20.06.2015 Aufrufe

ZEITSCHRIFT FÜR DAS FEUERWEHRWESEN UND DEN BRAND- UND KATASTROPHENSCHUTZ

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>ZEITSCHRIFT</strong> <strong>FÜR</strong> <strong>DAS</strong> <strong>FEUERWEHRWESEN</strong> <strong>UND</strong> <strong>DEN</strong> <strong>BRAND</strong>- <strong>UND</strong> <strong>KATASTROPHENSCHUTZ</strong><br />

IBK-Ausbildungskonzept ergänzt. S. 2<br />

Fortbildung für Führungskräfte • S. 4<br />

Unfallgeschehen • S. 9<br />

Offizielles Mitteilungsblatt des Landesfeuerwehrverbandes Sachsen-Anhalt e. V. und der Feuerwehr-Unfallkasse Mitte


Mehr Putz als Schutz<br />

o Text: Ulrich Röfer (Halle)<br />

Abbildungen: Arnold Kaier: Feuerwehr-Kopfbedeckungen im Wandel der Zeit,<br />

Jestetten 2008; Husar. Illustriertes Magazin für Militärgeschichte, Nr. 2/2105<br />

Mit Kunst haben die hier abgebildeten<br />

prachtvollen Helme auf jeden Fall zu<br />

tun, auch wenn sie wenig zweckmäßig<br />

waren. Jeder von diesen Helmen ist<br />

ein kleines Kunstwerk für sich. Sie steilten<br />

mehr Repräsentation als Funktion<br />

dar. War diese Art beim Militär, woher<br />

sie stammen, noch zu tolerieren, bei<br />

der Feuerwehr hingegen gar nicht.<br />

Aber darauf wurde in den Anfängen<br />

kein besonderer Wert gelegt. Auffallen<br />

sollte und tat er, der nach der römischantiken<br />

Schutzgöttin der Künste benannte<br />

Minerva-Helm (ca. 330-300 v.<br />

Chr.).<br />

Dieser Helm wird von Fachleuten als<br />

korinthischer Helm bezeichnet, der,<br />

was seine funktionalen Elemente -<br />

Augenöffnung, Mundschutz, Nasal<br />

(Nasenschutz) und Kamm - betrifft,<br />

seiner Zeit weit voraus war. Beim<br />

Kampf wurde er, sonst auf den Hinterkopf<br />

geschoben, über das Gesicht Helm für Dragoneroffiziere, Frankreich, 1813<br />

gezogen. Es wird oft übersehen, dass<br />

Die griechische Göttin Minerva mit nach dieser Urtyp eigentlich schon alles<br />

ihr benanntem Helm (korinthischer Typ) enthielt, was die Schutzeigenschaf-.<br />

ten betraf. Alles das, was auf diesem<br />

Gebiet im Mittelalter sogar bis ins<br />

17. Jahrhundert "neu erfunden" wurde.<br />

Bei mythischen Figuren war aber,<br />

wie bei unserem Minerva-Helm, der<br />

Kamm überhoch dargestellt. Auch,<br />

um die alles übertreffende Ausstrahlung<br />

der Person und damit ihre Macht<br />

zu deklarieren. Helmkalotte und Kamm<br />

waren somit die besonderen Merkmale,<br />

welche die Renaissance dieses<br />

Helmes bei Militär und Feuerwehr bewirkten.<br />

Der aufkommende Neoklassizismus<br />

(1780-1840) machte außer in der Architektur<br />

auch im Militärwesen Furore.<br />

Das spiegelte sich auch in den Helmen,<br />

hauptsächlich der Reiterei (Kavallerie),<br />

wider. Die Infanterie schmückte sich<br />

gleichfalls damit. Sie wollten damit<br />

auch an die berühmten griechischen<br />

Hopliten-Krieger der Antike (4. Jh. v.<br />

Chr.) erinnern. Solche Helme fanden<br />

auch bei der Feuerwehr Eingang. 1840<br />

gab der König von Piemont dem Ma-<br />

Kürassieroffizier, Österreich, 1806, mit Helm ler Paliagi den Auftrag, die Form eines Feuerwehrhelm mt Paradebusch, Frankreich,<br />

mit überhohem Kamm Kavalleriehelms zu entwerfen. Heraus 1815


Feuerwehren in<br />

Sachsen-Anhalt<br />

Juni 2015<br />

Feuerwehrhelm<br />

1860<br />

für Offiziere, Bozen/ltalien,<br />

Feuerwehrhelm für Offiziere, Italien, ca.<br />

1880<br />

Feuerwehrhelm für Offiziere, Bologna/ltalien,<br />

1889<br />

kam in Anlehnung an den dominanten<br />

Helm der römischen Göttin Minerva (ehemals<br />

griechische Athene) ein in Fachkreisen<br />

als Minerva-Helm bezeichneter<br />

Helm. Herausragendes Merkmal, neben<br />

figürlicher Verzierung, war der<br />

überaus hohe Kamm. Neben dem dekorativen<br />

und damit visuellen Anspruch<br />

sollte er von oben geführten<br />

Säbelhieben Paroli bieten. So trugen<br />

ihn Kürassiere, Dragoner und Carabiniers,<br />

ob Offizier oder Mannschaft.<br />

Nach dem Zeitgeist versteht es sich<br />

von selbst, dass die der Offiziere besonders<br />

prunkvoll waren.<br />

Offiziershelm eines Reiterregiments, Reuss,<br />

1852<br />

Dieser Versuchung konnte auch die<br />

Feuerwehr nicht widerstehen. Obwohl<br />

in Italien kreiert, für die Verbreitung<br />

des Helms sorgte die militärisch organisierte<br />

Feuerwehr von Paris, und<br />

das weltweit. Obwohl man erkannt<br />

hatte, dass dieser pompöse Helm<br />

eher eine Unfallgefahr darstellte als<br />

schützend zu wirken, war man dem<br />

äußeren Eindruck erlegen. Auf jeden<br />

Fall sind diese Helme heute museal<br />

und Sammlerkostbarkeiten.<br />

1877 schrieb Magirus, die Unzweckmäßigkeit<br />

diese Helme betreffend:<br />

"Die Form des Helms soll eine gefällige<br />

und einfache sein mit möglichst<br />

Rücksichtsnahme auf den Hauptzweck<br />

des Helms, auf den Schutz gegen<br />

herabfallende Gegenstände. Heime<br />

mit hohem Kamm, wie solche in<br />

Nachahmung des Pariser Helms auch<br />

in einigen deutschen Feuerwehren<br />

Eingang gefunden haben, sind als unpraktisch<br />

zu verwerfen."<br />

/<br />

Pariser Feuerwehrhelm, 1815<br />

Dieser sogenannte Pariser Helm war<br />

nichts anderes als der Kampfhelm der<br />

französischen Dragoner (zu Fuß und<br />

Pferd kämpfende Soldaten), der mit<br />

dem Zeichen der gekreuzten Beile<br />

zum Feuerwehrhelm gemacht worden<br />

Kürassier in voller Monur mit Minerva-Helm<br />

mit hohem Raupenkamm, Kürass-Brustpanzer<br />

und Pallasch, Bayern, 1866


Juni 2015<br />

Feuerwehren in<br />

Sachsen-Anhalt<br />

war. Diese vorbenannten Helme waren<br />

durchaus von künstlerischem Wert.<br />

Kein Geringerer als Karl-Friedrich<br />

Schinkel entwarf 1820 einen Helm<br />

nach Typ Minerva für die preußische<br />

Kavallerie mit hohem Kamm. Er kam<br />

aber, vielleicht aus Vernunftgründen,<br />

nicht zur Einführung.<br />

War er bei den frühen Militärhelmen<br />

der Kavallerie für Putz und Schutz zuständig<br />

und oft durch seine protzige<br />

Form fragwürdig, stellte er später bei<br />

den Feuerwehrhelmen aus dünnem<br />

Messingblech oder Helmen mit Lederkorpus<br />

in praktischer Form eine stabilisierende<br />

Notwendigkeit dar.<br />

-<br />

So unzweckmäßig diese Helme für den<br />

Brandeinsatz auch waren, eines bewirkten<br />

sie auf jeden Fall: Sie machten<br />

den Kamm, Reiter, Raupe oder wie er<br />

in den deutschen Regionen auch genannt<br />

wurde, bei der Feuerwehr hoffähig.<br />

So wurde er zum Synonym des<br />

Feuerwehrhelms auf der ganzen Welt.<br />

Obwohl der Minerva-Helm bestimmt<br />

seinen Preis hatte, ist es vielleicht auch<br />

dem Anerkennungsstreben der frühen<br />

Feuerwehren geschuldet, sich damit<br />

visuell ins Licht zu rücken. Denn eines<br />

kann man diesen formschönen Heimen<br />

nicht absprechen, ihren dekorativen<br />

Schauwert.<br />

New South Wales/Austra-<br />

Feuerwehrhelm,<br />

lien, ca. 1950

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!