08.07.2015 Aufrufe

Prof. Dr. Sibylle Hofer 14. Juni 2010 Klausur zur Vorlesung ...

Prof. Dr. Sibylle Hofer 14. Juni 2010 Klausur zur Vorlesung ...

Prof. Dr. Sibylle Hofer 14. Juni 2010 Klausur zur Vorlesung ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Sibylle</strong> <strong>Hofer</strong> <strong>14.</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2010</strong><strong>Klausur</strong> <strong>zur</strong> <strong>Vorlesung</strong> Rechtsgeschichte IIFrühjahrssemester <strong>2010</strong>I.Basel, Verordnung 1611:Es soll auch kein ledige Persohn, so usserthalbdem ehelichen Standt erboren und ein Bastard ist,ihr Haab und Guot für sich selbs weder zuvergaben noch zu vertestieren Macht haben, ohnesonder gn. Verwilligung Unserer Gn. HH. einesehrsammen Raths der Statt Basel, sonderderselben ledige Persohnen Gut soll der hochenOberkheit ein verfangen Gut heissen und sein.Keine ledige Person, die ausserhalb des ehelichenStandes geboren wurde und ein Bastard ist, sollohne besondere Bewilligung des Rats der StadtBasel die Macht haben, über ihr Hab und Gut zuverfügen oder ein Testament zu errichten. DasVermögen dieser ledigen Person soll derObrigkeit anheim fallen.Bern, Gerichtssatzung 1761, 1. Teil, 45. Titel, 1. Satzung:(1) Alle uneheliche oder die ausser der eheerzeuget worden, koennen weder testamentlichnoch auch ohne gemaecht etwas erben, von wemes immer seyn moechte, sach waere dann, dasssie solche erbens-faehigkeit von unserem rath aussonderbaren gnaden ausdrucklich erworben underhalten haetten.(3) Wiewol uneeliche kind nützit erbennmoegent, als obstadt, so sollennt doch derselbennuneelicher kinden vatter unnd muttervollmechtigen gwalt habenn, inen, namlich denuneelichen kinden, us irem zytlichenn gut einfrye gab ze gebenn unnd nach irem abganngzegevolgen zeverordnenn.(4) Es mag kein person, so usserthalb der eheerzüget worden, utzit von ihrem guot wederdurch testament noch anderer gstalt verordnenoder vergaben, wir habend dann jhra, soelcheszethuon, uss sonderen gnaden bewilliget undzuogelassen.(1) Uneheliche können nichts durch Testamenteerben, von wem dies auch sein möge, es sei denn,dass sie die Erbfähigkeit vom Rat besonderserhalten hätten.(3) Obwohl uneheliche Kinder nichts erben, sosollen doch deren Vater und Mutter dieMöglichkeit haben, ihnen (= den unehelichenKindern) aus ihrem Vermögen eine freie Gabe zugeben, die nach ihrem Tod vollzogen werdensoll.(4) Keine Person, die ausserhalb einer Ehegezeugt wurde, darf über ihr Gut – sei es durchTestamente oder in anderer Form – verfügen, essei denn, dass ihr dies besonders bewilligtworden sei.Fragen:1) Welche Rechtsstellung kam nach diesen Texten unehelichen Kindern zu?2) Zeigen Sie Zusammenhänge auf <strong>zur</strong> Konzeption der Rechtsfähigkeit sowie desErbrechts in der frühen Neuzeit. Nehmen Sie dabei Bezug auf konkrete Quellentexte.3) Welche Gründe haben vermutlich zu den hier abgedruckten Basler und BernerRegelungen geführt?1


<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Sibylle</strong> <strong>Hofer</strong> <strong>14.</strong> <strong>Juni</strong> <strong>2010</strong>Österreichisches ABGB (1811):§ 155. Die unehelichen Kinder geniessen nicht gleiche Rechte mit den ehelichen.II.§ 162. Die uneheliche Geburt kann einem Kinde an seiner bürgerlichen Achtung und an seinemFortkommen keinen Abbruch tun.§ 165. Uneheliche Kinder sind überhaupt von den Rechten der Familie und der Verwandtschaftausgeschlossen (...).§ 166. Aber auch ein uneheliches Kind hat das Recht, von seinen Eltern eine ihrem Vermögenangemessene Verpflegung, Erziehung und Versorgung zu fordern, und die Rechte der Eltern überdasselbe erstrecken sich so weit, als es der Zweck der Erziehung erfordert. Übrigens steht dasunehelich Kind nicht unter der eigentlichen väterlichen Gewalt seines Erzeugers, sondern wird voneinem Vormunde vertreten.§ 730. Gesetzliche Erben sind zuvörderst diejenigen, welche mit dem Erblasser vermittelst ehelicherAbstammung durch die nächste Linie verwandt sind.Fragen:1) Welche Stellung kam nach diesen Paragrafen unehelichen Kindern zu?2) Vergleichen Sie diese Stellung mit derjenigen, die sich aus den Berner Texten unterZiff. I ergibt.3) Passen die hier abgedruckten Regelungen <strong>zur</strong> Grundkonzeption des ABGB?Berücksichtigen Sie dabei vor allem die Vorstellungen <strong>zur</strong> Rechtsfähigkeit.III.Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates, 1884:Mit dem Übergang der Produktionsmittel in Gemeineigentum hört die Einzelfamilie auf,wirtschaftliche Einheit der Gesellschaft zu sein. Die Privathaushaltung verwandelt sich in einegesellschaftliche Industrie. Die Pflege der Kinder wird öffentliche Angelegenheit; die Gesellschaftsorgt für alle Kinder gleichmässsig, seien sie eheliche oder uneheliche. Damit fällt die Sorge wegwegen der ‚Folgen’, die heute das wesentlichste gesellschaftliche – moralische wie ökonomische –Moment bildet, das die rücksichtslose Hingabe eines Mädchens an den geliebten Mann verhindert.DDR-Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau, 1950:§ 17. (1) Die nichteheliche Geburt ist kein Makel. Der Mutter eines nichtehelichen Kindes stehen dievollen elterlichen Rechte zu, die nicht durch die Einsetzung eines Vormundes für das Kindgeschmälert werden dürfen. Zur Regelung der Ansprüche gegen den Vater sollen die unterenVerwaltungsbehörden nur noch als Beistand der Mutter tätig werden.Fragen:1) Wie wird die Gleichstellung der unehelichen Kinder von Engels begründet?2) Vergleichen Sie die Konzeption von Engels mit der Gestaltung desFamiliengesetzbuches der DDR im Skript sowie mit dem abgedruckten Gesetz von1950.2

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!