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Weiterhin Spielball der freien Markt- wirtschaft - Ensuite

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8. JAHRGANG BERN UND ZÜRICH<br />

ensuite<br />

K UU L T U R M A G A Z I N<br />

Kultur muss<br />

man verstehen<br />

wollen und<br />

geniessen lernen.<br />

ensuite.ch<br />

Dank für die fi nanzielle Unterstützung an:<br />

Kulturessays<br />

EDITORIAL<br />

Macht Kultur! -<br />

statt Machtkultur.<br />

Von Lukas Vogelsang<br />

Kulturför<strong>der</strong>ung ist ein heisses Eisen. Ich<br />

bin nicht – wie oft fälschlicherweise angenommen<br />

wird – gegen Kulturför<strong>der</strong>ung o<strong>der</strong> die<br />

Mitmischung <strong>der</strong> öffentlichen Hand in kulturellen<br />

Angelegenheiten. Aber durch meine Arbeit werde<br />

ich mit Situationen konfrontiert, die zum Denken<br />

anregen. Oftmals sind es Relationsfragen, die ich<br />

nicht klären kann, also Verhältnisse, die mir suspekt<br />

vorkommen. Als Aussenstehen<strong>der</strong> und Beobachter<br />

erhält man da ganz an<strong>der</strong>e Blickwinkel.<br />

Ich will aber keine Beispiele nennen.<br />

Natürlich ist es immer schwierig, wenn die<br />

Politik zu sehr in die För<strong>der</strong>ungsstrukturen eingreift,<br />

weil politische Tendenzen selten etwas<br />

mit kulturellem Verständnis o<strong>der</strong> Interesse zu<br />

tun haben. Dumm nur, dass Kulturför<strong>der</strong>ung immer<br />

Politik ist. Erfreulich hingegen ist festzustellen,<br />

dass jene Politik, die verstanden hat, dass<br />

Kulturför<strong>der</strong>ung ein Verwaltungsauftrag ist und<br />

kein «Machauftrag», effektiv funktioniert und<br />

eben zum «Macht Kultur!» motiviert, die wie<strong>der</strong>um<br />

ihren Teil in die Politik, in die Gesellschaft<br />

zurückspielen kann. In den letzten zwei Jahren<br />

hat sich in dieser Hinsicht gesamtschweizerisch<br />

viel bewegt. Zwar wurden alte Strukturen auseinan<strong>der</strong>gerissen,<br />

wie zum Beispiel beim Film<br />

o<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Pro Helvetia, und viele KünstlerInnen<br />

und Institutionen bangen deswegen um ihre<br />

Existenz o<strong>der</strong> müssen sich in einem neuen und<br />

schwierigen Umfeld defi nieren und behaupten.<br />

Aber tendenziell ist <strong>der</strong> eingeschlagene Kurs<br />

positiv zu werten. Eben, die öffentliche Hand<br />

nimmt mehr und mehr die Verwaltungsfunktion<br />

in einer an<strong>der</strong>en Form war. Man bedenke, Kulturför<strong>der</strong>ung<br />

ist selber in einem schwierigen<br />

Umfeld einer sich dauernd wechselnden Struk-<br />

tur. Die politischen und <strong>wirtschaft</strong>lichen Winde,<br />

personeller Wechsel in Ämtern, verän<strong>der</strong>n die<br />

Kursmöglichkeiten andauernd. Umso wichtiger<br />

also, dass die Gesetzbebungen, die Konzepte und<br />

die Verwaltungsapparate so transparent, neutral<br />

und personenunabhängig gebaut werden wie<br />

nur möglich. Diese Prozesse sind für aussenstehende<br />

manchmal schwer nachzuvollziehen – entsprechend<br />

können die Reaktionen sein.<br />

Einen solch positiven Wandel hat die Stadt<br />

Bern hinter sich. Die neu veröffentlichte Liste<br />

<strong>der</strong> gesprochenen Beiträge 2009 vom Amt<br />

für Kulturelles <strong>der</strong> Stadt Bern (im Internet auf<br />

www.bern.ch unter Kulturför<strong>der</strong>ung zu fi nden)<br />

ist ein spannendes Kulturaktions-Dokument<br />

aus <strong>der</strong> Hauptstadt geworden. Zwar könnte die<br />

Liste noch mehr Inhalt liefern und dabei auch<br />

gleich als Tätigkeitsbericht o<strong>der</strong> eine Art «Lexikon<br />

<strong>der</strong> städtischen Kulturprojekte» dienen,<br />

doch wir sind schon froh, überhaupt eine solche<br />

Transparenz zu haben. Darin liest sich <strong>der</strong> eingeschlagene<br />

Weg <strong>der</strong> überarbeiteten Abteilung<br />

Kulturelles, welcher jetzt nach zwei Jahren sichtbar<br />

wird und die Umsetzung o<strong>der</strong> Interpretation<br />

des Kulturkonzeptes dieser Stadt. Die Abteilung<br />

selber ist kaum mehr in den Schlagzeilen, generell<br />

in den Medien nicht präsent, jedoch beginnt<br />

das kulturelle Schaffen spürbar wie<strong>der</strong> zu «blubbern»<br />

– wie vor zehn Jahren. Dabei waren die<br />

Voraussetzungen vor zwei Jahren alles an<strong>der</strong>e als<br />

einfach.<br />

Sobald die öffentliche Hand zu sehr in den<br />

kulturellen Raum eingreift, stirbt <strong>der</strong> Geist <strong>der</strong><br />

kulturellen Selbstfi ndung. Das heisst zum einen,<br />

nicht zuviel Geld zu verteilen und an<strong>der</strong>erseits,<br />

vorsichtig zu sein mit dem öffentlichen Einfl uss.<br />

Ich bin deswegen über Zürich erstaunt, eine so<br />

grosse bedeutende Stadt, die im Vergleich zu früher<br />

(60er- und 70er-Jahre) kaum mehr eine solche<br />

kulturelle Eigendynamik präsentieren kann.<br />

Im Vergleich: In Bern zählen wir pro Woche 200<br />

bis 250 kulturelle Happenings. In Zürich sind<br />

es ebenso viele – doch die Stadt ist mindestens<br />

dreimal grösser als Bern.<br />

Kultur stirbt nicht aus, sie verän<strong>der</strong>t sich nur.<br />

Und das Kulturverhalten einer Gesellschaft kann<br />

gesteuert werden – es braucht dafür Raum. Und<br />

diese Räume werden durch das politische Bewusstsein<br />

defi niert. Deswegen: Zürich war auch<br />

mal an einem an<strong>der</strong>en Punkt – und es kann auch<br />

durchaus wie<strong>der</strong> dahin zurück. Bern hat dies ja<br />

auch bewiesen.<br />

ensuite - kulturmagazin Nr. 87 | März 2010 5

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