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Schamanistisch geprägte Höhlenmalereien im Gilf el ... - Roland Keller

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<strong>Schamanistisch</strong> geprägte Höhlenmalereien <strong>im</strong> <strong>Gilf</strong> <strong>el</strong> Kebir<br />

am Beispi<strong>el</strong> der Mestekawi-Foggini-Höhle und Höhle der Schw<strong>im</strong>mer.<br />

<strong>Roland</strong> K<strong>el</strong>ler<br />

mail:k<strong>el</strong>ler@rolandk<strong>el</strong>ler.org | http://www.rolandk<strong>el</strong>ler.org | Augustinergasse 21 | CH-4051 Bas<strong>el</strong>/Schweiz | ROLAND KELLER<br />

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<strong>Schamanistisch</strong> geprägte Höhlenmalereien <strong>im</strong> <strong>Gilf</strong> <strong>el</strong> Kebir<br />

am Beispi<strong>el</strong> der Mestekawi-Foggini-Höhle und Höhle der Schw<strong>im</strong>mer.<br />

<strong>Roland</strong> K<strong>el</strong>ler<br />

Im ägyptischen Gebiet von <strong>Gilf</strong> <strong>el</strong> Kebir, <strong>im</strong> Grenzdreieck Lybien, Sudan und Aegypten, liegen<br />

zahlreiche Höhlen und R<strong>el</strong>ikte aus verschiedenen Steinzeitepochen. Besonders berühmt sind die<br />

Höhlen Wadi Sura 3A (“Höhle der Schw<strong>im</strong>mer”) und 3B, die nur wenige Meter voneinander getrennt<br />

sind, und die Mestekawi-Foggini-Höhle, in der sich die ausgedehntesten und reichhaltigsten Petroglyphen<br />

und Wandmalereien finden. Die Mestekawi-Foggini-Höhle liegt ca. 25 km ( N23°38,379 /<br />

S25°12,649) von der „Höhle der Schw<strong>im</strong>mer“ entfernt. Die Malereien in diesen Höhlen wurden bis<br />

anhin in eine Zeit von rund 4’300 Jahren v. Chr. datiert.<br />

Bei Betrachtung dieser drei Höhlen fällt auf, dass die Malereien in der Wadi Sura 3B mit grösster<br />

Wahrscheinlichkeit Szenen der Rinderwirtschaft (Abb. 001) und der Jagd darst<strong>el</strong>len (Abb. 002). Es<br />

finden sich Darst<strong>el</strong>lungen von Menschen, die sich an Rindern zu schaffen machen, und Bogenschützen.<br />

Andere Tiere als Rinder sind nicht dargest<strong>el</strong>lt (Betr. Bildbearbeitung siehe S. 10).<br />

Abb. 001 und 002: Szenen der Rinderwirtschaft und der Jagd in der Höhle Wadi Sura 3B. Der Malstil<br />

in den Höhlen Wadi Sura 3A und Mestekawi-Foggini-Höhle mutet identisch an, unterscheidet sich<br />

aber deutlich von demjenigen der Wadi Sura 3B (siehe z.B. Abb. 003).<br />

Abb 003: Darst<strong>el</strong>lung von Menschen in der Wadi Sura 3A. Sie unterscheidet sich von derjenigen in der<br />

Wadi Sura 3B (Abb. 001 u. 002).<br />

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Abb. 004 (oben): “Schw<strong>im</strong>mer” in der Mestekawi-Foggini-Höhle. Abb. 005 (unten): Darst<strong>el</strong>lung der<br />

berühmten “Schw<strong>im</strong>mer” in der Wadi Sura 3A-Höhle.<br />

In der Wadi Sura 3A finden sich Abbildungen von “Schw<strong>im</strong>mern”, die vom Malstil her nicht von den<br />

“Schw<strong>im</strong>mern” in der Mestekawi-Foggini-Höhle zu unterscheiden sind. Diese “Schw<strong>im</strong>mer” insbesondere<br />

sind ein verbindendes Element der beiden Höhlen (Abb. 004 u. 005). In der Wadi Sura 3A sind<br />

zudem ein Rind und eine Giraffe dargest<strong>el</strong>lt (Abb. 006 und 007), in der Mestekawi-Foggini-Höhle<br />

zudem eine Reihe anderer Tiere: Strauße, verschiedene Gaz<strong>el</strong>lenarten, ein Steinbock, zwei weisse,<br />

pferdeähnliche Tiere und, als grösstes Tier, Giraffen.<br />

Abb. 006 (links): Rind und Jäger mit Wurfholz. Abb. 007 (rechts): Giraffe und Jäger(?) mit<br />

Schnab<strong>el</strong>kopf, in einen F<strong>el</strong>sspalt gemalt. Wadi Sura 3A, “Höhle der Schw<strong>im</strong>mer”.<br />

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<strong>Schamanistisch</strong>e Darst<strong>el</strong>lungen in der Wadi Sura 3A- und Mestekawi-Foggini-Höhle<br />

Frappant ist, dass sich in beiden Höhlen identische Darst<strong>el</strong>lungen von “Schw<strong>im</strong>mern”, wie oben<br />

erwähnt, von Giraffen und auch von einem scheinbar kopflosen, tierartigen Wesen finden, das in der<br />

Wadi Sura 3A einmal und in der Mestekawi-Foggini-Höhle häufig und in verschiedensten Grössen<br />

auftaucht (Abb. 008, 009, 010).<br />

Abb. 008 (links), 009 (rechts): Wadi Sura 3A, “Kopfloses Wesen” und die dazugehörige Szene.<br />

Dieses kopflose Wesen dominiert die Darst<strong>el</strong>lungen. Es wird von Le Qu<strong>el</strong>lec als das “Tier” (“la bête”)<br />

bezeichnet und von ihm in seinen verschiedenen Formen ohne weitere Deutung ausführlich beschrieben:<br />

http://rupestres.perso.neuf.fr/page2/page7/assets/Chamanisme-01.pdf<br />

http://rupestres.perso.neuf.fr/page2/page7/assets/ArcheoNil_2005.pdf<br />

Miroslav Barta sieht darin die ägyptische H<strong>im</strong>m<strong>el</strong>sgöttin Nut.<br />

http://egyptologie.ff.cuni.cz/?req=doc:barta<br />

Abb. 010: Das “Tier” (“la bête”) in seiner merkwürdigsten Darst<strong>el</strong>lungsform; Mestekawi-Foggini-Höhle.<br />

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Nut wurde bei den Aegyptern u.a. auch als H<strong>im</strong>m<strong>el</strong>skuh abgebildet, wobei die vier Hufe die vier H<strong>im</strong>m<strong>el</strong>srichtungen<br />

darst<strong>el</strong>lten und die Göttin Nut das Band der Milchstraße symbolisierte. Dabei beziehen<br />

sich Ägyptologen wie Kurt Sethe, Ari<strong>el</strong>le Kozloff und Ronald W<strong>el</strong>ls u.a. auf Spruch 176 des ägyptischen<br />

Totenbuches, w<strong>el</strong>ches das Sternenband der Milchstrasse <strong>im</strong> Zusammenhang mit der Göttin Nut<br />

nennt. http://de.wikipedia.org/wiki/Nut_(Ägyptische_Mythologie<br />

Somit wird das “Tier” als Darst<strong>el</strong>lung einer Kuh interpretiert (Barta), oder als “verschlingendes Tier”<br />

(Le Qu<strong>el</strong>lec) nicht weiter klassifiziert.<br />

Wir sind nun der Ansicht, dass es sich be<strong>im</strong> “Tier” am ehesten um die Darst<strong>el</strong>lung von Giraffen in<br />

einem schamanistischen Kontext hand<strong>el</strong>t, und zwar auf Grund folgender Ueberlegungen:<br />

Darst<strong>el</strong>lungen von Rindern kommen in der Mestekawi-Foggini-Höhle nicht vor, während in der Wadi<br />

Sura 3A-Höhle ein Rind dargest<strong>el</strong>lt ist, nebst einer Giraffe. In der Mestekawi-Foggini-Höhle sind vi<strong>el</strong>e<br />

der dargest<strong>el</strong>lten Tiere eindeutig als Giraffen identifizierbar (Abb. 007, 011). Offensichtlich ist die<br />

Giraffe als grösstes Tier von einiger Bedeutung.<br />

Abb.011: Darst<strong>el</strong>lung zweier Giraffen, Mestekawi-Foggini-Höhle.<br />

Das “Tier” hat offensichtlich keinen Kopf; Kopf und Hals, wenn es sich denn um eine Giraffe hand<strong>el</strong>t,<br />

wie wir vermuten, wurden entfernt. Die entsprechende photographische Montage einer Giraffe zeigt,<br />

wie man zur Körperform des Wesens kommen kann (Abb. 012 - 014). Zur Giraffe passen auch die<br />

paarigen Hufe, die langen Extremitäten, deren Enden in manchen Darst<strong>el</strong>lungen freilich abgeschnitten<br />

sind, die prominente Brustpartie und der dünne Schwanz mit Quaste.<br />

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Abb. 012, 013, 014, von links nach rechts, Bildmontage: Abb. 012 zeigt die prominente Schulter-Brustmuskulatur<br />

(rot) über dem Vorderbein, was dem “Tier” sein charakteristisches Aussehen gibt. Abb.<br />

013: Zustand nach Entfernung von Kopf und Hals. Abb. 014: Giraffenbalg nach Entfernung des<br />

Fleisches und der Knochen.<br />

Zugegebenermassen passen, von den langen Extremitäten und der hochsitzenden Schulter-Brustmuskulatur<br />

abgesehen, die genannten Merkmale auch zu anderen Paarhufern. In zwei Abbildungen<br />

sind die dargest<strong>el</strong>lten Wesen als männlich identifizierbar (Abb. 015; 010, 022 resp. 026).<br />

Abb. 015: Vier kleinere Darst<strong>el</strong>lungen und eine grosse Abbildung des “Tieres”. Be<strong>im</strong> grossen “Tier”<br />

rechts manipuliert ein liegender Mensch dessen Penis. Auffällig ist die menschliche (?) knieende<br />

St<strong>el</strong>lung der Beine. Verschiedene Menschen machen sich am Tier zu schaffen, u.a. an dessen Kopf.<br />

<strong>Schamanistisch</strong>e Elemente<br />

Die zentrale Figur des Schamanismus ist der Schamane, der zwischen der diesseitigen und der jenseitigen<br />

W<strong>el</strong>t vermitt<strong>el</strong>t. Als wesentliche Elemente der schamanistischen Praxis g<strong>el</strong>ten veränderte Bewusstseinszustände<br />

(Trance, Ekstase) und das Motiv der Se<strong>el</strong>enreise. In den frühen Ges<strong>el</strong>lschaften<br />

der Wildbeuter (Jäger und Sammler) spi<strong>el</strong>en übermenschliche Wesen eine zentrale Rolle als Zuführer<br />

von Jagdbeute und Nahrung. http://de.wikipedia.org/wiki/Schamanismus<br />

In Bezug zu unserem Thema hat sich auch Le Qu<strong>el</strong>lec zu schamanistischen Aspekten geäussert:<br />

http://www2.cnrs.fr/presse/journal/4572.htm<br />

http://www.saharajournal.com/<br />

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http://www.aars.fr/liens_de.html<br />

Auffällig sind die Beine und Beinst<strong>el</strong>lungen der kopflosen “Tiere”. In den Darst<strong>el</strong>lungen sind alle anderen<br />

Tiere stets mit vier Beinen abgebildet. In der Abb. 015 finden sich vier kleinere kopflose “Tiere”,<br />

die offensichtlich springen oder gehen; sie alle haben zwei hintere und nur eine vordere Extremität,<br />

wie schon Le Qu<strong>el</strong>lec festgehalten hat. Eine mögliche Interpretion der einz<strong>el</strong>nen Vorderextremität<br />

wäre, dass die vorderen Beine jeweils zusammen gebunden sind. Einzig das “Tier” in Abb. 016 zeigt<br />

vier Beine, das grosse in Abb. 015 nur deren zwei. In der Reg<strong>el</strong> scheinen die “Tiere” zu stehen oder<br />

sich auf der vorderen Extremität abzustützen.<br />

Abb. 016: Die Darst<strong>el</strong>lung zeigt ein “Tier”, dem ein Kind oder ein kleiner Mensch dargeboten wird,<br />

oder es zeigt einen Menschen, der ein Kind in Empfang n<strong>im</strong>mt (rechts). Dieses “Tier” hat ausnahmsweise<br />

vier Beine. Mestekawi-Foggini-Höhle.<br />

In zwei Szenen in der Mestekawi-Foggini-Höhle sind vermutlich “Tier”-Bälge dargest<strong>el</strong>lt (Abb. 017 u.<br />

018). Menschen in Tierbälgen, oder Tierwesen darst<strong>el</strong>lend, kommen in vi<strong>el</strong>en schamanistischen Kulturen<br />

vor. Ein Hinweis darauf könnten auch die für Tiere ungewöhnlichen G<strong>el</strong>enkst<strong>el</strong>lungen der Extremitäten<br />

in einigen (aber nicht allen) Darst<strong>el</strong>lungen sein, wenn man davon ausgeht, dass sich ein oder<br />

zwei Menschen <strong>im</strong> “Tier” befinden (Abb. 019 - 021).<br />

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Abb. 017 (links) u. Abb. 018 (rechts). Neben einem stehenden Menschen mit schwarzen Stief<strong>el</strong>n und<br />

einem Kleid (?)(links) resp. einem liegenden Menschen (rechts) scheint je ein Tierbalg in gleicher<br />

Position abgebildet zu sein. Mestekawi-Foggini-Höhle.<br />

Abb. 019 - 021: In Abb. 019 (oben links) und 020 (oben rechts) sind die für Tiere ungewöhnlichen<br />

G<strong>el</strong>enkst<strong>el</strong>lungen der Extremitäten damit erklärbar, dass vorne und hinten je ein Mensch <strong>im</strong> Balg<br />

kniet. Auch in Abb. 021 (unten links) ist die G<strong>el</strong>enkst<strong>el</strong>lung der vorderen Extremität nicht tiergerecht.<br />

Mestekawi-Foggini-Höhle.<br />

Als weitere schamanistische Elemente interpretieren wir die Tatsache, dass, abgesehen von zum Teil<br />

fehlenden Hufen (Abb. 020), das “Tier” in einz<strong>el</strong>nen Abbildungen neben Hufen auch Füsse besitzt<br />

(Abb.022). Tierhuf und Menschenfuss <strong>im</strong> gleichen Wesen sind ein bekanntes magisches Motiv, wie<br />

weitere Beispi<strong>el</strong>e illustrieren (Abb. 022 - 025).<br />

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Abb. 022: Die Hinterbeine des “Tieres” links weisen einen Huf (unten) und einen Fuss (oben) auf.<br />

Mestekawi-Foggini-Höhle. Zum Vergleich ein Schamane aus der Höhle Roc-aux-Sorciers (Frankreich).<br />

Abb. 023 (links): Schamane in einem Tierf<strong>el</strong>l. Abb. 024 (Mitte): Schamane rechts. Beide aus den<br />

Cavernes du Volp, Frankreich. Abb. 025 (rechts): Schamane als Löwenmensch. Karsthöhle<br />

Hohlenstein-Stad<strong>el</strong>, Deutschland.<br />

Drei der “Tiere” sind zusätzlich mit g<strong>el</strong>ben oder weissen Bändern mit Netzmustern verziert (Abb. 026 -<br />

028). Eine detailliertere fotografische Analyse lässt schmuckartige Bänder erkennen.<br />

Abb. 026 – 028: Zum Vergleich eine fotografische Detailanalyse des “Tieres” aus den Abb. 022 (Abb.<br />

026, links) und 008 (Abb. 028, rechts) sowie einer weiteren Darst<strong>el</strong>lung (Abb. 027, Mitte) bringt<br />

schmuckartige Bänder und Verzierungen zum Vorschein. Mestekawi-Foggini-Höhle.<br />

Des Weiteren besteht eine intensive Interaktion. Die Menschen sind um das Wesen gruppiert und wirken<br />

sehr lebhaft. Zum Teil geben sie sich die Hände und tanzen möglicherweise (Abb. 029). Andere<br />

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Abb. 029: Erklärung siehe Text. Mestekawi-Foggini-Höhle.<br />

gehen umher oder laufen, und ganz klar machen sich einige am “Tier” zu schaffen: Sie sind mit dem<br />

Genitale des Wesens in Kontakt (Abb. 021, 030, 031), machen in einem Fall irgend etwas am<br />

Vorderbein (Abb. 030), und in einigen Fällen kommt ein grosser oder kleiner Mensch aus dem Hals<br />

oder wird hineingeschoben (Abb. 016, 030, 031). Einige Gestalten haben weit gespreizte Beine und<br />

sind entweder tanzend oder als Frauen empfangend (Abb. 010 unten links, 032). Vi<strong>el</strong>e magere<br />

Gestalten, zum Teil in Haufen liegend und grösstenteils mit gespreizten, geraden Beinen sowie<br />

vereinz<strong>el</strong>t mit Schnab<strong>el</strong>-köpfen, könnten Tote darst<strong>el</strong>len (Abb. 033).<br />

Abb. 030 (links) und 031 (rechts). Erklärung siehe Text. Mestekawi-Foggini-Höhle.<br />

Abb. 032, links: Tanzende oder empfangende Frauen, um ein “Tier” gruppiert. Abb. 033: Vermutlich<br />

tote Gestalten, zum Teil mit Lendenschurz (?). Mestekawi-Foggini-Höhle.<br />

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Unklar ist für uns die Bedeutung der sog. “Schw<strong>im</strong>mer” (Abb. 004 u. 005). Sie wirken wie schwebende<br />

Gestalten und bewegen sich grösstenteils auf das “Tier” hin, soweit erkennbar jedoch ohne direkte<br />

Interaktion mit diesem.<br />

Verschiedene Darst<strong>el</strong>lungen weisen scheinbare Schäden auf, z.B. die galoppierende Giraffe in Abb.<br />

033. Diese wurden jedoch absichtlich mit einem Werkzeug verursacht; es hand<strong>el</strong>t sich um sog. Bannresp.<br />

Pickspuren. Damit sollte die Giraffe “gebannt”, d.h. am Weglaufen gehindert werden. Entsprechend<br />

wurden die Hufpartien gepickt. Gürt<strong>el</strong>förmige Pickspuren finden sich auch am verschlingenden<br />

Wesen in Abb. 026. Pickspuren als Jagdzauber findet man auch in europäischen Höhlen.<br />

http://www.seilnacht.com/Lexikon/Hoehlen.htm<br />

Datierung<br />

Abb. 033: Laufende Giraffe mit Pickspuren. Mestekawi-Foggini-Höhle.<br />

Für mögliche Bezüge zu andern Kulturkreisen ist die Datierung der Höhlen sehr wichtig. Wir haben die<br />

Höhle Wadi Sura 3A anhand eines gefundenen Holzstückes aus einem Spalt oberhalb der Malerei<br />

und anhand von Holzkohlenresten <strong>im</strong> Boden datiert. Die Radiocarbon-Analysen wurden freundlicherweise<br />

von Prof. Dr. P.M. Grootes <strong>im</strong> Leibniz Labor für Altersbest<strong>im</strong>mung und Isotopenforschung der<br />

Christian-Albrechts-Universität in Ki<strong>el</strong> vorgenommen. Die Analyse der Holzkohle datiert die Wadi Sura<br />

3A in einen Zeitraum von 6890 ± 27 Jahren BP (5838-5723 cal BC; 2σ, p = 95.4%), während die Analyse<br />

des Holzstückes einen Zeitraum von 5589 ± 28 Jahren BP ergab (4463 - 4354 cal BC; 2σ, p =<br />

95.4%).<br />

Unsere C 14 -Datierung bestätigt somit die bisherige Schätzung in etwa der Wadi Sura 3A anhand der<br />

Holzkohle b<strong>el</strong>egt eine Benützung der Höhle <strong>im</strong> Zeitraum zwischen 5838 und 5723 Jahren v. Chr.,<br />

diejenige des Holzstückes eine <strong>im</strong> Zeitraum zwischen 4463 und 4354 Jahren v. Chr. Die erste<br />

Datierung liegt rund 700 Jahre vor dem Beginn der Fayyum-A-Periode, die zweite fällt in die Mer<strong>im</strong>da-<br />

(5200 - 4100 Jahre v. Chr.), die El-Omari- (4600 - 4100 Jahre v. Chr.) und in die Badari-Periode<br />

(4500-4000 Jahre v.Chr.). Unsere C 14 -Datierung st<strong>im</strong>mt somit mit den bisherigen Schätzungen in etwa<br />

überein.<br />

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Bildbearbeitung<br />

Da die Wandmalereien zum Teil kaum mehr sichtbar sind, wurden die Bilder spektralanalytisch bearbeitet,<br />

um Details heraus zu heben. Es wurden keine Bildveränderungen vorgenommen.<br />

Zusammenfassung<br />

Insgesamt können wir festhalten, dass die Wandmalereien in den Höhlen Wadi Sura 3A und Mestekawi-Foggini<br />

am wahrscheinlichsten schamanistische und magische Szenen darst<strong>el</strong>len und das sog.<br />

“Tier” <strong>im</strong> gegebenen Kontext vermutlich eine hals- und kopflose Giraffe resp. ein Giraffenbalg ist. Die<br />

beschriebenen Szenen sind mit Ritualen von Empfängnis, Geburt und Tod vereinbar. Unsere Radiocarbon-Datierungen<br />

bestätigen die bisherigen Schätzungen der Besiedlung der Höhlen.<br />

Danksagung<br />

Wir danken Herrn Christian Kny für die Finanzierung der Forschungsreise und der Radiocarbon-<br />

Analysen, und Herrn Dr. med. Rolf Ehrsam für die Redaktion des Manuskripts.<br />

R.K<strong>el</strong>ler / rolandk<strong>el</strong>ler.org<br />

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