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Sexualität im Alter

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<strong>Sexualität</strong> <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

Rainer Kortus<br />

Klinik für <strong>Alter</strong>spsychiatrie und<br />

–psychotherapie<br />

Klinikum Schloß Winnenden<br />

Zentrum für Psychiatrie Winnenden<br />

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� Einführung<br />

Gliederung I<br />

� Normen des <strong>Alter</strong>s und der <strong>Alter</strong>ssexualität?<br />

� Liebeslust bei Älteren<br />

� <strong>Sexualität</strong> und Lebensqualität <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� <strong>Sexualität</strong> (vorwiegend) von Frauen <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Erfahrungen mit sexualisierter männlicher<br />

Gewalt in der Biografie älterer Frauen<br />

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Gliederung II<br />

� Problemfeld <strong>Sexualität</strong> bei der Pflege alter<br />

Menschen<br />

� <strong>Sexualität</strong> <strong>im</strong> Altenhe<strong>im</strong><br />

� Psychotherapie mit Älteren<br />

In Anlehnung an: Karl-Hubert Remlein, Gerhard Nübel (Hrsg.):<br />

Geschlechtslos <strong>im</strong> <strong>Alter</strong>? – Aspekte zur <strong>Alter</strong>ssexualität, Jahrbuch der<br />

Gerontopsychiatrie, Verlag Jakob van Hoddis, Gütersloh, 1999<br />

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Filmausschnitt<br />

„Wolke 9“<br />

von Andreas Dresen<br />

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Normen des <strong>Alter</strong>s und der<br />

<strong>Alter</strong>ssexualität?<br />

� Wann ist man alt? Sicht der Jugend und<br />

des <strong>Alter</strong>s<br />

� Erleben des <strong>Alter</strong>ns und des <strong>Alter</strong>s<br />

� Gesellschaftliche Grenzziehungen<br />

� <strong>Sexualität</strong>: alt mit 40 oder mit 60?<br />

� Frauen: Fertilität, Libido<br />

� Männer: sexuelle Potenz und<br />

Koitusfrequenz<br />

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Normen des <strong>Alter</strong>s und der<br />

<strong>Alter</strong>ssexualität?<br />

� Der genormte Körper: Body-Building,<br />

Schönheitschirurgie, Wellness, Beauty-<br />

Farm, „toll und sexy aussehen“<br />

� Frauen: Vergleich mit Jüngeren und<br />

Schönheitsoperierten; dauerhaft sexuell<br />

potent und koitusfähig<br />

� Männer: Sexuelle Potenz rückäufig bis zur<br />

Impotenz (häufig bei Erkrankungen und<br />

Operationen)<br />

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Normen des <strong>Alter</strong>s und der<br />

� Die <strong>Sexualität</strong>:<br />

<strong>Alter</strong>ssexualität?<br />

� „Ein richtiger Mann kann <strong>im</strong>mer“: enormer<br />

Leistungsdruck „Viagra“ u.a.<br />

� Bei Abnahme der Potenz: „andere<br />

Spielarten der <strong>Sexualität</strong>“: Küssen,<br />

Streicheln, Zärtlichkeit, Oralverkehr usw.<br />

� Sollen/müssen Frauen sich darauf<br />

einstellen? – Lesbische Beziehungen<br />

eingehen oder masturbieren?<br />

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� Fazit:<br />

Normen des <strong>Alter</strong>s und der<br />

<strong>Alter</strong>ssexualität?<br />

� Die sexuelle Biographie legt den<br />

Grundstein für die <strong>Alter</strong>ssexualität<br />

� Zunehmend finden „alte Frauen“ über 70<br />

mehr Spaß am Sex als früher<br />

� Alte Denkschemata müssen verlassen<br />

werden!<br />

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Liebeslust bei Älteren<br />

� Liebe und Erotik werden <strong>im</strong> <strong>Alter</strong> völlig<br />

verschieden gelebt: Verzicht auf sexuelle<br />

Aktivität, Geschlechtsverkehr,<br />

Selbstbefriedigung, „nur“ Zärtlichkeiten;<br />

Flirts, Wert legen auf gutes Aussehen,<br />

kulturelle Aktivitäten; - enge Beziehung<br />

von <strong>Sexualität</strong> und Liebe<br />

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Liebeslust bei Älteren<br />

� Literatur ist voll von Beispielen: Goethe,<br />

Victor Hugo, Tolstoi, (Homosexuelle)<br />

Michelangelo, André Gide<br />

� Claire Goll (1890-1977):<br />

� „Die Liebe hat weder mit dem Geburtsdatum<br />

noch mit Schönheit oder Gesundheit zu tun. Mit<br />

achtzig Jahren kann man lieben wie mit<br />

sechzehn. Die Falten graben sich ins Gesicht ein,<br />

aber nicht ins Herz oder ins Geschlecht.“<br />

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Liebeslust bei Älteren<br />

� Interesse an<br />

<strong>Sexualität</strong> bei<br />

Menschen bis Mitte<br />

70:<br />

� Frauen ca. 66%<br />

� Männer ca. 80%<br />

� Älter als 75:<br />

� Frauen ca. 25%<br />

� Männer ca. 30-50%<br />

� Erotische Träume<br />

berichten bei 60-80<br />

Jährigen:<br />

� Frauen ca. 66%<br />

� Männer ca. 33%<br />

� Erotische Phantasien:<br />

� Frauen ca. 50%<br />

� Männer ca. 90%<br />

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Liebeslust bei Älteren<br />

(Einflüsse auf die <strong>Sexualität</strong>)<br />

� Physiologische körperliche Veränderungen<br />

� Krankheiten – Einfluss v.a. bei Männern<br />

(Prostata, Diabetes, Hypertonie, div.<br />

Medikamente)<br />

� Partnersituation: „Frauenüberschuss“ ist aus<br />

Sicht der Frauen „Männermangel“:<br />

Lebenserwartung der Frauen +7 Jahre, Zeit der<br />

Verwitwung ca. 14-15 Jahre (Ehefrauen sind oft<br />

jünger als ihr Partner)<br />

� Über 65 Jahre sind 75% der Männer verheiratet<br />

und fast 75% der Frauen allein lebend<br />

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Liebeslust bei Älteren<br />

(Einflüsse auf die <strong>Sexualität</strong>)<br />

� <strong>Sexualität</strong> in der Biographie Älterer:<br />

� Unzureichende Aufklärung<br />

� Sex war oft „Tabu“<br />

� Religiöse und moralische Einschränkungen<br />

� „Doppelmoral“<br />

� Seinerzeit keine verlässlichen<br />

Verhütungsmittel<br />

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Liebeslust bei Älteren<br />

(Einflüsse auf die <strong>Sexualität</strong>)<br />

� Wohnsituation:<br />

� zu Hause<br />

� Altenhe<strong>im</strong>, Pflegehe<strong>im</strong> (mit wenig<br />

Diskretion, Raum für Int<strong>im</strong>ität –<br />

Doppelz<strong>im</strong>mer!, Eifersüchteleien unter<br />

Bewohnerinnen<br />

� Mit Familienangehörigen (bei Kindern):<br />

neue Partnerschaft wird von Kindern oft<br />

abgelehnt<br />

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Liebeslust bei Älteren<br />

(Einflüsse auf die <strong>Sexualität</strong>)<br />

� Medizinische Probleme:<br />

� Erektionsstörungen, Impotenzerlebnisse<br />

� Schmerzen be<strong>im</strong> GV<br />

� Kein Orgasmus ( bei 10-26% der Frauen nie <strong>im</strong><br />

Leben!) – Aufklärung und Partnergespräche über<br />

Möglichkeiten der sexuellen St<strong>im</strong>ulation<br />

� Erotische Langeweile in langfristigen<br />

Partnerschaften<br />

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<strong>Sexualität</strong> und Lebensqualität<br />

<strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Zum erfüllten Leben gehören Liebe und<br />

<strong>Sexualität</strong><br />

� Bei vielen Älteren besteht Sehnsucht nach<br />

Liebe und <strong>Sexualität</strong>, Zärtlichkeit,<br />

Lebendigkeit, Lust, Gesundheit<br />

� Befriedigende <strong>Sexualität</strong> hat einen<br />

salutogenetischen Charakter (bei Mamma-<br />

Ca, Migräne, Infekten, Inkontinenz)<br />

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<strong>Sexualität</strong> und Lebensqualität<br />

� Sexualstörungen:<br />

<strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Gesellschaftliche Entwertung Älterer n<strong>im</strong>mt<br />

diese auch als Sexualpartner nicht ernst<br />

� Hemmungen be<strong>im</strong> Gespräch über sexuelle<br />

Wünsche bei der älteren Generation<br />

� „Man spricht nicht darüber“: Ängste (z.B. vor<br />

Schwangerschaft), Masturbation, Einsamkeit,<br />

überhöhte Erwartungshaltung - Heuchelei<br />

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<strong>Sexualität</strong> und Lebensqualität<br />

<strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Hilfe durch Ärzte? – <strong>Sexualität</strong> ist keine<br />

Krankheit!<br />

� Paarberatung, Sexualtherapeuten,<br />

Literatur, (Internet)<br />

� Bei Beratung: Sensibilität, Partnerschaft<br />

ansprechen, Gesundheitsprobleme,<br />

medizinische Hilfsmittel und Medikamente<br />

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<strong>Sexualität</strong> und Lebensqualität<br />

<strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Impotenz ist schl<strong>im</strong>m für Mann und Frau;<br />

häufig psychogen: Leistungsdruck<br />

� Angst vor dem Versagen: ein aktuelles<br />

und verbreitetes gesellschaftliches<br />

Problem!<br />

� <strong>Sexualität</strong> ist keine Leistung sondern<br />

freiwilliges lustvolles Spiel<br />

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<strong>Sexualität</strong> und Lebensqualität<br />

<strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Vorsicht mit Hilfe durch sexuelle<br />

„Techniken“: klitoridaler/vaginaler<br />

Orgasmus, G-Punkt-St<strong>im</strong>ulation<br />

� Medikamente (Viagra, Skat-Spritze etc.) --<br />

-->überhöhte Erwartungshaltung, keine<br />

Allheilmittel!<br />

� Wichtiger: lebenslange Pflege von Liebe<br />

und <strong>Sexualität</strong>!<br />

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<strong>Alter</strong> [Jahre]<br />

<strong>Alter</strong>sstruktur der Weltbevölkerung bis 2050<br />

100<br />

80<br />

60<br />

40<br />

20<br />

0<br />

� � � �<br />

Jahr 1950<br />

Jahr 2050<br />

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nach United Nations Economic and Social Council, 2000


<strong>Sexualität</strong> (vorwiegend) von Frauen<br />

<strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� „Das <strong>Alter</strong> ist weiblich“ (Demographie)<br />

� Problemfelder: Autonomie, Isolation,<br />

Einsamkeit<br />

� Bei Verwitwung oft Einkommenseinbußen:<br />

kommunikative Möglichkeiten<br />

eingeschränkt<br />

� „Datenlage“ zur <strong>Sexualität</strong> Älterer (Frauen)<br />

insgesamt noch dürftig und unsicher<br />

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<strong>Sexualität</strong> (vorwiegend) von Frauen<br />

Nach Ortrun Jürgensen (1999)<br />

<strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

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<strong>Sexualität</strong> (vorwiegend) von Frauen<br />

Nach Ortrun Jürgensen (1999)<br />

<strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

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<strong>Sexualität</strong> (vorwiegend) von Frauen<br />

Nach Ortrun Jürgensen (1999)<br />

<strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

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<strong>Sexualität</strong> (vorwiegend) von Frauen<br />

<strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Erfahrungen <strong>im</strong> Pflegehe<strong>im</strong>:<br />

� <strong>Sexualität</strong> weitgehend unterdrückt<br />

� Wenig Einzelz<strong>im</strong>mer, Türen nicht<br />

abschließbar, Personal klopft nicht an,<br />

Abendessen um 16:30 Uhr, „zu Bett gehen“<br />

um 17:30 Uhr<br />

� Bei Hilflosigkeit/Pflegebedürftigkeit totaler<br />

Autonomieverlust, sexuelle Bedürfnisse<br />

werden von Pflege oft als störend empfunden<br />

und sanktioniert<br />

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<strong>Sexualität</strong> (vorwiegend) von Frauen<br />

<strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Tabuisierung der <strong>Alter</strong>ssexualität noch<br />

ausgeprägter als der <strong>Sexualität</strong> überhaupt<br />

� Bei Überwiegen alleinstehender Frauen <strong>im</strong><br />

<strong>Alter</strong> sind keine zufriedenstellenden<br />

Lösungen in Sicht<br />

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Erfahrungen mit sexualisierter männlicher Gewalt<br />

in der Biografie älterer Frauen<br />

� Sexualisierte Gewalt hat viele Formen:<br />

frauenfeindliche Sprache, Witze,<br />

Besch<strong>im</strong>pfungen, diskr<strong>im</strong>inierende oder<br />

sexistische Werbung, - Androhung von Gewalt<br />

und Vergewaltigung (auch durch Bekannte und<br />

Ehemänner)<br />

� In der BRD wird alle 15 Minuten eine Frau<br />

vergewaltigt<br />

� Sexualisierte Gewalt ist „alltäglich“ geworden<br />

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Erfahrungen mit sexualisierter männlicher<br />

Gewalt in der Biografie älteren Frauen<br />

� Der 2. Weltkrieg und seine Folgen:<br />

� Massenvergewaltigungen in aller Öffentlichkeit<br />

und vor Angehörigen (allein in Berlin zwischen<br />

Frühjahr und Herbst 1945 wurden mindestens<br />

110.000 Frauen vergewaltigt)<br />

� Vor diesem Hintergrund sind bei der<br />

Behandlung und Pflege besondere<br />

Aufmerksamkeit und Sensibilität nötig<br />

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Erfahrungen mit sexualisierter männlicher<br />

Gewalt in der Biografie älteren Frauen<br />

� Massive Abwehr von Pflegemaßnahmen bei alten<br />

Frauen kann verursacht sein durch Erinnerungen<br />

an Kriegstraumata -> Ängste, Halluzinationen,<br />

Erregungszustände<br />

� Späte „Schizophrenie“ als „Verirrung in der Zeit“<br />

(Andrea Hüttner) durch „Erinnerungsblitze“:<br />

heute eher als „posttraumatische<br />

Belastungsstörung“ zu klassifizieren?<br />

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Erfahrungen mit sexualisierter männlicher<br />

Gewalt in der Biografie älterer Frauen<br />

� Therapie:<br />

� Gesprächsversuche (Pflege, Therapeutin)<br />

� Einfühlsame Pflege, auf Abwehr<br />

verständnisvoll reagieren, akzeptieren, keine<br />

Retraumatisierung (Vorsicht: Katheterisierung<br />

nur durch weibl. Personal, „Vergewaltigung“!)<br />

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Erfahrungen mit sexualisierter männlicher<br />

Gewalt in der Biografie älterer Frauen<br />

� Auch hinter Medikamentenmissbrauch (v.a.<br />

Tranquilizer) kann sich eine Traumatisierung<br />

(Krieg, Ehe) verbergen<br />

� Hilfreich: Pflege sensibilisieren (oft junge<br />

Pflegekräfte!- kennen Biographie der Älteren<br />

nicht), Abwehrverhalten akzeptieren und<br />

umgehen, enge Kooperation von Pflege und<br />

Ärztin/Arzt nötig<br />

� Falls möglich: Versuch Psychotherapie<br />

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Problemfeld <strong>Sexualität</strong> bei der Pflege<br />

alter Menschen<br />

� Zu Liebe und <strong>Sexualität</strong> <strong>im</strong> Alten- und<br />

Pflegehe<strong>im</strong> existieren kontroverse<br />

Einstellungen von Pflegenden, aber auch<br />

von Angehörigen und Ärzten –<br />

dementsprechend ambivalenter Umgang<br />

mit der Problematik<br />

� Die romantische Verklärung der<br />

„<strong>Alter</strong>sliebe“ sieht v.a. Zärtlichkeit,<br />

Liebkosung, Wärme, Nähe.<br />

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Problemfeld <strong>Sexualität</strong> bei der Pflege<br />

alter Menschen<br />

� Im Pflegehe<strong>im</strong> auch ungesteuerte<br />

<strong>Sexualität</strong> Demenzkranker, teils Ekel<br />

erregend (Exkremente, Inkontinenz) und<br />

beängstigend (Mitbewohnerinnen,<br />

Personal)<br />

� Sexuelle Belästigung von Pflegepersonal<br />

durch Bewohner(innen) (mangels<br />

„normalerer“ Möglichkeiten?)<br />

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Problemfeld <strong>Sexualität</strong> bei der Pflege<br />

alter Menschen<br />

� Sexualfeindliche Bedingungen:<br />

� Schöne Unterwäsche, Gebrauch von<br />

Kosmetika <strong>im</strong> He<strong>im</strong>: „Quatsch“<br />

� Entsexualisierte Kleidung (Jogginganzug<br />

etc.) spiegelt die Einstellung der Pflege zur<br />

<strong>Sexualität</strong>?<br />

� „Beschämende“ Erkrankungen (Demenz,<br />

Inkontinenz) verlangen Trieb- und<br />

Bedürfnisverzicht?<br />

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Problemfeld <strong>Sexualität</strong> bei der Pflege<br />

alter Menschen<br />

� „Befreite <strong>Alter</strong>ssexualität“ trifft mit den<br />

romantisierenden Vorstellungen <strong>im</strong> He<strong>im</strong> kaum<br />

zu<br />

� Pflegebedürftige entsprechen nicht den<br />

„normalen“ Erwartungen an <strong>Alter</strong>ssexualität, da<br />

ihre <strong>Sexualität</strong> evtl. fremdartig, bedrohlich,<br />

beschämend (schmutzig) ist<br />

� Pflege ist eine „weisse“= saubere Dienstleistung<br />

und wird durch Schmutz leicht entehrt,<br />

beschämt oder gekränkt<br />

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<strong>Sexualität</strong> <strong>im</strong> Altenhe<strong>im</strong><br />

� <strong>Sexualität</strong> ist noch <strong>im</strong>mer ein Tabuthema<br />

� <strong>Sexualität</strong> <strong>im</strong> <strong>Alter</strong> ist gesteigert tabuisiert<br />

� <strong>Sexualität</strong> <strong>im</strong> He<strong>im</strong> ist extrem tabuisiert<br />

� <strong>Sexualität</strong> <strong>im</strong> <strong>Alter</strong> ist eingebettet in gesellschaftliche<br />

Verhältnisse und moralische Traditionen<br />

� Es ist eine Fehltinterpretation, dass die Rückbildung<br />

biologischer Funktionen <strong>im</strong> <strong>Alter</strong> auch der Rückbildung<br />

sexueller Bedürfnisse gleichzusetzen ist<br />

� Der Umgang mit <strong>Sexualität</strong> hilfsbedürftiger alter<br />

Menschen ist sehr diskussionsbedürftig<br />

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<strong>Sexualität</strong> <strong>im</strong> Altenhe<strong>im</strong><br />

� Einengende Rahmenbedingungen <strong>im</strong> He<strong>im</strong> führen<br />

manche Bewohner zu „sexuellem Fehlverhalten“:<br />

Exhibitionismus, (öffentliche) Masturbation, „Anmache“<br />

� Die Pflege steht <strong>im</strong> Spannungsfeld der eigenen<br />

<strong>Sexualität</strong> und der fremdartigen <strong>Sexualität</strong><br />

Pflegebedürftiger -> Gefühle von Ekel, Scham und<br />

Angst.<br />

� Sexuelle Übergriffe durch Bewohner komplizieren die<br />

Situation<br />

� He<strong>im</strong>e müssen den Umgang mit der <strong>Sexualität</strong> der<br />

Bewohner lernen: Ausgleiche schaffen zwischen den<br />

Belastungen <strong>im</strong> Pflegealltag und den sexuellen<br />

Wünschen/Bedürfnissen der alten Menschen<br />

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Psychotherapie <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Hilfe bei Sexualproblemen durch<br />

� Paarberatungsstellen<br />

� Hausarzt<br />

� Facharzt (Gyn., Urol., Intern., Endokrinol.)<br />

� Psychiater/Psychotherapeut<br />

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Psychotherapie <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Tatsache ist: massive Unterversorgung<br />

von Menschen >60 Jahre bei<br />

Psychotherapeuten: < 1% der<br />

Psychotherapiepatienten sind >60 Jahre,<br />

aber 25% der Pat. in der nervenärztlichen<br />

Praxis sind >60 Jahre!<br />

� Dafür steigt der Psychopharmakagebrauch<br />

mit zunehmendem <strong>Alter</strong><br />

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Psychotherapie <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Gründe: (u.a.)<br />

� Negatives <strong>Alter</strong>sbild (auch) der Therapeuten<br />

� Abwehr gegenüber der politisch-historischen<br />

D<strong>im</strong>ension der Biographie Älterer<br />

� Angst von dem eigenen <strong>Alter</strong>n<br />

� Fehlende Korrektur vom „Defizitmodell“ zum<br />

„Kompetenzmodell“: Psychotherapie <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

ist häufig „erfolgreich“<br />

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Psychotherapie <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Dazu sind Kenntnisse der <strong>Sexualität</strong> älterer<br />

Menschen nötig, u.a.:<br />

� Ältere haben sexuelles Interesse und sex.<br />

Vermögen; auch Jüngere sind in verschiedenem<br />

Ausmaß sexuell interessiert und aktiv!<br />

� Bester Prädiktor für die sexuelle Aktivität <strong>im</strong><br />

<strong>Alter</strong> sind die Häufigkeit und das Vergnügen, mit<br />

der <strong>Sexualität</strong> in der früheren Lebensjahren<br />

praktiziert wurde.<br />

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Psychotherapie <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Übergreifende Therapieziele:<br />

� Förderung von Selbständigkeit und<br />

Eigenverantwortung<br />

� Erweiterung des Handlungsraumes (Tätigkeits-,<br />

Kontroll-, Interaktions-, Anerkennungsspielraum)<br />

� Bearbeitung der Verlustthematik und<br />

� die Auseinandersetzung mit <strong>Alter</strong>n und Tod<br />

� Deutlicher Gegenwartsbezug mit Klärung und Lösung<br />

der augenblicklichen Situation einerseits und<br />

biographische Ausrichtung mit Bilanzierung<br />

andererseits sowie<br />

� Erarbeiten praktischer Lösungen<br />

Nach Christel Dietz-Grygier (1999)<br />

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Psychotherapie <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Eine bezüglich ihrer sexuellen<br />

Empfindungen befragte 82jährige Frau:<br />

„Ich habe mein ganzes Leben lang die<br />

Vorstellung gehabt, wenn der Sex aufhört,<br />

hört das Leben auf. Er ist <strong>im</strong>mer da, in<br />

Form von Träumen, von Vorstellungen,<br />

von Onanie. Es ist keinesfalls so, dass man<br />

müde wird und dass einen die Lust<br />

verlässt. Gottseidank!“<br />

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Nach Chr. Dietz-Grygier (1999) aus Renate Da<strong>im</strong>ler (1991)


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Psychotherapie <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

� Hilfreich sind Versuche der<br />

Enttabuisierung der <strong>Alter</strong>ssexualität ohne<br />

Schaffung neuer „Normwerte“<br />

� Hinter vielen psychischen Störungen<br />

(insbes. Älterer Frauen) können sich<br />

sexuelle Probleme verbergen: Missbrauch,<br />

Vergewaltigung, Instrumentalisierung der<br />

<strong>Sexualität</strong>)<br />

� Psychotherapie ist auch <strong>im</strong> <strong>Alter</strong> möglich!<br />

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Psychotherapie <strong>im</strong> <strong>Alter</strong><br />

(Chr. Dietz-Grygier)<br />

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Literaturempfehlung<br />

� Remlein, Karl-Hubert, Nübel, Gerhard (Hrsg.):<br />

Geschlechtslos <strong>im</strong> <strong>Alter</strong>? – Aspekte zur<br />

<strong>Alter</strong>ssexualität, Jahrbuch der<br />

Gerontopsychiatrie, Verlag Jakob von Hoddis,<br />

Gütersloh (1999)<br />

� Butler, Robert N. und Lewis, Myrna I.: Alte Liebe<br />

rostet nicht, Verlag Hans Huber (1996)<br />

� Kolle, Oswald: Die Liebe altert nicht, ECON-TB-<br />

Verlag (1997)<br />

� Berberich, Hermann und Brähler, Elmar (Hrsg.):<br />

<strong>Sexualität</strong> und Partnerschaft in der zweiten<br />

Lebenshälfte, Psychosozial-Verlag (2001)<br />

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