Akropolis der Bildung - Kantonsschule Freudenberg
Akropolis der Bildung - Kantonsschule Freudenberg
Akropolis der Bildung - Kantonsschule Freudenberg
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
7 KS Enge, Innenaufnahme<br />
8 Grosse Freitreppe mit Brücke 9 Aula mit Aussentheater<br />
Bil<strong>der</strong> <strong>der</strong> Ausstellung nach Stationen<br />
Alle Aufnahmen kurz nach <strong>der</strong> Fertigstellung <strong>der</strong> Anlage 1960er Jahre<br />
4 KS <strong>Freudenberg</strong>, Innenansicht<br />
5 «Raumgelenk», Eingang Naturwissenschaften<br />
6 KS Enge, Ansicht Steinentischstrasse<br />
Bildmaterial: gta Archiv, ETH Zürich, Nachlass Jacques Scha<strong>der</strong> / Baugeschichtliches Archiv <strong>der</strong> Stadt Zürich<br />
1 Luftaufnahme <strong>der</strong> Gesamtanlage, ca. 1965<br />
2 KS <strong>Freudenberg</strong>, Ansicht Parkring<br />
3 KS Enge mit Freitreppe<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
�<br />
<strong>Akropolis</strong> <strong>der</strong> <strong>Bildung</strong><br />
Die Schulanlage <strong>Freudenberg</strong>-Enge als Meilenstein <strong>der</strong> Zürcher <strong>Bildung</strong>slandschaft<br />
Ausstellung zum 50jährigen Jubiläum<br />
Ein Gemeinschaftsprojekt <strong>der</strong> <strong>Kantonsschule</strong>n Enge und <strong>Freudenberg</strong><br />
26.9.–18.12.2009<br />
Projektskizze 1954, Ansicht Brandschenkestrasse<br />
�
Texte <strong>der</strong> Ausstellung nach Stationen<br />
Station 1<br />
Wege. Die Anlage ist reich an Zugängen und Erschliessungsmöglichkeiten.<br />
So gibt es z.B. drei Möglichkeiten, um von <strong>der</strong> Südostecke aus<br />
zur Hauptebene des Plateaus zu gelangen. Die Rampen sind wichtige<br />
architektonische Elemente, mit denen die Höhendifferenzen zwischen<br />
<strong>der</strong> unregelmässigen Formation des Parkgeländes und dem Hügel-<br />
plateau überwunden werden.<br />
Stilisierte Natur. Dass Scha<strong>der</strong> die im Baugrund ausgegrabenen<br />
Gesteinsbrocken an ausgesuchten Orten sichtbar zusammentragen<br />
und nicht entfernen liess, war neu. Darin wird ein fernöstlicher Einfluss<br />
sichtbar. Die japanische Ästhetik wurde damals unter an<strong>der</strong>em durch<br />
einen rasch berühmt gewordenen Bildband des Fotografen Werner<br />
Bischof vermittelt. In <strong>der</strong> betulich-mo<strong>der</strong>nen Schweizer Architektur des<br />
«Heimatstils» war die Natur fast immer als «natürlich» verstanden und<br />
eingesetzt worden; hier hingegen ist sie modellhaft stilisiert.<br />
Dies hier sind alles Gesteinsbrocken, die im Terrain drin steckten.<br />
Wir haben sie dort, wo kein Grün hinkommen kann, aufgeschichtet.<br />
Im Sommer sitzt man gerne an diesen kühlen Stellen im Schatten.<br />
Jacques Scha<strong>der</strong><br />
Promenade. Die in den Raum ausgreifenden Rampen und Treppen<br />
wurden vom Architekten als Promenadenflächen gedacht. Es ging nicht<br />
um maximale Kürze <strong>der</strong> Wege, vielmehr um das Erleben <strong>der</strong> Architektur<br />
aus verschiedenen Blickwinkeln und aus <strong>der</strong> Bewegung heraus.<br />
Die sukzessive Verän<strong>der</strong>ung des Wahrnehmungs-Horizontes beim<br />
Emporgehen o<strong>der</strong> beim Absteigen vom Hügelplateau waren bereits bei<br />
<strong>der</strong> Entwurfsidee wichtige Elemente. Architektur soll allseitig wirken und<br />
nicht in Schau- und Rückseiten zerfallen.<br />
Hier standen zwei wun<strong>der</strong>schöne Föhren, die wir stehen lassen wollten.<br />
Deswegen haben wir die Rampen um sie herum betoniert. Man hielt<br />
mich für ziemlich verrückt deswegen. Die hochstämmigen Nadelbäume<br />
hielten sich vierzig Jahre lang und holten sich genügend Nährlösung aus<br />
dem Boden heraus. Jetzt erinnern diese Fahnenstangen an sie.<br />
Jacques Scha<strong>der</strong><br />
Station 2, Platte 1<br />
Station 2, Platte 2 Station 3, Platte 1<br />
gta Archiv ETH Zürich, Nachlass Jacques Scha<strong>der</strong><br />
Leben. Geboren in Basel, arbeitete er<br />
nach <strong>der</strong> Maturität kurze Zeit als<br />
Innenarchitekt. Von 1939 bis 1943<br />
studierte er an <strong>der</strong> ETH Zürich Architektur<br />
und eröffnete danach ein eigenes<br />
Büro in Zürich. 1954 gewann er den<br />
Wettbewerb für den <strong>Freudenberg</strong>.<br />
Von 1960 bis 1970 war er ordentlicher<br />
Professor an <strong>der</strong> ETH. Anschliessend<br />
setzte er seine praktische Arbeitstätigkeit<br />
fort. Zu seinen späteren Bauten<br />
gehört insbeson<strong>der</strong>e das IBM-Haus am<br />
General-Guisan-Quai.<br />
Bedeutung. Scha<strong>der</strong> steht in <strong>der</strong> Tradition <strong>der</strong> klassischen Mo<strong>der</strong>ne<br />
und findet sein Vorbild in den Bauten von F. L. Wright und L. Mies van<br />
<strong>der</strong> Rohe. Die Anlage <strong>Freudenberg</strong>-Enge ist eine Architekturleistung von<br />
europäischem Rang. Mit diesem Bau stiess die Schweizer Architektur<br />
die Türe zur Welt weit auf und holte nach all den Jahren <strong>der</strong> politischen<br />
Einschliessung und <strong>der</strong> selbstgenügsamen kulturellen Autonomie tief<br />
Luft.<br />
Station 3, Platte 2<br />
24.9.2009, zam<br />
Villa <strong>Freudenberg</strong>, um 1900<br />
Weiträumig. Die Grosszügigkeit und Gradlinigkeit dieses Plateaus<br />
von 150 Metern gera<strong>der</strong> Länge und 80 m Breite ist für schweizerische<br />
Verhältnisse einzigartig geblieben. Sie wurde dem Architekten oft zum<br />
Vorwurf gemacht. In <strong>der</strong> Kleinräumigkeit <strong>der</strong> Verhältnisse, wie sie in <strong>der</strong><br />
Schweiz verbreitet ist, bedeutet dies für manche eine Platzverschwendung.<br />
In Wirklichkeit ist dieser Platz eine Pausenfläche für heute 1500<br />
Schüler. Anstössig ist nicht die nachweisbar notwendige Fläche, son<strong>der</strong>n<br />
dass sie diese Notwendigkeit in eine so generös wirkende Form umsetzt.<br />
Massstabsfragen. Der Schriftsteller Max Frisch, ursprünglich<br />
Architekt, prägte über die damals allgegenwärtige «massvoll mo<strong>der</strong>ne»<br />
Architektursprache des schweizerischen Heimatstils 1953 den Satz:<br />
«Wir alle sprechen gerne vom menschlichen Massstab; ein gutes<br />
Wort, ein wichtiges Wort – es fragt sich nur, wie gross o<strong>der</strong> klein man<br />
den Menschen einschätzt!» Den Kampf gegen die Provinzialität, den<br />
Frisch mittels des sprachlichen Arguments führte, leistete Scha<strong>der</strong> im<br />
<strong>Freudenberg</strong> mit <strong>der</strong> Sprache <strong>der</strong> Architektur.<br />
Begegnungsort. Windmühlenartig in alle vier Himmelsrichtungen angeordnete<br />
grossräumige Treppen erschliessen die im Parterre gelegene<br />
Halle. Wenn die Schüler in den Pausen die Klassenzimmer verlassen,<br />
kreuzen sich ihre Wege unweigerlich in <strong>der</strong> zentral gelegenen Halle,<br />
die so zum Begegnungsort wird.<br />
Das Windmühlenprinzip habe ich immer gerne gehabt – nicht nur im<br />
Bodenbelag. Hier umgeben immer vier grosse Quadrate ein kleines<br />
und zugleich vier kleine ein<br />
grosses. Die Idee <strong>der</strong> Allseitigkeit<br />
umfasste auch, dass ein Schüler<br />
im Lauf <strong>der</strong> Jahre alle Seiten<br />
kennen lernt: die verschiedenen<br />
Ausblicke, Lichtverhältnisse und<br />
jahreszeitlichen Stimmungen.<br />
Station 4<br />
Jacques Scha<strong>der</strong><br />
Projektskizze 1954<br />
Ansicht Be<strong>der</strong>strasse<br />
Grundriss 1. Stock<br />
KS <strong>Freudenberg</strong><br />
Raumgelenk. An dieser Stelle durchdringen sich verschiedene Wege:<br />
eine Rampe setzt zum Anstieg über die Südostecke an, und die beiden<br />
Treppenläufe führen direkt zum Plateau. Dank <strong>der</strong> Symmetrie <strong>der</strong><br />
Treppenläufe erhält die zwischen ihnen in die Tiefe führende Öffnung<br />
die ihr entsprechende architektonische Bedeutung. Die Horizontalverbindung<br />
zwischen den Treppenläufen markiert den Durchstich durch<br />
die Hügelkuppe, die Tunnelverbindung zu den Turnhallen und den<br />
seitlichen Zugang zu den Naturwissenschaften. Der Ort ist das Gelenk<br />
zwischen dem Umgelände und dem Plateau, zwischen <strong>der</strong> Südseite<br />
und <strong>der</strong> Nordseite, zwischen dem Sockelbereich und <strong>der</strong> «<strong>Akropolis</strong>».<br />
Diese klare formale Grammatik weist über Mies van <strong>der</strong> Rohe zurück<br />
in die Architektur <strong>der</strong> Aufklärung.<br />
Nun, wir haben hier zwei Baukörper, die sich an dieser Stelle treffen.<br />
Wäre die Treppe auf die übliche funktionell-ökonomische Art aufgefasst,<br />
mit einem einzigen Treppenlauf und <strong>der</strong> Verbindung zum Tunnel daneben,<br />
wäre es nicht möglich gewesen, die Treppenanlage auf beide<br />
Seiten so klar zu begrenzen. Jacques Scha<strong>der</strong><br />
Station 5<br />
Erziehung zur <strong>Bildung</strong>. Die Brücken neben den Treppenläufen sind<br />
auch Aufenthaltsflächen, die die beiden Längsseiten miteinan<strong>der</strong><br />
verbinden: Sie bilden Scha<strong>der</strong>s pädagogisch-räumliches Konzept <strong>der</strong><br />
«Selbststudien» ab; es sind Aufenthaltszonen, um in Gruppen o<strong>der</strong> allein<br />
und ausserhalb des Klassenzimmers zu lernen. Das didaktische Konzept<br />
beabsichtigte, durch architektonische Überlegungen die Schule als<br />
Vorstufe zu Hochschule und Universität erlebbar zu machen.<br />
Atrien. Um eine zweiseitige Belichtung <strong>der</strong> Klassenzimmer zu erreichen,<br />
ist das oberste Stockwerk von Lichthöfen durchsetzt. Sie leiten Tageslicht<br />
bis in das erste Stockwerk hinunter.<br />
Zwiesprachen. Wann schon haben Architekten die Möglichkeit, etwas<br />
zu bauen, das in diesem Ausmass dialogisch ist wie dieses Bauwerk?<br />
Allzu oft sind Bauten Solitäre. Nicht hier: die Baukörper wenden sich<br />
einan<strong>der</strong> zu und kommunizieren miteinan<strong>der</strong>. Sie sind im Gespräch<br />
räumlich und auch wörtlich – face-en-face (von Fassade zu Fassade).<br />
In dieser Anlage ist eine urbanistische Qualität entstanden<br />
Station 7<br />
Aula. Die Aula ist das einzige Element <strong>der</strong> Anlage ausserhalb des<br />
Bezugssystems des Plateaus. Dabei fällt ihr auch die Aufgabe zu,<br />
dieses System des Gebäudekranzes mit Plateau in <strong>der</strong> Umgebung zu<br />
verankern. Die Aula ist nicht nur ein Gebäude <strong>der</strong> Institution, son<strong>der</strong>n<br />
hat eine darüber hinaus gehende Funktion auch als öffentlicher Ort für<br />
Aufführungen.<br />
Erst sind die Lamellen offen, man blickt in die Natur, dann schliessen sie<br />
sich sukzessive, und dieses Schliessen ist eigentlich schon ein Stück<br />
Theater, eine Verwandlung. Die Lamellen aus Naturholzelementen<br />
fächern sich beim Abdunkeln<br />
nach oben und unten<br />
auseinan<strong>der</strong>. Die Aussenwelt<br />
verschwindet dabei immer<br />
mehr, und dort wo die Pfeiler<br />
sind, erscheint das elektrische<br />
Licht.<br />
gta Archiv ETH Zürich, Nachlass Jacques Scha<strong>der</strong><br />
Station 9<br />
Jacques Scha<strong>der</strong><br />
Innenansicht Aula<br />
Struktur. Dieser Teil <strong>der</strong> Anlage ist <strong>der</strong> einzige, wo man alle fünf Stockwerke<br />
sehen kann. Das herausragende Merkmal <strong>der</strong> Gebäudeanlage<br />
ist die vielfältig kommunizierte Struktur, mit <strong>der</strong> die einzelnen Teile<br />
miteinan<strong>der</strong> verbunden sind: Scha<strong>der</strong> entwarf sie als ein klar definiertes<br />
Geviert, das entschieden und doch schonungsvoll in den wertvollen<br />
Baumbestand eines alten Villenparks eingesetzt wurde, wobei ein<br />
faszinierendes Gleichgewicht von Konzentration und Grosszügigkeit,<br />
von Straffheit und Transparenz, von resolutem Ordnungssinn und<br />
Leichtigkeit erreicht wurde.<br />
Netzwerk. Die architektonische Auffassung stellt Ansprüche an das<br />
Publikum, die auch nach fünfzig Jahren nicht selbstverständlich sind.<br />
Es gibt keine Hierarchie mit Über- und Untergeordnetem. Diese Anlage<br />
ist porös, ein räumliches Netzwerk aus kapillaren Zusammenhängen.<br />
Von keinem Punkt aus lässt sich das Ganze überblicken. Die Vorstellung<br />
vom Ganzen muss im Kopf des Betrachters generiert werden. Das ist<br />
eine Form des Spiels.<br />
Station 6<br />
Architektur als Bühne. Die Freitreppe legt einen Bezug zur Welt<br />
des Theaters nahe, den Scha<strong>der</strong> selber unterstützt. Auf den Hinweis,<br />
diese Treppe als elementares Raum- und Lichtereignis lasse an den<br />
Bühnenbildner Appia (1862–1928) denken, stimmt <strong>der</strong> Architekt zu; Appia<br />
sei ein Bühnenbildner gewesen, den er sehr bewun<strong>der</strong>t habe. In diesem<br />
Licht sind auch eine Reihe an<strong>der</strong>er Orte im <strong>Freudenberg</strong> als Ausdruck<br />
dieser Bewertung zu sehen. O<strong>der</strong> mehr: Die gesamte Anlage ist<br />
durchsetzt mit Orten, die als Spielstätten menschlicher Aktivität gesehen<br />
werden können.<br />
Es ist oft die Frage gestellt worden, warum alles grau-in-grau sei,<br />
also in <strong>der</strong> Farbe des Betons. Die Fassaden <strong>der</strong> beiden Schulen und<br />
auch <strong>der</strong> Aula sind mit Solothurner Muschelkalkplatten verkleidet. Die<br />
Naturwissenschaften und die Turnhallen, die Rampen und das Plateau<br />
bestehen aus Sichtbeton. Auch im Innern gibt es wenig Farbe. Dafür<br />
habe ich viel Kritik eingesteckt, es sei «unmenschlich» kalt. Aber es war<br />
meine Idee, dass <strong>der</strong> Bau selber farblich zurückhaltend sein sollte, eher<br />
unfarbig, und dass die Farbe durch die Schüler selber hineingebracht<br />
werden sollte. Dies war nicht eben eine populäre Überlegung, aber ich<br />
stehe nachwievor zu ihr. Ich halte es in <strong>der</strong> Hinsicht mit Karl Kraus, <strong>der</strong><br />
gesagt hat: «Ich brauche keine Gemütlichkeit, gemütlich bin ich selber.»<br />
Jacques Scha<strong>der</strong><br />
Station 8<br />
IMPRESSUM<br />
Gestaltung<br />
Adrian Buchser, Peter Hunkeler<br />
Text- und Bildauswahl<br />
Caroline Müller, Hans Spuhler, Clemens Steiger,<br />
Christoph Wittmer, Marco Zanoli<br />
Bil<strong>der</strong><br />
gta Archiv, ETH Zürich, Nachlass Jacques Scha<strong>der</strong><br />
Baugeschichtliches Archiv <strong>der</strong> Stadt Zürich<br />
Aufbau<br />
Marlyse Brunner, Barbara Roth, René Sturny<br />
Regiebetrieb <strong>der</strong> Stadt Zürich<br />
Texte nach<br />
Marianne Burkhalter, Michael Koch, Claude Lichtenstein,<br />
Tomaso Zanoni: <strong>Freudenberg</strong>. Der Architekt Jacques Scha<strong>der</strong><br />
und die <strong>Kantonsschule</strong> in Zürich-Enge. Eine Baumonographie<br />
mit einem Verzeichnis ausgewählter Werke. Zürich<br />
1992. (am 26.9. Bezug Kiosk KS Enge möglich)<br />
mit freundlicher Unterstützung<br />
Emil Fischer AG Dottikon (www.fischer-natursteine.ch)<br />
Stadt Kultur Zürich