Ein Photovoltaik-Planspiel
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118<br />
Praxis<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Photovoltaik</strong>-<strong>Planspiel</strong><br />
Die Blechwarenfabrik Limburg, ein<br />
mittelständischer Traditionsbetrieb<br />
im Westen Hessens, hat ihren Auszubildenden<br />
die Aufgabe übertragen,<br />
für mehr Umweltschutz und Nachhaltigkeit<br />
im Unternehmen zu sorgen.<br />
Neben Ideen zu Abfallvermeidung<br />
und Energieeffizienz sollte die Nutzung<br />
erneuerbarer Energien ein Thema<br />
sein. Das haben fünf Auszubildende<br />
in Form einer <strong>Photovoltaik</strong>anlage<br />
umgesetzt, die sie selbst geplant,<br />
installiert und deren Entstehung sie<br />
ausführlich dokumentiert haben.<br />
Fünf Auszubildende errichten als Modellprojekt ein<br />
Solarkraftwerk für ihren Arbeitgeber<br />
Heike Aicher, Ruben Herold, Daniel<br />
Jung, Michael Morschhäuser und<br />
Matthias Wengenroth haben inzwischen<br />
Erfahrung mit dem Umweltschutz: Die<br />
Auszubildenden der Blechwarenfabrik<br />
Limburg GmbH in Limburg an der Lahn<br />
haben 2008 in verschiedenen Projektgruppen<br />
unter dem Motto »Nachhaltiges<br />
Arbeiten« die Abläufe und Materialflüsse<br />
innerhalb ihres Unternehmens untersucht<br />
und Verbesserungsmöglichkeiten<br />
erarbeitet. Mit dieser Arbeit gewannen sie<br />
letztes Jahr den Wettbewerb »Jugend pro<br />
Natur«. Im Anschluss erhielten sie den<br />
Auftrag, für ihren Arbeitgeber eine <strong>Photovoltaik</strong>anlage<br />
zu planen und zu bauen.<br />
Die Vorgaben der Geschäftsführung, welche<br />
die Kosten für das Projekt übernahm,<br />
waren knapp: Maximal fünf Kilowatt mit<br />
Produkten aus Deutschland sollten die<br />
Fünf installieren.<br />
Da keiner der fünf Auszubildenden<br />
Vorwissen im Bereich <strong>Photovoltaik</strong> mitbrachte<br />
– Aicher, Jung und Herold sind<br />
angehende Industriekaufleute, Morschhäuser<br />
und Wengenroth künftige Mechatroniker<br />
–, suchten sie sich professionelle<br />
Hilfe bei der Limburger Niederlassung der<br />
Geckologic GmbH. Das Systemhaus lieferte<br />
die Komponenten und begleitete die<br />
Jugendlichen während des gesamten Projektes:<br />
»Alle zwei bis drei Wochen haben<br />
wir uns zusammengesetzt und geplant«,<br />
erzählt Saskia Peukert aus dem Vertrieb<br />
von Geckologic, die gemeinsam mit ihrem<br />
Kollegen, dem Projektierer Christian<br />
Ott, die Auszubildendengruppe betreute.<br />
Mit den Ideengebern aus der Blechwarenfabrik,<br />
Nico Schmidt und Matthias<br />
Schöllgen, erstellten sie für die Projektgruppe<br />
<strong>Photovoltaik</strong> einen Fahrplan, der<br />
die Jugendlichen Schritt für Schritt an<br />
PHOTON Mai 2009
Christian Ott von Geckologic setzt mit dem angehenden<br />
Mechatroniker Matthias Wengenroth das letzte<br />
Modul der Azubi-<strong>Photovoltaik</strong>anlage ein<br />
das Thema heranführte. Im Juni 2008<br />
besuchten die fünf angehenden Projektierer<br />
Baustellen und eine <strong>Photovoltaik</strong>anlage<br />
bei einer Limburger Metallbaufirma,<br />
um die Technologie kennenzulernen.<br />
Ihr eigenes kleines Kraftwerk entwarfen<br />
sie dann am Computer und berechneten<br />
zwei Varianten: eine aufgeständerte<br />
Belegung des gesamten Daches und eine<br />
Schrägdachanlage auf einem Teildach, jeweils<br />
für eine Eigenfinanzierung und für<br />
eine Vollfinanzierung über die Kreditanstalt<br />
für Wiederaufbau und das LBS-Solarstromprogramm<br />
der Bausparkasse der<br />
Sparkassen LBS.<br />
Auf den Vorschlag von Geckologic hin<br />
entschied sich das Projektteam für polykristalline<br />
Module der Scheuten Solar<br />
Holding BV: »Wir wollten mit den Auszubildenden<br />
unbedingt einen Fabrikbesuch<br />
machen, und der ließ sich bei Scheuten<br />
am besten realisieren« so Saskia Peukert.<br />
Der Standort des Unternehmens in Gelsenkirchen<br />
ist von Limburg aus gut zu<br />
erreichen, und Scheuten erklärte sich zudem<br />
bereit, eine Werksbesichtigung auch<br />
für fachfremde Besucher zu organisieren.<br />
Beim Wechselrichter wählte die Gruppe<br />
einen Sunny Boy der SMA Solar Technology<br />
AG. Der Besuch in Niestetal steht allerdings<br />
noch aus.<br />
Entscheidung für die kleine Lösung<br />
Den Wirtschaftlichkeitsvergleich hat<br />
die kleinere Schrägdachvariante gewonnen,<br />
aus mehreren Gründen. Zum einen<br />
war sie wegen des geringeren Montageaufwandes<br />
preisgünstiger als die aufgeständerte<br />
Variante. Zum anderen musste das<br />
PHOTON Mai 2009<br />
Praxis<br />
Leseranlage »<br />
Schrägdach ohnehin saniert werden, »da<br />
bot sich das einfach an«, resümiert Nico<br />
Schmidt von der Blechwarenfabrik. Der<br />
ausgewählte Standort für das Solarkraftwerk,<br />
ein gut 70 Quadratmeter großes, um<br />
30 Grad geneigtes Schrägdach, weist nach<br />
Südosten. 24 Multisol-Module von Scheuten<br />
Solar und damit 4,8 Kilowatt passen<br />
auf die Fläche, die wegen eines Lüftungsschachtes<br />
nicht vollständig belegt werden<br />
konnte. Die Vorgabe der Geschäftsführung<br />
von fünf Kilowatt wurde damit<br />
fast perfekt erfüllt. 23.304,40 Euro netto<br />
haben die Auszubildenden ihrem Arbeitgeber<br />
dafür berechnen dürfen. Bezahlt<br />
hat er aus Eigenkapital. Als Ertrag veranschlagten<br />
die Auszubildenden 872 Kilowattstunden<br />
pro Kilowatt und Jahr. Somit<br />
hat das Kraftwerk mit der 2008 geltenden<br />
<strong>Ein</strong>speisevergütung von 46,75 Cent pro<br />
Kilowattstunde die Investition nach 12<br />
Jahren wieder eingespielt. Die Rendite auf<br />
das investierte Kapital liegt bei rund drei<br />
Prozent – bei den hohen Anlagenpreisen<br />
in 2008 ein durchaus gängiger Wert.<br />
Letzter Schritt: Die Montage<br />
Im November haben die fünf Lehrlinge<br />
mithilfe von Christian Ott die Anlage<br />
montiert. Bei den vorangegangenen Sanierungsarbeiten<br />
am Dach wurden bereits<br />
Haken für die Montageschienen angebracht,<br />
die in den darunter liegenden<br />
Streben verankert wurden. Die Schienen<br />
haben die Jugendlichen selbst zurechtgesägt,<br />
gebohrt und an die Dachhaken geschraubt.<br />
Wegen des für die Modulmontage<br />
ungünstigen Abstandes der Streben<br />
steht der Montagerahmen unter den Modulen<br />
etwas vor. »Leider besteht das Dach<br />
ansonsten aus porösem Gasbeton, der<br />
würde die Anlage nicht tragen«, bedauert<br />
Nico Schmidt, dass das Kraftwerk dadurch<br />
nicht ganz perfekt aussieht. Die Kabel haben<br />
die Auszubildenden ebenfalls selbst<br />
verlegt. Der Wechselrichter befindet sich<br />
Das <strong>Photovoltaik</strong>projektteam präsentiert die Anlage am Computer des Mitarbeitertreffpunkts<br />
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Guido Schiefer / photon-pictures.com (2)
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Praxis<br />
Das Projektteam <strong>Photovoltaik</strong>: Ruben Herold, Heike Aicher, Daniel Jung und Matthias Wengenroth (von links nach rechts) sind Auszubildende der Blechwarenfabrik Limburg,<br />
auf dem Bild fehlt Michael Morschhäuser. Saskia Peukert und Christian Ott (Mitte) betreuten das Team von Seiten der Geckologic GmbH, Nico Schmidt (unten) von<br />
Seiten der Blechwarenfabrik; stehend Dietmar Ludwig, Niederlassungsleiter von Geckologic in Limburg.<br />
im Keller direkt am <strong>Ein</strong>speisepunkt. Letzterer<br />
war auch für die einzige kleine Panne<br />
bei den Planungen verantwortlich.<br />
Erst auf Nachfrage des Netzbetreibers fiel<br />
dem Projektteam auf, dass die Fabrik über<br />
Starkstromanschlüsse mit 20.000 Volt<br />
mit dem Stromnetz verbunden ist. Daran<br />
kann ein Wechselrichter, der mit 220<br />
Volt ins Netz einspeist, nicht angeschlossen<br />
werden. Zum Glück erinnerte sich ein<br />
Elektriker der Blechwarenfabrik an einen<br />
alten Anschluss im Keller, an dem die normale<br />
Haushaltsspannung zur Verfügung<br />
stand. So konnte die Anlage ohne größere<br />
Probleme doch ans Netz. Und einen Lerneffekt<br />
gab es auch, freut sich Ludwig: »Das<br />
gehört zu den wichtigsten Dingen, an die<br />
man denken muss: Selbstverständlichkeiten<br />
abklären!«<br />
Am 18. Dezember ging die Anlage ans<br />
Netz und speist seither störungsfrei Strom<br />
ins Netz der Energieversorgung Limburg<br />
GmbH ein. Was noch fehlt, ist die Übertragung<br />
der Ertragsdaten auf den Informationsbildschirm<br />
im <strong>Ein</strong>gangsbereich<br />
der Blechwarenfabrik. Daran arbeiten die<br />
Auszubildenden aus der Informations-<br />
technik, erzählt Matthias Wengenroth.<br />
»Das soll in den nächsten Wochen passieren,<br />
wenn es in ihren Ausbildungsplan<br />
passt«, hofft er. Der Ertrag in Kilowattstunden<br />
wird bereits über das Sunny Boy-<br />
System von SMA erfasst. »Da schaue ich<br />
regelmäßig rein und kontrolliere den Ertrag«,<br />
sagt Ruben Herold. Daniel Jung er-<br />
gänzt, er habe eine Tabelle für die Erträge<br />
angelegt, in die er die Summe der gezahlten<br />
<strong>Ein</strong>speisevergütung einträgt. Alle fünf<br />
haben die Arbeit genossen, gerade weil sie<br />
sich in Bereiche eindenken mussten, mit<br />
denen sie ansonsten in ihrer Ausbildung<br />
kaum Kontakt haben. »Ich war schon stolz<br />
nachher sagen zu können, das habe ich<br />
Jeder Arbeitsschritt bei der Montage wurde den Jugendlichen von Geckologic-Techniker Christian Ott (rechts)<br />
genau erklärt<br />
PHOTON Mai 2009<br />
Guido Schiefer / photon-pictures.com (2)
Daten zu dieser Anlage<br />
Leistung:<br />
4,8 Kilowatt<br />
Module:<br />
24 Scheuten Multisol P6-54 à 200 Watt<br />
Modulfläche:<br />
36 Quadratmeter<br />
Ausrichtung und Neigungswinkel:<br />
30 Grad Südost, 30 Grad Neigung<br />
Wechselrichter und Verschaltung:<br />
SMA Sunny Boy 4200TL HC ESS mit 2 Strings<br />
Inbetriebnahme:<br />
18.12.2008<br />
Stromertrag:<br />
voraussichtlich 4.187 Kilowattstunden pro Jahr<br />
Investitionskosten:<br />
23.304 Euro (ohne Mehrwertsteuer)<br />
Finanzierung:<br />
100 Prozent Eigenkapital<br />
PHOTON Mai 2009<br />
alles auch mit aufs Dach gebracht«, fasst<br />
es Aicher zusammen. »Das war eine tolle<br />
Erfahrung.«<br />
Nachahmer willkommen<br />
Peukert, Ott und Ludwig wünschen<br />
sich bald neue Partner für ihr Projektmodell.<br />
»Wir sind schon im Gespräch<br />
mit anderen Firmen, aber ein konkretes<br />
neues Auszubildendenprojekt gibt es bisher<br />
nicht«, umreißt Ludwig den Stand der<br />
Dinge. Die Methode bietet Geckologic<br />
eine Möglichkeit, direkt neue Firmenkunden<br />
zu gewinnen – auch wenn die Beteiligung<br />
der Jugendlichen zeitaufwendig ist.<br />
»Die sieben Monate, die das jetzt gedauert<br />
hat, muss man für eine solche Auszubildendenanlage<br />
schon veranschlagen«,<br />
meint Peukert. Vor allem die gemeinsame<br />
Terminfindung zwischen Berufsschultagen<br />
und Ferienzeiten sei oft schwierig gewesen.<br />
Neben dem direkten Verkauf nimmt<br />
das hessische Systemhaus auch den indirekten<br />
Werbeeffekt ernst: »Wir bringen<br />
jungen Leuten die <strong>Photovoltaik</strong> näher und<br />
Auf diesen Seiten stellen wir regelmäßig<br />
Solarstromanlagen unserer Leser vor.<br />
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Sie uns bitte ein Foto sowie eine kurze Beschreibung<br />
der Anlage. Das Foto dient nur der Vorauswahl. Sollten<br />
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ıı<br />
tragen so auch dazu bei, dass Solarstrom<br />
eine Selbstverständlichkeit wird«, erklärt<br />
Ludwig. Die <strong>Photovoltaik</strong>anlage der<br />
Blechwarenfabrik funktioniert jedenfalls<br />
als Werbeträger: Sie ist Gesprächsthema<br />
unter den Kollegen und wird bei Werksbesichtigungen<br />
vorgeführt. Auch die Auszubildenden<br />
werden häufig nach ihren Erfahrungen<br />
gefragt. Was die Menschen am<br />
meisten interessiert? »Die Leistung – und<br />
der Preis«, fasst Matthias Wengenroth zusammen.<br />
Neelke Wagner<br />
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