architekt Hans Bühl<strong>in</strong>g (frdl. Mittlg. Joachim Karl<br />
Laub, Budenheim/Rhe<strong>in</strong>).<br />
182 "Stumpfs Reformschiebefenster", für die Hablik seit 1908 die gesamte Werbegraphik gestaltete,<br />
fanden bis <strong>in</strong> die dreißiger Jahre regen Absatz für private <strong>und</strong> öffentliche Gebäude<br />
sowie als Modelle <strong>in</strong> Kunstgewerbeschulen. - Der Bausenator von Altona, Gustav<br />
Oelsner, verwendete sie <strong>in</strong> den zwanziger Jahren für den kommunalen Wohnungsbau.<br />
E<strong>in</strong>e Rechnung der Firma Richard Biel vom Okt. 1927 an den Altonaer Stadtbaume<strong>ist</strong>er<br />
Francke über Fensterbeschläge trägt den von Hablik gestalteten Briefkopf für "Stumpfs<br />
Reformschiebe-
- 313 -<br />
fenster" (im Staatsarchiv Hamburg; frdl. Mittlg. Dr. Chr<strong>ist</strong>oph Timm, Hamburg). - Die<br />
Schiebefenster sollten sich gegenüber den herkömmlichen Flügelfenstern durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
bessere Handhabung auszeichnen. Es waren Hebefenster, deren beide Hälften sich gegene<strong>in</strong>ander<br />
verschieben, kippen <strong>und</strong> <strong>in</strong> die Waagerechte klappen ließen. Das Re<strong>in</strong>igen der<br />
Fenster war damit vom Innenraum her möglich. Der Unterschied zu den <strong>in</strong> England <strong>und</strong><br />
Amerika gebräuchlichen Hebefenstern bestand <strong>in</strong> der Mechanik der Führungsschienen,<br />
die die Fensterhälften bei geschlossenem Zustand <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> plane Ebene brachten, während<br />
sie sonst gegene<strong>in</strong>ander versetzt stehen. Dadurch wurde <strong>e<strong>in</strong>e</strong> bessere Wärme- <strong>und</strong> Schallisolierung<br />
erzielt.<br />
183 In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Prospekt für "Stumpfs Reformschiebefenster" (um 1908) verwandelte Hablik <strong>in</strong><br />
Vergleichsbeispielen den "Fensterkreuzfriedhof der obligaten Straßenfassaden" mit Hilfe<br />
von Schiebefenstern zunächst <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> e<strong>in</strong>heitlich horizontal gegliederte Fläche <strong>und</strong> erreichte<br />
schließlich durch das Abknicken der Rahmenhölzer <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Rhythmisierung der<br />
Fensterbänder <strong>und</strong> die "vollständige neue Gliederung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Fassade durch das Stumpfsche<br />
Reformschiebefenster".<br />
184 Vgl. Anm. 165<br />
185 Pavel Janák: Hranol a pyramida, <strong>in</strong>: Umělecký měsíčník, Bd. 2, 1912/13, 168<br />
186 Literatur zum böhmischen Architektur- <strong>und</strong> Kunstgewerbe-Kubismus: Ausst.-Kat. Český<br />
kub<strong>ist</strong>ický <strong>in</strong>teriér 1976, Margolius 1976, Burkhardt/Lamarova 1982, Burkhardt 1982<br />
187 Zum Wohnungselend <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> vgl. u.a. das Kapitel "Der graue Alltag <strong>in</strong> der st<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rnen<br />
Stadt" bei Bollerey/Hartmann 1978, 194 ff.<br />
188 Gustav Landauer gründete 1908 den "Sozial<strong>ist</strong>ischen B<strong>und</strong>", <strong>des</strong>sen erster Artikel lautete:<br />
"Die Gr<strong>und</strong>form der sozial<strong>ist</strong>ischen Kultur <strong>ist</strong> der B<strong>und</strong> der selbständig wirtschaftenden,<br />
untere<strong>in</strong>ander <strong>in</strong> Gerechtigkeit tauschenden Wirtschaftsgeme<strong>in</strong>schaften" (Die zwölf Artikel<br />
<strong>des</strong> Sozial<strong>ist</strong>ischen B<strong>und</strong>es, <strong>in</strong>: Der Sozial<strong>ist</strong>, Bd. 2, Nr. 14, Juli 1910, S. 105, Neudruck<br />
Vaduz 1980).<br />
189 Franz Oppenheimer machte auch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Fre<strong>und</strong>, den Soziologen Gottfried Salomon<br />
(1892-1964), auf Habliks Arbeiten aufmerksam, so daß jener über die Vermittlung <strong>des</strong><br />
zweiten Arztes im Nordseesanatorium, Dr. Haeberl<strong>in</strong>, von dem Künstler <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Auswahl<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeiten erbat (Carl Haeberl<strong>in</strong> an Wenzel Hablik, Wyk/Föhr 1.12.1920, EL/K 16,<br />
SHI). Außerdem stellte Oppenheimer für Hablik <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Verb<strong>in</strong>dung zu dem Direktor <strong>des</strong><br />
Städelschen Kunst<strong>in</strong>stituts <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, Prof. Georg Swarzensky, her, <strong>und</strong> teilte<br />
ihm schließlich mit, "daß Sie <strong>in</strong> den nächsten Tagen von Prof. S. <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Brief erwarten<br />
dürfen, der Ihnen Freude machen wird. Er teilt me<strong>in</strong> Urteil, wünscht e<strong>in</strong>ige der Blätter für<br />
se<strong>in</strong> Institut zu erwerben <strong>und</strong> stellt Ihnen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> guten Dienste für die Veranstaltung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Ausstellung zur Verfügung." Es kamen jedoch weder e<strong>in</strong> Ankauf von Arbeiten noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Ausstellung zustande (frdl. Mittlg. Dr. Margret Stuffmann, Graphische Sammlung, Städelsches<br />
Kunst<strong>in</strong>stitut, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 21.5.1979).
- 314 -<br />
190 Hablik schilderte die Reise zu Herwarth Walden ausführlich <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tagebuch. Der<br />
Bericht vermittelt E<strong>in</strong>blicke <strong>in</strong> die gesellschaftliche Stellung Waldens kurz nach der<br />
Gründung <strong>des</strong> "Sturm": "23.V.12 Von Berl<strong>in</strong> wieder zurück. 4 Tage dagewesen mit Papa<br />
(Richard Biel), der wieder ges<strong>und</strong> genug war, um doch noch zu reisen. <strong>Dieser</strong> Berl<strong>in</strong>er<br />
Besuch <strong>ist</strong> für mich <strong>in</strong> vieler H<strong>in</strong>sicht <strong>in</strong>teressant <strong>und</strong> von 'Bedeutung' gewesen. Montag<br />
war ich nämlich bei dem Herausgeber der 'Zeitung für Kultur <strong>und</strong> die Künste', Herwarth<br />
Walden. Ich traf ihn <strong>in</strong> der Ausstellung der 'Futur<strong>ist</strong>en'. - Obwohl ich weit davon entfernt<br />
b<strong>in</strong>, <strong>in</strong> den Bildern d. F. ernste <strong>und</strong> tiefe Kunst zu sehen - (weder farbig, noch rhythmisch,<br />
noch formenreich f<strong>in</strong>de ich die bunten Tafeln), so konnte ich doch nicht <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gewisse<br />
Achtung vor dem Veranstalter dieser Ausstellung unterdrücken, der es wagte, offen für<br />
solche Auffassung e<strong>in</strong>zutreten. Das will <strong>in</strong> dieser feigen Zeit sehr viel bedeuten, zumal<br />
H.W. nicht über Kapital verfügt, sondern lediglich (wie er mir sagte) von heute auf<br />
morgen lebt. - Ich fuhr mit W. dann nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Redaktionsbüro <strong>und</strong> zeigte ihm m<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Mappe "Schaffende Kräfte", ferner Fotos von e<strong>in</strong>igen Bildern sowie e<strong>in</strong>ige m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r farbigen<br />
Tuschemalereien. 'Sie können <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ausstellung bekommen', sagte er etwas gönnerhaft.<br />
'Die Sachen s<strong>in</strong>d sehr schön. Ich mache Sie allerd<strong>in</strong>gs aufmerksam darauf, daß Sie<br />
'untendurch' se<strong>in</strong> werden, wenn Sie mit mir <strong>in</strong> Beziehung treten, denn ich werde für<br />
absolut unheilbar verrückt erklärt, was mir freilich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ehre <strong>ist</strong>.' (...) - Abends war ich<br />
dann auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> E<strong>in</strong>ladung h<strong>in</strong> im Café <strong>des</strong> Westens. Als ich h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> kam, tönte mir aus<br />
allen Ecken e<strong>in</strong> 'Ah' <strong>und</strong> e<strong>in</strong> Kichern <strong>und</strong> Lachen entgegen. W. war nicht da. Wie<br />
überrascht war ich aber plötzlich, Willy Nowak neben Max Oppenheimer da zu f<strong>in</strong>den.<br />
M<strong>e<strong>in</strong>e</strong> wirklich von Herzen kommende Begrüßung rührte N. allerd<strong>in</strong>gs nicht <strong>und</strong> dämpfte<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Freude. Als ich vollends das blasierte <strong>und</strong> ekelhaft gemachte Gesicht sah, das O.<br />
aufgesetzt hatte, da regte sich <strong>in</strong> mir die Wut. Nun sah ich auch, wie unbeweglich beide<br />
saßen <strong>in</strong> schwarzem Smok<strong>in</strong>g <strong>und</strong> hohen Kragen <strong>und</strong> Manschetten <strong>und</strong> scharfkantigen<br />
Bügelfalten. - Ich drückte m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Verw<strong>und</strong>erung darüber aber erst aus, als beide mich<br />
wegen m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kleidung zur Rede stellten. Novak!, er, für den ich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> rätselhafte Zuneigung<br />
schon <strong>in</strong> Prag empfand, er war wie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Puppe aus der Gesellschaft <strong>und</strong> gar O.! Es<br />
war <strong>e<strong>in</strong>e</strong> große Enttäuschung. Ich fragte, ob sie wüßten, wo W. wäre, wann er me<strong>ist</strong> käme<br />
usw., da ich annahm, daß man <strong>e<strong>in</strong>e</strong> solche Figur wie W. leicht kennenlernt, wenn man 3<br />
Monate, wie N. sagte, <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> im selben Café täglich verkehrt. Beide sagten, sie wüßten<br />
nicht, was W. wäre. Ich konnte dabei den Ton nicht überhören, den O. anschlug <strong>und</strong> war<br />
empört <strong>und</strong> angewidert wie selten über diese Art Maske <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Subjekts. In scharfen<br />
Worten gab ich dem auch Ausdruck ... Eben als die Situation sehr brenzlig war, kam der<br />
Kellner <strong>und</strong> sagte mir, W. wäre da. Ich verabschiedete mich von N. herzlich, ohne das<br />
gleiche an ihm zu bemerken, gab O. mit deutlicher Verachtung die Hand <strong>in</strong> entsprechender<br />
Form, gefaßt darauf, daß er sie abwe<strong>ist</strong>e, aber nichts dergleichen - mit schöner<br />
graziöser Maske reichte er mir die s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>. Da stieg es mir eklig <strong>in</strong> den Hals ... Ich g<strong>in</strong>g an<br />
den Tisch <strong>des</strong> W.- Da wurde mir denn bald die Situation klar! Ich erfuhr, daß O. schon<br />
lange <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> lebt <strong>und</strong> 'malt' <strong>und</strong> <strong>in</strong> der 'Gesellschaft' <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Rolle spielt. (...) Deshalb also<br />
diese Maske! O. wuß-
- 315 -<br />
te nicht, ob ich orientiert sei. Es kam noch Boccioni (Futur<strong>ist</strong>en), e<strong>in</strong> Dr. Neumann, e<strong>in</strong><br />
Dr. Bäumer, e<strong>in</strong> Schmidt-Rottluff u. andere. - Die Futur<strong>ist</strong>en s<strong>in</strong>d unreife Subjekte ohne<br />
universelles Empf<strong>in</strong>den. (...) Schmidt-Rottluff sche<strong>in</strong>t außer W. der Stärkste gewesen zu<br />
se<strong>in</strong>. Er war ganz verlegen <strong>und</strong> rot im Gesicht, als er mit mir sprach" (Tagebuchaufzeichnung<br />
v. 23.5.1912, W/Tg 10, SHI).<br />
191 E<strong>in</strong>e Postkarte mit dem "Pavillon <strong>des</strong> Stahlwerkverban<strong>des</strong>" ("Monument <strong>des</strong> Eisens")<br />
schickte Hablik von der Leipziger Baufachausstellung an Elisabeth L<strong>in</strong>demann (Leipzig,<br />
24.9.1913, SHI).<br />
192 Auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Zeichnung von 1906/07 f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> Gebäude mit dreieckigem Gr<strong>und</strong>riß, das<br />
auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bergrücken steht <strong>und</strong> von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r <strong>in</strong> die Pultdächer gebetteten Kugel bekrönt<br />
wird (Abb. 36).<br />
193 Paul Scheerbart wurde durch das "Glashaus" zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Buch "Glasarchitektur" angeregt,<br />
das bereits 1914 erschien <strong>und</strong> Vorschläge zur Glasbauweise für die verschiedensten<br />
Bereiche der Architektur <strong>und</strong> <strong>des</strong> Kunstgewerbes enthält. Das Buch bef<strong>in</strong>det sich als<br />
Erstausgabe <strong>in</strong> Habliks Bibliothek <strong>und</strong> bildet den e<strong>in</strong>zigen konkreten Nachweis für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Scheerbart-Aff<strong>in</strong>ität.<br />
194 Bereits im Juli 1913, also noch vor s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Besuch der Leipziger Baufachausstellung,<br />
zeichnete Hablik den Gr<strong>und</strong>riß <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s achteckigen Kuppelbaus (Abb. 119), zu dem jedoch<br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> weiteren Informationen vorliegen. - E<strong>in</strong> achteckiger Raum kommt auch <strong>in</strong> Scheerbarts<br />
Roman "Die Seeschlange" (1901) vor: "Dicke weiße Eisbärenfelle bedeckten den<br />
Boden <strong>des</strong> achteckigen Zimmers, <strong>in</strong> dem es so still wie <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kirche war. - Die beiden<br />
Fre<strong>und</strong>e saßen sich schweigend gegenüber an dem großen achteckigen Tisch <strong>und</strong> sahen<br />
sehr ge<strong>ist</strong>erhaft aus; <strong>in</strong> den acht Wandbecken brannten acht Armleuchter <strong>in</strong> durchsichtigen<br />
seeblauen kugelr<strong>und</strong>en Glasglocken ..." (Scheerbart 1901, 38).<br />
195 Es <strong>ist</strong> nicht bekannt, ob Hablik das "Glashaus" nur aus Publikationen oder aus eigener<br />
Anschauung kannte. Elisabeth L<strong>in</strong>demann nahm aber offenbar alle<strong>in</strong> mit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Textilentwürfen<br />
1914 an der Kölner Werkb<strong>und</strong>ausstellung teil, von wo sie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Brief an den<br />
Künstler schickte (Elisabeth L<strong>in</strong>demann an Wenzel Hablik, Köln 17.2.1914, WE/K 1914,<br />
SHI).<br />
196 Der Künstler bemühte sich um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Realisierung der Gemälde. Er schuf 1915 <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n aus<br />
zehn Blättern bestehenden Radierungszyklus "Das Meer" <strong>und</strong> kündigte dazu im Ausstellungskatalog<br />
an, daß er die Bilddarstellungen "als Entwurf für die Gemälde <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Schautempels<br />
direkt auf die Platte gezeichnet" hatte (Ausst.-Kat. Wenzel <strong>und</strong> Elisabeth Hablik<br />
1918). Dort <strong>ist</strong> auch die geplante Größe der Ölbilder angegeben.<br />
197 "Über mich h<strong>in</strong> spritzt der Gischt der Wasser, heult der W<strong>in</strong>d, zucken Blitze, die selbst<br />
die F<strong>in</strong>sternis <strong>in</strong> mir erhellen. (...) Aufspr<strong>in</strong>gend tauche ich <strong>in</strong> die Fluten <strong>und</strong> sehe jetzt,<br />
wie r<strong>in</strong>gs um mich alles ruhig <strong>in</strong> r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> warme Morgenfrühe gebettet daliegt. (...) Auf dem<br />
Eiland steht e<strong>in</strong> herrlicher Tempel von grünem Ste<strong>in</strong> auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r hohen Anhöhe von weißen<br />
Marmorstufen, im Kreis. Korallenrote Kapitäle liegen auf den Säulen <strong>und</strong> tragen funkelnd<br />
schwarzes Gebälk ebenfalls aus Marmor. Herrliche Mosaiken schmücken es,
- 316 -<br />
darüber breitet sich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> flache ger<strong>und</strong>ete Goldkuppel von welcher blitzhartes Leuchten<br />
strahlt" (Traumaufzeichnung v. 25.10.1912, Sammlung Kähler, Kiel). - "Goldene Türen<br />
standen weit geöffnet <strong>und</strong> ließen tief <strong>in</strong> e<strong>in</strong> strahlend helles Innere blicken, <strong>und</strong> daraus<br />
hervor quollen die Töne <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Musik, so pulsender Klänge, daß die gebannten Glieder,<br />
dem Glücksgefühl <strong>des</strong> Herzens h<strong>in</strong>gegeben, mich plötzlich mitten <strong>in</strong> den Marmorsaal<br />
getragen. - Spiegelglatter Boden, aus geschliffenen Kr<strong>ist</strong>allen gefügt zu w<strong>und</strong>erbaren<br />
Ornamenten, die Decke von purpurner Seide mit Tausenden grüner seltsamer Blätter <strong>und</strong><br />
weißer Blüten bestickt, die Wände von Malachit <strong>und</strong> schwarzem Marmor <strong>und</strong> Tische <strong>und</strong><br />
Ruhesitze von poliertem Ebenholz mit Elfenbe<strong>in</strong> <strong>und</strong> goldenen Intarsien" ("61. Traum",<br />
<strong>und</strong>at., WH/A VIII div. SHI).<br />
198 1790 entwarf Etienne Louis Boullée das Kenotaph für Isaac Newton <strong>in</strong> Gestalt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r riesigen<br />
Hohlkugel. Im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert entstanden Napoleon-Heiligtümer <strong>in</strong> Frankreich <strong>und</strong><br />
Deutschland, 1830-42 die von Klenze erbaute Walhalla bei Regensburg mit Büsten berühmter<br />
Deutscher, 1842-63 die Befreiungshalle bei Kehlheim von Klenze <strong>und</strong> Gärtner<br />
als Er<strong>in</strong>nerung an die Freiheitskriege (vgl. Hofstätter 2 1973, 151 f.).<br />
199 Otto Kohtz schreibt <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Vorwort (1909, 3): "Das Kunstwerk hat niemals Zweck.<br />
Die kunstvollsten Bauten waren schon stets der Vernunft am me<strong>ist</strong>en entgegen. Oder war<br />
es die Zweckmäßigkeit, die Paläste <strong>und</strong> Tempel baute, Pyramiden <strong>und</strong> Dome gen Himmel<br />
türmte? (...) Es <strong>ist</strong> sehr gut möglich, daß spätere Geschlechter ... e<strong>in</strong> Bauwerk oder <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Landschaft ohne allen Zweck nur zum Anschauen oder aus Lust zum Schaffen ...<br />
gestalten lassen." Wohl auch durch den E<strong>in</strong>fluß Paul Scheerbarts plante Kohtz "Kunstwerke<br />
zu schaffen, hoch wie das Himalaja, geschaffen von der Phantasie, wie e<strong>in</strong> Kästchen<br />
vom Juwelier, durchbrochen gleich Spitzen, den Ste<strong>in</strong> verwendet wie Metall, Wald<br />
<strong>und</strong> Wiesen wie Juwelen, die Gletscher wie Perlen <strong>und</strong> das Wasser wie Kr<strong>ist</strong>all" (3 f.).<br />
200 Bei dem abgebildeten Dokument (Abb. 126) handelte es sich um die zeitgenössische Fotografie<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Feder- <strong>und</strong> Tuschp<strong>in</strong>selzeichnung auf Millimeterpapier <strong>in</strong> Rollenform, die<br />
sich <strong>in</strong> weitgehend zerstörtem Zustand noch <strong>in</strong> der Sammlung Hablik bef<strong>in</strong>det.<br />
201 Nach Prag weisen auch e<strong>in</strong> Figurenfries im ersten Stock <strong>des</strong> Aufrisses für das "Regierungsgebäude",<br />
der an den reliefplastischen Figurenschmuck Prager Jugendstilfassaden<br />
er<strong>in</strong>nert, sowie die Bezeichnung "Repräsentationsgebäude", die im deutschen Sprachgebrauch<br />
ungewöhnlich <strong>ist</strong> <strong>und</strong> traditionell das Konzert- <strong>und</strong> Ausstellungshaus Prags bezeichnet,<br />
1906-11 <strong>in</strong> Formen <strong>des</strong> Prager Jugendstils errichtet.<br />
202 Die Bezeichnung "Schloß" <strong>ist</strong> auf der orig<strong>in</strong>alen Entwurfsrolle angebracht (vgl. Anm.<br />
200).<br />
203 Carl Hofer re<strong>ist</strong>e 1909 <strong>und</strong> 1911 nach Indien; Emil Nolde unternahm ebenso wie Max<br />
Pechste<strong>in</strong> 1913/14 <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Südsee-Expedition; 1914 re<strong>ist</strong>en Macke, Moilliet <strong>und</strong> Klee nach<br />
Tunis.
- 317 -<br />
204 Wenzel Hablik an Richard Biel, Konstant<strong>in</strong>opel 12.7.1910, Sammlung Kähler, Kiel<br />
205 Ia<strong>in</strong> Boyd Whyte (1981, 190 f.) nennt hier u.a.: Bernhard Kellermann: E<strong>in</strong> Spaziergang <strong>in</strong><br />
Japan, 1910; Alfred Döbl<strong>in</strong>: Die drei Sprünge <strong>des</strong> Wang-lun, 1915; Ku Hung M<strong>in</strong>g: Der<br />
Ge<strong>ist</strong> <strong>des</strong> ch<strong>in</strong>esischen Volkes <strong>und</strong> der Ausweg aus dem Krieg, 1916.<br />
206 Zu dem Themenkomplex Gotik-Orient vgl. das ausführliche Kapitel " 'Ge<strong>ist</strong>' <strong>und</strong> 'Volk' "<br />
bei Ia<strong>in</strong> Boyd Whyte 1981, 49 ff. - Oskar Beyer resümierte 1923 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Buch "Welt-<br />
Kunst. Von der Umwertung der Kunstgeschichte" (12 f.): "Die neue Bewegung verne<strong>in</strong>te,<br />
bekämpfte den klassischen Ge<strong>ist</strong>, den Kanon griechischer Harmonie, die aus der Antike<br />
stammenden Schönheitsbegriffe, sie knüpfte <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue, engste Verb<strong>in</strong>dung mit den unklassischen<br />
Stilkulturen: den mittelalterlichen <strong>und</strong> außereuropäischen, besonders den<br />
orientalischen Komplexen. Sie öffnete die Augen für Kunstmöglichkeiten, für Schönheitswerte,<br />
für Gesetzlichkeiten der Gestaltung, die bisher nicht bemerkt worden waren<br />
<strong>und</strong> <strong>des</strong>halb für Europa im wesentlichen gar nicht ex<strong>ist</strong>ierten."<br />
207 Geme<strong>in</strong>t <strong>ist</strong> die Beschriftung der zeitgenössischen Fotografie (Abb. 126, vgl. Anm. 200).<br />
208 Habliks Ge<strong>ist</strong>esverwandtschaft mit diesen Ideen <strong>ist</strong> auch dadurch belegt, daß er Adolf<br />
Behnes "Wiederkehr der Kunst" (1919), das <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Bibliothek erhalten <strong>ist</strong>, gründlich<br />
durcharbeitete <strong>und</strong> mit positiven Randbemerkungen versah.<br />
209 "Quellen<strong>in</strong>sel" (Abb. 134) <strong>und</strong> "Geisir" (Abb. 135) schließen damit an den als Mutterschoß<br />
aufgefaßten Kr<strong>ist</strong>allberg auf dem vierten Blatt der "Schaffenden Kräfte" an (1909,<br />
Abb. 60), der die lebenspendende Kraft der Erde auf den Menschen überträgt: "Das Weib<br />
- Die Erde - <strong>in</strong> die der Same fällt" (zugehöriger Aphorismus, Abb. 60 a).<br />
210 Vgl. das Kapitel "Die Rolle der Aktiv<strong>ist</strong>en" bei Ia<strong>in</strong> Boyd Whyte 1981, 54 ff.<br />
211 Tagebuchblatt 1906 (vgl. Anm. 54)<br />
212 Tagebuche<strong>in</strong>trag Hirschwang 6.12.1906, W/Tg 4, SHI<br />
213 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 1.11.1906, W/Tg 3, SHI<br />
214 Zur ersten Ausstellung der Wiener Sezession schrieb Ludwig Hevesi (1898, 1): "Die Anordnung<br />
der Ausstellung war von dem Bestreben geleitet, jedem Werke die Bed<strong>in</strong>gungen<br />
für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> künstlerische Wirkung nach Möglichkeit zu sichern. (...) Die Wandbekleidungen<br />
schaffen günstige H<strong>in</strong>tergründe; <strong>in</strong> ruhigem Dunkelrot oder Dunkelgrün gespritzte Wände<br />
wirken luftiger als glattgetönte; Friese <strong>und</strong> anderes Ornament von stilisierten Pflanzen<br />
s<strong>in</strong>d ganz ruhig, auch <strong>in</strong> ihrem matten, fast tonlosen Gold gehalten, so daß sie nicht zum<br />
Selbstzweck werden. So s<strong>in</strong>d es echt moderne Schauräume."<br />
215 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 27.8.1908, W/Tg 6, SHI<br />
216 Walter H. Dammann: Wenzel Hablik im Altonaer Museum, Zeitungsartikel an unbekanntem<br />
Ort, 1918, SHI
- 318 -<br />
217 Tagebuche<strong>in</strong>trag Prag 10.5.1907, W/Tg 5, SHI<br />
218 "Im Museum habe ich nur e<strong>in</strong>ige der Blätter, <strong>und</strong> zwar e<strong>in</strong>gerahmt, <strong>in</strong> ausgestellten Interieurs<br />
hängend gesehen ..." (Mela von Wagner an Wenzel Hablik, Wien 24.11.1909,<br />
SHI).<br />
219 Die Datierung ergibt sich aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Brief Wenzel Habliks an den Drucker Otto Fels<strong>in</strong>g <strong>in</strong><br />
Berl<strong>in</strong> v. 18.8.1908, SHI.<br />
220 Es handelt sich um die Frau <strong>des</strong> Malers Otto Ewel (vgl. Anm. 21; Wenzel Hablik an<br />
Galerie Lipsius & Tischer <strong>in</strong> Kiel, Itzehoe 24.1. 1910, WH/K 37, SHI).<br />
221 Hablik entwarf seit 1908 Tapeten für die Firma Adolf Soetje <strong>in</strong> Itzehoe, deren Inhaber<br />
Henry Soetje <strong>und</strong> Carl Ste<strong>in</strong> waren. Die Verb<strong>in</strong>dung kam durch Habliks Mäzen, den<br />
Holzhändler Richard Biel, zustande (Tagebuchnotiz v. 22.7.1908, W/Tg 6, SHI).<br />
222 Die Familien Carl Ste<strong>in</strong> <strong>und</strong> Henry Soetje gehörten zu den 'ersten Familien' von Itzehoe.<br />
Sie galten als reich <strong>und</strong> streng konservativ (frdl. Auskunft Herr Jochen Soetje, Itzehoe).<br />
Die Tapetengroßhandlung war mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Versand von jährlich 4.000 Musterbüchern bei<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Verschnitt von 40.000 Rollen der größte Tapetenversand <strong>in</strong> Norddeutschland <strong>und</strong><br />
das umsatzstärkste Engrosgeschäft im Lande (Werbeprospekt der Firma Adolf Soetje,<br />
Itzehoe, um 1920, SHI). Carl Ste<strong>in</strong> wurde 1946 zum Bürgerme<strong>ist</strong>er von Itzehoe gewählt<br />
(Irmisch 1960, 440).<br />
223 Der H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong> <strong>des</strong> Bil<strong>des</strong> wurde <strong>in</strong> den fünfziger Jahren von dem Itzehoer Maler Warncke<br />
weiß übermalt. Der ursprüngliche Zustand <strong>ist</strong> nicht überliefert.<br />
224 Der Tapetenentwurf stammt ebenso wie die Möbel von 1919, die Lampe von etwa 1923.<br />
Zu diesen Gegenständen vgl. weiter unten<br />
225 Zeitungskritik: Lose Blätter, an unbekanntem Ort, Kiel (?) 1918, SHI<br />
226 Der Ankauf fand im Mai 1925 statt (Martha Löwy an Wenzel Hablik, Brüx 6.5.1925,<br />
WH/K 27, SHI); der Preis betrug laut Ausst.-Kat. 8.000 tschechische Kronen. Das Bild<br />
bef<strong>in</strong>det sich heute <strong>in</strong> der Niederlassung der Nationalgalerie <strong>in</strong> Zbraslav nad Vltavou.<br />
227 Bilder von Edvard Munch zu diesem Thema, mit leichten Variationen <strong>in</strong> der Darstellung,<br />
s<strong>in</strong>d: Madonna (1893), Asche (1894), Eifersucht (1895), Die drei Stadien <strong>des</strong> Weibes<br />
(1902). Abbildungen bei Jean Selz: Edvard Munch, München 1974, <strong>und</strong> J.P. Hod<strong>in</strong>:<br />
Edvard Munch, London 1977.<br />
228 Die Käufer von Habliks Gemälden gehörten ausnahmslos der großbürgerlichen Schicht<br />
an. Neben den wohlhabenden Familien aus Itzehoe <strong>und</strong> Umgebung waren es laut <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Verkaufsl<strong>ist</strong>e der Hamburger Galerie Commeter vor allem Ärzte, Notare, Kaufleute <strong>und</strong><br />
Senatoren sowie die bekannten Kunstsammler Ernst Rump <strong>und</strong> Otto Pauly.<br />
229 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 18.8.1908, W/Tg 6, SHI<br />
230 Der Kritiker H.E. Wallsee brachte das Bild, das auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Format von 200 x 200 cm e<strong>in</strong><br />
hell lodern<strong>des</strong> Feuer darstellte, mit kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Strukturen <strong>und</strong> mit Lebewesen <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung<br />
<strong>und</strong> bestätigte damit Habliks Bemühungen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> universelle Vorstellung von der<br />
Natur
- 319 -<br />
zu vermitteln: "E<strong>in</strong>e hell auflodernde Flammengarbe, <strong>in</strong> der, je länger man h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>sieht,<br />
ganz so wie dies bei gewaltigen Feuersbrünsten <strong>in</strong> Wirklichkeit der Fall <strong>ist</strong>, e<strong>in</strong> reiches<br />
Leben voller Geheimnis anhebt. W<strong>und</strong>erliche Gebilde <strong>und</strong> Gestalten treten hervor, Kr<strong>ist</strong>alle<br />
lösen sich, Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong> erglühen, Salamander schreiten. Basiliskenaugen flimmern -<br />
e<strong>in</strong> w<strong>und</strong>erliches Neckspiel für die Augen, <strong>und</strong> doch als Ganzes, wie der Titel besagt, e<strong>in</strong><br />
Element" (H.E. Wallsee: E<strong>in</strong> Moderner, <strong>in</strong>: Hamburger Nachrichten v. 3.11.1908). - Die<br />
Zeitungskritik entstand nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m von Richard Biel arrangierten Besuch Wallsees <strong>in</strong> der<br />
bereits erwähnten E<strong>in</strong>zelausstellung <strong>des</strong> Künstlers 1908 <strong>in</strong> Itzehoe. - Das Gemälde "Feuer<br />
als Element" wurde 1911 durch die Hamburger Galerie Commeter an den Altonaer Stadtbaurat<br />
Emil Brandt verkauft <strong>und</strong> <strong>ist</strong> heute verschollen. Hablik malte 1913 e<strong>in</strong> weiteres<br />
Bild zu diesem Thema, das lediglich den Titel "Feuer" trägt <strong>und</strong> sich <strong>in</strong> der Sammlung<br />
Hablik, Itzehoe, bef<strong>in</strong>det (Abb. 144).<br />
231 Aus Entwürfen zu dem "Propaganda Vortrag, betreffend die Verwertung der Bauten <strong>des</strong><br />
Westerhofes zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Volkshaus. Der Volkshausgedanke; S<strong>in</strong>n, Ziel, Verwirklichung <strong>in</strong><br />
Itzehoe", handschriftl. Manuskript 1923, SHI. - Zu Habliks Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Volkshauses<br />
für Itzehoe vgl. 5. Kap., III. 3.<br />
232 Vgl. Anm. 210<br />
233 Zur Datierung vgl. Ia<strong>in</strong> Boyd Whyte 1981, 73<br />
234 Die Interpretation von Rita Kauder (1979, 116 f.), das Bild stelle <strong>in</strong> "positiver" Weise die<br />
"Zerstörungen durch den Krieg" dar, <strong>ist</strong> nicht haltbar. Sie vernachlässigt den Standort <strong>des</strong><br />
Gemäl<strong>des</strong> im Rahmen der übrigen Architekturmetaphern sowie die Beziehung zum<br />
literarischen Aktivismus. Kauders Deutung <strong>des</strong> Siegers über den Umweg "wenn (der<br />
Krieg) auch Opfer gekostet hat" <strong>ist</strong> r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Spekulation. Das Bild enthält zudem k<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
H<strong>in</strong>weise auf den Krieg, wie es <strong>in</strong> der Nachfolge <strong>des</strong> mit Rädern, Kanonen, Explosionen<br />
<strong>und</strong> wirklichen zerstörten Häusern angefüllten Bil<strong>des</strong> "Der Krieg" (1914) von Otto Dix zu<br />
erwarten wäre. - E<strong>in</strong>e positive Kriegsdarstellung <strong>ist</strong> bei Hablik für die Jahresmitte 1917<br />
bereits <strong>und</strong>enkbar. S<strong>e<strong>in</strong>e</strong> anfängliche Kriegsbege<strong>ist</strong>erung hatte sich ebenso wie die der<br />
breiten Bevölkerung <strong>in</strong> Abscheu gegenüber den s<strong>in</strong>nlosen Menschenopfern gewandelt. Im<br />
Ausst.-Kat. der Altonaer Gesamtausstellung 1918 drückte er die Hoffnung auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bewältigung<br />
<strong>des</strong> menschlichen Leids aus: "K<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zeit hatte Mut <strong>und</strong> Energie, Friede <strong>und</strong><br />
Freude jemals so nötig als die nach diesem Weltkrieg, gilt es doch dann, die durch die<br />
lange Kriegsdauer fast ganz vernichteten Lebenswerte neu zu begründen." In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Brief an die "Gläserne Kette" vom Januar 1920 schrieb er: "Es gilt - den Gedanken 'Krieg'<br />
auszumerzen aus den Herzen der Menschheit!" (veröff. <strong>in</strong>: Ausst.-Kat. Gläserne Kette<br />
1963, 15).<br />
235 Hillers "Ortsbestimmung" erschien <strong>in</strong> dem von Alfred Wolfenste<strong>in</strong> herausgegebenen aktiv<strong>ist</strong>ischen<br />
Jahrbuch "Die Erhebung", das Hablik bekannt war: Für Bruno Tauts Aufsatz<br />
"Architektur neuer Geme<strong>in</strong>schaft", der im zweiten Band der "Erhebung" 1920 erschien,<br />
schuf Hablik illustrierende Kuppelentwürfe. Der Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Kugelhauses (Abb. 359)<br />
trägt den Vermerk "für die Erhebung"; abgebildet wurde der "Freitragende, selbstspannende<br />
Kuppelbau" (Abb. 357), S. 275.
- 320 -<br />
236 Insgesamt liegen von dem Künstler fünf gedruckte Aufsätze, das Vorwort zur Mappe<br />
"Schaffende Kräfte" sowie die Beantwortung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Fragebogens <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Ausst.-Kat. zur<br />
Handwerkskunst als literarische Veröffentlichungen vor (vgl. Literatur- Verzeichnis).<br />
237 "... wir s<strong>in</strong>d die Dichter; <strong>und</strong> die Wissenschaftsschw<strong>in</strong>dler, die Marx<strong>ist</strong>en, die Kalten, die<br />
Hohlen, die Ge<strong>ist</strong>losen wollen wir wegräumen, damit das dichterische Schauen, das<br />
künstlerisch konzentrierte Gestalten, der Enthusiasmus <strong>und</strong> die Prophetie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Stätte<br />
f<strong>in</strong>den, wo sie fortan zu tun, zu schaffen, zu bauen haben ..." (Landauer 2 1919, 34).<br />
238 "Dies <strong>ist</strong> Geschichte, wiewohl Geschichte der Zukunft. E<strong>in</strong> Oberhaus! <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kammer der<br />
Ge<strong>ist</strong>igen! e<strong>in</strong> Deutsches Herrenhaus! Niemand hat da ernannt; niemand hat da gewählt;<br />
die Befugten traten <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Tages zusammen <strong>und</strong> sagten: wir s<strong>in</strong>d es" (Hiller 1918, 415).<br />
239 "Der Architekt muß sich auf s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n hohen, priesterhaft herrlichen, göttlichen Beruf bes<strong>in</strong>nen<br />
<strong>und</strong> den Schatz zu heben suchen, der <strong>in</strong> der Tiefe <strong>des</strong> Menschengemüts ruht. In voller<br />
Selbstentäußerung vertiefe er sich <strong>in</strong> die Seele <strong>des</strong> Volksganzen <strong>und</strong> f<strong>in</strong>de sich <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
hohen Beruf, <strong>in</strong>dem er, als Ziel wenigstens, <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Materie gewordenen Ausdruck für das<br />
gibt, was <strong>in</strong> jedem Menschen schlummert. E<strong>in</strong> glückbr<strong>in</strong>gen<strong>des</strong>, baugewordenes Ideal soll<br />
wieder erstehen <strong>und</strong> alle zum Bewußtse<strong>in</strong> führen, daß sie Glieder <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r großen Architektur<br />
s<strong>in</strong>d, wie es e<strong>in</strong>st war" (Taut 1919, 60).<br />
240 Wenzel Hablik an Richard Biel, Genua 1.7.1910, Sammlung Kähler, Kiel<br />
241 Wenzel Hablik an Richard Biel, Konstant<strong>in</strong>opel 21.8.1910, Sammlung Kähler, Kiel<br />
242 Wenzel Hablik an Richard Biel, Konstant<strong>in</strong>opel 29.7.1910, Sammlung Kähler, Kiel<br />
243 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 6.12.1908, W/Tg 6, SHI<br />
244 Wenzel Hablik an Richard Biel, Pattensen 15.8.1911, Sammlung Kähler, Kiel<br />
245 Direktor Edelmann, der Leiter der "M<strong>in</strong>eralien-Niederlage der staatl. sächs. Berg-Akademie<br />
Freiberg/Sachsen" betrieb <strong>in</strong> den Jahren 1921-23 <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ausführliche Korrespondenz<br />
mit Hablik, die den Ankauf von Sammelobjekten durch den Künstler sowie den gegenseitigen<br />
Austausch fachlicher Probleme betraf (Akte Mi/l, SHI).<br />
246 Von den fotografisch überlieferten Gruppen s<strong>in</strong>d nur noch wenige <strong>in</strong> der Sammlung<br />
Hablik, Itzehoe, erhalten.<br />
247 Auch auf dem Gebiet der Meeresbewohner erwarb sich der Künstler große Kenntnisse<br />
<strong>und</strong> trat mit anderen Sammlern <strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dung. Hugo St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r-Prag, Professor an der<br />
Staatl. Akademie für graphische Künste <strong>und</strong> Buchgewerbe <strong>in</strong> Leipzig, besuchte Hablik<br />
am 5.9.1920 <strong>in</strong> Itzehoe <strong>und</strong> erhielt bald darauf von ihm <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kollektion Muscheln, die<br />
offenbar als Vorbildersammlung für die Akademie gedacht war: "Die schöne Sendung der<br />
Muscheln <strong>ist</strong> vollkommen wohlbehalten hier angekommen <strong>und</strong> ich danke Ihnen herzlich<br />
für Ihre Mühe <strong>und</strong> für das
- 321 -<br />
gütige Interesse, mit dem Sie die e<strong>in</strong>zelnen Stücke ausgesucht haben. (...) Auch noch<br />
besonderen Dank für die mir persönlich zugedachten Stücke. Und jetzt bitte ich Sie re<strong>in</strong><br />
geschäftlich doch um die Übersendung der Rechnung <strong>und</strong> zwar um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> für alle zusammen,<br />
an die Akademie adressiert ... denn ich weiß noch nicht, welche Stücke ich für mich<br />
behalte <strong>und</strong> welche ich der Akademie überlasse" (Hugo St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r-Prag an Wenzel Hablik,<br />
Leipzig 11.12.1920, SHI).<br />
248 Max Ungethüm an Wenzel Hablik, Wien 19.10.1915, WH/K 3, SHI<br />
249 Die Sammlung <strong>ist</strong> weitgehend <strong>in</strong> ihrem Urzustand im ehemaligen Wohnhaus Wenzel<br />
Habliks, der heutigen Sammlung Hablik, Itzehoe, erhalten.<br />
250 Das 200 x 320 cm große Gemälde wurde erst nachträglich <strong>in</strong> das Gesamtverzeichnis der<br />
Gemälde aufgenommen (Gv. Nr. 508 A) <strong>und</strong> erhielt den Titel "Menschenwald mit See".<br />
Es <strong>ist</strong> unsigniert <strong>und</strong> <strong>und</strong>atiert, stellt aber e<strong>in</strong> Pendant zu dem am 2.12.1918 entstandenen<br />
Bild "Wenn die Säfte quellen <strong>und</strong> die Knospen schwellen" dar (Gv. Nr. 508, 204 x 137<br />
cm). Beide Bilder s<strong>in</strong>d Edvard Munchs etwa 1910 entstandenen Studien zum Gemälde<br />
"Menschenberg" vergleichbar, <strong>in</strong> denen sich aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r mit Menschen angefüllten Ebene<br />
e<strong>in</strong> Berg aus Menschen erhebt. An s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Spitze steht <strong>e<strong>in</strong>e</strong> mit ausgestreckten Armen der<br />
Sonne entgegengestreckte Gestalt. J.P. Hod<strong>in</strong> (1977, 137) erkannte die Verb<strong>in</strong>dung zu<br />
Fidus "Lichtgebet" nicht, sah aber Böckl<strong>in</strong>s "Toten<strong>in</strong>sel" <strong>und</strong> Nietzsches "Zarathustra" als<br />
Vorbilder.<br />
251 Natürlich h<strong>in</strong>kt der Vergleich: Bei Hablik fehlt die große Masse der <strong>in</strong> den "Kunst- <strong>und</strong><br />
W<strong>und</strong>erkammern" zusammengetragenen Naturalien <strong>und</strong> Kuriositäten (ausgestopftes<br />
Getier, urweltliche Knochen <strong>und</strong> allerlei Mißgeburten, Kunstuhren <strong>und</strong> Automaten,<br />
Waffen usw.); Kunsthandwerk <strong>und</strong> Gemälde waren nicht gesammelt, sondern von ihm<br />
selbst geschaffen.<br />
252 E<strong>in</strong> geb<strong>und</strong>enes, aber unvollständiges Exemplar von Erich Haeckels "Kunstformen der<br />
Natur" liegt <strong>in</strong> der Sammlung Hablik, Itzehoe, vor.<br />
253 Vgl. hierzu die bereits zitierte Passage aus dem Brief an Ewald Bender 1909 (vgl. Anm.<br />
80): "Dazu <strong>ist</strong> es nötig, daß es dem Künstler gel<strong>in</strong>gt, die Gesetze, welche millionenfach <strong>in</strong><br />
den Bauformen der Natur stecken, zu erkennen <strong>und</strong> für sich <strong>und</strong> se<strong>in</strong> eigenes Schaffen<br />
gleich gültige zu erf<strong>in</strong>den."<br />
254 Der Meldorfer Gymnasialprofessor Karl He<strong>in</strong>rich Frese, der Hamburger Arzt Dr. Chr<strong>ist</strong>ian<br />
Bruhn sowie Dr. Carl Haeberl<strong>in</strong> aus Wyk auf Föhr sandten Hablik von ihnen<br />
gesammelte M<strong>in</strong>eralien zu. Alle drei besaßen die Mappe "Schaffende Kräfte" sowie<br />
Ölgemälde <strong>des</strong> Künstlers. Für Frese <strong>und</strong> Bruhn entwarf Hablik ganze Innene<strong>in</strong>richtungen.<br />
E<strong>in</strong> um 1918 entworfener Sammlungsschrank für Dr. Haeberl<strong>in</strong> <strong>in</strong> Form <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Bergkr<strong>ist</strong>alls<br />
(Abb. 485) wurde offenbar nicht ausgeführt.<br />
255 Das früheste datierte Schmuckstück nach Habliks Entwurf <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> <strong>in</strong> Silber gefaßter Nephritanhänger,<br />
der auf der Rückseite die Bezeichnung trägt: "Juanita Biel, Itzehoe 1912"<br />
(Abb. 684).<br />
256 E<strong>in</strong>e ausführliche Rekonstruktion der Ausstellung erfolgte <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m bereits publizierten<br />
Aufsatz <strong>des</strong> Verfassers (1981).
- 322 -<br />
257 Aus dem Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Lebenslauf, um 1908 (vgl. Anm. 24)<br />
258 Wenzel Hablik an Prof. Rose Burger 1913 (vgl. Anm. 96)<br />
259 E<strong>in</strong>e detaillierte Darstellung der "Beethovenausstellung" gab Marian Bisanz-Prakken<br />
1980. Sie schrieb: "Die Veranstalter der 'Beethovenausstellung' g<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> der Idee der<br />
'Raumkunst', die bei ihnen auf fruchtbaren, durch eigene Bestrebungen vorbereiteten<br />
Boden fiel, sogar noch über Kl<strong>in</strong>ger h<strong>in</strong>aus, der es nur zu monumentalen E<strong>in</strong>zelkunstwerken<br />
für ideale Räume gebracht hatte. In diesem S<strong>in</strong>ne <strong>ist</strong> die 'Beethovenausstellung' <strong>in</strong><br />
weit höherem Maße als 'Gesamtkunstwerk' anzusehen" (27 f.).<br />
260 Die "Kunstmöbelfabrik" August Ungethüm im 5. Wiener Bezirk, Obere Amtshausgasse<br />
27, wurde von dem seit den 1860er Jahren <strong>in</strong> Wien ansässigen sächsischen Tischler August<br />
Friedrich Ungethüm (1834-um 1905) gegründet <strong>und</strong> umfaßte 1888 e<strong>in</strong> breites dre<strong>ist</strong>öckiges<br />
Haus mit Werkstätten, Lager, Firmen Verwaltung <strong>und</strong> Familienwohnung.<br />
Später wurde <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ständige Ausstellung von kompletten Zimmere<strong>in</strong>richtungen angeschlossen.<br />
Drei von fünf Söhnen, darunter Max Ungethüm, wurden im väterlichen Betrieb<br />
als Tischler ausgebildet; der Sohn August Ungethüm studierte Architektur bei Otto<br />
Wagner <strong>und</strong> Josef Hoffmann <strong>und</strong> arbeitete <strong>in</strong> der Möbelfabrik als Designer (alle Angaben<br />
aus Behal 1981, 69). Habliks Verb<strong>in</strong>dung zur Firma Ungethüm entstand 1902/04 über die<br />
Verlobte Max Ungethüms, Melanie von Wagner, die zusammen mit Hablik an der Wiener<br />
Kunstgewerbeschule studierte. Max Ungethüm († 1947), mit dem Hablik bis zu s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Tode befre<strong>und</strong>et blieb, wurde 1909 Leiter der Möbelfabrik. - An die Möbelfirma Hugo<br />
Schmidl gelangte Hablik über s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kommiliton<strong>in</strong> an der "Myrbach-Schule" Agnes<br />
Schmidl, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schwester <strong>des</strong> Firmen<strong>in</strong>habers (vgl. WH/K 9, SHI).<br />
261 Bei den frühen Aquarellen, die e<strong>in</strong> Arbeitszimmer <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Ausstellungssaal zeigen<br />
(Abb. 155-156), dürfte es sich um Wiedergaben bereits ex<strong>ist</strong>ierender Räume handeln. Die<br />
Wahl <strong>des</strong> eng begrenzten Bildausschnitts mit überschnittenen Möbeln <strong>und</strong> die summarische<br />
Behandlung der Details deuten darauf h<strong>in</strong>.<br />
262 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 21.11.1908, W/Tg 6, SHI<br />
263 Tagebuchaufzeichnungen 1908/09, W/Tg 6 <strong>und</strong> 7, SHI<br />
264 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 27.3.1909, W/Tg 7, SHI<br />
265 Die Komb<strong>in</strong>ation aus zwei Sofas, Vitr<strong>in</strong>e <strong>und</strong> Tisch <strong>ist</strong> <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r zweiten Ausfertigung erhalten.<br />
Sie wurde Anfang der zwanziger Jahre nachgebaut <strong>und</strong> bef<strong>in</strong>det sich heute <strong>in</strong> verändertem<br />
Zustand <strong>in</strong> Meldorfer Privatbesitz.<br />
266 Paul Klopfer (1907, Abb. 2 a) zeigt die charakter<strong>ist</strong>ische Ecklösung aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Vitr<strong>in</strong>e mit<br />
seitlichen Sofas nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Entwurf von M. Junge sowie <strong>e<strong>in</strong>e</strong> nach dem gleichen Muster<br />
gestaltete "Herrenzimmerecke" mit Tisch <strong>und</strong> Stuhl nach eigenem Entwurf (Abb. 9 c)<br />
(Abb. 160).<br />
267 Auffällige Parallelen zwischen den Ensembles von Alfred Koch <strong>und</strong> Hablik s<strong>in</strong>d die Ex<strong>ist</strong>enz<br />
<strong>und</strong> der Aufstellungsort der Standuhr, die beiden gleichartig über dem Sofa aufgehängten<br />
Ölbilder sowie die schmale untapezierte Wandzone unterhalb der Zimmerdecke.
- 323 -<br />
268 Die e<strong>in</strong>fache Konstruktion auf Rahmen <strong>und</strong> Füllung <strong>und</strong> die aufgesetzten Scharniere<br />
werden sowohl von Sebastian Müller als auch im Ausst.-Kat. Riemerschmid 1983 als<br />
typische, vom Funktionalismus geprägte Stilelemente beschrieben. "Riernerschmids Möbel<br />
zeigen die Maserung <strong>des</strong> Naturholzes <strong>und</strong> folgen der traditionellen, unornamentierten<br />
<strong>und</strong> rechtw<strong>in</strong>klig verarbeiteten Platten- <strong>und</strong> Rahmenkonstruktion, deren Fügungscharakter<br />
durch Offenlegen der Konstruktionsfugen, sichtbares Verzapfen <strong>und</strong> aufgesetzte<br />
visuell auffällige Scharniere bei beweglichen Teilen konstruktiv<strong>ist</strong>isch hervorgehoben<br />
wird" (Müller 1974, 70). Beschläge <strong>und</strong> Schlösser wurden nicht <strong>in</strong> das Holz e<strong>in</strong>gelassen,<br />
da die Masch<strong>in</strong>en nur schwer genau abgemessene Vertiefungen herstellten konnten (Ausst.-Kat.<br />
Richard Riemerschmid 1983, 194).<br />
269 Die Arbeiten von C.R. Mack<strong>in</strong>tosh übten seit der berühmten 8. Wiener Sezessionsausstellung<br />
vom 3.11. bis 29.12.1900 mit Europäischem Kunstgewerbe <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n starken E<strong>in</strong>fluß<br />
auf die Wiener Kunstgewerbeschule aus, wo Hablik ab 1902 studierte. Josef Hoffmann<br />
entwickelte fre<strong>und</strong>schaftliche Beziehungen zur Glasgower Künstlergruppe <strong>und</strong> zu anderen<br />
englischen Werkstattgeme<strong>in</strong>schaften. Er re<strong>ist</strong>e nach London, um das Werkstättenpr<strong>in</strong>zip<br />
C.R. Ashbees kennenzulernen. "Unter dem englischen E<strong>in</strong>fluß wandelte sich<br />
der gefühlsbetonte Sezessionsstil zu klarer sachlicher Gestalt, verb<strong>und</strong>en mit geometrischem<br />
Flächenmuster" (Sterner 1975, 107).<br />
270 Die Stoffe wurden nicht von Hablik entworfen, sondern waren bereits e<strong>in</strong>geführte Produkte<br />
der Handweberei. Die Fenstervorhänge zeigten e<strong>in</strong> 1906 von A. Hamburger entworfenes<br />
Vogel-Ranken-Muster (abgebildet im Werkstattkatalog der Handweberei<br />
Hablik-L<strong>in</strong>demann 1952 auf der elften Seite). Hablik begann 1909/10 mit eigenen Entwürfen<br />
für die Meldorfer Museumsweberei. Er selbst verwendete aber auch zu späterer<br />
Zeit für s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Möbel Stoffe anderer Entwurfskünstler.<br />
271 Die farbliche Gestaltung <strong>des</strong> Raumes <strong>ist</strong> aus Briefen von Karl He<strong>in</strong>rich Frese an Hablik<br />
bekannt, <strong>in</strong> denen er über den Fortgang der Arbeiten berichtet (Meldorf 12., 19.1.; 4.2.;<br />
9., 27.3.1910, WH/K 15, SHI). Weitere Auskünfte verdanke ich Frau E. Karstens, Meldorf.<br />
- Die Farbwirkung war offenbar so stark, daß Frese am 2.11.1912 an Emil H<strong>in</strong>richs<br />
berichtete: "Es <strong>ist</strong> sonderbar, wie stark jetzt Licht <strong>und</strong> Farbe auf mich wirkt, viel stärker<br />
als <strong>in</strong> den früheren Jahren. Es kommt wohl viel von Hablik <strong>und</strong> davon, daß ich jetzt doch<br />
wenigstens <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n großen Teil m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Zeit auf m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Stube zwischen guten <strong>und</strong> kräftigen,<br />
r<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Farben leben kann" (Karl He<strong>in</strong>rich Frese o.J., 22 f.). In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Brief vom 22.11.<br />
1914 erwähnt er die "Sophaecke mit dem kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n blauen (!) Tisch ..." (ebd., 80).<br />
272 Karl He<strong>in</strong>rich Frese an Wenzel Hablik, Meldorf 2.3.1910, WH/K 15, SHI<br />
273 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 20.9.1912, W/Tg 10, SHI<br />
274 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. April 1909, W/Tg 7, SHI<br />
275 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 27.7.1910, W/Tg 8, SHI<br />
276 Wenzel Hablik an Richard Biel, Konstant<strong>in</strong>opel 12.7.1910, Sammlung Kähler, Kiel
- 324 -<br />
277 Wenzel Hablik an Richard Biel, Konstant<strong>in</strong>opel 6.8.1910, Sammlung Kähler, Kiel<br />
278 Die mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Werk ausgestattete Uhr <strong>ist</strong> allerd<strong>in</strong>gs heute noch betriebsfähig. Sie stammt<br />
zusammen mit Möbeln <strong>und</strong> dem utopischen Gemälde "Gebirgsland" (1921, Abb. 380) aus<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r ehem. <strong>in</strong> Tondern (Nordschleswig) ansässigen Familie. Die Uhr <strong>ist</strong> unbezeichnet;<br />
das Schnittmuster bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der Sammlung Hablik, Itzehoe.<br />
279 Die Öfen s<strong>in</strong>d nur durch zeitgenössische Fotografien bekannt, die zusammen mit Aufnahmen<br />
<strong>des</strong> Mobiliars angefertigt wurden. Der Entwurf <strong>ist</strong> Wenzel Hablik aufgr<strong>und</strong> der stil<strong>ist</strong>ischen<br />
Übere<strong>in</strong>stimmung mit Öfen <strong>in</strong> anderen von ihm gestalteten Interieurs zuzuschreiben.<br />
Der <strong>in</strong> der Sammlung Hablik, Itzehoe, erhaltene Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Kachelofens für<br />
Karl He<strong>in</strong>rich Frese, Meldorf, sowie der Briefwechsel zwischen Frese <strong>und</strong> Hablik aus<br />
dem Jahre 1910 (WH/K 15, SHI) belegen die Urheberschaft <strong>des</strong> Künstlers.<br />
280 Der Kronleuchter wurde bezeichnenderweise von Nachfahren für e<strong>in</strong> Hablik-Werk gehalten<br />
<strong>und</strong> <strong>ist</strong> <strong>in</strong> Fl<strong>in</strong>tbeker Privatbesitz erhalten.<br />
281 E<strong>in</strong>e solche umlaufende Le<strong>ist</strong>e verwendet Henry van de Velde auch bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m sachlich<br />
gestalteten Damenschreibtisch von 1914 (Spielmann 1977, Abb. 55).<br />
282 Zur Gestalt <strong>des</strong> Büfetts im H<strong>ist</strong>orismus vgl. Feuß 1979, 48 f., Abb. 34-37<br />
283 Zu der als Butze, Durk <strong>und</strong> Alkoven bekannten verschlagähnlichen niederdeutschen Bettform<br />
<strong>und</strong> zur Frontstollentruhe vgl. Katalog der Möbelsarnmlung 1976, 68 ff. <strong>und</strong> 74 f.<br />
sowie Deneke 1983, 54 ff. <strong>und</strong> 67 f.<br />
284 Die Volkskunstbewegung wurde gegen Ende der 1880er Jahre durch den Hamburger<br />
Kunstschriftsteller, Maler <strong>und</strong> Kunstgewerbler Oskar Schw<strong>in</strong>drazheim (1865-1952) <strong>in</strong>s<br />
Leben gerufen <strong>und</strong> von Justus Br<strong>in</strong>ckmann (1843-1915), dem Gründer <strong>des</strong> Hamburger<br />
Museums für Kunst <strong>und</strong> Gewerbe, unterstützt. Schw<strong>in</strong>drazheim war Mitbegründer <strong>des</strong><br />
Vere<strong>in</strong>s "Volkskunst" <strong>und</strong> gab von 1891-93 die Zeitschrift "Beiträge zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Volkskunst"<br />
heraus. Erst mit dem beg<strong>in</strong>nenden Jugendstil erfuhr die zunächst erfolglose Bewegung<br />
Mitte der neunziger Jahre <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Neubelebung, an der sich auch der <strong>in</strong> Flensburg<br />
geborene <strong>und</strong> seit 1900 zur Darmstädter Künstlerkolonie gehörende Maler <strong>und</strong> Kunstgewerbler<br />
Hans Chr<strong>ist</strong>iansen (1866-1945) beteiligte. Se<strong>in</strong> 1900 <strong>in</strong> der Zeitschrift "Deutsche<br />
Kunst <strong>und</strong> Dekoration" erschienener Aufsatz trug den gleichen emphatischen Titel, den<br />
Schw<strong>in</strong>drazheim schon 1893 für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Publikation verwendet hatte: "Hie Volkskunst!"<br />
285 Rustikalen Charakter hatten vor allem die nach Entwürfen von Patriz Huber mit Wandschränken,<br />
Paneelen, Holzdecken, Truhen, überbauten Betten <strong>und</strong> Sofas ausgestatteten<br />
Innenräume <strong>des</strong> Hauses Gluckert <strong>und</strong> die Räume Paul Bürcks im Ernst-Ludwig-Haus auf<br />
der Darmstädter Mathildenhöhe (vgl. Koch 1901, 130, 131, 164, 165). - W<strong>in</strong>fried<br />
Nerd<strong>in</strong>ger (1983, 13) beschrieb bei Richard Riemerschmid ''die Orientierung am Volkstümlich-Handwerklichen<br />
sowie das Aufzeigen von Konstruktion <strong>und</strong> Materialcharakter<br />
(als) bestimmende Merk-
- 325 -<br />
male s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeiten". Sebastian Müller (1974, 70) führte Riemerschmids Pr<strong>in</strong>zipien der<br />
"Ehrfurcht vor dem Material" <strong>und</strong> der Materialgerechtigkeit sogar auf die "bäuerliche<br />
Handwerkskunst s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bayrischen Heimat" zurück.<br />
286 Der Ausdruck "Wellenschnitt" dient im folgenden zur Charakterisierung der wellenförmig<br />
oder mehr zackenartig ausgekerbten Kanten bei Hablik-Möbeln. Der Term<strong>in</strong>us<br />
"Kerbschnitt" <strong>ist</strong> bereits für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> bei "Bauernmöbeln" seit dem 16. Jahrh<strong>und</strong>ert verwendete<br />
Art der Flächendekoration belegt, bei der kerbenartige Schnitte zu geometrischen<br />
Mustern zusammengesetzt wurden (vgl. Deneke 1983, 94 f.). Noch um 1900 fand der<br />
Kerbschnitt bei h<strong>ist</strong>or<strong>ist</strong>ischen Möbeln reiche Verwendung (vgl. Feuß 1979, 51, Abb. 38).<br />
287 Als Ausdruck s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Forderungen nach Funktions- <strong>und</strong> Materialgerechtigkeit hatte Henry<br />
van de Velde, wie er selbst <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Buch "Die Renaissance im Kunstgewerbe" (1901)<br />
schreibt, "schon mehrfach die Lokomotiven, die Dampfboote, die Masch<strong>in</strong>en <strong>und</strong> Brükken<br />
angeführt" (van de Velde 1955, 113).<br />
288 Julius Posener (<strong>in</strong>: Arch+ 59, 1981, 15) berichtet die Anekdote, "wie e<strong>in</strong> Fre<strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Tages<br />
ihn (Morris) besuchte, der fleißig an der Werkbank stand <strong>und</strong> ihn fragte: 'Was machst<br />
Du da schönes, William?' Und William erwiderte: 'Ich mache im Schweiße m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Angesichts<br />
ganz e<strong>in</strong>fache Möbel, die so teuer s<strong>in</strong>d, daß nur die reichsten Kapital<strong>ist</strong>en sie sich<br />
kaufen könnten.'"<br />
289 Den Rückbezug <strong>und</strong> die Abkehr von der englischen Arts-and-Crafts-Bewegung stellte<br />
Peter Jessen, Direktor der Bibliothek <strong>des</strong> Berl<strong>in</strong>er Kunstgewerbemuseums, <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Aufsatz "Der Werkb<strong>und</strong> <strong>und</strong> die Großmächte der deutschen Arbeit" im Werkb<strong>und</strong>-<br />
Jahrbuch 1912 dar: "Man erwartete das Heil von dem Kunsthandwerker mittelalterlichen<br />
Schlages. Der Werkb<strong>und</strong> ehrt die Romantiker, aber blickt der Gegenwart <strong>und</strong> Zukunft<br />
mutig <strong>in</strong>s Auge. In der heutigen Wirtschaft gibt der Unternehmer den Ausschlag; wollen<br />
wir vorwärts, so müssen wir ihn für uns gew<strong>in</strong>nen, ihn überzeugen, daß Geschäft <strong>und</strong><br />
Geschmack nicht Fe<strong>in</strong>de zu se<strong>in</strong> brauchen, sondern sich eng verbünden können zu beider<br />
Vorteil. Wir glauben an die jüngste Lehre der Volkswirtschaft: e<strong>in</strong> großes Industrievolk<br />
kann auf die Dauer nicht davon leben, daß es die anderen unterbietet; es muß sie überbieten<br />
durch die Güte s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeit" (S. 3).<br />
290 Manuskript "Vortrag für die Handwerker", maschschrftl., um 1915, WH/A VI, SHI;<br />
Manuskript "Handwerkliches betreffend", maschschrftl., um 1915, ebd. Es <strong>ist</strong> aufgr<strong>und</strong><br />
der stil<strong>ist</strong>ischen Mängel unwahrsche<strong>in</strong>lich, daß die Vorträge tatsächlich gehalten wurden.<br />
291 Hermann Muthesius hatte <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Aufsatz "Wo stehen wir?" im Werkb<strong>und</strong>-Jahrbuch<br />
1912 darauf h<strong>in</strong>gewiesen, daß der "deutsche Baulustige" ke<strong>in</strong> Bedürfnis habe, "sich geschulter<br />
Hilfskräfte zu bedienen ... er stellt an s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Behausung so m<strong>in</strong>dere Ansprüche,<br />
daß ihm der erste beste gewesene Maurerpolier gut genug ersche<strong>in</strong>t, se<strong>in</strong> Bedürfnis zu befriedigen"<br />
(S. 20). "Da aber der heutige gebildete Deutsche den geschulten Architekten<br />
überhaupt noch vermeidet, so ersche<strong>in</strong>t die Beschreitung <strong>des</strong> anderen Weges sehr viel<br />
wichtiger, nämlich die E<strong>in</strong>wirkung auf den Konsumenten" (S. 21). Schmidt-Hellerau<br />
(1912, 52) versprach sich von dem Ziel, "<strong>in</strong> den nächsten zwanzig Jahren
- 326 -<br />
wenigstens <strong>e<strong>in</strong>e</strong> größere gebildete Schicht" von dem "Bedürfnis nach edler Qualitätsarbeit"<br />
zu überzeugen, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> positive Bee<strong>in</strong>flussung der Industrieproduktion.<br />
292 Vgl. Werkstattkatalog 1952, Abschnitt 1906. Elisabeth L<strong>in</strong>demann erlangte <strong>in</strong> Dresden<br />
mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Wandbehang nach dem Entwurf ihres Lehrers Prof. E. Kle<strong>in</strong>hempel <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Silbermedaille.<br />
293 Vgl. Sybille Hablik: Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demann, <strong>in</strong>: Klose (Hrsg.) 1970, 155 f.<br />
294 Hablik bezog sich <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Bewerbung beim Deutschen Werkb<strong>und</strong>, die Elisabeth L<strong>in</strong>demann<br />
absandte, sowohl auf die erklärten Ziele <strong>des</strong> Werkb<strong>und</strong>s als auch auf die von ihm<br />
selbst beabsichtigte Förderung <strong>des</strong> Handwerks: "Beschäftigt sich stark mit Innenarchitektur<br />
im S<strong>in</strong>ne materialechter, konstruktiv klarer Form. Arbeitet selbst alle nötigen<br />
Werkzeichnungen aus <strong>und</strong> versucht die e<strong>in</strong>zelnen Handwerker für Idee <strong>und</strong> S<strong>in</strong>n der<br />
Sache zu gew<strong>in</strong>nen. - Arbeitet mit Tischler, Schlosser, Zimmermann, Schuster, Schneider,<br />
Töpfer, Ofensetzer usw. (...) Hat e<strong>in</strong>ige teils kostbare Innene<strong>in</strong>richtungen mit<br />
hiesigen <strong>und</strong> österreichischen Handwerkern ausgeführt. Hat für Massenartikel im guten<br />
S<strong>in</strong>n gesorgt (Biel Schaukeltiere u. Holzwaffen)" (Wenzel Hablik an Elisabeth L<strong>in</strong>demann,<br />
29.2.1916, WE/K 1916, SHI). - Bestätigung der Mitgliedschaft im Deutschen<br />
Werkb<strong>und</strong> v. 29.7.1916, Akte Gesch. 1916, SHI<br />
295 Fragmente <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Schrift zur "Anatomie <strong>des</strong> Ornaments", <strong>und</strong>atiert, W/Sn 22 <strong>und</strong> WH/A<br />
VI, SHI<br />
296 Die <strong>in</strong> dem Entwurf zum Schlafzimmer der Dame (Abb. 227) monochrom schwarz angegebene<br />
Zimmerdecke <strong>ist</strong> aufgr<strong>und</strong> der Tagebuchaufzeichnung von 1909 ("Saaldecke aus<br />
Mess<strong>in</strong>g oder Silberblech", vgl. Anm. 274) <strong>und</strong> der im ehem. Hause Richard Biel erhaltenen<br />
Decken als Deckenverkleidung aus Metallplatten zu deuten.<br />
297 Für die bis heute erhaltene Innendekoration im ehem. Hause Richard Biel s<strong>in</strong>d k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Entwurfszeichnungen<br />
erhalten. Sie <strong>ist</strong> jedoch aufgr<strong>und</strong> stil<strong>ist</strong>ischer Übere<strong>in</strong>stimmungen mit<br />
anderen Arbeiten Wenzel Habliks <strong>und</strong> nach übere<strong>in</strong>stimmenden Berichten der Familientradition<br />
zweifellos nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Entwürfen <strong>und</strong> unter s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Aufsicht ausgeführt<br />
worden.<br />
298 Vgl. Ausst.-Kat. He<strong>in</strong>rich Sauermann 1979, 15 ff., 36 ff., 96 ff.<br />
299 Randell L. Mak<strong>in</strong>sons Charakterisierung der Holzarbeiten von Greene & Greene sei hier<br />
noch e<strong>in</strong>mal ausführlich zitiert, da sie auf Habliks Arbeiten direkt angewendet werden<br />
kann: "Bei ihren Holzkonstruktionen hielten sich Greene & Greene an die Integrität <strong>und</strong><br />
Ausdrucksfähigkeit <strong>des</strong> l<strong>in</strong>earen Stabes. Künstliche Figurationen <strong>und</strong> das Zuschneiden<br />
von Holz <strong>in</strong> schöne, aber unnatürliche Formen waren <strong>in</strong> ihren Augen k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> angemessene<br />
Verwendung <strong>des</strong> Materials. (...) Freilich erkannten sie auch die visuelle <strong>und</strong> gelegentlich<br />
funktionelle Notwendigkeit, den strengen Charakter der Holzelemente durch Abr<strong>und</strong>en<br />
der Kanten zu mildern oder durch plastische Gestaltungen der auskragenden E<strong>in</strong>zelstücke<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue skulpturale Dimension zu schaffen. Dadurch erreichten sie Übergänge von der<br />
massiven, schweren Holzkonstruktion zu den Details, die bei aller Kühnheit dem<br />
menschlichen Maßstab entsprechen" (1982, 280). Die
- 327 -<br />
plastische Gestaltung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s solchen Endstückes <strong>ist</strong> bei dem Treppenhaus für Robert R.<br />
Blacker ähnlich wie wenig später bei Habliks 'Alkoven'bett (Abb. 219) oder dem Krankenprivé<br />
(Abb. 275 a) als halbplastische Volute ausgeführt.<br />
300 E<strong>in</strong> ähnlicher übergroßer Metallbeschlag charakterisiert die Front <strong>des</strong> bereits erwähnten<br />
Zierschrankes von Rosa Krenn (1912) im Österreichischen Museum (Behal 1981, Kat.<br />
Nr. 144). Ähnliche Metallbeschläge zeigt auch e<strong>in</strong> Büfett <strong>des</strong> österreichischen Architekten<br />
Joseph Maria Olbrich (1867-1908) von 1902 im Hamburger Museum für Kunst <strong>und</strong><br />
Gewerbe (Spielmann 1977, 101).<br />
301 Intarsien aus Perlmutt <strong>und</strong> verschiedenen Holzarten, wie sie auf Habliks "Zierschrank"<br />
(Abb. 260) ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, verwendete Koloman Moser bei s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n 1903 entstandenen Möbeln<br />
(vgl. Behal 1981, 15).<br />
302 Fre<strong>und</strong>liche Auskunft Frau Hilde Kusche <strong>und</strong> Frau J. Kersten, Lübeck<br />
303 Rudolf Irmisch (1960, 372) berichtet über Wilhelm Biel: "Im Jahre 1873, dem Gründungsjahr<br />
der Netzfabrik, regte sich allenthalben <strong>in</strong> Deutschland frischer, wagemutiger<br />
Unternehmerge<strong>ist</strong>. Die 1871 geschaffene E<strong>in</strong>heit <strong>des</strong> Reiches wirkte auf Wirtschaft <strong>und</strong><br />
Handel belebend <strong>und</strong> fördernd. Zahlreiche hemmende <strong>in</strong>nerdeutsche Zollschranken waren<br />
gefallen. Die sog. Gründerzeit hatte begonnen. (...) Der Aufsichtsrat bestand aus dem<br />
Stadtrat Hirschberg, den Stadtverordneten Biel, Ottens <strong>und</strong> Raasche <strong>und</strong> dem Fabrikanten<br />
Wessel, lauter Itzehoer Geschäftsleuten." - Zum Direktorat der Spar- <strong>und</strong> Leihkasse vgl.<br />
ebd., 380.<br />
304 Die Möbel für Richard Biel wurden von verschiedenen Betrieben hergestellt. Neben der<br />
Tischlerei Dreesen <strong>in</strong> Meldorf, die die Möbel für Karl He<strong>in</strong>rich Frese angefertigt hatte,<br />
beschäftigte Hablik wie bei dem Mobiliar für Hermann Biel auch die Itzehoer Möbeltischlerei<br />
Schw<strong>in</strong>ckendorf. Nachdem dieser Betrieb 1912 <strong>in</strong> Konkurs gegangen war, wurden<br />
e<strong>in</strong> angefangener Schrank sowie die Schlafzimmermöbel <strong>in</strong> Richard Biels eigenem<br />
Holzbetrieb fertiggestellt (Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 23.9.1912, W/Tg 10, SHI). - Die Zeitspanne<br />
von den ersten Entwürfen bis zur endgültigen Fertigstellung betrug nach Habliks<br />
Tagebuchaufzeichnungen für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Aussteuer im Jahre 1909 etwa zwölf Monate, für e<strong>in</strong><br />
Eßzimmer (Prof. Frese, Meldorf) zwischen 1916 <strong>und</strong> 1919 etwa drei Jahre, für <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Wanduhr zwischen 1915 <strong>und</strong> 1917 etwa zwei Jahre, für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> weitere Aussteuer (Hormann,<br />
Ahrensburg) zwischen 1922 <strong>und</strong> 1927 etwa viere<strong>in</strong>halb Jahre. Lediglich die etwa<br />
fünfzig Möbelstücke für Hermann Biel wurden 1911 <strong>in</strong>nerhalb <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Jahres angefertigt,<br />
was wohl auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong> größere Effektivität <strong>des</strong> "Masch<strong>in</strong>enbetriebes" von Schw<strong>in</strong>ckendorf<br />
zurückzuführen <strong>ist</strong>.<br />
305 "Im Zentrum dieser Wohnpaläste (der Gründerzeit, A.F.) steht wie im Barock <strong>und</strong> Rokoko<br />
der Salon. Alles <strong>ist</strong> auf das Gesellschaftliche zugeschnitten: auf das Sehen <strong>und</strong> Gesehen<br />
werden. Hier lebte man, tanzte, machte Konversation, schloß Geschäfte ab. Das<br />
Private blieb den oft ärmlich ausgestatteten H<strong>in</strong>terräumen vorbehalten" (Hamann/Hermand<br />
1977, Bd. l, 23).
- 328 -<br />
306 "Das Großbürgertum der sog. 'Gründerzeit' fühlte sich <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Hang zur demonstrativen<br />
Repräsentation von Selbstbewußtse<strong>in</strong> <strong>und</strong> Wohlhabenheit dem bürgerlichen Zeitalter<br />
der Renaissance verwandt. Deutsche Renaissance galt den protestantischen Konservativen<br />
<strong>und</strong> Liberalen darüber h<strong>in</strong>aus als Kunst der Lutherzeit, so daß dieser Stil mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
nationalprotestantischen Auffassung der Reformation zusammenrückte" (Schulte-Wülwer,<br />
<strong>in</strong>: Ausst.-Kat. He<strong>in</strong>rich Sauermann 1979, 31).<br />
307 Manuskript "Handwerkliches betreffend" (vgl. Anm. 290), S. 5<br />
308 Hablik beschreibt <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tagebuch mehrfach, wie s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Entwürfe von den Auftraggebern<br />
zunächst zurückgewiesen wurden: "Und an der Kle<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> Armseligkeit der<br />
Kreaturen zerscheitert alles. - Als ob ke<strong>in</strong> Mensch Bedürfnis nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r schönen Umgebung<br />
hätte" (Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 5.3.1911, W/Tg 9, SHI). Anfänglicher Widerstand <strong>und</strong><br />
Unverständnis der alte<strong>in</strong>gesessenen Handwerker führten zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r mangelhaften Ausführung<br />
komplizierter Möbelentwürfe, so daß sich unter schlechten Heizbed<strong>in</strong>gungen bald<br />
Schäden an Oberflächen <strong>und</strong> Konstruktion zeigten. Dies führte wiederum zu heftigen<br />
Reaktionen der Auftraggeber, die sich betrogen sahen: "Alles wird rausgeschmissen - <strong>und</strong><br />
was kriegen sie dafür wieder? Nicht e<strong>in</strong> Stückchen, das was taugt!" (Tagebuche<strong>in</strong>trag v.<br />
27.12. 1912, W/Tg 10, SHI)<br />
309 Familientradition Biel<br />
310 Nachricht aus der Familie Frese; frdl. Auskunft Frau E. Karstens, Meldorf<br />
311 Karl He<strong>in</strong>rich Frese an Wenzel Hablik bei Otto Ewel <strong>in</strong> Königsberg, Uetersen 29.3.1910,<br />
WH/K 15, SHI<br />
312 Karl He<strong>in</strong>rich Frese an Wenzel Hablik, Sylt 17.8.1918, WH/K 15 a, SHI<br />
313 Auf diese E<strong>in</strong>schätzung wurde der Verf. bei s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Recherchen von Nachfahren <strong>in</strong> den<br />
Familien Biel, Ste<strong>in</strong> <strong>und</strong> Frese immer wieder h<strong>in</strong>gewiesen.<br />
314 Zur Biographie Elisabeth L<strong>in</strong>demanns <strong>und</strong> zur Geschichte der Meldorfer Museumsweberei<br />
vgl. Werkstattkatalog 1952 sowie Ernst Schlee im Ausst.-Kat. Kunsthandwerk <strong>in</strong><br />
Schleswig-Holste<strong>in</strong> 1974, 70 ff.<br />
315 Briefl. Mittlg. Re<strong>in</strong>hold Radok an Wenzel Hablik, Berl<strong>in</strong> 1907 (?), WH/K 7 a, SHI<br />
316 Außer den Bezugsstoffen <strong>ist</strong> heute kaum e<strong>in</strong> ausgeführtes Exemplar der Textilarbeiten<br />
aus der Zeit bis 1918 erhalten oder exakt datiert. E<strong>in</strong>ige Arbeiten s<strong>in</strong>d nur durch zeitgenössische,<br />
zume<strong>ist</strong> unzulängliche Fotografien, andere durch Entwürfe nachgewiesen.<br />
317 Wenzel Hablik an Richard Biel 1910 (vgl. Anm. 276)<br />
318 In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Brief an Rudolf von Larisch über das Buch "Jung Wien" bemerkte Hablik: "Es<br />
fehlt dem ganzen etwas Stil. Außer der Kanone Uchatius hat alles jenen Mangel" (Wenzel<br />
Hablik an Rudolf von Larisch, Narmeln 5.8.1907, WH/K 43 a, SHI).
- 329 -<br />
319 Hablik <strong>und</strong> Mizzi von Uchatius s<strong>in</strong>d als Nr. 3 <strong>und</strong> Nr. 10 auf dem Schülerbogen <strong>des</strong><br />
"Hauptkatalogs" der Wiener Kunstgewerbeschule für "1904-05 Czeschka (für Baron<br />
Myrbach)" e<strong>in</strong>getragen (fre<strong>und</strong>liche Zusendung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r <strong>Kopie</strong> durch Herrn Rektoratsdirektor<br />
Dr. He<strong>in</strong>z Adamek, Hochschule für angewandte Kunst <strong>in</strong> Wien).<br />
320 Das Geißblattmuster <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Umhängetasche <strong>in</strong> Gobel<strong>in</strong>weberei (Abb. 296) kehrt <strong>in</strong> wenig<br />
veränderter Form als Seidenapplikation auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Kissen wieder (Werkstattkatalog 1952,<br />
Abschnitt "1914").<br />
321 Das Dess<strong>in</strong>, durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Postkarte mit der Entwurfszeichnung von Wenzel Hablik an Elisabeth<br />
L<strong>in</strong>demann exakt <strong>in</strong> den November 1911 datiert (Itzehoe 25.11.1911, WE/K 1911,<br />
SHI), besteht aus fünf verschieden breiten, abwechselnd hellen <strong>und</strong> dunklen Zackenbändern,<br />
die übere<strong>in</strong>ander gestaffelt s<strong>in</strong>d. Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>re blitzartige Haken bilden zusammen<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> große <strong>und</strong> mehrere unruhige kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zacken. Auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Breite von 150 cm wiederholt<br />
sich dieser Vorgang etwa zweie<strong>in</strong>halbmal. Der Rapport ergibt sich durch vertikale Staffelung<br />
<strong>des</strong> Zeichnungsban<strong>des</strong>.<br />
322 Zu der Gruppe Skup<strong>in</strong>a výtvarných umělců um Josef Chochol, Josef Gočár, Pavel Janák<br />
<strong>und</strong> Vlastislav Hofman vgl. 3. Kap., S. 85, <strong>und</strong> Anm. 185-186<br />
323 Das "Zackenmuster" <strong>ist</strong> als Möbelbezugsstoff bereits auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m etwa 1911 entstandenen<br />
Sessel mit kielbogenförmiger Rückenlehne überliefert (Abb. 299). Der Bezug, <strong>des</strong>sen<br />
kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>re Zacken mit der Spitze der Rückenlehne zusammenfielen, <strong>und</strong> die durchbrochene<br />
<strong>und</strong> geschwungene Seitenlehne gaben dem Sessel <strong>e<strong>in</strong>e</strong> rhythmische Bewegtheit, der s<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
lastende Gr<strong>und</strong>form entgegenstand.<br />
324 Überliefert s<strong>in</strong>d Stoffproben <strong>in</strong> den Farben Braun-Beige-Schwarz, Dunkelrot-Dunkelgrün,<br />
Gelb-Orange-Braun. E<strong>in</strong> Probenschild bietet die Ware "<strong>in</strong> allen Farben" an.<br />
325 Habliks Aff<strong>in</strong>ität zu Wiener Arbeiten <strong>ist</strong> auch aus den Monaten s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Wien-Aufenthalts<br />
1915 belegt. Se<strong>in</strong> mit "Wien Juli 15" bezeichneter Entwurf für e<strong>in</strong> Uhrgehäuse entspricht<br />
<strong>in</strong> der Gesamtform jenem Exemplar von Otto Prutscher, das völlig mit dem erwähnten<br />
Blattrankenmotiv <strong>in</strong> Marketeriearbeit bedeckt <strong>ist</strong> (Behal 1981, 233). Habliks Entwurf<br />
zeigt im Gehäusespiegel <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Falken (!) vor bestirntem Himmel <strong>und</strong> von Schneckenwolken<br />
gerahmt.<br />
326 Im Jahre 1906 erhielt Hablik für fünfzehn Stoffmuster, die <strong>in</strong> Schmidls Fabrik ausgeführt<br />
wurden, e<strong>in</strong> Honorar von zweih<strong>und</strong>ert Kronen (Tagebuche<strong>in</strong>trag v. April 1906, W/Tg 3,<br />
SHI). 1908 bemerkte er <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Brief an Paula Schmidl, "daß es von Nutzen wäre, wenn<br />
Herr Schmidl die Fre<strong>und</strong>lichkeit hätte, mir von den Stoffen, die ich entworfen <strong>und</strong> die <strong>in</strong><br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Fabrik ausgeführt wurden, je e<strong>in</strong> Stückchen senden würde" (Wenzel Hablik an<br />
Paula Schmidl, 1908, WH/K 9, SHI).<br />
327 Wenzel Hablik an Paula Schmidl, Prag 4.11.1905, WH/K 9, SHI<br />
328 Zu Habliks Schriftentwürfen <strong>in</strong> "Jung Wien" vgl. 1. Kap., S. 63<br />
329 Wenzel Hablik an Rudolf von Larisch 1907 (vgl. Anm. 318)<br />
330 Wenzel Hablik an Hans Witzmann, Itzehoe 23.11.1911, WH/K 31, SHI
331 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 1.9.1907, W/Tg 5, SHI<br />
- 330 -<br />
332 Aus <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m <strong>und</strong>at. Tagebuch "Hamburg - <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Restaurant ...", wohl 13.11.1908, SHI<br />
(vgl. Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 14.11.1908, W/Tg 6, SHI)<br />
333 Franz Delavilla kam nach s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Studium an der Fachschule für Textil<strong>in</strong>dustrie <strong>in</strong> Wien<br />
<strong>und</strong> an der Wiener Kunstgewerbeschule 1908 als Lehrer an die Magdeburger Kunstgewerbeschule.<br />
Ab 1909 lehrte er an der Hamburger Kunstgewerbeschule, 1913-1922 an<br />
der Kunstgewerbeschule Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, daselbst 1923-1944 an der Schule für freie<br />
<strong>und</strong> angewandte Kunst, 1946-1950 an der Städelschule. Er entwarf für die Wiener Werkstätte<br />
Postkarten, Bilderbögen, Plakate <strong>und</strong> Ausstattung für das Wiener Cabaret Fledermaus,<br />
im übrigen Schmuck, Tapeten, Teppiche, Gebrauchsgraphik (alle Angaben aus:<br />
Schweiger 1982, 260).<br />
334 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 5.9.1911, W/Tg 9, SHI<br />
335 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 18.5.1912, W/Tg 10, SHI<br />
336 Diverse Korrespondenz August Ungethüm an Wenzel Hablik, Wien, Mai bis September<br />
1915, WH/K 3, SHI<br />
337 Aus der Zeitschrift "Daheim", Velhagen <strong>und</strong> Klas<strong>in</strong>g, Nr. 27, o.J. (um 1917) (Archiv der<br />
Handweberei, SHLM)<br />
338 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 4.8.1908, W/Tg 10, SHI<br />
339 Ebd.<br />
340 Wenzel Hablik an He<strong>in</strong>rich Vlček (Königgrätz), Itzehoe 23.11.1914, SHI<br />
341 Die <strong>in</strong> der Literatur - zuletzt bei Wolfgang Reschke 1981, 117 u. 143 - immer wieder aufgenommene<br />
Version, Hablik sei als e<strong>in</strong>facher Soldat an die Isonzo-Front <strong>und</strong> zum Infanterieregiment<br />
auf die Insel Sylt "e<strong>in</strong>gezogen" worden, wird durch den Briefwechsel<br />
zwischen Karl He<strong>in</strong>rich Frese <strong>und</strong> Hablik im Januar/Februar 1916 e<strong>in</strong>deutig widerlegt<br />
(Akte WH/K 15, SHI; vgl. a. Wedemeyer 1983, 314).<br />
342 Vgl. Anm. 238<br />
343 "Arbeitsrat für Kunst" <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Dezember 1918, <strong>in</strong>: Mitteilungen <strong>des</strong> Deutschen Werkb<strong>und</strong>es<br />
1918, Nr. 3, S. 14 f.; zit. n. Whyte 1981, Appendix B, S. 209<br />
344 Bruno Taut: Architekturprogramm, Dezember 1918, <strong>in</strong>: Mitteilungen <strong>des</strong> Deutschen<br />
Werkb<strong>und</strong>es 1918, Nr. 4, S. 16 ff.; zit. n. Whyte 1981, Appendix C, S. 210 f.<br />
345 Walter Gropius im Flugblatt „Ausstellung für unbekannte Architekten veranstaltet vom<br />
Arbeitsrat für Kunst im Graphischen Kab<strong>in</strong>ett J.B. Neumann, Kurfürstendamm 232, April<br />
1919", SHI<br />
346 Walter Gropius an Wenzel Hablik, Berl<strong>in</strong> 10.2.1919, WH/K 18, SHI. - Welchen Entwurf<br />
Hablik e<strong>in</strong>gesandt hatte, <strong>ist</strong> nicht bekannt.<br />
347 Achtzehnseitiger Pressespiegel "E<strong>in</strong>ige Urteile über die Ausstellung für unbekannte Architekten<br />
veranstaltet vom Arbeitsrat für Kunst ...", SHI
- 331 -<br />
348 E<strong>in</strong>e L<strong>ist</strong>e der zur "Ausstellung für unbekannte Architekten" e<strong>in</strong>gesandten Entwürfe liegt<br />
<strong>in</strong> der Sammlung Hablik vor.<br />
349 Der Entwurf <strong>ist</strong> lediglich durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fotografie <strong>des</strong> verschollenen Blattes bekannt. Adolf<br />
Behne veröffentlichte ihn 1926 <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Buch "Der moderne Zweckbau".<br />
350 Beide Zitate aus dem Pressespiegel zur "Ausstellung für unbekannte Architekten", vgl.<br />
Anm. 347<br />
351 Alle drei Zitate aus dem Flugblatt zur "Ausstellung für unbekannte Architekten", vgl.<br />
Anm. 345<br />
352 Walter Gropius an Wenzel Hablik, Berl<strong>in</strong> 31.3.1919, SHI<br />
353 Vgl. Ausst.-Kat. Arbeitsrat für Kunst 1980, 87-89<br />
354 E<strong>in</strong>ladung <strong>des</strong> Arbeitsrates für Kunst, <strong>und</strong>at. (März 1919), hektographiert, unterzeichnet<br />
Walter Gropius, Vorsitzender, SHI<br />
355 Entwurf der Beitrittserklärung auf der Rückseite der E<strong>in</strong>ladung <strong>des</strong> Arbeitsrates (vgl.<br />
Anm. 354)<br />
356 Ausst.-Kat. Arbeitsrat für Kunst 1980, 89<br />
357 Der Textteil <strong>des</strong> Buches "Ja! Stimmen <strong>des</strong> Arbeitsrates für Kunst <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>" wurde im<br />
Ausst.-Kat. Arbeitsrat für Kunst 1980 erneut abgedruckt.<br />
358 Der Name "Gläserne Kette" stammt von dem Dichter Alfred Brust (Heidekrug/Memelgebiet),<br />
der im Juli 1920 zur Arbeitsgruppe stieß.<br />
359 Wassili Luckhardt an Wenzel Hablik, <strong>und</strong>at. (1919), WH/A VII, SHI<br />
360 Die Decknamen waren: Anfang (Krayl), Tancred (Goesch), Hannes (Scharoun), Maß<br />
(Gropius), Stellarius (Göttel), Antischmitz (Hansen), W.H. (Hablik), ke<strong>in</strong> Name (Max<br />
Taut), Berxbach 7 (Brückmann), Prometh (F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>), Zacken (Wassili Luckhardt),<br />
Angkor (Hans Luckhardt), Glas (Bruno Taut)<br />
361 Bruno Taut, zweiter R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, Berl<strong>in</strong> 19.12. 1919, AGK 10 f.<br />
362 Ebd.<br />
363 Ebd.<br />
364 Vgl. Anm. 238<br />
365 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, 27.12.1919, AGK 13<br />
366 Ebd.<br />
367 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, Januar 1919, AGK 15<br />
368 Wenzel Hablik an Prof. Rose Burger 1913 (vgl. Anm. 96)<br />
369 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief Januar 1920 (vgl. Anm. 367)<br />
370 Vgl. Bruno Taut, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette ("Fre<strong>und</strong>e! Bis ..."), AGK 11: "Hablik<br />
hat bei bege<strong>ist</strong>erter Zustimmung nur Abneigung gegen den Decknamen. Das <strong>ist</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
Sache, die wir wie alles ganz frei behandeln wollen. Es soll im Rahmen der Zusage alles<br />
dem freien Willen überlassen werden."
- 332 -<br />
371 Hans Luckhardt an Wenzel Hablik, Berl<strong>in</strong> 22.12.1919, WH/A VII, SHI: "Sehr geehrter<br />
Herr Hablik! Zunächst muß ich um Entschuldigung bitten, daß ich Sie ohne nähere Angaben<br />
mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Depesche überfiel. Ich habe mit Wasmuth <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Veröffentlichung unserer<br />
jungen Architekturgruppe verabredet, <strong>und</strong> zwar <strong>ist</strong> das Märzheft der Monatshefte vorgesehen<br />
oder e<strong>in</strong> Extraband im Stil der Wasmuthschen Monographien. Die Entscheidung<br />
darüber fällt je nach dem Material im E<strong>in</strong>verständnis mit Herrn Taut. Um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> möglichst<br />
schnelle Übersicht zu bekommen, mußte ich depeschieren, da Wasmuth um dr<strong>in</strong>gende<br />
Beschleunigung bat. Ich danke vielmals für das Material <strong>und</strong> hoffe,nach Neujahr weitere<br />
Nachricht geben zu können. Mit den besten Grüßen H.L." - Mit den "Monatsheften" dürften<br />
"Wasmuths Monatshefte für Baukunst" geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong>.<br />
372 Wenzel Hablik, zweiter R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, Januar 1920, AGK 16<br />
373 Tauts "Alp<strong>in</strong>e Architektur" war als architektonisches Lehrbuch für die Massen projektiert.<br />
Als aufwendig angelegte Mappe aus dem Folkwang-Verlag von Karl Ernst Osthaus<br />
konnte sie - wie Habliks "Schaffende Kräfte" - aber nur von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r wohlhabenden bürgerlichen<br />
Schicht erworben werden. E<strong>in</strong>e volksnähere Version veröffentlichte Taut 1919 <strong>in</strong><br />
den Sozial<strong>ist</strong>ischen Monatsheften unter dem Titel "Rede <strong>des</strong> B<strong>und</strong>eskanzlers von Europa<br />
am 24. April 1993 vor dem Europäischen Parlament" Ug. 25, Bd. 53, S. 816-819).<br />
374 Bruno Taut, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, 3.2.1920, AGK 23<br />
375 Hans Scharoun, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette ("Mitstreitende! Wir ..."), etwa März<br />
1920, AGK 24 ff.<br />
376 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette ("Antwort auf Tancred ...," zu datieren<br />
28.7.1920 nach Habliks Aufstellung der abgesandten R<strong>und</strong>briefe <strong>in</strong> der Sammlung Baukunst,<br />
Akademie der Künste, Berl<strong>in</strong>), WH/A VII, SHI, unveröffentlicht<br />
377 Kurzbiographie Friedrich Hugo Kaldenbach (1887-1918) im Ausst.-Kat. Arbeitsrat für<br />
Kunst 1980, 140<br />
378 Die Entwürfe <strong>in</strong> "Ruf zum Bauen" waren offenbar nicht mit den Exponaten der Ausstellung<br />
"Neues Bauen" identisch, denn Hans Luckhardt unterscheidet <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r als R<strong>und</strong>brief<br />
an die Gläserne Kette verschickten Ausstellungskritik die Ausstellungsexponate von den<br />
Reproduktionen <strong>des</strong> Buches: "Anfang hatte uns ähnlich der Symphonie <strong>in</strong> Rot <strong>in</strong> unserem<br />
Buch e<strong>in</strong>ige Farbsachen, darunter e<strong>in</strong> Modell <strong>in</strong> Flachrelief, e<strong>in</strong>gesandt, die an der Wand<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n vorzüglichen E<strong>in</strong>druck machten." Später: "Die Arbeiten von Hannes gehen von<br />
großen architektonischen Ideen aus <strong>und</strong> endigen im malerischen Bild. Die ausgestellten<br />
waren erheblich stärker als die im Buch" (Hans Luckhardt, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne<br />
Kette, Berl<strong>in</strong> 31.5.1920, AGK 46).<br />
379 Dreizehn der drei<strong>und</strong>vierzig reproduzierten Entwürfe von verschiedenen Künstlern erhielten<br />
im "Verzeichnis der Bilder" die pauschalen Titel: Komposition, Phantasie <strong>und</strong><br />
Formphantasie, obwohl e<strong>in</strong>zelne Blätter deutlich sichtbar bezeichnet s<strong>in</strong>d (z.B. Abb. 16,<br />
Max Taut: Kirche; Abb. 31, Carl Krayl: Der Turm <strong>des</strong> neuen Domes). Dies könnte auf<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Initiative von Hans Luckhardt zurückgehen, der <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kritik (vgl. Anm. 378)<br />
mehrfach die angebliche Diskrepanz
- 333 -<br />
zwischen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m konkreten Architekturtitel <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m phantastisch durchgeführten<br />
Bildsujet bemängelte: "Daß Architektur eigentlich nur ausgeführt <strong>und</strong> nie skizzenhaft se<strong>in</strong><br />
kann, <strong>ist</strong> selbstverständlich. Wenn Prometh unter den <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Entwurf im Frühlicht Siedlung<br />
schreibt, so <strong>ist</strong> derselbe nur mit literarischer Erklärung verständlich." Später: "Bei<br />
solchen Blättern wie Nebelr<strong>in</strong>gbauten (von 'Anfang', Carl Krayl) kann ich nicht mit.<br />
Solche Ideen wirken großartig, wenn Glas <strong>in</strong> der Alp<strong>in</strong>en Architektur die letzten Konsequenzen<br />
zieht <strong>und</strong> bis zum Sternenbau schreitet. Losgetrennt von der literarischen Idee<br />
ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n sie unmotiviert. (...) Max Taut hatte e<strong>in</strong>ige duftig gezeichnete Architekturen<br />
gegeben, die e<strong>in</strong> Programm se<strong>in</strong> könnten, wenn die Realität <strong>und</strong> die reale Greifbarkeit<br />
stärker wären" (Hans Luckhardt, R<strong>und</strong>brief 31.5.1920, vgl. Anm. 378).<br />
380 Hans Luckhardt, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, 31.5.1920, AGK 47<br />
381 Vgl. Anm. 239<br />
382 Bruno Taut, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, 31.5.1920, AGK 39<br />
383 "Formr<strong>in</strong>gen oder Formtanzen? Das bleibt ja immer Sache <strong>des</strong> persönlichen Naturells.<br />
Und ich halte die 'Form' für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> sek<strong>und</strong>äre Frage" (Bruno Taut, R<strong>und</strong>brief "Fre<strong>und</strong>e!<br />
Zackens letzter Beitrag ...", Juli/August 1920, AGK 53).<br />
384 Hans Luckhardt, R<strong>und</strong>brief 31.5.1920 (vgl. Anm. 380, S. 44 f.)<br />
385 Hans Luckhardt, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, 30.3.1920, AGK 38<br />
386 Wassili Luckhardt, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette ("Diese Zeilen sollen ..."), wohl<br />
Januar 1920, AGK 18 f.<br />
387 Wenzel Hablik an Ewald Bender 1909 (vgl. Anm. 80)<br />
388 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief "Antwort auf Tancred ..." (vgl. Anm. 376)<br />
389 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette ("An ihren Früchten ..."), etwa<br />
September 1920, AGK 59<br />
390 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette ("Fre<strong>und</strong>e! Cor hat ..."), AGK 65<br />
391 Ebd., 66<br />
392 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, R<strong>und</strong>brief "An ihren Früchten ..." (vgl. Anm. 389)<br />
393 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, R<strong>und</strong>brief "Fre<strong>und</strong>e! Cor hat ..." (vgl. Anm. 390, S. 66)<br />
394 Bereits im Januar reagierte Bruno Taut heftig auf F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>s Sprachstil. In s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m R<strong>und</strong>brief<br />
v. 18.1.1920, AGK 19, schreibt er: "Geschmiedet an die Ketten der Natur <strong>und</strong> zerfleischt<br />
vom Fremdwortgeier? - Verzeih, Feueranbeter! Aber Feuerbr<strong>in</strong>ger mit Pathos?"<br />
395 Hans Scharoun, R<strong>und</strong>brief "Mitstreitende! Wir ..." (vgl. Anm. 375, S. 25)<br />
396 Bruno Taut, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, 13.3.1920, AGK 26
- 334 -<br />
397 Paul Goesch, Anregungen - Architektonisches, AGK 27; auch <strong>in</strong>: Frühlicht 12, 1920<br />
398 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief "Antwort auf Tancred ..." (vgl. Anm. 376)<br />
399 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette ("Der achte Tag"), AGK 33<br />
400 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief "Antwort auf Tancred ..." (vgl. Anm. 376)<br />
401 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, R<strong>und</strong>brief "Fre<strong>und</strong>e! Cor hat ..." (vgl. Anm. 390, S. 66)<br />
402 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, R<strong>und</strong>brief "Der achte Tag" (vgl. Anm. 399, S. 37)<br />
403 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette ("Und nun ... 'me<strong>in</strong> Bekenntnis'"), Juli<br />
1920, SHI<br />
404 Bruno Taut, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette ("Fre<strong>und</strong>e! Zunächst ..."), AGK 63<br />
405 Bruno Taut, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette <strong>und</strong> Filmentwurf "Die Galoschen <strong>des</strong><br />
Glücks", 8.7.1920, AGK 48 ff.<br />
406 E<strong>in</strong>e Charakter<strong>ist</strong>ik der Prosa Paul Scheerbarts von Mechthild Rausch trifft exakt auf<br />
Tauts Filmexposé zu: "Die Handlung variiert im allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n nur unwesentlich. Der<br />
Protagon<strong>ist</strong> geht, fährt oder fliegt durch besondere Örtlichkeiten wie das Paradies, das<br />
Weltall, Kunst- <strong>und</strong> Architekturausstellungen <strong>und</strong> erlebt e<strong>in</strong> Augenw<strong>und</strong>er nach dem<br />
anderen: abstrakte Farblichtspiele, bizarre Bauwerke, märchenhafte Interieurs, künstliche<br />
Landschaften, kosmische Schauspiele" (Rausch 1981, 58).<br />
407 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, 22.7.1920, AGK 57<br />
408 Für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> tatsächliche Beschäftigung Habliks mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Filmprojekt um das Jahr 1912 bestehen<br />
- wie für viele s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r nachträglichen Vordatierungen - k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Anhaltspunkte. - Die<br />
Bemerkung von Johann Schlick (César Kle<strong>in</strong>, 'Genu<strong>in</strong>e'. E<strong>in</strong> Beitrag zur expression<strong>ist</strong>ischen<br />
Filmarchitektur, <strong>in</strong>: Nordelb<strong>in</strong>gen, Bd. 47, Flensburg 1978), Hablik sei wie<br />
Vik<strong>in</strong>g Eggel<strong>in</strong>g <strong>und</strong> César Kle<strong>in</strong> "mit dem Medium Film <strong>in</strong> Berührung gekommen",<br />
basiert lediglich auf dem im folgenden besprochenen R<strong>und</strong>brief.<br />
409 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief 22.7.1920 (vgl. Anm. 407)<br />
410 Traumaufzeichnung v. 9.4.1907, W/Tg 4, SHI; Traumaufzeichnung v. 4.9.1909 (vgl.<br />
Abb. 94), WH/A IV, div., SHI: "Ich träumte heute, ich hätte Dir e<strong>in</strong> Schloß gebaut. In<br />
fernen Landen, am Strande <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s tiefgrünen Meeres. E<strong>in</strong> mächtiger Gebirgszug endete<br />
hier, <strong>und</strong> senkrecht stürzten die Felsen h<strong>in</strong>ab <strong>in</strong> die Wogen. (...) Ich steuerte me<strong>in</strong> Luftschiff<br />
dagegen <strong>und</strong> ankerte an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r festen Zacke. Die Arbeiter begannen unter dem Tosen<br />
der Brandung ... <strong>e<strong>in</strong>e</strong> gerade Ebene zu schaffen. (...) E<strong>in</strong> zweites Luftschiff war eben<br />
aus fernem Land angekommen <strong>und</strong> brachte reiche Schätze edelsten Metalls, daraus sogleich<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> feste Brücke frei <strong>in</strong> die Luft h<strong>in</strong>aus gebaut wurde, h<strong>in</strong>über zu den steilen Wänden<br />
<strong>des</strong> Marmorgebirges."<br />
411 Bruno Taut, R<strong>und</strong>brief "Fre<strong>und</strong>e! Zunächst ..." (vgl. Anm. 404, S. 64)
- 335 -<br />
412 "... Bauen heißt: der Schöpfung siebenten Tag weitertragen um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Welle <strong>in</strong> der Brandungskette,<br />
die liebend tändelt mit der Unendlichkeit" (Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, R<strong>und</strong>brief<br />
"Der achte Tag", vgl. Anm. 399, S. 30).<br />
413 Ebd., S. 33<br />
414 Ebd., S. 35<br />
415 Ebd., S. 37<br />
416 "Und es war e<strong>in</strong> großes Jucken unter den 'E<strong>in</strong>siedlerkrebsen' ausgebrochen - Sie zogen<br />
ihre butterweichen Seelenärsche (Podexe nach Prometh) aus ihren fremden Schneckenschalen<br />
<strong>und</strong> kratzten daran - <strong>und</strong> siehe - sie wurden w<strong>und</strong> <strong>und</strong> fielen gegenseitig übere<strong>in</strong>ander<br />
her <strong>und</strong> schrieen -: oh wie blau <strong>ist</strong> der D<strong>e<strong>in</strong>e</strong> - Du b<strong>ist</strong> vergiftet! - Ne<strong>in</strong>! - der D<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
<strong>ist</strong> es - der giftig <strong>ist</strong> - grün <strong>ist</strong> er über <strong>und</strong> über - <strong>und</strong> voller Kratzw<strong>und</strong>en! - Ne<strong>in</strong> - seht<br />
diesen! ganz gelb <strong>und</strong> gallertartig - ranzig <strong>ist</strong> er schon - geht <strong>und</strong> laßt uns ihn <strong>in</strong> die<br />
braune Quelle werfen, daraus die engen Schnecken-Schalen zu uns kamen - die wir bislang<br />
mit uns schleppten. Und sie g<strong>in</strong>gen h<strong>in</strong> <strong>und</strong> taten es - <strong>und</strong> mordeten" (Wenzel Hablik,<br />
R<strong>und</strong>brief "Der 9. Tag"; zu datieren 28.7.1920; zur Datierung vgl. Anm. 376; WH/A<br />
VII, SHI, maschschrftl., unveröffentlicht).<br />
417 Ebd.<br />
418 Vgl. 4. Kap., IV; Abb. 291-294<br />
419 Bruno Taut schrieb bereits am 18.1.1920: "Die 'Kunstformen der Natur' helfen nur nicht.<br />
Das gibt Naturalismus, Impressionismus (sei es auch seelischer wie Kand<strong>in</strong>sky), Jugendstil"<br />
(AGK 19). - F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, dem Naturformen aufgr<strong>und</strong> ihrer Verwendung <strong>in</strong> den vorangegangenen<br />
Architekturepochen suspekt waren, verteidigte sich gegen den Vorwurf ihrer<br />
Anwendung: "E<strong>in</strong> Hauptvorwurf aus dem alten Lager, der das neue Haus <strong>und</strong> vor allem<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Architektur trifft, <strong>ist</strong> der der Naturnachahmung. Aus Schnecken, Pilzen, Korallen<br />
usw. soll sich me<strong>in</strong> Modellmarkt rekrutieren. Ich erkenne nur '<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n' Gestaltungstrieb ...<br />
Nur das Unmittelbare, Unnachahmliche <strong>des</strong>tilliert die Werte. (...) Sagt mir, ob die umgebende<br />
Natur nicht viel mehr spukt <strong>in</strong> den Kreaturen der alten Kunst? Steht nicht die<br />
Säule heute noch mit ihrem aufgepfropften Akanthus oder Lotustrieb vergleichse<strong>in</strong>ladend<br />
neben ihrem Palmenmodell ... (...) Hier liegt auch das Sesam der neuen Baukunst, den Stil<br />
nicht mehr <strong>in</strong> En- <strong>und</strong> Exanthemen primitivster Gr<strong>und</strong>formen zu suchen, sondern <strong>in</strong> der<br />
mutierten, komplizierten Gestaltung der Großformen selbst ..." (R<strong>und</strong>brief "Der achte<br />
Tag", vgl. Anm. 399, S. 33).<br />
420 In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m zweiten Entwurf dieses Briefes schrieb Hablik: "Mit welchem Recht seid Ihr<br />
bange vor 'Naturformen', resp. den 'Kunstformen' <strong>in</strong> der Natur? Wie wollt Ihr, <strong>und</strong> wenn<br />
Ihr Euch noch so sehr dagegen verwahrt, dieselben ausschalten? Lachhaft!" (Fragment<br />
"Otto Gröne, Ingenieur ...", wohl Anfang Juli 1920, WH/A VII, SHI)<br />
421 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, 4.7.1920, WH/A VII, SHI<br />
422 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief "Antwort auf Tancred ..." (vgl. Anm. 376)
- 336 -<br />
423 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, 4.8.1920, Feder auf Pergament, 35,3 x<br />
19,5 cm, SHI (Abb. 314); veröffentlicht <strong>in</strong> AGK 56<br />
424 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette ("K<strong>in</strong>der, was für herrliches Zeug ..."),<br />
wohl 4.8.1920, Feder auf Pergament, 33,5 x 14,7 cm, SHI (Abb. 315), veröffentlicht <strong>in</strong><br />
AGK 14<br />
425 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette ("Ich fühle mich ..."), etwa Anfang<br />
August 1920, AGK 54<br />
426 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, R<strong>und</strong>brief "An ihren Früchten ..." (vgl. Anm. 389)<br />
427 Bruno Taut, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, 5.10.1920, AGK 60<br />
428 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette ("Heil, Bruder Glas ..."), etwa<br />
Oktober 1920, AGK 62<br />
429 Bruno Taut, R<strong>und</strong>brief 5.10.1920 (vgl. Anm. 427, S. 62)<br />
430 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, 24.12.1920, AGK 73<br />
431 Bruno Taut hatte <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Brief v. 13.3.1920 auch die anderen Mitglieder der Gläsernen<br />
Kette auf Paul Scheerbart e<strong>in</strong>geschworen: "Prometh (F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>) schickte mir s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Manuskripte<br />
'Die Grotte' <strong>und</strong> 'Der siebente Tag' ... Phantasie aus der gleichen Quelle wie<br />
Scheerbart - <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Quelle unter uns allen" (AGK 26).<br />
432 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>, R<strong>und</strong>brief "Fre<strong>und</strong>e! Cor hat ..." (vgl. Anm. 390, S. 66)<br />
433 Hans Luckhardt, R<strong>und</strong>brief 31.5.1920 (vgl. Anm. 380, S. 45)<br />
434 Diese Zahlen stimmen <strong>in</strong> den Nachlässen von Wenzel Hablik (SHI) <strong>und</strong> Hans Scharoun<br />
(Sammlung Baukunst, Akademie der Künste, Berl<strong>in</strong>) übere<strong>in</strong>.<br />
435 Die Zeichnungen dürften zum größten Teil <strong>in</strong> der zweiten Jahreshälfte 1920 entstanden<br />
se<strong>in</strong>. In der ersten Jahreshälfte beschränkte sich Habliks Teilnahme an der Gläsernen<br />
Kette auf zwei R<strong>und</strong>briefe im Januar <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n hektographierten Kuppelentwurf vom 1.<br />
März (Wachsmatritzenkopie "Zur Erklärung <strong>des</strong> Pr<strong>in</strong>zips der freitragenden Kuppel II" im<br />
Nachlaß Scharoun, Sammlung Baukunst, Akademie der Künste, Berl<strong>in</strong>). Im Mai <strong>und</strong> Juni<br />
häuften sich die Bemerkungen über s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> spärliche Mitarbeit. "W.H.! Warum erhalte ich<br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Antwort auf m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> verschiedenen Anfragen? Hoffentlich liegt nicht Krankheit vor"<br />
(Bruno Taut, R<strong>und</strong>brief 31.5.1920, vgl. Anm. 382, S. 4l) . -"W.H. hatte nur zum Buch<br />
e<strong>in</strong>gesandt" (Hans Luckhardt, R<strong>und</strong>brief 31.5.1920, vgl. Anm. 380, S. 46). - "Fre<strong>und</strong><br />
Hablik! Wird es mir gel<strong>in</strong>gen, den Schweigenden hiermit zum Sprechen zu br<strong>in</strong>gen?"<br />
(Bruno Taut an Wenzel Hablik, Berl<strong>in</strong> 20.6.1920, WH/A VII, SHI) - Im Oktober konnte<br />
Taut endlich aufatmen: "Vielen, vielen Dank Angkor <strong>und</strong> W.H. für die Sendungen, <strong>und</strong><br />
besonders W.H. für die reichen Zeichnungen -" (Bruno Taut, R<strong>und</strong>brief "Fre<strong>und</strong>e!<br />
Zunächst ...", vgl. Anm. 404, S. 64). Die Orig<strong>in</strong>ale zu den Blaupausen, Federzeichnungen<br />
auf Pergament, bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> der Sammlung Hablik, Itzehoe. Sie s<strong>in</strong>d, bis auf drei<br />
Ausnahmen, auf teils beschriftete Kartons montiert. Montage, Beschriftung <strong>und</strong> Numerierung<br />
der Kartons entstanden of-
- 337 -<br />
fensichtlich erst 1925 anläßlich der Ausstellung im Kunstvere<strong>in</strong> für Böhmen <strong>in</strong> Prag. (Die<br />
e<strong>in</strong>heitliche Numerierung <strong>in</strong> gleicher Schrift <strong>und</strong> T<strong>in</strong>te tritt bei Arbeiten bis Ende 1924<br />
auf, dürfte also nicht früher erfolgt se<strong>in</strong>. Die Beschriftungen der Kartons stimmen teilweise<br />
mit Passagen aus dem erstmals 1925 vorgelegten Manifest "Völker der Erde!"<br />
übere<strong>in</strong>. Im Katalog der Prager Ausstellung ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n als Werktitel vorzugsweise die<br />
Beschriftungen der Kartons <strong>und</strong> nicht die der Zeichnungen.) - Zu e<strong>in</strong>igen Entwürfen<br />
ex<strong>ist</strong>ieren naturgemäß Vorstudien, teilweise auch frühere oder spätere Fassungen, die auf<br />
Karton gezeichnet <strong>und</strong> teils aquarelliert s<strong>in</strong>d. Sie unterscheiden sich von den Pergament-<br />
Federzeichnungen durch größeres Format <strong>und</strong> veränderte Details.<br />
436 Die Orig<strong>in</strong>alentwürfe s<strong>in</strong>d teils lavierte, teils mit Tuschp<strong>in</strong>sel nachgearbeitete Federzeichnungen<br />
mit Hektographent<strong>in</strong>te auf Pergament. Die Vervielfältigung durch Lichtpausen<br />
übernahm Hans Luckhardt <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, da <strong>in</strong> Itzehoe k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Möglichkeit dafür bestand (Hans<br />
Luckhardt an Wenzel Hablik, etwa Jahreswende 1919/20, WH/A VII, SHI).<br />
437 Hablik besaß Lehrplan <strong>und</strong> Satzungen <strong>des</strong> Bauhauses <strong>in</strong> der Ausgabe von 1921 (SHI).<br />
Briefstellen aus dem Jahre 1923 belegen, daß dem Künstler besonders an <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Anerkennung<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Arbeiten durch Gropius gelegen war. Nach der Werkb<strong>und</strong>tagung <strong>in</strong> Weimar<br />
mit anschließender Besichtigung <strong>des</strong> Bauhauses schrieb er an Adolf Behne, nun verstehe<br />
er, warum Gropius sich nicht an der Gläsernen Kette beteiligt habe. Während der Werkb<strong>und</strong>tagung<br />
berichtete Hablik s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Frau, er habe Gropius nach Itzehoe e<strong>in</strong>geladen.<br />
Zugleich bezichtigte er ihn im geheimen, Ideen von ihm übernommen zu haben: "Ich<br />
fragte Gropius selbst, warum er nicht e<strong>in</strong>mal auf m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> direkte Aufforderung reagiert<br />
hätte. Er erwiderte mit Ausflüchten, wie viel Arbeit etc., auch hätte ihm hauptsächlich<br />
daran gelegen, so viel als möglich Anregungen zu erhalten. Ich fand eben auch unter den<br />
ausgestellten Arbeiten solche, die nur auf die <strong>in</strong>timste Kenntnisnahme m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r 'Anregungen'<br />
zurückzuführen <strong>und</strong> zu erklären <strong>ist</strong>" (Wenzel Hablik an Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demann,<br />
Weimar 14.9.1923, W E/K 1919, SHI).<br />
438 In der Sammlung Hablik, Itzehoe, bef<strong>in</strong>det sich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Versandl<strong>ist</strong>e für die Gläserne Kette<br />
(WH/A VII). Im Nachlaß Scharoun (Sammlung Baukunst, Akademie der Künste, Berl<strong>in</strong>)<br />
s<strong>in</strong>d fast alle Exemplare von Habliks Entwürfen für die Geme<strong>in</strong>schaft als Blaupausen<br />
enthalten.<br />
439 Das Blatt "Bearbeitete <strong>und</strong> bebaute Berge" (1920, Abb. 333) trägt zusätzlich die Beischrift<br />
"aus den Studien von 1903". Diese extreme Vordatierung läßt sich durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
stilkritische Untersuchung der ersten Fassung (Abb. 25) nicht verifizieren; sie stammt<br />
e<strong>in</strong>deutig aus den Jahren 1906/07. Auch die dort e<strong>in</strong>getragene Zahl "03" kann diese<br />
Datierung nicht erschüttern. Die Vordatierung auf dem Entwurf für die Gläserne Kette<br />
mag dem Künstler dazu gedient haben, sich gegenüber der Gruppe als Urheber der<br />
frühesten Kr<strong>ist</strong>allphantasien auszuweisen. Ähnliche nachträgliche Vordatierungen s<strong>in</strong>d<br />
bei Wenzel Hablik auch <strong>in</strong> anderen Werkteilen zu beobachten.
- 338 -<br />
440 Von Wenzel Hablik erschien <strong>in</strong> Tauts Aufsatz "Architektur neuer Geme<strong>in</strong>schaft" der<br />
Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s "Freitragenden selbstpannenden Kuppelbaus, 'Wahrzeichen' <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen<br />
Stadt". Die Zeichnung vom 6.1.1920, deren Orig<strong>in</strong>al <strong>in</strong> der Sammlung Hablik vorliegt<br />
(Abb. 357), wurde auch an die Mitglieder der Gläsernen Kette verschickt. Sie wird weiter<br />
unten besprochen.<br />
441 Auffällig s<strong>in</strong>d <strong>in</strong>sbesondere Ähnlichkeiten zwischen dem mittleren Kopf <strong>in</strong> Habliks Entwurf<br />
(Abb. 337) <strong>und</strong> dem Porträt Wash<strong>in</strong>gtons im Mount Rushmore Memorial. Die Beziehungen<br />
zwischen den beiden Projekten s<strong>in</strong>d ungeklärt. Möglicherweise wurden Borglums<br />
Entwürfe schon 1920 <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r deutschen Zeitschrift veröffentlicht.<br />
442 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette "Der 9. Tag", 1920 (vgl. Anm. 416)<br />
443 Tagebuche<strong>in</strong>trag "Erwarten wir also ...", wohl 1920, W/Tg 12, SHI<br />
444 E<strong>in</strong> weiterer Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r architektonischen "Blume" (Abb. 341) <strong>ist</strong> mit der Beischrift<br />
"Drei Fragen" komb<strong>in</strong>iert. Sie we<strong>ist</strong> auf das symbol<strong>ist</strong>ische Gr<strong>und</strong>thema "Woher kommen<br />
wir? Wer s<strong>in</strong>d wir? Woh<strong>in</strong> gehen wir?" zurück, das Hablik 1913 aus Paul Gaugu<strong>in</strong>s<br />
gleichnamigem Gemälde (1897) <strong>in</strong> se<strong>in</strong> Bild "Woher - Woh<strong>in</strong>?" (Abb. 79) übertrug.<br />
445 Auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Skizze zu diesem Entwurf vermerkt Hablik: "Die erstarrten Gewitterblitze als<br />
Symbole für die Kr<strong>ist</strong>allbauten" (Abb. 343 a).<br />
446 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>briefe an die Gläserne Kette v. 4.8.1920 (Abb. 314-315; vgl. Anm.<br />
423 u. 424)<br />
447 Hablik hatte Peter Jessen die Mappe "Schaffende Kräfte" bereits während <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Berl<strong>in</strong>-<br />
Besuchs vom 16. Bis 22.4.1909 vorgestellt. Über die Reaktion enttäuscht, notierte er <strong>in</strong><br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Tagebuch: "... m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> schönen Radierungen k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kunstwerke!" (W/Tg 6, 22.4.<br />
1909, SHI)<br />
448 Vgl. Nachricht Wassili Luckhardt an Wenzel Hablik 1919 (s. Anm. 359, Zitat S. 16l)<br />
449 Bruno Taut, R<strong>und</strong>brief "Fre<strong>und</strong>e! Zunächst ..." (vgl. Anm. 404, S. 64)<br />
450 Der Titel dieses Blattes <strong>ist</strong> Bruno Tauts Entwurf für e<strong>in</strong> "Gelehrtenheim an der See" <strong>in</strong><br />
dem Buch "Die Auflösung der Städte" (1920, Bl. 13) nachempf<strong>und</strong>en.<br />
451 Die Außenansicht <strong>des</strong> "Freitragenden Kuppelbaus" (Abb. 357) <strong>ist</strong> jene Zeichnung, die<br />
1920 zusammen mit anderen Entwürfen aus der Gläsernen Kette als Illustration zu Bruno<br />
Tauts "Architektur neuer Geme<strong>in</strong>schaft" <strong>in</strong> dem Jahrbuch "Die Erhebung" erschien. - Für<br />
dieselbe Publikation zeichnete Hablik vier Entwürfe für Kuppelbauten (Abb. 359-361),<br />
die Etienne-Louis Boullées "Entwurf zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Kenotaph für Isaac Newton" (1784, Abb.<br />
362) wörtlich zitieren (bes. Abb. 360). Sie wurden nicht veröffentlicht.<br />
452 Dieses Blatt bef<strong>in</strong>det sich als Wachsmatritzenabzug im Nachlaß Scharoun, Sammlung<br />
Baukunst, Akademie der Künste, Berl<strong>in</strong>.<br />
453 Die Vordatierung <strong>des</strong> Querschnitts zum Kuppelentwurf (Abb. 358) <strong>in</strong> den "Sept. 08" <strong>ist</strong><br />
ähnlich wie die zuvor erwähnten Fälle zu beurteilen: Sie läßt sich nicht durch vorhandene<br />
Entwürfe belegen, diente
- 339 -<br />
dem Künstler aber dazu, sich gegenüber den Mitgliedern der Gläsernen Kette als Verfasser<br />
<strong>des</strong> frühesten (noch vor Max Bergs "Jahrh<strong>und</strong>erthalle", 1911/12, liegenden) monumentalen<br />
Kuppelentwurfs auszuweisen.<br />
454 Tauts "Aufruf zum farbigen Bauen" erschien zuerst <strong>in</strong> der Zeitschrift "Bauwelt" (Taut:<br />
Aufruf 1919) <strong>und</strong> wurde von namhaften Architekten unterstützt. Er setzte damit se<strong>in</strong><br />
1913/14 mit der "Tuschkasten-Siedlung" Berl<strong>in</strong>-Falkenberg begonnenes Konzept fort<br />
(vgl. a. 6. Kap., II). Im gleichen Jahr schrieb Adolf Behne <strong>in</strong> dem Buch "Wiederkehr der<br />
Kunst": "Jeder r<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Farbklang <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Ton aus dem Universum, etwas Letztes, Entscheiden<strong>des</strong><br />
..." (S. 102).<br />
455 Bruno Taut an Wenzel Hablik, Magdeburg 26.8.1921, WH/A VII, SHI<br />
456 Carl Krayl war seit 1921 Mitarbeiter Bruno Tauts im Stadtbauamt <strong>in</strong> Magdeburg (Ausst.-<br />
Kat. Arbeitsrat für Kunst 1980, 142).<br />
457 Wassili Luckhardt an Wenzel Hablik, Berl<strong>in</strong> 28.8.1921, SHI<br />
458 Wenzel Hablik an Adolf Behne, Itzehoe 27.2.1923, WH/A VII, SHI<br />
459 Beispielsweise erhielt die Hamburger Niederlassung der Firma Richard Biel, über die<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s der M<strong>in</strong>eraliengeschäfte abgewickelt wurde, am 8.3.1920 von der M<strong>in</strong>eralien-<br />
Handlung Hermann Hölt<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Idar-Oberste<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Rechnung über Mk 11.980,-- für<br />
Achate, Malachit, Rosenquarz, Blutste<strong>in</strong>, Bergkr<strong>ist</strong>alle, div. Quarze usw. (Korrespondenz<br />
Akte Mi l, SHI).<br />
460 Briefe Wenzel Habliks an Direktor Edelmann s<strong>in</strong>d im Archiv der Bergakademie Freiberg/<br />
Sa. nicht mehr nachzuweisen (frdl. Mittlg. Herr Dipl.-Ing. oec. Hofmann v. 6.12.1979).<br />
E<strong>in</strong> bereits adressierter, aber nicht abgesandter Brief Habliks an Edelmann v. 17.2.1923<br />
<strong>ist</strong> <strong>in</strong> der Sammlung Hablik erhalten.<br />
461 Rechnung der M<strong>in</strong>eralien-Niederlage der sächsischen Bergakademie Freiberg/Sa. über<br />
"60 Stück Kr<strong>ist</strong>allmodelle von Holz, lackiert (l Satz)" zum Preis von Mk 608,--, 1921 (Mi<br />
l, SHI)<br />
462 Wenzel Hablik an das Reichse<strong>in</strong>fuhramt Berl<strong>in</strong>, wohl 1921, Mi l, SHI<br />
463 Wenzel Hablik an Direktor Edelmann, Itzehoe 17.2.1923, nicht abgesandt, SHI<br />
464 Direktor Edelmann an Wenzel Hablik, Freiberg/Sa. 23.12.1921, Mi l, SHI. - Die Äußerung<br />
bezog sich auf starke Preissteigerungen bei Kr<strong>ist</strong>allen <strong>und</strong> Edelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, die als wertbeständige<br />
Objekte durch die Inflation besonders betroffen waren. Ende 1922 stellte die<br />
Bergakademie den Handel mit Kr<strong>ist</strong>allen zunächst e<strong>in</strong>, da k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Gr<strong>und</strong>lage zur Berechnung<br />
der Preise mehr vorhanden war. Nachdem Hablik im November 1922 erfolglos für<br />
Mk 30.000,-- Kr<strong>ist</strong>alle geordert hatte, bat er im Februar mit dem erwähnten nicht abgesandten<br />
Brief noch e<strong>in</strong>mal um <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kollektion für "höchstens 170.000-180.000 Mk"<br />
(Wenzel Hablik an Direktor Edelmann 1923, vgl. Anm. 463).<br />
465 In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Antwort an Wenzel Hablik schrieb Direktor Edelmann am 23.12.1921 aus Freiberg/Sa.:<br />
"Leider war es uns immer noch nicht möglich, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bergkr<strong>ist</strong>allgruppe zu f<strong>in</strong>den,<br />
die Ihren Skizzen entspricht ... Auch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Szepterquarz von der skizzierten Form<br />
<strong>und</strong>
- 340 -<br />
Größe haben wir bis jetzt noch nicht auftreiben können, etwas ähnliches haben wir der<br />
gestrigen Sendung beigepackt, aber <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Vergleich mit Ihrer Skizze hält dieses Exemplar<br />
nicht aus" (Mi l, SHI).<br />
466 Diese Information <strong>ist</strong> dem Wismut-Kr<strong>ist</strong>all <strong>in</strong> der Sammlung Hablik auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Zettel<br />
beigefügt.<br />
467 M<strong>in</strong>eralien-Comptoir Julius Böhm an Wenzel Hablik, Wien 17.4.1920, Mi l, SHI. -<br />
Hablik zitierte "das Erdbeben" <strong>in</strong> der Beischrift zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Skizze für die Kr<strong>ist</strong>alltürme "Aus<br />
der neuen Stadt" (Abb. 345 a). Der mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Glaskuppel gedeckte Turm besitzt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n gestuften<br />
mäanderförmigen oberen Abschluß.<br />
468 Direktor Edelmann an Wenzel Hablik, Freiberg/Sa. 28.6.1921, Mi l, SHI<br />
469 Wenzel Hablik an Adolf Behne 1923 (vgl. Anm. 458)<br />
470 Die Holzschnitte, die mit der Masch<strong>in</strong>e vom unbehandelten Orig<strong>in</strong>alstock gedruckt wurden<br />
(Wenzel Hablik, Briefnotiz v. 18.5.1922, Akte W AH Briefe privat, SHI), s<strong>in</strong>d Habliks<br />
e<strong>in</strong>zige erhaltene Arbeiten <strong>in</strong> dieser Technik. Sie orientieren sich an dem Standard<br />
journal<strong>ist</strong>isch veröffentlichter Künstlergraphik, wie ihn vor allem Herwarth Walden <strong>in</strong><br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r seit 1910 herausgegebenen Zeitschrift "Der Sturm" pflegte. - Während der Entstehungszeit<br />
der Mappe "Schaffende Kräfte" erwähnte der Künstler e<strong>in</strong> vorangegangenes<br />
aus Holzschnitten bestehen<strong>des</strong> "Märchenbilderbuch" - offenbar e<strong>in</strong> Zyklus früher utopischer<br />
Architekturen, der heute verschollen <strong>ist</strong>: "Es war das vierte Mal, daß ich (am Märchenbilderbuch)<br />
arbeitete - das erste waren Algraphien, das 2te Holzschnitt - das 3te<br />
Ste<strong>in</strong>zeichnung <strong>und</strong> jetzt endlich das, was es von Anfang an hatte werden sollen, e<strong>in</strong><br />
Radierungszyklus. Das erste verschwand - ich druckte bloß 10 Exempl. zu je 6 Blatt. Das<br />
zweite kaufte mir (jemand) ab, als ich bereits 80 Platten geschnitten hatte <strong>und</strong> nicht mehr<br />
weiter konnte, weil ich ke<strong>in</strong> Geld für Holz hatte. In <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m armseligen Anfall von Mutlosigkeit<br />
gab ich die Nachtarbeit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s halben Jahres h<strong>in</strong>" (Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 5.8.1908,<br />
W/Tg 6, SHI).<br />
471 Zur Gotik-Rezeption im Expressionismus vgl. 3. Kap. - Zur Verdeutlichung hier noch<br />
e<strong>in</strong>ige Nachweise. Gleichzeitig mit Wilhelm Worr<strong>in</strong>ger, der <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Buch "Formprobleme<br />
der Gotik" die Gotik als Epoche der Verge<strong>ist</strong>igung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r sozial e<strong>in</strong>heitlichen Gesellschaft<br />
betrachtete, sah Gustav Landauer <strong>in</strong> der Gotik das ideale Vorbild <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künftigen<br />
Gesellschaft: "Es waren da e<strong>in</strong>fachere Verbände; noch k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Persönlichkeiten genialer<br />
Individualität <strong>und</strong> Subjektivität waren die Repräsentanten <strong>des</strong> Volkstums; es war<br />
e<strong>in</strong> primitives, e<strong>in</strong> kommun<strong>ist</strong>isches Leben" (Landauer [1911] 2 1919, 9 f.). - Nach Adolf<br />
Behne, der 1914 "die Baume<strong>ist</strong>er, die Plastiker, die Maler <strong>und</strong> Zeichner der Gotik" als<br />
Expression<strong>ist</strong>en bezeichnete ("Deutsche Expression<strong>ist</strong>en", S. 114), beschwor Karl Scheffler<br />
1917 den "leidenschaftlichen Kollektivwillen" <strong>des</strong> "gotischen Ge<strong>ist</strong>es": "Alle Menschen<br />
haben irgendwie Anteil an den W<strong>und</strong>erbauten der mittelalterlichen Gotik; aber alle<br />
bleiben sie auch anonym. Und dieses eben <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Charakter<strong>ist</strong>ikum <strong>des</strong> Ge<strong>ist</strong>es der Gotik<br />
überhaupt: er lebt sich <strong>in</strong> Massenk<strong>und</strong>gebungen aus ..." (Der Ge<strong>ist</strong> der Gotik 1917, 35).<br />
Eben dieser "Ge<strong>ist</strong>" galt wiederum Landauer als Gr<strong>und</strong>lage der angestrebten ho-
- 341 -<br />
mogenen Geme<strong>in</strong>schaft: "... Ge<strong>ist</strong> <strong>ist</strong> Geme<strong>in</strong>ge<strong>ist</strong>, Ge<strong>ist</strong> <strong>ist</strong> Verb<strong>in</strong>dung <strong>und</strong> Freiheit,<br />
Ge<strong>ist</strong> <strong>ist</strong> Menschenb<strong>und</strong>, wir sehen es bald noch deutlicher - e<strong>in</strong> Ge<strong>ist</strong> kommt über die<br />
Menschen; <strong>und</strong> wo Ge<strong>ist</strong> <strong>ist</strong>, <strong>ist</strong> Volk, wo Volk <strong>ist</strong>, <strong>ist</strong> e<strong>in</strong> Keil, der vorwärts drängt, <strong>ist</strong><br />
e<strong>in</strong> Wille ..." (Landauer, w.o., S. 3). - Zu dem Komplex "Ge<strong>ist</strong> <strong>und</strong> Volk" sowie der<br />
Gotik-Rezeption <strong>des</strong> Expressionismus vgl. das gleichlautende Kapitel bei Whyte 1981, 49<br />
ff.<br />
472 Die Pfeilerhalle ignorierte geradezu die von Hablik für unbegrenzte Spannweiten erf<strong>und</strong>ene<br />
pfeilerlose "freitragende Kuppel". Da Pfeiler <strong>und</strong> Gewölbe als "homogen geschweißte"<br />
Eisenkonstruktion geplant waren (Abb. 383 a), mußte er auf e<strong>in</strong> Stützensystem<br />
zurückgreifen, das s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n größten Erfolg bereits <strong>in</strong> der zweiten Hälfte <strong>des</strong> 19.<br />
Jhdts. gefeiert hatte: den Gelenkbogen. Das Rollengelenk, durch <strong>des</strong>sen E<strong>in</strong>bau statisch<br />
unbestimmte Rahmen wieder bestimmbar werden, war <strong>in</strong> der 1889 von Ch. Dutert auf der<br />
Pariser Weltausstellung errichteten "Galerie <strong>des</strong> Mach<strong>in</strong>es" zu großem Ruhm gelangt. Es<br />
ermöglichte, mit eisernen Dreigelenkbögen auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Fläche von 115 x 420 m den größten<br />
Raum s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Zeit zu überspannen (vgl. Benevolo 1978, 158 ff.). Hablik entwickelte nach<br />
diesem Vorbild e<strong>in</strong> Kugelgelenk, das die Materialspannungen von Pfeilern <strong>und</strong> Gewölben<br />
auffangen sollte.<br />
473 Vgl. den oben zitierten Brief von Bruno Taut an Wenzel Hablik v. 26.8.1921 (vgl. Anm.<br />
455): "Ich gebe wieder e<strong>in</strong> 'Frühlicht' heraus als Vierteljahresschrift, zu <strong>des</strong>sen Mitarbeit<br />
ich Sie sehr gern sehen möchte."<br />
474 Bruno Taut an Wenzel Hablik, Magdeburg 17.1.1922, WH/A VII, SHI<br />
475 Vom Umfang her <strong>ist</strong> nur Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>s mehrseitiger, von Modellfotos <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m<br />
Entwurfsplan begleiteter Aufsatz "Die Genesis der Weltarchitektur oder die Deszendenz<br />
der Dome als Stilspiel. E<strong>in</strong> Lehr-, Spiel- <strong>und</strong> Versuchsbaukasten" <strong>in</strong> demselben Heft der<br />
Zeitschrift vergleichbar.<br />
476 Oskar Beyer an Wenzel Hablik, Berl<strong>in</strong> 25.3.1933, WH/K 18, SHI<br />
477 Oskar Beyer: Hektographierter Waschzettel für das geplante Buch "Schöpfung. E<strong>in</strong> Jahrbuch<br />
für religiöse Ausdruckskunst", WH/K 18, SHI<br />
478 Ebenfalls 1923 veröffentlichte Oskar Beyer das Buch "Welt-Kunst. Von der Umwertung<br />
der Kunstgeschichte", <strong>in</strong> dem er von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kunstgeschichte <strong>des</strong> Geniekults <strong>und</strong> der Individualle<strong>ist</strong>ungen<br />
abriet <strong>und</strong> statt <strong>des</strong>sen die Darstellung <strong>und</strong> Analyse geme<strong>in</strong>schaftsgetragener<br />
Kulturen aller fünf Kont<strong>in</strong>ente favorisierte. Das Buch folgte theoretisch <strong>und</strong> <strong>in</strong> der<br />
Aufmachung Worr<strong>in</strong>gers "Formproblemen der Gotik" (1911) sowie Schefflers "Ge<strong>ist</strong> der<br />
Gotik" (1917): Es übernahm ebenfalls Worr<strong>in</strong>gers Trennung <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> 'gute' Kunst der<br />
Gotik <strong>und</strong> <strong>des</strong> Orients <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> 'schlechte' Kunst der 'Klassik', lehnte sich an Schefflers<br />
Kapitelfolge an (bei Scheffler: Die Lehre vom Ideal, Die beiden Formenwelten der Kunst;<br />
bei Beyer: Der neue Horizont, Zwei Welten), <strong>und</strong> es orientierte sich mit der Mischung<br />
von Abbildungen zur romanischen, gotischen <strong>und</strong> außereuropäischen Kultur an Schefflers<br />
Abbildungsteil. Dennoch unterstellte er Worr<strong>in</strong>gers Darstellung "Mangelhaftes, Übereiltes<br />
<strong>und</strong> E<strong>in</strong>seitiges, ja Blenden<strong>des</strong>"
- 342 -<br />
(Beyer 1923, 76), Schefflers Äußerungen <strong>e<strong>in</strong>e</strong> "flache <strong>und</strong> journal<strong>ist</strong>ische Begründung"<br />
(ebd., 77) - nicht ohne beide Bücher schließlich doch als "fruchtbar, <strong>und</strong> zwar im anregenden<br />
S<strong>in</strong>ne" (ebd., 76) bzw. als "nützliches Hilfsmittel" (ebd., 78) (das sie für Beyer ja<br />
auch waren) zu loben.<br />
479 Der Beitrag von Paul Fechter (Beyer [Hrsg.] 1923, 57 ff.), der sich unter dem Aspekt<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r derzeit nicht vorhandenen "Volksgeme<strong>in</strong>schaft" mit Problemen <strong>des</strong> Kirchenbaus<br />
befaßte, wurde von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Auswahl nach Art der <strong>in</strong> "Frühlicht" gezeigten Architekturentwürfe<br />
begleitet: drei Skizzen zu "Kultbauten" von Erich Mendelsohn, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Ansicht von<br />
Rudolf St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>rs erstem Goetheanum <strong>in</strong> Dornach, das Innenraummodell <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Holzkirche<br />
von Hans Söder <strong>und</strong> Ewald Dülsberg sowie der Entwurf für die "Kathedrale der Chr<strong>ist</strong>ian<br />
Science" von Carl Krayl.<br />
480 Zu dem Entwurf "Glaskuppel im Meer" ex<strong>ist</strong>ieren drei weitere, sorgfältig ausgeführte<br />
Fassungen (Abb. 398-398 b). E<strong>in</strong>e der Darstellungen <strong>ist</strong> von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m ovalen Schriftband<br />
umgeben (Abb. 398 b), so daß der zwischen Meeresdünung <strong>und</strong> Wolkengloriolen schwebende<br />
"Dom" zusätzlich verklärt wird. Der Text steigert die Bedeutung <strong>des</strong> Baus teils <strong>in</strong>s<br />
Verspielte, teils <strong>in</strong>s Theatralische <strong>und</strong> verb<strong>in</strong>det den Gr<strong>und</strong>satz der Naturverehrung mit<br />
der Utopie der Weltgeme<strong>in</strong>schaft zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Religion: "Dom im offenen Meer, so<br />
groß, daß die Schiffe den 'Weltsonntag' dar<strong>in</strong> feiern können. Über alles h<strong>in</strong>weg schw<strong>in</strong>gt<br />
sich der Ge<strong>ist</strong>! Denkt an ganz große Aufgaben! Denkt an <strong>e<strong>in</strong>e</strong> neue Religion! Denkt an<br />
Natur <strong>und</strong> ihre W<strong>und</strong>er!"<br />
481 Wenzel Hablik an Adolf Behne 1923 (vgl. Anm. 458)<br />
482 Adolf Behne an Wenzel Hablik, 6.1.1924, WH/A VII, SHI<br />
483 Manuskript "Die neue Stadt", WH/A VIII div., SHI; Manuskript "Ich b<strong>in</strong> für die größten<br />
D<strong>in</strong>ge ...", WH/A VII, SHI; Tagebuchnotizen "Erwarten wir also ...", "vor allem nicht<br />
vergessen ...", "Die Radiol<strong>ist</strong>ensendung ..." (W/Tg 12, SHI). - Im folgenden s<strong>in</strong>d<br />
thematisch zusammengehörende Teile komb<strong>in</strong>iert, ohne daß die Herkunft erneut nachgewiesen<br />
wird. Unterschiedliche Herkunft wird durch Absätze <strong>und</strong> neuen Zitatanfang gekennzeichnet.<br />
484 Der Sozialpolitiker He<strong>in</strong>z Potthoff propagierte seit 1920 die allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Able<strong>ist</strong>ung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Arbeitsdienstjahres als Mittel zur Wiederherstellung <strong>des</strong> <strong>in</strong>neren Friedens <strong>und</strong> zur Verwirklichung<br />
<strong>des</strong> Sozialismus (Köhler 1967, 15 f.). Völkisch orientierte Kreise der Jugendbewegung,<br />
die den Nationalsozial<strong>ist</strong>en nahestanden, riefen 1923/24 zur Teilnahme an<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m "Körper <strong>und</strong> Ge<strong>ist</strong> stählenden" Landarbeitsdienst auf. - Befürworter der Arbeitsdienstpflicht<br />
erhielten durch die bereits geschehene Verwirklichung ihrer Utopie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
entscheidenden Rückhalt: 1920 war der Arbeitsdienst <strong>in</strong> dem agrarkommun<strong>ist</strong>ischen<br />
Bulgarien gesetzlich e<strong>in</strong>geführt worden (ebd., 43). In den letzten Jahren der Weimarer<br />
Republik wurde der Gedanke <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Arbeitsdienstes durch die Wirtschaftskrise 1929/30<br />
wieder aktuell (ebd., 51). Ab 1931 widmete sich Konstant<strong>in</strong> Hierl mit dem E<strong>in</strong>verständnis<br />
Adolf Hitlers <strong>und</strong> im Auftrag der NSDAP ausschließlich diesem Aufgabenbereich. Se<strong>in</strong><br />
persönlicher Erfolg war die gesetzliche E<strong>in</strong>führung <strong>des</strong> Reichsarbeitsdienstes am 26.6.<br />
1935 (ebd., 243 ff., 261).
- 343 -<br />
485 Den Gesang: "Pioniere! Pioniere!" (im Amerikanischen hymnischer: "Pioneers! Oh Pioneers!")<br />
setzte Bruno Taut ans Ende s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r literarischen "Beweise" zur "Auflösung der<br />
Städte" (1920).<br />
486 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief Januar 1919 (vgl. Anm. 367)<br />
487 Zwei Entwürfe mit dem Titel "Volkshausgedanke" veröffentlichte Scharoun im fünften<br />
Heft der Zeitschrift "Frühlicht" 1920 (vgl. Conrads [Hrsg.] 1963, 26 f.), den tempelartigen<br />
Entwurf <strong>in</strong> "Ruf zum Bauen" 1920, Abb. 34. Zwei weitere Entwürfe, "Volkshaus"<br />
1919 <strong>und</strong> "Volkshausgedanke" 1920, bildete Ia<strong>in</strong> Boyd Whyte 1981, S. 165, ab.<br />
488 Vom März 1920 stammen die ersten R<strong>und</strong>schreiben, die Hablik vom Deutschen Volkshausb<strong>und</strong><br />
erhielt.<br />
489 Deutscher Volkshausb<strong>und</strong> e.V., R<strong>und</strong>schreiben "An unsere Architekten-Mitglieder",<br />
Berl<strong>in</strong>-Wilmersdorf 18.3.1920, SHI<br />
490 Deutscher Volkshausb<strong>und</strong> e.V., R<strong>und</strong>schreiben "An den Arbeitsausschuß <strong>des</strong> Deutschen<br />
Volkshausb<strong>und</strong>es e.V.", Berl<strong>in</strong>-Wilmersdorf März 1920, SHI<br />
491 Ebd.<br />
492 Die Bemerkung "Inflationszeit" auf dem "Propagandavortrag" läßt nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong> vage Datierung<br />
<strong>in</strong> die Jahre 1920 bis 1923 zu. Das Manuskript bef<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> der Sammlung<br />
Hablik, Itzehoe (WH/A I div.).<br />
493 Entwurf zum Propagandavortrag, ebd.<br />
494 Habliks Notiz auf dem "Propagandavortrag"<br />
495 Auf Habliks Stellungnahme gegen das geplante Neuner-Denkmal antwortete "<strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
deutsche Frau" <strong>in</strong> den Leserbriefen der Itzehoer Nachrichten v. 23.4.1924: "Auf das E<strong>in</strong>gesandt<br />
<strong>des</strong> Herrn Hablik ... <strong>in</strong> welchem Herr Hablik den (mir gänzlich unbekannten)<br />
Veteran von 1870-71 belehrte, möchte ich an Herrn Hablik folgende Fragen richten: 1.<br />
Welcher Nation gehört Herr Hablik an? - 2. War Herr Hablik im Weltkriege zur Verteidigung<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Vaterlan<strong>des</strong> an der Front? - 3. Was berechtigt Herrn Hablik, sich <strong>in</strong> die Angelegenheiten<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s deutschen Regiments, das s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> gefallenen Kameraden ehrt, e<strong>in</strong>zumischen?"<br />
496 Aufgr<strong>und</strong> der Wettbewerbsbed<strong>in</strong>gungen, die <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m beauftragten Künstler die Rechte an<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Entwurf absprachen, gelang es Hablik, auch den Präsidenten <strong>des</strong> Deutschen<br />
Künstlerb<strong>und</strong>es, Graf Leopold v. Kalckreuth <strong>und</strong> den Deutschen Werkb<strong>und</strong> gegen das<br />
Kriegerdenkmal zu mobilisieren. Ihre Briefe wurden als Nachtrag zu Habliks Leserbrief<br />
v. 22.4.1924 <strong>in</strong> den Itzehoer Nachrichten veröffentlicht. Der Geschäftsführer <strong>des</strong> Deutschen<br />
Werkb<strong>und</strong>es teilte u.a. mit: "Es <strong>ist</strong> tief bedauerlich, welche Fülle von Geschmacklosigkeit<br />
<strong>in</strong> Grabdenkmälern geschaffen worden <strong>ist</strong>. In Italien soll Mussol<strong>in</strong>i durchgesetzt<br />
haben, daß anstelle von Kriegerdenkmälern <strong>in</strong> jedem Ort für jeden gefallenen Krieger e<strong>in</strong><br />
Baum gepflanzt wird, an dem <strong>e<strong>in</strong>e</strong> bescheidene Tafel den Namen <strong>des</strong> Gefallenen verkündet.<br />
Wie beschämend weit stehen wir h<strong>in</strong>ter den Italienern zurück. Wir können Ihnen <strong>und</strong><br />
Herrn Architekt Philipp nur dankbar se<strong>in</strong>, wenn Sie sich bemühen, gegen die Denkmalsseuche<br />
aufzutreten."
- 344 -<br />
497 Goebel, der den Volkshausb<strong>und</strong> jetzt offenbar von Keitum/Sylt aus leitete, teilte Hablik<br />
am 13.1.1925 mit: "Lange hat es gedauert, ehe ich dazu gekommen b<strong>in</strong>, me<strong>in</strong> Versprechen<br />
e<strong>in</strong>zulösen. Ich habe nun gestern an 80 Personen <strong>in</strong> Itzehoe die Bitte gerichtet,<br />
Mitglied <strong>des</strong> Deutschen Volkshausb<strong>und</strong>es zu werden. Vielleicht f<strong>in</strong>det sich unter diesen<br />
80 <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r, der bereit <strong>ist</strong>, mit Ihnen geme<strong>in</strong>sam die Arbeit dort aufzunehmen. Es müßte versucht<br />
werden, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Volkshausgeme<strong>in</strong>de <strong>in</strong>s Leben zu rufen, die durch regelmäßige Veranstaltungen<br />
den Boden für e<strong>in</strong> Volkshaus vorbereiten hilft. Wie wäre es, wenn Sie die<br />
Schaffung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r solchen Volkshausgeme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> die Hand nehmen würden?" (SHI)<br />
498 Bruno Taut war seit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Berufung 1921 als Stadtbaurat <strong>in</strong> Magdeburg mit der Stadterneuerung,<br />
dem Generalsiedlungsplan <strong>und</strong> der Errichtung öffentlicher Gebäude beauftragt.<br />
Als beratender Architekt der GEHAG plante <strong>und</strong> erweiterte er seit 1924 Berl<strong>in</strong>er Wohnsiedlungen<br />
(Ausst.-Kat. Arbeitsrat für Kunst 1980, 154). Max Taut errichtete seit 1922<br />
zahlreiche Gewerkschafts- <strong>und</strong> Genossenschaftsbauten (Ausst.-Kat. Max Taut 1984, 45).<br />
Hans <strong>und</strong> Wassili Luckhardt beteiligten sich seit 1921/22 wieder an Architekturwettbewerben<br />
(Hygiene-Museum Dresden, Bürohochhaus Friedrichstraße, 1923 Werkzeugfabrik<br />
Norma; Ausst.-Kat. Arbeitsrat für Kunst 1980, 143). Hans Scharoun, der bereits<br />
1920 e<strong>in</strong> Wohnhaus <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Siedlung <strong>in</strong> Insterburg/Ostpr. errichtete, erhielt seit 1922<br />
weitere Aufträge für Gutshöfe, Nutzbauten, Wohn- <strong>und</strong> Geschäftshäuser <strong>in</strong> Ostpreußen<br />
(Ausst.-Kat. Hans Scharoun 1970, Kat. Nrn. 17-19, 27, 28, 32, 34-36). Carl Krayl machte<br />
sich nach zweijähriger Mitarbeit bei Bruno Taut <strong>in</strong> Magdeburg 1923 selbständig <strong>und</strong><br />
baute bis 1933 zahlreiche öffentliche <strong>und</strong> private Gebäude (Ausst.-Kat. Arbeitsrat für<br />
Kunst 1980, 142). Hans Hansen war seit 1922 im Kirchenbau tätig (ebd., 136).<br />
499 Die New Yorker "Zon<strong>in</strong>g Resolution" von 1916 "schrieb <strong>e<strong>in</strong>e</strong> stufenweise Reduktion der<br />
Bauvolumen vor, die von der jeweiligen Höhe <strong>des</strong> Baukörpers, von der Straßenbreite <strong>und</strong><br />
von der für den betreffenden D<strong>ist</strong>rikt festgesetzten Ausnutzungsziffer abh<strong>in</strong>g. Das Bauzonengesetz<br />
legte es nahe, die Gebäude nicht mehr als Quader mit der Schauseite zur Straße,<br />
sondern als terrassierte Masse zu entwickeln" (Pehnt 2 1981, 162). - Entwürfe terrassenartig<br />
gestufter Hochhäuser schufen u.a. Eliel Saar<strong>in</strong>en, Adolf Meyer <strong>und</strong> Max Taut<br />
1922 für den Wettbewerb der Chicago Tribune (Ausst.-Kat. Tendenzen ... 3 1977, S. 2/79),<br />
Paul Thiersch 1925 für die Stadthalle <strong>und</strong> Universität Halle (ebd., S. 2/110), Hans Poelzig<br />
1925 für das Messehaus Hamburg (ebd.). Die Szenenbilder für "Metropolis" stammen<br />
u.a. von Erich Kettelhut 1925.<br />
500 Im Gegensatz zu den Architekten-Entwürfen verkörperte die Wolkenkratzerlandschaft <strong>in</strong><br />
"Metropolis" gerade die negativen Erfahrungen der Neuen Welt. Fritz Lang, der <strong>in</strong> diesem<br />
Film die E<strong>in</strong>drücke s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r New-York-Reise von Oktober bis Dezember 1924 verarbeitete,<br />
entführte den "K<strong>in</strong>obesucher <strong>in</strong> das Jahr 2000, <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> utopische Stadt mit - nach<br />
den gewonnenen frischen New Yorker Impressionen - Wolkenkratzern <strong>und</strong> Katakomben,<br />
mit Herrenmenschen, die im Lichte der Sonne e<strong>in</strong> angenehmes Leben führten <strong>und</strong> mit<br />
Sklaven, die unter Tage St<strong>und</strong>e für St<strong>und</strong>e rackerten" (Maibohm 1981, 83).
- 345 -<br />
501 Vgl. Karl He<strong>in</strong>rich Frese an Wenzel Hablik, Westerland/Sylt 2.8. 1916, WH/K 15 a, SHI<br />
502 Frdl. Mittlg. Frau E. Karstens, Meldorf. Frau Karstens war 1918-1923 Kolleg<strong>in</strong> von Karl<br />
He<strong>in</strong>rich Frese an der Meldorfer Gelehrtenschule. Das kopierte Ensemble, bestehend aus<br />
Tisch, Eckvitr<strong>in</strong>e <strong>und</strong> zwei Sofas, bef<strong>in</strong>det sich heute <strong>in</strong> verschnittenem Zustand <strong>in</strong> Meldorfer<br />
Privatbesitz.<br />
503 Karl He<strong>in</strong>rich Frese an Wenzel Hablik, Meldorf 10.1.1919, WH/K 15 a, SHI. Die übrige<br />
Korrespondenz der Brüder Frese mit Wenzel Hablik 1915-1919 ebd.<br />
504 Bruno Taut: E<strong>in</strong> Architekturprogramm = Flugschriften <strong>des</strong> Arbeitsrates für Kunst, Berl<strong>in</strong>,<br />
I, 2. Auflage Berl<strong>in</strong> Frühjahr 1919, veröff. <strong>in</strong>: Ausst.-Kat. Arbeitsrat für Kunst 1980, 85 f.<br />
505 Walter Gropius: Programm <strong>des</strong> Staatlichen Bauhauses <strong>in</strong> Weimar, April 1919, veröff. <strong>in</strong>:<br />
Schneede (Hrsg.) 1979, 166 f.<br />
506 Walter Gropius: Das Endziel aller bildnerischen Tätigkeit <strong>ist</strong> der Bau!, Gründungsmanifest<br />
<strong>des</strong> Staatlichen Bauhauses <strong>in</strong> Weimar, veröff. <strong>in</strong>: Schneede (Hrsg.) 1979, 164 f.; auch<br />
<strong>in</strong>: Ausst.-Kat. Tendenzen der Zwanziger Jahre 3 1977, S. 1/91 f. - Ausführlicher zur<br />
"Ausbildung im Handwerk": Pehnt 2 1981, 108 f.<br />
507 Frdl. Auskunft Frau E. Karstens, Meldorf. Die ungewöhnliche Vorhangkonstruktion <strong>ist</strong><br />
auch auf dem Büfett-Entwurf (Abb. 426 a) zu erkennen.<br />
508 In dem Schreibblock "Wenzel Hablik Verkaufsnotizen 1919-1920", SHI, <strong>ist</strong> die Honorarzahlung<br />
"Innenraumentwürfe für Louis Frese" belegt. Das "Verkaufsbuch 1913-1926",<br />
W/V 7, SHI, we<strong>ist</strong> im Jahr 1920 Mk. 10.000,-- als "Prozente für Möbelzeichnungen Louis<br />
Frese" nach. Beide Summen wurden sicher erst nach Abschluß aller Arbeiten, die auch<br />
die Überwachung durch den Künstler be<strong>in</strong>halteten, gezahlt. 1920 dürften daher die Dekoration"<br />
von Eßzimmer <strong>und</strong> Salon sowie das neue Mobiliar fertiggestellt gewesen se<strong>in</strong>.<br />
509 Der zuletzt vorgef<strong>und</strong>ene <strong>und</strong> fotografisch dokumentierte Zustand <strong>des</strong> Raumes zeigt e<strong>in</strong><br />
strenges geometrisches Schwarzweißmuster aus dunkel gebeizten Holzstangen <strong>und</strong> weiß<br />
tapezierten Wandflächen, das an Josef Hoffmanns Außengliederung beim Palais Stoclet<br />
<strong>in</strong> Brüssel (1905-1914) er<strong>in</strong>nert. Die Kontrastwirkung dürfte jedoch bei den ursprünglich<br />
grüngold ausgeschlagenen Wänden erheblich ger<strong>in</strong>ger gewesen se<strong>in</strong>. Stoffreste der<br />
Wandbespannung wurden beim Ausbau der Innendekoration anläßlich <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s erneuten<br />
Umbaus der Villa im Jahre 1984 entdeckt. Die Paneele bef<strong>in</strong>den sich heute <strong>in</strong> der Sammlung<br />
Hablik <strong>in</strong> Itzehoe.<br />
510 Das Büfett für Louis Frese wurde von dem Kunsttischler Hermann Dorbandt <strong>in</strong> Elmshorn<br />
angefertigt. Es wurde nach dem Tod der Auftraggeber an den Tischler zurückgegeben<br />
<strong>und</strong> verbrannte bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bombenangriff im Zweiten Weltkrieg <strong>in</strong> <strong>des</strong>sen Werkstatt (frdl.<br />
Auskunft Herr Friedrich Carl Frese, Hanstedt). Die Beschreibung <strong>des</strong> Büfetts folgt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
zeitgenössischen Fotografie (Abb. 458).
- 346 -<br />
511 Frdl. Auskunft Herr Friedrich Carl Frese, Hanstedt<br />
512 Darüber h<strong>in</strong>aus <strong>ist</strong> nur noch jene kielbogenförmige Vitr<strong>in</strong>e erhalten, deren orientalisches<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsbild schon <strong>in</strong> dem Entwurf von 1919 auffiel (Abb. 451). Sie <strong>ist</strong> die Me<strong>ist</strong>erarbeit<br />
von Gotthardt Dorbandt, dem Sohn <strong>des</strong> Kunsttischlers Hermann Dorbandt <strong>in</strong> Elmshorn<br />
(vgl. Anm. 510).<br />
513 Weitere <strong>Kopie</strong>n dieser beiden Möbel stammen aus dem Nachlaß <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Prokur<strong>ist</strong><strong>in</strong> der<br />
Holzfirma Richard Biel, die nach 1915 für den Vertrieb von "Stumpfs Reformschiebefenstern"<br />
<strong>in</strong> Hamburg arbeitete (frdl. Mittlg. Frau Gudula Baarz, Hamburg). Der Nähtisch<br />
war wegen s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r zahlreichen, an Vorder- <strong>und</strong> Rückseite <strong>des</strong> Sockels angebrachten<br />
Schubladen sehr beliebt. Er wurde <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m dritten Exemplar <strong>in</strong> der Familie Biel vererbt.<br />
Weitere Varianten s<strong>in</strong>d als Entwürfe überliefert (Abb. 470-471).<br />
514 Wenzel Hablik an Emil H<strong>in</strong>richs, 23.4.1917, WH/K 17, SHI. - Witthöft hatte 1909 als<br />
Schüler von Karl He<strong>in</strong>rich Frese an der Meldorfer Gelehrtenschule se<strong>in</strong> Abitur abgelegt,<br />
studierte Mediz<strong>in</strong> <strong>und</strong> gründete 1920 auf Anraten der Brüder Frese <strong>in</strong> Tornesch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arztpraxis<br />
(Frese o.J., S. 93, Anm. 3).<br />
515 Frdl. Auskunft Frau Liesel Bremer, Ahrensburg<br />
516 "Wie steht es denn nun mit dem Holz für Liesels Möbel ..." (Georg Hormann an Wenzel<br />
Hablik, Itzehoe 26.8.1922, WH/K 42, SHI).<br />
517 Zum Böhmischen Architektur-Kubismus vgl. 3. Kap., S. 85 u. Anm. 185-186, sowie 4.<br />
Kap. IV.<br />
518 Die Sternlampe wurde nach Habliks Entwurf von dem Itzehoer Klempner Max Lohse<br />
(geb. 1902) angefertigt.<br />
519 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 8.2.1913, W/Tg 10, SHI<br />
520 Am 22.11.1910 verschickte Hablik an Prof. Franz Thiele, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Lehrer an der Prager<br />
Akademie, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Mappe "Schaffende Kräfte" "zur Tilgung der Schuld v. 25 fl. öst. W."<br />
(Tagebuche<strong>in</strong>trag, W/Tg 8, SHI).<br />
521 Manuskript "Die neue Stadt", vgl. Anm. 483<br />
522 Datierung nach Habliks "Verkaufsbuch 1913-1926", W/V 7, SHI. Für das Jahr 1923: "Innenarchitektur<br />
'Frese Chr<strong>ist</strong>ian' (Name der von Emil Frese geleiteten väterlichen Lederfabrik)<br />
Uetersen Möbel <strong>und</strong> Umbau ..."<br />
523 Ausführliche Darstellung dieser Innenräume im folgenden Abschnitt der Arbeit<br />
524 E<strong>in</strong>e Sammlungsvitr<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Gestalt <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s fre<strong>ist</strong>ehenden Kr<strong>ist</strong>alls entwarf Hablik auch für<br />
Dr. Carl Haeberl<strong>in</strong>, den er <strong>in</strong> Dr. Gmel<strong>in</strong>s Nordseesanatorium <strong>in</strong> Boldixum auf Föhr kennengelernt<br />
hatte (Abb. 485). Auch sie wurde offenbar nicht ausgeführt (frdl. Auskunft<br />
Frau Eleonore Haeberl<strong>in</strong>, Wyk/Föhr).<br />
525 Die Tischlampe für Georg Hormann (Abb. 487) <strong>ist</strong> nicht signiert, der Entwurf fehlt. Sie<br />
<strong>ist</strong> aber aufgr<strong>und</strong> der Familientradition <strong>und</strong> der stil<strong>ist</strong>ischen Kongruenzen Wenzel Hablik<br />
zuzuschreiben.
- 347 -<br />
526 Zu Habliks Entwürfen für Schmuck <strong>und</strong> Besteck vgl. weiter unten<br />
527 Vgl. Anm. 221-224<br />
528 "... daß mich diese verfluchten Tapeten zur Verzweiflung br<strong>in</strong>gen, <strong>und</strong> zwar weil ich<br />
nicht e<strong>in</strong> Muster 20mal u. öfter nebene<strong>in</strong>ander stellen kann, damit der 'Fabrikant' sich e<strong>in</strong><br />
'Bild' machen kann. So kommt es auch, daß ich, statt am Tag 20 Entwürfe zu machen,<br />
kaum 2 fertig kriege. Die mechanische Arbeit <strong>ist</strong> für mich unüberw<strong>in</strong>dlich," (Tagebuchaufzeichnung<br />
v. 22.7.1908, W/Tg 6, SHI).<br />
529 "Von den 20 Tapetenmustern s<strong>in</strong>d noch 14 zu machen. Ich versprach Papa (Richard Biel),<br />
wenn er käme, wären sie fertig" (ebd.).<br />
530 Etwa 1924 schrieb Elisabeth L<strong>in</strong>demann von der Leipziger Messe an Wenzel Hablik: "In<br />
Dortm<strong>und</strong> sah ich auch drei von den neuen Tapeten von Dir (von jedem nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
Rapport) ausgestellt" (<strong>und</strong>at., WE/K 1925/26, SHI). - 1926 <strong>und</strong> 1927 teilte die Hamburger<br />
Tapetenfabrik Werner & Sievers <strong>in</strong> Bad Ol<strong>des</strong>loe dem Künstler die Verkaufszahlen<br />
der von ihm entworfenen Tapeten mit. Danach wurden folgende Mengen an K<strong>und</strong>en <strong>in</strong><br />
ganz Deutschland verschickt: 22.5.26 2.776 Rollen zu elf Meter, 21.6.26 656 Rll., 25.8.26<br />
770 Rll., 7.10.26 482 Rll., 9.11.27 1.978 Rll. (WH/K 39).<br />
531 E<strong>in</strong>e stil<strong>ist</strong>ische Entwicklung von Habliks Tapetenmustern läßt sich aufgr<strong>und</strong> fehlender<br />
Entwürfe <strong>und</strong> Datierungen nicht darstellen. Wegen der besonderen Vergänglichkeit <strong>des</strong><br />
Materials s<strong>in</strong>d nur wenige orig<strong>in</strong>ale Tapetenreste erhalten. E<strong>in</strong>en kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n F<strong>und</strong>us von<br />
Abbildungen bietet <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Loseblattsammlung aus Tapetenprospekten der Firma Adolf<br />
Soetje, Itzehoe, im Deutschen Tapetenmuseum <strong>in</strong> Kassel. Die dort abgebildeten Tapeten<br />
s<strong>in</strong>d ebenfalls <strong>und</strong>atiert <strong>und</strong> unbezeichnet, aber ausnahmslos mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Hablik-Möbel<br />
oder <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Blumengemälde komb<strong>in</strong>iert, so daß s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Urheberschaft auch für die<br />
Tapeten angenommen werden darf.<br />
532 Zu diesem Stoffentwurf <strong>und</strong> zu den Beziehungen <strong>des</strong> Zackenmusters zum Böhmischen<br />
Architektur-Kubismus vgl. 4. Kap., S. 145, sowie weiter unten<br />
533 "Der Sturm braust den Strand entlang, schwere Wolken ziehen über den Himmel, grelle<br />
Blitze sausen tief <strong>in</strong> den Sand, kr<strong>ist</strong>allische Röhren bildend ..." (Traum v. 25.10.1912,<br />
W/Tg 10, SHI).<br />
534 Beischrift zum utopischen Architekturentwurf "Blitz-Feuer-Türme", 1920 (Abb. 343 a)<br />
535 Die "Zackentapete" <strong>ist</strong> <strong>in</strong> Komb<strong>in</strong>ationen von türkisen <strong>und</strong> orangen Tönen auf weißem<br />
Gr<strong>und</strong> (Abb. 492), <strong>in</strong> Grau, Silber <strong>und</strong> Braun (Abb. 491) <strong>und</strong> <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r bunten Zusammenstellung<br />
aus Gelb, Rot, Rosa, Schwarz <strong>und</strong> mehreren Grüntönen (Abb. 493) bekannt.<br />
536 E<strong>in</strong>e Variante dieses <strong>in</strong> verschiedenen Farbkomb<strong>in</strong>ationen gedruckten Dess<strong>in</strong>s war sechsfarbig.<br />
Sie zeigte neben <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m breiten orangen Streifen mit grauem Quadrat, goldener<br />
Raute <strong>und</strong> gelbem Mittenviereck dünne mäandrierende Streifen <strong>in</strong> Gold, Grau, Hellblau,<br />
Rot <strong>und</strong> Gelb sowie e<strong>in</strong> rotes Mäandermuster auf gelbem Gr<strong>und</strong> (Abb. 496 a).
- 348 -<br />
537 Von den Polstermöbeln <strong>ist</strong> heute nur noch e<strong>in</strong> Sessel mit veränderter Rückenlehne erhalten.<br />
Herkunft <strong>und</strong> Verbleib <strong>des</strong> r<strong>und</strong>en Salontisches s<strong>in</strong>d unbekannt. Die Deckenlampe<br />
war e<strong>in</strong> Massenartikel aus der Zeit um 1910.<br />
538 Diese Bezeichnung im Ausst.-Kat. Gemälde <strong>und</strong> Zeichnungen von Wenzel Hablik-Itzehoe.<br />
Grafik von Prof. August Brömse-Prag, Kunstvere<strong>in</strong> für Böhmen <strong>in</strong> Prag, Künstlerhaus<br />
Rudolf<strong>in</strong>um-Parlament, 17.4.-2.5.1925. - Auf dieser Ausstellung legte Hablik erstmals<br />
das Manifest "Völker der Erde ..." vor (vgl. Anm. 539).<br />
539 Manifest "Völker der Erde! Nationen! Stämme! Geschlechter!", Privatdruck Itzehoe<br />
1925; gleichzeitig Vorwort zur Mappe "Zyklus Architektur" 1925. Teilweise unrichtig<br />
veröffentlicht <strong>in</strong>: Ausst.-Kat. Wem gehört die Welt 4 1977, 144 ff.<br />
540 Avenarius: Farbige Häuser 1900; vgl. 3. Kap., S. 86<br />
541 Über Theodor Goecke schreibt Taut im Nachruf 1919: "Und oft genug, wo die Öffentlichkeit<br />
gegen Neues protestierte, z.B. <strong>in</strong> der Anwendung der Farbe an Häusern, erhob er<br />
s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Stimme <strong>und</strong> zeigte mit dem ganzen Gewicht s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Persönlichkeit, daß dieses Neue<br />
ja gar nicht so neu <strong>ist</strong> ..." (Taut: Theodor Goecke 1919, 13). Goecke lehrte "Gebäude- <strong>und</strong><br />
Städtebau unter besonderer Berücksichtigung der sozialen Bedürfnisse". Er hatte zusammen<br />
mit Camillo Sitte die Zeitschrift "Der Städtebau" gegründet <strong>und</strong> war Leiter <strong>des</strong> Planungsamtes<br />
Berl<strong>in</strong> (Timm 1984, 84).<br />
542 "Im unteren Stockwerk befand sich e<strong>in</strong> mehrstufiger Wasserfall, während die obere Etage<br />
ihre Wirkung aus den 'Luxfer'-Prismen <strong>und</strong> dem farbigen Glas bezog, das die <strong>in</strong>nere<br />
Schicht der Verglasung bildete. Die natürlichen Lichtreflexe auf dem Glas wurden noch<br />
erhöht durch e<strong>in</strong> mechanisch angetriebenes Kaleidoskop, das <strong>in</strong> die Rückwand <strong>des</strong> Pavillons<br />
e<strong>in</strong>gebaut war" (Whyte 1981, 36).<br />
543 Manuskript "Die neue Stadt", <strong>und</strong>at., WH/A VIII div., SHI (vgl. Anm. 483)<br />
544 Ausführliche Vita zu Oskar Fischer bei Brühl 1983, 232<br />
545 Die Ausführungen zur farbigen Architektur bei Bruno Taut <strong>und</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Kreis folgen der<br />
ausführlicheren Darstellung von Franziska Bollerey <strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>iana Hartmann im Ausst.-<br />
Kat. Bruno Taut 1980, 65 ff. <strong>und</strong> ergänzen sie. Zum selben Thema vgl. Pehnt 2 1981, 87 f.<br />
("Der Schrei nach Farbe") sowie Fant 1977, 112 ff. ("Färgfrågan").<br />
546 Bart van der Leck wies 1917 (S. 7) darauf h<strong>in</strong>, daß die architektonische Fläche nicht nur<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Raum-, sondern auch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Lichtbegrenzung sei. Verwende man die Farbe zur Darstellung<br />
von Raumbeziehungen, so diene sie gleichzeitig der Darstellung <strong>des</strong> Lichts: "Die<br />
Farbe <strong>ist</strong> die visuelle Plastik <strong>des</strong> Lichts. (...) Licht <strong>und</strong> Raumdarstellung <strong>ist</strong> Farbe <strong>und</strong><br />
Beziehung." Die Verhältnisse <strong>des</strong> Raumes <strong>und</strong> damit s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Richtung <strong>und</strong> Ausdehnung,<br />
der Lichte<strong>in</strong>fall <strong>und</strong> die Funktion der Wände erführen durch die Farbe, so Theo von<br />
Doesburg 1924 (S. 81) ihr "direktes Ausdruckselement ... Ohne Farbe s<strong>in</strong>d diese Verhältnisse<br />
k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> lebendige Realität: sie s<strong>in</strong>d nicht sichtbar".
- 349 -<br />
547 Zur Prager Ausstellung vgl. Anm. 538. E<strong>in</strong>e Rekonstruktion dieser Ausstellung bietet der<br />
Aufsatz Feuß 1981.<br />
548 Über die Fre<strong>und</strong>schaft mit Wenzel Hablik berichtete Gustav Frenssen <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m 1935 <strong>in</strong><br />
der Zeitschrift "die neue l<strong>in</strong>ie" erschienenen Nachruf: "Wie war dieser Mann mir lange<br />
fremd, <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Wesen, wie <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Werk! - Aber <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Tages, beim Besehen von Bildern,<br />
die neu entstanden waren, fanden wir uns, da e<strong>in</strong> Wort das andere gab, e<strong>in</strong>ig <strong>in</strong> dem<br />
Gr<strong>und</strong>e aller Kunst: daß wir beide uns, gleicher Weise, hart abmühten, das <strong>in</strong> sichtbare<br />
Form zu br<strong>in</strong>gen, er <strong>in</strong> Bildern, ich <strong>in</strong> Worten, was als Abbild der Schöpfung <strong>in</strong> uns lebte,<br />
wobei er, aus sonnigerem Land, dem Diesseits ganz verhaftet war - Erde <strong>ist</strong> alles; auch<br />
du, me<strong>in</strong> Lieb, b<strong>ist</strong> Erde - während ich, aus dem W<strong>in</strong>d- <strong>und</strong> Nebelland, übers<strong>in</strong>nliche<br />
Mächte sah <strong>und</strong> Ge<strong>ist</strong>er suchte. Seit jenem Gespräch nannten wir uns lächelnd Blutsbrüder<br />
<strong>und</strong> waren gute Fre<strong>und</strong>e."<br />
549 Die Ausmalung <strong>des</strong> "Saals" im Hause Gustav Frenssen <strong>ist</strong> nur durch e<strong>in</strong> Foto überliefert,<br />
das <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Zeitschriftenaufsatz aus Anlaß <strong>des</strong> 70. Geburtstags von Frenssen am 19.<br />
Oktober 1933 erschien. Sie <strong>ist</strong> Wenzel Hablik stil<strong>ist</strong>isch <strong>und</strong> aufgr<strong>und</strong> der privaten Verb<strong>in</strong>dung<br />
zuzuschreiben. Der betreffende Aufsatz von Günter Schoke 1933 wurde <strong>in</strong> der<br />
Sammlung Hablik, Itzehoe, aufgef<strong>und</strong>en.<br />
550 Frdl. Mittlg. Frau Martha Schulze, Barlt, Haushälter<strong>in</strong> von Gustav <strong>und</strong> Anna Frenssen.<br />
Die Möbel s<strong>in</strong>d auf der zeitgenössischen Fotografie zu erkennen.<br />
551 Der Broschüren<strong>text</strong> (Bröcker 1921) - deutlich bee<strong>in</strong>flußt vom Gespräch mit dem Künstler<br />
- konzentrierte sich verständlicherweise zunächst auf das Verhältnis zwischen der Buntfarbigkeit<br />
<strong>des</strong> Raumes <strong>und</strong> den ausgestellten Tapetenmustern. Die bei Tapetenausstellungen<br />
üblichen weißen, grauen oder braunen Untergründe seien bewußt vermieden worden;<br />
denn e<strong>in</strong> neutraler Untergr<strong>und</strong> lasse das Betrachterauge "von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Objekt zum<br />
anderen wandern, ruhelos <strong>und</strong> immer neu aufgepeitscht". Die neue "farbenprangende, unruhige<br />
Umgebung" lasse h<strong>in</strong>gegen "die ausgestellten Tapetenflächen ruhevoll ersch<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n,<br />
<strong>und</strong> das Auge verweilt gern ... auf ihnen".<br />
552 Der Brief <strong>des</strong> Deutschen Künstlerb<strong>und</strong>es war von s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Sekretär Hofrat Brodersen verfaßt<br />
<strong>und</strong> reagierte auf die Zusendung der von der Firma Soetje veröffentlichten Broschüre:<br />
"Ich beglückwünsche Sie zu Ihrem Entschluß, die Gestaltung Ihres Ausstellungsraumes<br />
Herrn Hablik übertragen zu haben. Sie konnten nichts Besseres tun. Hablik hat<br />
gerade für die Seite der angewandten Kunst <strong>e<strong>in</strong>e</strong> ganz besondere Begabung. Er hat <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n<br />
kultivierten Farbens<strong>in</strong>n <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> kluge Art, sich der gestellten Aufgabe unterzuordnen, ihr<br />
<strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r orig<strong>in</strong>ellen Weise zu dienen. Nicht nur für den E<strong>in</strong>zelnen, sondern für die ganze<br />
Stadt wäre es von großem Wert, wenn sie <strong>in</strong> allen künstlerischen Fragen, so auch denen<br />
der Baupflege, s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Rat e<strong>in</strong>holen würde" (<strong>in</strong>: Fischer 1922).<br />
553 Adolf Behne an Wenzel Hablik, o.O. 25.5.1922, WH/A VII, SHI<br />
554 Bruno Taut an Wenzel Hablik, Magdeburg 17.1.1922, SHI<br />
555 Bruno Taut an Wenzel Hablik, Magdeburg 22.3.1922, SHI
- 350 -<br />
556 Laut Habliks "Verkaufsbuch 1913-1926" (W/V 7, SHI): "Entwurf für Gaststube, Zentralhotel.<br />
Umbau im Herbst 1922, E<strong>in</strong>weihung 1922." Als Bezahlung für den Entwurf erhielt<br />
der Künstler "lange nichts. Viel Ärger: endlich, nachdem das Geld gänzlich entwertet<br />
war: übrig gebliebene Farben, Cadmium, übrig gebliebenes Mess<strong>in</strong>g, 9 Flaschen We<strong>in</strong>, 1<br />
Flasche We<strong>in</strong>brand".<br />
557 Die Hohlkehle zwischen Wand <strong>und</strong> Decke war vor der Renovierung sicher nicht vorhanden.<br />
E<strong>in</strong> Entwurf der Fensterwand zeigt noch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n rechtw<strong>in</strong>kligen Übergang (Abb. 546),<br />
<strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m anderen <strong>ist</strong> die Hohlkehle bereits zu ahnen (Abb. 547). Sie taucht <strong>in</strong> der<br />
Ausmalung <strong>des</strong> Eßzimmers im Hause Hablik sowie <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m der Schlafraum-Entwürfe<br />
von 1924 (Abb. 530) wieder auf, <strong>ist</strong> also offenbar e<strong>in</strong> habliksches Motiv.<br />
558 Die Verb<strong>in</strong>dung zwischen Hablik <strong>und</strong> Bölck war durch die <strong>in</strong> Bad Ol<strong>des</strong>loe ansässige<br />
"Hamburger Tapetenfabrik Werner & Sievers" zustande gekommen, die Habliks Tapetenmuster<br />
druckte. Sievers war mit dem Junior-Chef im Hause Bölck bekannt (Hamburger<br />
Tapetenfabrik an Wenzel Hablik, Bad Ol<strong>des</strong>loe 18.10.1927, SHI).<br />
559 Die Neue<strong>in</strong>richtung <strong>des</strong> Contorsaals Bölck <strong>ist</strong> nur durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n farbigen Entwurf von<br />
Schautafelgröße (Abb. 548) bekannt. Nach Aussagen von Zeitgenossen <strong>ist</strong> er tatsächlich<br />
ausgeführt worden.<br />
560 Zeitgenossen er<strong>in</strong>nern sich, daß der als Großraumbüro <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Neuerung darstellende "Contorsaal"<br />
mit waagerechten <strong>und</strong> senkrechten Farbstreifen bemalt gewesen sei, "die <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
bestimmte Bedeutung hatten" (frdl. Auskunft Herr Edu Möller, Bad Ol<strong>des</strong>loe).<br />
561 Frdl. Auskunft Frau Bölck, Bad Ol<strong>des</strong>loe<br />
562 Frau Susanne Kl<strong>in</strong>geberg, die Tochter <strong>des</strong> Künstlers, bestätigt die völlige Buntheit <strong>des</strong><br />
Eßzimmers. Die Ausmalung wurde vom Künstler selbst <strong>und</strong> vom Itzehoer Maler Matthias<br />
Darren besorgt. Sie <strong>ist</strong> heute zerstört. Über Jarren vgl. Peter Kruse (Hrsg.): Matthias<br />
Jarren (1872-1960). Maler zwischen Marsch <strong>und</strong> Geest, Itzehoe 1982<br />
563 Als Hablik am 21.9.1902 zum Studium <strong>in</strong> Wien e<strong>in</strong>traf, war die "Beethoven-Ausstellung"<br />
zwar seit fast drei Monaten geschlossen. Als Schüler der Kunstgewerbeschule, deren Lehrer<br />
die Gestalter der Ausstellung waren, dürfte er doch Zugang zu den teils sorgfältig<br />
abgenommenen Orig<strong>in</strong>alen, zu Publikationen oder Fotomaterial gehabt haben.<br />
564 Vgl. 2. Kap., S. 75<br />
565 Zu weiteren Metallarbeiten nach Habliks Entwurf, die auch von Bruno Paul begutachtet<br />
wurden, vgl. IV.2. - Liane Haarbrückers Biographie wurde nach ihrer Korrespondenz mit<br />
Wenzel Hablik zusammengestellt (WH/K 33, SHI). Frdl. Auskünfte von Frau Lilian<br />
Wolff, London<br />
566 Die Ansicht der Schlafraumecke erschien im Januar 1928 <strong>in</strong> der Zeitschrift "Das ideale<br />
Heim" <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Artikel über "Bilder im Wohnraum" (S. 47 f.).
- 351 -<br />
567 E<strong>in</strong> aus Webproben zusammengesetzter Wandbehang (Abb. 570) zeigt alle<strong>in</strong> vier Farbkomb<strong>in</strong>ationen<br />
<strong>des</strong> "Sternmusters": Umbra, Violett <strong>und</strong> Gelb; Dunkelrot, Preußischblau<br />
<strong>und</strong> Schwarz; Beige, Violett <strong>und</strong> Hellblau; Hellbeige, Braun <strong>und</strong> Schwarz. Weitere Stoffbahnen<br />
s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Beige, Braun <strong>und</strong> Natur (Abb. 618) sowie <strong>in</strong> Hellblau, Graublau <strong>und</strong><br />
Ultramar<strong>in</strong> gewebt.<br />
568 Zu dem Schrank ex<strong>ist</strong>ieren e<strong>in</strong>fachere Versionen e<strong>in</strong>heitlich <strong>in</strong> Eichenholz, mit furnierten<br />
Füllungen <strong>und</strong> ohne Metallbeschläge, die für Verwandte von Elisabeth L<strong>in</strong>demann hergestellt<br />
wurden (Abb. 575).<br />
569 Hablik besuchte das Bauhaus anläßlich der Werkb<strong>und</strong>-Tagung im September 1923 <strong>in</strong><br />
Weimar.<br />
570 Die Bauhaus-Stühle s<strong>in</strong>d auf der Fotografie <strong>des</strong> bunten Eßzimmers (Abb. 549) zu erkennen.<br />
- Das Museum für Kunst <strong>und</strong> Gewerbe <strong>in</strong> Hamburg erwarb 1964 aus der Sammlung<br />
Hablik "vier <strong>in</strong>e<strong>in</strong>anderschiebbare Beisetztischchen mit Füßen aus Nußbaumholz <strong>und</strong><br />
hellen Platten aus Erlenholz, etwa 1927/28 entstanden", Inv. Nr. 1964, 66 a-d, <strong>in</strong> der Art<br />
von "Bauhaus-Möbeln <strong>des</strong> jungen Marcel Breuer" (Jb. der Hmb. Kunstsammlungen, Bd.<br />
10, Hamburg 1965, 242). Die Möbel stammen tatsächlich von Breuer <strong>und</strong> nicht - wie angenommen<br />
- von Wenzel Hablik.<br />
571 Bislang <strong>ist</strong> nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Fotoabbildung <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kunstgewerbezeitschrift bekannt. Sie f<strong>in</strong>det<br />
sich zusammen mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Ansicht aus Habliks Atelier <strong>in</strong> dem Aufsatz von Alice Flechtner-Lobach:<br />
Moderne Wohnräume, <strong>in</strong>: Das ideale Heim, September 1929, 460.<br />
572 Zu Fidus' Lichtbildervortrag <strong>in</strong> Itzehoe vgl. Anm. 108<br />
573 Fidus an Wenzel Hablik, Berl<strong>in</strong>-Scheid<strong>in</strong>g 20.9.1927, SHI<br />
574 Wenzel Hablik an Direktor Edelmann, Itzehoe 17.2.1923, nicht abgesandt, SHI<br />
575 Wenzel Hablik an Adolf Behne, Itzehoe 27.12.1923, WH/A VII, SHI<br />
576 Anläßlich der Ausstellung im Kunstvere<strong>in</strong> für Böhmen <strong>in</strong> Prag 1925 berichtete die "Deutsche<br />
Zeitung Bohemia" (a.st.: Das Schloß <strong>in</strong> den Wolken, 18.4.1925), daß die Radierungen<br />
noch nicht fertiggestellt seien: "... <strong>und</strong> will noch e<strong>in</strong> dickes Werk, mit h<strong>und</strong>erten von<br />
Radierungen illustriert, demnächst <strong>in</strong> die Welt schicken." Die Radierungsfolge ersche<strong>in</strong>t<br />
daher auch nicht im Ausstellungsverzeichnis (Ausst.-Kat. Zwei Ausstellungen 1925). Das<br />
Vorwort zu der Mappe, das Manifest "Völker der Erde!", war aber bereits erschienen: "...<br />
<strong>und</strong> es liegt <strong>e<strong>in</strong>e</strong> von ihm verfaßte kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Schrift aus, die von Werkstattluftschiffen erzählt"<br />
(Fritz Lehmann: Rudolf<strong>in</strong>um-Ausstellungen, <strong>in</strong>: Prager Tagblatt, 18.4.1925). Da<br />
Hablik im September 1925 für zehn Monate nach Südamerika re<strong>ist</strong>e, müssen die Radierungen<br />
im Zeitraum zwischen Anfang Mai <strong>und</strong> Ende August 1925 herausgekommen se<strong>in</strong>.<br />
577 Die Titel der Zyklusabschnitte, die Numerierung der Blätter <strong>und</strong> Erläuterungen der abgebildeten<br />
Bauten s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dem Itzehoer Exemplar der Mappe handschriftlich mit Ble<strong>ist</strong>ift<br />
vom Künstler auf den Druckbögen e<strong>in</strong>getragen.
- 352 -<br />
578 Erstes Tagebuchblatt v. 26.2.1906, W /Tg 3, SHI<br />
579 Vgl. Anm. 483<br />
580 Vgl. Anm. 410<br />
581 Das Manifest "Völker der Erde! ..." wurde bislang nicht als Vorwort zum "Zyklus Architektur"<br />
erkannt. Borsi/König 1967, 299 ff., veröffentlichten den Zyklus ohne das Manifest;<br />
der Ausst.-Kat. "Wem gehört die Welt" 4 1977, 144 ff., gibt das Manifest ohne die<br />
Bilder der Radierungsfolge wieder. Der Text <strong>des</strong> Manifests we<strong>ist</strong> jedoch ausdrücklich auf<br />
die Zugehörigkeit zum Zyklus h<strong>in</strong>: "Möge e<strong>in</strong> neuer Ge<strong>ist</strong> <strong>in</strong> Architektur der Anfang se<strong>in</strong><br />
<strong>und</strong> die beiliegenden Blätter, e<strong>in</strong> Teil m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Lebensarbeit, Gleichges<strong>in</strong>nten wie Ahnungslosen<br />
davon erzählen."<br />
582 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, Januar 1920, AGK 15<br />
583 Vgl. Anm. 576. Zur Prager Ausstellung 1925 vgl. Feuß 1981<br />
584 A.st.: Das Schloß <strong>in</strong> den Wolken, <strong>in</strong>: Deutsche Zeitung Bohemia v. 18.4.1925; Fritz Lehmann:<br />
Rudolf<strong>in</strong>um-Ausstellungen. August Brömse - Wenzel Hablik, <strong>in</strong>: Prager Tagblatt<br />
v. 18.4.1925; J. Pečirka: Ausstellungen im Künstlerhause, <strong>in</strong>: Prager Presse v. 5.5.1925;<br />
Otto Kletzl 1926 <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Brüxer Zeitung (SHI). Die Reaktionen reichten hier von fesselndem<br />
Interesse über erstaunte D<strong>ist</strong>anziertheit zu höhnischer Ablehnung.<br />
585 Adolf Behne an Elisabeth L<strong>in</strong>demann, 30.10.1925, WH/A VII, SHI<br />
586 Prof. Max von Jungwirth an Wenzel Hablik, Teplitz-Schönau 2.4. 1932, SHI<br />
587 Tatsächlich beklagte Hablik 1932, "auf alle unsere Mappensendungen nur drei Antworten<br />
resp. Bestätigung erhalten" zu haben (Wenzel Hablik an Paula Schmidl, Itzehoe 10.1.<br />
1932, WH/K 16, SHI).<br />
588 "Die Architektur <strong>und</strong> mit ihr das ganze Werkb<strong>und</strong>schaffensgebiet drängt nach Typisierung<br />
<strong>und</strong> kann nur durch sie diejenige allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Bedeutung wieder erlangen, die ihr <strong>in</strong><br />
Zeiten harmonischer Kultur eigen war" (Leitsätze zum Vortrag von Hermann Muthesius,<br />
<strong>in</strong>: Die Werkb<strong>und</strong>arbeit der Zukunft ... 1914, 32).<br />
589 "Allerorten regt sich heute neues Leben, e<strong>in</strong> frischer architektonischer Ge<strong>ist</strong> beg<strong>in</strong>nt zu<br />
treiben. Und es zeugt von s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kraft, daß er sich sogleich auch e<strong>in</strong> erweitertes Wirkungsfeld<br />
sucht <strong>und</strong> Gebiete mit Beschlag belegt, die zeitweise der Architektur entzogen<br />
waren, wie den Ingenieur- <strong>und</strong> Industriebau <strong>und</strong> die Anlage ganzer Siedelungen <strong>und</strong><br />
Städte. 'Vom Sofakissen zum Städtebau', so ließe sich der Weg, den die kunstgewerblicharchitektonische<br />
Bewegung der letzten fünfzehn Jahre zurückgelegt hat, kennzeichnen"<br />
(Muthesius: Wo stehen wir? 1912, 15 f.).<br />
590 Vgl. 4. Kap., S. 113<br />
591 Gründungsmanifest <strong>des</strong> Staatlichen Bauhauses 1919, vgl. Anm. 506<br />
592 Wenzel Hablik, R<strong>und</strong>brief an die Gläserne Kette, 22.7.1920, AGK 57; dort <strong>in</strong>folge <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s<br />
Schreibfehlers <strong>in</strong> den maschschrftl. R<strong>und</strong>briefen als "Gedankenkunstwerk" überliefert.<br />
Die von Hablik korrigierte Orig<strong>in</strong>alfassung <strong>ist</strong> <strong>in</strong> der SHI erhalten (WH/A VII),
- 353 -<br />
593 Undat. Manuskript (um 1920), WH/K 18, SHI<br />
594 Manuskript "Utopie <strong>und</strong> Wirklichkeit", <strong>und</strong>at., WH/A IX, SHI<br />
595 Habliks bereits bestätigte Anmeldung für den Altonaer Künstlervere<strong>in</strong> aus dem Jahre<br />
1914 war durch den Ersten Weltkrieg <strong>in</strong> Vergessenheit geraten (EL/K 16, SHI).<br />
596 Fragebogen für den AKV, um 1920, WH/A VIII div., SHI<br />
597 Nach den Manuskripten von Sibylle Hablik: "Künstlerische Arbeiten aus der Werkstatt<br />
Hablik-L<strong>in</strong>demann" <strong>und</strong> "Erste Gewebe mit synthetischen <strong>und</strong> chemisch hergestellten<br />
Gesp<strong>in</strong>sten", SHI. - Sibylle Hablik, verh. Sharma-Hablik (geb. 1923), <strong>ist</strong> die jüngere<br />
Tochter von Wenzel Hablik <strong>und</strong> Elisabeth L<strong>in</strong>demann. Sie übernahm 1960 nach dem Tod<br />
der Mutter die Leitung der Handweberei <strong>und</strong> führt sie seit 1964 <strong>in</strong> Pondicherry/Indien<br />
weiter. Seit 1960 zahlreiche Bildteppiche für private <strong>und</strong> öffentliche Auftraggeber<br />
(Ausst.-Kat. Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann 1984).<br />
598 Das Muster "Tiermäander" wurde <strong>in</strong> bunten Farben <strong>und</strong> <strong>in</strong> fe<strong>in</strong> abgetönten Garnen gewebt<br />
<strong>und</strong> blieb bis <strong>in</strong> die dreißiger Jahre aktuell (Sibylle Hablik). - Das Bildfeld wurde<br />
auch separat zur Gestaltung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r aus Lammwolle gewebten Decke verwendet, die 1927<br />
auf der Kunstgewerbe-Ausstellung der Overbeck-Gesellschaft <strong>in</strong> Lübeck für das St.-<br />
Annen-Museum erworben wurde.<br />
599 Wenzel Hablik an Adolf Behne, Itzehoe 30.4.1925, WH/A VII div., SHI<br />
600 Elisabeth L<strong>in</strong>demann an Wenzel Hablik, um 1925, WE/K 1925/26, SHI<br />
601 "Me<strong>in</strong> lieber Mann <strong>ist</strong> sehr niedergeschlagen, weil ich zur Messe <strong>in</strong> dem ganz, ganz alten<br />
schwarz-weißen Mäanderkleid reisen muß" (Lilli Vedder an Elisabeth L<strong>in</strong>demann, um<br />
1928, EL/K 18. - Lilli Vedder war Sticker<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann).<br />
602 Wolfgang Schumann an Wenzel Hablik, 29.9.1924, WH/K 22, SHI<br />
603 Ausführlich zum Thema Reformkleid, zur Kritik <strong>des</strong> Korsetts <strong>und</strong> der diktierten Mode:<br />
Stamm 1978<br />
604 Herwarth Walden an Elisabeth L<strong>in</strong>demann, Berl<strong>in</strong> 20.9.1924, WH/K 36, SHI<br />
605 Wenzel Hablik an Adolf Behne 1925 (vgl. Anm. 599)<br />
606 Bruno Taut an Elisabeth L<strong>in</strong>demann, Berl<strong>in</strong> 6.1.1926, WH/A VII, SHI<br />
607 Ebd.<br />
608 Erich Mendelsohn an Wenzel Hablik, Berl<strong>in</strong> 2.12.1929, WH/K 39, SHI<br />
609 Bericht Elisabeth L<strong>in</strong>demanns von <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Geschäftsreise, WE/K 1925/ 26, SHI, sowie von<br />
Liane Haarbrücker aus Berl<strong>in</strong> 2.4.1926, WH/K 34, SHI<br />
610 1931 schrieb das Berl<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>richtungshaus Friedmann & Weber GmbH (Möbel, Möbelstoffe,<br />
Kunstgewerbe, Antiquitäten) auf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n der von Wenzel Hablik gestalteten, reich<br />
bebilderten Kataloge der Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann: "Seit Jahren schon verfolgen<br />
wir mit großem Interesse Ihr so zielbewußtes Arbeiten ... Uns erschei-
- 354 -<br />
nen Ihre Handwebereien als die besten Le<strong>ist</strong>ungen, die auf diesem Gebiet heute gemacht<br />
werden <strong>und</strong> wir glauben, daß alle geschmacklich reifen Menschen diese Ansicht teilen<br />
müssen" (Friedmann & Weber an Elisabeth L<strong>in</strong>demann, Berl<strong>in</strong> 18.12.1931, EL/K 15,<br />
SHI).<br />
611 Tagebuche<strong>in</strong>trag v. 9.10.1912, W/Tg 10, SHI<br />
612 Vgl. hierzu auch den Stoffentwurf "Falkenmuster", 4. Kap., S. 145 f.<br />
613 Vgl. Manuskript "Klempnerarbeiten", <strong>und</strong>at., WH/A VI, SHI<br />
614 Liane Haarbrücker an Wenzel Hablik, Berl<strong>in</strong> 15.6.1923, WH/K 33, SHI<br />
615 Ebd.<br />
616 Liane Haarbrücker an Wenzel Hablik, Berl<strong>in</strong> 8.11.1924, WH/K 33, SHI<br />
617 Liane Haarbrücker an Wenzel Hablik, Berl<strong>in</strong> 9.9.1924, WH/K 33, SHI<br />
618 Liane Haarbrücker an Wenzel Hablik, Berl<strong>in</strong> 5.10.1924, WH/K 33, SHI<br />
619 Das genaue Entwurfsjahr <strong>ist</strong> unbekannt <strong>und</strong> nicht zu rekonstruieren. Bereits im Tagebuch<br />
von 1909 f<strong>in</strong>det sich <strong>e<strong>in</strong>e</strong> erste <strong>und</strong> später ausgeführte Idee: "Löffelchen, dünner Stiel,<br />
Perle" (E<strong>in</strong>trag v. April 1909, W/Tg 7, SHI). Orientalisierende Formen bei Messern <strong>und</strong><br />
kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Standgefäßen könnten nach der Orientreise etwa 1911 formuliert worden se<strong>in</strong>.<br />
Der vollständige Entwurf <strong>und</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong> erste Ausführung <strong>des</strong> Bestecks <strong>und</strong> <strong>des</strong> zugehörigen<br />
Tischgeräts waren wohl erst mit Liane Haarbrückers Arbeitsaufnahme <strong>in</strong> Itzehoe um das<br />
Jahr 1918 zu verwirklichen. Die bekannten Besteckteile tragen die Signaturen von Wenzel<br />
Hablik <strong>und</strong>/oder Liane Haarbrücker.<br />
620 "Wiener Werkstätte", <strong>in</strong>: Hamburger Fremdenblatt, Jg. 78, Nr. 243, 17.10.1906, dritte<br />
Beilage<br />
621 Manuskript "Neue Eßbesteckformen von Wenzel Hablik Itzehoe", <strong>und</strong>at., WH/A I div.,<br />
SHI<br />
622 Ebd.<br />
623 "Ich hatte ganz vergessen, daß <strong>in</strong> 2 Monaten schon wieder Herbstmesse <strong>ist</strong>, <strong>und</strong> so muß<br />
ich <strong>in</strong> der Werkstatt allerhand neue Stoffe ausbrüten <strong>und</strong> habe m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Goldschmied (ich<br />
habe zu m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Entlastung <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n solchen im Hause) auch alles mögliche zu sagen" (Wenzel<br />
Hablik an Martha Löwy, Itzehoe 1.7.1930, WH/K 27, SHI).<br />
624 Otto W.M. Spliedt (Itzehoe): Geschichte der Familie Spliedt, unveröff. Manuskript 1981<br />
625 Kommerzienrat Robert Ruppel an Wenzel Hablik, Gotha 4.6.1927, EL/K 17, SHI<br />
626 E<strong>in</strong> Entwurf trägt die Bemerkung "vom Goldschmied 10 Mk.". E<strong>in</strong>ige Schmuckstücke<br />
zeigen die Signaturen von Wenzel Hablik <strong>und</strong> Liane Haarbrücker.<br />
627 Es ex<strong>ist</strong>ieren Blätter mit vielen E<strong>in</strong>zelentwürfen; e<strong>in</strong>ige R<strong>in</strong>ge s<strong>in</strong>d auf zeitgenössischen<br />
Fotos abgebildet.
- 355 -<br />
628 Von den bislang bekannten zwölf Tellern stammen sechs aus dem Nachlaß <strong>des</strong> Künstlers,<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r aus der Familie <strong>des</strong> Bankdirektors Hormann, die übrigen aus verschiedenen Zweigen<br />
der Familie Biel.<br />
629 Die Malereien s<strong>in</strong>d von Hand nach aufgepausten Vorzeichnungen oder mit Hilfe von<br />
Schablonen auf die Teller aufgebracht worden; denn es ex<strong>ist</strong>ieren drei doppelte <strong>und</strong> e<strong>in</strong><br />
dreifacher Teller mit w<strong>in</strong>zigen Unterschieden. Mit der Technik der Porzellanmalerei war<br />
Hablik durch s<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arbeit als Porzellanmaler bei <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Brüxer Fabrik nach dem Abschluß<br />
der Bürgerschule um die Jahre 1896/97 vertraut.<br />
630 Vgl. 1. Kap., S. 63<br />
631 Ferd<strong>in</strong>and Avenarius an Wenzel Hablik, Dresden 15.1.1909, sowie 2.2.1909, WH/K l,<br />
SHI<br />
632 Vgl. Er<strong>in</strong>nerungen von Sibylle Sharma-Hablik, März 1981, SHI<br />
633 O.: Olga Schnitzler, die Ehefrau; Viki: Victor Zuckerkandl, Neffe der Wiener Journal<strong>ist</strong><strong>in</strong><br />
<strong>und</strong> Kunstkritiker<strong>in</strong> Berta Zuckerkandl "<strong>und</strong> später <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r von Schnitzlers liebsten Gesprächspartnern";<br />
Berta Zuckerkandl schrieb 1911 anläßlich der Wiener Ausstellung <strong>des</strong><br />
"Hagenb<strong>und</strong>s" <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kritik zu Habliks dort gezeigten Meerbildern (B.Z.: Hagenb<strong>und</strong>, <strong>in</strong>:<br />
Wiener Allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Zeitung, Nr. 9902 v. 4.4. 1911, S. 3); Jakob Wassermann: Schriftsteller<br />
(1873-1934, Caspar Hauser 1908, Der Fall Maurizius 1928 u.a.); Arthur Kaufmann:<br />
Privatgelehrter, "Schnitzler hält ihn für e<strong>in</strong> Genie - er <strong>ist</strong> der e<strong>in</strong>zige, dem gegenüber<br />
er sich selbst als <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Art 'Jünger' fühlt." (zu Viki: Wagner 1984, 226; zu Arthur<br />
Kaufmann ebd., 183 f.)<br />
634 Vgl. Anm. 190<br />
635 Abram Enss (geb. 1887) <strong>ist</strong> Chron<strong>ist</strong> der zwanziger Jahre <strong>in</strong> Lübeck, die durch die Arbeit<br />
von Carl Georg Heise als Direktor <strong>des</strong> Museums für Kunst <strong>und</strong> Kulturgeschichte (St.-<br />
Annen-Museum) <strong>und</strong> künstlerischem Leiter der Overbeck-Gesellschaft geprägt wurden<br />
(Enss 1978).<br />
636 Frdl. Mittlg. Herr Abram Enss, Lübeck 14.10.1980<br />
637 Frdl. Mittlg. Frau Ruth Siegmann, Bremen 16.9.1980<br />
638 Frdl. Mittlg. Frau Susanne Kl<strong>in</strong>geberg geb. Hablik<br />
639 Brief Elisabeth L<strong>in</strong>demann an Edelgard von Wulffen, um 1933, EL/K 18, SHI<br />
640 Frdl. Mittlg. Frau Susanne Kl<strong>in</strong>geberg geb. Hablik<br />
641 Wenzel Hablik an Elisabeth L<strong>in</strong>demann, Weimar 14.9.1923, WE/K 1919, SHI<br />
642 Daß es sich bei den Punktdiagrammen (Abb. 757) tatsächlich um Melodiefolgen <strong>und</strong><br />
nicht um Tanzschritte handelt, belegen entsprechende Darstellungen von 1913 unter dem<br />
Motto "Melodien <strong>und</strong> Motive vom Meer" (W/Tg 14, SHI).<br />
643 Postkarte Mary Wigman an Ehepaar Hablik, Dresden 25.10.1932, SHI; Neujahrswunsch<br />
Wenzel Hablik an Mary Wigman 1933/34, WH/A II, div.; Kondolenzbrief Mary Wigmans<br />
z. Tode Wenzel Habliks 1934, SHI
- 356 -<br />
644 Eugene Santomasso (1973, 145 f.) fand <strong>in</strong> Habliks Bibliothek etliche Bücher von Rudolf<br />
St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r, die aber heute nicht mehr nachweisbar s<strong>in</strong>d.<br />
645 Frdl. Auskunft Frau Susanne Kl<strong>in</strong>geberg geb. Hablik<br />
646 Itzehoer Nachrichten v. 7.2.1928 nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Bericht <strong>des</strong> Hamburger Fremdenblatts<br />
647 Hamburger Nachrichten v. 6.2.1928 <strong>und</strong> Norddeutsche Nachrichten v. 7.2.1928<br />
648 Die Konstruktionszeichnungen für die "Freitragende Kuppel" auf dem Altonaer Künstlerfest<br />
1928 s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Sammlung Hablik vorhanden.<br />
649 Aufzeichnungen <strong>in</strong> der Mappe WH/A VIII div., SHI<br />
650 Drei Ölstudien nach farbenprächtigen Raupen gehen nicht - wie Rita Kauder 1979, S.<br />
127, behauptet - auf die Südamerika-Reise zurück, sondern zeigen e<strong>in</strong>heimische Exemplare.<br />
651 Für Juni 1926 s<strong>in</strong>d im "Verkaufsbuch 1913-1926" (W/V 7, SHI) "150,-- Procente" für<br />
"Vorzimmer zum Stän<strong>des</strong>aal" e<strong>in</strong>getragen.<br />
652 Elisabeth L<strong>in</strong>demann an Wenzel Hablik, Itzehoe 18.10. sowie 30.10. 1925, W E/K 1925/<br />
26, SHI<br />
653 Frdl. Mittlg. Herr Bürgerme<strong>ist</strong>er a.D. He<strong>in</strong>rich Gebhardt, Itzehoe<br />
654 E<strong>in</strong>e große Auswahl an Innenräumen der Jahre 1926-29 bietet der Band "Die deutsche<br />
Wohnung" von Walter Müller-Wulckow, <strong>in</strong> der ersten Auflage von 1930 <strong>und</strong> <strong>in</strong> der<br />
vierten <strong>und</strong> 1975 nachgedruckten Auflage von 1932.<br />
655 Die Gestaltung <strong>ist</strong> durch <strong>e<strong>in</strong>e</strong> zeitgenössische Fotografie (Abb. 781) überliefert. Dieses<br />
Foto benutzte Hablik als Vorlage für den später entstandenen farbigen Entwurf (Abb. 781<br />
a), der sich heute noch im Besitz der Firma Soetje bef<strong>in</strong>det <strong>und</strong> der als Vorlage für <strong>e<strong>in</strong>e</strong><br />
gedruckte Farbreproduktion diente: e<strong>in</strong> Ersatz für die noch unentwickelte Farbfotografie.<br />
E<strong>in</strong> erläutern<strong>des</strong> Heft wie das von 1921, dem der Druck hätte beigefügt werden können,<br />
<strong>ist</strong> allerd<strong>in</strong>gs nicht bekannt.<br />
656 Die Ausstellung gründete sich auf die These, daß <strong>e<strong>in</strong>e</strong>rseits im Kunstgewerbe durch die<br />
masch<strong>in</strong>elle Massenproduktion deutliche Qualitätse<strong>in</strong>bußen zu verzeichnen seien <strong>und</strong><br />
daher unverwechselbare handwerkliche Arbeit gefördert werden müsse, daß aber andererseits<br />
auf masch<strong>in</strong>elle Fertigungsprozesse nicht mehr verzichtet werden kann. So wurden<br />
neben re<strong>in</strong> handwerklichen Produkten vor allem solche gezeigt, die mit Hilfe von Masch<strong>in</strong>en<br />
hergestellt worden waren, aber noch e<strong>in</strong> möglichst hohes Maß an handwerklicher<br />
Gestaltung aufwiesen.<br />
657 E<strong>in</strong> Foto der E<strong>in</strong>bauschränke im Atelier erschien im September 1929 unter dem Motto<br />
"Moderne Wohnräume" <strong>in</strong> der Zeitschrift "Das ideale Heim" (S. 464).<br />
658 Vortrag "Handwerkliches betreffend" 1915 (vgl. Anm. 290)<br />
659 Wenzel Hablik an Kurt Falck (Berl<strong>in</strong>), Itzehoe Juni 1933, WH A/ Priv., SHI
- 357 -<br />
LITERATURVERZEICHNIS<br />
Ahlers-Hestermann, Friedrich. Stilwende. Aufbruch der Jugend um 1900 (1941) = Ullste<strong>in</strong><br />
Buch 36063, Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, Berl<strong>in</strong>, Wien 1981<br />
Alberti, Leone Batt<strong>ist</strong>a: Drei Bücher über die Malerei (1435), <strong>in</strong>: Leone Batt<strong>ist</strong>a Albertis<br />
kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> kunsth<strong>ist</strong>orische Schriften, hrsg. <strong>und</strong> übers. v. Hubert Janitschek = Quellenschriften<br />
für Kunstgeschichte, Bd. XI, Wien 1877, Neudruck Osnabrück 1970<br />
Appolonio, Umbro: Der Futurismus. Manifeste <strong>und</strong> Dokumente <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r künstlerischen Revolution<br />
1909-1918, Köln 1972<br />
Ausstellungs-Blatt Paul Scheerbart, Städtisches Museum Leverkusen 1968<br />
Ausstellungs-Katalog: Am Webstuhl der Zeit. Wandteppiche <strong>in</strong> Deutschland 1920-1955, Städtisches<br />
Museum Schloß Rheydt, Mönchengladbach 1976<br />
Anselm Feuerbach. Gemälde <strong>und</strong> Zeichnungen aus der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe,<br />
Karlsruhe 1961<br />
Arbeitsrat für Kunst. Berl<strong>in</strong> 1918-1921, Akademie der Künste, Berl<strong>in</strong> 1980<br />
August Endell. Der Architekt <strong>des</strong> Photoateliers Elvira 1871-1925, Museum Villa Stuck,<br />
München 1977<br />
Bruno Taut 1880-1938, Akademie der Künste, Berl<strong>in</strong> 1980<br />
Český kub<strong>ist</strong>ický <strong>in</strong>terier. Uměleckoprůmyslové Muzeum v Praze, Prag 1976<br />
Das Abenteuer der Ideen, Neue Nationalgalerie, Berl<strong>in</strong> 1984<br />
Der Hang zum Gesamtkunstwerk. Europäische Utopien seit 1800, Kunsthaus Zürich u.a.,<br />
Aarau, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> 2 1983<br />
Die Deutsche Werkb<strong>und</strong>-Ausstellung Cöln 1914 (Der Westdeutsche Impuls 1900-1914.<br />
Kunst <strong>und</strong> Umweltgestaltung im Industriegebiet), Kölnischer Kunstvere<strong>in</strong>, Köln 1984<br />
Dreams and Nightmares. Utopian Visions <strong>in</strong> Modern Art, Hirshhorn Museum and<br />
Sculpture Garden, Wash<strong>in</strong>gton 1983<br />
Dritte Ausstellung. Graphik, Der Sturm, Berl<strong>in</strong> (1912)<br />
E<strong>in</strong> Dokument Deutscher Kunst. Darmstadt 1901-1976, 5 Bde., Mathildenhöhe, Hessisches<br />
Lan<strong>des</strong>museum, Kunsthalle, Darmstadt 1976<br />
Gläserne Kette. Visionäre Architekturen aus dem Kreis um Bruno Taut 1919-1920,<br />
Museum Schloß Morsbroich, Akademie der Künste (Berl<strong>in</strong>), Leverkusen (1963)<br />
Hablik. Designer, Utopian Architect, Expression<strong>ist</strong> Art<strong>ist</strong> 1881-1934, The Architectural<br />
Association, London 1980<br />
Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann. Lisbeth Hablik-L<strong>in</strong>demann, Wenzel Hablik, Sibylle<br />
Sharma-Hablik, Kunsthaus Itzehoe 1984<br />
Handwerkskunst im Zeitalter der Masch<strong>in</strong>e. Führer durch die Ausstellung mit <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
R<strong>und</strong>frage zum Problem <strong>des</strong> ewigen Handwerks, Städtische Kunsthalle Mannheim 1928/<br />
29
- 358 -<br />
Ausstellungs-Katalog: Hans Scharoun (Akademie der Künste, Berl<strong>in</strong> 2 1969), Kunsthalle<br />
Bremerhaven 1970<br />
He<strong>in</strong>rich Sauermann 1842-1904. E<strong>in</strong> Flensburger Möbelfabrikant <strong>des</strong> H<strong>ist</strong>orismus, Städtisches<br />
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Kosmische Bilder <strong>in</strong> der Kunst <strong>des</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden<br />
1983<br />
Kunst <strong>und</strong> Kunsthandwerk <strong>des</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts aus Eigenbesitz. Gemälde, Plastik,<br />
Kunsthandwerk, Schleswig-Holste<strong>in</strong>isches Lan<strong>des</strong>museum, Schloß Gottorf, Schleswig<br />
1978<br />
Kunsthandwerk <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong>. Bildteppiche seit 1900, Gold- <strong>und</strong> Silberschmiedearbeiten,<br />
Buche<strong>in</strong>bände <strong>und</strong> Keramiken von heute, Schleswig-Holste<strong>in</strong>isches Lan<strong>des</strong>museum,<br />
Schloß Gottorf, Schleswig 1974<br />
Le Corbusier. Architektur, Malerei, Plastik, Wandteppiche, Haus der Kunst, München<br />
1957<br />
Malewitsch - Mondrian. Konstruktion als Konzept. Alexander Dorner gewidmet, Kunstvere<strong>in</strong><br />
Hannover 2 1977<br />
Max Taut 1884-1967. Zeichnungen, Bauten, Akademie der Künste, Berl<strong>in</strong> 1984<br />
M.K. Čiurlionis 1875-1911, Ausstellung der Berl<strong>in</strong>er Festwochen, Orangerie Schloß<br />
Charlottenburg, Berl<strong>in</strong> 1979<br />
Paris - Berl<strong>in</strong> 1900-1933. Übere<strong>in</strong>stimmungen <strong>und</strong> Gegensätze ..., Centre Pompidou,<br />
Paris 1978, dt. München 1979<br />
Paris - Moscou 1900-1930, Centre Pompidou, Paris 2 1979<br />
Richard Riemerschmid. Vom Jugendstil zum Werkb<strong>und</strong>. Werke <strong>und</strong> Dokumente, Stadtmuseum<br />
München 1983<br />
Runge <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Zeit, Hamburger Kunsthalle, Hamburg, München 1977<br />
Stadt <strong>und</strong> Utopie. Modelle idealer Geme<strong>in</strong>schaften, Neuer Berl<strong>in</strong>er Kunstvere<strong>in</strong> <strong>in</strong> der<br />
Staatlichen Kunsthalle, Berl<strong>in</strong> 1982<br />
Symbolismus <strong>in</strong> Europa, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden 1976<br />
Tendenzen der Zwanziger Jahre. 15. Europäische Kunstausstellung (Berl<strong>in</strong> 1977), Berl<strong>in</strong><br />
3 o.J.<br />
Traum <strong>und</strong> Wirklichkeit. Wien 1870-1930, H<strong>ist</strong>orisches Museum der Stadt Wien 2 1985<br />
Utställn<strong>in</strong>g av nutida tysk arkitektur, Kungl. akademien för de fria konsterna, Stockholm<br />
1933<br />
Visionary Draw<strong>in</strong>gs of Architecture and Plann<strong>in</strong>g 20th Century through the 1960s, The<br />
Draw<strong>in</strong>g Center, New York 1979<br />
Vor fünfzig Jahren. Carl Blohm, Helene Gries-Danican, Wenzel Hablik, Max Kahlke,<br />
Hermann Wehrmann, Heimatmuseum Pr<strong>in</strong>zeßhof, Itzehoe 1977<br />
Wem gehört die Welt. Kunst <strong>und</strong> Gesellschaft <strong>in</strong> der Weimarer Republik, Neue Gesellschaft<br />
für bildende Kunst 1977, Berl<strong>in</strong> 4 o.J.<br />
Wenzel Hablik, Gedächtnisausstellung, Lichtwark-Stiftung, Hamburg 1947
- 359 -<br />
Ausstellungs-Katalog: Wenzel Hablik 1881-1934, Schleswig-Holste<strong>in</strong>isches Lan<strong>des</strong>museum,<br />
Schloß Gottorf, Schleswig 1960<br />
Wenzel Hablik 1881-1934. Bilder, Graphik, angewandte Kunst, Ostdeutsche Galerie<br />
Regensburg, Stadtmuseum Erlangen, 1979<br />
Wenzel Hablik 1881 bis 1934. Aspekte zum Gesamtwerk, Kunsthaus Itzehoe, Overbeck-<br />
Gesellschaft Lübeck, 1981<br />
Wenzel <strong>und</strong> Elisabeth Hablik (Malerei <strong>und</strong> Webarbeiten) = Ausstellungen <strong>und</strong> Vorträge<br />
im Altonaer Museum, 50, Altona 1918<br />
William Turner <strong>und</strong> die Landschaft s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Zeit, Hamburger Kunsthalle, Hamburg, München<br />
1976<br />
Zeitgenössische Kunst <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong>. Aspekte <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Sammeltätigkeit,<br />
Schleswig-Holste<strong>in</strong>isches Lan<strong>des</strong>museum, Schloß Gottorf, Schleswig 1973<br />
Zwei Ausstellungen. Gemälde <strong>und</strong> Zeichnungen von Wenzel Hablik-Itzehoe. Graphik<br />
von Prof. August Brömse-Prag, Kunstvere<strong>in</strong> für Böhmen <strong>in</strong> Prag, Künstlerhaus Rudolf<strong>in</strong>um-Parlament,<br />
Prag 1925<br />
Zwischen Kunst <strong>und</strong> Industrie. Der Deutsche Werkb<strong>und</strong>, Die Neue Sammlung, München<br />
1975<br />
Avenarius, Ferd<strong>in</strong>and: Farbige Häuser, <strong>in</strong>: Kunstwart, Bd. 13, Nr. 13, München April 1900<br />
Unsere Bilder <strong>und</strong> Noten, <strong>in</strong>: Kunstwart, 22. Jg., 4. Viertel, München 1909<br />
Bär, Hubert: Natur <strong>und</strong> Gesellschaft bei Scheerbart. Genese <strong>und</strong> Implikationen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Kulturutopie.<br />
Phil. Diss. = Sammlung Groos, Bd. l, Heidelberg 1977<br />
Bartn<strong>in</strong>g, Otto: Vorschläge zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Lehrplan für Handwerker, Architekten <strong>und</strong> Bildende<br />
Künstler, <strong>in</strong>: Mitteilungen <strong>des</strong> Deutschen Werkb<strong>und</strong>es, 2. Jg., Heft 2, Berl<strong>in</strong> 1919<br />
Becker, Friedrich: Geschichte der Astronomie = B.I.-Hochschultaschenbücher 298/298 a,<br />
Mannheim, Zürich 3 1968<br />
Behal, Vera J.: Möbel <strong>des</strong> Jugendstils. Sammlung <strong>des</strong> Österreichischen Museums für angewandte<br />
Kunst <strong>in</strong> Wien = Materialien zur Kunst <strong>des</strong> 19. Jahrh<strong>und</strong>erts, Bd. 29, München<br />
1981<br />
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Westheim, Paul: Auftakt <strong>des</strong> Architekturwollens (Scala-Palast, Berl<strong>in</strong>), <strong>in</strong>: Das Kunstblatt,<br />
Heft 12, Berl<strong>in</strong> Dezember 1920<br />
Whitman, Walt: Grashalme (Leaves of Grass, 1855/1892), Übersetzung aus dem Amerikanischen<br />
von Johannes Schlaf (1919), Rottenburg/ Neckar (1949)<br />
Whyte, Ia<strong>in</strong> Boyd: Bruno Taut. Baume<strong>ist</strong>er <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r neuen Welt. Architektur <strong>und</strong> Aktivismus<br />
1914-1920, Stuttgart 1981<br />
Wichmann, Siegfried: Japonismus. Ostasien - Europa. Begegnungen <strong>in</strong> der Kunst <strong>des</strong> 19. <strong>und</strong><br />
20. Jahrh<strong>und</strong>erts, Herrsch<strong>in</strong>g 1980<br />
Jugendstil floral - funktional <strong>in</strong> Deutschland <strong>und</strong> Österreich <strong>und</strong> den E<strong>in</strong>flußgebieten,<br />
Katalog zur Ausstellung im Bayerischen Nationalmuseum, München, Herrsch<strong>in</strong>g 1984<br />
Wiese, Stephan von: "Laßt alle Hoffnung fahren!" Bauhaus <strong>und</strong> De Stijl im Widerstreit, <strong>in</strong>:<br />
Sammlungs-Katalog Bauhaus-Archiv 2 1984<br />
Wietek, Gerhard (Hrsg.): Deutsche Künstlerkolonien <strong>und</strong> Künstlerorte, München 1976<br />
Wenzel Hablik. E<strong>in</strong> Künstler zwischen Realität <strong>und</strong> Utopie, <strong>in</strong>: Die Kunst <strong>und</strong> das schöne<br />
Heim, 95. Jg., Heft 7, München Juli 1983<br />
W<strong>in</strong>gler, Hans M.: Das Bauhaus, o.O. 3 1975<br />
Wolfenste<strong>in</strong>, Alfred (Hrsg.): Die Erhebung. Jahrbuch für neue Dichtung <strong>und</strong> Wertung, erstes<br />
Buch Berl<strong>in</strong> 1919, zweites Buch Berl<strong>in</strong> 1920<br />
Worr<strong>in</strong>ger, Bruno: Erich Mendelsohn. Opera completa. Architetture e immag<strong>in</strong>i architetto-<br />
niche, Mailand 1970<br />
Zurück <strong>in</strong> die Zukunft. Kunst <strong>und</strong> Gesellschaft von 1900 bis 1914, Freie Akademie der Künste,<br />
Hamburg 1981
- 376 -
- 377 -<br />
BEMERKUNG ZUR ZITIERWEISE<br />
Nachweise der Primärquellen aus der Sammlung Hablik, <strong>in</strong>sbesondere der Tagebücher Wenzel<br />
Habliks <strong>und</strong> der von ihm geschriebenen oder an ihn gerichteten Korrespondenz stehen <strong>in</strong> den<br />
Anmerkungen. Um die Anmerkungen von weiteren technischen Daten freizuhalten, wurde<br />
<strong>e<strong>in</strong>e</strong> zweite Form der Zitierweise gewählt: Gedruckte Quellen <strong>und</strong> Sek<strong>und</strong>ärliteratur erschei-<br />
nen im laufenden Text durch die Nennung <strong>des</strong> Autors, der Jahreszahl <strong>und</strong> der Seitenangabe<br />
(häufig <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Klammer konzentriert) <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d im alphabetischen Literaturverzeichnis<br />
aufzuf<strong>in</strong>den. Bei mehreren Publikationen <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Autors aus demselben Jahr <strong>ist</strong> das erste Stich-<br />
wort <strong>des</strong> Titels h<strong>in</strong>zugefügt. Bei Aufsätzen verwe<strong>ist</strong> das Literaturverzeichnis nach dem gleich-<br />
en System auf die Sammelpublikation.<br />
ABKÜRZUNGEN<br />
AfK: Arbeitsrat für Kunst<br />
AGK: Ausstellungs-Katalog Gläserne Kette (1963)<br />
AKV: Altonaer Künstlervere<strong>in</strong><br />
Gv: Gesamtverzeichnis der Gemälde Wenzel Habliks (SHI)<br />
SHI: Sammlung Hablik, Itzehoe<br />
SHLM: Schleswig-Holste<strong>in</strong>isches Lan<strong>des</strong>museum, Schleswig<br />
Thieme-Becker: Allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Lexikon der bildenden Künstler ..., herausgegeben von U.<br />
Thieme <strong>und</strong> F. Becker, Leipzig 1907 ff.<br />
Vollmer: Allgem<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Lexikon der bildenden Künstler <strong>des</strong> 20. Jahrh<strong>und</strong>erts,<br />
herausgegeben von H. Vollmer, Leipzig 1953 ff.<br />
WE/K, WH/A, WH/K, W/Tg, W/Sn, EL/K s<strong>in</strong>d Aktensigel der Sammlung Hablik, Itzehoe.
- 378 -
- 379 -<br />
KATALOG DER ABBILDUNGEN<br />
Alle Maßangaben erfolgen <strong>in</strong> Zentimetern. Höhe steht vor Breite.<br />
1 Wenzel Hablik, um 1931. Fotografie, SHI<br />
2 Wenzel Hablik <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Atelier, um 1931. Fotografie, SHI<br />
3 Wenzel Hablik <strong>in</strong> s<strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Atelier, um 1931. Fotografie, SHI<br />
4 Wenzel Hablik <strong>und</strong> Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demann am Webstuhl, um 1931. Fotografie, SHI<br />
5 Die Eltern mit dem etwa zweijährigen Wenzel, um 1883. Fotografie, SHI<br />
6 Anna Hablik, die Mutter, um 1913. Fotografie, SHI<br />
7 August Hablik, der Vater, um 1913. Fotografie, SHI<br />
8 Johanna Schusterl geb. Hablik, die Schwester, mit Mann <strong>und</strong> K<strong>in</strong>d, um 1913. Fotografie,<br />
SHI<br />
9 Fachschule Teplitz-Schönau, vorn Mitte Wenzel Hablik, darüber mit Hut Direktor Stübchen-Kirchner,<br />
1901/02. Fotografie: Maler J<strong>in</strong>dra Vlček, Hrádec Králové; SHI<br />
10 Wenzel Hablik (rechts), der Maler Pepi Patzak, e<strong>in</strong> Modell, Prag 1905/06. Fotografie,<br />
SHI<br />
11 Kr<strong>ist</strong>allbau <strong>in</strong> Wolken, 1903. Aquarell über Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 16,7 x 18,6 SHI<br />
11a Rauchquarz, Uri/Schweiz, H = 9 cm, SHI<br />
12 Kr<strong>ist</strong>allbau <strong>in</strong> Berglandschaft, 1903. Aquarell über Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 20,2 x 15,1 SHI<br />
13 Kr<strong>ist</strong>allbau auf Bergspitze, 1903. Aquarell, Tempera, Pastell über Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 15,8 x<br />
16,2 SHI<br />
14 Kr<strong>ist</strong>allbau <strong>in</strong> Berglandschaft, 1903. Aquarell über Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 16,5 x 16,5 SHI<br />
14a Quarz. H=8,5 cm, SHI<br />
15 Kr<strong>ist</strong>allbau vor Nachthimmel, 1903. Aquarell über Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 14,6 x 11,4 SHI<br />
16 Ideale Bauten, 1903/04. Feder, Farbstifte, laviert/Papier 23,7 x 12,5 SHI<br />
17 Kr<strong>ist</strong>allbau am Berghang, 1904. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 14,1 x 12,3 SHI<br />
18 Kr<strong>ist</strong>allbau, 1904 (?). Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 20,6 x 19,6 SHI<br />
19 Dr. Feldste<strong>in</strong> z. Hochzt., 1. Fassung, 1904. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 8,3 x 12 SHI<br />
20 Kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Insel, 1904. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder/Papier 10,1 x 10,2 SHI<br />
21 Architekturanlage auf Bergrücken, 1906. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 17,6 x 17,2 SHI
- 380 -<br />
22 Schutz <strong>und</strong> Trutz gegen fe<strong>in</strong>dliche Pfeile, 1905 (?). Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 15,8 x 18,5 SHI<br />
23 Prismatische Glasbauten auf Bergrücken, 1907. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 8,1 x 16,7 SHI<br />
24 Kr<strong>ist</strong>allbauten <strong>in</strong> Berglandschaft, 1905. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 10,1 x 14,6 SHI<br />
25 Doppelblatt Kr<strong>ist</strong>allbau am Wasser, Landschaft mit kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>en Bauten, 1906/07. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier<br />
21 x 16,3 SHI<br />
26 Kr<strong>ist</strong>allkuppel mit Szepterquarzen, 1906/07. 4,6 x 5 SHI<br />
27 Dreiflügeliger Kr<strong>ist</strong>allbau, 1906. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 14,4 x 18,9 SHI<br />
28 Kr<strong>ist</strong>allbauten mit Kuppel, 1906. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 13,9 x 18,7 SHI<br />
29 Strahlende Kr<strong>ist</strong>allkugel h<strong>in</strong>ter Bergrücken, 1907. Ble<strong>ist</strong>ift, T<strong>in</strong>tenstift/Papier 15,1 x 19,9<br />
SHI<br />
30 Unerschütterlich <strong>ist</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tiefe ... aber sie glänzt von schwimmenden Rätseln <strong>und</strong> Gelächtern,<br />
1905. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 15,4 x 18,8 SHI<br />
31 Kr<strong>ist</strong>allbau <strong>in</strong> Berglandschaft, 1906/07. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 31,4 x 20,9 SHI<br />
32 Kr<strong>ist</strong>allbauten mit Szepterquarzen, 1907 (?). Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 15,4 x 23,5 SHI<br />
33 Kr<strong>ist</strong>allbau über Bergabhang, 1907. Ble<strong>ist</strong>ift, Pastell, Aquarell/Papier 17,3 x 17,5 SHI<br />
34 Kr<strong>ist</strong>allbauten auf Felskegeln, 1906. Ble<strong>ist</strong>ift/gelbl. Papier 8,8 x 15,2 SHI<br />
35 Du hast erst Fre<strong>und</strong>e, wenn sie d<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Höhen <strong>und</strong> Schlünde sehen - ohne zu bangen - u.<br />
ohne zu neiden, 2. Juni 1907. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 20,9 x 16,1 SHI<br />
36 Kubische Bauten <strong>in</strong> Berglandschaft, 1906/07. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 11,7 x 12,7 SHI<br />
37 Muß ich schon an der Erde kleben - dann wenigstens nicht mit dem Hirn, 1907. Ble<strong>ist</strong>ift/<br />
Papier 12,5 x 16,9 SHI<br />
38 Wolkenstudie, 1906/07. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 15,5 x 23,6 SHI<br />
39 Kr<strong>ist</strong>allbau h<strong>in</strong>ter Wolken, aus Lava u. L. Glas, 1906/07. Ble<strong>ist</strong>ift, T<strong>in</strong>tenstift/Papier 13,6<br />
x 13,2 SHI<br />
40 Kr<strong>ist</strong>allbauten mit Facettenkuppel <strong>in</strong> Wolken, Fels <strong>und</strong> Glas, 1906/07. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 21<br />
x 18,5 SHI<br />
41 Kr<strong>ist</strong>allbauten h<strong>in</strong>ter Wolken (Entwurf zu Abb. 42/43), 14. Januar 1906. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier<br />
15,9 x 20,1 SHI<br />
42 Kr<strong>ist</strong>allbauten <strong>in</strong> Wolken, Probeabzug, 1906. Aquat<strong>in</strong>ta/Papier, auf Vorsatzpapier montiert<br />
17,8 x 15,6 SHI<br />
43 Zauber Schloß, 1907. Aquat<strong>in</strong>ta/Papier 17,8 x 15,6 SHLM<br />
44 Fliege fort, fliege m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Sehnsucht, 1906. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 16,3 x 18,9 SHI
- 381 -<br />
45 Kr<strong>ist</strong>allbauten <strong>in</strong> Wolken, Probeabzug, 1907. Aquat<strong>in</strong>ta, Ble<strong>ist</strong>ift/ Kartonpapier 24 x 24,2<br />
SHI<br />
46 Kr<strong>ist</strong>allbauten <strong>in</strong> Wolken, 1907. Aquat<strong>in</strong>ta 24 x 24,2 SHI<br />
47 Drei Skizzen für kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e <strong>und</strong> kubische Bauten, Über allen Gipfeln <strong>ist</strong> Freude, 1908.<br />
Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 20,8 x 20,8 SHI<br />
48 Die erste Idee <strong>des</strong> Sternenhimmels aus m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r K<strong>in</strong>dheit, Entwurf zu Schaffende Kräfte,<br />
Bl. 2, 1908. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 17,6 x 17,9 SHI<br />
49 Kr<strong>ist</strong>allberg über Felsschlucht; F<strong>und</strong>ament <strong>und</strong> halbe Höhe <strong>ist</strong> Lava, Glas, Zement, das<br />
eigentliche <strong>ist</strong> verschiedenfarbiges Glas aus Lava, bis weiß; Entwurf zu Schaffende Kräfte,<br />
Bl. 4, 1908. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 19,9 x 27,8 SHI<br />
50 Grashalme vor Kr<strong>ist</strong>allberg, Entwurf zu Schaffende Kräfte, Bl. 5, 1908. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier<br />
11,7 x 20,9 SHI<br />
51 E<strong>in</strong>mal im Leben siehst du den Himmel offen - dann lerne den leichten Flug der Götter,<br />
1907. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 14,6 x 15,9 SHI<br />
52 Aufschäumende Wellen vor Architekturen, Entwurf zu Schaffende Kräfte, Bl. 10, 1908.<br />
Feder/Papier 10,4 x 11,8 SHI<br />
53 Zweig vor Kr<strong>ist</strong>allbergen, Entwurf zu Schaffende Kräfte, Bl. 11, 1908. Ble<strong>ist</strong>ift/<br />
Pergament 21 x 23,8 SHI<br />
54 Adler vor Kr<strong>ist</strong>allbauten, Entwurf zu Schaffende Kräfte, Bl. 20, 1908. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier<br />
19,6 x 22 SHI<br />
55 SCHAFFENDE KRÄFTE, Orig<strong>in</strong>alradierungen von Wenzel Hablik, 1909. Rohl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>nmappe<br />
30 x 30 mit aufgeklebter Titelradierung 19 x 19 SHI<br />
56 - Vorwort, 1909<br />
57 - Bl. l, Radierung 19,5 x 19,5 passepartouriert<br />
57a - Schriftblatt "Oh könnt ich ewig weilen auf jenen schöpferischen Höhen - wo aus dem<br />
Nichts die Sterne sich gebären". Radierung/Karton 10 x 10<br />
58 - Bl. 2<br />
58a - Schriftblatt "Furchtbar <strong>ist</strong> es über den Sternen - <strong>und</strong> d<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Seele f<strong>in</strong>det eher nicht ihren<br />
Gott - bis daß sie zwiefach nicht den Leib vernichtet"<br />
59 - Bl. 3<br />
59a - Schriftblatt "Ich liebe die Sonne, darum liebt sie mich!"<br />
60 - Bl. 4<br />
60a - Schriftblatt "Das Weib - die Erde - <strong>in</strong> die der Same fällt"<br />
61 - Bl. 5<br />
61a - Schriftblatt "Über Menschen erhaben s<strong>in</strong>d viele, die vor <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Grashalm niederknien"<br />
62 - Bl. 6<br />
62a - Schriftblatt "Es gab <strong>e<strong>in</strong>e</strong> St<strong>und</strong>e <strong>in</strong> der ich tausend Tode starb, da begrub ich die Armut<br />
m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Herzens"
63 - Bl. 7<br />
- 382 -<br />
63a - Schriftblatt "Oh daß die Boten m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Sehnsucht dich f<strong>in</strong>den könnten, du m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> unbekannte<br />
König<strong>in</strong> - dich <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Arme zu führen, auf daß ich dir m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Lande schenke!"<br />
64 - Bl. 8<br />
64a - Schriftblatt "Es gibt nur <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Freude Schaffensfreude! Welches Glücksgefühl - die<br />
Tiefen der Seele zu schauen, wenn Himmelsfriede heraufquillt"<br />
65 - Bl. 9<br />
65a - Schriftblatt "Es gibt k<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kraft die ich nicht <strong>in</strong> mir fühlte - Götter <strong>und</strong> Menschen haben<br />
bei mir gewohnt, <strong>in</strong> m<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Paradiesen leben alle Tiere <strong>und</strong> Blumen <strong>und</strong> köstlichen<br />
St<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, wandeln helle Sonnen, graben tiefe Wasser - <strong>und</strong> doch muß ich sterben"<br />
66 - Bl. 10<br />
66a - Schriftblatt "Überall <strong>ist</strong> Leben, überall <strong>ist</strong> Kampf um's Leben"<br />
67 - Bl. 11<br />
67a - Schriftblatt " 'Anfang' bed<strong>in</strong>gt 'Ende' dieses wiederum Anfang <strong>und</strong> Ende bis -?"<br />
68 - Bl. 12<br />
68a - Schriftblatt "Der rollende Tod, braust das Meer gegen den Fels <strong>und</strong> zerstiebt <strong>in</strong><br />
Milliarden Perlen gegen den blauen Dom <strong>und</strong> s<strong>in</strong>kt nieder <strong>in</strong> die Kelche der zartesten<br />
Blüten - -"<br />
69 - Bl. 13<br />
69a - Schriftblatt "Aare weiten ihre Schw<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> den Höhen, <strong>in</strong> Eulenlöchern sterben sie"<br />
70 - Bl. 14<br />
70a - Schriftblatt "Nichtstun <strong>ist</strong> <strong>des</strong> Stärksten Tod"<br />
71 - Bl. 15<br />
71a - Schriftblatt "Weit <strong>ist</strong> die Welt! Jubelt die freie Seele. Eng <strong>ist</strong> die Erde - stöhnt das Herz"<br />
72 - Bl. 16<br />
72a - Schriftblatt "Am Rande nachtdunklen Ohnegr<strong>und</strong>'s blüht <strong>e<strong>in</strong>e</strong> purpurrote Blume; <strong>in</strong><br />
ihres glüh'nden Kelches Mitte fiel m<strong>e<strong>in</strong>e</strong> letzte Träne. Jub'le, Herz! Sie war der Preis<br />
d<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Sieges!"<br />
73 - Bl. 17<br />
73a - Schriftblatt "Ich war, ich b<strong>in</strong>, aber ich werde nie wieder se<strong>in</strong>"<br />
74 - Bl. 18<br />
74a - Schriftblatt "Je tiefer der Brunn' den du h<strong>in</strong>ab steigst, <strong>des</strong>to heller leuchten die Sterne"<br />
75 - Bl. 19<br />
75a - Schriftblatt "Du kennst nicht den Fluch <strong>des</strong> Schaffenden der allmächtig se<strong>in</strong> will, der<br />
tausend Leben braucht - <strong>und</strong> - <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n! schwachen Leib zu Grabe trägt. -"
76 - Bl. 20<br />
- 383 -<br />
76a - Schriftblatt "Der Mann, der Raum, zwei Ewigkeiten"<br />
77 Exlibris "Maler, Radierer Wenzel Hablik", 1913. Radierung 10 x 10 SHI<br />
78 Fidus: Betender Knabe, später: Das Lichtgebet, 4. Fassung 1905. Federzeichnung, Abb.<br />
nach: Frecot/Kerbs/Ge<strong>ist</strong> 1972, S. 294<br />
79 Woher - woh<strong>in</strong>? 1913. Öl/Le<strong>in</strong>wand 190 x 160 SHI<br />
79a Nora Exner (Schule Franz Metzner): Kauernder, um 1904. Skulptur, Abb. nach: Jung<br />
Wien 1907, S. 47<br />
80 Philipp Otto Runge: Illustration zu Tiecks "M<strong>in</strong>neliedern", 1803. Kupferstich 10 x 8<br />
Hamburger Kunsthalle, Abb. nach: Ausst.-Kat. Runge 1976, Kat. Nr. 63<br />
81 Adolf Böhm: Decorative Landschaft, 1898. Illustration <strong>in</strong>: Ver Sacrum, Heft 7, 1898,<br />
S. 17<br />
82 Adolf Böhm: Rahmenbild zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Gedicht von Arno Holz, 1898. Illustration <strong>in</strong>: Ver<br />
Sacrum, November 1898, S. 9, Abb. nach: Hofstätter 2 1973, S. 46<br />
83 Emil Hoppe: Architekturstudie. 1902. Aus: Wagnerschule 1902, Leipzig o.J., Abb. nach:<br />
Pehnt 2 1981, S. 43<br />
84 Marcell Kammerer: Studie, um 1902. Abb. nach: Wagnerschule 1902, S. 79<br />
85 Hermann Bill<strong>in</strong>g oder Schüler: Architekturstudie, 1904. Abb. nach: Pehnt 2 1981, S. 43<br />
86 Ando Hiroshige: Schwertfelsen, 1856. Vielfarbenholzschnitt, Abb. nach: Wichmann<br />
1980, Abb. 391<br />
87 Katsushika Hokusai: Die Woge, 1823/32. Vielfarbenholzschnitt, Abb. nach: Wichmann<br />
1980 Abb. 308<br />
88 Ando Hiroshige: Ama-no Hashidate <strong>in</strong> der Prov<strong>in</strong>z Tango, 1855. Vielfarbendruck, Abb.<br />
nach: Wichmann 1980, Abb. 574<br />
89 Entwurf für Flugmasch<strong>in</strong>en, 1906/07. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 34,2 x 20,3 SHI<br />
90 Entwurf für Flugmasch<strong>in</strong>en, 1906/07. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 34,3 x 20,2 SHI<br />
91 Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Flugmasch<strong>in</strong>e, 1906/07. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 34,3 x 20,6 SHI<br />
92 Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Zeppel<strong>in</strong>, 1906/07. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 34,2 x 20,5<br />
93 Der Bau der Luftkolonie, 1908. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 22,5 x 18 SHI<br />
94 Felsnadel im Meer mit Flugmasch<strong>in</strong>en, 1909. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 21,1 x 25,2 SHI<br />
95 Luftgebäude, große fliegende Siedlung, 1914. Feder, Farbstifte/Pergament, auf Vorsatzkarton<br />
montiert 35,5 x 37,4 SHI<br />
96 Sternenhimmel, Versuch, 1909. Öl/Le<strong>in</strong>wand 200 x 200 SHI<br />
97 Claude-Nicolas Ledoux: Entwurf zum Wandbild für den Friedhof von Chaux, 1804. Kupferstich<br />
von Bov<strong>in</strong>et nach Ledoux 25,4 x 40,2 Abb. nach: Ausst.-Kat. Kosmische Bilder<br />
1983, S. 53
- 384 -<br />
98 Spiralnebel <strong>in</strong> den Jagdh<strong>und</strong>en, Fotografie um 1904. Abb. nach: Meyer 19 1909, S. 12<br />
99 Nebel <strong>in</strong> der Andromeda, Fotografie um 1904. Abb. nach Meyer: 19 1909, S. 13<br />
100 Sternenhimmel, Skizze, 1912. Öl/Le<strong>in</strong>wand 150 x 250 Privatbesitz<br />
101 Sternenhimmel, 1913. Öl/Le<strong>in</strong>wand 200 x 300 SHI<br />
102 Sternenhimmel, Experiment, 1913 (?). Öl/Le<strong>in</strong>wand 96 x 96 Privatbesitz<br />
103 Entwurf für Flugmasch<strong>in</strong>en, wohl 1914. Feder/Pergament 23,5 x 38,2 SHI<br />
104 Entwurf für Flugmasch<strong>in</strong>en, wohl 1914. Feder/Pergament 31 x 29 SHI<br />
105 Entwurf für Flugmasch<strong>in</strong>en, wohl 1914. Feder/Pergament 30,4 x 39,3 SHI<br />
106 WETTBEWERB WALDTHAUSEN/MAINZ, Kennwort "Leben", 1908. Öl- <strong>und</strong> Wasserfarben/Pappe<br />
36 x 46 SHI<br />
107 - Aufriß, 1908. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel/Millimeterpapier 47,4 x 59 SHI<br />
108 - wie vor, 46,2 x 59<br />
109 Otto Wagner: Schützenhaus, Wien, Staustufe Kaiserbad, 1906/07. Eigene Aufnahme<br />
1985<br />
110 August Endell: Nordseesanatorium Boldixum/Föhr, 1898/1905, Fensterfragment. Eigene<br />
Aufnahme 1981<br />
111 Josef Gočár: Sanatorium <strong>in</strong> Bohdaneč, 1911/12. Abb. nach: Burkhardt/Lamarová 1982,<br />
S. 62<br />
112 Matěj Blecha: Haus Diamant, Prag, Spálená, 1912. Eigene Aufnahme 1980<br />
113 Vielfamilien-Wohnhaus im Gebirge, 1912. Feder, Aquarell, Deckfarben/Karton 25,2 x<br />
32,7 SHI<br />
114 Bruno Taut: Pavillon <strong>des</strong> Stahlwerkverban<strong>des</strong> "Monument <strong>des</strong> Eisens", Baufachausstellung<br />
Leipzig, 1913. Abb. nach: Whyte 1981, S. 23<br />
115 Bruno Taut: wie vor, unterer Umgang. Abb. nach: Müller 1974, S. 181<br />
116 Bruno Taut: Pavillon <strong>des</strong> Luxfer-Prismen-Syndikats "Glaushaus", Werkb<strong>und</strong>ausstellung<br />
Köln, 1914. Abb. nach: Whyte 1981, S. 33<br />
117 Bruno Taut: wie vor. Innenansicht. Abb. nach: Whyte 1981, S. 35<br />
118 Franz Roith: Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Badeanstalt, 1907. Abb. nach: Whyte 1981, S. 37<br />
119 Gr<strong>und</strong>riß <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s achteckigen Kuppelsaals, 1913. Feder, schwarzer u. roter Tuschp<strong>in</strong>sel/<br />
Karton 17,4 x 29 SHI<br />
120 Schautempel, 7. Juni 1914. Ble<strong>ist</strong>ift, Tuschp<strong>in</strong>sel, Aquarell, Deckfarben/Papier 21,6 x 21<br />
SHI<br />
121 Skizze für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Schautempel als Denkmal <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Stadt, Juli 1914. Aquarell, Goldbronze/<br />
Reispapier 20,5 x 34 SHI
- 385 -<br />
122 Das Meer, Portalaufriß zum Schautempel, 1914. Tuschp<strong>in</strong>sel, Aquarell, Goldbronze/<br />
Reispapier 33,1 x 19,1 SHI<br />
123 Orig. Skizze <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Schautempels, gedacht als Symbol <strong>und</strong> Kunstwerk im S<strong>in</strong>n <strong>des</strong> Denkmals,<br />
7. Juli 1914. Ble<strong>ist</strong>ift, Tuschp<strong>in</strong>sel, Aquarell, Goldbronze/Karton 50,1 x 32,4 SHI<br />
124 Fidus: Tempel der Eisernen Krone, 1899. Abb. nach: Frecot/Kerbs/Ge<strong>ist</strong> 1972, S. 233<br />
125 Alois Bastl: Palast wissenschaftlicher Ver<strong>e<strong>in</strong>e</strong> für Okkultismus, Paris, 1902. Abb. nach:<br />
Wagnerschule 1902, S. 37<br />
126 Regierungs-/Repräsentationsgebäude, Aufriß, 1914. Beschriftete Fotografie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Feder-<br />
<strong>und</strong> Tuschp<strong>in</strong>selzeichnung SHI<br />
127 Teepavillon zum Schloß, 7. Juni 1914. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel/Papier 22 x 33,1 SHI<br />
128 Tanzpavillon zum Schloß, 7. Juni 1914. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel/Papier 22 x 33,1 SHI<br />
129 Theater <strong>und</strong> Künstlerhaus, Mai 1914. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder/Papier 25 x 38,8 SHI<br />
130 Theater <strong>und</strong> Künstlerhaus, Mai 1914. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder/Papier 24,8 x 39 SHI<br />
130aTempeltürme <strong>des</strong> Vat Arun, Bangkok. Abb. nach Diez 1964, Tf. 61<br />
131 Orig<strong>in</strong>al Entwurf für e<strong>in</strong> Denkmal <strong>in</strong> offener See auf e<strong>in</strong>sam. Fels od. an felsig. Küste,<br />
1915. Tuschp<strong>in</strong>sel/Karton 25,4 x 32,4 SHI<br />
132 An Stelle der alten neu "restaurierten" Ru<strong>in</strong>en usw., Aussichtstürme, 1916. Tuschp<strong>in</strong>sel/<br />
Karton 25,3 x 32,5 SHI<br />
133 Leuchtfeuer bei Nacht, Denkmal u. Aussichtsturm bei Tag, 1915/16. Tuschp<strong>in</strong>sel/Karton<br />
25 x 32,5 SHI<br />
134 Die Quellen<strong>in</strong>sel, 1917. Öl/Le<strong>in</strong>wand 95 x 130 SHI<br />
135 Geisir, 1917. Öl/Le<strong>in</strong>wand 140 x 203 SHI<br />
136 Antonio Sant'Elia: Kuppelbau, 1912 (?). Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstift. Villa Communale dell'Olmo.<br />
Abb. nach: Pehnt 2 1981, S. 172<br />
137 Werbeblatt für Stumpfs Reform-Schiebefenster (Die Frau <strong>des</strong> Malers Ewel am Fenster),<br />
1908. Radierung 19,5 x 19,5 Privatbesitz Hamburg<br />
138 Anselm Feuerbach: Bildnis Nanna Risi, 1861. Öl/Le<strong>in</strong>wand 74,5 x 62 Staatl. Kunsthalle<br />
Karlsruhe. Abb. nach: Ausst.-Kat. Anselm Feuerbach 1961, S. 29<br />
139 Stimmungsbild für e<strong>in</strong> Musikzimmer, 1914. Öl/Le<strong>in</strong>wand 95 x 130 Privatbesitz Itzehoe<br />
140 Kr<strong>ist</strong>allschloß im Meer, Stimmungsbild für e<strong>in</strong> Musikzimmer, 1914. Öl/Le<strong>in</strong>wand 200 x<br />
180 Nationalgalerie Prag<br />
141 Ohne Titel ("Gletscher"), 1917. Öl/Le<strong>in</strong>wand 131 x 95,5 SHI<br />
142 Meereszauber, 1917. Öl/Le<strong>in</strong> wand 152 x 242 SHI<br />
143 Feuer als Element, 1909. Öl/Le<strong>in</strong>wand 200 x 200 verschollen
- 386 -<br />
144 Feuer, 2.-4. November 1913. Öl/Le<strong>in</strong>wand 300 x 200 SHI<br />
145 Zerstörung, 1917. Öl/Le<strong>in</strong>wand 131,5 x 95 SHI<br />
146 Der Weg <strong>des</strong> Genius, 1918. Öl/Le<strong>in</strong>wand 162,5 x 95 SHI<br />
147 Szepterquarz, H=8,5 SHI<br />
148 Kr<strong>ist</strong>allgruppe, Amethyst H=17,5 B=10,5 SHI<br />
149 Kr<strong>ist</strong>allgruppe, mit Knetmasse montiert, Rauchquarze H=7,5 Ǿ=10 SHI<br />
150 Kr<strong>ist</strong>allgruppe, mit Knetmasse montiert, Bergkr<strong>ist</strong>alle H=10 SHI<br />
151 Gruppe verschiedener Quarze <strong>und</strong> Bergkr<strong>ist</strong>alle, mit Knetmasse montiert. Zerstört. Fotografie<br />
SHI<br />
152 Sammlungsvitr<strong>in</strong>e im Zimmer <strong>des</strong> Künstlers, nach 1919. Zeitgenössische Fotografie, SHI<br />
153 Exlibris Juanita Biel, 1913. Radierung 10 x 10 SHI<br />
154 Exlibris Juanita Biel, 1915. Radierung 16,2 x 10,8 SHI<br />
155 Ansicht <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Innenraums, 1907. Aquarell, Deckfarben/Papier 26,5 x 38,4 SHI<br />
156 Ansicht <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Ausstellungsraums, 1907. Aquarell, Deckfarben/Papier 23,9 x 37,3 SHI<br />
157 Mobiliar für Prof. Karl He<strong>in</strong>rich Frese, Meldorf, 1910. Zeitgenössische Fotografie, SHI<br />
158 Wie vor, Zustand um 1925<br />
159 Alfred Koch: Herrenzimmer, Hessische Lan<strong>des</strong>ausstellung, 1908. Abb. nach: Ausst.-Kat.<br />
E<strong>in</strong> Dokument 1976, Bd. 5, S. 97<br />
160 Paul Klopfer: Herrenzimmerecke, um 1907. Abb. nach: Klopfer 1907, Abb. 9 c<br />
161 M. Junge, Ecksitz, um 1907. Abb. nach Klopfer 1907, Abb. 2 a<br />
162 MOBILIAR KARL HEINRICH FRESE, 1910, Tisch. Eiche, Ebenholz H=76 B=100<br />
T=100 Privatbesitz Uetersen<br />
163 - Stuhl. Eiche, Bezug neu H=136 B=52,5 T=54<br />
164 Charles Rennie Mack<strong>in</strong>tosh: Stuhlentwurf für die Willow Tea Rooms, Glasgow, 1903.<br />
Feder, laviert/Papier 19 x 14 Privatbesitz. Abb. nach: Billcliffe 2 1980, Kat. Nr. 1903.21<br />
165 MOBILIAR KARL HEINRICH FRESE, 1910, Bücherschrank. Eiche, Ebenholz H=<br />
178 B=133,5 T=89 Privatbesitz Uetersen<br />
166 Richard Riemerschmid: Truhenschrank, ca. 1908. Abb. nach: Ausst.-Kat. Richard Riemerschmid<br />
1983, S. 194<br />
167 MOBILIAR KARL HEINRICH FRESE, 1910, Sessel. (Eiche, Bezug neu H=131,5,<br />
B=80, T=70 Privatbesitz Uetersen) hier: zeitgenössische Fotografie, um 1910, SHI<br />
168 - Sessel. Verschollen, zeitgenössische Fotografie, SHI<br />
169 - Standuhr. Mahagoni, Ebenholz, Sockel entfernt H=208 B=41,5 T=24 Privatbesitz Uetersen
- 387 -<br />
170 - Entwurf für Samowar <strong>und</strong> Dose, um 1911. Feder/Karton 15,8 x 16 S HI<br />
171 - Entwürfe für Dosen, 27.2.1911. Feder/Karton 12,9 x 16,5 SHI<br />
172 - Tischuhr, um 1911. Mess<strong>in</strong>g, Werk defekt H=31,5 B=21,5 T=6,l Privatbesitz Lübeck<br />
173 - Ofen im Eßzimmer Hermann Biel, um 1911. Verschollen, zeitgenössische Fotografie,<br />
SHI<br />
174 - Ofen im Salon Hermann Biel, um 1911. Verschollen, zeitgenössische Fotografie, SHI<br />
175 - Ofen im Ankleidezimmer Hermann Biel, um 1911. Verschollen, zeitgenössische Fotografie,<br />
SHI<br />
176 MOBILIAR HERMANN BIEL, 1911. Zeitgenössische Fotografie, SHI<br />
177 - wie vor<br />
178 - wie vor<br />
179 - Entwurf für Ledersofa <strong>und</strong> Servierschrank. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder/Karton 32,2 x 49,9 SHI<br />
180 - Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Eßtisch. Feder/Karton, oben beschnitten 26,5 x 38,6 SHI<br />
181 - Frisiertoilette. Mahagoni, Ebenholz, Marmorplatte, geschliffenes Glas H=200 B=148<br />
T=51,5 SHI<br />
181a - Entwurf zu Abb. 181. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel, Aquarell/Karton 42,9 x 32,3 SHI<br />
182 - Sessel zur Frisiertoilette (vgl. Abb. 181). Mahagoni, Jacquard-Bezug der Handweberei<br />
Hablik-L<strong>in</strong>demann (Entwurf Emil Gamm, 1911) H=106,5 B=73 T=70 Museum für Kunst<br />
<strong>und</strong> Gewerbe, Hamburg<br />
183 - Schreibtisch. Mahagoni, Ebenholz, Perlmuttbeschläge H=81,5 B=186,5 T=81,5 Privatbesitz<br />
Fl<strong>in</strong>tbek<br />
183a - Entwurf zu Abb. 183. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel/Karton 25,4 x 38,3 SHI<br />
184 - Sessel zum Schreibtisch (vgl. Abb. 183). Mahagoni, Ebenholz, Lederbezug H=95 B=71<br />
T=57 Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
185 - Nähtisch. Mahagoni, Ebenholz H=79 B=128 T=64,3 Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
185a - Entwurf zu Abb. 185. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel, Aquarell/Karton 34,3 x 26,9 SHI<br />
186 - Blumentisch. Mahagoni, Ebenholz H=69,5 Ø=39,5 Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
187 - Rauchtisch. Mahagoni, getriebene Mess<strong>in</strong>gplatte H=58 Ø=49 Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
188 - Salontisch. Mahagoni, Ebenholz, Mess<strong>in</strong>gbeschläge H=69 Ø=124,5 Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
188a - Entwurf zu Abb. 188. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder/Karton 32,4 x 45,1 SHI
- 388 -<br />
189 Bernhard Pankok: Stuhl, 1899. Abb. nach: Ausst.-Kat. August Endell 1977, S. l4<br />
190 August Endell: Sessel, 1899. Abb. nach: Ausst.-Kat. August Endell 1977, S. 132<br />
191 August Endell: Schreibtischsessel, 1896. Abb. nach: Ausst.-Kat. August Endell 1977,<br />
S. 134<br />
192 MOBILIAR HERMANN BIEL, 1911, Ausziehtisch. Eiche, Mess<strong>in</strong>gbeschläge, Fußklötze<br />
später H=77,5 Ø=105 Privatbesitz Itzehoe<br />
193 - Ziertisch. Mahagoni, Ebenholz, Marmorplatte, Perlmuttbeschlag H=76,5 B=77,5 T=54<br />
Privatbesitz Kiel<br />
194 - Spieltisch. Ulme, Obsthölzer, Ebenholz H=68,5 B=89,8 T=89,8 Privatbesitz Itzehoe<br />
194a - Entwurf zu Abb. 194. Feder, Aquarell/Karton 30,9 x 25,4 SHI<br />
195 - Eßzimmerstuhl. Eiche, Ebenholz H=114,5 B=46,5 T=51,5 Privatbesitz Itzehoe<br />
196 - Sessel zum Salontisch (vgl. Abb. 188). Mahagoni, Bezüge neu H=104 B=69 T=65<br />
Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
197 - Sessel. Eiche, Bezug neu H=129,5 B=80 T=65,5 SHI<br />
198 Otto Prutscher: Sofa, um 1902. Abb. nach: Spielmann 1977, S. 41<br />
199 Josef Hoffmann: Stuhl, um 1902. Abb. nach: Spielmann 1977, S. 40<br />
200 MOBILIAR HERMANN BIEL, 1911, Stuhl. Mooreiche H=90,5 B=45,1 T=44,5 Privatbesitz<br />
Itzehoe<br />
201 - Stuhl. Eiche H=82,5 B=39,5 T=42,5 Privatbesitz Itzehoe<br />
202 - Klavierhocker. Mooreiche, Bezug neu H=64 Ø=40 SHI<br />
203 - Sofa. Eiche, Bezug neu H=120 B=200 T=70,5 SHI<br />
204 - Sofa. Eiche, Ebenholz, Bezug neu H=110 B=190 T=69,5 Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
205 - Büfett. Eiche, Mahagoni, Ebenholz, Perlmuttbeschläge H=193 B=192,5 T=64,5 Privatbesitz<br />
Fl<strong>in</strong>tbek<br />
206 - Servierschrank. Eiche, Ebenholz H=179,8 B=82 T=72,7 Privatbesitz Itzehoe<br />
207 - Teegeschirrschrank. Birne, Mahagoni, Ebenholz H=163,5 B=111 T=165,5 SHI<br />
208 - Bücherschrank. Eiche, Ebenholz H=175 B=96,8 T=70,5 Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
209 - Notenschrank. Ulme, Ebenholz, Perlmuttbeschläge H=136,8 B=59,7 T=53,2 Privatbesitz<br />
Itzehoe<br />
210 - Eckschrank. Eiche, Ebenholz H=140 B=51,7 T=51 Privatbesitz Itzehoe<br />
211 - Schuhschrank. Privatbesitz Pondicherry/Indien, hier: zeitgenössische Fotografie, SHI
- 389 -<br />
212 - 1911, Kommode. Birne H=49,6 B=66 T=65,6 Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
213 - Wäscheschrank. Birne H=199 B=119 T=51 Privatbesitz Kiel<br />
214 - Wäscheschrank. Eiche, Rüster H=200 B=140 T=65 SHI<br />
215 - Wäscheschrank. Eiche, Obsthölzer H=200 B=140 T=64,3 Privatbesitz Hamburg, hier:<br />
zeitgenössische Fotografie, SHI<br />
215a - Detail zu Abb. 215, Türparkett <strong>in</strong>nen, eigene Aufnahme<br />
216 - Kommode. Eiche H=89 B=76,4 T=50,2 Privatbesitz Hamburg<br />
217 - Nachtschrank. Eiche, Ebenholz, Marmorplatte H=70,5 B=52,5 T=52,5 Privatbesitz<br />
Hamburg<br />
218 - Nachtschrank. Eiche H =63 B=42,5 T=42,5 Privatbesitz Hamburg<br />
219 - Kastenbett. Eiche H=90 B=194,5 T=100 Privatbesitz Hamburg<br />
219a - Entwurf zu Abb. 219, verändert. Ble<strong>ist</strong>ift, Füllfederhalter/Karton 24 x 47,9 SHI<br />
220 - Bett. Eiche, Ebenholz H=121 B=209 T=110 Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
220a - Entwurf zu Abb. 220. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel, laviert/Karton 28,2 x 32,4 SHI<br />
220b - Detail zu Abb. 220, seitliches Eckelement<br />
221 - Standspiegel. Eiche, geschliffenes Glas H=195 B=84,6 T=16,5 Privatbesitz Itzehoe<br />
222 - Wandspiegel. Eiche, geschliffenes Glas H=186 B=53 T=6 Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
223 - Wandspiegel. Birne H=131 B=63 T=4 Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
224 - Wanduhr. Mahagoni, Ebenholz H =85,5 B=30,5 T=15 Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
225 Detail für die Schrankfüße, um 1911. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder/Papier 21,1 x 32,8 SHI<br />
226 Schlafraum für Juanita Biel, 1909. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 16,2 x 32,4 SHI<br />
227 Schlafraum für Juanita Biel, um 1912. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel, laviert/Karton 32,5 x 49<br />
Privatbesitz Kiel<br />
228 Aus dem Schlafraum für Juanita Biel, um 1912. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel, laviert/Karton 32,3 x<br />
46 Privatbesitz Kiel<br />
229 Innenraum für Richard Biel, um 1912. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 32,3 x 50 Privatbesitz Kiel<br />
230 Frisiertoilette für Juanita Biel, um 1912. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 28,2 x 20,8 Privatbesitz Kiel<br />
231 Sessel zur Frisiertoilette für Juanita Biel, um 1912. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 22,1 x 29 Privatbesitz<br />
Kiel<br />
232 Sessel für Richard Biel, um 1912. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 29 x 22,2 Privatbesitz Kiel
- 390 -<br />
233 Bett für Juanita Biel, um 1912. Feder/Papier 22 x 33 Privatbesitz Kiel<br />
234 EHEM. HAUS RICHARD BIEL, ITZEHOE. Zustand 1979<br />
235 - Innendekoration 1912/15, Entree. Wandverkleidung zum Treppenaufgang<br />
236 - Flügeltür zum Salon<br />
236a - Detail zu Abb. 236<br />
237 - Tür zum rechten Nebenraum<br />
237a - Detail zu Abb. 237<br />
238 - Treppenaufgang, Deckenschränke<br />
238a - Detail zu Abb. 238<br />
239 - Treppenaufgang, Deckenschränke, Stirnwand <strong>und</strong> Decke<br />
240 - Treppenaufgang, rechte Seitenwand<br />
241 - Schlafzimmertür, vom Entree aus<br />
24 a - Schlafzimmertür, vom Innenraum aus<br />
242 - Salon, Paneel <strong>und</strong> Flügeltür<br />
242a - Salon, Detail <strong>des</strong> Paneels<br />
243 - Salon, Erkerverdachung<br />
244 - Salon, Flügeltür<br />
244a - Detail zu Abb. 244<br />
245 - Salon, Flügeltür<br />
245a - Detail zu Abb. 245<br />
246 - Salon, Flügeltür<br />
246a - Detail zu Abb. 246<br />
247 - Speisezimmer, Wand- <strong>und</strong> Deckenpaneel<br />
248 - Speisezimmer, Deckenpaneel<br />
249 - Schlafzimmer, Wandschränke <strong>und</strong> Bettkasten<br />
249a - Detail zu Abb. 249<br />
250 - Schlafzimmer, Waschbeckenverkleidung<br />
251 - Schlafzimmer, Deckenpaneel<br />
252 - Deckenverkleidung <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Nebenraum, Holzle<strong>ist</strong>en oder Stuck<br />
253 - Deckenverkleidung <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Nebenraum, getriebene Mess<strong>in</strong>gplatten, brüniert<br />
254 Bruno Paul: Jagdzimmer, Weltausstellung Paris 1900. Abb. nach: Günther 1971, Abb. 58<br />
255 Charles u. Henry Greene: Haus Robert R. Blacker, Pasadena, 1907. Abb. nach: Russell<br />
(Hrsg.) 1982, S. 278
- 391 -<br />
256 Walter Gropius, Joost Schmidt: Blockhaus Adolf Sommerfeld, Dahlem, 1920/21. Diele<br />
mit Haupttreppe <strong>in</strong> Teakholz, Abb. nach: Wasmuths Monatshefte für Baukunst 1922/23,<br />
S. 335<br />
256a wie vor, Dielentürschnitzereien <strong>und</strong> Heizkörperverkleidungen. Abb. nach: wie vor, S.<br />
338<br />
256b wie vor, Treppengeländer-Schnitzereien. Abb. nach: wie vor, S. 339<br />
257 MOBILIAR FÜR RICHARD BIEL, 1912-15. Prunkschrank, 1915 (?). Sequoia H=200<br />
B=119 T= 67 SHI<br />
258 - Büfett, 1912. Eiche, Mahagoni, Ebenholz, Perlmutte<strong>in</strong>lagen H=193 B=192,5 T=65<br />
SHLM<br />
258a - Entwurf zu Abb. 258, 20.1.1912. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel/Karton 32,5 x 39 SHI<br />
259 - Vitr<strong>in</strong>e. Mahagoni, Ebenholz, geschliffenes Glas H=150 B=62 T=61 SHI<br />
260 - Halbschrank. Mahagoni, Ebenholz, Perlmuttbeschläge <strong>und</strong> -e<strong>in</strong>lagen H=160 B=110<br />
T=60 Privatbesitz Itzehoe<br />
261 - Sessel für Juanita Biel. Ebenholz, Ledersitz, Jacquard-Bezug der Handweberei Hablik-<br />
L<strong>in</strong>demann H=151 B=68 T=60 SHI<br />
262 - Stuhl. Eiche, Bezug neu H=75,5 B=58 T=61 Privatbesitz Itzehoe<br />
263 - Tisch. Eiche, B<strong>e<strong>in</strong>e</strong> verkürzt H=55,2 B=68,7 T=68,7 Privatbesitz Itzehoe<br />
264 - Tisch. Eiche, Marmorplatte H=50,5 Ø=61 Privatbesitz Itzehoe<br />
265 - Ecktisch. Eiche H=74,5 B=126 T=81,5 Privatbesitz Itzehoe<br />
266 - Kommode. Sequoia H=77,5 B=81,8 T=44,8 Privatbesitz Itzehoe<br />
267 - Kommodentisch. Eiche, Birne, H=69,8 B=79,8 T=44,5 Privatbesitz Itzehoe<br />
268 - Blumenhocker. Mahagoni, Ebenholz H=48 B=40,5 T=40,5 Privatbesitz Itzehoe<br />
268a - Entwurf zu Abb. 268. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 29,6 x 25,1 SHI<br />
269 - Blumenhocker. Mahagoni H=45,7 B=42 T=42 Privatbesitz Itzehoe<br />
270 - Wandspiegel. Ulme H=76,8 B=53,3 T=3 Privatbesitz Itzehoe<br />
271 - Zierspiegel. Mahagoni, Ebenholz, geschliffenes Glas H=25 B=18 T=1,5 Privatbesitz<br />
Kiel<br />
272 - Papierkorb. Eiche H=40,5 B=19,5 T=20,5 Privatbesitz Itzehoe<br />
273 - Entwurf für e<strong>in</strong> Bett, 12.2.1911. Ble<strong>ist</strong>ift, schwarze u. gelbe Feder/Karton 32,2 x 49,9<br />
SHI<br />
274 - Truhe. Eiche H=46 B=188 T=42 Privatbesitz Itzehoe<br />
275 - Krankenprivé. Eiche H=112,5 B=64,5 T=58 Privatbesitz Itzehoe<br />
275a - wie vor, Seitenansicht<br />
275b - Detail zu Abb. 275 a
- 392 -<br />
276 SCHLAFZIMMER FÜR ELSA BIEL, um 1912, Wäscheschrank. Birne H=199 B=119<br />
T=51 Privatbesitz Itzehoe<br />
277 - Kastenbett. Birne H=90 B=195,2 T=103 Privatbesitz<br />
278 - Wandspiegel. Birne, geschliffenes Glas H=131,4 B=62,2 T=4 Privatbesitz Itzehoe<br />
279 - Garderobenbrett. Birne H=29,9 B=60,7 T=23,5 Privatbesitz Itzehoe<br />
280 Entwürfe für Stoffmuster, um 1906. Ble<strong>ist</strong>ift/Karopapier 17,2 x 9,6 SHI<br />
281 Entwurf für e<strong>in</strong> Stoffmuster, um 1906. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder/Karopapier 10 x 9,1 SHI<br />
282 Entwurf für e<strong>in</strong> Stoffmuster, um 1906. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder, Aquarell/Karopapier 15 x 10,1<br />
SHI<br />
283 Entwurf für e<strong>in</strong> Stoffmuster, 1906. Tempera/Karopapier 10,3 x 11,1 SHLM<br />
284 wie vor 15,5 x 10,8<br />
285 wie vor 13,6 x 19<br />
286 Entwurf für e<strong>in</strong> Textilornament, 1913. Feder/Karton 32,3 x 25 SHLM<br />
287 Entwurf für Textilornamente, um 1913. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder/Karton 32,3 x 24,7 SHLM<br />
288 Entwurf für Textilornamente, 1913. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel/Papier 25,9 x 44,7 SHLM<br />
289 Entwurf für Seidenapplikation, 1914. Farbige Tusche, schwarzes Glanzpapier/Papier<br />
50,1 x 66 SHLM<br />
290 Kissenhülle, 1912. Seidenapplikation, verschollen, zeitgenössische Fotografie SHI<br />
290a Entwurf zu Abb. 290. Ble<strong>ist</strong>ift, schwarze Tusche, Tempera/Papier 50,1 x 66,1 SHLM<br />
291 Entwurf für Seidenapplikation, 1913. Schwarze <strong>und</strong> rote Tusche/Papier 33,1 x 21,9 SHI<br />
292 Tischdecke, um 1910. Seidenstickerei, verschollen, zeitgenössische Fotografie SHI<br />
293 Entwurf für Seidenstickerei, um 1910. Aquarell, Tempera/Papier 50,2 x 51,7 SHLM<br />
294 Entwurf für Seidenstickerei, 1915. Tuschp<strong>in</strong>sel/Papier 21,8 x 22,1 SHLM<br />
295 Kissenhülle, 1912. Gobel<strong>in</strong>weberei, verschollen, zeitgenössische Fotografie SHI<br />
295a Entwurf zu Abb. 295, 1912. Schwarze Tusche, Aquarell, Tempera/Millimeterpapier 53 x<br />
62,4 SHLM<br />
296 Zwei Stofftaschen, um 1914. Gobel<strong>in</strong>weberei, verschollen, zeitgenössische Fotografie<br />
SHI<br />
297 Tischdecke, 1911. L<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, Baumwolle 170 x 113 SHI<br />
298 Stoffprobe "Zackenmuster", 1911. L<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, Baumwolle 51,5 x 45,5 SHI
- 393 -<br />
299 Sessel mit Bezugstoff "Zackenmuster", um 1911. Verschollen, zeitgenössische Fotografie<br />
SHI<br />
300 Pavel Janák: Tapetenmuster, 1911. Abb. nach: Margolius 1979, S. 93<br />
301 Pavel Janák: Dosen, 1911. Abb. nach: Ausst.-Kat. Český kub<strong>ist</strong>ický <strong>in</strong>teriér 1976, Abb.<br />
128<br />
302 Pavel Janák: Kaffeeservice, 1911. Abb. nach Margolius 1979, S. 96<br />
303 Walter Gropius: Schlafwagene<strong>in</strong>richtung, Werkb<strong>und</strong>-Ausstellung Köln 1914. Abb. nach:<br />
Ausst.-Kat. Zwischen Kunst <strong>und</strong> Industrie 1975, S. 154<br />
304 Stoffbahn, "Nautilus", um 1912. L<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, Baumwolle SHI<br />
305 Fenstervorhänge, "Falkenmuster", 1914. L<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, Wolle, Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
306 Werbeblatt 10 Exlibris orig<strong>in</strong>al radiert von W. Hablik, 1913. Radierung 10 x 10 SHI<br />
307 Hängender Kuppelbau, 1918. Ble<strong>ist</strong>ift, gelb <strong>und</strong> grün laviert/Papier, auf Vorsatzkarton<br />
montiert, Karton von 1925; 24,1 x 27,9 SHI<br />
308 Vielfamilienwohnhaus, 1919. Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstifte/Karton 65,4 x 50,1 SHI<br />
309 Freitragende Kuppel, wohl 1919. Farbstifte, Aquarell/Karton 64,9 x 50,1 SHI<br />
310 Ausstellungs-Gebäude mit variiertem Licht, wohl 1919. Zeitgenössische Fotografie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r<br />
Ble<strong>ist</strong>ift- <strong>und</strong> Federzeichnung SHI<br />
311 Ausstellungsgebäude, Variante A 8, wohl 1919. Feder, Aquarell/Karton 39,6 x 32 SHI<br />
312 Ausstellungsgebäude, Variante A 9, 1920. Tuschp<strong>in</strong>sel, laviert, Aquarell/Karton 50,3 x<br />
32,6 SHI<br />
313 Ausstellungsgebäude, Variante A 11, wohl 1919. Feder, Farbstifte, Aquarell/Karton 30,1<br />
x 25,2 SHI<br />
314 Brief an die Gläserne Kette, 4.8.1920. Feder/Pergament 35,3 x 19,5 SHI<br />
315 Brief an die Gläserne Kette, wohl 4.8.1920. Feder/Pergament 33,5 x 14,7 SHI<br />
316 Bruno Taut: Monument <strong>des</strong> neuen Gesetzes, Brief an die Gläserne Kette, 23.12.1919.<br />
Lichtpause 34,5 x 22, Abb. nach: AGK, S. 78<br />
317 Bruno Taut: Vivat Stella, Brief an die Gläserne Kette, 26.12.1919. Lichtpause 30 x 25,<br />
Abb. nach: AGK, S. 79<br />
318 Wassili Luckhardt: Kultbau, Äußeres, 1919. Abb. nach: AGK, S. 93<br />
319 Wassili Luckhardt: Kultbau, Inneres, 1919. Abb. nach: AGK, S. 96<br />
320 Wassili Luckhardt: Kr<strong>ist</strong>all, 1920. Abb. nach: Ia<strong>in</strong> Boyd Whyte 1981, S. 156, Abb. 88
- 394 -<br />
321 Hans Luckhardt: Skizze <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>riß zum Konzertsaal, 1920. Brief mit hektographierten<br />
Zeichnungen 33 x 21, Abb. nach: AGK, S. 95<br />
322 Hans Scharoun: ohne Titel, 1920. Aquarell, Abb. nach: AGK, S. 99<br />
323 Hans Scharoun: ohne Titel, 1920. Federzeichnung 21,5 x 26,5 Abb. nach: AGK, S. 102<br />
324 Carl Krayl: Kosmischer Bau, 1920. Abb. nach: Whyte 1981, S. 156, Abb. 89<br />
325 Carl Krayl: Das strahlende Haus zur Schaukel, 1920. Abb. nach: AGK, S. 116<br />
326 Max Taut: ohne Titel, 1920. Lichtpause 20 x 22 SHI<br />
327 Max Taut: Betonhallen, 1919. Lichtpause 20 x 17 SHI<br />
328 Wilhelm Brückmann: ohne Titel, um 1920. Abb. nach: AGK, S. 135<br />
329 Paul Goesch: Rathaus, 1921. Aquarell 16,2 x 20,8 Privatbesitz, Abb. nach: Ausst.-Kat.<br />
Arbeitsrat 1980, Farbtafel nach S. 144<br />
330 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>: Traum aus Glas, 1920. Abb. nach: Whyte 1981, S. 164, Abb. 100<br />
331 Hermann F<strong>in</strong>sterl<strong>in</strong>: Wahlhallen, 1920. Abb. nach: Whyte 1981, S. 164, Abb. 102<br />
332 Bearbeitete Berge <strong>in</strong>nen <strong>und</strong> außen, 1920. Feder/Pergament, auf Vorsatzkarton montiert<br />
27,3 x 31,2 SHI<br />
333 Bearbeitete <strong>und</strong> bebaute Berge aus den Studien von 1903, 1920. Feder, Aquarell/Pergament,<br />
auf Vorsatzkarton montiert, Karton von 1925; 33,7 x 35,3 SHI<br />
334 Fels<strong>in</strong>sel, gänzlich bearbeitet <strong>und</strong> bebaut, 1920. Feder/Pergament, auf Vorsatzkarton<br />
montiert, Karton von 1925; 32,6 x 34,5 SHI<br />
335 Bebaute Bergspitzen, 1920. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel/Papier, auf Vorsatzkarton montiert, Karton<br />
von 1925; 30,5 x 26,2 SHI<br />
336 Nicht der Wunsch zu "imponieren", sondern die Ahnung kommender größter Lust am<br />
Bauen der Völker - künden diese ersten Zeichen, 1920. Feder/Pergament, auf Vorsatzkarton<br />
montiert, Karton von 1925; 39,2 x 38 SHI<br />
337 Bergspitzen, 1920. Feder/Pergament, auf Vorsatzkarton montiert 23,9 x 33,5 SHI<br />
338 Bergspitzen, Alp<strong>in</strong>e Architektur, 1920. Feder/Pergament, auf Vorsatzkarton montiert 27,8<br />
x 37 SHI<br />
339 "Ziele" für die Jugend, natürliche <strong>und</strong> künstliche Vegetationen, 1920. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel/<br />
Pergament, auf Vorsatzkarton montiert 42,5 x 60,4 SHI<br />
340 Blumengrüße aus der neuen Welt, farbige Glashäuser, 1920. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder/Pergament,<br />
auf Vorsatzkarton montiert 30,6 x 24,3 SHI
- 395 -<br />
341 Drei Fragen, 1920. Feder/Pergament, auf Vorsatzkarton montiert 28 x 21,1 SHI<br />
342 Da wohnten Menschen auf kr<strong>ist</strong>allnen Bäumen, 1920. Feder/Pergament, auf Vorsatzkarton<br />
montiert, Karton von 1925; 37,7 x 22,7 SHI<br />
342a Studie zu Abb. 342, Direktor Jessen gezeigt, 1920. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 20,4 x 34,5 SHI<br />
343 Klippen-Blitz-Feuer-Türme aus Glas, 1920. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel, Aquarell/Karton 65 x<br />
50,1 SHI<br />
343a Studie zu Abb. 343, die erstarrten Gewitterblitze als Symbole für die Kr<strong>ist</strong>allbauten,<br />
1920. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 34,3 x 20,4 SHI<br />
344 Siedelung im Schwarzwald oder <strong>in</strong> der Heide, 1920. Feder, Aquarell/Karton 64,2 x 49,2<br />
SHI<br />
345 Aus der neuen Stadt, 1920. Feder/Pergament, auf Vorsatzkarton montiert, Karton von<br />
1925; 26 x 27 SHI<br />
345a Studie zu Abb. 345, Glaskuppeln, das Erdbeben, Glasblumen, 1920. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 34,4<br />
x 20,4 SHI<br />
346 Szepterquarz, 1920. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 34,2 x 20,1 SHI<br />
347 Szepterquarze, Eisenbeton <strong>und</strong> Glas, 1920. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 20,5 x 34,4 SHI<br />
348 Kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Voluten, um 1920. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 30 x 32,1 SHI<br />
349 Hochschule für M<strong>in</strong>eralogie im Gebirge, 1920. Feder, Aquarell/Pergament, auf Vorsatzkarton<br />
montiert, Karton von 1925; 29 x 32,1 SHI<br />
349a Studien zu Abb. 349, 1920. Feder/Karton 34 x 48 SHI<br />
350 Museum im Hochgebirge, 1920. Feder, Aquarell/Karton 60,6 x 45,3 SHI<br />
351 Ausstellungsgebäude, 1920. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel, Pastell, Aquarell/Pergament, auf Vorsatzkarton<br />
montiert, Karton von 1925; 33,1 x 45,5 SHI<br />
352 Künstler-Gelehrtenheim <strong>in</strong> den Dünen auf Sylt gedacht, 1920. Blaupause 33,2 x 21 SHI<br />
353 Gelehrtenheim <strong>in</strong> den Dünen, Verso zu Abb. 352<br />
354 Vladimir Tatl<strong>in</strong>: Modell für das Monument der Dritten Internationale, Petrograd 1919/20.<br />
Abb. nach: Ausst.-Kat. Dreams 1983, S. 57<br />
355 Virgilio Marchi: Futur<strong>ist</strong>ische Stadt. Bauwerk für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Piazza, 1919. Tempera/Papier 160<br />
x 125 Sammlung Marchi, Rom. Abb. nach: Ausst.-Kat. Dreams 1983, S. 45<br />
356 Das "Technische Gebirge", 1920. Tuschp<strong>in</strong>sel, Aquarell/Karton 64,4 x 47,5 SHI<br />
357 Freitragender, selbstspannender Kuppelbau, 1920. Feder/Karton 10,6 x 14,9 SHI<br />
358 Schnitt durch den Kuppelbau, 1920. Feder/Karton 10,2 x 14,8 SHI
- 396 -<br />
358 Studie zu Abb. 358, die Halle der 7 W<strong>und</strong>er, um 1920. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 32,4 x 20,9 SHI<br />
359 Für die "Erhebung", 1920. T<strong>in</strong>tenstift/Papier 12,2 x 21 SHI<br />
360 Kugelbau, 1920. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 12,2 x 21 SHI<br />
361 Kugelbau, 1920. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 12,4 x 20 SHI<br />
362 Etienne-Louis Boullée: Aufriß <strong>und</strong> Schnitt zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Kenotaph für Isaac Newton, 1784.<br />
Abb. nach: Vogt 1978, S. 25, Abb. 9/10<br />
363 Pagodenartiger R<strong>und</strong>bau, 1920. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 21 x 12 SHI<br />
364 Pagodenartiger R<strong>und</strong>bau, 1920. Ble<strong>ist</strong>ift, T<strong>in</strong>tenstift/Papier 21 x 12,2 SHI<br />
365 Siebenstöckiger Turm, Eisen - Glas, 1920. T<strong>in</strong>tenstift/Papier 20 x 11,2 SHI<br />
366 Pagodenartiger R<strong>und</strong>bau, 1920. T<strong>in</strong>tenstift/Papier 20,7 x 11 beschnitten, SHI<br />
367 Shwe-Dagon-Pagode, Rangun, Birma, 1857 (im Stil <strong>des</strong> 13. Jahrh<strong>und</strong>erts). Abb. nach:<br />
Diez 1964, Abb. 58<br />
368 Triumph der Gesetze (Festbauten), 1920. Tuschp<strong>in</strong>sel, laviert/Pergament, auf Vorsatzkarton<br />
montiert 26,7 x 21,4 SHI<br />
369 Triumph der Gesetze, "Festbauten", 1920. Tuschp<strong>in</strong>sel, Pastell, Aquarell/Karton 64,4 x<br />
49,2 SHI<br />
370 Wismut. Große Kr<strong>ist</strong>allstufe aus dem Verhüttungsprozeß, angekauft um 1920, H=4 L=12<br />
SHI<br />
371 Kr<strong>ist</strong>allobjekte, um 1920. Gipsrose, Flußspat mit Quarz, Bergkr<strong>ist</strong>all, Mess<strong>in</strong>gständer<br />
H=20 SHI<br />
372 Kr<strong>ist</strong>allobjekt, 1920er Jahre. Kalkspate, Mess<strong>in</strong>gständer H=24,5 SHI<br />
373 Kr<strong>ist</strong>allobjekt, 1920er Jahre. Amethyst, Bergkr<strong>ist</strong>all, Mess<strong>in</strong>gständer H=10 B=14,5 SHI<br />
374 Cyklus Ausstellungs-Bauten "Würfel" (Kalkspat), 1921. Tuschp<strong>in</strong>sel, Aquarell/Karton<br />
64,3 x 49,1 SHI<br />
375 Cyklus Ausstellungs-Bauten "Würfel" (Kalkspat), Variante 5, A 11, 1920. Tuschp<strong>in</strong>sel,<br />
Aquarell/Karton 64,4 x 49,2 SHI<br />
376 Cyklus Ausstellungs-Bauten "Würfel" (Flußspat) 1921. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel,<br />
Aquarell/Karton 62 x 47,5 SHI<br />
377 Glas aus Erde, 1921. Holzschnitt, mit der Masch<strong>in</strong>e gedruckt, <strong>in</strong>: Dithmarschen, 1. Jg.,<br />
12. Heft, Büsum 1921, S. 247<br />
378 Wohnhaus <strong>in</strong> der Heide, 1922. Holzschnitt, wie vor, <strong>in</strong>: Dithmarschen, 2. Jg., 8. Heft,<br />
Büsum 1922, S. 151<br />
379 Glas aus Erde, 1921. Holzschnitt, wie vor, <strong>in</strong>: Dithmarschen, 2. Jg., 1. Heft, Büsum 1921,<br />
S. 19<br />
380 Gebirgsland, 1921. Öl/Le<strong>in</strong>wand 121,5 x 195 Privatbesitz Lübeck<br />
381 Robert Delaunay: Portugies<strong>in</strong>, 1916. Abb. nach: Vriesen/Imdahl 1967, Tf. 15
- 397 -<br />
382 Flugzeugtürme, Sylos, Künstlerwohnungen, 1921. Öl/Le<strong>in</strong>wand 95 x 190,5 SHI<br />
383 Dom-Inneres, Festhalle - Gondelkanal - Wasserkünste - leuchtende Gasglasballons, 1921.<br />
Öl/Le<strong>in</strong>wand 131 x 95 SHI<br />
383a Studie zu Abb. 383, 1921. Schwarzer Farbstift/Karton 28,1 x 29,8 SHI<br />
383b wie vor, Ble<strong>ist</strong>ift, Aquarell/Papier 28,2 x 18,8 SHI<br />
384 Robert Delaunay: Sa<strong>in</strong>t-Séver<strong>in</strong>, 1908. Abb. nach: Vriesen/Imdahl 1967, nach S. 18<br />
385 Wassili Luckhardt: Landhaus, außen <strong>und</strong> <strong>in</strong>nen, 1920. Abb. nach: Ruf zum Bauen 1920,<br />
Abb. 38, 40<br />
386 Max Taut: Blütenhaus, 1921. Ble<strong>ist</strong>ift, Aquarell/Karton 36 x 22 Akademie der Künste,<br />
Berl<strong>in</strong>. Abb. nach: Ausst.-Kat. Max Taut 1984, S. 67<br />
387 Konstruktions-Schema <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r R<strong>in</strong>gseite für größere Kuppelspannweiten, um 1922. Ble<strong>ist</strong>ift,<br />
Feder/Papier 21 x 33 SHI<br />
388 Studien zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Turmkonstruktion, um 1922. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 32,9 x 21 SHI<br />
389 wie vor, 29,5 x 22,5<br />
390 Kuppelbau mit Portalstudie, um 1922. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 24,1 x 27,7 SHI<br />
391 Hans Scharoun: Tor <strong>und</strong> Tür, 1919. Graphit, Aquarell, Akademie der Künste, Berl<strong>in</strong>,<br />
Abb. nach: Pehnt 1985, S. 44<br />
392 Kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Türme auf Bergplateau, um 1922 (?). Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 27,9 x 24,1 SHI<br />
393 Seitlich gedrückte Kuppel-Blume, um 1922. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 21,4 x 13,4 SHI<br />
394 Kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e <strong>und</strong> stereometrische Studien, um 1922. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 30 x 32,1 SHI<br />
395 Zackenkuppel am Wasser, um 1922. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 31,5 x 32,2 SHI<br />
396 Zwei Turmbauten, um 1922. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 24,1 x 27,9 SHI<br />
397 Dom K 5, freitragende Kuppel aus Glas auf 5 Bergspitzen ruhend, 1922. Abb. nach:<br />
Oskar Beyer (Hrsg.) 1923, S. 64<br />
398 D.K. 8, 1922. Feder, Aquarell/Papier 17,3 x 22,5 SHI<br />
398a Diese Skizze <strong>ist</strong> streng vertraulich zu behandeln, 1922. Ble<strong>ist</strong>ift/ Pergament 26 x 20 SHI<br />
398b Zu dem Aufsatz "Dombaugedanken", Jahrbuch "Die Schöpfung", Dom im offenen Meer,<br />
1922. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel, Aquarell/Papier 65 x 50,1 SHI<br />
399 Neue Dome, 1922. Tuschp<strong>in</strong>sel, Aquarell/Pergament, auf Vorsatzkarton montiert, Karton<br />
von 1925; 21,8 x 21 SHI<br />
400 Domgedanken, um 1923. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 27,6 x 21 SHI
- 398 -<br />
401 Freitragende Kuppel mit fünf Bergspitzen als Basis, 1924. Öl/ Le<strong>in</strong>wand 169 x 191,5 SHI<br />
402 Paul Klee: Revolution <strong>des</strong> Viaduktes, 1937. Öl/Le<strong>in</strong>wand 60 x 50 Hamburger Kunsthalle<br />
403 Hans Scharoun: Volkshaus, 1919. Abb. nach: Whyte 1985, S. 165, Abb. 103<br />
404 Offene Hallen-Geschosse, 1923. Ble<strong>ist</strong>ift, schwarzer <strong>und</strong> roter Tuschp<strong>in</strong>sel/brauner Karton<br />
24,8 x 28,9 SHI<br />
405 Freie Gliederung der Variante 11 <strong>in</strong> größten Ausmaßen, 1923. Ble<strong>ist</strong>ift, Aquarell/Karton<br />
27,8 x 24,1 SHI<br />
406 Hochhäuser, 1923. Ble<strong>ist</strong>ift, Aquarell/Karton 24,1 x 27,9 SHI<br />
407 Turmkonstruktion <strong>und</strong> Kr<strong>ist</strong>allstudien, um 1923. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder/Pergament 32,4 x 29,7<br />
SHI<br />
408 Studie zum "Weg <strong>des</strong> Genius", um 1923. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier, Seite <strong>in</strong> <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Skizzenbuch:<br />
W/Sn 23, S. 194 32,3 x 20,7 SHI<br />
409 Gebirgsschluchten mit Kr<strong>ist</strong>allbauten, 1923. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 21,9 x 14,9 SHI<br />
410 Kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>e Brückenbauten, um 1923. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 14,5 x 21,9 SHI<br />
411 Kr<strong>ist</strong>all<strong>in</strong>es Gewölbe über Kanal, um 1923. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 32,6 x 24,8 SHI<br />
412 Kr<strong>ist</strong>allschichtungen, um 1923. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 23,9 x 31,5 SHI<br />
413 Hornförmiges Kr<strong>ist</strong>allgebilde, um 1923. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 24,1 x 27,9 SHI<br />
414 Turmbau <strong>in</strong> Terrassenlandschaft, um 1923. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 21,9 x 13,9 SHI<br />
415 Technische Hochschule, 1923 (?). Tuschp<strong>in</strong>sel, Aquarell/Karton 47,5 x 61,7 SHI<br />
415a Bergkr<strong>ist</strong>all L=11 SHI<br />
416 Sternwarte, Hochschule für Himmels- <strong>und</strong> Licht-Luft-Wissenschaften, 1923. Tuschp<strong>in</strong>sel,<br />
Aquarell/Karton 49,4 x 64,2 SHI<br />
416a Kr<strong>ist</strong>allgruppe, mit Knetmasse montiert, Quarze H=10,5 SHI<br />
417 Insel-Bauten, 1924. Tuschp<strong>in</strong>sel, Aquarell/Karton 50,1 x 65,2 SHI<br />
418 Nordisches Glashaus <strong>und</strong> Siedelungen, 1923/24. Tuschp<strong>in</strong>sel, Aquarell/Karton 50,1 x<br />
65,2 SHI<br />
419 Max Gerntke: Wettbewerb für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Heldengedächtnishalle <strong>in</strong> Ohlsdorf, Entwurf "Unser<br />
Weg", 1921. Abb. nach: Baur<strong>und</strong>schau 1921, S. 231<br />
420 Wassili Luckhardt, Rudolf Bell<strong>in</strong>g: Reklamebau an der Berl<strong>in</strong>er Avus, 1922/23. Abb.<br />
nach: Whyte 1981, S. 178 Abb. 111<br />
421 Albulabahn, Lunapark, Berl<strong>in</strong>-Halensee, 1920. Abb. nach: Whyte, 1981, S. 179, Abb. 112
- 399 -<br />
422 Gläserner See, Lunapark, Berl<strong>in</strong>-Halensee, 192l. Abb. nach: Whyte 1981, S. 179, Abb.<br />
113<br />
423 Mietshaus, Hamburg, Hudtwalcker Str. 28, 1926. Eigene Aufnahme 1986<br />
424 R. Friedmann: Mietshaus, Hamburg, Maria-Luisen-Str. 120, 1924/28. Eigene Aufnahme<br />
1986<br />
425 Wie vor, Detail: Verandastützen<br />
426 ESSZIMMER FÜR KARL HEINRICH FRESE, MELDORF, um 1920, Büfett.<br />
Eiche, Mooreiche H=205 B=160 T=66 Privatbesitz Uetersen<br />
426a - Entwurf zu Abb. 426. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 29 x 22 Privatbesitz Kiel<br />
427 - Eßtisch. Eiche, Mooreiche, Ebenholz H=78,5 B=132 T=100,5 Privatbesitz Uetersen<br />
428 - Sessel. Eiche, Lederbezug neu H=102 B=62,5 T=60,5 Privatbesitz Uetersen<br />
429 ESSZIMMER UND ANDERE MÖBEL FÜR EMIL FRESE, UETERSEN, 1910/11,<br />
1915-20, Büfett um 1920. Eiche, Mooreiche, Ebenholz, geschliffenes Glas H=183 B=324<br />
T=71, rechts verkürzt, Privatbesitz Lütjenbrode<br />
430 - Eßtisch, um 1920. Eiche, Mooreiche H=78 B=200 T=119,5 Privatbesitz Lütjenbrode<br />
430a- wie vor, Ansicht Stirnseite<br />
430b - Entwurf zu Abb. 430, leicht verändert, um 1920. Ble<strong>ist</strong>ift/Pergament 19,6 x 27 SHI<br />
430c - Detailentwürfe zu Abb. 430, um 1920. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder/Pergament 33,8 x 40,3 SHI<br />
430d - Zarge für Tisch Frese, 1920 (Detailentwurf zu Abb. 430). Ble<strong>ist</strong>ift, Feder/Pergament<br />
28,1 x 23,6 SHI<br />
431 - Sitzbank, um 1920. Eiche H=96,5 B=161 T=55,5 Privatbesitz Lütjenbrode<br />
431a - wie vor, Rückansicht<br />
431b - Übersicht: Eßtisch-Sitzgruppe<br />
432 - Spieltisch, um 1920. Eiche, Mooreiche, Ebenholz H= 78,5 B=69,5 T=69,5 Privatbesitz<br />
Lütjenbrode<br />
433 - Stuhl zum Spieltisch (vgl. Abb. 432) um 1920. Eiche H=100 B=60 T=72 Privatbesitz<br />
Lütjenbrode<br />
433a - wie vor, Seitenansicht<br />
433b - Übersicht: Spieltisch-Sitzgruppe<br />
433c - Entwurf zur Spieltisch-Sitzgruppe, um 1920. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel, laviert/Karton 41,3 x<br />
31,5 SHI<br />
434 - Sessel, 1910. Eiche, Lederbezug neu H=134 B=78,5 T=134 Privatbesitz Uetersen
- 400 -<br />
435 ESSZIMMER UND ANDERE MÖBEL FÜR EMIL FRESE, UETERSEN, Lehnstuhl,<br />
1910. Eiche, Lederbezug neu H=83,5 B=68,5 T=67 Privatbesitz Uetersen<br />
436 - Ledersessel, um 1920. Eiche, Lederbezug neu H=94 B=82 T=80 Privatbesitz Uetersen<br />
436a - Entwurf zu Abb. 436, um 1920. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 21,3 x 14,1 SHI<br />
437 - Wanduhr, 1915-17. Mahagoni, Ebenholz H=100 B=46,5 T=28 Privatbesitz Uetersen<br />
438 - Tür, um 1919. Eiche, Privatbesitz Uetersen<br />
439 - Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Schlafraums für drei K<strong>in</strong>der, um 1919. Feder, Aquarell, Goldbronze/Karton<br />
32,6 x 49,9 SHI<br />
440 - Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Dachstube, um 1919. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 31,2 x 25,2 SHI<br />
441 - Bett <strong>in</strong> der Dachstube, um 1919. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 24,2 x 30,1 SHI<br />
442 - Waschtisch <strong>in</strong> der Dachstube, um 1919. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 26,6 x 31 SHI<br />
443 INNENDEKORATION UND MOBILIAR FÜR LOUIS FRESE, BLANKENESE<br />
BEI HAMBURG, 1919/20. Gr<strong>und</strong>riß für den Umbau <strong>des</strong> Hauses, 1919. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder,<br />
roter Tuschp<strong>in</strong>sel/Millimeterpapier 38 x 27,6 SHI<br />
444 - Zimmer der Tochter <strong>des</strong> Hauses, 1919. Feder, farbige Tuschen, Goldbronze/Karton 32,5<br />
x 50 SHI<br />
445 - Raumecke mit Sofa, 1919. Feder, farbige Tuschen, Goldbronze/Karton 32,6 x 49,8 SHI<br />
446 - Zimmer der Frau, 1919. Feder, farbige Tuschen, Goldbronze/Karton 32,6 x 49,9 SHI<br />
447 - Zimmer der Tochter, 1919. Feder, laviert, Goldbronze/Karton 32,5 x 40,9 SHI<br />
448 - Ecke im Salon, 1919. Farbige Tuschen/Karton 32 x 47 SHI<br />
449 - Ziertisch, 1919. Farbige Tuschen/Karton 20 x 22,5 SHI<br />
450 - Salontisch, 1919. Farbige Tuschen, Goldbronze/Karton 23,8 x 28,3 SHI<br />
451 - Sammlungsvitr<strong>in</strong>e, 1919. Farbige Tuschen/Karton 32,6 x 24,8 SHI<br />
452 - Halbschrank, 1919. Ble<strong>ist</strong>ift, farbige Tuschen/Karton 31,3 x 25,1 SHI<br />
453 - Sammlungsvitr<strong>in</strong>e, 1919. Farbige Tuschen/Karton 31,3 x 25,1 SHI<br />
454 - Sammlungsvitr<strong>in</strong>e, 1919. Feder, farbige Tuschen/Karton 32,6 x 24,7 SHI
- 401 -<br />
455 EHEM. HAUS LOUIS FRESE, BLANKENESE BEI HAMBURG, Eßzimmer 1919/<br />
20. Zustand 1985, Paneele ausgebaut <strong>und</strong> zerlegt, SHI<br />
455a - Eßzimmer zur Gartenseite, wie vor<br />
455b - Eßzimmer. Heizkörper <strong>und</strong> Paneele, wie vor<br />
455c - Eßzimmer. Tür zum Entree <strong>und</strong> Paneele, wie vor<br />
455d - wie vor<br />
456 Japanisch: Wohnzimmer <strong>des</strong> Tempels Sh<strong>in</strong>ju-an, Yamashiro. Abb. nach: Taut 1924,<br />
Abb. 20<br />
457 Japanisch: Raum <strong>des</strong> Sh<strong>in</strong>den von Sanbo<strong>in</strong>, Daigoji. Abb. nach: Taut 1924, Abb. 19<br />
458 INNENDEKORATION UND MOBILIAR FÜR LOUIS FRESE, BLANKENESE<br />
BEI HAMBURG, 1919/20. Eßzimmer, Tisch mit Stühlen <strong>und</strong> Büfett, um 1920. Zeitgenössische<br />
Aufnahme, Privatbesitz Hanstedt<br />
459 - Sofa, um 1920. Mahagoni, Kirsche H=91 B=140 T=63,5 Privatbesitz Hanstedt<br />
460 - Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Büfett, um 1920. Mahagoni, Paduk, Ebenholz, Teak, Schlangenholz, Perlmutte<strong>in</strong>lagen,<br />
geschliffenes Glas H=215 B=104,5 T=63 Privatbesitz Hanstedt<br />
460a - Entwurf zu Abb. 460, 1919. Farbige Tuschen, Karton 32,4 x 34,2 Städtisches Museum<br />
Flensburg<br />
460b - Detail zu Abb. 460, l<strong>in</strong>ke Seitenwand<br />
460c - wie vor, Anrichtefläche <strong>und</strong> Aufsatzstütze<br />
461 - Eßzimmerstuhl, um 1920. Eiche, Bezüge neu, H=83 B=57 T=55,5 Privatbesitz Hanstedt<br />
462 Richard Riemerschmid: Armlehnstuhl, um 1900. Abb. nach: Wichmann 1984, Abb. 242<br />
463 Hugh Baillie-Scott: Armlehnstuhl, um 1900. Abb. nach: Wichmann 1984, Abb. 244<br />
464 Koloman Moser (zugeschrieben): Armsessel, um 1900. Abb. nach: Wichmann 1984,<br />
Abb. 241<br />
465 INNENDEKORATION UND MOBILIAR FÜR LOUIS FRESE, BLANKENESE<br />
BEI HAMBURG, 1919/20, Spieltisch, um 1920. Rüster, Ebenholz H=72 B=78,5 T=78,5<br />
Privatbesitz Hanstedt<br />
465a - Detail zu Abb. 465<br />
466 - Zwei (ursprünglich getrennte) Vitr<strong>in</strong>en, um 1920. Rüster, geschliffenes Glas H=187<br />
B=58,5 T=59 Privatbesitz Wedel/Holst.<br />
467 - Bücherschrank, um 1920. Aufbau entfernt. Rüster H=204 B=128,5+121,5 T=59 Privatbesitz<br />
Wedel/Holst.<br />
468 He<strong>in</strong>rich Sauermann: Entwurf für e<strong>in</strong> überbautes Sofa, um 1900. Städtisches Museum<br />
Flensburg, Abb. nach: Ausst.-Kat. He<strong>in</strong>rich Sauermann 1979, S. 52
- 402 -<br />
469 Nähtisch für Carl Nicolaus Kähler, Itzehoe, um 1919. Rüster, diverse andere Hölzer<br />
H=78 B=103,5 T=57 Privatbesitz Itzehoe<br />
470 Entwurf für Nähtische, um 1919. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 23,1 x 31,4 SHI<br />
471 Doppelseitiger zweisitziger Nähtisch, um 1919. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 26,3 x 21,8 SHI<br />
472 Prunkschrank für Dr. Hans Witthöft, Tornesch, um 1919. Eiche, Ebenholz, geschliffenes<br />
Glas H=190 B=150,5 T=62,5 Privatbesitz Buxtehude<br />
473 MÖBEL FÜR BANKDIREKTOR HORMANN, AHRENSBURG, um 1920/21,<br />
Sammlungsschrank. Teakholz, <strong>in</strong> zwei Teilen H=200+129,5 B=76 T=56 Privatbesitz<br />
Ahrensburg<br />
474 - Eßzimmerstuhl, 1921. Eiche, Rüster H=103,5 B=48 T=48,5 Privatbesitz Ahrensburg<br />
474a - wie vor, Seitenansicht<br />
474b - Entwurf zu Abb. 474 sowie für den zugehörigen Eßtisch, 1921. Feder <strong>in</strong> roter <strong>und</strong><br />
schwarzer Tusche/Millimeterpapier 44,9 x 33,9 SHI<br />
475 Adolf Loos: Wohnung Wilhelm <strong>und</strong> Martha Hirsch, Pilsen, 1907/08. Abb. nach Ruksch<br />
cio/Schachel 1982, S. 450<br />
476 Adolf Loos: Schneidersalon Kniže, Wien, 1910-13. Abb. nach: Rukschcio/Schachel<br />
1982, S. 483<br />
477 Ferd<strong>in</strong>and Avenarius: Büfett, vor 1906. Angefertigt <strong>in</strong> den Werkstätten für deutschen<br />
Hausrat (Theophil Müller). Abb. nach: Klopfer 1906, Abb. 6.<br />
478 Josef Gočár: Inneres <strong>des</strong> Warenhauses Wenke <strong>in</strong> Jaroměř, 1909/10. Abb. nach: Margolius<br />
1979, S. 37<br />
479 Vlastislav Hofman: Stuhl für den Bildhauer J. Mařatka, 1911/12. Abb. nach: Burkhardt/<br />
Lamarová 1982, S. 171, Abb. 183<br />
480 Josef Gočár: Büfett für die eigene Wohnung, 1912/13. Abb. nach: Burkhardt/Lamarová<br />
1982, S. 156, Abb. 164<br />
481 Pavel Janák: Frisiertoilette, 1912/14. Abb. nach: Český kub<strong>ist</strong>ický <strong>in</strong>teriér 1976, S. 58,<br />
Abb. 27<br />
482 Eßzimmer für Emil Frese, Uetersen, 1923. Zeitgenössische Aufnahme SHI<br />
483 Deckenlampe für Haus Louis Frese, Blankenese bei Hamburg, um 1920. Mess<strong>in</strong>g, Mattglas<br />
H=52 B=36 Privatbesitz Hanstedt<br />
484 Wie vor<br />
485 Vitr<strong>in</strong>e für Dr. Häberl<strong>in</strong>, um 1918. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 16,5 x 18,9 SHI<br />
486 Deckenlampe für Carl Ste<strong>in</strong>, Itzehoe, um 1924. Mess<strong>in</strong>g, weißes Mattglas H=15,2<br />
Ø=61,2 SHI<br />
487 Tischlampe für Bankdirektor Hormann, Ahrensburg, um 1923. Mess<strong>in</strong>g, gelbes <strong>und</strong><br />
weißes Mattglas H=52 B=22,5 Privatbesitz Ahrensburg
- 403 -<br />
488 Empfangsraum Tapetengroßhandlung Adolf Soetje, Itzehoe, um 1924. Prospektabbildung,<br />
Deutsches Tapetenmuseum, Kassel<br />
489 Wand mit Hablik-Tapete, um 1924. Prospektabbildung, Deutsches Tapetenmuseum,<br />
Kassel<br />
490 Wie vor<br />
491 Tapetenentwurf "Zackentapete", um 1919. Aquarell, Tempera, Silberbronze/Papier 38 x<br />
58,3 SHI<br />
492 Tapete, "Zackentapete", um 1919. Wandfest verklebt, SHI<br />
493 Tapetenrest, "Zackentapete", um 1919. 25,6 x 24,4 Deutsches Tapetenmuseum, Kassel<br />
494 Treppenaufgang im Hause Carl Ste<strong>in</strong>, um 1924. Prospektabbildung, Deutsches Tapetenmuseum,<br />
Kassel<br />
495 Tapetenrolle, "Wolken-Tulpen-Tapete", um 1919. B=58,9 SHI<br />
496 Salon im Hause Carl Ste<strong>in</strong>, Spieltisch-Sitzgruppe, um 1920. Prospektabbildung SHI<br />
496a Tapetenrest (vgl. Abb. 496), um 1919. 25 x 24,4 Deutsches Tapetenmuseum, Kassel<br />
497 INNENDEKORATIONEN UND MÖBEL FÜR CARL STEIN, ITZEHOE, um<br />
1920, Spieltisch. Birne, Ahorn, Eiche u.a., Ebenholz H =70,5 B=90 T=90 SHI<br />
498 - Sessel zum Spieltisch (vgl. Abb. 497). Eiche, Bezüge neu H=76,5 B=64,5 T=63 SHI<br />
499 - Salon, Sitzgruppe. Prospektabbildung SHI<br />
500 - Eßzimmer mit Tapete, Lampe <strong>und</strong> Nähtisch (rechts) nach dem Entwurf von Wenzel<br />
Hablik. Zeitgenössische Fotografie SHI<br />
501 - Schrank. Eiche, Rüster H=158,2 B=114,8 T=45,4 Privatbesitz Itzehoe<br />
502 - Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Wanduhr für Carl Ste<strong>in</strong>, 1922. Ble<strong>ist</strong>ift/Pergament 20,9 x 26 SHI<br />
503 Walter Würzbach, Rudolf Bell<strong>in</strong>g: We<strong>in</strong>restaurant, Scala-Palast, Berl<strong>in</strong> 1920. Abb. nach:<br />
Westheim 1920, S. 366 ff.<br />
504 Wie vor<br />
505 Walter Würzbach, César Kle<strong>in</strong>, Rudolf Bell<strong>in</strong>g: Schlafzimmer im Hause Wolfgang Gurlitt,<br />
Berl<strong>in</strong>, 1921/22. Abb. nach: Wasmuths Monatshefte für Baukunst 1921/22, S. 235<br />
506 Wie vor, S. 236<br />
507 Fritz Huppers: Lampen, 1921. Ausführung Gebr. Kuball, Hamburg, Abb. nach: Baur<strong>und</strong>schau<br />
1921, S. 289<br />
508 Wiederanders, Max: Zuschauerraum im "Lustspiel-Haus", München, 1922. Abb. nach:<br />
Innendekoration 1922, S. 108<br />
509 Anonym: Sofa, 1921. Abb. nach: Innendekoration 1921, S. 160<br />
510 Dagobert Peche: Verkaufstisch im Laden der Wiener Werkstätte <strong>in</strong> Zürich, 1919. Abb.<br />
nach: Deutsche Kunst <strong>und</strong> Dekoration, Bd. XLV, 1919/20, S. 79 ff. (Tafel)
- 404 -<br />
511 Vilmos Huszar: Schlafzimmer für Cornelis Bruynzeel, 1917. Abb. nach: Taut 1924, S. 35<br />
512 Theo van Doesburg: Probe <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Farbkomposition im Innenraum, 1919. Abb. nach: De<br />
Beg<strong>in</strong>jaren van De Stijl 1982, S. 43<br />
513 Gerrit Thomas Rietveld: Haus Schröder, Utrecht, 1924. Abb. nach: Posener 1983, <strong>in</strong>:<br />
Arch+ 48, S. 24<br />
514 Gerrit Thomas Rietveld: Farbentwurf für Haus Schröder, Utrecht, 1923/24. Abb. nach:<br />
Jaffé 1967, Tf. VIII<br />
515 Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Innenraum-Bemalung, Dezember 1917. Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstifte/Karton 24,7 x<br />
32 SHI<br />
516 Wohnhaus <strong>und</strong> Atelier, 1921. Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstifte/Karton 65,1 x 50 SHI<br />
517 Frank Lloyd Wright: Unity-Temple, Oak Park, Chicago, 1906. Abb. nach: Posener 1983,<br />
<strong>in</strong>: Arch+ 48, S. 38<br />
518 Frank Lloyd Wright: Haus Robie, Oak Park, Chicago, 1909, Abb. Nach: Benevolo 1978,<br />
Bd. I, S, 299<br />
519 Jacobus J.P. Oud: Fabrik <strong>in</strong> Purmerend, 1919. Abb. nach: Wasmuths Monatshefte für<br />
Baukunst 1921/22, S. l<br />
520 Willem Mar<strong>in</strong>us Dudok: Geme<strong>in</strong><strong>des</strong>chule A.D. Boschdrift, Hilversum, 1921. Abb. nach:<br />
Wasmuths Monatshefte für Baukunst 1924, S. 91<br />
521 El Lissitzky: Der Wolkenbügel, Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Bürohochhauses für Moskau, 1924. Abb.<br />
nach: Besset 1971, Tf. 77<br />
522 Wohnhaus dreier Familien, 1921. Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstifte, Aquarell/Karton, auf Vorsatzkarton<br />
montiert, dieser von 1925; 24 x 32 SHI<br />
523 Wohnhäuser, 1922. Ble<strong>ist</strong>ift, Aquarell/Karton, auf Vorsatzkarton montiert, dieser von<br />
1925; 24 x 24,2 SHI<br />
524 Wohnhaus, um 1922. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 31,2 x 45,1 SHI<br />
525 Turmbauten, 1921. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 25 x 32,5 SHI<br />
526 Turmbau, um 1922. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 21 x 12,4 SHI<br />
527 wie vor, 21 x 12,3<br />
528/I Festsaal, 1924. Aquarell, Tempera/Karton, <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Farbe herausgeschnitten <strong>und</strong> durch Pergament<br />
ersetzt 30,9 x 40 SHI<br />
528/II Raumstudie Schlafzimmer, um 1924. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder, Tempera/Papier, auf Vorsatzkarton<br />
montiert, Karton von 1925; 24,1 x 28 SHI<br />
528aStudie zu Abb. 528/II. Ble<strong>ist</strong>ift, Tempera/Karton 22,9 x 12,9 SHI<br />
529 Schlafzimmer, um 1924. Aquarell, Tempera/Karton 25,2 x 38,3 SHI<br />
530 Schlafzimmer, um 1924, Aquarell, Tempera/Papier 32,5 x 26,1 SHI<br />
531 Kunstgewerbeschule Berl<strong>in</strong>, Künstlerfest 1920. Abb. nach: Bernoulli 1920, S. 59 f.
- 405 -<br />
532 Künstlerfest "Die Götzenpauke", Hamburg, 1921. Raumgestaltung: K.F. Schmidt, Otto<br />
Fischer-Trachau, Richard Luksch, Abb. nach: Baur<strong>und</strong>schau 1921, S. 82 f.<br />
533 wie vor<br />
534 wie vor<br />
535 Künstlerfest "Der himmlische Kreisel", Hamburg, 1922. Raumgestaltung Architekt<br />
Maetzig, Hamburg, Abb. nach: Baur<strong>und</strong>schau 1922, S. 15<br />
536 Bernhard Hoetger: Eigenes Wohnhaus, Worpswede, 1920. Abb. nach: Müller-Wulckow<br />
1920, S. 53 ff.<br />
537 Kachelofen für Gustav Frenssen, 1920. Schwarze <strong>und</strong> weiße glasierte Kacheln H=139<br />
B=75 T=48 Privatbesitz Barlt<br />
538 Saal im Hause Gustav Frenssen, Barlt, um 1921. Abb. nach: Günter Schoke 1933<br />
539 Tapetenausstellungsraum der Firma Adolf Soetje, Itzehoe, 1921. Tempera/Karton 61,3 x<br />
47,8 SHI<br />
540 RESTAURATIONSRAUM, ZENTRAL-HOTEL, ITZEHOE, 1922, Pfeilerreihen.<br />
Zeitgenössische Fotografie SHI<br />
541 - Blick zur Fensterseite. Wie vor<br />
542 - Fensterecke. Wie vor<br />
543 - Sitzecke. Wie vor<br />
544 - Sitzreihe mit Pfeilern. Aquarell, Tempera, Goldbronze/Millimeterpapier 32,5 x 44,9 SHI<br />
545 - Büfett <strong>und</strong> Vitr<strong>in</strong>en. Ble<strong>ist</strong>ift, Aquarell, Tempera, Goldbronze/Millimeterpapier 35,9 x<br />
44,8 SHI<br />
546 - Blick zur Fensterseite. Zeitgenössische Fotografie <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s verlorenen Entwurfs SHI<br />
547 - Blick zur Wandseite. Wie vor<br />
548 Contorsaal Friedrich Bölck, Bad Ol<strong>des</strong>loe, 1926. Aquarell, Tempera, Goldbronze/Papier<br />
98,8 x 148,2 SHI<br />
548a Studie zu Abb. 548. Tempera, Goldbronze/Papier 32 x 29,2 SHI<br />
549 INNENRAUMGESTALTUNG ESSZIMMER, HAUS HABLIK, ITZEHOE, um<br />
1922, Geschirrschrank, Lampe, Wand- <strong>und</strong> Deckenbemalungen. Zeitgenössische Fotografie<br />
SHI<br />
550 - Wand- <strong>und</strong> Deckenbemalungen, wie vor<br />
551 - Schreibtisch, Wand- <strong>und</strong> Deckenbemalungen, wie vor<br />
552 - Wand- <strong>und</strong> Deckenbemalungen, wie vor<br />
553 - Kachelofen, Wandbemalungen, wie vor<br />
554 - Kachelofen, Wandbemalungen, Mäanderläufer, wie vor<br />
554a - Kachelofen. Schwarze glasierte Kacheln, gehämmerte Mess<strong>in</strong>gtür H=171 B=123,5<br />
T=78 SHI<br />
555 - Mäandersofa, Ölbild, Saturndose, Wandbemalungen. Zeitgenössische Fotografie SHI
- 406 -<br />
556 Josef Hoffmann: Supraporte, Beethovenausstellung, 1902. Zeitgenössische Fotografie,<br />
Bildarchiv der österr. Nationalbibliothek, Abb. nach: Bisanz-Prakken 1980, Abb. 45<br />
556a Ohne Titel (Utopische Architekturen), 1922. Öl/Le<strong>in</strong>wand 154 x 191 SHI<br />
557 Dose <strong>in</strong> Saturnform, um 1922. Mess<strong>in</strong>g H=35 Ø=35,5 SHI<br />
558 T<strong>in</strong>tenfaß, 1922. Mess<strong>in</strong>g H=15 B=16 T=16 SHI<br />
559 Dose für Richard Biel, um 1922. Mess<strong>in</strong>g H=22,5 Ø=20 Privatbesitz Itzehoe<br />
560 Dose, um 1922. Mess<strong>in</strong>g H=20,5 SHLM<br />
561 Dose, 1922/25. Mess<strong>in</strong>g H=23,5 SHLM<br />
562 Dose, 1922/25. Verschollen, zeitgenössische Fotografie SHI<br />
563 Zuckerdose, um 1925. Silber 925 H=18 B=9,2 T=9,2 Privatbesitz Elmshorn<br />
564 Vlastislav Hofman: Deckeldose, Prag, um 1920. Kupferblech, Abb. nach: Ausst.-Kat.<br />
Český kub<strong>ist</strong>ický <strong>in</strong>teriér 1976, S. 97, Abb. 144<br />
565 Rudolf Stockar: Deckeldose, Prag, um 1920. Mess<strong>in</strong>gblech, Abb. nach: Ausst.-Kat.<br />
Česky kub<strong>ist</strong>ický <strong>in</strong>teriér 1976, S. 97, Abb. 145<br />
566 Liane Haarbrücker: Dose mit Muscheldeckel im Stil Wenzel Habliks, 1921. Mess<strong>in</strong>g,<br />
Kupfer, Muschel H=14 B=7 SHI<br />
567 Liane Haarbrücker: Dose im Stil Wenzel Habliks, 1925. Mess<strong>in</strong>g, vergoldet H=22,5 B=8<br />
T=8 SHI<br />
568 INNENDEKORATIONEN UND MÖBEL FÜR HAUS HABLIK, um 1919, Tür,<br />
Gemälde, Bett, Wandverkleidung, Tischlampe. Zeitgenössische Fotografie SHI<br />
568a - Tür. Eiche, geräuchert H=199 B=73,5 T=6 SHI<br />
569 - Bettdecke "Sternmuster", Kissen, Gemälde "Der Weg <strong>des</strong> Genius", um 1923. Zeitgenössische<br />
Fotografie SHI<br />
570 Wandbehang "Sternmuster", um 1922. L<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, Baumwolle 197 x 147,5 Privatbesitz<br />
Itzehoe<br />
571 INNENDEKORATIONEN UND MÖBEL FÜR HAUS HABLIK, um 1919, Tür zum<br />
Obergeschoß<br />
572 - Treppengeländer<br />
573 - Schlafzimmer. Betten, Mäander- <strong>und</strong> Sternmuster-Decken, Mäanderläufer, Blumenbilder,<br />
zeitgenössische Fotografie SHI<br />
574 - Geschirrschrank. Eiche, Ebenholz H=200 B=130 T=48 SHI<br />
575 Geschirrschrank für Martha Trautwe<strong>in</strong>, geb. L<strong>in</strong>demann, Elmshorn, um 1919. Eiche<br />
H=199 B=47,3 T=129,5 Privatbesitz Elmshorn<br />
576 INNENDEKORATIONEN UND MÖBEL FÜR HAUS HABLIK, um 1919, Eßzimmerstuhl.<br />
Eiche H=87,5 B=59 T=60 SHI<br />
576a - wie vor, Seitenansicht<br />
576b - Detail zu Abb. 576
- 407 -<br />
577 - Bücher- <strong>und</strong> Sammlungsschrank. Eiche, geräuchert H=201 B=292,6 T=68 SHI<br />
578 - Bücher- <strong>und</strong> Sammlungsschrank. Eiche, geräuchert H=201 B=205 T=61,5 SHI<br />
579 - Schreibtisch für Wenzel Hablik. Eiche, Ebenholz H=79,5 B=240 T=93 SHI<br />
580 - Sammlungsvitr<strong>in</strong>e. Eiche, geräuchert H=181,5 B=70 T=70 SHI<br />
581 - Küchenschrank. Kiefer H=195 B=123 T=59 SHI<br />
582 - Stuhl. Kiefer, lackiert H=72 B=50 T=50,5 SHI<br />
583 - Stuhl. Eiche, handgewebter Bezug H=110 B=51 T=55 SHI<br />
584 - Bücherbord. Kiefer, gebeizt H=79,5 B=208,5 T=29,2 SHI<br />
585 ZYKLUS ARCHITEKTUR, 1925. Radierungen von trapezförmigen Platten 20 x 25,5<br />
oder 25,5 x 20, im Papierumschlag, mit separatem Vorwort <strong>in</strong> Buchdruck: Völker der<br />
Erde! Nationen! Stämme! Geschlechter! Blatt l, Wohnhaus<br />
586 - Blatt 2, Würfelbauten im Grand Canyon<br />
587 - Blatt 3, Grand Canyon Bauten<br />
588 - Blatt 4, Canyonbauten<br />
589 - Blatt 5, Canyonbauten<br />
590 - Blatt 6, Hochhäuser, Hafenbauten<br />
591 - Blatt 7, Kuppelvariante<br />
592 - Blatt 8, Wohnhaus <strong>und</strong> Atelier<br />
593 - Blatt 9, Dom <strong>in</strong> der Wüste Sahara<br />
594 - Blatt 10, Weltschule für das Werk von Menschenhand<br />
595 - Blatt 11, Freitragende Konstruktion, über fünf Bergspitzen erbaut<br />
596 - Blatt 12, Hängende Kuppel<br />
597 - Blatt 13, Fels<strong>in</strong>sel<br />
598 - Blatt 14, Gebirgssiedelung<br />
599 - Blatt 15, Museum im Hochgebirge<br />
600 - Blatt 16, Berg-Dom<br />
601 - Blatt 17, Kr<strong>ist</strong>allbaum<br />
602 - Blatt 18, Glas-Eisenhaus im Meere<br />
603 - Blatt 19, Fliegende Siedelung<br />
604 - Blatt 20, Entdecker-Siedelung<br />
605 Kissenhülle, um 1919. Seidenstickerei, verschollen, zeitgenössische Fotografie SHI<br />
606 wie vor<br />
607 wie vor<br />
607a Entwurf zu Abb. 607. Rote Feder, Tempera/Papier 21,8 x 28,7 SHLM
- 408 -<br />
608 Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Kissenhülle, um 1919. Rote Feder, Tempera/Papier 22 x 28,7 SHI<br />
609 wie vor, 22 x 28,8<br />
610 wie vor, 22 x 28,2<br />
611 wie vor, 28,8 x 22<br />
612 wie vor, 22 x 28,8<br />
613 A.W.R. Weismann: Kissen für e<strong>in</strong> Damenzimmer, 1920. Abb. nach: Deutsche Kunst <strong>und</strong><br />
Dekoration, Bd. XLVI, 1920, S. 83<br />
614 Jacquardstoff "Mäandermotiv", 1922. Abb. nach: Werkstattkatalog 1952<br />
615 Tischläufer, um 1922. L<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, Baumwolle 108 x 46 Privatbesitz Kiel<br />
616 Jacquardstoff "Geschlossener Mäander", um 1922. Abb. nach: Werkstattkatalog 1952<br />
617 Decke, um 1922. L<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, Baumwolle 50,5 x 130 Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
617a Sessel mit Bezugsstoff "Mäanderband". Verschollen, Abb. nach: Werkstattkatalog um<br />
1930<br />
618 Stoffbahn (als Wandbehang), um 1922. L<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, Baumwolle 167 x 56,5 Privatbesitz Elmshorn<br />
619 Dekorationsstoff "Kelim", um 1922. Verloren, zeitgenössische Fotografie SHI<br />
620 Stoffentwurf "Kelim", um 1922. Schwarze Tusche, Tempera/Millimeterpapier 74,9 x 76<br />
SHLM<br />
621 Große Ornament-Stoffe, um 1922. Schwarze Tusche, Tempera/Millimeterpapier 59 x 75<br />
SHLM<br />
622 Dekorationsstoff "Mäanderh<strong>und</strong>", 1923. Verloren, zeitgenössische Fotografie SHLM<br />
623 Werkzeichnung für Weberei, um 1923. Ble<strong>ist</strong>ift, Tusche/l<strong>in</strong>ierter Karton, zerbrochen 42,2<br />
x 51,3 SHI<br />
624 Kaffeemütze, um 1923. L<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, Baumwolle, rot-weiß, Muster "Tiermäander" 31 x 31 SHI<br />
625 Tischläufer, 1922/24. Baumwolle 116 x 92 SHLM<br />
626 Decke, 1922/24. Baumwolle 140,5 x 166 SHLM<br />
627 Tagesdecke, 1922/24. Baumwolle SHI<br />
628 Reisedecke, um 1924. "Z<strong>in</strong>nienplaid", Wolle 145,5 x 161,5 SHLM<br />
629 Stoffentwurf, 1927. Ble<strong>ist</strong>ift, schwarzer Farbstift/Millimeterpapier 21 x 31,6 SHI<br />
630 Stoffentwurf, um 1927. Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstifte/Millimeterpapier 32,6 x 21,9 SHI<br />
631 Stoffentwurf, um 1927. Farbstifte/Millimeterpapier 21,9 x 16,9 SHI
- 409 -<br />
632 V<strong>in</strong>cent Weber: Gobel<strong>in</strong>, um 1928. L<strong>e<strong>in</strong>e</strong>n, Zellwolle, etwa 125 x 60, Bauhaus-Archiv,<br />
Berl<strong>in</strong>, Abb. nach: Sammlungs-Katalog Bauhaus 2 1984, Nr. 253<br />
633 Tischdecke, um 1928. Chenille 144 x 146,5 Privatbesitz Kiel<br />
634 Anni Albers: Wandbehang, 1926. Baumwolle, Chemiegarne 223 x 117 Bauhaus-Archiv,<br />
Berl<strong>in</strong>, Abb. nach: Sammlungs-Katalog Bauhaus 2 1984, Nr. 250<br />
635 Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Sofabezug, um 1928. Farbstifte/Millimeterpapier 69,2 x 17,5 SHLM<br />
636 Entwurf für Dekorationsstoff, um 1928. Farbstifte/Millimeterpapier 23 x 31,2 SHI<br />
637 Stoffentwurf, 1931. Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstifte/Millimeterpapier 47,1 x 15,5 SHI<br />
638 Zwei Stoffentwürfe, um 1931. Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstifte/Millimeterpapier, l<strong>in</strong>ks: 29,8 x 20,8;<br />
rechts: 29,8 x 18,2 SHI<br />
639 Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demann mit Sakko "Mäanderband", 1918/20. Zeitgenössische Fotografie<br />
SHI<br />
640 Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demann mit "Mäander-Cape", um 1920. Zeitgenössische Fotografie<br />
SHI<br />
641 Damenkostüm von der Modenschau im Palais Stourzda, Baden-Baden, 1920. Abb. nach:<br />
Deutsche Kunst <strong>und</strong> Dekoration, Bd. XL VI, 1920, S. 249<br />
642 Beiderwand Tanzkleid, 1920. Farbstifte/Papier 30,5 x 23,4 SHI<br />
643 Vier Kleiderentwürfe, 1928. Farbstifte/Geschäftspapier alle 28 x 20,5 SHI<br />
644 Rock <strong>und</strong> Mantel, 1929. Farbstifte/Geschäftspapier 28,3 x 22 SHI<br />
645 Zwei Kostümentwürfe, 1929. Farbstifte/Geschäftspapier, rechts "Modell Juanita", beide<br />
28 x 22 SHI<br />
646 Die Weber<strong>in</strong> Helene Wehle mit Beiderwandkleid, um 1928. Zeitgenössische Fotografie<br />
SHI<br />
647 Essenstülpe für Richard Biel, um 1912. Kupfer Ø=35 Privatbesitz Itzehoe<br />
648 Topfgestell, <strong>und</strong>atiert. Mess<strong>in</strong>g, Topf antik H=27,5 0=29,5 SHI<br />
649 Fisch als Dose, 1923. Mess<strong>in</strong>g, Jade H=15 B=24 T=11 SHI<br />
650 Eilen<strong>des</strong> Vögle<strong>in</strong>, 1926. Silber, Opal H=16 B=16 T=5,5 SHI<br />
651 Pfefferfresser, um 1925. Mess<strong>in</strong>g, Elfenbe<strong>in</strong>, Türkise, Granate H=60 B=24 T=25 Privatbesitz<br />
Itzehoe<br />
652 Eichkätzchen, 1925. Mess<strong>in</strong>g, Chalcedon H=29,5 B=22 T=13 SHI<br />
653 Kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Falke, um 1923. Silber, vergoldet H=ca. 20, Privatbesitz Pondicherry/Indien<br />
654 Großer Falke, um 1923. Mess<strong>in</strong>g H=27 B=37 T=14,5 SHI<br />
655 Vogel als Dose, um 1924. Mess<strong>in</strong>g, Emaille, Amethyst H=10,5 SHLM
- 410 -<br />
656 H<strong>und</strong> als Dose, um 1924. Mess<strong>in</strong>g, e<strong>in</strong> Halbedelste<strong>in</strong> H=16,l SHLM<br />
657 Briefpapier-Kassette, 1925. Mess<strong>in</strong>g H=8 B=24,5 T=15,3 Privatbesitz Itzehoe, hier: zeitgenössische<br />
Fotografie SHI<br />
658 Kassette, um 1925. Verschollen, zeitgenossische Fotografie SHI<br />
659 Kassette, um 1925. Mess<strong>in</strong>g, Achatplatte H=11 B=20 T=12,5 SHI<br />
659a wie vor, Rückansicht<br />
660 Tablett für Louis Frese, um 1920. Mess<strong>in</strong>g Ø=34 Privatbesitz Wedel/Holst.<br />
661 Tablett, 1. Hälfte 20er Jahre. Mess<strong>in</strong>g Ø=46 SHI<br />
662 Tablett, um 1924. Mess<strong>in</strong>g H=4,5 B=50,5 T=34,5 SHI<br />
663 Untersatz, 1. Hälfte 20er Jahre. Mess<strong>in</strong>g, Keramikfliese 14,5 x 14,5 SHI<br />
664 Untersatz, 1. Hälfte 20er Jahre. Mess<strong>in</strong>g H=5,3 Ø=15 SHI<br />
665 Teile <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Eßbestecks, um 1925, 1. u. 2. von l<strong>in</strong>ks: Buttermesser, Käsemesser, 4. von<br />
l<strong>in</strong>ks: gewöhnliches Fleischmesser, 5. von l<strong>in</strong>ks Fischmesser. Silber, Privatbesitz Ahrensburg<br />
666 wie vor, diverse Gabeln<br />
667 wie vor, 1. von l<strong>in</strong>ks: Eis<strong>des</strong>sertlöffel, Mitte: zwei Auffüllöffel<br />
668 Teile <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Eßbestecks, um 1925, diverse kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong>re Gabeln. Silber, Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
669 wie vor, 1. von l<strong>in</strong>ks: Obstmesser, 2. von l<strong>in</strong>ks: Apfels<strong>in</strong>enschäler<br />
670 Teile <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s Eßbestecks, um 1925, 2. von l<strong>in</strong>ks: Buttermesser, 1. von rechts: Käsemesser.<br />
Silber, SHLM<br />
671 wie vor, von l<strong>in</strong>ks: Fischbesteck, Eis<strong>des</strong>sertlöffel<br />
672 wie vor, von L<strong>in</strong>ks: Kuchenlöffel <strong>und</strong> -gabel, Kaffeelöffel<br />
673 Modelle für kl<strong>e<strong>in</strong>e</strong> Löffelgabeln, um 1925. Mess<strong>in</strong>g L=14,5 <strong>und</strong> 15,5 SHI<br />
674 Spargelgabel, 1930. Silber 800 L=16,5 B=9,5 sowie großer Zuckerlöffel, 1931. Silber<br />
900 L=18,3, Monogramme später, Privatbesitz Flensburg<br />
675 Pastetenheber L=18,5 sowie Sahnelöffel L=18, um 1925. Silber, Museum für Kunst <strong>und</strong><br />
Gewerbe, Hamburg<br />
676 Tortenheber, 1926. Silber 800, Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
677 K<strong>in</strong>derbesteck, Teller, Gabel, Schieber für Hans Kaspar Kähler, 1925. Silber, Privatbesitz<br />
Itzehoe<br />
678 Teesieb mit Gestell, um 1927. Verloren, zeitgenössische Fotografie SHI<br />
679 Zuckerschale <strong>und</strong> Sahneguß, um 1927. Verloren, zeitgenössische Fotografie SHI<br />
680 Entwurf für Besteckteile <strong>und</strong> Tischgerät, 1. Hälfte 20er Jahre. Ble<strong>ist</strong>ift/Millimeterpapier<br />
21 x 29,8 SHI
- 411 -<br />
681 Entwurf für Tischgerät, 1. Hälfte 1920er Jahre. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 22,1 x 15,8 SHI<br />
682 Arrangement diverser Metallarbeiten, um 1925. Feder/Pergament 28,4 x 25,3 SHI<br />
683 Stand der Handweberei Hablik-L<strong>in</strong>demann mit Metallarbeiten von Wenzel Hablik auf der<br />
Leipziger Messe, 30er Jahre. Abb. nach: Werkstattkatalog 1952<br />
684 Anhänger für Juanita Biel, 1912. Nephrit, Silber 5x4 Privatbesitz Itzehoe<br />
685 Anhänger für Martha Trautwe<strong>in</strong>, <strong>und</strong>atiert. Achat, Silber 7,2 x 4,8 Privatbesitz Elmshorn<br />
686 Anhänger für Juanita Biel, um 1912. Achat, Silber 5,1 x 2,4 Privatbesitz Itzehoe<br />
687 Anhänger für Juanita Biel, um 1912. Lapislazuli, Silber 7,7 x 5,2 Privatbesitz Itzehoe<br />
688 Anhänger, <strong>und</strong>atiert. Achat, Silber 4,5 x 3,5 Privatbesitz Fl<strong>in</strong>tbek<br />
689 Anhänger, um 1919. Achat, Kupfer 5,6 x 4 St.-Annen-Museum, Lübeck<br />
690 Anhänger, um 1919. Achat, Silber 3,1 x 3,3 SHI<br />
691 Diverse Anhänger, um 1919. Achat, wahrsch. Silber, zeitgenössische Aufnahme SHI<br />
692 Wie vor, auch Bergkr<strong>ist</strong>all-Anhänger<br />
693 Anhänger, um 1918 (l<strong>in</strong>ks). Bergkr<strong>ist</strong>all, Silber, vergoldet L=6 sowie Anhänger, <strong>und</strong>atiert<br />
(rechts). Rub<strong>in</strong>, Türkise, Topas, Silber, vergoldet 4 x 2,5 SHI<br />
694 Knöpfe für Ada Biel, um 1919. Achat, Silber Ø=3,7 Privatbesitz Itzehoe<br />
695 Knöpfe, um 1919. Perlmutt, Silber 2,2 x 2,2 SHI<br />
696 Knopf für Ada Biel, um 1919. Achat 2,4 x 2,4 Privatbesitz Itzehoe<br />
697 Hutnadel, um 1919. Achat, Mess<strong>in</strong>g 2,5 x 2,2 L=15, auf zeitgenössischer Fotografie SHI<br />
698 Pillendöschen für Juanita Biel, um 1919. Achat, diverse Halbedelst<strong>e<strong>in</strong>e</strong>, Silber Ø=4,2 H=<br />
1,8 Privatbesitz Itzehoe<br />
699 Brosche, um 1919. Koralle, Silber 4,5 x 6 Privatbesitz Kiel<br />
699a Entwurf zu Abb. 699. Ble<strong>ist</strong>ift, Feder, laviert/Papier 20,8 x 11,9 SHI<br />
700 Kollier für Juanita Biel, um 1919. Koralle, Silber 900 L=40 Privatbesitz Itzehoe<br />
701 Halskette für Liesel Hormann, um 1919. Diamant, Smaragd, Gold, Silber L=37,5 Privatbesitz<br />
Ahrensburg<br />
702 Anhänger (Brosche) mit Kette für Liesel Hormann, um 1919. Opal, Gold 4,3 x 3,8 Kette:<br />
L=41,5 Privatbesitz Ahrensburg
- 412 -<br />
703 F<strong>in</strong>gerr<strong>in</strong>g, um 1919. Opal, Gold 2,6 x 2,2 T=2,5 SHI<br />
704 Wiener Werkstätte: Brosche, um 1910. Silber 900, teilw. vergoldet, Lapislazuli, Koralle,<br />
Opal, Amald<strong>in</strong>e, Türkis, Chrysopras, Achat, Mondste<strong>in</strong>, Karneol 5,5 x 5,5. Abb. nach:<br />
Wichmann 1984, S. 219<br />
705 Anhänger für Liesel Hormann, um 1930. Gold, Silber, Turmal<strong>in</strong>e, Privatbesitz Texas/<br />
USA<br />
706 F<strong>in</strong>gerr<strong>in</strong>g für Elisabeth Hablik-L<strong>in</strong>demann, um 1927. Gold, Turmal<strong>in</strong>e 3,6 x 2 T=2,2<br />
SHI<br />
706a Entwürfe zu Abb. 706, 1927. Farbstifte/Papier 13,9 x 9 SHI<br />
707 Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n F<strong>in</strong>gerr<strong>in</strong>g, 1930. Feder, Farbstifte/Papier 10,9 x 15 SHI<br />
708 Porzellanteller, handbemalt, um 1925. Porzellanmalerei auf weißem Teller der Marke<br />
Hutschenreuther/Selb Ø=23,7 Privatbesitz Itzehoe<br />
709 wie vor, SHLM<br />
710 wie vor, SHLM<br />
711 wie vor, Privatbesitz Hamburg<br />
712 wie vor, SHI<br />
713 wie vor, SHLM<br />
714 wie vor, Privatbesitz Ahrensburg<br />
715 Kasimir Malewitsch: Supremat<strong>ist</strong>ische Komposition, um 1915/16. Öl/Le<strong>in</strong>wand 49 x 44<br />
Wilhelm Hack Museum, Ludwigshafen, Abb. nach: Ausst.-Kat. Tendenzen 3 o.J., S. 1/112<br />
716 Nikolai Suet<strong>in</strong>: Entwurf für Teller, 1922/24. Kohle/Papier 19 x 27 Galerie Chauvela<strong>in</strong>,<br />
Paris, Abb. nach: Ausst.-Kat. Paris-Moscou 2 1979, S. 267<br />
717 Wassily Kand<strong>in</strong>sky: Im schwarzen Quadrat Nr. 259, 1923. Salomon R. Guggenheim<br />
Museum, New York, Abb. nach: Ausst.-Kat. Berl<strong>in</strong>-Paris 1979, S. 38<br />
718 Holzschale, handbemalt, um 1919. Ölfarben H=10,7 Ø=24,8 SHI<br />
719 wie vor, H = 11,8 0=18,3<br />
720 wie vor, SHLM<br />
721 wie vor, H=10,6 Ø=24,4 Privatbesitz Itzehoe<br />
722 Schriftprobe, um 1903. Weiß auf schwarzem Gr<strong>und</strong>, Abb. nach: Jung Wien 1907, S. 68<br />
723 wie vor, schwarz auf weißem Gr<strong>und</strong>, S. 69<br />
724 Schriftprobe, um 1903. Weiß auf schwarzem Gr<strong>und</strong>, Abb. nach: Jung Wien 1907, S. 70<br />
725 Zeitschriftentitel "Kunstwart <strong>und</strong> Kulturwart, Herausgeber Ferd. Avenarius", 1908. Abb.<br />
nach: Kunstwart, Septemberheft 1920<br />
726 Briefkopf, um 1908. L=6,4 SHI
727 Briefkopf, um 1908. L=7,5 SHI<br />
- 413 -<br />
728 Buche<strong>in</strong>band, 1907. Prägedruck, Rot auf Gold 20,4 x 14,5 Privatbesitz Hamburg, Abb.<br />
nach: Balladenbuch, gesammelt von Ferd<strong>in</strong>and Avenarius, München, 128. Tsd. o.J.<br />
729 Buche<strong>in</strong>band, 1909. Prägedruck, Gold auf Rosa 20,4 x 14,5 Privatbesitz Hamburg. Abb.<br />
nach: Das fröhliche Buch. Aus deutscher Dichter <strong>und</strong> Maler Kunst gesammelt von<br />
Ferd<strong>in</strong>and Avenarius, München 1920<br />
730 Buche<strong>in</strong>band, 1909. Grün auf Beige 20,7 x 15 Privatbesitz Hamburg. Abb. nach: Am<br />
Lebensquell. E<strong>in</strong> Hausbuch zur geschlechtlichen Erziehung, herausgegeben vom Dürerb<strong>und</strong>,<br />
Dresden 1918<br />
731 Buch<strong>in</strong>nentitel, 1909. 17,2 x 11,4 Staatsbibliothek München, Abb. nach: Wolfgang<br />
Schumann: Wolf Castells Gast, München 1909<br />
732 Werbesignet, um 1908. 6,1 x 7,1 SHI<br />
733 Notgeldsch<strong>e<strong>in</strong>e</strong> der Stadt Itzehoe, 1921. Zu 25, 50, 75 Pf. <strong>und</strong> zu 1 Mark, SHI<br />
734 Notgeldsch<strong>e<strong>in</strong>e</strong> der Stadt Itzehoe, 1918. Zu 1, 2, 10, 50 Mark, SHI<br />
735 Notgeldsche<strong>in</strong> der Stadt Itzehoe, 1923. Zu 5 Millionen Mark 8,3 x 18,1 Privatbesitz<br />
Itzehoe<br />
735a wie vor, Rückseite<br />
736 Notgeldsche<strong>in</strong> der Stadt Itzehoe, 1923. Zu <strong>e<strong>in</strong>e</strong>r Million Mark, e<strong>in</strong>seitig bedruckt, SHI<br />
737 Buche<strong>in</strong>band, 1928. Prägedruck Blau auf Rot 21,5 x 14,5 Abb. nach: Walter Harich:<br />
Letzte Ferien, Itzehoe, Berl<strong>in</strong> 1928<br />
738 Briefumschlag "AKV Drucksache", um 1928. Rot auf Weiß 12,5 x 15,8 SHI<br />
739 Plakat "Bei den Unterirdischen", 1928. Holzschnitt 42,6 x 58,6 SHI<br />
740 Grabstätte Frese, Uetersen, 1927<br />
741 Grabstätte Rolfs, Heide/Holst., 1928. Travert<strong>in</strong>-Quader mit Kugel H=247 B=127,7 T=25<br />
742 Wenzel Hablik. Undatierte Fotografie, SHLM<br />
743 Tanzkostüm, 1920. Schwarze <strong>und</strong> rote Tusche/Karton 24,1 x 32 SHI<br />
744 Tanzkostüm, 1920. Schwarze <strong>und</strong> rote Tusche/Karton 24 x 31,9 SHI<br />
745 wie vor, Verso zu Abb. 744<br />
746 Tanzkostüm, um 1920. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 21,5 x 11,8 SHI<br />
747 Die Weber<strong>in</strong> Edelgard von Wulffen, um 1930. Zeitgenössische Fotografie SHI<br />
748 Edelgard von Wulffen mit Tanzmaske, um 1928. Zeitgenössische Fotografie SHI
- 414 -<br />
749 Tanzmaske, um 1928. Mess<strong>in</strong>gblech 46,7 x 52,4 SHI<br />
750 Tanzmaske, um 1928. Verloren, zeitgenössische Fotografie SHI<br />
751 Tanzfigur, um 1928. Ble<strong>ist</strong>ift, grüner Farbstift/Karton 32,5 x 25,1 SHI<br />
752 Tanzfigur, 1928. Roter Farbstift/Papier 26 x 20,9 SHI<br />
753 Indisch: Tanzender Shiva. Süd<strong>in</strong>dische Bronzestatuette, Museum Rietberg, Zürich, Abb.<br />
nach: Diez 1964, Abb. 43<br />
754 Tanzmasken, um 1928. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 28,5 x 22,4 SHI<br />
755 Tanzfigur <strong>und</strong> Masken, um 1928. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 29,8 x 20,8 SHI<br />
756 Blechschnitt-Figuren, um 1928. Brauner Farbstift/Papier 11,8 x 20,9 SHI<br />
757 Tanzfiguren, um 1930. Ble<strong>ist</strong>ift, roter Farbstift/Karton 24,8 x 32,4 SHI<br />
758 Oskar Schlemmer: Tanzschritt-Studien ("Gr<strong>und</strong>lagen für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Tanzschrift"), um 1928.<br />
Zwei Zeichnungen 29,7 x 42 Bauhaus-Archiv, Berl<strong>in</strong>, Abb. nach: Sammlungs-Katalog<br />
Bauhaus 2 1984, S. 178, Nr. 145<br />
759 Vier Entwürfe für Tanzfiguren, 1930. Feder/Papier, etwa 10 x 17 SHI<br />
760 Drei Entwürfe für Tanzfiguren, um 1930. Feder/Papier 11,3 x 38,5 10,1 x 15,7 10 x 16,3<br />
SHI<br />
761 Kunstgewerbe-Laden Wwe. Otto, Itzehoe, nach 1926. Foto: E. v. Aspern, Itzehoe, SHI<br />
762 wie vor<br />
763 wie vor, Beschläge <strong>und</strong> Türgriffe der Außentüren, 1926. Mess<strong>in</strong>g H=35,5 B=8 Privatbesitz<br />
Itzehoe<br />
764 wie vor, Neonreklame H. Otto Ww., 1926. Privatbesitz Itzehoe<br />
765 NEUGESTALTUNG RATHAUS ITZEHOE, 1926/27, Stuhlentwurf, 1926. Füllfederhalter/Papier<br />
21,7 x 26,6 SHI<br />
766 - Stuhlentwurf, 1926. Füllfederhalter, roter <strong>und</strong> grüner Farbstift/Papier 21,7 x 26,5 SHI<br />
767 - Stuhlentwurf, 1926. Füllfederhalter, roter Farbstift/Papier 21,7 x 26,8 SHI<br />
768 - Farbgestaltung Treppenhaus, 1927. Pastell/Papier 21,2 x 29,7 SHI<br />
769 - wie vor, 20,9 x 29,1<br />
770 - Büroflur. Pastell/Papier 20,9 x 28,6 SHI<br />
771 Jacobus J.P. Oud: Erholungsheim <strong>in</strong> Nordwijk, Halle im ersten Stock, um 1921. Abb.<br />
nach: Wasmuths Monatshefte für Baukunst 1921/22, S. 18<br />
772 Empfangsraum für den Nordischen Kurier, Itzehoe, 1927/28, Sitzecke mit Durchgang <strong>und</strong><br />
Schreibtisch, 1927. Farbstifte/Millimeterpapier 22,6 x 38,4 SHI
- 415 -<br />
773 EMPFANGSRAUM FÜR DEN NORDISCHEN KURIER, ITZEHOE, Wandbemalung,<br />
E<strong>in</strong>bauschrank, 1927. Farbstifte/Millimeterpapier 28 x 37,9 SHI<br />
774 - Sitzecke, E<strong>in</strong>bauschrank, 1927. Farbstifte/Millimeterpapier 28 x 28,3 SHI<br />
775 - Sitzecke, Spiegel, Durchgang. Zeitgenössische Fotografie SHI<br />
775a - Entwurf zu Abb. 775 sowie für Heizungsecke <strong>und</strong> E<strong>in</strong>bauschrank, 1927. Tempera/<br />
Karton 49,1 x 42,8 SHI<br />
775b - Schreibtisch, Schreibtischstuhl, Wandbemalung. Zeitgenössische Fotografie SHI<br />
776 Vilmos Huszar: Raumkomposition 1924. Abb. nach: De Beg<strong>in</strong>jaren 1982, S. 120<br />
777 wie vor<br />
778 Vilmos Huszar, Jan Wils: Atelier Berssenbrugge, Den Haag, 1921. Abb. nach: De Beg<strong>in</strong>jaren<br />
1982, S. 115<br />
779 Walter Gropius, Marcel Breuer: Wandschränke im E<strong>in</strong>zelhaus Gropius, Me<strong>ist</strong>erhäuser<br />
Dessau, 1926. Abb. nach: Gropius 1930 (N.F. 1974), S. 116<br />
780 Bruno Taut: Arbeitsraum im eigenen Haus, 1926. Abb. nach: Müller-Wulckow 1975, IV,<br />
S. 64<br />
781 Tapetenausstellungsraum für die Firma Adolf Soetje, Itzehoe, 1928. Zeitgenössische<br />
Fotografie SHI<br />
781a Entwurf zu Abb. 781, 1928. Buntstifte, Tempera/Papier 47 x 71 Privatbesitz Itzehoe<br />
782 Ausstellungsraum mit Pfeilern, 1927/28. Tempera/Karton 52,4 x 68,6 SHI<br />
783 Empfangszimmer, um 1928. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel/Karton 45,9 x 38,8 SHI<br />
784 Orig<strong>in</strong>al-Entwurf <strong>e<strong>in</strong>e</strong>s frei tapezierten Besuchszimmers, um 1928. Tempera/Pappe 46,5<br />
x 39,2 SHI<br />
785 Orig<strong>in</strong>al-Entwurf für e<strong>in</strong> Schlafzimmer, 1928. Feder, Tuschp<strong>in</strong>sel/Karton 45,1 x 29,6 SHI<br />
786 Schlafraum, Lilis Geburtstag 1928. Farbstifte/Papier 26,1 x 33,8 SHI<br />
787 Schlafraum, um 1928. Farbstifte/Karton 32,5 x 25 SHI<br />
788 Festsaal, 1929. Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstifte/Karton 65,2 x 50,2 SHI<br />
789 E<strong>in</strong>bauschränke im Atelier, Haus <strong>in</strong> der Talstraße, Itzehoe, um 1928. Zeitgenössische<br />
Fotografie SHI<br />
790 Pfeilervitr<strong>in</strong>e im Atelier, Haus <strong>in</strong> der Talstraße, Itzehoe, um 1928. Sperrholz, Glas<br />
791 HAUS HABLIK, TALSTRASSE, ITZEHOE, vor 1933. Zeitgenössische Fotografie<br />
SHI<br />
792 - Aufnahme 1980
- 416 -<br />
793 Sofa, um 1927, Pastell/Pergament 21 x 23,8 SHI<br />
794 Sofa, 1928/29. Farbstifte/Papier 21,5 x 25 SHI<br />
795 Couch mit beweglichen Kissen <strong>und</strong> Polstern, um 1928. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 20,9 x 29,9 SHI<br />
796 Sofa, um 1928. Eiche, drei Sitzkissen mit handgewebten buntfarbigen Bezügen H=41,5<br />
B=20 T=84 SHI<br />
797 Sofa, um 1928. Verschollen, zeitgenössische Fotografie SHI<br />
798 Sofa, um 1930. Verschollen, zeitgenössische Katalogabbildung, lose, SHI<br />
799 Kufensessel, um 1928. Ble<strong>ist</strong>ift/Karton 25 x 32,7 SHI<br />
800 Kufensessel, um 1928. Eiche, handgewebter Bezug 50er Jahre nach <strong>e<strong>in</strong>e</strong>m Entwurf um<br />
1928 H=74,5 B=58 T=75,5 Privatbesitz Elmshorn<br />
801 Kufensessel, um 1928. Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstift/Papier 10,5 x 14,8 SHI<br />
802 Kufensessel, um 1928. Ble<strong>ist</strong>ift/Papier 12,1 x 19,7 SHI<br />
803 Zwei Entwürfe für Kufensessel, um 1927. Farbstifte/Papier, oben: 14,8 x 10,5 unten: 10,6<br />
x 14,9 SHI<br />
804 Marcel Breuer: Stahlrohrsessel, 1925. Abb. nach: Papachr<strong>ist</strong>ou 1970, S. 209<br />
805 Lesestube, um 1930. Brauner Farbstift/Papier 19,2 x 21,1 SHI<br />
806 MOBILIAR FÜR DR. LAMMERS, WILSTER, 1929, Wäscheschrank. Rüster H=<br />
181,5 B=221 T= 60 Privatbesitz Flensburg<br />
806a - Entwurf zu Abb. 806. Roter Farbstift/Papier 22 x 27,9 SHI<br />
807 - Wandkonsole. Rüster H=35,5 B=50 T=35,5 Privatbesitz Flensburg<br />
808 - Büfett. Rüster H=164 B=305 T=65 Privatbesitz Flensburg<br />
808a - wie vor, <strong>in</strong> geöffnetem Zustand<br />
809 Wäscheschrank, um 1929. Ble<strong>ist</strong>ift/Pergament 15 x 14,1 SHI<br />
810 Anrichte, um 1929. Ble<strong>ist</strong>ift/Pergament 15,2 x 25 SHI<br />
811 Bücherschrank, um 1929. Ble<strong>ist</strong>ift/Pergament 14,8 x 17 SHI<br />
812 Zwei Möbelentwürfe, um 1929. Ble<strong>ist</strong>ift/Pergament, oben: 15,4 x 37,2 unten: 12,6 x 20,3<br />
SHI<br />
813 MÖBEL FÜR HAUS HABLIK, ITZEHOE, um 1930. Truhe. Sperrholz, mit Rüster<br />
furniert H=55 B=101 T=51,5 SHI<br />
813a - Entwurf zu Abb. 813. Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstifte/Papier 21,1 x 25,5 SHI<br />
814 - Bett. Rüster, furniertes Sperrholz H=60 B=206 T=92 SHI<br />
815 - Schreibsekretär. Rüster H=201 B=120 T=35,7 SHI<br />
816 - Schreibtisch. Rüster, furniertes Sperrholz H =75,5 B=150 T=79,8 Privatbesitz Itzehoe
- 417 -<br />
817 MOBILIAR FÜR CARL STEIN, ITZEHOE, 1932, Entwurf für e<strong>in</strong> Sofa. Ble<strong>ist</strong>ift,<br />
Farbstifte/Pergament 19,2 x 24,4 Privatbesitz Itzehoe<br />
818 - Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Salontisch. Farbstifte/Pergament 19,2 x 19,3 Privatbesitz Itzehoe<br />
819 - Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Bücherschrank. Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstifte/Papier 25 x 32,5 Privatbesitz<br />
Itzehoe<br />
820 - Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Wäscheschrank. Farbstifte/Pergament 23,7 x 18,8 Privatbesitz Itzehoe<br />
821 - Entwurf für e<strong>in</strong> Bett. Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstifte/Pergament 19,2 x 27,1 Privatbesitz Itzehoe<br />
822 - Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong>n Nachtschrank. Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstifte/Pergament 19 x 18,5 Privatbesitz<br />
Itzehoe<br />
823 - Entwurf für <strong>e<strong>in</strong>e</strong> Frisiertoilette. Ble<strong>ist</strong>ift, Farbstifte/Pergament 22,4 x 18,6 Privatbesitz<br />
Itzehoe<br />
824 - Anrichte. Rüster, teilweise schwarz gebeizt, Ebenholz H=100,1 B=326 T=64,5 SHI<br />
824a - Entwurf zu Abb. 824. Farbstifte/Pergament 19 x 21 Privatbesitz Itzehoe<br />
825 - Anrichte. Rüster, Ebenholz H=85,2 B=121,7 T=55,2 SHI<br />
825a - Entwurf zu Abb. 825. Farbstifte/Pergament 18,9 x 24,4 Privatbesitz Itzehoe<br />
826 - Eßtisch. Rüster, teilweise schwarz gebeizt H=74 B=143 T=101 SHI<br />
826a - Entwurf zu Abb. 826. Farbstifte/Pergament 19,2 x 20,7 Privatbesitz Itzehoe<br />
827 - Eßzimmerstuhl. Rüster, teilweise schwarz gebeizt H=92,5 B=45,5 T=67 SHI<br />
827a - Entwurf zu Abb. 827. Farbstifte/Pergament 19,2 x 23,2 Privatbesitz Itzehoe<br />
828 - Lehnstuhl. Eiche, Rüster, teilweise schwarz gebeizt H=95 B=66,8 T=58 Privatbesitz<br />
Itzehoe<br />
829 - Schreibtisch. Rüster, teilweise schwarz gebeizt, Ebenholz H =77,1 B=150 T=80 Privatbesitz<br />
Neuenbrook<br />
829a - Entwurf zu Abb. 829. Farbstifte/Pergament 18,8 x 20,7 Privatbesitz Itzehoe