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BT-Protokoll - Hans-Peter Bartels

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Plenarprotokoll 16/226Deutscher BundestagStenografischer Bericht226. SitzungBerlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Inhalt:Erweiterung und Abwicklung der Tagesordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Nachträgliche Ausschussüberweisung . . . . . .24973 A24973 BLutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .Wolfgang Tiefensee, BundesministerBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Margrit Wetzel (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .Wolfgang Tiefensee, BundesministerBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Wolfgang Tiefensee, BundesministerBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24977 A24977 B24977 DTagesordnungspunkt 1:a) Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Änderung des Gesetzes über dieSicherung der Bauforderungen(Drucksachen 16/13345, 16/13376) . . . . .b) Erste Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzeszur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung(Drucksache 16/13297) . . . . . . . . . . . . . . .24973 B24973 <strong>BT</strong>agesordnungspunkt 3:Fragestunde(Drucksache 16/13331) . . . . . . . . . . . . . . . . .24978 B24978 D24979 B24979 DTagesordnungspunkt 2:Befragung der Bundesregierung: NationalesHafenkonzept für die See- und BinnenhäfenWolfgang Tiefensee, BundesministerBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Lutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .Wolfgang Tiefensee, BundesministerBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24973 D24974 B24974 C24975 AMündliche Frage 5Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Aufenthalt des wahabitischen HasspredigersA. I. J. in DeutschlandAntwort<strong>Peter</strong> Altmaier, Parl. StaatssekretärBMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenOmid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24980 A24980 BWolfgang Tiefensee, BundesministerBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Annette Faße (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24975 C24976 BMündliche Frage 6Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Zusagen der Bundesregierung an die Regierungvon Saudi-Arabien im Zusammen-Wolfgang Tiefensee, BundesministerBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24976 C


II Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009hang mit dem Aufenthalt des wahabitischenHasspredigers A. I. J. in DeutschlandAntwort<strong>Peter</strong> Altmaier, Parl. StaatssekretärBMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenOmid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Mündliche Frage 49Dorothée Menzner (DIE LINKE)Erkundung des Bergwerks Gorleben alsnukleares Endlager und etwaiger parallelerAusbauAntwortAstrid Klug, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenDorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . .Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<strong>Hans</strong>-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .Lutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .24980 C24980 D24982 A24982 A24982 D24983 A24983 BMündliche Frage 54Lutz Heilmann (DIE LINKE)Verantwortliche Stelle für den Entscheidzugunsten eines Verfahrens nach Bergrechtanstatt nach Atomrecht beim BergwerkGorlebenAntwortAstrid Klug, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenLutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . .<strong>Hans</strong>-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . .Mündliche Frage 35Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Verkehrsbelastung auf der Bundesstraße 5im Abschnitt Berge–Lietzow und Zeitrahmendes geplanten Ausbaus von vier Abschnittender Bundesautobahnen 10 und 24AntwortUlrich Kasparick, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24986 A24986 A24986 C24986 D24987 AMündliche Frage 50Dorothée Menzner (DIE LINKE)Kosten für die Erkundung eines nuklearenEndlagersAntwortAstrid Klug, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenDorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . .<strong>Hans</strong>-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .Mündliche Frage 53Lutz Heilmann (DIE LINKE)Umstände der Aufgabe einer Erkundungalternativer Standorte für Gorleben imJahr 1983AntwortAstrid Klug, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenLutz Heilmann (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .Dorothée Menzner (DIE LINKE) . . . . . . . . . .Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .<strong>Hans</strong>-Kurt Hill (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . .24983 D24983 D24984 C24984 C24984 D24985 A24985 B24985 CMündliche Frage 36Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Finanzierbarkeit der Ausbauabschnitte aufden Bundesautobahnen 10 und 24 sowieder Ortsumfahrung Berge–LietzowAntwortUlrich Kasparick, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .ZusatzfragenCornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Mündliche Frage 59Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Umsetzung der mit Weißrussland vereinbartenErholungsreisen für sogenannteTschernobyl-KinderAntwortGünter Gloser, Staatsminister für Europa . . .ZusatzfragenMarieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .24987 C24988 A24988 D24989 A24989 D


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009IIIZusatztagesordnungspunkt 1:Aktuelle Stunde auf Verlangen der FraktionenCDU/CSU, SPD und BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Die Lage im Iran nach den PräsidentschaftswahlenDr. h. c. Gernot Erler, StaatsministerAA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Ruprecht Polenz (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . .Dr. Werner Hoyer (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Norman Paech (DIE LINKE) . . . . . . . . . .Dr. Rolf Mützenich (SPD) . . . . . . . . . . . . . . .Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Eduard Lintner (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . .<strong>Hans</strong>-Ulrich Klose (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . .Philipp Mißfelder (CDU/CSU) . . . . . . . . . . .Johannes Jung (Karlsruhe) (SPD) . . . . . . . . .Holger Haibach (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD) . . . . . . .Ute Granold (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . .Zusatztagesordnungspunkt 2:Antrag der Bundesregierung: Beteiligungdeutscher Streitkräfte am Einsatz vonNATO-AWACS im Rahmen der InternationalenSicherheitsunterstützungstruppe inAfghanistan (International Security AssistanceForce, ISAF) unter Führung derNATO auf Grundlage der Resolutionen1386 (2001) und folgender Resolutionen,zuletzt Resolution 1833 (2008) des Sicherheitsratsder Vereinten Nationen(Drucksache 16/13377) . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. h. c. Gernot Erler, StaatsministerAA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Rainer Stinner (FDP) . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. Franz Josef Jung, BundesministerBMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE) . . . . . . . . .Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dr. <strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong> <strong>Bartels</strong> (SPD) . . . . . . . . . . . . .Manfred Grund (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . .Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .24990 B24992 A24992 D24993 D24994 D24995 C24996 C24997 D24998 C24999 B25000 A25001 A25002 A25003 A25004 A25004 B25005 A25006 A25007 B25008 B25009 B25010 C25011 DBerichtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25011 B/DAnlage 1Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . .Anlage 2Mündliche Frage 1Sabine Zimmermann (DIE LINKE)Regelungen im derzeitigen Insolvenzrechtzum Erhalt der bisher geltenden tariflichenStandards bei Veräußerung einzelner Unternehmensbestandteilean neue Investorenim Zuge des Insolvenzverfahrens der ArcandorAGAntwortAlfred Hartenbach, Parl. StaatssekretärBMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 3Mündliche Frage 2Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)EU-Agrarsubventionen an Großunternehmenund an mittelständische bäuerlicheBetriebeAntwortDr. Gerd Müller, Parl. StaatssekretärBMELV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 4Mündliche Frage 3Petra Pau (DIE LINKE)Anzahl der in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen und Einwirken auf die USAzum Abzug oder zur Vernichtung derAtomwaffenAntwortChristian Schmidt, Parl. StaatssekretärBMVg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 5Mündliche Frage 4Frank Spieth (DIE LINKE)Maßnahmen des Bundesversicherungsamtesgegen die KKH-AllianzAntwortMarion Caspers-Merk, Parl. StaatssekretärinBMG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25013 A25013 B25013 D25014 B25014 D


IV Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Anlage 6Anlage 11Mündliche Frage 7Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Einreisegenehmigung des Imam B. P. inden Schengen-RaumAntwort<strong>Peter</strong> Altmaier, Parl. StaatssekretärBMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Mündliche Frage 12<strong>Hans</strong>-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)25015 AFinanzhilfen des Bundes für die Hypo RealEstateAntwortKarl Diller, Parl. StaatssekretärBMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25016 CAnlage 7Mündliche Frage 8Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Erkenntnisse der Bundesregierung überdie Inhalte der Predigten und Lehren desImam B. P.Antwort<strong>Peter</strong> Altmaier, Parl. StaatssekretärBMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 12Mündliche Frage 13<strong>Hans</strong>-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Von der Hypo Real Estate an andere Bankengeflossene Finanzmittel25015 BAntwortKarl Diller, Parl. StaatssekretärBMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25016 DAnlage 8Mündliche Frage 9Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Antwort der Bundesregierung auf die Aufforderungdes EU-Kommissars JacquesBarrot zur Solidarität mit den Mittelmeeranrainernbei der Aufnahme von BootsflüchtlingenAntwort<strong>Peter</strong> Altmaier, Parl. StaatssekretärBMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25015 CAnlage 13Mündliche Frage 20Florian Toncar (FDP)Stand der beihilferechtlichen Klärung mitder Europäischen Union zur Formulierungshilfefür einen Änderungsantrag derKoalitionsfraktionen zum Gesetz zur Fortentwicklungder Finanzmarktstabilisierungund finanzielle AuswirkungenAntwortKarl Diller, Parl. StaatssekretärBMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25017 AAnlage 9Mündliche Frage 10Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)Etwaige Tätigkeit des ehemaligen PolizeibeamtenKarl-Heinz Kurras für den VerfassungsschutzAntwort<strong>Peter</strong> Altmaier, Parl. StaatssekretärBMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 10Mündliche Frage 11Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)25015 CAnlage 14Mündliche Frage 21Florian Toncar (FDP)Realistisches und maximales Volumen einerAusplatzierung von Risikopositionenund nicht strategienotwendigen GeschäftsbereichenAntwortKarl Diller, Parl. StaatssekretärBMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25017 BAnlage 15Geplante Veranstaltungen zum 70. Jahrestagdes Beginns des Zweiten WeltkriegesAntwort<strong>Peter</strong> Altmaier, Parl. StaatssekretärBMI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Mündliche Fragen 22 und 23Jan Mücke (FDP)25016 AFörderfähigkeit von Investitionsvorhabenfür Bildungseinrichtungen auch ohne energetischeSanierung nach dem Zukunfts-


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Vinvestitionsgesetz unter Geltung des neuenArt. 104 b des GrundgesetzesAntwortKarl Diller, Parl. StaatssekretärBMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25017 BAntwort<strong>Peter</strong> Hintze, Parl. StaatssekretärBMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 2025019 AAnlage 16Mündliche Fragen 24 und 25Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE)Haltung der Bundesregierung zur Argumentationdes DEHOGA Bundesverbandeszur Einführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzesfür die Hotellerie und Gastronomie;Auswirkungen einer etwaigenEinführung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzesvon 7 Prozent im Hotel- und GaststättengewerbeAntwortKarl Diller, Parl. StaatssekretärBMF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25016 DMündliche Frage 37Diana Golze (DIE LINKE)Dotierung noch nicht begonnener Bundesfernstraßenbauprojektenach dem Bundesverkehrswegeplan2003 des BundeslandesBrandenburg in den Jahren 2009 und 2010AntwortUlrich Kasparick, Parl. StaatssekretärBMVBS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 21Mündliche Fragen 40 und 41Gitta Connemann (CDU/CSU)25019 BAnlage 17Mündliche Fragen 26 und 27<strong>Hans</strong>-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP)Entwicklung der Verbraucherpreise bei Telefonatenvom Festnetz zum Mobilfunk seitder Absenkung der Terminierungsentgelteim November 2006Antwort<strong>Peter</strong> Hintze, Parl. StaatssekretärBMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25018 BAussagen des BundesumweltministersSigmar Gabriel zum Bau neuer Kohlekraftwerkeunter anderem im Jade-Ems-RaumAntwortAstrid Klug, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 22Mündliche Frage 42<strong>Hans</strong>-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)25019 CAnlage 18Mündliche Fragen 28 und 29Dr. h. c. Jürgen Koppelin (FDP)Bewertung der Aussagen des Sachverständigenrateszur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichenEntwicklung zur eingeleitetenRettung von OpelAbschluss der Überarbeitung des KerntechnischenRegelwerks und Gründe derNichtveröffentlichung im BundesanzeigerAntwortAstrid Klug, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25019 DAntwort<strong>Peter</strong> Hintze, Parl. StaatssekretärBMWi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 19Mündliche Frage 32Sabine Zimmermann (DIE LINKE)Gesellschaftliche Gesamtkosten der Insolvenzder Arcandor AG; Kosten und Arbeitsplatzverlusteder fünf größten Insolvenzenin den letzten zehn Jahren imEinzelhandel25018 DAnlage 23Mündliche Frage 43<strong>Hans</strong>-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Form und Zeitplan der Einbindung desDeutschen Bundestages sowie von Nichtregierungsorganisationenbei der Erstellungder nationalen Aktionspläne im Rahmender EU-Richtlinie für Erneuerbare EnergieAntwortAstrid Klug, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25020 B


VI Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Anlage 24Mündliche Frage 44Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Aussage des Präsidenten des Bundesamtesfür Strahlenschutz zum Forschungsbetriebin der Schachtanlage Asse IIAntwortAndreas Storm, Parl. StaatssekretärBMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 28Mündliche Frage 57Cornelia Hirsch (DIE LINKE)25021 BAntwortAstrid Klug, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 2525020 BHaltung der Bundesregierung zu den Zielendes vom 15. bis 19. Juni 2009 stattfindendenbundesweiten BildungsstreiksAntwortAndreas Storm, Parl. StaatssekretärBMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25021 DMündliche Fragen 45 und 46Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Zahlungen vom deutschen Atomforum undder Atom- und Energiewirtschaft an dieGSF, Forschungszentrum für Umwelt undGesundheit, bzw. an das Helmholtz-ZentrumMünchen seit 2002, Verwendung derMittel sowie Gespräche des Bundesministeriumsfür Bildung und Forschung mit denBeteiligten bezüglich dieser ZahlungenAnlage 29Mündliche Frage 58Cornelia Hirsch (DIE LINKE)Fehlende gesetzlicher Regelungen zur Verbesserungder Situation von PraktikantenAntwortAndreas Storm, Parl. StaatssekretärBMBF . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .25022 BAntwortAstrid Klug, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 26Mündliche Fragen 51 und 52Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE)Gründe und verantwortliche Stelle für dengrößer als notwendig ausgefallenen Ausbaudes Bergwerks Gorleben im Rahmender ErkundungAntwortAstrid Klug, Parl. StaatssekretärinBMU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Anlage 27Mündliche Fragen 55 und 56Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Umsetzung der Entwicklung des angekündigtendialoggesteuerten Serviceverfahrensfür die Hochschulzulassung unterEinbezug des Bundesdatenschutzbeauftragten;Gewährleistung des Datenschutzeswährend des Bewerbungsverfahrens25020 C25021 AAnlage 30Mündliche Fragen 60 und 61Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Vertiefung der EU-Israel-Beziehungen undHaltung der Bundesregierung im Rahmendes EU-Israel-Assoziierungsrates am15. Juni 2009AntwortGünter Gloser, Staatsminister für Europa . . . 25022 CAnlage 31Neuabdruck einer Erklärung nach § 31 GOder Abgeordneten Marianne Schieder, KlausBarthel, Dr. Axel Berg, Martin Burkert, ElviraDrobinski-Weiß, Petra Ernstberger, GabrieleFograscher, Angelika Graf (Rosenheim),Gustav Herzog, Frank Hofmann (Volkach),Dr. h. c. Susanne Kastner, Walter Kolbow,Mechthild Rawert, Marlene Rupprecht (Tuchenbach),Ewald Schurer, Dr. MarliesVolkmer, Heidi Wright und Waltraud Wolff(Wolmirstedt) (alle SPD) zur namentlichenAbstimmung über die Beschlussempfehlung:Milch-Exportsubventionen sofort stoppen –Weitere Zerstörung der Märkte in Entwicklungsländernverhindern (224. Sitzung, Tagesordnungspunkt9) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25023 A


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 24973(A)Redetext(C)226. SitzungBerlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Beginn: 13.30 Uhr(B)Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die Sitzungund begrüße Sie sehr herzlich zu unseren heutigenBeratungen.Bevor wir in die Tagesordnung einsteigen, darf ichSie auf einige Dinge hinweisen: Interfraktionell ist vereinbartworden, die heutige Tagesordnung um eine vonden Fraktionen der CDU/CSU, der SPD und desBündnisses 90/Die Grünen verlangte Aktuelle Stundezur Lage im Iran nach den Präsidentschaftswahlen sowieum die Beratung des Antrags der Bundesregierung zurBeteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatz vonNATO-AWACS im Rahmen der Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppein Afghanistan zu erweitern.Die beiden Zusatzpunkte werden nach der Fragestundeaufgerufen.Außerdem soll der in der 219. Sitzung am 6. Mai inerster Lesung beratene und an die Ausschüsse überwieseneGesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU undder SPD zur Änderung des Energiesteuergesetzes aufDrucksache 16/12851 nachträglich gemäß § 96 unsererGeschäftsordnung an den Haushaltsausschuss zur Mitberatungüberwiesen werden. Sind Sie mit diesen Vereinbarungeneinverstanden? – Ich sehe, das ist der Fall.Dann ist das so beschlossen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a und 1 b auf:a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Änderungdes Gesetzes über die Sicherung der Bauforderungen– Drucksachen 16/13345, 16/13376 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (f)RechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für Ernährung, Landwirtschaft undVerbraucherschutzb) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachtenEntwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklungder Finanzmarktstabilisierung– Drucksache 16/13297 –Überweisungsvorschlag:Haushaltsausschuss (f)RechtsausschussFinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionEine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen. Daherkommen wir gleich zu den Überweisungen. Interfraktionellwird die Überweisung der Gesetzentwürfeauf den Drucksachen 16/13345 und 16/13297 an die inder Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen.Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das istnicht der Fall. Sie sind damit einverstanden. Dann sinddie Überweisungen so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt 2 auf:Befragung der BundesregierungDie Bundesregierung hat als Thema der heutigen Kabinettssitzungmitgeteilt: Nationales Hafenkonzept fürdie See- und Binnenhäfen.Das Wort für den einleitenden fünfminütigen Berichthat der Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung,Wolfgang Tiefensee.Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenDamen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Heutehat das Kabinett das Nationale Hafenkonzept für dieSee- und Binnenhäfen beraten und verabschiedet und damiterstmals ein umfassendes Konzept vorgelegt, in demdie Situation der Häfen beschrieben wird. Darin wirdnicht nur die aktuelle Situation dargestellt, die, wie Siewissen, sehr schwierig ist, sondern auch die langfristigePerspektive aufgezeigt.90 Prozent des internationalen Warenverkehrs wickeltdie Bundesrepublik Deutschland über ihre Häfen ab.40 Prozent des EU-Binnenhandels gehen über sie. Alleindas, aber auch die Anzahl der Beschäftigten in den Häfenist Anlass genug, sich gründlich mit den Fragen zubeschäftigen, wo wir mit den Häfen stehen und wie wirsie weiterentwickeln wollen.(D)


24974 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Bundesminister Wolfgang Tiefensee(A)(B)Dieses Konzept bietet Ansatzpunkte und gibt Auskunftdarüber, wie wir mit der Infrastruktur vorankommen.Dabei spielt der Ausbau der Häfen eine großeRolle, Beispiel Umschlagskapazitäten. Weiterhin ist vonentscheidender Bedeutung, dass wir die seewärtige Anbindunggewährleisten und die Hinterlandanbindungrealisieren, die nicht nur für Deutschland, sondern auchfür die EU-Mitgliedstaaten von enormer Bedeutung ist.Weiterhin gibt das Konzept Auskunft über die Umweltfragen.Die sogenannten SECAS, die Zonen, in deneneine besonders sensible Überwachung hinsichtlich derSchwefelemissionen erfolgt, stehen genauso im Fokuswie Fragen des Landstromes oder europäische Angelegenheitenwie die Einbeziehung des Seeverkehrs in denEmissionshandel.Darüber hinaus finden Sie Aussagen über die AusundFortbildung der Fachkräfte sowie über die Einbindungvon Langzeitarbeitlosen; hier konnten wir in denletzten Jahren große Erfolge erzielen. Da geeignete Arbeitskräfteauf dem Ausbildungs- und Facharbeitermarktimmer schwerer zu finden sind, müssen wir aber auchdem Logistikgewerbe in den Häfen unsere Unterstützunganbieten, um genügend Fachkräfte akquirieren zukönnen.Schließlich muss der Bund den Ländern Hilfe an dieHand geben, wenn es darum geht, die Häfen in raumordnerischerHinsicht voranzubringen. Wie Sie wissen, habenwir durch die Veränderung des Raumordnungsgesetzesim Jahre 2008 Möglichkeiten geschaffen, neben demRaumordnungsansatz auch die Standortkonzepte derLänder einzubeziehen, um eine ganzheitliche Betrachtungdurchführen zu können. Die Seehäfen und die Binnenhäfensind für Deutschland und für Europa von eminentwichtiger Bedeutung. Aus diesem Grund erfahrensie in diesem Konzept auch eine entsprechende Würdigung.Vielen Dank.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Herr Minister, ich danke Ihnen. – Wir kommen zunächstzu den Fragen zu diesem Themenbereich.Das Wort hat der Kollege Lutz Heilmann.Lutz Heilmann (DIE LINKE):Frau Präsidentin! Herr Minister, dass Sie uns heutemit Stolz ein Hafenkonzept vorstellen, ist für mich einArmutszeugnis. Das hätten Sie viel früher tun müssen,nicht am Ende der Legislaturperiode, sondern zu einemZeitpunkt, zu dem Sie noch Einfluss auf seine Umsetzunggehabt hätten. Sie hätten spätestens in der Mittedieser Legislaturperiode ein Hafenkonzept vorlegenmüssen, damit man Sie daran hätte messen können, welcheder Maßnahmen, die Sie in Ihrem Hafenkonzept beschriebenhaben, Sie auch umgesetzt haben.Konkret: Auf Seite 71 heißt es: Die bestehenden Kooperationenzwischen den Häfen reichen nicht aus. –Hier stimme ich Ihnen ausdrücklich zu. Allerdings frageich Sie: Welche Schlussfolgerung ziehen Sie daraus?Haben Sie in Ihrem Konzept außer dieser Feststellungauch eine Aussage dazu getroffen, was lenkend auf dieHäfen einwirkt, zum Beispiel auf die Kooperation zwischenden Häfen Hamburg und Bremerhaven? Ich habezu dieser Frage nichts gefunden. Da ich Ihr Konzept erstheute erhalten habe, konnte ich es allerdings nicht bis insDetail durcharbeiten. Vielleicht können Sie mir dazuAuskunft geben.Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Vielen Dank. – Was Ihre erste Bemerkung angeht, binich anderer Meinung als Sie. Sie wissen, dass wir im Koalitionsvertragvereinbart haben, die Mobilität inDeutschland in einem Gesamtzusammenhang zu sehenund sie strategisch und im Rahmen ganz konkreter Projektezu untersuchen. Wir haben in einem umfangreichenVerfahren unterschiedlichste Partner angehört und letztlichden Masterplan Güterverkehr und Logistik vorgelegt,mit dem die Grundlage des Hafenkonzepts geschaffenwurde. All die Maßnahmen, die zur strategischenGrundausrichtung im Hinblick auf den Güterverkehr unddie Logistikbranche notwendig waren, sind also bereitsin der Mitte dieser Legislaturperiode ergriffen worden.Insgesamt wurden 35 Maßnahmen vorgeschlagen, dieunter anderem nun im Hafenkonzept konkretisiert werden.Darüber hinaus werden im Hafenkonzept natürlichauch Maßnahmen, die bereits durchgeführt worden sind,beschrieben. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: InZukunft wird die Hinterlandanbindung von Hamburgeine große Rolle spielen, Stichwort Y-Trasse. DiesesThema wurde im Hafenkonzept aufgegriffen. Wenn SieGelegenheit haben, das Hafenkonzept etwas gründlicherzu studieren, werden Sie mir recht geben.Selbstverständlich fangen wir nicht erst im Juni 2009an, Infrastrukturmaßnahmen auf den Weg zu bringen. ImGegenteil, in den Haushalt 2008/2009 haben wir erstmaligeinen Titel zur Hinterlandanbindung eingestellt undihn mit rund 250 Millionen Euro dotiert. Wir haben alsoschon früher mit den entsprechenden Planungen begonnen.Da Sie nach der Kooperation zwischen den Häfen gefragthaben, sage ich Ihnen: Bereits in der letzten Legislaturperiodehaben wir die sogenannten Nationalen MaritimenKonferenzen auf den Weg gebracht. Dabeihandelt es sich um eine bestimmte Form der Verständigung,bei der sich all diejenigen, die direkt oder indirektmit Häfen verbunden sind, koordinieren und abstimmensowie konkrete Projekte durchführen können.Auf dem Feld, das Sie indirekt angesprochen haben,sehe ich weiteren Abstimmungsbedarf. Da wir uns aufdie Fahne geschrieben haben, in den nächsten Jahren inWilhelmshaven einen neuen Tiefwasserhafen zu bauen,ist es zwingend notwendig, dass alle beteiligten Ländernoch enger als bisher kooperieren. Nur so kann an derNordsee, zwischen Hamburg und Wilhelmshaven, aberauch zwischen Bremen und der Ems eine koordinierteVorgehensweise ermöglicht werden. Ich habe bei derletzten Konferenz der Ministerpräsidenten der norddeutschenLänder einmal mehr darauf hingewiesen, dass das(C)(D)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 24975Bundesminister Wolfgang Tiefensee(A)(B)nötig ist. Das ist eine Angelegenheit der Bundesländer.Der Bund appelliert, initiiert, koordiniert, wenn es nötigist. Wir können hier durchaus noch besser werden. Wirwollen im Wettbewerb mit den anderen europäischenHäfen – Stichworte Rotterdam, Antwerpen – bestehen.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Nächster Fragesteller ist der Kollege RainderSteenblock.Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, ichwürde da gerne anknüpfen.Die Kooperation der Häfen ist, wenn es um die großenHerausforderungen insbesondere des Containerverkehrsgeht – Sie haben auf Wilhelmshaven hingewiesen –,von zentraler Bedeutung. Auf Seite 71/72 in Ihrem Konzept,wo es um die Kooperation der Häfen geht, stehtallerdings nur, dass der Bund von den Häfen erwartet,dass sie kooperieren, und dass der Bund daran mitarbeitet.Der Bund nur als koordinierende Instanz, wie er esim Föderalismus auch an vielen anderen Stellen ist, daserscheint mir ein bisschen zu wenig.Sie haben auf die Hafengesellschaften hingewiesen.EUROGATE arbeitet in den verschiedenen Tiefwasserhäfen– bzw. in den Häfen, die das gerne werden möchten–, die HHLA, die Hamburger Hafen und LogistikAG, hingegen überhaupt nicht. Dadurch gibt es bestimmteProbleme bei der Kooperation mit Wilhelmshaven.Hat Ihr Ministerium eine Vorstellung davon, wieeine Arbeitsteilung zwischen den Tiefwasserhäfen Bremerhavenund Wilhelmshaven und dem Hafen Hamburgaussehen könnte? Könnte man das durch Kurzstreckenverkehrbewältigen? Sie sagen, dass die Häfen kooperierensollen. Das haben sie aber in den letzten Jahrzehntennicht getan. Haben Sie Ideen, wie eine Kooperation aussehenkönnte?Das Zweite, was ich gerne ansprechen möchte, ist dieLandstromversorgung von Schiffen in Häfen. Die Grünenhaben – ich glaube vor drei Jahren – im Verkehrsausschusseinen Antrag eingebracht, die Bundesregierungzu bitten, die Landstromversorgung zu fördern,weil wir sie für eine vernünftige Sache halten. Ich freuemich, dass mittlerweile auch die Bundesregierung zudieser Auffassung gelangt ist. Gibt es konkrete Vorstellungen,wie man – es geht mir jetzt nicht um große Subventionen– die Hafenstandorte dabei unterstützen kann,schrittweise eine Infrastruktur dafür aufzubauen? Denndas erfordert ja gewaltige Investitionen.Zur Schiene. Sie haben die Y-Trasse angesprochen.Auch darüber wird seit Jahrzehnten diskutiert. Mir scheint,was die Hinterlandanbindung angeht, die Straße in Relationzur Schiene zu stark betont. Was vernachlässigt wird,ist die Entwicklung der Schienenverkehrsknoten. In Hamburgund Bremen sind die Schienenverkehrsknoten eingroßes Problem. Wenn wir die Schienenverkehrsknotenmodernisieren, können die bestehenden Trassen mehrVerkehr bewältigen.Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Vielen Dank. – Zu Ihrer ersten Frage, zur Frage nachder Kooperation. Ich will zunächst einmal klarstellen,dass wir die Verteilung der Kompetenzen zwischenBund und Ländern nicht antasten wollen. Wir wollen mitunserem Konzept nicht in die Kompetenzbereiche derLänder bzw. der Hafeneigentümer hineinregieren. Wirsind bereit, an den Stellen, wo wir keine Kompetenz haben,die Koordinierung, das Anstoßen, auch das Appellierenzu übernehmen; das vorausgeschickt.Wir sind uns mit den Ministerpräsidenten der norddeutschenLänder einig, dass es zu einer verstärkten Kooperationder Häfen kommen muss. Dies resultiert schonallein daraus, dass die Schiffe, die Container transportieren,in der Zukunft andere Abmessungen haben werdenals jetzt. Aus diesem Grund brauchen wir den TiefwasserhafenWilhelmshaven. Wir brauchen – da ist der Bundgefragt – eine Anbindung, die zugleich eine Verbindungzwischen den Häfen darstellt. Denken Sie zum Beispielan die Schienenanbindung Wilhelmshaven–Oldenburg,oder denken Sie an die Quertrasse, an die Weiterführungder A 20/A 22 bis an die niederländische Grenze.Das Raumordnungsgesetz – ich habe das bereits anklingenlassen – gibt uns als Bund die Möglichkeit, dieStandortkonzepte der einzelnen Länder bzw. der einzelnenHäfen nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondernim Rahmen einer übergeordneten Planung mit diesenStandortkonzepten die Entwicklung der Häfen voranzutreiben.Das heißt, wir sitzen mit den Hafenbetreibernbzw. mit den Bundesländern an einem Tisch.Noch einmal: Der entscheidende Punkt ist, dass wirdafür sorgen, dass die Häfen auch infrastrukturell zusammenarbeitenkönnen. Ich will ein anderes Beispielnennen: Wenn wir es schaffen, den Nord-Ostsee-Kanalso zu ertüchtigen, dass die Verbindung zu den Ostseehäfenbesser gewährleistet ist, dann werden wir den Feederverkehrvon der Nordsee in die Ostsee und letztlichauch die Kooperation besser realisieren können. Deshalbist es unser Ziel, sowohl den Nord-Ostsee-Kanal und dieBinnenwasserstraßen als auch die Schiene und die Straßensystemeauszubauen.In den entsprechenden Maßnahmenpaketen haben wirja auch niedergelegt, was wir tun wollen. Bei der Hinterlandanbindunggeht es nicht nur um die Y-Trasse,sondern wir wollen beispielsweise auch die B 96 vonSassnitz nach Berlin ertüchtigen und die Eisenbahnverbindungzwischen Stralsund und Berlin verbessern. Allesdas ist dort niedergelegt.Das Zweite. Ich will jetzt nicht darüber streiten, werder Vorschlaggeber bzw. der Initiator gewesen ist – dasist auch relativ unerheblich –, wenn es darum geht, dasswir die Landstromversorgung verbessern müssen. Es istan den Häfen – insbesondere an den Häfen, an denen diegroßen Luxusschiffe anlegen – nach wie vor ein großesProblem, dass dort aufgrund der Dieselabgase die CO 2 -Bilanz über mehrere Tage und zum Teil Wochen verschlechtertwird. Sie sind sicherlich mit mir einer Meinung,dass das eine Angelegenheit ist, die wir vorwiegendauf europäischer Ebene lösen müssen; denn es(C)(D)


24976 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Bundesminister Wolfgang Tiefensee(A)(B)lohnt sich nicht, ein Vorhaben in Gang zu setzen, dasnicht dem europäischen Standard entspricht, sodass dasentsprechende Equipment nur für die deutschen Häfenauf den Schiffen vorhanden sein muss.Worauf zielen wir ab? Wir wollen eine Verständigungin Europa, und wir wollen eine Technologie, bei der entwederdie Wasserstoff- oder die Brennstoffzelle zur Anwendungkommt oder die mit Biogas oder anderem Gasbetrieben werden kann. Hier befinden wir uns gerade inder Diskussion darüber, wie wir zumindest in den europäischenHäfen eine Standardisierung auf den Weg bringenkönnen. Mit dem entsprechenden Etat, den es inmeinem Haus dafür gibt, forschen wir weiter an der Lösungdieses Problems.Zu Ihrer dritten Frage, also zur Relation Schiene/Straße. Ich hatte es bereits angesprochen: Unser Bestrebenist es, eine möglichst umweltfreundliche Anbindungder Seehäfen an die Binnenwasserstraßen und dieSchiene zu gewährleisten. Deshalb fokussieren wir beidem Problem Hinterlandanbindung die Ertüchtigung derSchiene.Sie haben die Knoten – insbesondere in Bremen undHamburg – angesprochen. Sie wissen, dass wir den BremerKnoten aktuell ausbauen. Es kommt aber auch nochauf etwas anderes an; das finden Sie wieder im MasterplanGüterverkehr und Logistik. Das zentrale Problemder nächsten Zeit wird sein, die gebrochenen Transportkettengenauso wie übrigens auch die gebrochenen Reisekettenzu organisieren. Stichworte sind „Terminals imKombinierten Verkehr“ und „Umschlagstechnologien“,mit denen wir uns intensiv beschäftigen. Wie gelingt esuns, vom Hafen direkt auf die Binnenwasserstraße bzw.auf die Schiene umzuladen? Oder: Wie gelingt es uns,die Container oder sogar die Sattelaufleger in den kombiniertenVerkehrsterminals über eine kurze Lkw-Streckeauf die Schiene zu bringen?Hier sind wir vorangekommen. Sie wissen, dass wirden Etat dafür hier im Bundestag deutlich aufgestockthaben. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, stellenwir dafür mittlerweile rund 115 Millionen Euro pro Jahrzur Verfügung. Dadurch soll unterstrichen werden, dasswir genau diesem Thema die höchste Aufmerksamkeitwidmen. Es geht um die Verlagerung des Verkehrs vonder Straße auf die Schiene bzw. auf die Binnenwasserstraße.Noch besser wäre es, wenn für die Verlagerungkeine Straße benötigt würde, sodass die Verlagerung direktauf die Schiene bzw. auf die Binnenwasserstraßeerfolgen könnte. Aus diesem Grunde gibt es auch dieCluster, die Sie sehen – Stichworte: Binnenhäfen, Binnenwasserstraßen–, mit denen diese Verzahnung zwischenden Seehäfen, den Binnenhäfen und den Binnenwasserstraßenermöglicht werden soll.vielen Veranstaltungen in der letzten Zeit erfahren, dassauch die Wirtschaft diesen Zusammenhang sehr deutlichsieht. Wie können wir diese Zusammenarbeit zwischenden Seehäfen und den Binnenhäfen politisch unterstützen?Der Kombiverkehr ist dabei natürlich ein Stichwort.Zweiter Punkt. Je mehr Güter wir auf die Schienebringen, desto mehr müssen wir uns natürlich auch mitdem Thema „Lärm auf der Schiene“ auseinandersetzen.Trotz der guten Argumente, den Verkehr auf die Schienezu verlagern, wissen wir, dass die Bürgerinnen und Bürgeran bestimmten Strecken schon heute ihre Sorgen undNöte haben. Ich möchte gerne noch einmal nachfragen,wie das Haus mit dieser Thematik umgehen möchte.Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Vielen Dank. – Tatsächlich gibt es noch Potenzial beider Zusammenarbeit der Seehäfen und Binnenhäfenbzw. bei der Nutzung der Binnenwasserstraßen. Ichmöchte noch einmal die regelmäßigen Nationalen MaritimenKonferenzen ansprechen, die damals unter Rot-Grün gestartet worden sind. Deutschland hat sich zu seinenSeehäfen und Binnenhäfen bekannt. Ich will es etwasplakativ ausdrücken: Nachdem die Wirtschaft unddie Öffentlichkeit der Nordsee und Ostsee früher eherden Rücken zugekehrt haben – sie haben unsere kleinenund großen Tore zur Welt dort vernachlässigt und hatteneher das Binnenland im Blick –, hat in den letzten siebenoder acht Jahren eine völlig neue Politik ihren Niederschlaggefunden.Die Maritimen Konferenzen sind entscheidend, umdie Betreiber von Binnenhäfen und Überseehäfen zusammenzubringen.Ich gehe davon aus, dass nicht nurdie Diskussion in Vorbereitung des Hafenkonzeptes,sondern auch die im Nachgang in verschiedenen Runden,die auch mein Haus leitet, dazu beitragen wird, jetztdie Projekte konkret umzusetzen, die im zweiten Teil desKonzepts aufgeführt sind. Wir werden die Umsetzungnicht nur konkretisieren, sondern auch evaluieren. Ichgehe davon aus, dass wir Formen der Zusammenarbeitfinden werden.Darüber hinaus ist zum Beispiel das Stichwort Mobilitätsoffensivezu nennen. Das ist im Übrigen auch eineAntwort auf die Frage der Vernetzung der unterschiedlichenVerkehrsträger. In der Mobilitätsoffensive findensich die Hafenbetreiber – diejenigen, die Binnenhäfenund Binnenschifffahrt verantworten – genauso wie beispielsweisedie Betreiber der Deutschen Bahn und derStraßengüterverkehre. Sie müssen stärker kooperieren.Das soll zum Beispiel durch das Instrument der Mobilitätsoffensiveermöglicht werden.(C)(D)Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Das Wort hat nun die Kollegin Annette Faße.Annette Faße (SPD):Vielen Dank. – Herr Minister, ich begrüße es sehr,dass wir diesen Plan haben, der nicht nur die Seehäfen,sondern auch die Binnenhäfen betrifft. Wir haben aufDas Thema Lärm ist eines der wichtigsten Themen,wenn es um Umweltschutz oder Lebensqualität geht.Mobilität verliert dort zunehmend an Akzeptanz, wo derLärm zunimmt. Die Lärmkarte stellt insbesondere in Bezugauf das Rheintal dar, wo wir ansetzen müssen.Wir haben, wie Sie wissen, vor etwa anderthalb Jahrenein Lärmschutzkonzept vorgelegt, an dessen Fort-


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 24977Bundesminister Wolfgang Tiefensee(A)(B)schreibung wir derzeit arbeiten. Im Zusammenhang mitdiesem Konzept haben wir die Gelder für Lärmschutz– sowohl für die Forschung als auch für die Realisierungder Vorhaben – deutlich erhöht. Hier handelt es sich um150 Millionen Euro, also eine Verdoppelung.Was die Schienenlärmproblematik angeht, müssenwir von den vier oder fünf Meter hohen Mauern wegkommen,die die Schienen eingrenzen, zugunsten modernerFormen wie der Kompositbremse, der LL-Sohleoder der 75 Zentimeter hohen, unmittelbar am Gleisbettbefestigten Wand bzw. der Flanschen an den Schienen.Alles das probieren wir derzeit aus.Das Konjunkturpaket II hat einen deutlichen Aufwuchsim Bereich des Lärmschutzes ermöglicht. Das giltfür die Schiene genauso wie für die Straße. Die Bundesregierunghat sich dieses Themas nicht nur in dieser Legislaturperiodeangenommen, sondern ich denke, daswird auch in der kommenden Legislaturperiode ein sehrwichtiges Thema sein. Es ist mir ein persönliches Anliegen,entscheidend und dem State of the Art entsprechendvoranzukommen.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Eine weitere Frage hat der Kollege Lutz Heilmann.Lutz Heilmann (DIE LINKE):Frau Präsidentin! Herr Minister, ich habe eine Nachfrage.Mein Kollege Rainder Steenblock hat das StichwortLandstromversorgung angesprochen und Ihnenmehrere Fragen dazu gestellt. Die Bundesregierung hatnach meinem Kenntnisstand bei der Europäischen Uniondie Befreiung der Stromsteuer beantragt. Wie ist der aktuelleStand?Das Hafenkonzept hält nach meinem Dafürhalten unbeirrtam Wachstumsglauben fest. Wir befinden uns derzeitin einer der schwersten Wirtschaftskrisen. Das überarbeiteteKonzept geht auch kurz darauf ein. Sind Siesich sicher, dass der Ölpreis im Jahr 2020 oder 2025 bei60 Dollar pro Barrel liegen wird? Derzeit sind es70 Dollar. Wenn es zum wirtschaftlichen Aufschwungkommt, wird er sicherlich weiter steigen. Warum gibt esdazu keine realistischen Zahlen? Warum werden keinerealistischen Verkehrsprognosen erstellt, die dem Hafenkonzeptals Grundlage dienen könnten? Daher meineFrage: Wann wird dies überarbeitet und in das Konzeptaufgenommen?Standard. Die entsprechenden Entscheidungen stehenaus. Deutschland drängt darauf.Zu den Fragen hinsichtlich der Prognosen: Sie kennendas alte Sprichwort, dass nichts so unsicher ist wie Prognosen,die die Zukunft betreffen. Trotzdem haben wiraus der Vergangenheit gelernt. Im Jahre 1999 haben wirim Bundesverkehrswegeplan eine Prognose, beispielsweisefür den Containerumschlag in Hamburg, erstellt.1999 haben wir prognostiziert, dass im Jahre 2015 dieTEU, die Maßzahl für Containerkapazitäten, für Hamburg9 Millionen betragen wird. Diese Zahl wurde bereitsim Jahre 2005 erreicht. Wir gehen jetzt – das habenSie vielleicht gelesen – für Hamburg von einer Verdreifachungdieser Zahl bis zum Jahre 2020 bzw. 2025 aus.Aktuell ist im Containerverkehr ein deutlicher Rückgangvon bis zu 25 Prozent zu verzeichnen. Ich gehe allerdingsdavon aus, dass es sich um eine Art Sägezahnbewegunghandelt. Wir haben den Anstieg bis zum Endedes Jahres 2008 gesehen. Im Umschlag gibt es einenEinbruch um 20 bzw. 25 Prozent. Der Umschlag wirdaber, unter Umständen ein oder zwei Jahre zeitversetzt,wieder entsprechend zunehmen. Die Prognosen – nichtnur in Bezug auf den Containerumschlag – deuten daraufhin. Darauf müssen wir uns vorbereiten.Im Konzept findet sich aber auch die Frage nach derOptimierung, zum Beispiel der Transferverkehre bzw.der Transitverkehre. Ähnlich wie beim Masterplan Güterverkehrund Logistik brauchen wir auch hier eine europäischeLösung. Die Frage ist also: Wo landet dasContaineraufkommen an? Wo kann man es im Sinne derVerteilung über Europa am besten anlanden lassen? Wirstellen uns der Prognose also nicht, indem wir nur passivzusehen. Wir wollen aktiv und gemeinsam auf europäischerEbene gestalten, indem wir zum Beispiel die Häfenim Mittelmeerraum ausbauen und die Anbindung desrumänischen Hafens in Constanza vorantreiben, Stichwort:transeuropäische Netze. Dies wäre nicht nur fürConstanza äußerst wichtig, sondern auch, um die EuropäischeUnion vom Süden her zu erschließen; beides istnötig.Wir müssen uns auf die Containerverkehre und aufdie Gütermengen, die sich bis zum Jahre 2025 verdoppelnwerden, einrichten. Weiterhin müssen wir eine intelligenteVerteilung in der Europäischen Union vornehmen,indem wir die Möglichkeit der Ertüchtigunganderer Häfen über die transeuropäischen Netze realisieren.(C)(D)Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Zur ersten Frage: Soweit ich informiert bin, stand inder letzten Sitzung des EU-Verkehrsministerrates dieVereinheitlichung der Standards hinsichtlich des Equipmentszur Nutzung von Landstrom auf der Tagesordnung.Eine Entscheidung der Kommission darüber, wieman sich nun voranbewegen will, steht noch aus. Wirdrängen die Kommission, an dieser Stelle voranzukommen.Ich sage noch einmal: Ohne eine europäische Lösungwäre wahrscheinlich eine Fehlinvestition zu erwarten.Wir brauchen einen einheitlichen europäischenVizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Nächste Fragestellerin ist die Kollegin Dr. MargritWetzel.Dr. Margrit Wetzel (SPD):Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, ichmöchte auf das, was Sie auf die ersten Fragen von HerrnHeilmann geantwortet haben, zurückkommen. Ich binnämlich anders als der Kollege Heilmann der Meinung,dass es sehr gut ist, dass das Nationale Hafenkonzeptsehr gründlich erarbeitet wurde. Meines Erachtenswurde es uns zu einem optimalen Zeitpunkt vorgelegt.


24978 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Dr. Margrit Wetzel(A)(B)Sie haben durch die gründliche Erarbeitung sicherlichGelegenheit gehabt, es daraufhin zu prüfen, ob es denEinbrüchen, die wir momentan durch die aktuelle Kriseerleben, standhält. Meine Frage lautet ganz konkret:Trägt das Nationale Hafenkonzept durch die Nachhaltigkeit,die darin zum Ausdruck kommt, dazu bei, die aktuelleKrise zu überwinden? In diesem Zusammenhangmöchte ich anschließend fragen: Führt die bessere Kooperationder Häfen – Sie haben dazu schon eine ganzeMenge gesagt – dazu, die Attraktivität des HafenstandortesDeutschland gegenüber den ARA-Häfen zu stärken?Mein zweiter Fragenbereich betrifft die Hinterlandanbindungen,deren Ausbau sehr viele Mittel verschlingenwird, wie wir alle wissen. Das heißt, die Finanzierungwird sich notwendigerweise über etliche Jahre erstreckenmüssen. Wie können wir ein bisschen Zuversicht indie Regionen tragen – wie Sie wissen, komme ich ausNorddeutschland –, dass die Durchfinanzierung desAusbaus der Hafenhinterlandanbindungen stetig erfolgenwird? Ich gehe davon aus, dass wir die Krise gutüberwinden werden, und zwar hoffentlich schnell. Dannwerden die Verkehre wieder zunehmen. Wie wir allewissen, haben die norddeutschen Hafenstädte in der Vergangenheitsehr unter Staus gelitten. Insofern ermöglichtdie aktuelle Krise, Luft zu holen und die Infrastrukturauszubauen und somit ein Stück weit wieder Vorsorgegegen Staus zu betreiben. Sieht der Bund aber auchMöglichkeiten, im Zuge kurzfristiger Entlastungen in irgendeinerForm mit den Ländern zu kooperieren? Gehtes nur um die Y-Trasse, oder ist auch an kurzfristigeMaßnahmen gedacht?um die Krise zu bewältigen, die Bauwirtschaft anzukurbelnund nachhaltig in die Infrastruktur zu investieren.Diese 12 Milliarden Euro setzen wir ein, um den Staubuchstäblich abzubauen. Wenn es um die Aufstellungdes nächsten Haushalts und die mittelfristige Finanzplanunggeht, kommt es darauf an – ich kämpfe dafür undbitte um Ihre Unterstützung –, in den nächsten Jahreneine Verstetigung auf dem Niveau von 10 MilliardenEuro vorzunehmen. Das ist die Voraussetzung für einestabile Finanzierung des Ausbaus der Hinterlandanbindungen.Die Y-Trasse mit einem Kostenvolumen vonmehreren Milliarden Euro bedarf einer langfristigen, stabilenFinanzierung. Ansonsten ist sie nicht zügig zu realisieren.Sie haben des Weiteren danach gefragt, wie wir kurzfristighelfen können. Wir suchen gemeinsam mit denLändern nach Lösungen. Ich nenne als Stichwort Wilhelmshaven/Oldenburg.Wenn der Hafen im Jahre 2010seinen Betrieb aufnimmt, ist es wichtig, dass die entsprechendenVerkehre bewältigt werden können. Die DeutscheBahn AG ist bestrebt, das zu tun. Wir unterstützensie dabei gemeinsam mit den Ländern. Aber ich befürchte,dass die Hauptlast wohl vom Bund zu tragensein wird, erst recht in finanzieller Hinsicht. Auch dieLänder sind gefordert – Stichworte Y-Trasse und Heidebahn–, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen,Linienbestimmungen vorzunehmen, die Träger öffentlicherBelange einzubeziehen und dafür zu sorgen,dass wir schnell und gründlich planen können, uns nichtin juristischen Verfahren verfangen und die Realisierungnicht hinausgezögert wird. Das ist die Hauptaufgabe derLänder als Auftragnehmer und Auftragverwalter.(C)(D)Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Zu Ihrem ersten Fragenkomplex: Die deutschen Häfenan der Nordsee und der Ostsee sind, wie im Hafenkonzeptbeschrieben, hervorragend ausgebaut und aufgestellt,um langfristig die Bedürfnisse zu decken – wirwerden sicherlich noch eine Menge tun und Anpassungenvornehmen müssen; darüber haben wir geradegesprochen; aber wir haben ein hervorragendes Fundament–, aber auch so stabil, die jetzige Wirtschaftskrisegut zu überstehen. Natürlich ist es nicht einfach, Einbrüchein Höhe von 20 bis 25 Prozent zu verkraften.Aber in einer Kooperation der Häfen sollte es möglichsein, Entlassungen von Arbeitskräften zu vermeiden.Zu Ihrem zweiten Fragenkomplex: Wir sollten diedurch die Wirtschaftskrise verursachte Atempause nutzen– damit haben Sie völlig recht –, um den Ausbau derInfrastruktur voranzutreiben. Das will ich am Geldvolumendeutlich machen. Uns steht im Haushalt 2009/2010erstmalig eine Summe zur Verfügung, die weit oberhalbder 10-Milliarden-Euro-Grenze liegt. Der Bundesverkehrswegeplan,der, wie wir alle wissen, kein Finanzplanist, beschreibt für die Maßnahmen des vordringlichenBedarfs die Notwendigkeit, etwa 10 Milliarden Euro proanno zur Verfügung zu stellen. Wir haben natürlich einengewissen Stau – vor allem im Norden Deutschlands –abzubauen. Erstmalig stehen uns 12 Milliarden Eurostatt wie bisher knapp 9 Milliarden Euro zur Verfügung,Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Herr Kollege Rainder Steenblock, bitte.Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Minister, ichwürde gerne eine Bemerkung von Frau Dr. Wetzel aufgreifen.Auch wir begrüßen, dass dieses Konzept vorliegt.Ich will mich nicht über den Zeitpunkt streiten. Esist zumindest für den Wahlkampf da. Vor dem Hintergrund,dass Sie so lange gebraucht haben und es, wasrichtig ist, gründlich machen wollten, finde ich es ausgesprochenschade, dass Sie nicht die Gelegenheit genutzthaben, die aktuellen Entwicklungen in diesem Konzeptzu berücksichtigen. Es steht nämlich überhaupt nichtsvon der aktuellen Situation darin. Wir haben die Kriseim Bereich des internationalen Warenverkehrs nicht erstseit Anfang dieses Monats. Die Chance, sich anzuschauen,was aktuell geschieht und wie lange die Situationandauert, haben Sie leider nicht genutzt. Es gibtviele Experten, die sagen, dass wir, um auf das Niveaudes Containerumschlags zum Beispiel von 2008 zu kommen,vier, fünf Jahre brauchen werden. Da sind wir mitunseren 9 Millionen TEU für Hamburg noch relativ optimistischgewesen. Die Frage ist, ob die Prognosen aktualisiertwerden. Das würde dieses Werk sicherlich ein bisschenrealistischer machen.


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 24979Rainder Steenblock(A)(B)Ich würde gerne zum Thema Kooperation kommen,weil ich finde, dass der Bund im Interesse der Steuerzahleranders agieren muss. Sie berufen sich auf den Föderalismusund verweisen auf die Aufgabe der Häfen. Dashaben wir damals in der Föderalismuskommission I sobeschlossen. Aber die Hinterlandanbindung erfolgtdurch den Bund und wird vom Bund bezahlt. Es kannnicht im Interesse des Bundes sein, jedem Hafen das zubezahlen, was er gerne möchte. Das Kooperationsinteressebetrifft auch den bundesdeutschen Steuerzahler.Deshalb halte ich es für vernünftig, den Häfen Kooperationsauflagenzu machen und die Hinterlandanbindungnur dann zu bezahlen, wenn sie Steuergelder sparen. Ichspreche damit insbesondere die Elbvertiefung an. Ichglaube, das Projekt kann unter den gegenwärtigen Bedingungennicht sinnvoll finanziert werden. Auch10 000-TEU-Containerschiffe können Hamburg anlaufen.Sie können das nicht zu jeder Zeit – das hängt vonder Ebbe- und Flutsituation ab –, aber die Reeder habenunter den Bedingungen der Ölkrise die Geschwindigkeitenauf den Interkontinentalrouten sowieso dramatischreduziert. Zeit spielt also keine große Rolle. Haben Sieeine Vorstellung, wie man Kooperation im Interesse desBundessteuerzahlers so steuern kann, dass nicht überallin das Gleiche investiert wird, sondern Schwerpunktegesetzt werden?Mein letzter Punkt: Wo fangen wir eigentlich an? Esgibt in dem Konzept eine Reihe von Maßnahmen, dieauch wir für sinnvoll halten. Bei einzelnen Projekten habenwir Differenzen. Meine Frage bezieht sich darauf,unter den Bedingungen einer Zeitsteuerung Schwerpunktezu setzen und einen Zeitplan zu erstellen. Wasmachen wir eigentlich als Erstes? Sie werden nicht immergenug Geld zur Verfügung haben. Es ist schön, dassSie zum Wahlkampf so viel Geld für die Infrastrukturhaben. Unter den Bedingungen der Finanzkrise ist aberdavon auszugehen, dass Sie das Geld angesichts der Verschuldungder öffentlichen Haushalte nicht haben. Wieerreicht man eine Priorisierung der Vorschläge?lichen bzw. im weiteren Bedarf; sie sind im Übrigenaufgelistet. Wir wissen, um wieder die Strecke Wilhelmshaven-Oldenburganzusprechen, dass wir eine zweigleisigelektrifizierte Strecke brauchen. Wir wissen, dass wirSassnitz mit der B 96 anbinden. Die ist im Plan, wennauch im weiteren Bedarf, wenn ich es richtig in Erinnerunghabe. Das Gleiche gilt für die Y-Trasse und die Eisenbahnverbindungzwischen Hamburg und Lübeck, umdie Verbindung zwischen der Nordsee und der Ostseeanzusprechen. Das alles ist unabhängig von einer Kooperationoder Nichtkooperation im Einzelnen geplant,genau dimensioniert und entsprechend diesem Konzeptauf die Warenmengen abgestimmt. Aus diesem Grundebesteht da kein Nachholbedarf, ganz im Gegenteil. Wirhaben das alles dargestellt.Sie haben nach den Prioritäten gefragt: In diesemKonzept der Hinterlandanbindung ist im Einzelnen beschrieben,welche Maßnahmen vordringlich sind. Eineder dringendsten Maßnahmen habe ich mehrfach angesprochen;ich will mich nicht wiederholen. Es gibt alsoeine klare Vorstellung davon, wo die Prioritäten liegen.Wenn der Verkehrsminister in der Zukunft über genügendGeld verfügt – damit sind die angesprochenen10 Milliarden Euro gemeint –, dann wird der Hinterlandausbauentsprechend diesen Prioritäten vorangetrieben.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Herr Minister, ich bedanke mich bei Ihnen für die Beantwortungder Fragen.Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Gerne.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Wir haben den zeitlichen Rahmen der Regierungsbefragungvoll ausgeschöpft. Damit beende ich die Regierungsbefragung.(C)(D)Wolfgang Tiefensee, Bundesminister für Verkehr,Bau und Stadtentwicklung:Zur ersten Frage: Ich bin der Überzeugung, dass wirmit dem Langfristkonzept und den Prognosen richtig liegen,auch wenn wir jetzt einen Einbruch haben und dieZielmarke gegebenenfalls um ein oder zwei Jahre verfehlen.Deshalb ist der Grundansatz dieses Konzepts einlangfristiger. Es geht nicht darum, ein Konzept zu erarbeiten,wie die Häfen in den nächsten zwei Jahren durchdie Krise kommen. Die Bundesregierung kümmert sichdarum, dass wir das schaffen. Sie ist mit im Boot und kooperiertmit den Häfen, wenn es darum geht, voranzukommen.Zum Zweiten: Kooperation, ja. Ich denke, ich habedazu erschöpfend Stellung genommen. Sie sprechen dieInfrastruktur an, die der Bund bezahlen und ausbauenmuss und die nach Ihrer Meinung von dieser Kooperationabhängig ist. Wir haben eine ganz klare und genaueVorstellung, wie jeder einzelne Hafen angebunden werdensoll. Die Projekte stehen im Einzelnen im vordring-Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:Fragestunde– Drucksache 16/13331 –Ich rufe die Fragen in der üblichen Reihenfolge auf.Wir kommen zu dem Geschäftsbereich des Bundesministeriumsder Justiz. Die Frage 1 der Kollegin SabineZimmermann wird schriftlich beantwortet.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriumsfür Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.Die Frage 2 der Kollegin Ulrike Höfkenwird schriftlich beantwortet.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriumsfür Verteidigung. Die Frage 3 der KolleginPetra Pau wird schriftlich beantwortet.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriumsfür Gesundheit. Die Frage 4 des KollegenFrank Spieth wird ebenfalls schriftlich beantwortet.


24980 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt(A)Dann kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriumsdes Innern. Für die Beantwortung derFragen steht Herr Parlamentarischer Staatssekretär <strong>Peter</strong>Altmaier zur Verfügung.Deutschland kommen, solange er in der Zeit, in der erhier ist, diese nicht hält; dann hat man kein Problem damit,ihn quasi als Staatsgast zu behandeln. Ist das richtig?(C)Ich rufe die Frage 5 des Kollegen Omid Nouripourauf:Wie ist der Aufenthalt des wahabitischen HasspredigersA. I. J. in Deutschland mit seinen islamistischen Äußerungenvereinbar?<strong>Peter</strong> Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerdes Innern:Nein. Ich weise diese Unterstellung in aller Form zurück.(B)<strong>Peter</strong> Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerdes Innern:Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr KollegeNouripour, es geht um Herrn A. I. J., wenn ich das so abkürzendarf, wie Sie es in Ihrer Frage getan haben. Soweitwir wissen, ist er aus der Bundesrepublik Deutschlandinzwischen wieder ausgereist, und zwar am 30. Mai2009. Er war während einiger Wochen hier, weil er lebensbedrohlicherkrankt war. Der Aufenthalt hatte nachunserer Kenntnis ausschließlich medizinische Gründe.Er ist in einem Krankenhaus in Deutschland medizinischversorgt worden.Was die Einreise angeht, so verfügte er über einSchengen-Visum, das Frankreich ausgestellt hatte. Damitist er rechtmäßig nach Deutschland eingereist.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Nachfrage, Herr Kollege.Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herzlichen Dank, Herr Staatssekretär. – Wir erlebenbei Großveranstaltungen, zum Beispiel bei Fußballweltmeisterschaftenoder -europameisterschaften, dass es indringenden Fällen kein Problem ist, ein Schengen-Visumauszusetzen. Die Bundesregierung hat vor dem Hintergrunddessen, dass Herr Ibn Jibrin bereit ist, auch dieTaten von Osama Bin Laden zu rechtfertigen, nicht darangedacht, von einer solchen Restriktion Gebrauch zumachen. Seit der Verabschiedung des Zuwanderungsgesetzeswissen wir, dass auch deutlich weniger extremistischeÄußerungen zu einer sofortigen Ausweisung führenkönnen, wenn man sie in einer Moschee in Berlin-Kreuzberg tätigen würde.<strong>Peter</strong> Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerdes Innern:Der Vorgang ist so abgelaufen, wie ich ihn geschilderthabe.Ich kann noch einmal sagen, dass der Betreffende, soweitmir bekannt ist, während seines Aufenthalts inDeutschland keine derartigen Äußerungen getätigt hat.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Wollen Sie eine weitere Zusatzfrage stellen?Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ja. – Ich habe Sie so verstanden: Wenn jemand in Pakistanextremistische Predigten hält, kann er ruhig nachIch habe Ihnen geschildert, wie dieser konkrete Fallabgelaufen ist: Der Betroffene ist mit einem gültigenVisum eingereist. Er war dann zur Behandlung im Krankenhaus.Im Übrigen kam es dann zu einer Strafanzeige.In der Folge dieser Strafanzeige wurden weitere Maßnahmengetroffen. Die Maßnahme, die Sie eben angesprochenhaben, wurde dabei nicht ergriffen.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Ich rufe die Frage 6 des Kollegen Nouripour zumgleichen Sachverhalt auf:Welcher Art und zu welchem Zeitpunkt hat die Bundesregierungim Zusammenhang mit dem Aufenthalt von A. I. J. inDeutschland Zusagen an die Regierung von Saudi-Arabiengemacht?<strong>Peter</strong> Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerdes Innern:In Frage 6 sprechen Sie Schutzmaßnahmen an, die dieBundesregierung veranlasst haben könnte. Dazu kannich Ihnen Folgendes sagen: Der Bundesminister des Innernwar in einem völlig anderen Zusammenhang am27./28. Mai dieses Jahres in Saudi-Arabien. Bei diesemBesuch hat die saudische Regierung eine entsprechendeBitte an den Bundesinnenminister gerichtet. Der Bundesinnenministerhat dann erklärt, dass nach seiner Kenntnisdas Landeskriminalamt Berlin bereits Schutzmaßnahmenveranlasst habe und insofern für die Sicherheitvon A. I. J. in Deutschland Sorge getragen werde.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Eine Nachfrage, Herr Kollege?Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ja. – Habe ich Sie richtig verstanden: Aufgrund einerStrafanzeige wurde Personenschutz für diesen Menschenbereitgestellt? Das ist auch logisch; in diesem Landmacht man das nun einmal so. Aber darüber hinaus sindder saudischen Seite keine weiteren Zusagen gegebenworden? Ist das richtig?<strong>Peter</strong> Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerdes Innern:Es sind mir keine bekannt. Es wurden jedenfalls vomBundesministerium des Innern keine Zusagen gemacht.Ich habe Ihnen den Vorgang so dargestellt, wie er abgelaufenist. Das heißt: Es gab die Schutzmaßnahmen desLandeskriminalamtes Berlin. Das haben wir der saudischenSeite beim Besuch des Bundesinnenministers auchmitgeteilt. Weitere Vorgänge gibt es dazu nicht.(D)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 24981(A)(B)Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Eine weitere Nachfrage? – Bitte sehr.Omid Nouripour (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ist im Zusammenhang mit den Gesprächen mit dersaudi-arabischen Seite oder auch bei der Koordinationsolcher Maßnahmen innerhalb der Sicherheitsorgane derBundesrepublik mal die Tatsache diskutiert worden, dassdie Anhänger dieser Person, also von Abdullah Ibn Jibrin,in der Bundesrepublik ganz massiv vom Verfassungsschutzbeobachtet werden?<strong>Peter</strong> Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerdes Innern:Ich kann Ihnen zu Einzelheiten dieser Gesprächeschon deshalb nichts sagen, weil ich nicht dabei war. ImÜbrigen haben solche Gespräche auf der Ebene des betroffenenLandes in Berlin stattgefunden. Von ähnlichenGesprächen auf Bundesebene ist mir nichts bekannt.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Wir kommen zu den Fragen 7 und 8 des KollegenVolker Beck. Sie werden schriftlich beantwortet. DasGleiche gilt für die Frage 9 des Kollegen ManuelSarrazin und die Fragen 10 und 11 der KolleginDr. Gesine Lötzsch.Damit sind wir am Ende des Geschäftsbereichs desBundesministeriums des Innern. Herr StaatssekretärAltmaier, herzlichen Dank für die Beantwortung der Fragen.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriumsder Finanzen. Für die Beantwortung der Fragensteht Herr Parlamentarischer Staatssekretär KarlDiller zur Verfügung.Die Fragen 26 und 27 des Kollegen <strong>Hans</strong>-JoachimOtto und die Fragen 28 und 29 des Kollegen Dr. h. c.Jürgen Koppelin werden schriftlich beantwortet.Die Kollegin Sevim Dağdelen, die die Fragen 30 und 31gestellt hat, ist nicht im Saal. Es wird verfahren, wie inder Geschäftsordnung vorgesehen.Die Frage 32 der Kollegin Sabine Zimmermann wirdschriftlich beantwortet.Wir kommen zu den Fragen 33 und 34. Die KolleginHeike Hänsel ist nicht im Saal. Es wird verfahren, wie inder Geschäftsordnung vorgesehen.Herr Staatssekretär Hintze, ich bedanke mich für IhreBereitschaft und darf auch Ihnen mitteilen, dass Sie zuanderen Aufgaben übergehen können.Damit kommen wir zum Geschäftsbereich des Bundesministeriumsfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.Die Kollegin Cornelia Behm, die die Fragen 35 und36 gestellt hat, ist im Saal. Herr Staatssekretär UlrichKasparick dachte wohl, dass noch andere Fragen beantwortetwerden und hat den Saal zwischenzeitlich verlassen.Er kann eigentlich nicht weit sein, weil er schon hierwar. Ich denke, wir können auf ihn warten.(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN]: Ziehen Sie doch Außen vor!)Die Frage 37 der Kollegin Diana Golze wird schriftlichbeantwortet. – Ist der Herr Staatssekretär im Begriffeinzutreffen?(Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin: Gleich!)Was heißt „gleich“?(Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin: Wir solltenvielleicht tauschen!)– Dann würde ich vorschlagen, dass wir weitermachen.(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der Staatsminister aus demAuswärtigen Amt ist hier!)– Ja, es liegt noch eine Reihe anderer Fragen vor.(C)(D)Die Fragen 12 und 13 des Kollegen <strong>Hans</strong>-ChristianStröbele werden schriftlich beantwortet.Wir kommen zu den Fragen 14 und 15 des KollegenManfred Kolbe. Er ist nicht im Saal. Es wird verfahren,wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.Der Fragesteller der Fragen 16 und 17, Herr KollegeCarl-Ludwig Thiele, ist ebenfalls nicht im Saal. Es wirdverfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.Die Fragen 18 und 19 des Kollegen Frank Schäfflerwurden zurückgezogen.Die Fragen 20 und 21 des Kollegen Florian Toncarwerden schriftlich beantwortet. Gleiches gilt für die Fragen22 und 23 des Kollegen Jan Mücke und die Fragen24 und 25 des Kollegen Dr. Ilja Seifert.Damit ist auch der Geschäftsbereich des Bundesministeriumsder Finanzen abgearbeitet. Herr ParlamentarischerStaatssekretär Karl Diller kann wieder anderen Arbeitennachgehen.Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundesministeriumsfür Wirtschaft und Technologie. Hier steht fürdie Beantwortung der Fragen Herr ParlamentarischerStaatssekretär <strong>Peter</strong> Hintze zur Verfügung.Ich stelle den Bereich des Bundesministeriums fürVerkehr, Bau und Stadtentwicklung zurück und rufe denGeschäftsbereich des Bundesministeriums für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit auf.Die Kollegin Dr. Maria Flachsbarth, die dieFragen 38 und 39 gestellt hat, ist nicht im Saal. Es wirdverfahren, wie in der Geschäftsordnung vorgesehen.Die Fragen 40 und 41 der Kollegin Gitta Connemannwerden ebenso wie die Fragen 42 und 43 des Kollegen<strong>Hans</strong>-Josef Fell, die Frage 44 der Kollegin BrigittePothmer sowie die Fragen 45 und 46 der Kollegin SylviaKotting-Uhl schriftlich beantwortet.Da der Kollege <strong>Hans</strong>-Kurt Hill, der die Fragen 47 und48 gestellt hat, nicht im Saal ist, verfahren wir, wie in derGeschäftsordnung vorgesehen.Dann bitte ich die Frau Staatssekretärin, die Frage 49der Kollegin Dorothée Menzner zu beantworten:


24982 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt(A)Bestätigt die Bundesregierung, dass parallel zur Erkundungdes Bergwerks in Gorleben bereits der Ausbau zumEndlager begonnen wurde, wie die Frankfurter Rundschau inihrer Ausgabe vom 28. Mai 2009 aus einer ihr vorliegendeninternen Bewertung des Bundesamtes für Strahlenschutz zitiert?sonstigen Genehmigungen vorlagen? Wie bewerten Siees, dass unter der Überschrift „Erkundung“ rein bergrechtlicheGenehmigungen vorlagen, aber offensichtlichdeutliche Vorarbeiten erfolgt sind, die einer atomrechtlichenBewertung bedurft hätten?(C)(B)Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kollegin, ichbeantworte Ihre Frage wie folgt: Nein. Die bisherigenbaulichen Maßnahmen stehen im unmittelbaren Zusammenhangmit der Erkundung für ein mögliches Endlagerfür hoch radioaktive Abfälle. Die Anlagen sind allerdingsfür den Fall der nachgewiesenen Eignung im Hinblickauf die spätere Nutzbarkeit bzw. Ausbaufähigkeitfür das geplante Endlager ausgelegt worden. Dies betrifftinsbesondere die beiden Schächte, die Größe derSalzhalde, der Außenanlage und der Gebäude.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Haben Sie eine Nachfrage, Frau Menzner?Dorothée Menzner (DIE LINKE):Ja.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Bitte sehr.Dorothée Menzner (DIE LINKE):Frau Staatssekretärin, können Sie bitte begründen,wieso die Schächte und die Stollen schon sehr viel weiteraufgefahren und sehr viel größer angelegt wurden, alsdas für den – so wurde es dargestellt – bisher einzigenAuftrag im Zusammenhang mit dem Bergwerk Gorleben,nämlich die Erkundung der Eignung, notwendig gewesenwäre?Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Frau Kollegin, ich lese Ihnen am besten eine Stellungnahmedes Bundesamtes für Strahlenschutz zu dem Berichtin der Frankfurter Rundschau vor, der Anlass fürIhre Frage war; dann wird der Sachverhalt deutlich.Das Bundesamt für Strahlenschutz hat auf diesen Berichtwie folgt reagiert:Die Entscheidung, den Salzstock Gorleben im Rahmendes Bergrechts zu erkunden und mit hohemAufwand auszubauen, ist im Vorfeld der Schachtabteufung1986 auf politischer Ebene getroffenworden. Der Umfang des Ausbaus ist durch dasBergrecht genehmigt und wurde vom Bundesverwaltungsgericht1990 für zulässig erklärt.Gorleben ist ein Erkundungsbergwerk und keinEndlager für radioaktive Abfälle. Ob Gorleben alsEndlager für radioaktive Abfälle geeignet ist, kannderzeit noch nicht beurteilt werden. Bis zu einerEignungsaussage für Gorleben sind noch umfangreicheArbeiten notwendig. Eine Eignungsaussagewird mit dem Planfeststellungsbeschluss im atomrechtlichenGenehmigungsverfahren getroffen. Eskann sie nach derzeitigem Stand frühestens in etwa15 Jahren geben.Eine BfS-Stellungnahme mit den in der FR zitiertenÄußerungen– die Anlass für Ihre Frage waren –(D)Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Sehr geehrte Frau Kollegin, ich habe Ihnen eben geantwortet,dass die Maßnahmen, die dort stattfinden, aufdie Erkundung ausgerichtet sind. Für den Fall, dass esspäter zu einer Entscheidung für die Einrichtung einesEndlagers kommt, werden bereits jetzt dort, wo es möglichist, Vorbereitungen getroffen, zum Beispiel im Hinblickauf die Größe der Anlage, bei der auf die wirtschaftlicheVerhältnismäßigkeit geachtet werden muss.Damit wird keine Entscheidung für den Standort Gorlebenin der Zukunft präjudiziert.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Haben Sie eine weitere Nachfrage?Dorothée Menzner (DIE LINKE):Frau Staatssekretärin, offensichtlich sind für den Fall,dass sich Gorleben als geeigneter Standort erweisensollte, schon Vorbereitungen für einen weiteren Ausbauzum Endlager erfolgt. Dabei geht es auch um die Größenordnung,die Höhe der Kostenanteile. Wie bewertenSie es, dass bisher überhaupt keine atomrechtlichen oderexistiert nicht.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Eine Nachfrage zu diesem Themenkomplex hat dieKollegin Dückert.Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Frau Staatssekretärin, wenn vom finanziellen Aufwand,wie Sie sagen, aber auch von der Art der Maßnahmenher in Gorleben eigentlich schon im Endlagerumfanggebaut worden ist, wieso – können Sie mir daserklären? – sprechen Sie dann weiterhin davon, dass dieskeine Vorbereitungen für ein Endlager, sondern nur Erkundungsarbeitenwaren?Ich will es noch einmal andersherum sagen: Erkundungsmaßnahmenkosten gewöhnlich Millionenbeträge.Es fällt auf, dass hier Milliardenbeträge ausgegeben undfeste Bauten errichtet worden sind. Das alles läuft unterder Überschrift „Erkundung“. Wie können Sie diesenWiderspruch der Bevölkerung oder auch mir erklären?Ich verstehe es nicht. Nach dem Umfang und auch nachdem Finanzaufwand scheinen mir das doch Vorbereitungenfür ein Endlager zu sein.


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 24983(A)Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Für ein Endlager braucht es noch eine ergebnisoffeneStandortsuche und ein umfangreiches Verfahren, einatomrechtliches Planfeststellungsverfahren. Erst danachwird man diese Fragen beantworten können und wird eseine Entscheidung geben. Mit den Aktivitäten, die heutein Gorleben stattfinden, ist weder etwas präjudiziert,noch ist eine Entscheidung vorweggenommen.(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]:„Wer?“ war die Frage! – Marieluise Beck[Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Wer und wann!)– Ich habe es akustisch nicht verstanden.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Die Frage war, wer die Entscheidung getroffen hat,und nicht, wann sie getroffen wurde.(C)(B)Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Eine weitere Nachfrage hat der Kollege <strong>Hans</strong>-KurtHill.<strong>Hans</strong>-Kurt Hill (DIE LINKE):Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretärin,der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz,Wolfram König, hat in einem Interview der FrankfurterRundschau vom 2. Juni bestätigt, dass die Dimensionierungder Schächte und der aufgefahrenen Strecken deutlichgrößer ausgefallen ist, als für die Erkundung desSalzstocks notwendig gewesen wäre. Mich würde interessieren:Wer entschied wann und warum, dass dasBergwerk in Gorleben über das für die Erkundung notwendigeMaß hinaus ausgebaut wird? Wer hat dies veranlasst?Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Dass es über das für die Erkundung notwendige Maßhinaus schon Vorrichtungen gibt, hat etwas mit Folgendemzu tun: Für den Fall, dass es zu der Entscheidungkommt „Gorleben ist geeignet und wird als Endlagereingerichtet“, müssen Vorbereitungen getroffen werden.Damit – ich will das an dieser Stelle noch einmal ausdrücklichbetonen – ist aber keine Entscheidung für dieZukunft vorweggenommen.(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber er hat doch eine ganzandere Frage gestellt!)Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Herr Kollege Heilmann hat auch noch eine Frage zudiesem Thema.Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich kann weder die eine noch die andere Frage beantworten;denn die Frage danach, wer die Entscheidunggetroffen hat, hat Bezug darauf, wann sie getroffenwurde. Davon, wann das nämlich entschieden wurde,hängt ab, welche Behörden dafür zuständig und verantwortlichwaren. Aber ich reiche Ihnen die Antwort gernnach.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Damit kommen wir zur Frage 50 der KolleginDorothée Menzner:Bedeuten die Ausführungen des Präsidenten des Bundesamtesfür Strahlenschutz, Wolfram König, in einem Interviewmit der Frankfurter Rundschau vom 1. Juni 2009, die Kostenfür die Erkundung eines nuklearen Endlagers würden circa400 bis 500 Millionen Euro betragen, dass von den bisherigenAusgaben von circa 1,5 Milliarden Euro für das Bergwerk inGorleben abzüglich der Kosten für den Offenhaltungsbetriebvon 239,8 Millionen Euro (vergleiche Antwort der Bundesregierungauf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP aufBundestagsdrucksache 16/12957) über das eigentliche Erkundungszielhinaus etwa 750 Millionen Euro verbaut wurden?Frau Staatssekretärin.Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Diese Frage beantworte ich wie folgt: wieder nein. ImÜbrigen wird auf die Antwort der Bundesregierung aufdie Frage 9 a der Kleinen Anfrage „Eignung der StandorteGorleben und Schacht Konrad für die Endlagerungvon radioaktivem Müll“ vom 26. Juni 2006 verwiesen.Dort sind all diese Fragen nach den Kosten bereits ausführlichbeantwortet worden.(D)Lutz Heilmann (DIE LINKE):Danke, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretärin, daSie die Frage meines Kollegen nicht beantwortet haben,stelle ich die Frage noch einmal ganz langsam: Wer hatdie Entscheidung getroffen, dass Gorleben schon zur Erkundungin diesem Ausmaß ausgebaut wird?(Marieluise Beck [Bremen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sollte auch eine Staatssekretärinverstehen!)Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich kann Ihnen die Frage, zu welchem Zeitpunkt dieseEntscheidung getroffen wurde, nicht beantworten, binaber gern bereit, Ihnen das schriftlich nachzureichen.(Dr. Dagmar Enkelmann [DIE LINKE]: Wirwerden langsam stinkig hier!)Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Ihre Nachfrage, bitte.Dorothée Menzner (DIE LINKE):Danke, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretärin,auch in Anlehnung an die schon erfolgten Antwortenmeine dezidierte Nachfrage: Ist damit zu rechnen – esgibt ja den Willen und die immer wieder bezeugte Bekundung,dass es sich bei Gorleben um die Erkundungeines möglichen Standortes handelt –, dass in gleichemUmfang Geldmittel und wissenschaftliches Know-howfür die Erkundung anderer Standorte eingesetzt werden?Können wir gesichert davon ausgehen? Oder heißt es


24984 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Dorothée Menzner(A)dann doch wieder: „In Gorleben ist mehr passiert, als eigentlichnotwendig gewesen wäre, um in Erfahrung zubringen, dass dieser Standort ungeeignet ist“?Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Sie wissen, dass das Bundesumweltministerium dazudie dezidierte Meinung hat, dass eine ergebnisoffeneStandortsuche durchgeführt werden muss, auch Alternativenzu Gorleben geprüft werden müssen und erst imLichte dieser Erkenntnisse über Alternativstandorte eineEntscheidung über den Standort des künftigen Endlagersfür hochradioaktive Abfälle in Deutschland getroffenwerden kann. Für ein solches Verfahren gibt es derzeitnoch keine politische Mehrheit. Die Aktivitäten, die derzeitin Gorleben stattfinden, dienen der Erkundung undnicht der Präjudizierung einer künftigen Entscheidung.<strong>Hans</strong>-Kurt Hill (DIE LINKE):Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Ich kann mich mitden Antworten in der Sache so nicht zufriedengeben,Frau Staatssekretärin. Auch wenn Sie uns nicht sagenkönnen, von wem und wann die entsprechenden Entscheidungengetroffen wurden, den nach unserer Meinungunzulässigen erweiterten Ausbau durchzuführen,stelle ich Ihnen trotzdem folgende Frage – vielleichtkönnen Sie ja diese beantworten –: Wer trägt die politischebzw. die verfahrensbezogene Verantwortung fürden nach unserer Meinung unzulässigen Ausbau?Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Die politische Verantwortung tragen immer diejenigen,die Entscheidungen getroffen haben.(<strong>Hans</strong>-Kurt Hill [DIE LINKE]: Ja, wer?)(C)(B)Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Haben Sie eine weitere Frage?Dorothée Menzner (DIE LINKE):Danke, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretärin, ergänzendmöchte ich doch fragen: Wenn nicht gesichertist, dass Gorleben ein geeigneter Standort ist, manaber dort mehr getan hat, als zur reinen Erkundung nötigwar, um, wie Sie vorhin ausgeführt haben, Kosten zusparen, handelt es sich dann nicht unter Umständen umeine fragwürdige Verwendung von Steuermitteln, wenndiese in ein Bauwerk investiert werden, von dem mangar nicht weiß, ob es eines Tages den Zweck, zu dem dieErkundungen durchgeführt werden, überhaupt erfüllenkann?Das Verfahren in Gorleben ist mehrfach gerichtlich bestätigtworden.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Wir kommen zu den Fragen 51 und 52 der KolleginEva Bulling-Schröter. Sie werden schriftlich beantwortet.Damit rufe ich die Frage 53 des Kollegen LutzHeilmann auf:Wie bewertet die Bundesregierung die Aussage des ehemaligenAbteilungsleiters der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt,PTB, Professor Helmut Röthemeyer, es sei im Jahr1983 massiver politischer Druck vonseiten der Bundesregierungausgeübt worden, um die im „Zusammenfassenden Zwischenberichtüber bisherige Ergebnisse der Standortuntersuchungin Gorleben“ der PTB enthaltene Forderung nachErkundungen alternativer Standorte fallen zu lassen (vergleichetaz vom 18. April 2009)?(D)Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Das ist eine Frage, die man verlässlich erst wird beantwortenkönnen, wenn später eine Entscheidung getroffenworden ist. Wir haben allerdings immer gesagt,wenn bei der Prüfung der Alternativen kein nach Standvon Wissenschaft und Technik sichererer Standort alsGorleben gefunden wird, wird es eine Entscheidung fürGorleben geben müssen, weil der Abfall irgendwo inDeutschland eingelagert werden muss. In die Erkundungvon Gorleben ist ja schon viel Geld investiert worden.Das heißt, wenn es keinen sichereren Standort gibt, wirdGorleben zum künftigen Endlager werden. Diese Fragekann aber heute noch nicht beantwortet werden, weil esnoch keine ergebnisoffene Suche gegeben hat. Aber fürden Fall, dass die Entscheidung irgendwann in der Zukunftso ausfallen könnte, wäre es wirtschaftlich unangemessenund unverhältnismäßig gewesen, jetzt hier zwarzu erkunden, aber bestimmte Vorkehrungen, die manhätte treffen können, im Rahmen der Erkundung nicht zutreffen.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Eine weitere Frage hat der Kollege <strong>Hans</strong>-Kurt Hill.Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Es geht wieder um Gorleben, und ich beantworte dieFrage wie folgt: Die Endfassung des „ZusammenfassendenZwischenberichts über bisherige Ergebnisse derStandortuntersuchung in Gorleben“ enthält keine Forderung,alternative Standorte zu erkunden.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Ihre Nachfrage, bitte.Lutz Heilmann (DIE LINKE):Danke, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretärin, legendie Aussagen des ehemaligen Abteilungsleiters derPhysikalisch-Technischen Bundesanstalt nicht geradeeine Vorfestlegung auf ein Endlager Gorleben nahe?Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Sie haben sich in Ihrer Frage auf die Aussage einesehemaligen Abteilungsleiters der Physikalisch-TechnischenBundesanstalt berufen. Ich habe Ihnen vorgetragen,welche Erkenntnisse wir dazu haben. Es war uns inder Kürze der Zeit nicht möglich, die Aussagen dieses


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 24985Parl. Staatssekretärin Astrid Klug(A)Abteilungsleiters näher zu recherchieren und herauszufinden,ob es tatsächlich Unterlagen darüber gibt, dass inder Vergangenheit in der Form, wie er es wohl öffentlichgeäußert hat, vorgegangen wurde.nächsten Jahren bezüglich eines Verfahrens und welcheEntscheidungen für oder gegen einen bestimmten Endlagerstandort– das trifft auch auf Gorleben zu – getroffenwerden können.(C)(B)Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Eine weitere Nachfrage? – Frau Kollegin Menznerhat eine Nachfrage dazu.Dorothée Menzner (DIE LINKE):Danke, Frau Präsidentin. – Es wurde jetzt mehrfachbetont, dass eine ergebnisoffene Untersuchung mitStandortvergleichen stattfinden soll. Wie erklären Siesich dann, dass im Laufe der 32 Jahre seit der politischenBeschlussfassung, Gorleben als Standort in den Blick zunehmen, in der Form nur in ein einzelnes Projekt investiertwurde und dass keine Ansätze zu erkennen sind,dass andere Standorte und andere Konzepte konkreterangegangen werden? Was plant die Bundesregierung,dort zukünftig zu unternehmen, oder soll diese Strategie,diese Verfahrensweise in der Form fortgesetzt werden?Wie ist Ihre Aussage dazu?Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich habe Ihnen bereits in der Antwort auf Ihre letzteFrage erläutert, dass es bezüglich der Suche eines endgültigenEndlagers für hochradioaktiven Abfall inDeutschland einen Verfahrensvorschlag des Bundesumweltministeriumsgibt. Das ist aber noch nicht der Vorschlagder Bundesregierung. Es gibt derzeit für diesenVorschlag einer ergebnisoffenen Suche keine politischeMehrheit. Wenn man das Verfahren auf eine ergebnisoffeneSuche ausweiten möchte, wird man in Zukunft dafüreine politische Mehrheit organisieren müssen.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Frau Dückert, bitte.Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Frau Staatssekretärin, sind Sie – und vielleicht auchdie Bundesregierung insgesamt – vor dem Hintergrundder Ausführungen, die Sie hier zu Gorleben und den Verantwortlichkeiten– teilweise haben Sie die Verantwortlichkeitenja nicht dargestellt – gemacht haben, nicht mitmir der Ansicht, dass es sinnvoll wäre, in Gorleben solange ein Moratorium zu verhängen, bis die Suche nacheinem alternativen Standort wirklich durchgeführt wordenist?Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich glaube, dass der jetzige Zustand für alle Beteiligtennicht zufriedenstellend sein kann. Deutschland wirdin den nächsten 15 Jahren eine Entscheidung darübertreffen müssen, wo der hochradioaktive Abfall inDeutschland eingelagert werden soll. Dafür ist ein Verfahrenerforderlich, das für eine größtmögliche Akzeptanzin der Bevölkerung sorgt. Das ist derzeit nicht möglich.Deshalb wird es von den künftigen politischenMehrheiten abhängen, welche Entscheidungen in denVizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Herr Kollege Hill, bitte.<strong>Hans</strong>-Kurt Hill (DIE LINKE):Ich möchte kurz auf die Frage meiner Kollegin zurückkommen,weil Sie gesagt haben, wir brauchen anderepolitische Konstellationen, um eine ergebnisoffeneSuche nach einem Endlager durchführen zu können.Liegt der Grund, dass eine ergebnisoffene Suche derzeitnicht durchgeführt werden kann, mehr in den politischenKonstellationen oder vielleicht auch in der Angst derBundesländer, unter Umständen ein geeigneteres Lagerpräsentieren zu können?Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Es wird natürlich immer so sein, dass die Standortfragevor Ort Widerstand auslösen wird, egal ob nur erkundetoder ob in der Zukunft irgendwann über Standorteentschieden wird. Es ist so, dass selbst dieBundesländer, die für den Weiterbetrieb von Atomkraftwerkenplädieren, sich dagegen wehren, dass bei ihnennach Standorten für eine Endlagerung des damit verbundenenAbfalls gesucht wird. Da müssen wir uns inDeutschland einem politischen Prozess unterziehen, umzu einem Ergebnis zu kommen. Wir müssen den Abfall,der in Deutschland produziert wird, auch bei uns inDeutschland endlagern. Bei der Entscheidungsfindunggeht es natürlich um politische Mehrheiten, aber auchum die Verfahren und die Überzeugungsfähigkeit derPolitik.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Frau Kollegin Dr. Dückert.Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Danke schön, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretärin,wie Sie selbst sagten, ist in Gorleben erkundet worden.In der Asse, die das gleiche Wirtsgestein – Salz –aufweist, haben wir aber schon, was die Lagerung vonradioaktiven Abfällen angeht, negative Erfahrungen gemacht.Aufgrund der Wassereinbrüche und der damitverbundenen massiven Gefahren wissen wir, dass eshochproblematisch ist, auf Salzbergwerke zu setzen. Istes vor diesem Hintergrund nicht dringend geboten, inGorleben die Erkundungen erst einmal einzustellen?Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Sehr geehrte Frau Kollegin, Sie wissen genauso gutwie ich, dass die Schachtanlage Asse nicht mit der Erkundungsanlagein Gorleben zu vergleichen ist. Dortgibt es völlig andere Voraussetzungen. Selbst wenn manwie ich und Sie der Atomkraft kritisch gegenüberstehtund das Thema Endlagerung mit großer Sensibilität behandelt,so muss man bei der Bewertung künftiger Alter-(D)


24986 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Parl. Staatssekretärin Astrid Klug(A)nativen sachlich und objektiv bleiben. Gorleben ist indiesem Fall etwas ganz anderes als die SchachtanlageAsse. Das kann man nicht vergleichen; die Voraussetzungensind völlig andere. Man sollte daher nicht grundlosÄngste schüren.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Als letzte Frage zu diesem Sachverhalt rufe ich dieFrage 54 des Kollegen Lutz Heilmann auf:Wer entschied warum, trotz des parallel zur Erkundungdes Bergwerks in Gorleben bereits stattfindenden Ausbausdes Bergwerks in Gorleben zum Endlager, den die FrankfurterRundschau in ihrer Ausgabe vom 28. Mai 2009 aus einerihr vorliegenden internen Bewertung des Bundesamtes fürStrahlenschutz offenlegt, weiter nach Bergrecht statt nachAtomrecht zu verfahren?Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich beantworte die Frage wie folgt: Für die bislang erfolgtenErkundungsarbeiten einschließlich der Einrichtungder Infrastruktur hat das Bundesverwaltungsgerichtdie Rechtsgrundlage, nach Bergrecht zu genehmigen,bestätigt.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Haben Sie eine Nachfrage, Herr Kollege? – Bitte sehr.Dorothée Menzner (DIE LINKE):Danke, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretärin,stimmen Sie mit mir wenigstens darin überein, dass dieAntworten, die wir im Parlament auf Fragen und die dieBürgerinitiativen auf Anfragen bekommen, reichlichdürftig sind? Diese mangelnde Information ist geeignet,eine ohnehin schon bestehende und durch die Asse massivverstärkte Angst in der Bevölkerung zu vergrößernund weitere Gegenwehr gegen die verschiedenen Endlager-und Zwischenlagerprojekte zu mobilisieren. Wiebewerten Sie die Informationsstrategie der Bundesregierung?Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Sie wissen, dass insbesondere das Bundesamt fürStrahlenschutz eine sehr offensive Informationsstrategieverfolgt und sich auf Informationsveranstaltungen vorOrt jeder Diskussion stellt und Fragen der Bürger beantwortet.Man kann daher nicht unterstellen, dass mannicht versucht, das Verfahren transparent zu gestaltenund über alle Hintergründe zu informieren. Sie wissen,dass zurzeit ein Container in der Republik unterwegs istmit dem Ziel, dass entsprechende Fragen beantwortetwerden. Ich bin aber im Moment nicht in der Lage, allIhre Fragen im Detail zu beantworten. Ich bin aber gernebereit, auf weitere konkrete Fragen Antworten nachzureichen.(C)(B)Lutz Heilmann (DIE LINKE):Danke, Frau Präsidentin. – Frau Staatssekretärin, Sieweichen den Fragen einfach aus. Es geht nicht darum,mir zu sagen, worüber das Bundesverwaltungsgerichtentscheidet. Das kann ich im Gesetz nachlesen. Ich habein meiner Frage ganz konkret gefragt: „Wer entschiedwarum …“? Ich habe also nach einer im Rechtssinne natürlichenPerson gefragt. Darauf hätte ich gerne eineAntwort.Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Diese Entscheidung wurde in der Vergangenheit getroffenund gerichtlich bestätigt. Deshalb wird sie vonuns weder infrage gestellt noch revidiert.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Eine weitere Zusatzfrage.Lutz Heilmann (DIE LINKE):Das heißt: Sie wollen mir nicht sagen, wer diese natürlichePerson ist?Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich kann Ihnen keine Person nennen. Das ist richtig.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Eine weitere Nachfrage der Kollegin Menzner.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Herr Kollege Hill.<strong>Hans</strong>-Kurt Hill (DIE LINKE):Frau Staatssekretärin, Sie haben eben gesagt, dassauch von Ihrer Seite ein offenes Verfahren erwünscht ist.Es liegt also an der Koalition, dass ein solches Verfahrennicht durchgeführt wird. Befürchten Sie, wenn wir zu einemergebnisoffenen Verfahren kämen, dass wir dasgleiche Desaster erleben würden, wie wir es im Momentin Bezug auf die CCS-Technik bei der Koalition erleben?Astrid Klug, Parl. Staatssekretärin beim Bundesministerfür Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit:Ich sehe weder eine Verbindung zwischen diesen beidenThemen noch eine Vergleichsmöglichkeit. Ich kannauch überhaupt kein Desaster erkennen. Natürlich ist es,wenn etwas Neues initiiert wird, immer so, dass vielÜberzeugungsarbeit in der Bevölkerung dafür notwendigist, warum man etwas Neues braucht, dass erklärtwerden muss, was da stattfindet, und man sicherstellenmuss, dass die Bürgerbeteiligungsrechte entsprechendgenutzt werden können, um die Bürgerinnen und Bürgerin einem solchen Verfahren mitzunehmen. Das müssteein Grundbaustein eines ergebnisoffenen Verfahrenssein. Aber man braucht erst einmal die politische Entscheidung,dass ein solches Verfahren überhaupt stattfindet.(<strong>Hans</strong>-Kurt Hill [DIE LINKE]: Dann sorgenwir dafür! Danke!)(D)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 24987(A)(B)Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Damit sind wir am Ende dieses Geschäftsbereichs.Frau Staatssekretärin, ich danke Ihnen für die Beantwortungder Fragen.Ich komme zurück zum Geschäftsbereich des Bundesministeriumsfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung.Herr Staatssekretär Ulrich Kasparick steht nun für dieBeantwortung der Fragen zur Verfügung.Ich rufe die Frage 35 der Kollegin Cornelia Behmauf:Wie bewertet die Bundesregierung die aktuelle Verkehrsbelastungauf der Bundesstraße 5 im Abschnitt Berge–Lietzowvor dem Hintergrund einer anzunehmenden Verkehrsverlagerungaufgrund der Ausbaumaßnahmen an der Bundesautobahn24 zwischen dem Dreieck Havelland und der AnschlussstelleNeuruppin, und wie bewertet die Bundesregierung denZeitrahmen für den Bau dieser Vorhaben?Herr Staatssekretär, bitte sehr.Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Frau Präsidentin, herzlichen Dank für das Verständnis.Ich war vorhin durch ein Telefonat gehindert, rechtzeitighier zu sein.Frau Behm, zur Verkehrsbelastung kann ich IhnenFolgendes sagen: Ich habe mir die Zahlen von der Dauerzählstellein Lietzow für die Jahre 2006, 2007 und2008 geben lassen. Sie bewegen sich im Schnitt zwischen10 427 und 10 577 Kfz am Tag; davon sind9 Prozent dem Schwerverkehr zuzuordnen. Die in derÖffentlichkeit kursierenden Zahlen von 25 000 Kfz amTag entsprechen in etwa den Maximalwerten auf derdurchgehend vierstreifig ausgebauten B 5 östlich vonNauen über den Westring der A 10 bis zur Landesgrenzenach Berlin. Diese Maximalwerte werden aber westlichvon Nauen nicht erreicht. Diese Präzisierung ist wichtig.Wir haben auf den Autobahnen Zählstellen eingerichtet,damit man abschnittsgenau sehen kann, wie die Verkehrsbelastungensind.Wir haben allerdings auf dem Abschnitt, nach demSie fragen, am Werktag Spitzenbelastungszeiten – daskennen Sie, wenn Sie solche Strecken benutzen –, undzwar je nachdem, in welcher Richtung man zählt: Morgenshaben wir eine Hauptbelastung in Richtung Berlinund nachmittags in Richtung Kyritz.Wichtig ist – Sie fragen ja nach den Mautausweichverkehren–: Wir haben damals, als wir das Mautgesetz beschlossenhaben, gesagt, dass wir die Auswirkungen gemeinsammit den Ländern überprüfen wollen, und habenden Ländern eingeräumt, dass sie, wenn es Ausweichverkehregibt, beantragen können, einzelne Bundesstraßenabschnittezusätzlich zu bemauten. Das System selbstgibt dies technisch her. Wir haben dieses Verfahren imMautgesetz verabredet. Brandenburg hat bisher keine signifikantenMautausweichverkehre festgestellt und, darausabgeleitet, auch keine zusätzliche Bemautung beantragt.Ebenso rechnen wir nicht mit nennenswerten Verkehrsverlagerungenauf die Bundesstraße B 5 durch dieArbeiten, die jetzt im Zusammenhang mit den Baumaßnahmennötig werden.Wir gehen davon aus, dass die Autobahn A 24 im Wesentlichenerst nach dem Ausbau des Nordrings der AutobahnA 10 erweitert wird. Hierdurch werden die beiErweiterungsmaßnahmen stets unvermeidlichen Verkehrsbeschränkungenzeitlich verteilt. Wir bemühen unsja darum, Stau möglichst dadurch zu vermeiden, dasswir das Baustellenmanagement so organisieren, dassman eine zeitliche Staffelung erreicht und innerhalb derBaustelle genügend Spuren zur Verfügung stehen, damitder Verkehr möglichst ohne Probleme fließen kann.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin? – Nein.Dann kommen wir gleich zur Frage 36 der KolleginCornelia Behm:Wie bewertet die Bundesregierung die Finanzierbarkeitder vier geplanten Ausbauabschnitte der Bundesautobahnen10 und 24, wie sie in der Berliner Zeitung vom 27. Mai 2009dargestellt wurden, sowie der Ortsumfahrung Berge–Lietzowder Bundesstraße 5, und sind dafür Privatfinanzierungen oderEFRE-Mittel – EFRE: Europäischer Fonds für regionale Entwicklung– in Aussicht gestellt worden?Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Sie fragen nach der Finanzierung der sechsstreifigenErweiterung der Autobahn A 10 in Berlin. Das Baurechtliegt vor. Die Finanzierung ist gesichert. Für alle inBrandenburg liegenden Abschnitte sind Planfeststellungsverfahrenim Gang. Wir können allerdings im Momentnoch nicht verbindlich sagen, wann die Planfeststellungsbeschlüssevorliegen werden. Sie kennen das:Wenn gebaut wird, können sich Träger öffentlicher Belangeund Privatpersonen äußern. Einwendungen sindalso möglich. Wir haben im Moment noch keinen Überblick,wie viele das genau sein werden und wann diesesVerfahren abgeschlossen sein wird. Davon hängt dieSteuerung des Zeitplanes wesentlich ab. Die Termine,die in der Öffentlichkeit kommuniziert werden, entsprechenden gegenwärtigen Vorstellungen der Straßenbauverwaltungdes Landes Brandenburg. Sie wissen, dasswir bei den Autobahnen und Bundesstraßen eine Arbeitsteilungzwischen Bund und Ländern haben. DieLänder planen im Wesentlichen und machen die Durchführung.Sie sind also mit dem Verfahren bis zur Erreichungeines Planfeststellungsbeschlusses befasst. ImMoment sind diese Planungen vorrangig. Sie hängenaber davon ab, wie die Einwendungen verlaufen und wieschnell eine Entscheidung der entsprechenden Planfeststellungsbehördevorliegt. Das bedeutet, dass man dieseZeitpläne anpassen muss, je nachdem, wie mit Klagenoder Einwendungen umgegangen wird.Wir haben die Ortsumgehung Berge–Lietzow 2004erstmals in den Bedarfsplan aufgenommen. Man mussnatürlich sehen – das wissen alle Beteiligten –, dassdiese Maßnahme in Konkurrenz zu anderen Maßnahmensteht, die auch im vordringlichen Bedarf stehen, und sogarzu Maßnahmen, die jetzt schon verwirklicht werden.Wir haben im Zusammenhang mit dem KonjunkturpaketII verabredet, insbesondere in die Maßnahmen zusätzlichGeld zu geben, die schon begonnen worden(C)(D)


24988 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Parl. Staatssekretär Ulrich Kasparick(A)sind. Unser Ziel ist es ja, möglichst schnell wirksameMaßnahmen einzuleiten, die zu Beschäftigung führen.Wir haben mit der Straßenbauverwaltung des LandesBrandenburg besprochen, dass die Planungen für dieOrtsumgehung Berge–Lietzow nicht zulasten andererProjekte des vordringlichen Bedarfs forciert werden sollen.Deswegen sind Aussagen zur Finanzierung und Realisierungim Moment nicht möglich.Für die festzulegenden Abschnitte des Nordrings derA 10 in Brandenburg ist beabsichtigt, Fördermittel ausdem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung,EFRE-Mittel, einzuwerben. Eine Privatfinanzierung, diewir, wenn sie möglich ist, anstreben, ist nicht in Aussichtgestellt worden.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin Behm?Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ja.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Bitte.baugesetz stehen, eine Neubewertung hinsichtlich derBedarfseinstufung in den Blick genommen worden ist.Wenn das erfolgt wäre, wüssten wir das ja schon. KönnenSie sagen, ob das angedacht ist?Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Sie müssen sich das als einen dauerhaften Prozessvorstellen. Ich nenne nur das Stichwort „demografischerWandel“. Das ist insbesondere für Brandenburg von großerBedeutung. Die neuen Bundesländer sind ja, was dendemografischen Wandel angeht, sozusagen Vorreiter.Wir haben mit den Ländern verabredet, dass wir uns dieVerkehrsplanung auch unter diesem Gesichtspunkt anschauen.Wir haben zu entscheiden, was aus Sicht desLandes unter verkehrspolitischen und wirtschaftspolitischenAspekten angesichts des demografischen Wandelsvorrangig ist. Das ist ein dauerhafter Überprüfungsprozess.Bei den Projekten, über die wir jetzt konkret sprechen,gibt es keine Neubewertung.Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Vielen Dank.(C)(B)Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Vielen Dank erst einmal für Ihre Antworten. Wennich Ihre erste Antwort richtig verstanden habe, ist überkurz oder lang nicht mit einem Ausbau der A 24 zu rechnen.Sie haben von Konjunkturmitteln gesprochen, abernicht im Zusammenhang mit dem Ausbau der A 10. Ichwürde gerne wissen, ob für die A 10 definitiv keine Konjunkturmittelvorgesehen sind. Sie haben von EFRE-Mitteln gesprochen.Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Die A 10 war angemeldet, aber da liegt das Baurechtnoch nicht vor. Deswegen hat Brandenburg angekündigt,im Zusammenhang mit dem Konjunkturpaket II Alternativvorschlägevorzulegen.Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Finanzierungsalternativvorschläge?Ulrich Kasparick, Parl. Staatssekretär beim Bundesministerfür Verkehr, Bau und Stadtentwicklung:Nein, Vorschläge für alternative Projekte.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Die Frage 37 der Kollegin Diana Golze wird, wieschon erwähnt, schriftlich beantwortet. – Herr Staatssekretär,ich danke Ihnen für die Beantwortung der Fragen.Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Bildungund Forschung werden die Fragen 55 und 56 desKollegen Kai Gehring sowie die Fragen 57 und 58 derKollegin Cornelia Hirsch schriftlich beantwortet.Ich rufe den Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtesauf. Für die Beantwortung der Fragen steht derStaatsminister Günter Gloser zur Verfügung.Ich rufe die Frage 59 der Kollegin Marieluise Beckauf:Wie weit sind, Bezug nehmend auf die Antwort der Bundesregierungvom 29. Mai 2009 auf meine schriftliche Fragezur weiteren Anwendung des Dekrets 555 des belarussischenPräsidenten (Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 16/13251),die Gespräche der Bundesregierung mit der belarussischenRegierung fortgeschritten, um Missverständnisse über die am11. Februar 2009 mit Belarus getroffene Vereinbarung überdie Erholungsreisen der sogenannten Tschernobyl-Kinderauszuräumen, und ab wann ist mit einem reibungslosen Ablaufder Erholungsreisen auch für die Jugendlichen zwischen14 und 17 Jahren im Rahmen von Gruppenreisen zu rechnen?Herr Staatsminister, bitte sehr.(D)Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ich würde gerne eine zweite Zusatzfrage stellen.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Bitte sehr, Frau Kollegin.Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Ich würde gerne wissen, ob im Rahmen der Evaluierungder Projekte in der Region, die im Fernstraßenaus-Günter Gloser, Staatsminister für Europa:Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe KolleginBeck, ich darf Ihre Frage wie folgt beantworten: Aufgrundder nachhaltigen Bemühungen des AuswärtigenAmtes ist es in Verhandlungen mit der belarussischenSeite gelungen, die noch verbliebenen Missverständnissein unserem Sinne zu überwinden. Die Verhandlungenüber einen Verbalnotenaustausch hierzu stehen kurzvor dem Abschluss.


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 24989(A)(B)Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Haben Sie eine Nachfrage, Frau Kollegin? – Bittesehr.Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Herr Staatsminister, das würde ich gerne etwas konkreterwissen, zumal sich die Europäische Union entschiedenhat, Herrn Lukaschenko wieder ein Stück weitin die Familie der europäischen Staaten aufzunehmen.Das war allerdings an Konditionen gebunden, nämlichan Dialogbereitschaft und eine Öffnung auch nach innen.Ich frage Sie: Bedeutet dies, dass das Dekret 555,das Reisen von 14- bis 17-Jährigen untersagt bzw. ihreZahl auf drei Reisen in das gleiche ausländische Landbeschränkt, vom Tisch ist und dass der Austausch mitden sogenannten Tschernobyl-Kindern, wie bisher üblich,wieder möglich ist, dass also auch wieder Gruppenreisenstattfinden können und Visa nicht mehr als Einzelvisavergeben werden müssen?Günter Gloser, Staatsminister für Europa:Frau Kollegin Beck, als wir die Vereinbarung getroffenhaben, sind, wie ich denke, beide Seiten davon ausgegangen,dass klar ist, was unter dem Begriff „Minderjährige“zu verstehen ist. Sowohl bei uns als auch aufbelarussischer Seite ging es um Jugendliche von 7 bis18 Jahren. Im Nachgang war allerdings eine andere Praxisfestzustellen. Aufgrund vieler Interventionen habenwir die Gespräche wieder aufgenommen. Jetzt steht fürbeide Seiten fest – wir werden uns auch über diese Präzisierungaustauschen –: Es geht um Jugendliche von 7 bis18 Jahren. Hinzu kommt – diesen Aspekt haben Sie inIhrer Frage aufgegriffen –, dass die Beschränkung derZahl der Reisen gestrichen wird. Dadurch wollen wirauch denjenigen, die sich auf diesem Feld engagieren,deutlich machen: Jetzt ist der Austausch tatsächlichmöglich.Zu Ihrer Frage. Natürlich muss der Erlass 555 verändertwerden. Um eine zeitliche Verzögerung zu vermeiden,haben beide Seiten vereinbart, dass die Präzisierung,von der ich gerade sprach, bereits vorläufigAnwendung findet. Sie können davon ausgehen, dass diePräzisierung, die wir vorgenommen haben, schon innerhalbder nächsten 14 Tage in die Praxis umgesetzt undangewandt wird.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Haben Sie eine weitere Nachfrage?Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Ja.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Bitte.Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Das ist eine gute Nachricht, Herr Staatsminister. – Ichmöchte Sie in diesem Zusammenhang noch etwas fragen:Inwiefern geht das Auswärtige Amt davon aus, dassdie Einladung zur Östlichen Partnerschaft tatsächlich andie Konditionen, die die Europäische Union gesetzt hat,gebunden bleibt, vor allen Dingen im Hinblick auf dieDialogbereitschaft und die Forderung, dass es keine politischenGefangenen mehr geben darf? Wie AmnestyInternational mit Datum vom 15. Mai dieses Jahres festgestellthat, ist aufgrund der Festsetzung von elf Personendavon auszugehen, dass es in Belarus doch wiederpolitische Gefangene gibt. Damit wäre der ÖstlichenPartnerschaft eigentlich die Geschäftsgrundlage entzogen.Günter Gloser, Staatsminister für Europa:Frau Kollegin Beck, ich bin gern bereit, an andererStelle über die Entwicklung der Östlichen Partnerschaft,auch konkret mit Blick auf Belarus, zu diskutieren. Jetztgeht es aber um die Frage: Wie können wir die Missverständnisse,zu denen es nicht bei uns, sondern auf der anderenSeite gekommen ist, ausräumen, um es den sogenanntenTschernobyl-Kindern möglich zu machen, dasssie zu uns kommen? Ich glaube, diese Frage habe ichausführlich beantwortet.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Eine Zusatzfrage hat der Kollege Grund.Manfred Grund (CDU/CSU):Vielen Dank. – Herr Staatsminister, das Dekret 555hat zum wiederholten Male zu sehr großen Irritationengeführt: bei Tschernobyl-Organisationen, bei Bürgerinitiativenin Deutschland, aber auch bei entsprechendenInitiativen auf internationaler Ebene, die sich seit fast20 Jahren um den Austausch der von Tschernobyl bzw.den Spätfolgen betroffenen Kinder bemühen, um ihnenErholung zu ermöglichen.Es ist nicht das erste Mal, dass die weißrussische Administrationoffensichtlich versucht, diesen Organisationenund denjenigen, die sich in diesem Bereich bürgerschaftlichengagieren, Steine in den Weg zu legen.Dieses Engagement sollte in den letzten Jahren sogarvöllig unterbunden werden. Der weißrussischen Seitewäre es wohl am liebsten, man würde das Geld direktdem Präsidenten überreichen. Er selbst hat sogar gesagt,er wisse viel besser, was man damit für die Kinder tunkönne.Ich bitte Sie, in Ihren Gesprächen mit der belarussischenAdministration bzw. der Regierung auch über dieIrritationen, zu denen es im gesellschaftlichen und politischenRaum in Deutschland gekommen ist, zu berichten.Das bereitet den ehrenamtlich Tätigen in Deutschlandnämlich viele Schwierigkeiten. Es wäre schade, wenndiese Pflanze des bürgerschaftlichen Engagements eingehenwürde.(C)(D)


24990 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009(A)(B)Günter Gloser, Staatsminister für Europa:Kollege Grund, das war ja der Grund, warum – auchaufgrund der Intervention vieler, die sich schon seit Jahrenengagieren; Sie haben das zu Recht angesprochen – relativschnell gesagt wurde: Das unterbricht die Arbeit mitden betroffenen Kindern und behindert das Engagementder zivilgesellschaftlichen Organisationen.Das war auch im Sinne einer Annäherung im Rahmender Östlichen Partnerschaft kein gutes Zeichen. Deshalbhaben wir das nicht auf sich beruhen lassen. Eigentlichwar im Februar klar, dass unter den Begriff „Minderjährige“,die mit Gruppenreisen ohne Beschränkung derZahl reisen dürfen, alle zwischen 7 und 18 Jahren fallen.Dieses Ziel ist erreicht worden.Wir werden im Dialog mit Belarus, mit Weißrussland,immer wieder ansprechen, dass es zu solchen Irritationennicht kommen darf, dass Vertrauen hergestellt werdenmuss. Wenn Begriffe jedes Mal anders interpretiertwerden, ist das sicherlich kein Vertrauenstatbestand.Vizepräsidentin Gerda Hasselfeldt:Die Fragen 60 und 61 der Kollegin Kerstin Müllerwerden schriftlich beantwortet.Damit sind wir am Ende der Fragen zu diesem Geschäftsbereich.Herr Staatsminister, ich bedanke michbei Ihnen für die Beantwortung der Fragen.Wir sind auch am Ende der Fragestunde. Bis zum Beginnder Aktuellen Stunde, bis 16 Uhr, unterbreche ichdie Sitzung im Einvernehmen mit den Geschäftsführernder Fraktionen.(Unterbrechung von 15.01 bis 16.01 Uhr)Vizepräsidentin Petra Pau:Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.Ich rufe den Zusatzpunkt 1 auf:Aktuelle Stundeauf Verlangen der Fraktionen CDU/CSU, SPDund BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENDie Lage im Iran nach den PräsidentschaftswahlenIch eröffne die Aussprache. Das Wort hat der StaatsministerDr. Gernot Erler.Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister im AuswärtigenAmt:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!In den letzten Wochen haben sehr viele Menschen inDeutschland mit Staunen und voller Faszination auf denaktuellen politischen Prozess im Iran geschaut.Als von über 400 Bewerbern gerade einmal vier Kandidatenzugelassen wurden und der Amtsinhaber von dergeistlichen Führung die erwartete Unterstützung erhielt,schien es erst so, als wäre alles Routine. Aber dann entwickeltesich ein ernsthafter und spannender Wahlkampf,dessen Ergebnis offen erschien. Der beste Belegdafür ist die Rekordwahlbeteiligung von 85 Prozent derWahlberechtigten. Alleine das ist schon eine eindrucksvolleDemonstration eines breiten Willens, über die Zukunftdes eigenen Landes mitzubestimmen und sich einzumischen.Und dann dieser Absturz, dieser Schock amEnde des Wahltages!Wir wissen nicht verlässlich genug, wie all die Berichteüber voreilige Gesamtergebnisse mit immer demselbenStimmenverhältnis von 62 Prozent zu 32 Prozent,egal, in welcher Region des Landes, über schon volleWahlurnen am Beginn des Tages oder fehlende Stimmzettelin den Hochburgen der Opposition und über dieBehinderung von Wahlbeobachtern zu werten sind. Aberall das sind ernsthafte Hinweise auf Unregelmäßigkeiten,die der Wächterrat nun überprüfen soll. Bisher kannwohl niemand sagen, welchen Einfluss diese Unregelmäßigkeitenauf das konkrete Endergebnis hatten.Was für uns alle aber augenscheinlich ist: Es bestehtin der iranischen Bevölkerung – nicht nur im wohlhabendenkosmopolitischen Nord-Teheran, sondern auchin den Städten im ganzen Land – bei vielen Menschen,die sich für demokratische Wahlen im Iran engagiert haben,offenbar das Gefühl, betrogen worden zu sein. Wiralle bewundern den Mut der Menschen im Iran, gegendas so empfundene Unrecht auf die Straße zu gehen undzu demonstrieren – trotz strengster Verbote und mit erheblichempersönlichen Risiko.(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDPund dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Dass zumeist friedliche Demonstranten von paramilitärischenund parapolizeilichen Einheiten gnadenlos undbrutal zusammengeknüppelt wurden, hat uns alle zutiefstschockiert. Inzwischen sind Tote zu beklagen. Diese Gewaltund Brutalität gegen Menschen, die friedlich unddemokratisch ihre Meinung äußern, ist scharf zu verurteilen.(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derCDU/CSU, der FDP und der LINKEN)Hinzu kommen die zahllosen Berichte über willkürlicheVerhaftungen und massive Einschränkungen der Pressefreiheit– auch für deutsche und andere ausländischeJournalisten.All das hat dazu geführt, dass die Bundesregierungüber die gegenwärtigen Ereignisse im Iran mit großerSorge erfüllt ist. Wir appellieren an die iranische Führung,die Wahlergebnisse ernsthaft und transparent zuüberprüfen und gegebenenfalls die gebotenen Konsequenzenzu ziehen. Die iranische Regierung hat bislangin ihren Kontakten mit anderen Staaten immer wiederdarauf verwiesen, demokratisch legitimiert zu sein. Fallssich die Vorwürfe der Opposition nicht auf transparenteund faire Weise entkräften lassen, würde der Anspruchauf Legitimität der iranischen Regierung dauerhaft Schadenerleiden.(Beifall im ganzen Hause)Wir fordern die iranische Regierung eindringlich auf,die Menschenrechte und das Recht auf VersammlungsundMeinungsfreiheit zu achten. Die willkürlichen Verhaftungenund das wahllose Niederknüppeln von De-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 24991Staatsminister Dr. h. c. Gernot Erler(A)monstranten und anderen schutzlosen Zivilisten müssensofort aufhören. Mit großem Nachdruck haben wir dieiranische Regierung aufgefordert, die Arbeitsfähigkeitvon deutschen und anderen ausländischen Journalistenim Iran sofort wiederherzustellen. Wie Sie wissen, habenwir dazu am Montag den iranischen Botschafter ins AuswärtigeAmt einbestellt. Wir haben besonders auch aufden Schutz der iranischen Mitarbeiter der deutschenJournalisten gedrängt, die zum Teil massiven Repressionenausgesetzt werden.Unser Engagement für die deutschen Journalisten undihre Mitarbeiter bedeutet aber nicht, dass uns etwa dasSchicksal der iranischen Journalisten mit weniger Sorgeerfüllt. Auch dies haben wir gegenüber der iranischenRegierung mit deutlichen Worten angesprochen. EineReihe europäischer Partner hat sich inzwischen dieserInitiative angeschlossen.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Zusammenarbeit mit der IAEO die begründeten Zweifelder internationalen Gemeinschaft an den Zielen des iranischenNuklearprogramms auszuräumen.Wir unterstützen ausdrücklich den Aufruf an den Iran,die sich jetzt bietende Gelegenheit für eine diplomatischeLösung zu nutzen. Für alle Folgen einer weiterenVerweigerungshaltung, auch was weitere Sanktionen angeht,trägt allein die iranische Führung die Verantwortung.(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)Neuerliche Äußerungen von Präsident Ahmadinedschadunmittelbar vor wie auch nach den Wahlen weisenleider darauf hin, dass er an seiner unsäglichen undunerträglichen Leugnung des Existenzrechts Israels festzuhaltengedenkt. Um es ganz deutlich zu machen: Wirwerden allen Äußerungen dieser Art so lange entschiedenentgegentreten, bis sie endlich aufhören.(C)(B)Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese eindringlichenAppelle an die iranische Regierung knüpfen an unserlangjähriges Eintreten für die Freiheits- und Menschenrechteim Iran an. Ein besonderer Schwerpunkt istdabei der Kampf der EU gegen die Todesstrafe, besondersgegen ihre Verhängung gegenüber Minderjährigenund gegen die besonders brutale und abscheuliche Strafformder Steinigung.Trotz vielfacher Zusicherung der iranischen Regierunghat sich die Menschenrechtslage in den vergangenenJahren eher verschlechtert. Trotzdem konnte unserEngagement in Einzelfällen etwas erreichen, etwa durchUmwandlung von Todes- in Haftstrafen. Diese Fälle ermutigenuns, auf diesem Kurs unbeirrt voranzuschreiten.(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordnetender FDP)Liebe Kolleginnen und Kollegen, Präsident Obamahat mehrfach und eindrucksvoll klargemacht, dass ertrotz aller Differenzen bereit ist, in vollem Respekt inden Dialog mit der iranischen Führung einzutreten. Jederweiß: Ein solches Angebot kann nicht unbegrenzt ohnepositive Reaktion im Raum stehen bleiben. Deshalb appellierenwir an den Iran, diese ausgestreckte Hand zuergreifen und ohne weiteren Verzug in einen Dialog aufgleicher Augenhöhe einzutreten. Dies nicht zu tun,hieße, eine vielleicht einmalige historische Chance zuverpassen.(D)(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derCDU/CSU und der FDP)Wir haben registriert, dass die Äußerungen vonStaatspräsident Ahmadinedschad nach der Wahl keinerleiBereitschaft erkennen lassen, auf die Forderungen derinternationalen Gemeinschaft hinsichtlich des iranischenNuklearprogramms einzugehen. Gemeinsam mit unserenPartnern im Rahmen der E 3 + 3 – also mit China,Frankreich, Russland, dem Vereinigten Königreich undden Vereinigten Staaten – haben wir dem Iran ein umfangreichesAngebotspaket als Basis für eine diplomatischeLösung vorgelegt. Seit nunmehr einem Jahr spieltaber die iranische Führung auf Zeit: Zunächst warennoch Detailfragen zu klären. Dann waren die Wahlen inden USA und nun die Wahlen im Iran ein Anlass, denBeginn konkreter Verhandlungen immer weiter hinauszuzögern.Auch auf den Strategiewechsel der USA hatder Iran bisher nur sehr zögerlich reagiert. Dieses Verhaltenkönnen wir nicht länger akzeptieren.(Beifall bei der SPD und der FDP sowie beiAbgeordneten der CDU/CSU und des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNEN)(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowiebei Abgeordneten der FDP und des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNEN)Wir werden daher auch an die kommende iranischeRegierung den ernsthaften Appell und die ernsthafteBotschaft senden: Niemand in Deutschland, niemand inEuropa will einen Iran in politischer Isolierung und inEinschränkung durch Sanktionen der Weltgemeinschaft.Im Gegenteil: Wir haben ein geradezu existenzielles Interessean einem Iran, der sich in einer Region vollerKonflikte und Probleme an einer regionalen und globalenVerantwortungspartnerschaft beteiligt und sich dadurchAnerkennung und Respekt verschafft.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU und der FDP)Das ist unsere Botschaft, die von dieser Debatte imDeutschen Bundestag ausgehen soll und von der wir unswünschen, dass sie auch von der großen Mehrheit dermündigen Bürgerinnen und Bürger im Iran gehört undverstanden wird.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.Der Generaldirektor der IAEO hat am Montag dieserWoche zu Beginn des IAEO-Gouverneursrats erneut unterstrichen,dass es allein am Iran liegt, durch eine volle(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowiebei Abgeordneten der FDP und des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNEN)


24992 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009(A)(B)Vizepräsidentin Petra Pau:Das Wort hat der Kollege Jürgen Trittin für die FraktionBündnis 90/Die Grünen.Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Gebtuns unsere Stimmen zurück!“ – Das ist die Parole vonZehntausenden, die in den letzten Tagen und Nächten inTeheran und vielen anderen Städten demonstriert haben.Sie haben demonstriert, obwohl das Demonstrieren offiziellverboten war. Ich sage an dieser Stelle: Wir sind mitihnen solidarisch. Wir verurteilen die Gewalt gegen dieMenschen, die von ihrem Grundrecht auf Meinungsfreiheitund ihrem Grundrecht auf DemonstrationsfreiheitGebrauch machen.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, derSPD und der FDP)Wir verurteilen die Gewalt, die gegen diese Menschenangewendet wurde, und wir betrauern die Toten.Mich erinnern diese Bilder – übrigens auch die Gewalt– an die Bilder von 1979. Wieder ziehen ZehntausendeIraner durch die Straßen und rufen: „Marg barDiktator“ – Tod dem Diktator. Damals war der Schah gemeint,heute die Machthaber. Wieder rufen Menschenauf den Dächern von Teheran: „Allahu Akbar“. Wir erlebenden Aufstand der iranischen Zivilgesellschaft gegendie Gefahr eines zunehmend diktatorisch werdenden Regimes.Menschen demonstrieren gegen ein Regierungssystem,das jeden unter Verdacht stellt.Eines muss man an dieser Stelle in aller Deutlichkeitsagen: Es handelt sich nicht um einen Aufstand gegendie Mullahs. Es sind viele Geistliche, die zusammen mitLiberalen, Konservativen, Jungen und Alten, Studierenden,Geschäftsleuten und Arbeitern auf die Straße gehen.Es sind nicht nur tradierte Reformer, die auf der Straßeprotestieren. Neben Mussawi werden die Proteste auchvon Rafsandschani, dem ehemaligen Präsidenten Chatami,dem Parlamentspräsidenten Laridschani, den Kandidatenund selbst vom Großayatollah Montazeri, einemder wichtigsten religiösen Gelehrten des Landes, unterstützt.Es ist offensichtlich, dass ein Riss durch die islamischeRepublik geht. Viele von uns sind von der Wuchtund der Dynamik dieser Ereignisse überrascht. Als ichvor zwei Jahren im Iran war, hatte ich den Eindruck einerresignierten und frustrierten Opposition. Damalssagte mir Shirin Ebadin: Ihr im Westen, ihr dürft euchnicht nur um die Atomfrage kümmern. Denkt auch andie Menschenrechte.Ich glaube, die Demonstrantinnen und Demonstrantenmahnen auch uns, unser Iranbild zu schärfen. Der Iran istmehr als Atom und Ahmadinedschad. Der Iran ist einevielfältige und vielfach widersprüchliche Gesellschaft.Es ist ein modernes Land, in dem Handys und Internetheutzutage auf jeder Demo präsent sind. Es ist ein Landmit immensem Ölreichtum, aber massenhafter Armutund Arbeitslosigkeit.Es ist ein islamisches Land, tief geprägt vom schiitischenGlauben. Es ist ein Land mit selbstbewussten,kämpferischen, klugen Frauen und einer archaischen,brutalen Rechtsprechung in vielen Fällen; Herr Erler hatbereits darauf hingewiesen. Wir müssen in unserer Iran-Politik gerade dieser Vielfalt gerecht werden. Das ist bislangnicht immer gelungen. Diejenigen, die damals inden USA als Antwort auf den großen Satan nur dieAchse des Bösen sehen konnten, denen zu Teheran nurder „Irre von Teheran“ eingefallen ist und die geglaubthaben, nur mit Isolierung und Boykott könne man diesemProblem beikommen, haben sich geirrt. Das Gegenteilist richtig.Es war die kluge Wende in der Iran-Politik unterObama. Es war auch seine Rede zum Frühjahrsfest. Eswar sein Dialogangebot, das dazu beigetragen hat, dieresignierte und frustrierte Unzufriedenheit mit der Regierungaufzubrechen. Die Isolation, zu der eine falschePolitik beigetragen hat, hat die Menschen im Iran zumTeil in die Solidarisierung mit Ahmadinedschad getrieben.Obama hat in seiner Rede Ahmadinedschads Behauptung,der Westen sei gegen den Iran, als Lüge entlarvt.Offenheit und Dialog haben der Zivilgesellschaft imIran Mut gemacht. Damit haben wir aber auch Verantwortung.Wir wissen nicht, wie sich die Lage im Iranentwickeln wird. Aber wir werden künftig diese Lehrebeherzigen müssen. Barack Obama hat in Kairo eineAntwort auf die Situation gegeben, die vielleicht auchgut zum Iran passt. Er sagte dort: Eine Idee zu unterdrückenwird sie niemals zum Verschwinden bringen. Allegewählten, friedfertigen Regierungen sind uns willkommen,vorausgesetzt, sie regieren mit Respekt für all ihreBürger.Ich finde, das ist unsere Botschaft an die Machthaberim Iran. Es darf keine Gewalt gegen friedliche Demonstrantengeben. Die Wahlfälschungen müssen vollständigaufgeklärt werden. Im Zweifel muss die Wahl annulliertwerden. Ich appelliere an die Machthaber im Iran:Geben Sie den Menschen ihre Stimmen zurück! Wir sindsolidarisch mit den Menschen in Teheran, in Isfahan, imganzen Iran.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)Vizepräsidentin Petra Pau:Für die Unionsfraktion hat nun der Kollege RuprechtPolenz das Wort.Ruprecht Polenz (CDU/CSU):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!In einer Situation, wie wir sie jetzt über die Fernsehbilderaus dem Iran verfolgen – ich kann mich den Einschätzungen,die Sie, Herr Trittin und Herr Staatsminister,vorgetragen haben, nur anschließen –, bleibt uns,dem Deutschen Bundestag, zunächst die Herstellung internationalerAufmerksamkeit als wichtige Aufgabe.Deshalb ist es gut, dass es heute diese Aktuelle Stundegibt. Denn es ist internationale Aufmerksamkeit, die in solchenSituationen dazu führt, die Meinungsfreiheit zu(C)(D)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 24993Ruprecht Polenz(A)schützen, Rechtfertigungszwänge auszulösen sowie Transparenzeinzufordern und herzustellen. Sie erschwert zudemÜbergriffe. Es ist kein Wunder, dass die iranischeRegierung zuallererst versucht hat, die internationaleBerichterstattung zu behindern. Wir müssen also unserevolle Aufmerksamkeit auf die Menschen lenken – dassind wir ihnen schuldig; das ist richtig –, die mit viel persönlichemMut auf die Straße gehen, um ihre demokratischenRechte geltend zu machen. Das ist das, was wirtun können, um sie zu unterstützen.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, derSPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ-NEN)Ich habe heute, einer Anregung des Kollegen Klosefolgend, mit meinem Amtskollegen Borudscherdi, demVorsitzenden des auswärtigen Ausschusses im iranischenParlament, telefoniert und habe ihm gesagt, dasswir heute darüber debattieren, wie wichtig es ist, dassder Iran Demonstrationsfreiheit garantiert, dass er beimEinsatz gegen gewalttätige Übergriffe, die es sicherlichauch vonseiten der Demonstranten gegeben hat, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatzbeachtet, und wie besorgt esuns macht, dass im Schatten der Demonstrationen offensichtlichauch oppositionelle Politiker – so ist die Nachrichtenlage– verhaftet worden sind. Natürlich habe ichgefordert, dass die freie Berichterstattung der ausländischen,aber auch der iranischen Journalisten umgehendwiederhergestellt werden muss und dass für eine transparenteAufklärung der Vorwürfe zu sorgen ist.nicht so viele auf die Straße –, aber eben auch nicht entscheidend.Deshalb bleiben die Themen, die uns und den Iran betreffen,auf der Agenda. Herr Trittin, ich stimme Ihnenzu, dazu gehört nicht nur, aber vor allen Dingen das Nuklearprogramm,dazu gehört die Haltung des Iran zudem Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern, dazugehört die Unterstützung der Hamas und der Hisbollah,und dazu gehört natürlich die Lage der Menschenrechteim Land. Bei all diesen Themen hält Chamenei mit seinemMachtapparat den Schlüssel in der Hand. Er ist es,der für Veränderung oder Beharrung sorgen kann. Dasmuss unsere Politik berücksichtigen.Es gibt jetzt die geänderte Strategie von Obama. Ichfinde es richtig, dass das Angebot der ausgestrecktenHand aufrechterhalten bleibt, egal wie das Verfahren imIran ausgeht, und dass Obama nicht den Anschein erweckthat, er wolle sich in die Auseinandersetzung einmischen.In diesem Zusammenhang habe ich eine Bittean die Bundesregierung: Solange die Antwort des Irannicht vorliegt, halte ich persönlich es für kontraproduktiv,öffentlich darüber zu spekulieren oder laut darübernachzudenken, was wir tun würden, falls der Iran dieausgestreckte Hand der Amerikaner nicht ergreift. Wirsollten jetzt die Geduld haben, abzuwarten, und weiterhindie Entwicklung im Iran aufmerksam verfolgen. Dassind wir den mutigen Frauen und Männern schuldig, diejetzt dort für ihre Rechte kämpfen.Vielen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDPund dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)(C)(B)Er hat mir dann seine Sicht der Dinge erklärt, nämlichdass in Teheran in der Tat Mussawi gewonnen habe.Seine Anhänger hätten das Teheraner Ergebnis auf dasganze Land hochgerechnet und seien aus Enttäuschungauf die Straße gegangen. Inzwischen haben, so hat er mirberichtet, Gespräche der vier Kandidaten mit dem geistlichenFührer und ein Treffen der Vertreter der vier Kandidatenmit dem Wächterrat stattgefunden. Wichtig undganz interessant fand ich den Hinweis, dass inzwischenwohl auch das iranische Parlament einen Ausschuss eingerichtethat, der den Vorwürfen nachgehen soll. Dieserhabe mit den Kandidaten Mussawi und Karrubi bereitsein Treffen unter Vorsitz eines der Vizepräsidenten desiranischen Parlaments gehabt. Mit den anderen Kandidatenwerde noch gesprochen. Borudscherdi hat mir gesagt,Mussawi habe in diesem Gespräch zum Ausdruckgebracht, das Votum des Wächterrats, wie immer es inzehn Tagen ausfalle, zu akzeptieren.Das führt mich zu einem wichtigen Punkt, den wirdoch festhalten sollten: Wie immer die Wahl verlaufenist und wie immer die Stimmen ausgezählt worden sind,es war von vornherein keine demokratische Wahl, sondernes war eine arrangierte Wahl. Es durften von über400 Bewerbern nur vier kandidieren. Die anderen sind ineinem sehr intransparenten Verfahren vom Wächterratvon vornherein ausgeschlossen worden. Es wurde auchnicht – das wird inzwischen dankenswerterweise vonden Medien der deutschen Öffentlichkeit erklärt – derMächtigste im Iran gewählt – das ist und bleibt der geistlicheFührer –, sondern es ging um die Wahl des Präsidenten.Die ist nicht unwichtig – sonst gingen in TeheranVizepräsidentin Petra Pau:Das Wort hat der Kollege Dr. Werner Hoyer für dieFDP-Fraktion.(Beifall bei der FDP)Dr. Werner Hoyer (FDP):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es geschieht nicht häufig und ist nicht selbstverständlich,dass man zu Beginn des eigenen Redebeitrags sagt:Ich habe mich in dem, was meine drei Vorredner gesagthaben, voll wiedergefunden. – Ich finde gut, dass ichdiese Bemerkung hier machen kann. Wir sind uns bei derBotschaft, die wir an den Iran, sowohl an die Führungals auch an die Menschen, die jetzt unter großen Risikenauf die Straße gegangen sind, senden wollen, sehr einig.Die Situation gibt zu großer Sorge und leider auch zurTrauer Anlass.Ich ziehe den Hut vor den Hunderttausenden Iranern,die unter Gefahr für Leib und Leben ihre Stimme füreine bessere Zukunft erheben.Was kommt darin zum Ausdruck? Sie verlangen, dassihre Stimmen zählen, dass sie gezählt werden, und siegehen dafür hohe Risiken ein. Das könnte uns in unseremsicheren Europa geradezu ein bisschen beschämen.(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPDund dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)(D)


24994 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Dr. Werner Hoyer(A)(B)Offenbar haben wir die Wertschätzung dafür verloren,was es bedeutet, eine eigene Stimme zu haben, sie abzugebenund darauf bestehen zu können, dass sie gezähltwird.Man schaue sich auch an, was uns dort vorgelebtwird: dass Freiheit zählt, dass sie immer wieder verteidigtund erkämpft werden muss. Wer dort aufschreit, dasist die junge, gutausgebildete, moderne, im Wesentlichenwestlich – vor allen Dingen Richtung Amerika orientierte– Generation im Iran, nicht nur in Teheran, sondernauch in vielen anderen großen Städten. Es ist eine Generation,die vor allen Dingen eins will: Zukunftschancen,eine Generation, die die Systemstarre längst als Hindernisfür ihr eigenes Lebensglück sieht, eine Generation,die Vertrauen in einen Rechtsstaat haben möchte, eineGeneration, die von der eigenen Regierung nicht ihrerMöglichkeiten beraubt werden möchte und die übrigensauch den Rest der Welt nicht als Gefahr, sondern alsChance begreift.Die größte Gefahr für den geistlichen Führer und fürden Staatspräsidenten besteht darin, dass sich dieser Ruf,die Botschaft dieser Menschen über das Land verbreitet,und deswegen wird das Internet unterbrochen, deswegenwerden die Kommunikationsmöglichkeiten nach innenwie nach außen gekappt, deswegen werden die Medienin ihrer Arbeit behindert und Oppositionelle drangsaliert.Je mehr das geschieht, je mehr das Regime es offensichtlichfür erforderlich hält, sich so zu verhalten, destomehr werden die Zweifel genährt, dass das, was da amletzten Freitag geschehen ist, wirklich mit rechten Dingenzugegangen ist. Es ist ein Segen unserer Zeit, dass esheute kaum mehr Möglichkeiten gibt, Informationenvollends zu unterdrücken oder Unrecht sich in kleinenNischen abspielen zu lassen. Die Medien sind präsent.Der Geist, den Hunderttausende in diesen Tagen auf dieStraße gebracht haben, wird nicht wieder in die Flaschezurückzudrängen sein.Sie haben zu Recht gesagt, Herr Trittin: Die überzeugendsteBotschaft zu diesem Thema, die in den letztenWochen und Monaten gehört worden ist, kam vom amerikanischenPräsidenten, sowohl in seiner Neujahrsansprachean das iranische Volk als auch in seiner bemerkenswertenRede in Kairo. Es ist eine Politik derausgestreckten Hand, die nicht auf Provokationen eingehtund trotzdem die eigenen Werte hochhält. Es ist dasAngebot an den Iran, seinen Platz in der Weltgemeinschaftmit allen Rechten, aber auch mit allen Pflichtenauszufüllen. Es ist das Angebot, Tradition und Fortschrittmiteinander zu verbinden. Es ist das Angebot, alteVerletzungen zu überwinden. Ja, Obama überwindet dieSprache der Achse des Bösen, die Sprache von Zuckerbrotund Peitsche. Diese Sprache ist gescheitert. Er betontden Respekt vor dem iranischen Volk und seinergroßartigen Kultur, und er schreckt auch nicht davor zurück,Fehler der Vergangenheit offen zu adressieren. Ergeht in seiner Rede bis auf Mossadegh zurück. Das istein ermutigender und ein mutiger Schritt.Wenn es eines Tages Lösungen für die Probleme inder Region, auch im Kernbereich von Palästina und Israel,geben sollte, dann sicherlich in jenem Geist, vondem die Rede Obamas in Kairo getragen war. Darin liegtauch ein Angebot an Europa. Das sollten wir aufgreifen,und dazu sollten wir unseren Teil beitragen. Dass esHunderttausende im Iran gibt, die sich der Hoffnung aufdiese Politik bereits angeschlossen haben, ist ermutigend.Vielen Dank.(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPDund dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsidentin Petra Pau:Für die Fraktion Die Linke hat nun der KollegeDr. Norman Paech das Wort.(Beifall bei der LINKEN)(C)(D)(Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPDund dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Nach diesen Vorgängen wird auch im Iran nichts so sein,wie es vorher war. Darin liegt eine große Chance für dieZukunft des Iran und für den zukünftigen Platz des Iranin der Völkergemeinschaft.In der Strategie der Hardliner im Iran spielt der Westeneine ganz wesentliche Rolle, nämlich die des Feindbildes.Auch in diesen Tagen sind die Provokationen desiranischen Staatspräsidenten vor allen Dingen eins: derVersuch, einen Nebenkriegsschauplatz zu eröffnen, umdie mutigen Demonstranten im eigenen Land als Handlangerdes verhassten Westens abzuqualifizieren. Wirdürfen in diese Falle nicht hineintappen; dieses Spieldürfen wir nicht mitmachen. Auf den Straßen von Teheran,von Isfahan, von Tabriz und von vielen anderenStädten ist niemand vom Ausland gesteuert. Hier empörtsich eine ganz eigene iranische Opposition, und deswegensollten wir Präsident Ahmadinedschad keine Ausweichmöglichkeitenbieten, sich mit uns statt mit der eigenenBevölkerung auseinanderzusetzen.Dr. Norman Paech (DIE LINKE):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es gibt wohl keinen Zweifel: Die Gesellschaft im Iran istim Aufruhr. Ob dieser Aufruhr nun mehr mit der Revolutionvon 1979 oder den Studentenrevolten von 1999 zutun hat, muss sich erst noch zeigen. Sicher ist aber, dassUrsache nicht der Wahlausgang und die möglichenWahlfälschungen sind. Sie sind nur Anlass und Auslöserder Unruhen, die offensichtlich eine ganz breite Unzufriedenheitmit dem aktuellen Regime widerspiegeln.Dieses Regime wird nicht nur von Ahmadinedschad,sondern auch von Ajatollah Chamenei und dem Wächterratrepräsentiert.Zudem bestehen wohl auch keine Zweifel daran, dasses bei den Wahlen wahrscheinlich zu Unregelmäßigkeitenbis hin zu massivem Wahlbetrug gekommen ist.Wir sollten aber auch zur Kenntnis nehmen, dass unabhängigeUS-Organisationen in den letzten Wochen vorden Wahlen Ahmadinedschad immer mit einem Vorsprungvon ungefähr 33 Prozentpunkten vor Mussawi gesehenhaben. Nach ihren Befragungen lag Ahmadinedschad in


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 24995Dr. Norman Paech(A)(B)allen 30 Provinzen vorne. Selbst in der Provinz Aserbaidschan,der Heimat Mussawis, wurde Ahmadinedschadmit zwei zu eins gegenüber Mussawi favorisiert. Diestärkste Zustimmung kam von den 18- bis 24-Jährigen.Für Mussawi stimmten eindeutig die Akademiker unddie Wohlhabenden im Lande. Das ist zwar nicht die Bevölkerungsmehrheit;es sind aber wohl diejenigen, mitdenen die westlichen Medien aufgrund der sprachlichenKompetenz dieser Gruppe vornehmlich Kontakt hatten.Hier wurde bei uns offensichtlich zu viel Wunschdenkenverbreitet und vergessen, dass Ahmadinedschadschon einmal mit einer Zweidrittelmehrheit gewonnenhat, nämlich 2005 gegen Rafsandschani. Offensichtlichkonnten viele Iraner ihren Wunsch nach einem wirklichdemokratischen System und nach besseren Beziehungenzu den USA sowie ihre Ablehnung des Besitzes von Nuklearwaffenmit ihrer Unterstützung Ahmadinedschadsverbinden. Sie sahen in ihm offensichtlich den härterenVerhandler, der mehr für sie herausholen konnte.Übersehen wir auch das nicht: So schlecht die Wirtschaftslageim Iran ist und so schlecht es in diesem Landum die Menschenrechte steht – 46 Prozent der Iranerglauben, dass unter Ahmadinedschad die Inflation gesunkenund die Wirtschaft gewachsen ist.(Zuruf von der CDU/CSU: Peinlich, peinlich,Herr Dr. Paech! – Weitere Zurufe vom BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN)Das kennen wir aus anderen Zusammenhängen. Sokommt es beim Wetter nicht auf die exakte Temperaturan, sondern auf die gefühlte.Aus einem weiteren Grunde sollten wir bei der Bewertungfremder Wahlen sehr vorsichtig sein. Haben wirschon die US-Präsidentschaftswahlen des Jahres 2000vergessen, bei denen es zu massiven Unregelmäßigkeitenin Florida gekommen ist, die nie ganz aufgeklärtwurden und die keine Aktuelle Stunde im Bundestaghervorgerufen haben?(Zuruf von der CDU/CSU: Wir sind hier nichtin der Volkskammer!)Oder denken wir nicht mehr an 2006? Damals kam esim Februar in Palästina zu anerkannt freien und fairenWahlen. Nur das Ergebnis gefiel den großen Mächtennicht. Es war ein Tiefpunkt demokratischer Heuchelei,die Wahlen erst zu fordern, dann aber das Wahlergebniszu missachten und den Sieger zu boykottieren. Wo warda die demokratische Empörung im Parlament?(Fritz Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]:Es reicht langsam, Herr Kollege! – EduardLintner [CDU/CSU]: Das ist Volkskammerniveau,das Sie hier bieten!)Mir gefiel ein Satz in der Washington Post vor zweiTagen. Ich will ihn zitieren:Vorwürfe des Betrugs und der Wahlmanipulationwerden Iran weiter in die Isolation treiben und dessenStreitlust und Unnachgiebigkeit gegenüber demRest der Welt wahrscheinlich verstärken. Bevorsich andere Länder, die USA eingeschlossen, zudem Vorwurf der Wahlfälschung hinreißen lassen– mitsamt den schwerwiegenden Folgen, welchesolch ein Vorwurf mit sich bringen kann – solltensie unabhängigen Informationen Beachtung schenken.Tatsächlich ist es gut möglich, dass das iranischeVolk die Wiederwahl des PräsidentenAhmadinedschad wollte.Es bleibt uns also nichts anderes übrig, als zunächstdie angekündigte Überprüfung der Wahlen abzuwarten.Dabei ist es vollkommen klar, dass wir gegen jeglicheAusübung von Gewalt gegen die Opposition sein müssen.Das ist selbstverständlich; da schließe ich mich allenVorrednern an. Es ist aber auch nötig, dem besonnenenVorbild von Obama und Clinton zu folgen, also alleMöglichkeiten der Diplomatie und der Verhandlung mitdem Iran auszuschöpfen.Zweifellos – das zum Schluss – geht der Iran mit einerneuen Epoche, vielleicht mit einer neuen Etappe seinerRevolution schwanger. Diese auszutragen, ist aberallein Sache des iranischen Volkes.Danke sehr.(Beifall bei der LINKEN)Vizepräsidentin Petra Pau:Das Wort hat der Kollege Dr. Rolf Mützenich für dieSPD-Fraktion.(Beifall bei der SPD)Dr. Rolf Mützenich (SPD):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wenn wir heute in den Iran schauen, dann machen wiruns Sorgen um die Menschen und deren Zukunft; dennzu oft waren politische Konflikte im Iran auch blutigeKonflikte. Deswegen bin ich dankbar, dass die Bundesregierungfrühzeitig reagiert hat und die Einhaltung derMenschenrechte, die Gewährung der Demonstrationsfreiheitund die Achtung des Rechtes auf freie Medienberichterstattungeingefordert hat. Das war notwendigund rechtzeitig. Ich glaube, dass andere europäische Regierungengut daran tun, ebenso zu handeln.Mit Blick auf die jüngste Vergangenheit müssen wirwahrnehmen: Das, was im Iran passiert, ist das Spiegelbildeiner iranischen Gesellschaft, die wir in den letztenJahren leider zu wenig wahrgenommen haben. In denMedien und bei uns, in der Politik, haben immer Ahmadinedschadund religiöse Eiferer eine Rolle gespielt,nicht aber der Respekt gegenüber den Iranerinnen undIranern, die mit Mut – teilweise der Verzweiflung – versuchthaben, für ihre individuellen Rechte und insbesonderefür dieses große Land Iran einzutreten. Die Kundgebungenund Demonstrationen zum jetzigen Zeitpunktführen uns die Bedeutung dieser Menschen vor Augen.Wir sollten ihren Einsatz weiterhin mit großem Respektverfolgen und unterstützen.Ich möchte an die Adresse des Kollegen Paech sagen:Ich finde es zweifelhaft, dass Sie mit einer Art AbsolutionAhmadinedschad den Wahlsieg zusprechen.(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDPund dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)(C)(D)


24996 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Dr. Rolf Mützenich(A)(B)Sie gehen damit sogar weiter als der religiöse Führer, dersozusagen nach einem Fingerzeig Gottes immerhin gesagthat: Lassen wir doch irdische Institutionen darüberbefinden, ob bei der Wahl das eine oder andere richtiggelaufen ist.Ich glaube, dass jede einzelne Stimme im Iran gehörtwerden muss. Wir müssen diese Wahlen und die Menschenschützen. Das tun wir am besten mit dieser Debatte.Ich weiß, dass wir nicht unmittelbar auf die Situationim Iran einwirken können und wollen. Deswegen istes wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Menschen imIran mit Mut und Selbstbewusstsein tagtäglich versuchen,auf die Situation einzuwirken. Es ist richtig,diese Bemühungen von hier aus zu unterstützen.Die Kundgebungen, die zurzeit in Teheran, Isfahanund an anderer Stelle stattfinden, sind nach meinem Dafürhalteneine Reaktion auf die bemerkenswerten Redenund Taten des amerikanischen Präsidenten. Er hat nichtnur den islamischen Gesellschaften seine Hand ausgestreckt,indem er sagte, dass er ihnen mit Respekt begegne,sondern auch dem Iran angeboten, direkt über dasAtomprogramm zu sprechen. Zugleich hat er die gemeinsamenInteressen mit dem Iran betont: im Hinblickauf Afghanistan, die Stabilisierung im Irak und die Situationim Kaukasus. All das sind nach meinem DafürhaltenAnhaltspunkte für eine realistische Politik.Ich bitte die Institutionen im Iran, die so vielfältigsind und nicht nur den Präsidenten repräsentieren, etwadas Parlament, den Schlichterrat oder den nationalen Sicherheitsrat,die ausgestreckte Hand anzunehmen. Zumanderen sollten wir Präsident Obama von Europa aus unterstützen.Mit Blick auf den Besuch der Bundeskanzlerinbei Präsident Obama in der nächsten Woche richteich deshalb den Appell an die Bundesregierung, dieseNahostpolitik zu unterstützen, nicht nur in Worten, sondernauch in Taten, und die Realitäten so anzunehmen,wie sie sich darstellen.(Beifall bei der SPD und der FDP)Natürlich ist es auch ein Machtkampf innerhalb desSystems – darüber würde ich an dieser Stelle ebenfallsgern sprechen –; da sind die Menschen, die um ihreStimme kämpfen, und da gibt es wahrscheinlich aucheine Auseinandersetzung zwischen religiösen Gruppenund einer sozusagen neuen politischen Elite, die im achtjährigeniranisch-irakischen Krieg großgeworden ist, diemöglicherweise um wirtschaftliche Pfründe kämpft. Dassind kritische Momente, die wir mit aller Sensibilität beachtenmüssen. Dennoch geht es heute darum, dass ausden Wahlen das wird, was die Menschen wollen.Zu oft machen solche Regimes – davor warne ichauch in Richtung Teheran – Minderheiten, ethnischeMinderheiten oder religiöse Minderheiten, zum Sündenbock,möglicherweise auch zum Sündenbock für Aufruhr.Die Frage der Verfolgung zum Beispiel der Bahai-Gemeinde und anderer ethnischer Minderheiten in diesemVielvölkerstaat ist so wichtig, dass wir auch vondieser Stelle aus sagen müssen: Sie sind in diesen Tagen,in diesen Minuten genauso bedroht. Wir werden diesaufmerksam beobachten.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDPund dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsidentin Petra Pau:Das Wort hat die Kollegin Kerstin Müller für dieFraktion Bündnis 90/Die Grünen.Kerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Es muss Schluss sein mit der Diskriminierung derFrauen im Iran. – Diesen Satz rief Sahra Rahnavard imWahlkampf den Menschen entgegen. Wie Sie wissen, istsie nicht irgendjemand, sondern die Frau des PräsidentschaftskandidatenMir Hossein Mussawi, der derzeit dieProteste im Iran anführt.Der iranische Schriftsteller Navid Kermani, der inKöln lebt, beschreibt in der Süddeutschen Zeitung vongestern in einem flammenden Appell, wie in einerFernsehdiskussion der beiden Kandidaten – es ist sehrungewöhnlich, dass so etwas stattfand – die infameDiffamierung Sahra Rahnavards durch PräsidentAhmadinedschad erst zum Auslöser für eine breite Mobilisierungfür Mussawi wurde.Nach der Wahl und der – jedenfalls aus Sicht der Demonstrierenden– massiven Fälschung der Wahlergebnissescheint das Maß jetzt endgültig voll zu sein; HunderttausendeMenschen sind nicht mehr bereit, einezweite Amtsperiode Ahmadinedschads zu akzeptieren,die möglicherweise auch noch auf einem gigantischenBetrug basiert. Sie fühlen sich um ihre Stimme betrogen,und sie kämpfen für ihre Freiheits- und Bürgerrechte.Ich möchte mich allen anschließen, die gesagt haben:Das müssen wir hier heute unterstützen. Das muss dasSignal sein, das aus dieser Aktuellen Stunde in den Irangeht.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, beider CDU/CSU, der SPD und der FDP)Die Vorgänge in Teheran sind dramatisch, vielleichthistorisch – das wissen wir heute noch nicht –; jedenfallssind es die größten Demonstrationen, die das Land seitder Revolution vor 30 Jahren gesehen hat. Daher ist eswichtig, dass wir heute Stellung beziehen.Es ist sicherlich noch nicht klar, wohin sich die Situationim Iran entwickelt, aber es ist schon im Vorfeld derWahl und auch jetzt bei den Demonstrationen deutlichgeworden, dass die Menschen in Teheran und in anderenStädten mit Mut und Entschlossenheit ihre Rechte einfordern.Da hat sich in der Regierungszeit Ahmadinedschadsoffensichtlich schon viel Frustration angestaut, die sichjetzt entlädt. Wie auch immer die Situation im Einzelnenzu bewerten ist – ob es auch um einen massiven Machtkampfverschiedener Kräfte des Regimes geht, ob zwischenMussawi und Ahmadinedschad gar nicht so großeDifferenzen bestehen, ist im Moment, finde ich, garnicht so entscheidend –; eines steht auf jeden Fall fest:Im Iran zeigt sich in diesen Tagen eine ganz breite Zivilgesellschaftmit einem sehr ausgeprägten Bewusstsein(C)(D)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 24997Kerstin Müller (Köln)(A)(B)für ihre Freiheitsrechte, für die sie sich trotz der Gefahrenund Risiken mutig einsetzt. Das ist ein sehr starkesSignal.Es rächt sich jetzt – ich will das hier nachdenklich sagen–, dass die internationale Gemeinschaft den Iran vielzu lange nur durch die Brille des Nuklearstreits – somöchte ich es einmal ausdrükken – gesehen hat. Ich sagedas als jemand, die damals als Staatsministerin ganz klardafür war, dass wir diese Dialogpolitik betreiben, unddie der Meinung war, dass es ein zentrales Anliegen derinternationalen Politik sein muss, die Nuklearisierung zuverhindern; keine Frage. Aber es war falsch, dass dabeidie Menschenrechtslage so völlig aus dem Blick geratenist und quasi als nachrangige Frage behandelt wurde.Ich gebe ein Beispiel: Kampf für die Frauenrechte.Seit Jahren sammeln Aktivistinnen im ganzen Land Unterschriftenim Rahmen der „5-Millionen-Unterschriften-Kampagne“ zur Verbesserung der Rechte der Frauen.Über 60 Prozent der Studierenden im Iran sind Frauen.Sie sind jetzt offensichtlich nicht mehr bereit, die Diskriminierunghinzunehmen. Sie sind sehr enttäuscht überdie wahrscheinliche Wahlfälschung, für die es ziemlicheindeutige Hinweise gibt.Auch die allgemeine Menschenrechtslage hat sich unterAhmadinedschad verschlechtert, ist finster wie niezuvor. Das hat der jüngste Jahresbericht von AmnestyInternational noch einmal ausdrücklich bestätigt.Ich meine, einen Fehler dürfen wir jetzt in dieser Lagenicht machen: Wir dürfen jetzt nicht einfach zur Tagesordnungübergehen und business as usual betreiben. Esgibt den einen oder anderen Experten, der das will undbeschwichtigt, indem er sagt: Na ja, wahrscheinlich wares Wahlfälschung, aber nicht in diesem Umfang – soähnlich wie Sie heute, Herr Kollege Paech –, wegen derkonservativen Landbevölkerung könnte Ahmadinedschadauch gewonnen haben. Es gibt sogar die Aussage,Ahmadinedschad sei im Hinblick auf die Verhandlungenim Atomstreit der bessere Verhandlungspartner, weil erals konservativer Politiker entsprechende Ergebnissebesser ins System vermitteln kann.Auch Sie, Herr Polenz, haben heute noch einmal gesagt,es sei nicht so entscheidend, ob Ahmadinedschadim Amt bleibt; denn in der Frage des Atomprogrammsliege die Macht beim geistlichen Führer. Das mag zwarrichtig sein, aber ich möchte hier wirklich einmal dieFrage stellen, ob es in dieser Situation, angesichts vonTausenden von Menschen, die unter hohem Risiko aufdie Straße gehen, angesichts massiver Zensur und desheute erfolgten Verbots der Berichterstattung durch ausländischeJournalisten, richtig ist, wenn wir von der internationalenSeite das Ganze weiter von außen nur unterdem Gesichtspunkt des Nuklearstreits sehen. Ich finde,das dürfen wir nicht.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)Vielmehr müssen wir ins Zentrum unserer Überlegungenauch die Lage der Menschenrechte stellen. Ich glaube,alles andere würde schräg ankommen. Exiliraner habensich ja schon beschwert und gefragt, wieso es nicht genügendUnterstützung gibt. Man erwarte und benötigeentsprechende Signale.Ich möchte noch etwas hinzufügen. Wir wissen heutenicht, wie das Ganze ausgehen wird. Der Ausgang ist offen.Möglicherweise wird dieser demokratische Aufbruchniedergeschlagen. Ein Tiananmen II ist vorstellbar;jedenfalls sagen das alle. Wir wissen es nicht.Vielleicht entwickelt es sich auch zum Guten. Ich findeaber, in einer derart offenen Situation dürfen wir nicht signalisieren,dass wir in jedem Fall den Dialog fortführen,egal was im Iran passiert, egal wer an der Macht ist.Ob wir weiterhin entsprechende Dialogangebote unterbreiten,müssen wir meiner Meinung nach von der Situationabhängig machen. Wenn sich der Vorwurf der Wahlfälschungerhärtet, gehört möglicherweise auch dieinternationale Iran-Politik auf den Prüfstand. In dieserSituation müssen wir jetzt als Erstes und vorrangig – dashaben hier ja auch viele gesagt – Solidarität mit der Reformbewegungzeigen und außerdem ganz klar sagen,dass wir in Zukunft das Thema der Menschenrechte aufdie internationale Agenda setzen werden. Wenn alsoschon ein Dialog geführt wird, dann muss auch diesesThema Bestandteil des Dialogs werden. Das wäre meinesErachtens das Mindeste.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)Vizepräsidentin Petra Pau:Das Wort hat der Kollege Eduard Lintner für dieUnionsfraktion.Eduard Lintner (CDU/CSU):Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Meine Damen und Herren! Es wurde schondarauf hingewiesen, dass es ernsthafte und sehr konkreteHinweise auf Manipulationen des Wahlergebnisses gibt,dass insbesondere die Höhe des Ergebnisses für Ahmadinedschadunglaubwürdig ist. Dieses und die brutaleund zugleich umfassende Unterdrückung der Protestierendendurch die Regierung erzwingen geradezu, dasssich Parlamente wie der Deutsche Bundestag mit demGeschehen im Iran befassen.Ich gebe dem Kollegen Polenz völlig recht: Wir habendie Pflicht, die internationale Aufmerksamkeit aufden Iran zu lenken, um auf diese Art und Weise vielleichtdenen zu helfen, die jetzt in der Tat mit bewundernswertemEinsatz von Leben und Gesundheit, Freiheitund Wohlergehen im Iran dafür kämpfen, dasskünftig demokratische Rechte auch dort respektiert werden.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender SPD)Herr Dr. Paech, es hat – es tut mir leid, das sagen zumüssen – schon etwas peinlich geklungen, als Sie hierden Versuch unternommen haben, jetzt schon das Ergebniszu rechtfertigen. Unlogisch und genauso peinlich wares, als Sie im zweiten Teil Ihrer Rede davon gesprochenhaben, man müsse erst einmal abwarten. Meiner Meinungnach sollten wir hier Einigkeit an den Tag legen(C)(D)


24998 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Eduard Lintner(A)(B)und nicht irgendwelche Ausflüchte zulassen. Auch mirliegen natürlich die Umfrageergebnisse vor. Sie sindzwar mit aller Vorsicht zu betrachten, aber alle weisendoch darauf hin, dass es eigentlich nicht sehr wahrscheinlichwar, dass der amtierende Präsident bereits imersten Wahlgang die notwendige absolute Mehrheit fürsich gewinnen konnte.Wie wir alle wissen steht die Regierung des Irans imBrennpunkt des Interesses, aber eben auch der Sorge derinternationalen Politik. Vor allem das AtomprogrammTeherans und die Drohungen von Präsident Ahmadinedschadgegen Israel lassen im Hinblick auf mögliche Reaktionengeradezu alle Alarmglocken schrillen. In diesenKonflikt ist zwar durch die Initiativen der neuen US-Administration– es ist schon darauf hingewiesen worden –jüngst Bewegung gekommen. Die Hoffnung auf einenfriedlichen Ausweg hat sich dadurch Gott sei Dank etwasbelebt. Aber der angeblich so hohe Sieg des amtierendenPräsidenten schon im ersten Wahlgang begründetdoch die Befürchtung, er und seine Anhänger könntengenau dieses unwahrscheinliche Resultat als Aufforderungzu einer noch aggressiveren Politik einer atomarenBewaffnung interpretieren.Andererseits beschädigen auch nicht bewiesene, aberplausible Zweifel an der Wiederwahl die Legitimationsbasisdes Regimes. Diese Zweifel, zusammen mit derbrutalen, gewaltsamen Unterdrückung von Meinungsfreiheitund Demonstrationsrecht, erschweren es zudemjeder westlichen Regierung, gegenüber der eigenen ÖffentlichkeitKompromisse mehrheitsfähig zu machen.Zwar bekennen sich – es ist schon darauf hingewiesenworden – auch die anderen Kandidaten zur Nutzung vonNukleartechnik durch den Iran; aber ihre Priorität liegtganz offenbar in einer anders orientierten, dem Wohl derBevölkerung verpflichteten Wirtschaftspolitik. Mit dieserZielrichtung, die zweifellos im Interesse der ganzüberwiegenden Mehrheit der Menschen im Iran läge, istdie Chance zu mehr Kooperation mit dem Westen verbunden.Dies würde eine Reduzierung der Spannungenermöglichen, auch über den Weg der Rücknahme vonSanktionen gegen den Iran, und könnte eine Entspannungund Hilfe bedeuten.Es steht, wie wir alle wissen, auch viel auf dem Spiel,was das Verhältnis des Iran zu seinen Nachbarn in der islamischenWelt angeht. Die ideologische und realpolitischeFührungsrolle, die Ahmadinedschad und seine Anhängeranstreben, verschärft ganz entscheidend dieGefahr eines nuklearen Wettrüstens in dieser schon jetztso spannungsreichen Region. Auch was Israel angeht,kann man nur auf ein Einlenken des Iran hoffen. Denndie existenzielle Bedrohung des Staates Israel, nicht nurverbal, sondern auch mit realen Mitteln, birgt die Gefahreiner von uns allen nicht erwünschten drastischen Reaktionin sich.pflichtet fühlen. Diesem Anspruch sollte sich der obersteFührer Chamenei bei seinem Urteil über die Korrektheitder Wahl im Iran verpflichtet fühlen. Die Wahrung derdemokratischen Rechte in seinem Land und die Gewährleistungvon Presse- und Versammlungsfreiheit könntenihm dabei hilfreich sein. Wir hoffen auf seine Einsichtund darauf, dass er sich letztlich auch dem friedlichenZusammenleben der Völker, zumindest in der Region,verpflichtet fühlt.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender SPD und der FDP)Vizepräsidentin Petra Pau:Das Wort hat der Kollege <strong>Hans</strong>-Ulrich Klose für dieSPD-Fraktion.<strong>Hans</strong>-Ulrich Klose (SPD):Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Auch wenn es dem Kollegen Paech missfällt, muss ichdoch ein paar Bemerkungen zu dem Ergebnis machen.Ich habe mir die Zahlen von 2005 noch einmal angesehenund diese mit den Zahlen von diesem Jahr verglichen.Das ist sehr aufschlussreich. Im Jahr 2005 hatAhmadinedschad im ersten Wahlgang, in dem es mehrereKandidaten gab, 5,7 Millionen Stimmen bekommen.Erst im zweiten Wahlgang, als es nur noch zweiKandidaten waren, hat er – das galt damals als Kantersieg– circa 16 Millionen Stimmen bekommen. DiesesJahr, im Jahr 2009, nachdem Ahmadinedschad in seinemeigenen Land erheblich an Zustimmung verloren hat, hater im ersten Wahlgang – so wird behauptet – 23,7 MillionenStimmen erhalten, doppelt so viele wie Mussawiund ein Vielfaches von Resai und Karrubi, sogar in derenHeimatbezirken.(Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD]: Ja!)Ich weiß nicht, ob die Zahlenangaben der Oppositionstimmen; auch da gibt es unterschiedliche Angaben.Aber ich bin mir ziemlich sicher, Herr Kollege Paech,dass die jetzigen Zahlen für Ahmadinedschad nicht stimmen,sondern frei – oder sollte ich lieber sagen: willkürlich?– erfunden sind.(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDPund dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Ich habe großen Respekt vor denen, die das im Iranganz laut und deutlich sagen und für ihre Überzeugungauf die Straße gehen. Diese Menschen trotzen der Gewaltund fordern ihr Recht auf freie Meinungsäußerungein. Die Bilder prügelnder Milizionäre erschrecken undempören mich. Aber die Bilder von einzelnen Polizisten,die sich schützend vor die Demonstranten stellen – auchsolche Bilder gibt es –, nähren die Hoffnung auf Veränderung.(C)(D)All das sind Gründe, die es zwingend erforderlichmachen, dass die Legitimität der Führung des Iran zweifelsfreigeklärt wird. Dazu bedarf es des Rechts einer ungestörtenÜberprüfung und der wahrheitsgemäßen Feststellungdes Wahlergebnisses. Religion und religiöseFührer auch im Iran sollten sich immer der Wahrheit ver-Wird es im Iran schnelle Veränderungen geben? Ichkann es nicht sagen, weil ich nicht weiß, wie der gegenwärtigeMachtkampf im Iran – es handelt sich um einenMachtkampf – ausgeht. Ahmadinedschad scheint sichseines Sieges sehr sicher zu sein. Wahrscheinlich weißer: Wenn er fällt, fallen möglicherweise auch Chamenei,


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 24999<strong>Hans</strong>-Ulrich Klose(A)(B)der religiöse Führer, und das gesamte System. Ich glaubenicht, dass es passiert. Aber möglich ist es.Was können wir tun? Wir können dreierlei tun:Erstens. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass essich bei dem Konflikt in Teheran um einen iranischenMachtkampf handelt, bei dem westliche Einmischungwenig hilfreich, vielleicht sogar kontraproduktiv ist.(Beifall des Abg. Detlef Dzembritzki [SPD])Auftrumpfende Rhetorik, zu der wir in Zeiten der Empörungmanchmal neigen, könnte in dem Konflikt eher vonunserem Interesse ablenken und den Westen als Feindbilderscheinen lassen. Zweitens. Nachdem die öffentlichenInformationskanäle gesperrt sind, müssen die privatenoffen gehalten werden, damit die Welt weiterhinsieht, was im Iran geschieht. Drittens. Wir müssen denenhelfen, die als Asylbewerber zu uns kommen. Es werden,so fürchte ich, viele sein.Was tun die westlichen Regierungen? Sie beobachtendie Lage, äußern ihre Besorgnis und bestellen – wenn eshochkommt – Botschafter ein. Das ist nicht wenig, aberauch nicht viel. Die Ehrlichkeit gebietet, hinzuzufügen,dass die Regierungen viel mehr gar nicht tun können und– wie im Falle der US-Regierung – offenbar nicht mehrtun wollen.Präsident Obama will trotz allem sein Dialogangebotan den Iran aufrechterhalten. Ist er deswegen zu tadeln?Wenn es nach mir geht: nein. Denn er weiß, dass wir, umdie Welt zu verändern, auch mit denen reden müssen, dieUnerfreuliches und Böses tun oder planen. Das nenntman gemeinhin Realitätspolitik. Meist ist das abschätziggemeint. Prinzipienlos ist diese Art von Politik abernicht. Denn getragen und gerechtfertigt wird sie vondem und durch das Prinzip Hoffnung – Hoffnung aufVeränderung auch im Iran, wenn nicht heute, dann dochvielleicht morgen.Das erinnert mich – verzeihen Sie das einem älterenKollegen – an zwei Gedichtzeilen von Gottfried Benn:Kommt, reden wir zusammen.Wer redet, ist nicht tot.(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDPund dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Das Wort hat der Kollege Philipp Mißfelder von derCDU/CSU-Fraktion.Philipp Mißfelder (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Zunächst möchte ich mich allen Rednernmit Ausnahme des Redners von der Linkspartei anschließen,was die Unterstützung und eine gemäßigteSolidarität mit den Demonstranten in Teheran angeht.Wir müssen natürlich genau schauen, aus welchen Motivendort die Demonstrationen stattfinden und welche Interessenlagedahintersteckt. Ich bin in der vergangenenWoche von Donnerstag bis Sonntag mit einer größerenGruppe von jungen Nachwuchspolitikern aus Deutschlandin Israel gewesen und habe in zahlreichen Gesprächenmit israelischen Freunden, egal welcher parteipolitischenCouleur – ob Likud, Kadima oder Arbeiterpartei –,oder auch mit Journalisten und jungen Soldatinnen undSoldaten festgestellt, dass in Israel schon im Vorfeld derWahlen die Erwartungshaltung, dass sich irgendetwasverändert, nicht existent war. Das soll keine Unterstützungder These von Herrn Paech sein; damit Sie michnicht falsch verstehen. Ich meine, dass die Erwartungshaltung,das Verhältnis zwischen Israel und dem Iranwürde sich nach den Wahlen in irgendeiner Form ändern,in Israel sehr gering ist.So gab es in Israel dann auch unterschiedliche Reaktionenauf das Wahlergebnis. Einerseits war es natürlichein Schock, mit welcher Dreistigkeit dieses Regime vorgehtund sich selbst damit demaskiert. Andererseitswurde dieses Ergebnis mit einer gewissen Form von Resignationund Gleichgültigkeit aufgenommen. Denn manhat gesagt: Es ändert sich sowieso nichts.Das ist allerdings nicht unsere Position. Wir hoffen,dass sich etwas ändert. Frau Kollegin Müller hat es gesagt– ich möchte es ergänzen –: Wir hoffen, dass sichnicht nur im Bereich der Menschenrechte etwas ändert,sondern natürlich auch in Bezug auf die Akzeptanz desStaates Israel. Dass das natürlich nicht Gegenstand vonDemonstrationen in Teheran ist, leuchtet jedem ein.Aber dass in dem Dialog, der in Zukunft seitens derAmerikaner und der Europäer stattfinden soll, darauf geachtetwerden muss, was die Oppositionellen im Iran inBezug auf den Staat Israel vertreten, ist für mich nachwie vor eine wichtige Bedingung für Gespräche und istfür die Einschätzung des Ausgangs der Gespräche mitdem Iran zentral.Man muss natürlich ernst nehmen, dass sich die wirtschaftlicheSituation im Iran verändert hat; denn hier bestehtein enger Zusammenhang mit den Angeboten einesDialogs in den nächsten Monaten und Jahren. Die Stärkeder Oppositionsbewegung im Iran hängt sehr eng mit derwirtschaftlichen Lage zusammen. Gerade deshalb ist esnicht sinnvoll, jetzt mit weiteren Sanktionen zu drohen.Das möchte ich nicht tun. Ich möchte aber, dass man zunächsteinmal auf das rekurriert, was bereits aktuell beschlossenworden ist und Politik der Weltgemeinschaftgegenüber dem Iran sein sollte, nämlich dass wirtschaftlicheBeziehungen immer auch unter moralischen Gesichtspunktengesehen werden sollten. Ich habe sehrgroße Zweifel, ob Deutschland alles tut, was man tunkönnte, um dem Regime von Ahmadinedschad, dessenGrausamkeit sich in den letzten Tagen offenbart hat, inausreichender Weise entgegenzutreten.Ich verweise auf einen Gastkommentar von BenjaminWeinthal in der Financial Times Deutschland, der ausdrücklichauf die Rolle der deutschen Wirtschaft in diesemZusammenhang hinweist. Trotz aller positiven Erwartungen,die in der Debatte an die iranische Oppositiongeknüpft worden sind, dürfen wir nicht außer Acht lassen,dass wir selber in Deutschland einen Beitrag leistenkönnen, um das Regime von Ahmadinedschad zu destabilisieren.Wir sollten die deutsche Wirtschaft zu jedemZeitpunkt fragen, ob ihr ausgeprägter Handel und der(C)(D)


25000 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Philipp Mißfelder(A)(B)Technologietransfer, den es an vielen Stellen noch gibt,nicht eine Sauerstoffzufuhr für das Regime vonAhmadinedschad sind. Ich glaube, dass wir das sehr ernstnehmen müssen.Dies konterkariert auch nicht das, was Obama inAmerika vertritt. Denn es ist doch so, dass unsere Kolleginnenund Kollegen im amerikanischen Kongress inden vergangenen Monaten massiv über die Ernsthaftigkeitwirtschaftlicher Sanktionen diskutiert haben unddass das in Amerika gerade mit Blick auf europäischeUnternehmen ein durchaus tagesaktuelles Thema ist.Wir dürfen in der Debatte über den Iran nicht außer Achtlassen, welche Interessen sich letztendlich für unseredeutsche Außenpolitik mit dem Iran verknüpfen und obdas, was wir vom Iran einfordern und was wir tun, tatsächlichzum Handeln der deutschen Wirtschaft passt.Ich wollte diese Gelegenheit nutzen, zumindest aufdiese Schwachstelle unserer Außenpolitik hinzuweisen.Vielen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Das Wort hat jetzt der Kollege Johannes Jung von derSPD-Fraktion.Johannes Jung (Karlsruhe) (SPD):Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!Wir haben uns bei der Bewertung von Wahlen mittlerweileden OSZE-Jargon angewöhnt: Free and fairoder eben nicht free and fair. Die alarmierenden Berichteüber Manipulationen und Fälschungen bei der Wahl imIran häufen sich, und die Vorwürfe erhärten sich.Ahmadinedschad lag – das wissen wir nicht genau,aber es lässt sich aufgrund der Informationen, die unsvorliegen, doch ein Stück weit berechnen – in der erstenRunde dieser Wahl möglicherweise vorne, aber ganz sicherlag er nicht bei über 50 Prozent. Alles Weitere wäredann offen gewesen. Das ist aber zum Teil Spekulation.Die Manipulationen und die Proteste gegen diese Manipulationensind ein dramatischer Anlass, um hier undheute über Iran jenseits der Nutzung von Nuklearenergiezu debattieren. Iran ist ein gespaltenes Land: modernund archaisch, weltgewandt und abgeschottet, vom Westenfasziniert und vom Westen unter Druck gesetzt. Vorallem ist der Iran aber eine Theokratie, die massiveTechnologieprobleme hat. Diese Probleme sind dadurcheingetreten, dass der Bereich der Außenwirtschaftspolitikeben nicht so ist, wie mein Vorredner das in seinerSchlusssentenz, mit der er sich Herrn Dr. Paech wiederein wenig angenähert hat, beschrieben hat. Das führtevor allem dazu, dass der Rohölexporteur Iran heutzutageBenzin importieren muss und die Regierung keine Möglichkeitmehr hat, die Lebensbedingungen der eigenenBevölkerung zu verbessern.Die Auftritte von Ahmadinedschad in der Windjackeder kleinen Leute verfangen nicht mehr, weil diese Imitationdurchschaut wurde. Auch die Wahlgeschenke seinerRegierung verfangen nicht mehr. Der Crashkurs inder Innen-, der Wirtschafts- und der Außenpolitik zeigtWirkung gegen den bisherigen Präsidenten. Allerdingsist unsere Wahrnehmung vermittels der Diaspora, derExilanten und der Oppositionellen über die Lage im Iranhäufig einseitig, und unsere Prognosen sind oft Wunschdenkenin Richtung eines Systemwechsels.Hinter den Fassaden lauert ein kompliziertes Herrschaftssystem,das ausschließlich vom Regime lizenzierteKandidaten zu dieser Wahl zugelassen hat – dazugehört auch Mussawi –, die verschiedene Fraktionen desGottesstaates repräsentieren und allenfalls zu Veränderungeninnerhalb dieses Systems bereit sind, was allerdingsschon große Fortschritte bedeuten könnte. Dasmüssen wir bedenken, wenn wir über die möglichen Siegerund Verlierer dieser sogenannten Wahl sprechen.Wir alle verfolgen mit großer Spannung die aktuellenMeldungen aus Iran. In diesen Tagen wird sich zeigen,ob der Druck der Bürgerinnen und Bürger groß genugwird, um die Theokraten zu weiteren Zugeständnissenzu zwingen, um sie wenigstens dazu zu zwingen, imSinne des eigenen Machterhalts pragmatisch zu reagieren,das heißt eine Überprüfung dieser Wahl und eventuellmehr Freiheit und Menschenrechte zuzulassen.Unsere Sympathie und unsere Solidarität sind auf derSeite derjenigen, die nun die Macht der Machthaber undderen Legitimation mutig infrage stellen und dazu ihreneigenen Kopf im eigenen Land hinhalten.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)Unsere Aufgabe muss es sein, den Schutz der Menschenrechteauch in dieser teils eskalierenden Lage einzufordern.Im Iran sind Menschenrechte, Freiheitsrechte,Versammlungsfreiheit sowie Pressefreiheit permanentund nicht erst seit diesem Wahltag gefährdet. Die schonerwähnten Steinigungen und das öffentliche Hängensind der hässlichste Ausdruck dieser Zwangslage.Zur Lage der Minderheiten im Iran haben wir vor kurzemeine Anhörung im Menschenrechtsausschuss durchgeführt.Die Lage der Minderheiten wird nicht besser,wenn die politische Lage der Mehrheiten so ist, wie siesich in diesen Tagen offenbart. Deshalb fordern wir diesofortige Freilassung der Inhaftierten, die Untersuchungder Todesfälle bei den Protesten und die Überprüfungdieser Wahl. Freie Berichterstattung muss zugelassenwerden. Das ist aus meiner Sicht fast die dringendsteForderung an diesem Tag. Bei Totalmanipulation müsstenwir eigentlich Neuwahlen fordern.Ein Regime, das sich bedroht sieht, wählt oft die Eskalationnach innen und nach außen. Das Regime willmit allen Mitteln Informationen und Opposition unterdrücken.Eine klare Strategie der Repression tritt hier zutage,die Iran möglicherweise in noch mehr Brutalität, innoch tiefere innere Gegensätze und in weitere Isolationführen wird. Entscheidend aber ist: Der Staat, nicht dieGesellschaft ist isoliert, und zwar auch dank modernerTechnologie, die sich eben doch nicht einfach abschaltenlässt. In meinem Büro und wahrscheinlich auch in IhrenBüros besteht auch am heutigen Tag ein Kontakt in die-(C)(D)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 25001Johannes Jung (Karlsruhe)(A)(B)ses Land. Das ist die realistische Hoffnung für Iran. Hiermüssen wir politisch weiterarbeiten.Meine Damen und Herren, lassen Sie uns klug undbestimmt dazu beitragen, dass wir in zehn Jahren denJahrestag einer Wende zum Besseren und nicht den Gedenktageiner blutig niedergeschlagenen Bürgerbewegungin Iran begehen werden.Vielen Dank.(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDPund dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Das Wort hat jetzt der Kollege Holger Haibach vonder CDU/CSU-Fraktion.Holger Haibach (CDU/CSU):Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Where is myvote?“ – Wo ist meine Stimme? –, das ist der Ruf der Demonstranten,der seit Tagen durch die Straßen von Teheran,Isfahan und anderen Städten im Iran schallt. In dieserAktuellen Stunde haben wir eine Aufgabe zuerfüllen: Wir müssen dazu beitragen, dass die Stimmederjenigen, die im Iran auf die Straße gehen und unterwidrigsten Umständen für ihre Rechte eintreten, gehörtwird und zählt. Mit einer Ausnahme habe ich alle Rednerüber die Parteigrenzen hinweg so verstanden, dass esdarum geht, diejenigen, die im Iran ihre Stimme erheben,zu unterstützen.Herr Kollege Paech, es ist schwierig, Ihren Argumentenzu folgen. Unabhängig davon, wie die Umfrageergebnisseam Tag vor der Wahl ausgesehen haben mögen,finde ich, dass es ein logisches und ein demokratietheoretischesArgument gibt, das gegen Ihre Argumentationspricht.Das erste Argument lautet: Wenn AhmadinedschadsVorsprung sehr groß war, warum sollte es dann notwendiggewesen sein, das Wahlergebnis zu fälschen? Esmacht relativ wenig Sinn, ein Wahlergebnis zu fälschen,wenn man weiß, dass man ohnehin eine große Mehrheiterzielt.Das zweite Argument ist für mich noch viel wichtiger.Wenn es um die Frage geht, ob Herr Ahmadinedschadoder Herr Mussawi die Wahl gewinnen soll, habe auchich eine Präferenz. Vielleicht gilt das auch für vieleMenschen im Iran. Es kommt aber auf eines an: Unabhängigdavon, wie groß der Vorsprung eines Kandidatenin einer Umfrage ist, darf dies niemals der Grund sein,einen Wahlgang zu manipulieren nach dem Motto: DieWahl hätte ohnehin dieses Ergebnis gehabt.Ich erlebe immer wieder, dass dieses Argument vorgetragenwird. Ich finde es fatal, dass wir uns daran gewöhnthaben, zu sagen: Es mag sein, dass die Wahl manipuliertworden ist. Am Ergebnis ändert das aber nichts.Diese Einstellung dürfen wir uns nicht zu eigen machen.Kollege Hoyer hat völlig recht: Manchmal schätzen wirden Wert der einzelnen Stimme in der Demokratie zuwenig.(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowiebei Abgeordneten der SPD und des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNEN)Es ist bemerkenswert, dass die Demonstrationen, diegegenwärtig stattfinden, eine lange Geschichte haben;darauf hat der Kollege Paech zu Recht hingewiesen. Vorziemlich genau zehn Jahren fanden schon einmal großeDemonstrationen im Iran statt. Damals wie heute nahmendaran sehr viele junge Leute teil, insbesondere Studenten.Die Studenten gehören heute übrigens zu der Bevölkerungsgruppe,die am meisten unter der Situation zuleiden hat. An den Universitäten sind sie großen Repressionenausgesetzt, und sie müssen mehr als andere Verfolgungfürchten.Die intellektuelle Elite des Landes war damals und istheute die treibende Kraft bei der Auseinandersetzungmit den unter dem iranischen Regime herrschenden Verhältnissen.Führt man sich die demografische Situationim Iran vor Augen, stellt man fest: Das ist nicht verwunderlich.Der Iran ist ein extrem „junges“ Land. 70 Prozentder Iraner sind jünger als 30 Jahre. Diese Iranerhaben keine direkten Erfahrungen aus den Jahren derRevolution und keine direkten Erfahrungen mit den Auswirkungendes Schah-Regimes gemacht. Sie kennen nurdie Realität des iranischen Gottesstaates. Diese Realitätist für die jungen Menschen, die über den Tellerrandschauen und die wollen, dass ihre Stimme gehört wird,nicht akzeptabel. Unsere Aufgabe ist es, diesen jungenMenschen eine Stimme zu verleihen. Dazu kann auchdiese Aktuelle Stunde am heutigen Nachmittag einenBeitrag leisten.(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, derSPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN)Ich habe gerade versucht, deutlich zu machen: Es gehtnicht nur um die Frage, wie die Präsidentschaftswahl imIran letztlich ausgeht – natürlich ist das wichtig; auch ichhabe, wie gesagt, eine Präferenz –, sondern es geht auchund vor allem darum, dass sich herausstellt, dass dieseWahl frei und fair durchgeführt und jede Stimme gezähltwurde.Auch wenn an der Haltung des amerikanischen PräsidentenKritik geübt worden ist, muss ich sagen: Ich findesein Vorgehen klug. Er hat deutlich gemacht, dass seinAngebot der ausgestreckten Hand unabhängig vom Wahlausganggilt. Hätte der amerikanische Präsident dem HerausfordererMussawi das Mäntelchen „BevorzugterKandidat des Westens“ umgehängt, hätte dies Ahmadinedschad,dem Wächterrat und all denen, die auf Beibehaltungdes Systems beharren, die Möglichkeit eröffnet, diesenKampf auf einen Platz zu tragen, auf den er nichtgehört. Dann hätten sie argumentieren können, dass derIran gegen den bösen Westen kämpft, anstatt eine Auseinandersetzungmit ihren Kritikern innerhalb des eigenenSystems führen zu müssen.Ich finde, das ist genau die richtige Haltung. Wir sollten– bei aller Klarheit, die wir im Hinblick auf diejenigen,die dort unter widrigen Umständen für Demokratieund Menschenrechte eintreten, haben müssen – eine(C)(D)


25002 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Holger Haibach(A)kluge Haltung einnehmen. Ich halte diese Haltung fürklug.das Regime dazu zwingen können, zum Fälscher zuwerden.(C)(B)Mir macht große Hoffnung, dass es den jungen Menschenoffensichtlich gelungen ist, Medien zu finden, diesich nicht staatlich kontrollieren lassen. Eine deutscheZeitung hat es sehr schön ausgedrückt mit: „Der Irantwittert plötzlich Morgenluft.“ Hoffen wir und helfen wirmit, dass möglichst oft und möglichst viel Morgenluftweht!Danke sehr.(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDPund dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Das Wort hat der Kollege Gert Weisskirchen von derSPD-Fraktion.Gert Weisskirchen (Wiesloch) (SPD):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mitihrem Stimmzettel wollten Millionen von Iranerinnenund Iranern das politische Leben in ihrem Lande verändern;das war ihr Ziel. Deswegen sage ich: Es darf keinzynisches Verhältnis zum Wahlakt geben, und es darfauch kein instrumentalisiertes Verhältnis zum Wahlaktgeben. Der Wahlakt ist originär und authentisch. Genaudas zeigt sich jetzt im Iran. Die Menschen – diejenigen,die auf die Straße gehen – haben gewusst, geahnt, gefürchtet,dass Ahmadinedschad gewinnt. Aber sie wollendamit ihren Willen, einen anderen Weg zu gehen, zumAusdruck bringen. Das ist, glaube ich, die Qualitätdessen, was wir jetzt auf den Straßen von Teheran, vonIsfahan und allen anderen großen Städten im Iran sehen.Wie auch immer das Regime die Stimmen gewertethat – ob es sie tatsächlich gezählt hat oder ob es, waswahrscheinlich ist, das Ergebnis gefälscht hat –, wieauch immer sich das Regime mit Gewalt gegen diesenfriedlichen Aufstand wehrt: Der Wille, Veränderungenherbeizuführen, ist nicht gebrochen, und er wird auchnicht gebrochen werden.Die Kinder der Revolution – darauf wurde eben zuRecht hingewiesen – sind Nachfahren der Revolutionärevon 1979. Sie lehnen sich auf gegen die Verachtung, dieihnen von oben entgegenschlägt. Das ist das, wasAhmadinedschad repräsentiert: Er verachtet die Menschen.Das ist genau der Grund, warum sie sich auflehnen.Was sich hier Bahn bricht, ist die Selbstachtung derMenschen. Die Menschen wehren sich gegen diesenVersuch, die Stimme des Einzelnen zu missachten.Ich finde, was jetzt auf den Straßen in Iran geschieht,hat eine große demokratische Qualität. Der große iranischeFilmregisseur Mohsen Makhmalbaf hat das in derSüddeutschen Zeitung von gestern so bewertet:Das ist jetzt offenbar geworden. Das ist ein Prozess, dernicht mehr gestoppt werden kann, selbst wenn das mitGewalt versucht werden wird. Weil dieser Wahlakt bewusstvollzogen wurde, lassen sich die Menschen nichtmehr einschüchtern.Es gab einen Schlüsselpunkt in der Fernsehdebatte zwischenAhmadinedschad und Mussawi. Ahmadinedschadhat ein Foto von Mussawis Frau in die Kamera gehaltenund gesagt: Diese Frau hat Diplome gefälscht, hat ihreDiplome nicht rechtmäßig an den Hochschulen erworben.Da ist dieser eher zurückhaltende Mussawi geradezuauseinandergebrochen. In einer gefühlsbetontenAuflehnung hat er sich vor seine Frau gestellt und gesagt:„Ahmadinedschad, Sie sind ein Lügner!“ Das habendie Menschen beobachtet, und sie haben es aufgenommen.Genau an diesem Punkt ist deutlich geworden,dass sich die Menschen im Iran von einem solchen Politiker,der jetzt wieder Präsident hat werden wollen, nichtlänger belügen lassen wollen. Diesen Lügen wird nichtmehr geglaubt. Das wird in diesem Wahlakt und in derAuflehnung gegenüber der Verachtung deutlich.Ich finde, hier findet ein atemberaubender Prozessstatt. Deswegen sagen wir hier im Deutschen Bundestag:Wir wollen, dass die Menschen nicht verachtet werden,wenn sie ihre eigene Stimme abgeben wollen, um mit ihrdeutlich zu machen, dass der Iran und sie selber einenanderen Weg gehen wollen als diese Gruppe von Menschen,die sie verachtet. Ich glaube, das ist die großeQualität bei diesem Wahlakt.(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowiebei Abgeordneten der FDP)Vielleicht darf ich das an diesem Punkt zum Schlussauch noch sagen: „Persiankiwi“ – Sie haben ihn eben indirektzitiert – ist jemand, der wahrscheinlich in Teheranist und die Menschen durch „Zwitschern“ – also mit diesemneuen, modernsten Medium – informiert. Durchdieses „Zwitschern“ mithilfe des modernsten Mediumswerden die Menschen direkt miteinander verbunden.Keine Staatsmacht kann sich mehr dagegen wehren. Dasgeschieht jetzt im Iran.Die Menschen im Iran haben jetzt einen ersten Schrittbei dem Versuch unternommen, den Aufbau ihrer eigenenmodernen Demokratie zu realisieren. Das ist auchdas, was wir uns wünschen. Dieser Versuch soll gelingen.Hoffnung soll die Chance im Iran werden. Es darfnicht zu Verzweiflung, Angst und dem „Ende der Hoffnung“,wie Kornelius gestern in der Süddeutschen Zeitunggeschrieben hat, kommen. Vielmehr ist das der Anfangeines neuen Prozesses, der zu einem anderen Iranführen wird.(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und derFDP)(D)Die Menschen haben verstanden, dass sie mit einerStimme– mit ihrer Stimme –Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Das Wort hat die Kollegin Ute Granold von der CDU/CSU-Fraktion.


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 25003(A)Ute Granold (CDU/CSU):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Wir führen heute die Aktuelle Stunde zur Situation desIran nach der Wahl durch. Ich bin dankbar dafür, weilwir damit auch einmal in das andere Gesicht des Iranschauen sollten.Wie sieht die Situation der Menschen in diesem Landaus, seit der Präsident an der Macht ist? Vor vier Jahrenkam er an die Macht, und bereits nach einem Jahr endetedie Kommunalwahl mit einem schlechten Ergebnis fürihn. Das war ein Zeichen dafür, dass die Menschen mitseiner Politik nicht zufrieden sind. Das hat sich jetzt fortgesetzt.fort. Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit,all das ist stark eingeschränkt. Diestaatlichen Organe des Iran organisieren gezielt die Verfolgungvon Aktivisten, Frauenrechtlerinnen und Menschenrechtsverteidigernund setzen die Schikanen auchgegenüber allen Oppositionellen ein, die sich in der Zivilgesellschaftgegen die Regierung auflehnen. Selbstdie Friedensnobelpreisträgerin Ebadi wurde festgenommen.Andere wurden – viele sogar ohne Haftbefehl –festgenommen und ohne Verfahren jahrelang inhaftiert.Es wurden unfaire Gerichtsverfahren durchgeführt, Reiseverboteverhängt und Folter und andere Misshandlungenbegangen. Todesstrafen waren an der Tagesordnung.Ich habe das bereits angesprochen.(C)(B)Es geht schon längst nicht mehr um das Ergebnis derWahl, sondern es geht darum, dass sich die Menschengegen die atomare Großmannssucht, gegen den Vernichtungskampfgegen Israel, gegen die Drohgebärdengegenüber Washington und dagegen auflehnen, dassMenschenrechte und Bürgerrechte mit Füßen getretenwerden.Wenn man in die iranische Verfassung hineinschaut– darin stehen Freiheitsrechte und Bürgerrechte –, dannkönnte man auf den ersten Blick meinen, dass dies einStaat ist, mit dem man durchaus in Kontakt bleiben undleben kann. Alles steht aber unter dem Licht des Menschenrechtsverständnissesgemäß den islamischen Prinzipien.Was heißt das? Alle Gesetze, auch die Verfassung,müssen im Einklang mit diesen islamischen Prinzipienstehen. Das heißt im Konkreten, dass nach iranischerRechtsauffassung die Verhängung und Vollstreckungvon Körperstrafen, das heißt Peitschenhieben und Amputationen,und die Todesstrafe, zum Beispiel durchSteinigung – das wurde vorhin schon einmal angesprochen–, auch gegen zur Tatzeit Minderjährige, rechtmäßigist und dass die unterschiedliche Behandlung vonMännern und Frauen im Prozess, im Familienrecht undim Erbrecht nicht als ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatzangesehen wird.Wir als Menschenrechtspolitiker – es sind ja eineReihe von Kollegen heute hier; unser Ausschuss tagt gerade,aber es ist uns als Menschenrechtspolitiker wichtig,hier zum Iran zu sprechen – thematisieren und kritisierendie Situation im Iran seit vielen Jahren. Vor kurzem habenwir im Menschenrechtsausschuss eine Anhörung zurSituation der Minderheiten im Iran durchgeführt. Das,was wir gehört haben, war erschreckend. Die Bahai wurdenangesprochen. 300 000 Menschen im Iran leben alsnicht anerkannte Religionsgruppe. Sie werden verfolgt.Es finden Übergriffe auf Kinder und Jugendliche in denSchulen statt; sie erhalten keinen Zugang zu den Universitäten.Es gibt jetzt einen Entwurf für ein neues Strafgesetzbuch,in dem der Abfall vom Islam unter Todesstrafegestellt wird. Es gibt Verhaftungen. Eine ganze Reihevon Repräsentanten der Bahai sitzt in iranischen Gefängnissen.Im vergangenen Jahr sind 346 Menschen umgebrachtworden. Sie wurden zum Teil öffentlich hingerichtet.Darunter waren auch Jugendliche. Zwei Männer starbendurch Steinigung. Die Lage der Menschenrechte im Iranist katastrophal. Das muss thematisiert werden. Deshalbist es wichtig, auch heute darüber zu sprechen. Es gehtnicht nur um die Wahl, sondern um die permanente Verletzungvon Menschenrechten im Iran über viele Jahrehinweg gegen alles, was sich gegen die Regierung auflehnt.Zuletzt hat die Wahl Klarheit geschaffen, dass dieMenschen eine Veränderung wollen. Es wurde vielfachangesprochen. Ich kann es nur bestätigen. Dieses diktatorischeSystem kann von uns nicht weiter so hingenommenwerden, wie es in der Vergangenheit zum Teil derFall war. Die Einhaltung der Menschen- und Bürgerrechteund die Gewährung von Freiheit sind fundamentaleEckpfeiler einer zivilisierten Gesellschaft. Davon istder Iran weit entfernt.Wir haben heute die Gedenkstunde zur Erinnerung anden 17. Juni 1953 begangen. Auch damals haben dieMenschen für die Grundwerte gekämpft. Heute ist mitBlick auf den Iran Solidarität gefragt. Wir müssen Solidaritätzeigen und mit der iranischen Führung sprechen.Das ist richtig. Aber wenn die iranische Führung Gesprächeablehnt und Veranstaltungen absagt, dann ist einDialog schwierig.Wir sind dankbar für die heutige Debatte und wünschenuns, dass wir selbstverständlich auch in Zukunftunser Augenmerk auf die Wirtschaft und den Aufbau desLandes richten. Wir müssen aber auch die Menschenrechte,Bürgerrechte und Freiheitsrechte als Fundamentimmer im Blick behalten, thematisieren und, wenn nötig,Kritik üben. Wir müssen zeigen, dass wir Wächter sindund damit auch vom Ausland aus den Menschen Beistandleisten, die es zum Teil nicht aus eigener Kraftkönnen.Vielen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und demBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)(D)Der Bericht von Amnesty International für das Jahr2008 wurde angesprochen. In 2009 setzt sich das nahtlosVizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Die Aktuelle Stunde ist damit beendet.


25004 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms(A)(B)Ich rufe den Zusatzpunkt 2 auf:Beratung des Antrags der BundesregierungBeteiligung deutscher Streitkräfte am Einsatzvon NATO-AWACS im Rahmen der InternationalenSicherheitsunterstützungstruppe inAfghanistan (International Security AssistanceForce, ISAF) unter Führung der NATOauf Grundlage der Resolutionen 1386 (2001)und folgender Resolutionen, zuletzt Resolution1833 (2008) des Sicherheitsrates der VereintenNationen– Drucksache 16/13377 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss (f)RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungHaushaltsausschuss gemäß § 96 GONach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. Gibt esWiderspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das sobeschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Rednerdem Staatsminister im Auswärtigen Amt, GernotErler, das Wort.Dr. h. c. Gernot Erler, Staatsminister im AuswärtigenAmt:Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DieNATO hat letzten Freitag beschlossen, zur Unterstützungvon ISAF ihr luftgestütztes Frühwarnsystem AWACSüber Afghanistan einzusetzen. Die Bundesregierung begrüßt,dass nach langwierigen und schwierigen Verhandlungenangesichts des klaren Bedarfs an verbesserterLuftraumüberwachung über Afghanistan ein Beschlussgefasst werden konnte.Die derzeit in Afghanistan praktizierte Luftraumüberwachungist längst hinter dem ständig wachsenden zivilenwie militärischen Flugaufkommen zurückgeblieben.Diese Entwicklung wird anhalten. Prognosen der NATOsehen in naher Zukunft ein weiteres starkes Wachstumum das Drei- bis Fünffache voraus.Demgegenüber ist die afghanische Regierung auf absehbareZeit nicht in der Lage, eine funktionsfähigeFlugsicherung aufzubauen. Die AWACS-Flugzeuge sinddas beste Mittel, um kurzfristig Abhilfe zu schaffen. Siewerden im Rahmen von ISAF ausschließlich im afghanischenLuftraum eingesetzt. Sie sollen den gesamtenLuftverkehr über Afghanistan sicherer machen. Sie sollenauch die militärische Operationsführung von ISAFunterstützen. Denn auch die Zahl der militärischen Flugbewegungenwird in den nächsten Monaten weiter anwachsen.Das ist angesichts des Aufwuchses von ISAF-Kräften im laufenden Jahr insbesondere infolge der Absicherungder Präsidentschaftswahlen sowie angesichtszusätzlicher angekündigter US-Truppen absehbar.Eine verbesserte Luftraumkoordinierung dient auchdem Schutz deutscher Soldaten, sowohl der Piloten undBesatzungen unserer Flugzeuge als auch der Soldatenam Boden, die in Notsituationen auf Unterstützung ausder Luft angewiesen sind.Der AWACS-Einsatz kommt durch die Verbesserungder Flugsicherheit aber auch dem Schutz der afghanischenBevölkerung und der zivilen Helfer zugute.Ich möchte bei dieser Gelegenheit einige Punkte festhalten,die vielleicht helfen können, bestimmte Diskussionenzu vermeiden, die einer sachlichen Grundlageentbehren. Zunächst werden NATO-AWACS allein imRahmen von ISAF eingesetzt. Sie haben ausdrücklichnicht die Aufgabe, geplante OEF-Luftoperationen zu koordinierenoder zu führen. Natürlich erfassen sie in ihrerFunktion als sogenannte fliegende Tower neben dem zivilenauch den gesamten militärischen Flugverkehr überAfghanistan, also auch den der OEF. Dies geschieht allerdingsmit dem Ziel der Entflechtung. Das macht auchSinn; denn alles andere würde dem Ziel einer verbessertenund sichereren Luftraumkoordinierung zuwiderlaufen.Wie bisher bleibt dabei die wechselseitige Nothilfezwischen Einheiten der beiden Operationen zulässig undist gerade im Ernstfall für den Schutz der eingesetztenSoldaten unverzichtbar.(Beifall des Abg. Manfred Grund [CDU/CSU])Ich möchte außerdem feststellen: NATO-AWACS habenweder eine Bodenaufklärungs- noch eine Feuerleitfunktion.Sie können lediglich navigatorische Unterstützungleisten. Die Entsendung der AWACS stellt imÜbrigen keine dauerhafte Lösung dar. Mittel- und langfristiggilt für die Luftraumüberwachung das Gleichewie für alle anderen Bereiche des Wiederaufbaus inAfghanistan: Ziel des Engagements der internationalenGemeinschaft ist es, die afghanische Regierung in dieLage zu versetzen, selbstständig und dauerhaft für Stabilitätund Entwicklung im eigenen Land zu sorgen. DiesesPrinzip der Selbstverantwortung soll in Zukunft auchfür die Luftsicherheit gelten. Dafür braucht Afghanistanvorläufig aber noch Hilfe von außen. Deshalb engagiertsich die Bundesregierung beim Aufbau der notwendigenStrukturen.Vor einigen Wochen wurde mit dem Neubau desFlughafens von Masar-i-Scharif begonnen, den wir zusammenmit den Vereinigten Arabischen Emiratendurchführen. Gemeinsam mit den Niederlanden wirdsich Deutschland außerdem am Ausbau des zivilen Teilsdes Flugfelds in Tarin Kowt in der Provinz Uruzgan beteiligen.Neben diesen Infrastrukturmaßnahmen investierenwir auch in die Aus- und Weiterbildung vonSicherheitspersonal, Fluglotsen, Technikern und Managementpersonal.Erst vor wenigen Tagen konnten wirhierfür Singapur als Kooperationspartner gewinnen.Auch die US-Regierung plant, ihre Unterstützung fürden Aufbau einer zivilen Flugsicherung auszubauen.Unsere gemeinsamen Anstrengungen werden dazuführen, dass wir die Verantwortung auch im Luftsicherungsbereichschrittweise an die Afghanen übertragen(C)(D)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 25005Staatsminister Dr. h. c. Gernot Erler(A)(B)können. Bis dahin werden die AWACS jedoch dringendbenötigt. Deswegen bittet die Bundesregierung Sie herzlichum Ihre Zustimmung.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Rainer Stinner vonder FDP-Fraktion.Dr. Rainer Stinner (FDP):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! DerDeutsche Bundestag schickt seit einigen Jahren deutscheSoldaten nach Afghanistan. Diese Soldaten sind täglichin Kämpfe verwickelt, diese Soldaten werden verwundet,und einige dieser Soldaten lassen ihr Leben inAfghanistan. Das ist die Realität im Juni 2009. Angesichtsdieser Realität haben wir alle meines Erachtenseine große Verantwortung. Wir müssen alles, aber auchalles dafür tun und alle Mittel dafür einsetzen, um unsereSoldaten bei dieser Aufgabe zu unterstützen und sie zuschützen. Wenn AWACS dazu einen Beitrag leistenkann, dann ist das ein sinnvoller Einsatz dieses Systems.(Beifall bei der FDP)So weit, so gut, liebe Kolleginnen und Kollegen. Nunreden wir aber schon ein bisschen länger über diesenAWACS-Einsatz, genauer gesagt seit über einem Jahr.Schon vor über einem Jahr hat die Bundesregierung unsin sehr plastischen und drastischen Farben geschildert,wie wichtig, dringend und notwendig es ist, in diesemLand unmittelbar AWACS zur Luftraumkontrolle undLuftraumsteuerung einzusetzen. Das mag ja alles richtigsein. Aber, liebe Damen und Herren von der Bundesregierung:Wenn das vor einem Jahr so dringend und wichtigwar und der Luftverkehr sogar zusammenzubrechendrohte, dann ist nicht zu verstehen, dass zwölf Monateins Land gehen mussten. Begründet wurde das damit,dass die Franzosen angeblich nicht bereit waren, einenBeitrag von 2 oder 3 Euro zu leisten. Wenn es so dringendund wichtig gewesen wäre, hätte man auch dann etwastun müssen; denn niemand hätte verantworten können,dass ein Flieger vom Himmel fällt, nur weil sich dieFranzosen nicht an der Finanzierung beteiligen. Hiergibt es noch immer eine Grauzone in der Argumentation,die es auszuräumen gilt.(Beifall bei der FDP)Durch den Text des Mandates sind wir nun klüger.Aus dem Mandat geht eindeutig hervor, dass der Einsatzvon AWACS unsere Fähigkeiten, die ISAF-Operation zuführen, verbessert. Das heißt, es handelt sich um einenoperativen Einsatz im Rahmen des ISAF-Mandates. Ichpersönlich finde das gut. Die Bundesregierung hat aberin den vergangenen Monaten den Eindruck erweckt, alsginge es hierbei primär und fast ausschließlich darum,den zivilen Luftverkehr besser zu steuern und zu kontrollieren,das heißt, eine Airsupport-Controlling-Funktionauszuüben. Im Mittelpunkt stand jedoch bishernicht, dass tatsächlich wertvolle Unterstützung im Rahmender ISAF-Operation geleistet werden soll. Das istnun in dem Mandat so beschrieben. Das ist richtig, unddas ist gut so. Das unterstützen wir. Daran gibt es keineKritik. Nachdem wir aber, meine sehr verehrten Damenund Herren von der Regierung, in den letzten Monatenschlechte Erfahrungen mit der Interpretation und Auslegungder „Atalanta“-Mandate gemacht haben, möchteich Sie deutlich fragen: In dem Mandat ist der Auftrageindeutig beschrieben, aber mit mehreren Spiegelstrichen;es gibt fünf oder sechs. Bei „Atalanta“ nutzenSie die Reihenfolge der Aufgabenbeschreibung, um Prioritätenzu setzen. Wenn wir Ihrem Antrag zustimmensollen, müssen Sie uns folgende Frage beantworten: Gibtes bei den Aufgaben eine Reihenfolge bzw. Prioritäten,oder sind Sie bereit, willens und fähig, alle Aufgabengleichrangig wahrzunehmen? Das wäre eine wichtigeAuskunft für uns. Nicht, dass wir eines Tages wieder erfahren,Sie konzentrierten sich nur auf die ersten beidenAufgaben, wie Sie es bei „Atalanta“ tun. Wir erwarten,dass Sie das Mandat vollumfänglich ausüben.(Beifall bei der FDP)Wir hören – der Herr Staatsminister hat das eben kurzangedeutet –, dass es offensichtlich in der Koalition nachwie vor eine Diskussion darüber gibt, ob eventuell Informationenvon AWACS an das „böse“ OEF-Mandat weitergegebenwerden können. – Ich weiß, dass Sie, HerrStaatsminister, das nicht gesagt haben. Aber offensichtlichgibt es Diskussions- und Klärungsbedarf. Sonst hättenSie das nicht angedeutet. Ich sage Ihnen ganz deutlich:Im Juni 2009 ist diese Diskussion nur nochlächerlich. Selbst der UNO-Sicherheitsrat fordert eineenge Kooperation beider Einsätze. Für OEF und ISAFgelten die gleichen Rules of Engagement, also dieselbenEinsatzregeln. Ich erwarte, dass alle Informationen, diedas AWACS-System liefern kann, zum Schutz aller Partnerund Soldaten in Afghanistan eingesetzt werden können.(Beifall bei der FDP)Wir alle wissen: AWACS kann sehr weit blicken,auch über das Land Afghanistan hinaus, zum Beispiel inden Iran und nach Pakistan. Da wir auf beide Länderdringend angewiesen sind, wenn es darum geht, die Stabilisierungder Region voranzutreiben, schlage ich derBundesregierung vor – vielleicht hat sie es schon gemacht–, im Vorhinein diese beiden Länder über denSinn und den Umfang der AWACS-Mission offensiv zuinformieren, um sie einzubinden, sie an Bord zu haltenund deutlich zu machen, dass wir nichts tun, was eventuellihren Interessen zuwiderläuft.Die Regierung hat bisher die Luftkontrollfunktion inden Vordergrund ihrer Argumentation gestellt. Das Mandatklärt hier auf; das begrüße ich. Der Herr Staatsministerhat über Bemühungen gesprochen, zivile Kontrollfunktionenin Afghanistan aufzubauen. Das reicht unsaber nicht aus. Denn natürlich wollen wir auch gernewissen: Wie lange müssen wir mit unseren Kapazitätendie Luftkontrollfunktion in Afghanistan aufrechterhalten?Das heißt, ich hätte von der Bundesregierung gerneetwas konkreter gewusst, in welchem Zeitraum wir diedringend notwendige Luftkontrollfunktion in Afghanis-(C)(D)


25006 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Dr. Rainer Stinner(A)tan aufgebaut haben werden. Hierzu erwarten wir nochmehr Informationen von der Bundesregierung.Schutz. Deshalb bitte ich Sie um Zustimmung zu diesemMandat.(C)(B)Wir, die FDP-Fraktion, erkennen die Sinnhaftigkeitdieses AWACS-Einsatzes. Wir erwarten von der Bundesregierung,dass sie dieses Mandat offensiv und ehrlichvertritt und ausübt. Wir erwarten zudem die Beantwortungunserer offenen Fragen. Dann können Sie mitunserer Zustimmung in der nächsten Woche rechnen.Vielen Dank.(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender SPD)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Für die Bundesregierung spricht jetzt der BundesministerDr. Franz Josef Jung.Dr. Franz Josef Jung, Bundesminister der Verteidigung:Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben amFreitag im NATO-Rat die Entscheidung getroffen, dasswir uns mit NATO-AWACS-Maschinen in Afghanistanengagieren. Lieber Kollege Stinner, ich will Ihnen gleicheine Antwort auf Ihre Frage geben. Im NATO-Rat giltdas Konsensprinzip. Sie wissen, dass dieser Konsensüber eine längere Zeit leider nicht hergestellt werdenkonnte. Ich bin dankbar dafür, dass die VorbehalteFrankreichs hinsichtlich der Finanzierung jetzt ausgeräumtwerden konnten. Daran hat dankenswerterweiseauch unsere Bundeskanzlerin mitgewirkt. Ich will Ihnenklar und deutlich sagen, dass wir uns darauf verständigthaben, die Zusatzausgaben für den Einsatz in Afghanistaninnerhalb der Gemeinschaft aufzuteilen. Wir teilenden Betrag nach dem Schlüssel auf, der für unsere Beitragszahlungenfür die NATO gilt. So zahlen wir beispielsweiserund 16 Prozent und die Franzosen rund11 Prozent. Das ist die Grundlage. Deshalb haben wirdie Möglichkeit gehabt, diese Entscheidung am Freitagzu treffen.Ich halte es für richtig und gut, dass wir diese Entscheidungjetzt endlich getroffen haben, weil der Luftverkehrin Afghanistan tagtäglich zunimmt. Sie konntenheute in der Zeitung lesen, dass im Rahmen des zivilenLuftverkehrs eine direkte Flugverbindung von Kabulnach Frankfurt eingerichtet worden ist. Wir haben aberein unmittelbares Interesse an dem Einsatz auch im Hinblickauf unsere Soldatinnen und Soldaten; denn51 Prozent der Flüge für den Transport von Material undPersonal in Afghanistan, und zwar in Gesamt-Afghanistan,führen wir durch. Die Luftaufklärung für Gesamt-Afghanistan wird durch unsere Tornados geleistet. Siewissen, dass unsere amerikanischen Freunde sehr deutlichsignalisiert haben, sich weiter zu engagieren, wasweitere Lufttransporte nach sich zieht, sodass wir eineminentes Interesse daran haben, wegen der noch nichtvorhandenen Sicherheitsstrukturen in Afghanistan dieFlugsicherung durch NATO-AWACS-Maschinen zu gewährleisten.Eine Flugsicherung ist auch im Interesseunserer Soldatinnen und Soldaten und dient ihremIch möchte einen zweiten Aspekt vortragen. Die vierAWACS-Maschinen sollen zunächst – auch das gehörtzum Mandat – in Konya in der Türkei stationiert werden.Wir haben aber das Ziel, sie näher an Afghanistan heranzubringen.Das heißt, es finden Verhandlungen mit Staatender Golfregion statt, um die Flugzeuge in Zukunftdort stationieren zu können. Im Übrigen, Herr KollegeStinner, werden selbstverständlich die Aufgaben wahrgenommen,die im Mandat beschrieben worden sind. Ichwill nicht ablenken, aber das hat mit der Operation „Atalanta“nichts zu tun; denn das ist ein europäischer Auftrag.Die Verantwortlichkeiten werden klar und deutlich,wie beschrieben, im Rahmen der NATO wahrgenommen.Dritter Punkt: Es wird ein Luftlagebild erstellt, dieLuftverkehrsbewegungen werden entflochten, und derzivile und der militärische Flugverkehr werden koordiniert.Weiterhin wichtig sind die Koordination der Luftbetankung,die Relaisfunktion im Kommunikations- undDatenaustausch für alle militärischen Luftraumnutzerund die Unterstützung von Luftoperationen der ISAF. Esist richtig, dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationendiesen Beschluss im Hinblick auf die Kooperation vonISAF und OEF gefasst hat. Das ergibt sich gerade ausdem gesamten Luftverkehr und der entsprechendenFlugsicherung. Ich möchte aber hervorheben, dassAWACS-Flugzeuge nicht die Funktion und auch nichtdie Fähigkeit zur Bodenaufklärung haben. Sie habenauch keine Feuerleitfähigkeit für Luft-Boden-Einsätze.Daher gibt es schon eine Unterscheidung. Das ist auchrichtig so, wenn der entsprechende Auftrag erfüllt werdensoll.Die Heimatbasis für AWACS-Flugzeuge ist, wie Siewissen, Geilenkirchen. Der Anteil deutscher Soldaten imVerband beträgt 40 Prozent.Das Mandat sieht bis zu 300 Soldaten für diesen Auftragvor. Warum? Etwa 100 Kräfte werden im unmittelbarenEinsatz sein. Wir werden auch für Kontingentwechselusw. Vorsorge treffen müssen. Außerdembrauchen wir in den Regionen – ich habe gerade davongesprochen, dass wir eine Verlegung in die Golfregionbeabsichtigen – entsprechende Absicherungen. Notwendigsind dort eine ausreichende Logistik und Unterstützungim Bereich der Sanität. Das Mandat ermöglicht einenEinsatz von bis zu 300 Soldatinnen und Soldaten.Das schafft Flexibilität und gewährleistet die Erfüllungunseres Auftrages.Ich will hier einen weiteren Aspekt vortragen: WennSie diesem Mandat zustimmen, gilt es bis Dezember2009 und damit bis zum Ablauf des Afghanistan-Mandats.Dann können wir über das Afghanistan-Mandat grundsätzlich neu entscheiden. Auf uns kommenbis Dezember dieses Jahres einsatzbedingte Zusatzausgabenvon ungefähr 4,2 Millionen Euro zu.Ich möchte hervorheben: Mit diesen AWACS-Maschinenkönnen wir einen wesentlichen Beitrag zur Gewährleistungvon Flugsicherheit – sie ist in Afghanistan(D)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 25007Bundesminister Dr. Franz Josef Jung(A)(B)noch nicht in ausreichendem Maße vorhanden – und damitzur Sicherheit unserer Soldatinnen und Soldaten leisten.Richtig ist allerdings: Dort müssen die entsprechendenStrukturen aufgebaut werden. Ich selbst habe denSpatenstich zum Bau der Landebahn in Masar-i-Scharifdurchgeführt. Ich verweise auch auf die Entwicklung inUruzgan. Auch wenn ich Ihnen keinen definitiven Zeitpunktnennen kann, bis wann diese Strukturen aufgebautsind, denke ich, dass wir auch auf diesem Gebiet vorankommen.Eines ist allerdings klar: Unsere Soldatinnen und Soldatenleisten hier einen wichtigen Beitrag zu unsererSicherheit. Sie gewährleisten damit Stabilisierung durchden Einsatz von Leib und Leben. Gerade im Hinblickauf die Sicherheit unserer Bevölkerung ist das von entscheidenderBedeutung. Ich plädiere dafür, unseren Soldatinnenund Soldaten angesichts ihres schwierigen Einsatzesin Afghanistan dadurch zusätzlichen Schutz zugewährleisten, dass wir die Flugsicherheit durch dieNATO-AWACS-Maschinen verbessern. Das ist einwichtiger Beitrag, und deshalb bitte ich Sie um Ihre Zustimmungzu diesem Mandat.Besten Dank.(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Das Wort hat der Kollege Paul Schäfer von der FraktionDie Linke.(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. GertWinkelmeier [fraktionslos])Paul Schäfer (Köln) (DIE LINKE):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Wir sollten schon sehr genaubesprechen, worüber wir entscheiden. Ich glaube, dasMandat lässt keinen Zweifel daran: Bei der Entsendungvon AWACS geht es am allerwenigsten um die zivileFlugsicherung. Zivile Flugsicherung erfolgt gemeinhindurch Radarsysteme am Boden. Das gilt im Übrigenauch für gebirgige Länder wie die Schweiz und Österreich.Wenn man schon so lange in Afghanistan ist, hätteman dort auch mehr tun können. Die AWACS-Diskussionwird seit einem Jahr geführt. Man hätte die zivileLuftraumüberwachung folglich schon früher auf denWeg bringen können. Der Beweis ist noch nicht erbracht,dass ausgerechnet die AWACS – und nur sie –für diese Flugsicherung notwendig sind.Es gibt natürlich einen Zusammenhang: Eine starkeZunahme militärischer Luftoperationen bedeutet ein höheresRisiko für die zivile Luftfahrt. Das negiere ichüberhaupt nicht. Aber mir scheint, das ist genau desPudels Kern. Die jetzige Entscheidung der NATO,AWACS zu entsenden, ist in erster Linie ein Resultat desin den letzten drei Jahren intensivierten Krieges, dessenEnde noch lange nicht absehbar ist. Im Gegenteil: Wirerleben eine weitere Verschärfung.Der Herr Minister hat gesagt: Die AWACS erstellenein Luftlagebild; sie können als Relaisstationen gewisseKoordinierungen übernehmen. Die besondere Qualitätbesteht aber darin, dass sie Kampfflugzeuge in ihre Einsatzgebieteeinweisen und Störenfriede abweisen bzw.des Platzes verweisen können. Dabei spielt es gar keineRolle, ob die AWACS unmittelbar Feuerleitzentralensind. Ich finde, die Diskussion darüber ist ein Ablenkungsmanöver,auch wenn sie diese Aufgabe durchausübernehmen könnten. Aber darüber brauchen wir jetztgar nicht zu streiten.Der Einsatz der AWACS dient, was ihre besondereRolle bei den ISAF-Luftoperationen angeht, der Optimierungdieser Einsätze. Diese Optimierungsnotwendigkeitist der Intensivierung des Krieges am Boden geschuldet.Das ist der Zusammenhang.(Beifall bei der LINKEN)Natürlich hat es auch mit der Aufstockung der NATO-Truppen zu tun. Vor allem die US-amerikanischen Truppennehmen zu. Darunter sind auch mehr Kampfverbändeals bisher. Es läuft darauf hinaus, dass demnächstüber 100 000 auswärtige Soldaten in diesem Land sind.Mit anderen Worten: Man stellt sich auf eine verschärfteAufstandsbekämpfung mit militärischen Mitteln ein. Diedeutsche QRF ist ja seit Monaten quasi im Dauereinsatz.Gleichzeitig ist dann aber die Bilanz dieser militärischenEskalation zu prüfen. Im ersten Quartal diesesJahres hatten wir eine Verdoppelung der Gewaltakte gegenüberdem Vorjahr zu verzeichnen. Auch von derUNO werden zwei Drittel des Landes als nicht mehr sicherbezeichnet.In diesem Zusammenhang gibt es immer wieder Luftangriffemit einer erheblichen Zahl ziviler Opfer – jüngstesBeispiel: die Bombardierung von Balabuluk AnfangMai 2009, bei der möglicherweise über hundert Zivilistenzu Tode gekommen sind –, obwohl Präzisionswaffeneingesetzt werden. Es wird ja nicht unterschiedslos bombardiert.Allerdings kann man auch mit Präzisionswaffensolche Folgen herbeiführen. Mit dem Einsatz vonAWACS soll dieser Luftkrieg optimiert werden. Wirwiederholen an dieser Stelle: Ein Mehr an Falschemkann nicht zu Gutem führen.(Beifall bei der LINKEN)Diese Grundsatzauseinandersetzung müssen wir andieser Stelle führen. Es geht nicht darum, ob diese SystemeFeuerleitfunktionen haben und ob sie dieses oderjenes können. Die Unterscheidung zwischen aktiver undpassiver Unterstützung des Luftkriegs finde ich sehr subtil.So etwas lesen wir dann in den Vorlagen der Bundesregierung.Dort heißt es auch, OEF sei von Katarunmittelbar gesteuert, während ISAF nur über die Operationszentralein Katar koordiniert werde.Das alles sind doch nur Vernebelungsversuche. Esgeht darum, dass die Lufteinsätze von OEF und ISAFsich heute wechselseitig ergänzen. Die Realität am Bodensieht auch so aus. Dort gibt es nun einmal eine engeVerzahnung.Man kann auch argumentieren, dass es militärisch widersinnigwäre, AWACS nicht für beide Missionen zunutzen. Wenn man das tut, muss man natürlich auch wissen,wie es um die völkerrechtlichen Grundlagen von(C)(D)


25008 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Paul Schäfer (Köln)(A)(B)OEF bestellt ist. Herr Kollege Stinner hat diese Debatteals lachhaft bezeichnet. Das finden wir überhaupt nicht.Dieses Thema steht nach wie vor im Raum, weil OEFnicht UNO-mandatiert ist.Außerdem muss man sich die Frage stellen, inwieweitman bei diesem Prozedere möglicherweise in einem bestimmtenMaße Kontrolle aus der Hand gibt. Diesen Fallhatten wir beim Einsatz von US-Spezialkräften im Einsatzgebietder Bundeswehr. Dann ist man froh, wennman hinterher informiert wird.Lassen Sie mich als letzten Punkt noch die Frage derAusdehnung der Kampfzone nach Pakistan ansprechen.Richtig ist, dass das Mandat das Einsatzgebiet Afghanistanfestschreibt. Zur Koordinierung der militärischenLuftbewegungen gehören aber ohne Zweifel auch dieDrohnen. Sie stellen in meinen Augen sogar ein besonderskritisches Element dar. Wird denn die NATO mitAWACS nicht assistieren, wenn Drohnen von afghanischemBoden woandershin geschickt werden? DieseFrage muss die Bundesregierung sehr verbindlich undganz präzise klären.Das ist für uns wichtig, weil es in diesem Zusammenhangum die Grundfrage geht, ob man eine Exit-Strategieversucht – also einen Ausweg, der natürlich einepolitische Verhandlungslösung einschließen muss – odersich einfach weiter in dieses Kriegsgeschehen verstrickenwill, und zwar mit unabsehbaren Folgen. Das istdie Frage, die hier bei der AWACS-Entscheidung ansteht.Danke.(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg. GertWinkelmeier [fraktionslos])Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Das Wort hat der Kollege Winfried Nachtwei vonBündnis 90/Die Grünen.Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beider Entsendung der AWACS-Aufklärungsflugzeuge gehtes um zwei Schlüsselfragen. Erstens: Sind sie notwendigund dringlich für die Flugsicherheit in Afghanistan insgesamt?Zweitens – diese Frage hat Kollege PaulSchäfer auch angesprochen –: Sind sie insgesamt einBeitrag zu mehr Sicherheit oder insgesamt ein Beitragzur Konflikteskalation?Kollege Schäfer hat dazu aufgerufen, genau hinzusehen.Hinterher hat er diesen Anspruch allerdings nichtmehr eingelöst, sondern nur noch auf die eine Seite geschaut.Ich versuche jetzt, tatsächlich genau hinzusehen.Der Auftrag ist schon genannt worden. Daher kommeich direkt zum Bedarf. Wir wissen, dass es in Afghanistankeine landesweite Luftraumüberwachung gibt, sondernnur Bodenstationen in Kabul, Kandahar und Helmandsowie ein wenig im Osten. Die Station in Kabulhat auch nur eine begrenzte Reichweite. Die Überwachunggeht bis zu den Bergen, also maximal 20 bis30 Kilometer. Danach kommt der Radarschatten; danachist Schluss. Zurzeit sind allerdings auch schon einigeamerikanische AWACS-Flugzeuge im Einsatz, die abernur begrenzte Tageszeiten abdecken.Das Flugaufkommen ist in allen Bereichen stark gestiegen.Meines Wissens finden zurzeit täglich bis zu70 Luft-Boden-Einsätze der alliierten Streitkräfte, einschließlichShow of Force, statt. Die genaue Zahl derUNAMA- und ISAF-Flüge sowie der sonstigen Flügeliegt mir nicht vor; aber ich wette, dass ihre Zahl deutlichdarüber liegt. Man muss sich nur anschauen, wiehoch das Flugaufkommen am Flughafen von Kabul ständigist. Zurzeit fliegen 15 zivile Fluggesellschaften insgesamt62 Flugplätze und Flugpisten in Afghanistan an.Einige von uns wissen, wie diese Pisten aussehen. DieLandwege sind inzwischen sehr gefährlich, sodass viele,die für verschiedene Hilfsorganisationen der UN tätigsind, nur mit dem Flugzeug die Möglichkeit haben,schnell ihr Ziel zu erreichen. Die angekündigte zivileund militärische Verstärkung der Vereinigten Staatenwird das Flugaufkommen noch um einiges erhöhen.Dazu zwei Impressionen: Als wir in der letzten Wochemit einigen Kollegen in Afghanistan waren, starteteoder landete in Kabul alle paar Minuten ein Flugzeug.Die Flugzeuge, die wir gesehen haben, schienen überwiegendzivil genutzt zu werden.Die andere Impression: Überflug über den Hindukusch.Ich hatte die Gelegenheit, im Cockpit zu sitzen.Wolken kamen auf. Die Piloten können nur nach Sichtflugregelnagieren. Also mussten alle vier im Cockpit anden Fenstern schauen, ob irgendwo eine Maschine ankommt.Ich fasse zusammen: Gerade im Winter, Frühling,Herbst ist die Flugmöglichkeit enorm eingeschränkt,weil man sich an die Regeln für Sichtflug halten muss.Manche Orte werden dann tagelang nicht erreicht. Zumanderen hat es inzwischen etliche Beinaheunfälle gegeben.Da kann ich nur sagen: Bisher hat man viel Glückgehabt. So viel zur Bedarfslage.Ich komme nun zu den problematischen Fragen. InAfghanistan besteht der gefährliche Unsinn mehrerer nebeneinanderagierender Militäroperationen. Das hat immerwieder zu Friktionen geführt. Kai Eide hat noch vorkurzem gerade den Bodeneinsatz im Rahmen der OperationEnduring Freedom so scharf wie nie zuvor kritisiert.Es stellt sich die Frage, wie man im Hinblick auf dieanderen Operationen mit den Erkenntnissen von AWACSumgeht. Beim Luftlagebild macht es nur Sinn – das istvöllig klar –, alles, was sich im Luftraum bewegt, zu erfassenund die Informationen weiterzugeben.Zur Frage der Führungsfähigkeit haben Sie, HerrStaatsminister, eben schon etwas gesagt: Die Frage derFührungsfähigkeit sollte sich nur auf die ISAF-Flugzeugebeziehen. Da stellt sich die Frage, warum nichtauch die Zivilen einbezogen werden sollten, die auchwichtige Aufgaben erfüllen. Handelt es um eine Interpretationder Bundesregierung, wenn man hier EnduringFreedom außen vor lässt? Geht es bei der Frage der Führungsfähigkeitwirklich nur um das ISAF-Mandat, nicht(C)(D)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 25009Winfried Nachtwei(A)(B)um Enduring Freedom? Bei der ISAF wird das teilweiseanders gesehen.Auf die Möglichkeit, einen Beitrag zu den Luft-Boden-Einsätzen zu leisten, ist inhaltlich eingegangenworden. Eigentlich sind die technischen Möglichkeitendazu nicht vorhanden.Paul Schäfer hat die Frage der Zuweisung von Einsatzräumenangesprochen. Es ist unbestreitbar, dass einesolche Zuweisung notwendig ist. Hier stellt sich die allgemeinereFrage: Ist der Einsatz von AWACS ein Beitragzur Eskalation der Kämpfe in der Luft und am Boden?Hier darf man nicht außer acht lassen, was sich aufamerikanischer Seite tut: Die Amerikaner – das ist richtig– verstärken ihre militärischen und zivilen Kräfte;aber – das stimmt mich hoffnungsvoll – es hat einen inhaltlichenWandel der Strategie gegeben, so wie er hierim Parlament öfter eingefordert wurde: Man nimmt nichtmehr die Bekämpfung des Gegners in den Fokus, sondernden Schutz der Bevölkerung.(Beifall des Abg. Omid Nouripour [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN])General Petraeus sagt jetzt eindeutig: Der Schutz der Bevölkerungist das A und O, der Dreh- und Angelpunkt;wenn wir ihn nicht in den Mittelpunkt stellen, könnenwir alles andere vergessen.In diesem Zusammenhang möchte ich erwähnen, dassdie Frage der Zivilopfer in der Führung auf amerikanischerSeite nun viel kritischer gesehen wird. Es wird vielmassiver etwas dagegen getan, dass es Zivilopfer gibt.Das wird nicht mehr nur als eine Frage der Einsatzregeln,sondern als Frage der Strategie betrachtet. Dasstellt eine erhebliche Veränderung dar.Den letzten Punkt haben Sie schon angesprochen– die Bundesregierung muss sich hier noch einbringen –:die verschiedenen Maßnahmen im Zusammenhang mitMasar und Uruzgan.Insgesamt ist eine Perspektive dafür notwendig, wannrealistisch und mit Ehrgeiz auch eine zivile Flugsicherungaufgebaut werden kann; denn es wäre unsinnig, einenteuren AWACS-Einsatz als Dauerlösung zu installieren.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Das wollen auch Sie sicherlich nicht. Insofern mussKlarheit her.Ich danke schön.(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,bei der CDU/CSU und der SPD)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Das Wort hat jetzt der Kollege <strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong> <strong>Bartels</strong> vonder SPD-Fraktion.Dr. <strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong> <strong>Bartels</strong> (SPD):Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen!Wir haben in Afghanistan eine NATO-Mission. Ichbin froh, dass diese jetzt auch erkennbar zusammenwächst.Kollege Nachtwei hat es angesprochen. Die Verstärkungder Amerikaner im Süden ist nicht nur einezahlenmäßige Veränderung, sondern es soll auch qualitativanders werden. Der deutsche Ansatz im Norden wirdinzwischen von den NATO-Partnern für richtig gehaltenund übernommen. Auch im Norden gehen wir mittlerweilemit ausgebildeten Kräften der afghanischen Nationalarmeedorthin, wo Taliban sind. Ich hoffe, dass wir soKonvergenz der Strategie der NATO in Afghanistan erreichen.Wenn es eine NATO-Mission ist, dann muss dieserMission das zur Verfügung stehen, was die NATO hat.Die NATO hat ein gemeinsames Aufklärungs- und Führungsmittelfür Luftverkehr, für Luftoperationen, unddas sind die AWACS-Maschinen, die in Geilenkirchenbei Aachen in Deutschland stationiert sind. Wenn diesefür eine NATO-Operation notwendig sind, ist es absolutrichtig, dass wir dieses NATO-Mittel der NATO auch zurVerfügung stellen.Im Übrigen wird eine Koordination des Luftverkehrsauch bisher schon vorgenommen, aber nicht durch dieNATO, sondern, Kollege Schäfer, durch OEF in Katar.Wenn wir die NATO-Verantwortung in Afghanistan stärkenwollen, ist es doch geradezu ein Vorteil, eine neueQualität, wenn die NATO selbst diese Aufgabe übernehmenkann, weil sie die technischen Mittel dafür hat. Dasheißt natürlich, dass auch Flugzeuge, die für OEF fliegen,auf dem Schirm der NATO-AWACS-Maschinensein werden, aber es geht nicht darum, ihnen Ziele zuzuweisen,sondern es geht darum, den Luftverkehr zu regeln.Es nützt nichts – ich glaube, jeder hat darauf hingewiesen–, immer wieder Andeutungen zu machen, dassdamit irgendwie ein Bodenkrieg verbunden sein könnte.Wir sind nicht dagegen, dass Ziele am Boden aufgeklärtwerden, aber das machen zum Beispiel die Tornados, diewir der NATO-Mission in Afghanistan zur Verfügunggestellt haben. Die klären am Boden auf. Für dieLuftaufklärung sind die AWACS-Maschinen jetzt einezusätzliche technische Möglichkeit.Die Notwendigkeit dazu ist dargelegt worden. DerLuftverkehr in Afghanistan nimmt nicht ab, sondern zu.Auch die angekündigte US-Verstärkung – dass über10 000 zusätzliche Soldaten da sein werden, begrüßenwir – wird zu mehr Flugbewegungen in Afghanistan führen.Es werden Flugplätze für zivile Nutzung ausgebaut.Wir haben selbst beobachten können – KollegeNachtwei hat es beschrieben –: Der zivile Luftverkehrnimmt zu. Das ist ein gutes Zeichen für Afghanistan.Wenn man auf dem direkten Weg von Deutschland nachAfghanistan fliegen kann, ist das doch eine ganz andereSituation als in den letzten Jahren, als es fast nur militärischeMöglichkeiten gab, Afghanistan zu erreichen. Dasgeht inzwischen auch zivil. Das muss immer mehr werden.Das muss sicher sein. Für diese Sicherheit will undsoll ISAF sorgen.Selbstverständlich muss das später zivil betriebenwerden. Das ist keine Dauerlösung; völlig klar. Aber solangedie NATO Verantwortung in Afghanistan hat, istes nicht egal, wie das Problem gelöst ist. Man kann nichtsagen: Wenn es nicht gelöst ist, ist es auch gut. – Wir(C)(D)


25010 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009Dr. <strong>Hans</strong>-<strong>Peter</strong> <strong>Bartels</strong>(A)leisten einen Beitrag zur Sicherheit Afghanistans, auchauf diesem Gebiet.Stationiert wird das System zunächst in der Türkei, inKonya, einem vorbereiteten Stützpunkt für die AWACS-Maschinen. Es gibt übrigens vier solcher Stützpunkteauf NATO-Gebiet. Die Türkei ist NATO-Gebiet. Wennich die Unterlagen, die uns zugegangen sind, richtig verstandenhabe, wird erwogen, zu einem späteren Zeitpunktauf die arabische Halbinsel zu gehen, also näherans Einsatzgebiet heran. Es ist vernünftig, wenn man dasmit einem Partner in der Region koordinieren kann.Ich möchte ausdrücklich das aufgreifen, was KollegeStinner in Bezug auf die Nachbarn Afghanistans gesagthat. Das Einsatzgebiet der AWACS-Maschinen geht natürlichüber das Staatsgebiet Afghanistans hinaus. Darübersollte man mit den Nachbarn Afghanistans reden,damit keine Missverständnisse entstehen können. Diegleiche Klarheit, die wir hier im Bundestag haben wollenund bekommen, müssen auch die Nachbarn desISAF-Stationierungslandes haben.Ziel solcher Einsätze. Wir haben einen langen Atem gebraucht,wir haben es aber durchgehalten, und jetzt sinddiese Länder in der Lage, ihre Sicherheit selbst zu organisieren.Das ist auch das Ziel des Einsatzes in Afghanistan.Es findet keine Überdehnung der Möglichkeiten derBundeswehr statt. Heute sind gut 7 000 Soldaten in Auslandseinsätzen,zu Spitzenzeiten waren es 10 000. DieBundeswehr kann also durchaus das leisten, was wirheute zusätzlich beschließen wollen.Ich hoffe, dass wir in der nächsten Sitzungswochediese eigentlich überfällige Mission beschließen können.Wir hätten das schon vor fast einem Jahr tun können. Eslag nicht an uns, dass es nicht dazu gekommen ist. Es istaber eine weitere sinnvolle Hilfe für dieses gebeutelteLand, für Afghanistan.Vielen Dank.(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)(C)(B)Was die Kosten angeht, so hat es ein Jahr gedauert,sich mit Frankreich über dessen Beitrag zu diesem gemeinsamenNATO-Projekt zu einigen. Das ist ein bisschenenttäuschend. Die Ankündigung Frankreichs, in derNATO wieder voll dabei sein zu wollen, ist ja von allenPartnern, auch von uns, positiv aufgenommen worden.Es kann aber nicht sein, dass Frankreich sein Dabeiseingleich wieder zum Blockieren benutzt. Wer dabei seinwill, der soll sich auch konstruktiv verhalten. Bei demBeitrag, den Frankreich leisten sollte, ist es nicht umgroße Summen gegangen, sondern eher um einen symbolischenBeitrag, den Frankreich leisten kann und nunauch leistet. Die Verhandlungen der Bundesregierungwaren also erfolgreich.Wir sind damit einverstanden, dass die Entsendungvon bis zu 300 zusätzlichen Soldaten für diesen Einsatzim Rahmen von ISAF vom Bundestag beschlossen wirdund nicht noch einmal an der Obergrenze, die wir für diebisherige ISAF-Mission, nämlich 4 500 Soldaten, beschlossenhaben, geknabbert wird. Es handelt sich zwarum einen weiten Rahmen, und wir hoffen, dass wir ihnnicht ausschöpfen müssen, aber ein bisschen Luft imMandat ist sinnvoll. Dieser Spielraum sollte nicht durchdie Anrechnung des zusätzlichen Personals, das wir jetztfür die AWACS-Mission benötigen, eingeengt werden,zumal die Soldaten ja gar nicht in Afghanistan stationiertwerden.Zu dem Argument, das man gelegentlich in der Öffentlichkeithört, es komme immer noch ein Einsatz undnoch ein Einsatz hinzu, möchte ich sagen: Das mag,wenn man die Berichterstattung in den Medien verfolgt,manchmal so aussehen; aber das liegt daran, dass dieEinsätze, die abgeschlossen werden, niemanden mehr interessieren.Schauen wir uns einmal den Balkan an: InMazedonien sind wir längst nicht mehr. Das Mandat inBosnien-Herzegowina wird in ganz absehbarer Zeit ablaufen;da sind heute noch 130 deutsche Soldaten. Fürdas Mandat im Kosovo hat der NATO-Rat jetzt einenPlan zur Reduzierung beschlossen, der als Ziel den komplettenAbzug vorsieht. Das ist letztendlich immer dasVizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkterteile ich das Wort dem Kollegen Manfred Grund vonder CDU/CSU-Fraktion.Manfred Grund (CDU/CSU):Vielen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrtenDamen! Meine Herren! Der Einsatz der AWACS-Flugzeugezur Überwachung des Luftraums von Afghanistanist tatsächlich überfällig. Die NATO hat die Notwendigkeitschon seit langem gesehen. Strittig war bisher dieFinanzierung. Dafür wurde jetzt eine Lösung über dieGemeinschaftsfinanzierung unter Beteiligung aller NATO-Staaten gefunden. Infolgedessen hat der Nordatlantikratam 12. Juni die Entsendung von AWACS-Maschinennach Konya in der Türkei zum Einsatz über Afghanistanbeschlossen. Der Einsatz soll im Rahmen der ISAF-Missionerfolgen. Angestrebt wird eine spätere Verlegungder Maschinen an einen Ort, der näher am Einsatzgebietliegt. Darüber verhandelt die NATO noch. Auch für denEinsatz von Konya aus sind noch Überfluggenehmigungenauszuhandeln.Für uns geht es heute darum, den Weg rechtlich freizu machen, damit die Einsätze baldmöglichst beginnenkönnen. Das Mandat ist zunächst bis zum 13. Dezemberbefristet. Das hat den Vorteil, dass der dann neu gewählteBundestag die Möglichkeit hat, über die Fortsetzungdieses Einsatzes im Zusammenhang mit der Fortsetzungdes ISAF-Mandates zu entscheiden.Es ist eine Tatsache – das wurde hier auch mehrfachangesprochen –, dass die zivile wie auch die militärischeLuftraumüberwachung in Afghanistan bislang unzureichendist. Es geht uns nicht nur um eine Überwachungfür militärische Zwecke, sondern wir setzen uns auch füreinen zügigen Auf- und Ausbau der zivilen Luftraumüberwachungein. Das braucht aber Zeit und nicht unerheblicheMittel. Außerdem verfügen AWACS-Flugzeugeüber Fähigkeiten, die stationäre Anlagen kaum zu bietenvermögen. Aufgrund der Größe und der geografischen(D)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 25011Manfred Grund(A)(B)Beschaffenheit des Landes können Anlagen am Bodenderzeit nämlich kaum eine ähnlich großräumige undlückenlose Luftraumüberwachung gewährleisten, wiesie von AWACS-Flugzeugen aus möglich ist.Es ist selbstverständlich, dass dieser Einsatz auch einemilitärische Bedeutung hat; denn mit dem Anwachsender ISAF-Mission, dem Aufwuchs der in Afghanistanstationierten Truppen und ihrer Operationen, steigt auchder Koordinierungsbedarf im Luftverkehr. Doch dientder Einsatz der AWACS-Flugzeuge grundsätzlich der Sicherheitaller vom Luftverkehr in Afghanistan Betroffenen.Aber nochmals: Es gibt keine Unterstützung fürAngriffe. Dies ist politisch nicht gewollt und technischauch nicht möglich.Der Einsatz der AWACS-Flugzeuge soll der Koordinierungdes zivilen und des militärischen Flugverkehrsdienen. Dementsprechend sollen die gewonnenen Luftraumbilderauch zivilen Nutzern zur Verfügung gestelltwerden. Dieser Einsatz wird dem Schutz unserer Bundeswehrpilotendienen. Zugleich aber wird auch die Sicherheitim Luftverkehr insgesamt und damit auch dieSicherheit der Zivilbevölkerung erhöht. Um es noch einmalzu sagen: Zu Kampfeinsätzen wird der Einsatz unmittelbarnicht beitragen. Die Taliban verfügen in allerRegel nicht über Geräte, die von den Radaranlagen derFlugzeuge aufgeklärt werden könnten.Die Besatzungen der AWACS-Flugzeuge der NATObilden eine vollständig integrierte Truppe. Ihre Angehörigenwerden von den einzelnen Mitgliedstaaten entsandt.Der Anteil der deutschen Soldaten an den Besatzungender AWACS-Aufklärungsflugzeuge beträgt etwa40 Prozent. Kein beteiligtes Land kann sich aus einemsolchen Einsatz zurückziehen, ohne ihn nicht infrage zustellen oder unmöglich zu machen.Zuletzt hatte eine Bundesregierung 2003 der Entsendungvon AWACS-Flugzeugen zugestimmt – damals indie Türkei während des Irak-Krieges. Danach hat dasBundesverfassungsgericht festgestellt, dass auch solcheEntscheidungen der Zustimmung des Bundestages bedürfen.Es sollte aber auch klar sein, dass bündnispolitischenRücksichten dabei ein besonders hoher Stellenwertzukommt. Auch deshalb ist dieser Antrag nichtgeeignet, um erneut das grundsätzliche Für und Widerdes Afghanistan-Engagements zu erörtern.Der Einsatz der AWACS-Flugzeuge wird einen signifikantenBeitrag zur Luftraumüberwachung in Afghanistanleisten. Er wird zum Schutz unserer Piloten beitragen.Er wird aber auch die Sicherheit für die zivilenHelfer und die Sicherheit für die Bevölkerung erhöhen.Deshalb werden wir dem Antrag zustimmen.Vielen Dank.(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordnetender SPD)Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufDrucksache 16/13377 an die in der Tagesordnung aufgeführtenAusschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden?– Das ist offenkundig der Fall. Dann ist dieÜberweisung so beschlossen.Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesordnung.Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundestagesauf morgen, Donnerstag, den 18. Juni 2009,9 Uhr, ein.Die Sitzung ist geschlossen.(Schluss: 18.12 Uhr)(C)(D)Berichtigungen224. Sitzung, Seite 24806 (C), erster Absatz, derzweite Satz ist wie folgt zu lesen: „Gerade dieser Sachverhalthat mich veranlasst, zusammen mit meinem KollegenHartwig Fischer der Bundesministerin HeidemarieWieczorek-Zeul einen Brief zu schreiben.“224. Sitzung, Seiten 24829 (Anlage 37) und 24841(Anlage 42) Ergebnis der namentlichen Abstimmungen:der Abgeordnete Manfred Kolge (CDU/CSU) hat nichtmit Nein gestimmt, sondern sich enthalten.225. Sitzung, Seite 24949 (D), zweiter Absatz: DerRedner war „Patrick Meinhardt (FDP)“.


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 25013(A)Anlagen zum Stenografischen Bericht(C)(B)Anlage 1Abgeordnete(r)Liste der entschuldigten AbgeordnetenBeck (Köln), Volker BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENentschuldigt biseinschließlich17.06.2009Dr. Bisky, Lothar DIE LINKE 17.06.2009Dreibus, Werner DIE LINKE 17.06.2009Eichel, <strong>Hans</strong> SPD 17.06.2009Fischer (Karlsruhe-Land), Axel E.CDU/CSU 17.06.2009 *Gabriel, Sigmar SPD 17.06.2009Gehrcke, Wolfgang DIE LINKE 17.06.2009Hirte, Christian CDU/CSU 17.06.2009Höhn, Bärbel BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN17.06.2009Hoff, Elke FDP 17.06.2009Kolbow, Walter SPD 17.06.2009Koschyk, Hartmut CDU/CSU 17.06.2009Sollte es nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrensüber das Vermögen der Arcandor AG zu Betriebsveräußerungenkommen, so sind nach Auffassung derBundesregierung die Rechte der Arbeitnehmer hinreichendgewahrt. Dies ist zunächst eindeutig, wenn einVerbandtarifvertrag besteht, der kollektivrechtlich fortgilt,weil der neue Betriebsinhaber und die übernommenenArbeitnehmer tarifgebunden sind.Aber auch wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen,sind die Interessen der Arbeitnehmer geschützt, da§ 613 a BGB auch bei einem Betriebsübergang im InsolvenzverfahrenAnwendung findet. Die Vorschrift sieht inihrem Absatz 1 vor, dass bei Betriebsübergang oder beiÜbergang eines Betriebsteiles auf einen anderen Inhaberdieser in die Rechte und Pflichten aus den im Zeitpunktdes Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt.Dabei muss der Erwerber die in einem Kollektivvertrag(Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung) vereinbartenArbeitsbedingungen bis zu dessen Kündigung oder Ablaufbzw. bis zum Abschluss eines neuen, inhaltlich entsprechendenKollektivvertrags aufrecht erhalten. VorAblauf eines Jahres nach dem Zeitpunkt des Übergangsdürfen die Rechtsnorm dieser Kollektivverträge nichtzum Nachteil der Arbeitnehmer geändert werden, es seidenn, dass bei dem neuen Inhaber inhaltlich entsprechendeRechtsnormen eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarunggelten.Vor diesem Hintergrund vermag die Bundesregierungkeinen Handlungsbedarf zu erkennen, um die Rechte derArbeitnehmer zusätzlich abzusichern.(D)Lenke, Ina FDP 17.06.2009Anlage 3Meierhofer, Horst FDP 17.06.2009AntwortSchily, Otto SPD 17.06.2009Dr. Tabillion, Rainer SPD 17.06.2009Zimmermann, Sabine DIE LINKE 17.06.2009* für die Teilnahme an den Sitzungen der Westeuropäischen Uniondes Parl. Staatssekretärs Dr. Gerd Müller auf die Frageder Abgeordneten Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) (Drucksache 16/13331, Frage 2):Wie beurteilt die Bundesregierung, dass Konzerne undGroßunternehmen im Gegensatz zu bäuerlichen mittelständischenBetrieben überdurchschnittlich von den EU-Agrarsubventionenprofitieren, wie die Veröffentlichung der Empfängervon Exportsubventionen und Direktbeihilfen gezeigt hat,und welche Konsequenzen will die Bundesregierung darausziehen?Anlage 2Antwortdes Parl. Staatssekretärs Alfred Hartenbach auf dieFrage der Abgeordneten Sabine Zimmermann (DIELINKE) (Drucksache 16/13331, Frage 1):Stellt das derzeitige Insolvenzrecht sicher, dass beim Insolvenzverfahrender Arcandor AG bzw. ihrer Tochterfirmendie für die Beschäftigten dort bisher geltenden tariflichenStandards nicht abgesenkt werden, wenn einzelne Unternehmensbestandteilean neue Investoren veräußert bzw. von diesenübernommen werden, und, wenn nein, welche rechtlichenÄnderungen bzw. Auflagen plant die Bundesregierung, umdies sicherzustellen, damit die Abwärtsspriale der tariflichenRegelungen im Einzelhandel nicht weiter befördert wird?Die Zahlung einer Ausfuhrerstattung erfolgt grundsätzlichan die ausführenden Unternehmen. Dies sindzwar häufig große Handelsunternehmen, aber auch kleinereExporteure.Mit den Erstattungen wird für den Händler oder dasUnternehmen der Ernährungswirtschaft ein Teil der Differenzzwischen dem höheren EU-Preis und dem niedrigerenWeltmarktpreis eines Produktes ausgeglichen. DieGewährung der Ausfuhrerstattung schafft häufig erst dieVoraussetzung dafür, EU-Produkte auf Drittlandsmärktenabzusetzen; sie sorgt für Wettbewerbsgleichheit gegenüberanderen Anbietern auf den Weltmärkten, diesich ihrerseits verschiedener Instrumente der Export-


25014 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009(A)(B)subventionierung bedienen. Dadurch tragen Ausfuhrerstattungendazu bei, die Preise des jeweiligen Produktesbzw. der in ihm verarbeiteten Grunderzeugnisse aufdem Binnenmarkt zu stabilisieren. Davon profitierennicht die einzelnen ausführenden Unternehmen, sondernsämtliche heimischen Landwirte, die das entsprechendeProdukt erzeugen.Die Bedeutung dieser Maßnahme innerhalb der GemeinsamenAgrarpolitik hat sich durch die seit Beginnder 1990er-Jahre erfolgten Agrarreformen und die dabeivorgenommene sukzessive Verringerung der Marktpreisstützungin nahezu allen Warenbereichen inzwischen erheblichverringert. Statt dessen stützt sich die GemeinsameAgrarpolitik vor allem auf Direktzahlungen an dieLandwirte, die inzwischen fast vollständig unabhängigvon der produzierten Menge gewährt und ursprünglichzur Kompensation von Preissenkungen für bestimmteProdukte eingeführt wurden.Die aus dem Abbau der Marktpreisstützung resultierendenEinnahmeverluste waren um so höher, je größerbzw. je umsatzstärker die Betriebe sind. Insofern liegt esin der Natur der Sache, dass größere Betriebe mit häufigvielen Arbeitskräften oder – bei nur wenigen eigenenArbeitskräften – als Auftraggeber für entsprechendelandwirtschaftliche Dienstleistungen in ihrem lokalenUmfeld auch höhere Ausgleichszahlungen erhalten.Durch die Reform von 2005, in der die Direktzahlungenvon der Produktion entkoppelt und an die Einhaltungzahlreicher Auflagen (Cross Compliance) gebunden wurden,sowie die vorgesehene Angleichung zu regionaleinheitlichen Werten je Hektar entwickeln sich die Direktzahlungenzunehmend zu einem finanziellen Ausgleichfür die weit höheren Umweltschutz-, TierschutzundVerbraucherschutzstandards in der EU im Vergleichzu den Produktionsauflagen in Nicht-EU-Staaten sowiezu einer Pauschalhonorierung für die Erhaltung der Kulturlandschaft.Wesentliches Bemessungskriterium fürdie Höhe der Zahlungen ist dabei die Flächenausstattungder Betriebe. Zu berücksichtigen ist, dass die ganz überwiegendeZahl der landwirtschaftlichen Betriebe mit hohenDirektzahlungen in den neuen Bundesländern liegt.Diese Betriebe stellen dort ein wichtiges Element derländlichen Wirtschaft dar.Im Übrigen gibt es eine deutliche größenabhängigeKomponente bei den Direktzahlungen, indem alle Beträgeunter 5 000 Euro und damit rund die Hälfte der Betriebein Deutschland von der sogenannten Modulationausgenommen werden. Durch diese Kürzung der Direktzahlungen,die bis 2012 auf 10 Prozent ansteigt, werdenzusätzliche Mittel für Maßnahmen der ländlichen Entwicklungzur Verfügung gestellt. Der Teil der Direktzahlungen,der 300 000 Euro überschreitet, wird ab 2009zusätzlich um weitere 4 Prozent gekürzt.Wie viele Atomwaffen werden derzeit in der BundesrepublikDeutschland gelagert, und welche konkreten Schritte hatdie Bundesregierung seit der Wahl von Barack Obama zumUS-Präsidenten unternommen, um auf die US-Regierung einzuwirken,damit diese ihre Atomwaffen aus Deutschland zurückziehtund vernichtet?Entsprechend der Geheimhaltungsregelungen der NATOwerden von den Mitgliedstaaten keine detaillierten Angabenin Bezug auf die Nuklearstreitkräfte des Bündnissesgemacht.Die Bundesrepublik Deutschland hat völkerrechtlichbereits vor Jahrzehnten verbindlich auf eigene Nuklearwaffenund sonstige Nuklearsprengkörper verzichtet.Dieser Verzicht wurde in dem Vertrag über die abschließendeRegelung in Bezug auf Deutschland vom 12. September1990 mit Wirkung für das vereinte Deutschlandbekräftigt. Die Bundesregierung hält darüber hinaus andem Ziel der weltweiten Abschaffung nicht nur der Nuklearwaffen,sondern aller Massenvernichtungswaffenfest und unterstützt in diesem Sinne die Vision einerWelt frei von Atomwaffen („global zero“), wie sie durchUS-Präsident Obama in seiner Rede am 5. April 2009 inPrag dargelegt wurde.Die Mitgliedstaaten der NATO haben seit Anfang der90er-Jahre die Anzahl der substrategischen Nuklearwaffenin Europa um mehr als 85 Prozent reduziert. DieÜberprüfung der Anforderungen an die nuklearen Abschreckungsfähigkeitender Allianz und deren Bewertunggehören mit zu den permanenten Kernaufgaben derNuklearen Planungsgruppe der NATO und werden auchweiterhin einen Schwerpunkt der dortigen Beratungenbilden.Anlage 5Antwortder Parl. Staatssekretärin Marion Caspers-Merk auf dieFrage des Abgeordneten Frank Spieth (DIE LINKE)(Drucksache 16/13331, Frage 4):Hat das Bundesversicherungsamt Maßnahmen gegen diegesetzliche Krankenversicherung KKH-Allianz ergriffen, umin der Außendarstellung der Krankenversicherung auszuschließen,dass sie als private Krankenversicherung wahrgenommenwird, und, wenn ja, welche?Das Bundesversicherungsamt hat die KKH-Allianz(Ersatzkasse) bereits im Vorfeld der Fusion zwischen derKKH (Ersatzkasse) und der BKK Allianz zum 1. Januar2009 gebeten, den Umfang der beabsichtigten Kooperationmit der Allianz Versicherungs AG offen zu legen.Mit Schreiben vom 4. Juni 2009 hat die Kasse einen Lizenzvertragvorgelegt, der unter anderem einen einheitlichenMarktauftritt unter Verwendung eines einheitlichenLogos und Farbauftritts regelt.(C)(D)Anlage 4Antwortdes Parl. Staatssekretärs Christian Schmidt auf dieFrage der Abgeordneten Petra Pau (DIE LINKE)(Drucksache 16/13331, Frage 3):Aus Sicht des Bundesversicherungsamtes entsteht hierdurcheine Verwechslungsgefahr zwischen der KKH-Allianz (Ersatzkasse) als gesetzliche Krankenkasse undder Allianz Versicherungs AG. Dies steht im Gegensatzzu den Vorgaben der §§ 13 ff. SGB I. § 13 SGB I legtfest, dass die Krankenkasse ihre Versicherten sachbezogenaufzuklären hat. Diese Aufklärungspflicht lässt sich


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 25015(A)dahin gehend verstehen, dass Krankenkassen in der Außendarstellungalles zu unterlassen haben, was zu einerIrreführung der Versicherten bzw. der angesprochenenÖffentlichkeit geeignet ist. Aktuell prüft das Bundesversicherungsamtaufsichtsrechtliche Maßnahmen gegendie Kasse. Die Nutzung der Geschäftsstellen der AllianzVersicherungs AG durch die KKH-Allianz (Ersatzkasse)ist rechtlich problematisch, wenn Mitarbeiter der AllianzVersicherungs AG hoheitliche Aufgaben wahrnehmenwürden. Ob und inwieweit dies geplant ist, wird aktuelldurch das Bundesversicherungsamt geprüft. Außerdemwird geprüft, wie der Datenschutz sichergestellt werdensoll. Ferner hat das Bundesversicherungsamt die KKH-Allianz (Ersatzkasse) zur Offenlegung der Finanzierungder aktuellen Werbekampagne zur Bekanntmachung desneuen Corporate Designs aufgefordert. Die Kasse hatbestätigt, dass die Werbekampagne im Wesentlichendurch die Allianz Versicherungs AG finanziert wordenist. Das Bundesversicherungsamt hält dies für rechtlichproblematisch und prüft auch hierzu aufsichtsrechtlicheSchritte.anderer dadurch angreift, dass er Teile der Bevölkerung beschimpft,böswillig verächtlich macht oder verleumdet, oderdass Verbindungen zu kriminellen Organisationen oder terroristischenVereinigungen bestehen oder bestanden haben oderdass er in sonstiger Weise Bestrebungen verfolgt oder unterstützthat, die gegen den Gedanken der Völkerverständigungverstoßen oder gegen das friedliche Zusammenleben der Völkergerichtet sind?Bei Imam Bilal Philips handelt es sich um einen insalafistischen Kreisen international bekannten Islamlehrer,Prediger und Autor. Er hat sich in der Vergangenheitunter anderem durch homophobe Äußerungen hervorgetan.Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass die Bundesregierungzu Sachverhalten, die nachrichtendienstlicheAngelegenheiten betreffen könnten, grundsätzlichnur in dem dafür zuständigen Parlamentarischen KontrollgremiumStellung nimmt. Damit ist keine Aussagedarüber getroffen, ob die den Fragen zugrunde liegendenAnnahmen zutreffen.(C)(B)Anlage 6Antwortdes Parl. Staatssekretärs <strong>Peter</strong> Altmaier auf die Fragedes Abgeordneten Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/13331, Frage 7):Warum wurde die Einreise von Imam B. P., der ein Einreiseverbotfür die USA hat, nicht insbesondere aufgrund von§ 54 Nr. 5 a, § 55 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe b in Verbindung mit§ 6 des Aufenthaltsgesetzes oder durch Ausschreibung zurAbweisung im Schengener Informationssystem verhindert,obwohl bekannt ist, dass er zur Anwendung der Todesstrafegegen Homosexuelle (www.tagesspiegel.de; www.ad-hocnews.de)aufruft und unter seinen Schülern auch für al-Qaidarekrutiert werden soll, und wie will die Bundesregierung mitkünftigen Einreiseversuchen von Imam B. P. in den Schengen-Raumumgehen?Nach gegenwärtigem Kenntnisstand der Bundesregierungist Imam Bilal Philips nicht in die BundesrepublikDeutschland eingereist und es liegen keine Erkenntnissevor, dass er dies demnächst beabsichtigt. Im Übrigensind in jedem Einzelfall die jeweiligen Voraussetzungenfür eine Verweigerung der Einreise unmittelbar bei derGrenzkontrolle zu prüfen. Bei einer Einreise über eineSchengen-Außengrenze eines anderen Mitgliedstaatesobliegen diese Einzelfallprüfungen den zuständigen Behördendes jeweiligen Schengen-Staates.Anlage 8Antwortdes Parl. Staatssekretärs <strong>Peter</strong> Altmaier auf die Fragedes Abgeordneten Manuel Sarrazin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/13331, Frage 9):Wie lautet die Antwort der Bundesregierung auf den Briefdes EU-Kommissars Jacques Barrot an die Innenminister derEU-Mitgliedstaaten, in dem er sie auffordert, Solidarität zuzeigen und Bootsflüchtlinge aufzunehmen, und inwiefern teiltdie Bundesregierung die Einschätzung, dass freiwillige Regelungennicht der von den Mittelmeeranrainern geforderten Solidaritätbei der Aufnahme und Verteilung von Bootsflüchtlingengenügen?Die Bundesregierung ist wie Vizepräsident Barrot derAuffassung, dass sich die Antwort auf die besorgniserregendeSituation im Mittelmeer auf Maßnahmen im Bereichdes Asylrechts, der Sicherung der Außengrenzen,der Bekämpfung der illegalen Migration, der Rückführungsowie der Zusammenarbeit mit den südlichen Mittelmeeranrainerstaaten,die ebenfalls ihren Verpflichtungennachkommen müssen, erstrecken muss. Für den BereichAsyl stimmt die Bundesregierung den Überlegungen vonVizepräsident Barrot in seinem Schreiben an den Ratsvorsitzzu, dass gegenwärtig ein koordiniertes Vorgehenzur freiwilligen Aufnahme von anerkannten Flüchtlingenund subsidiär Schutzberechtigten aus Mitgliedstaaten,die am stärkstem dem Zustrom von Migranten undAsylbewerbern ausgesetzt, ein sachgerechter Ansatz ist.(D)Anlage 7AntwortAnlage 9des Parl. Staatssekretärs <strong>Peter</strong> Altmaier auf die Fragedes Abgeordneten Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) (Drucksache 16/13331, Frage 8):Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung bzw. habennach Kenntnis der Bundesregierung die Verfassungsschutzämterder Länder über die Inhalte der Predigten und Lehrendes Imam B. P., insbesondere inwiefern er zum Hass gegenTeile der Bevölkerung aufwiegelt oder zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmengegen sie auffordert oder die MenschenwürdeAntwortdes Parl. Staatssekretärs <strong>Peter</strong> Altmaier auf die Frageder Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)(Drucksache 16/13331, Frage 10):Kann die Bundesregierung ausschließen, und, wenn ja,wie, dass der Polizist Karl-Heinz Kurras nicht nur für das Ministeriumfür Staatssicherheit, sondern auch für den Verfassungsschutzgearbeitet hat?


25016 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009(A)(B)Die Bundesregierung äußert sich zu geheimhaltungsbedürftigenAngelegenheiten der Nachrichtendienste desBundes, insbesondere zu deren Arbeitsweise, Methodikund Erkenntnisstand in Bezug auf bestimmte Personenoder Organisationen, grundsätzlich nicht öffentlich, sondernnur in den dafür vorgesehenen besonderen Gremiendes Deutschen Bundestages.Der Verweis auf diesen Umstand bedeutet dabei nicht,dass die in der mündlichen Frage enthaltenen Annahmenoder Vermutungen zutreffen oder nicht.Soweit die Frage auch auf die Tätigkeit der Landesbehördenfür Verfassungsschutz bezogen sein sollte, äußertsich die Bundesregierung nicht zu Angelegenheiten, diein den Verantwortungsbereich der Bundesländer fallen.Anlage 10Antwortdes Parl. Staatssekretärs <strong>Peter</strong> Altmaier auf die Frageder Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE)(Drucksache 16/13331, Frage 11):Welche Veranstaltungen plant die Bundesregierung zum70. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkrieges in diesemJahr?Der Bundeskanzlerin liegt eine Einladung der polnischenRegierung zur Teilnahme an einer Gedenkveranstaltunganlässlich des 70. Jahrestages des Beginns desZweiten Weltkrieges vor.Der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur undMedien (BKM) finanziert insbesondere die Ausstellung„Deutsche und Polen – 1. September 1939 – Abgründeund Hoffnungen“, die das Deutsche Historische Museumanlässlich des 70. Jahrestages des Überfalls auf Polen inBerlin präsentiert.Aus Sondermitteln des BKM werden aus diesem Anlassaußerdem gefördert:– Sonderausstellung der Stiftung BrandenburgischeGedenkstätten: „Die Verfolgung der intellektuellenund künstlerischen Eliten in Osteuropa durch die Nationalsozialistenin den Konzentrationslagern Sachsenhausenund Ravensbrück am Beispiel Polens undTschechiens“ mit Begleitpublikation und Begleitprogramm;Anlage 11Antwortdes Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage desAbgeordneten <strong>Hans</strong>-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/13331, Frage 12):In welcher Höhe hat die Bundesregierung, die meine entsprechendeFrage vom 2. April 2009 unvollständig beantwortethat, der Hypo Real Estate Holding AG, HRE, bisherFinanzmittel als Zuschüsse, Kredite, Bürgschaften, Garantienetc. zur Verfügung gestellt oder zugesagt, und bis zu welcherHöchstgrenze – 150 Milliarden Euro oder auch höhere Summenals der Gesamthaushalt des Bundes für 2009 – ist dieBundesregierung noch bereit, dieser Bank zusätzlich weitereFinanzmittel zur Verfügung zu stellen?Wie meine Kollegin Nicolette Kressl Ihnen in derFragestunde am 4. März 2009 – nicht 2. April 2009 – berichtete,hatte zum damaligen Zeitpunkt der Bund derHypo Real Estate Holding AG (HRE) einen Garantierahmenvon insgesamt 87 Milliarden Euro gewährt. 35 MilliardenEuro sagte der Bund bereits vor dem Inkrafttretendes Finanzmarkt-Stabilisierungsfondsgesetzes zu,weitere 52 Milliarden Euro gewährt der Bund über denFinanzmarktstabilisierungsfonds.Seitdem hat der Bund die HRE mit insgesamt rund3,02 Milliarden Euro rekapitalisiert:Am 28. März 2009 erwarb der Bund 20 MillionenAktien aus genehmigtem Kapital zum gesetzlich vorgeschriebenenNennwert von 3 Euro je Aktie. Der Kaufpreisvon 60 Millionen Euro floss als Rekapitalisierungin die HRE. Am 8. Juni 2009 erwarb der Bund rund986,5 Millionen Aktien aus der auf der Hauptversammlungvom 2. Juni 2009 beschlossenen Kapitalerhöhungzum gesetzlich vorgeschriebenen Nennwert von 3 Euroje Aktie. Der Kaufpreis von rund 2,96 Milliarden Eurofloss ebenfalls in die HRE.Zum zweiten Teil Ihrer Frage möchte ich auf Folgendeshinweisen: Nach Meinung aller Experten sind füreine Stabilisierung der Konjunktur funktionierende Finanzmärkteunerlässlich. Jeder weitere Schock für dieFinanzmärkte würde daher auch unsere Bemühungen zurStabilisierung der Konjunktur gefährden. Aus diesemGrund muss ein Zusammenbruch eines systemrelevantenFinanzinstitutes vermieden werden. Das gilt unbestrittenfür die HRE, die aufgrund ihrer mit Lehman Brothersvergleichbaren Bilanzsumme von 420 Milliarden Euroim Jahr 2008 und ihrer Rolle als Geschäftspartner zahlreicherin- und ausländischer Institute systemrelevant ist.Anlage 12(C)(D)– Monografie „Sonderaktion Krakau“ (über die konzertierteVerschleppung von Professoren und Hochschulpersonalder Krakauer Hochschulen in dieKonzentrationslager Sachsenhausen und Dachau am6. November 1939).Das Militärgeschichtliche Forschungsamt wirkt durchVorträge an internationalen wissenschaftlichen Veranstaltungenzur Erinnerung an den Beginn des ZweitenWeltkrieges mit, unter anderem durch seine Amtsleitungbei einer historischen Konferenz in Warschau AnfangSeptember 2009.Antwortdes Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des Abgeordneten<strong>Hans</strong>-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/13331, Frage 13):In welcher Höhe hat die HRE, seit sie die ersten Finanzhilfenaus Steuermitteln ausgezahlt bzw. zugesagt erhielt,Finanzmittel an andere Banken gegeben, etwa an die DeutscheBank AG einen zweistelligen Milliardenbetrag, und waswird die Bundesregierung dagegen unternehmen, dass aufdiesem indirekten steuerfinanzierten Wege auch Banken, diebisher selbst keine Staatshilfen beanspruchten, ihre Bilanzenaufbessern, ohne etwa Auflagen bezüglich ihrer Managerbezügefürchten zu müssen?


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 25017(A)(B)Generell lässt sich sagen, dass kurzfristige Geldanlagenvon Banken bei anderen Kreditinstituten im Rahmendes Liquiditätsmanagements zum üblichen operativenGeschäftsbetrieb gehören.Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor,dass Banken, die bislang keine staatlichen Hilfen in Anspruchnehmen, ihre Bilanzen indirekt mit Mitteln desBundes aufbesserten.Anlage 13Antwortdes Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des AbgeordnetenFlorian Toncar (FDP) (Drucksache 16/13331,Frage 20):Wie ist der Stand der beihilferechtlichen Klärung der Bundesregierungmit der Europäischen Union, GeneraldirektionWettbewerb, zur Formulierungshilfe für einen Änderungsantragder Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD zumGesetz zur Fortentwicklung der Finanzmarktstabilisierung,welche vor dem Kabinettsbeschluss angabegemäß in der Begründungnicht erfolgt ist, und welche Risiken können sichhieraus für die Gesetzgebung ergeben?Die Bundesregierung hat bereits Gespräche mit derGeneraldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommissionim Hinblick auf die beihilferechtliche Relevanzder Formulierungshilfe für einen Änderungsantrag derKoalitionsfraktionen zum Gesetz zur Fortentwicklungder Finanzmarktstabilisierung geführt. Sofern sich inden derzeit weiter fortgeführten Gesprächen herausstellt,dass eine Anpassung der Formulierungshilfe sinnvoll ist,wird die Bundesregierung entsprechende Vorschläge indie laufenden Beratungen des Gesetzentwurfs einfließenlassen.Anlage 14Antwortdes Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Frage des AbgeordnetenFlorian Toncar (FDP) (Drucksache 16/13331,Frage 21):Welches jeweils realistische und maximale Volumen inEuro erwartet die Bundesregierung aus der Ausplatzierungvon Risikopositionen und nicht strategienotwendigen Geschäftsbereichengemäß der Formulierungshilfe für einen Änderungsantragder Koalitionsfraktionen zum Gesetz zur Fortentwicklungder Finanzmarktstabilisierung?Das Volumen aus der Ausplatzierung von Risikopositionenund nicht strategienotwendigen Geschäftsbereichenlässt sich derzeit nicht abschätzen. Um Risiken fürden Bundeshaushalt und den Steuerzahler zu vermeiden,ist in den Formulierungshilfen das Prinzip der Eigentümerverantwortungverankert.Wie löst die Bundesregierung den in ihrer Antwort auf meineschriftliche Frage (siehe Bundestagsdrucksache 16/13332) formuliertenoffensichtlichen Widerspruch auf, wonach unter Geltungdes neuen Art. 104 b des Grundgesetzes einerseits auchsolche Investitionsvorhaben in den Förderbereichen Schulinfrastruktur,Hochschulen und kommunale oder gemeinnützigeEinrichtungen der Weiterbildung förderfähig sind, bei denenkeine energetische Sanierung vorgenommen wird, andererseitsaber „insgesamt … der energetischen Sanierung in jedem derim Gesetz genannten Förderbereiche eine besondere Bedeutungzukommen“ müsse, und auf welche Gesamtheit bezieht sichdas Wort „insgesamt“ in dieser Aussage?Welches Beispiel kann die Bundesregierung vor dem Hintergrundihrer Antwort auf meine schriftliche Frage (sieheBundestagsdrucksache 16/13332) für nach § 3 des Gesetzeszur Umsetzung von Zukunftsinvestitionen der Kommunenund Länder förderfähige Investitionsvorhaben in einem derFörderbereiche Schulinfrastruktur, Hochschulen und kommunaleoder gemeinnützige Einrichtungen der Weiterbildungnennen, bei dem keine energetische Sanierung vorgenommenwird, gleichzeitig aber „insgesamt … der energetischen Sanierung… eine besondere Bedeutung“ zukommt?Zu Frage 22:In der Antwort der Bundesregierung auf Ihre schriftlicheFrage Nr. 273 vom Mai 2009 besteht kein Widerspruch.Ist es unter Geltung des alten Art. 104 b GG beiInvestitionen in den Bereichen Schulinfrastruktur, Hochschulenund kommunale oder gemeinnützige Einrichtungender Weiterbildung für die Gewährung von Finanzhilfendes Bundes für jedes einzelne Vorhaben erforderlichgewesen, dass die energetische Sanierung prägend ist, sosind künftig einzelne Vorhaben auch dann förderfahig,wenn sie keine energetische Sanierung beinhalten.Da aber § 3 Zukunftsinvestitionsgesetz unverändertgeblieben ist, sind Finanzhilfen auch weiterhin in dengenannten Förderbereichen insbesondere für energetischeSanierung einzusetzen. Diese gesetzliche Vorgabeist nach Änderung des Art. 104 b GG dann erfüllt, wennder energetischen Sanierung bei der Gesamtheit der gefördertenVorhaben in dem jeweiligen Förderbereich ineinem Land eine besondere Bedeutung zukommt.Zu Frage 23:Die Antwort auf diese Frage ergibt sich aus der Antwortzu Frage 22:Unter der Geltung des neuen Art. 104 b GG ist es beispielsweisekünftig möglich, im Bereich „Schulinfrastruktur“in einem Land zahlreiche Einzelmaßnahmen zufördern, die keinen Bezug zur energetischen Sanierunghaben (zum Beispiel Erneuerung der Klassenräume oderder Sanitäranlagen). Ausreichend ist es, wenn bei einerGesamtbetrachtung aller Maßnahmen im Bereich„Schulinfrastruktur“ in dem jeweiligen Land der energetischenSanierung eine besondere Bedeutung zukommt.(C)(D)Anlage 15Anlage 16AntwortAntwortdes Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen desAbgeordneten Jan Mücke (FDP) (Drucksache 16/13331,Fragen 22 und 23):des Parl. Staatssekretärs Karl Diller auf die Fragen desAbgeordneten Dr. Ilja Seifert (DIE LINKE) (Drucksache16/13331, Fragen 24 und 25):


25018 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009(A)(B)Inwieweit teilt bzw. bestreitet die Bundesregierung die Argumentationdes DEHOGA Bundesverbandes für die Einführungdes ermäßigten Mehrwertsteuersatzes von 7 Prozent fürdie Hotellerie und Gastronomie (siehe www.dehoga-bundesverband.de)?Welche volkswirtschaftlichen, steuerlichen und arbeitsmarktpolitischenEffekte und Auswirkungen hätte diese vonder Tourismuswirtschaft geforderte Mehrwertsteuersenkung?Die Bundesregierung spricht sich gegen die Einführungdes ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Leistungendes Hotellerie- und Gaststättengewerbes aus. DieArgumentation des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands(DEHOGA) hierzu ist nicht überzeugend.Der DEHOGA hat Ende März dieses Jahres5 700 Hoteliers und Gastronomen befragt, wie sie gegebenenfallsden Mehrwertsteuervorteil bei einer Steuersenkungvon 19 Prozent auf 7 Prozent verwenden würden.DEHOGA geht von Steuermindereinnahmen inHöhe von 3,4 bis 3,8 Milliarden Euro aus.Das Ergebnis der Befragung bestätigt die ablehnendePosition des Bundesministeriums der Finanzen:Lediglich 21,1 Prozent des Steuervorteils würden andie Kunden weitergegeben werden, dies sind 0,8 MilliardenEuro. Der Rest des Vorteils verbliebe somit beimUnternehmen, davon 10,4 Prozent bzw. 0,4 MilliardenEuro explizit als Gewinnsteigerung. Auf die Verbesserungder Gewinnsituation für deutsche Gastronomendurch die geforderte Mehrwertsteuersatzsenkung weistDEHOGA auch in ihrem Positionspapier hin, auf das inder Frage Bezug genommen wird.Fazit: Die Umfrage bestätigt: Eine Steuersenkungwäre teuer und ineffizient. Nur ein Bruchteil der Steuersenkungwürde beim Bürger ankommen. Wettbewerbsverzerrungenmit anderen Branchen wären zu erwarten.Die soziale Dimension dieser Maßnahme ist schwachausgeprägt.Anlage 17Antwortdes Parl. Staatssekretärs <strong>Peter</strong> Hintze auf die Fragendes Abgeordneten <strong>Hans</strong>-Joachim Otto (Frankfurt)(FDP) (Drucksache 16/13331, Fragen 26 und 27):Wie haben sich nach Erkenntnissen der Bundesregierungdie Verbraucherpreise bei Telefonaten vom Festnetz zum Mobilfunknetzseit der regulatorischen Absenkung der Terminierungsentgelteim November 2006 entwickelt, und wie bewertetsie diese im Hinblick auf ihre Grundsätze der Telekommunikationsregulierunginsgesamt sowie das durch den Präsidentender Bundesnetzagentur ausgegebene Ziel der am Verbraucherinteresseorientierten Regulierung?Teilt die Bundesregierung die 2007 geäußerte Ansicht derMonopolkommission, dass die Entgelte bei Telefonaten vomFestnetz zum Mobilfunknetz trotz der regulatorischen Absenkungder Terminierungsentgelte konstant geblieben seien, was zumissbräuchlich überhöhten Preisen und somit zusätzlichen Profitenbei der Deutschen Telekom AG geführt habe, und welcheKonsequenzen ergeben sich daraus für die Bundesregierung?Sprach- und Datenverbindungen sowohl im Festnetz alsauch im Mobilfunk geführt. In der Betrachtung des gesamtenfür die Verbraucher relevanten Warenkorbs hatsich eine deutlich bessere Versorgung der Konsumentennicht nur durch niedrigere Preise, sondern auch durcheine größere Angebotsvielfalt eingestellt.Die Entwicklung der Entgelte für Telefonate vomFest- zum Mobilfunknetz bleibt tatsächlich hinter denPreissenkungen für einzelne andere Leistungen zurück,auch wenn darauf hinzuweisen ist, dass für diese Gesprächekein eigener, konsistenter Preisindex vorliegt.Solche Entwicklungen bei einzelnen Produkten sindallerdings immer im Zusammenhang mit der bisher insgesamtsehr positiven Gesamtbetrachtung zu beurteilen.Hiervon abweichende Entwicklungen bei Einzelproduktenkönnen zum Beispiel durch die Wahl neuer, innovativerTarifangebote wie Flatrates, Minutenpakete, Optionstarifeund Ähnlichem kompensiert werden. Sobietet zum Beispiel die Deutsche Telekom Optionstarifeund Komplettpakete an, bei denen deutlich günstiger alsin den Standardtarifen für 12,9 c/Min. bzw. 19 c/Min. inMobilfunknetze telefoniert werden kann.Zudem haben Kunden der Deutschen Telekom Substitutionsmöglichkeitenbei einzelnen Gesprächen durchdie Betreiberauswahl (Call-by-Call), die Tarife von circa10 c/Min. (teilweise weniger) ermöglicht.Zusätzlich ist es für einige Nutzer möglich, durch Pakettarifean ihrem Mobilfunkanschluss andere mobileNutzer günstiger zu erreichen und so die Festnetz-zu-Mobilfunk-Entgelte zu umgehen.Zu Frage 27:Bezüglich der Preisentwicklung sei auf die Erläuterungenzu Frage 26 verwiesen.Eine Beurteilung, ob die genannten Preisentwicklungendie Kriterien eines missbräuchlichen Verhaltens erfüllen,obliegt den zuständigen Behörden, das heißt bei Vorliegeneiner Zuständigkeit nach § 10 Abs. 2 TKG derBundesnetzagentur oder andernfalls dem Bundeskartellamt.Diese Behörden sind gehalten, bei Vorliegen der entsprechendenVoraussetzungen unverzüglich zu handeln.Anlage 18Antwortdes Parl. Staatssekretärs <strong>Peter</strong> Hintze auf die Fragen desAbgeordneten Dr. h. c. Jürgen Koppelin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 16/13331, Fragen 28 und 29):Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussagen des Sachverständigenrateszur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichenEntwicklung, dass „die Politik … die mit der ,Rettung’von Opel eingeleitete Strategie keinesfalls fortsetzen“ sollte(Reuters vom 9. Juni 2009)?Sind die Aussagen des Sachverständigenrates zur Begutachtungder gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in der Bundesregierungberaten worden?(C)(D)Zu Frage 26:Zu Frage 28:Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass es sichbei der Adam Opel GmbH um einen gesondert zu be-Insgesamt hat der Wettbewerb auch in den letztenJahren zu weiteren deutlichen Preissenkungen bei


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 25019(A)trachtenden Einzelfall handelt. Bei der Gesamtwürdigungdieses Einzelfalls ist eine Brückenfinanzierung fürOpel gerechtfertigt.Der Wertung des Sachverständigenrates, hiermit seiein Präzedenzfall geschaffen worden, wird von der Bundesregierungwidersprochen.Zu Frage 29:Die vom Sachverständigenrat vorgetragenen Argumentewerden von der Bundesregierung stets in ihreÜberlegungen mit einbezogen.Anlage 19Antwortdes Parl. Staatssekretärs <strong>Peter</strong> Hintze auf die Frage derAbgeordneten Sabine Zimmermann (DIE LINKE)(Drucksache 16/13331, Frage 32):Auf welche Summe können sich nach Ansicht der Bundesregierungdie gesellschaftlichen Gesamtkosten der Insolvenzder Arcandor AG bzw. der betroffenen Tochterfirmenbelaufen – Kosten von Insolvenzgeld, Betriebsstilllegung undwas noch damit verbunden ist, bitte in Millionen Euro angeben–, und welche Kosten und Arbeitsplatzverluste waren mitden fünf größten Insolvenzen in den letzten zehn Jahren imEinzelhandel – bitte Angaben für die einzelnen Fälle separat –verbunden?Es können seitens der Bundesregierung zum jetzigenZeitpunkt keine belastbaren Aussagen zur Frage der gesellschaftlichenGesamtkosten getroffen werden, da essich bei den hierzu erforderlichen Rahmendaten (zumBeispiel konkret betroffene Arbeitsplätze, Lohnhöhe,Betriebsrenten) um betriebliche Informationen handelt,die der Bundesregierung im Einzelnen nicht vorliegen.Nach den verschiedenen, der Bundesregierung bisherdargelegten privatwirtschaftlichen Umstrukturierungskonzeptenist davon auszugehen, dass ein nennenswerterAnteil der bisherigen Arbeitsplätze voraussichtlich erhaltenwerden kann. Hinsichtlich der gesamtfiskalischenKosten der Arbeitslosigkeit kann im Allgemeinen aufFolgendes verwiesen werden:Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung(IAB) berechnet so genannte gesamtfiskalische Kostender Arbeitslosigkeit. Sie entstehen den öffentlichenHaushalten unmittelbar in Gestalt von Ausgaben undmittelbar durch Mindereinnahmen. Nach diesen Berechnungen(lAB-Kurzbericht Nr. 14/2008) für das Jahr 2007kostet ein Bezieher von Arbeitslosengeld den Fiskus imDurchschnitt jährlich 22 700 Euro.Der Bundesregierung liegen keine Auswertungen dergesamtfiskalischen Kosten für einzelne Insolvenzfälleim Einzelhandel vor.Welche bisher noch nicht begonnenen Bundesfernstraßenbauprojektenach dem Bundesverkehrswegeplan 2003 in demBundesland Brandenburg werden in den Jahren 2009 und2010 dotiert?Folgende noch nicht begonnenen Bundesfernstraßen-Bauprojekte aus dem vom Bundeskabinett am 2. Juli2003 beschlossenen Bundesverkehrswegeplan sind imStraßenbauplan 2009 (Anlage zu den Kapiteln 1202 und1210 des Bundeshaushaltes 2009) veranschlagt: AutobahnA 10, Umbau Autobahndreieck Schwanebeck(Maßnahme der „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“);Autobahn A 10, Autobahndreieck Potsdam bis AutobahndreieckNuthetal, 8-streifige Erweiterung (Maßnahmeder „Verkehrsprojekte Deutsche Einheit“); BundesstraßeB 1, Ortsumgehung Herzfelde (Maßnahme desKonjunkturpakets II); Bundesstraße B 101, OrtsumgehungLuckenwalde–Wiesenhagen; Bundesstraße B 112,Ortsumgehung Brieskow-Finkenheerd/Wiesenau (Maßnahmeder Liste Mautmehreinnahmen 2009 bis 2012);Bundesstraße B 179, Ortsumgehung Königs Wusterhausen(Maßnahme des „Arbeitsplatzprogramms Bau undVerkehr“).Einige dieser Maßnahmen wurden nachträglich in denStraßenbauplan 2009 eingestellt. Für 2010 können nochkeine Aussagen gemacht werden.(C)(B)Anlage 21Antwortder Parl. Staatssekretärin Astrid Klug auf die Fragen derAbgeordneten Gitta Connemann (CDU/CSU) (Drucksache16/13331, Fragen 40 und 41):Wie beurteilt die Bundesregierung die Aussage des BundesministersSigmar Gabriel in der taz vom 30. Mai 2009, wonachdie neun bereits im Bau befindlichen Kohlekraftwerkewie geplant weitergebaut werden sollten, für alle weiterenaber strenge Bedingungen gelten würden – Zitat: „Neue undnoch nicht im Bau befindliche Kohlekraftwerke sollen in Zukunftnur noch dann genehmigt werden, wenn sie über eineAbscheide- und Abspeichertechnik für CO 2 verfügen“ –, undwie soll diese Zielsetzung gesetzgeberisch umgesetzt werden?Wie beurteilt die Bundesregierung die oben genannte Aussagedes Bundesministers Sigmar Gabriel in der taz vom30. Mai 2009 gegenüber seiner Aussage mit Schreiben vom27. Mai 2009 an den Landrat des Landkreises Leer, in der ervor dem Hintergrund des Baus neuer Kohlekraftwerke imJade-Ems-Raum auf die in diesem Zusammenhang seitens desKreistages Leer geäußerten Bedenken antwortete: „Der deutscheEnergiemix wird kurz- bzw. mittelfristig nicht ohneKohle auskommen“?Die Bundesregierung kommentiert grundsätzlichnicht die Äußerungen einzelner Kabinettsmitglieder.(D)Anlage 22Antwortder Parl. Staatssekretärin Astrid Klug auf die Frage desAbgeordneten <strong>Hans</strong>-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) (Drucksache 16/13331, Frage 42):Wann wurde die Überarbeitung des Kerntechnischen Regelwerksabgeschlossen, und aus welchem Grund hat dieBundesregierung es versäumt, das Regelwerk im Bundesanzeigerzu veröffentlichen, obwohl es das Ergebnis einesfünfjährigen Prozesses unter Einbeziehung von Experten undder Bundesländer ist?Anlage 20Antwortdes Parl. Staatssekretärs Ulrich Kasparick auf die Frageder Abgeordneten Diana Golze (DIE LINKE) (Drucksache16/13331, Frage 37):


25020 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009(A)Der Entwurf der neuen „Sicherheitskriterien fürKernkraftwerke – Revision D“ wurde im April 2009 fertiggestellt.Am 4. Juni 2009 wurde zwischen dem Bundesumweltministeriumund den atomrechtlichen AufsichtsundGenehmigungsbehörden der Bundesländer Hessen,Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Niedersachsenund Bayern eine 16-monatige Probeanwendungsphasevereinbart, die am 1. Juli 2009 beginnt. Die probeweiseAnwendung der neuen Sicherheitskriterien erfolgtparallel zu dem in atomrechtlichen Verfahren maßgebendenbisherigen übergeordneten Regelwerk. Diesesumfassende Konsultationsverfahren, sogenanntes „Grünbuchverfahren“,mit Ländern, Energieversorgungsunternehmenund Wissenschaft soll dazu beitragen,praktische Erfahrungen in der Anwendung der neuen Sicherheitskriterienzu sammeln und in dem zwischenBund und Ländern vereinbarten Prozess auszuwerten.Bund und Länder überarbeiten gemeinsam auf dieserGrundlage praktischer Erfahrungen aus der Erprobungdas Regelwerk bis Mitte 2011. Erst am Ende des Verfahrenserfolgt die Veröffentlichung der neuen Sicherheitskriteriendurch das Bundesumweltministerium im Bundesanzeigerals „Weißbuch“.Sowohl die Revision D der neuen Sicherheitskriterienals auch die genannte Vereinbarung von BMU und Ländernsind auf der Internetseite des BMU veröffentlicht.und Entwicklung betriebenen Schachtanlage Asse II keinenennenswerte Forschung betrieben, sondern lediglich Atommüllder Kernkraftwerksindustrie billig entsorgt wurde?Die Schachtanlage Asse diente von Anfang an alsPrototyp für die Entsorgung radioaktiver Abfälle und dieErforschung und Erprobung von Einlagerungstechniken.Dabei wurde von einem dauerhaften Verbleib der Abfälleausgegangen, da sich der Erprobungs- und Forschungsaspektauf die Einlagerungstechniken, nicht aberden Verbleib der Abfälle bezog. Daneben haben sich diein der Asse durchgeführten und geplanten Forschungsarbeitenmit Salzstöcken als Wirtsgestein für radioaktiveAbfälle befasst, zum Beispiel wurde der Einfluss vonWärme und Strahlung auf das Salz untersucht, und weitereFragen der Endlagerung hochradioaktiver Abfällewaren Gegenstand der Forschung.Anlage 25Antwortder Parl. Staatssekretärin Astrid Klug auf die Fragen derAbgeordneten Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) (Drucksache 16/13331, Fragen 45 und 46):Welche Zahlungen gab es ab dem Jahr 2002 vom DeutschenAtomforum und Unternehmen der Atom- und Energiewirtschaftan die GSF, Forschungszentrum für Umwelt undGesundheit, bzw. das Helmholtz-Zentrum München, HZM,und wofür wurden diese Mittel von der GSF bzw. dem HZMdann tatsächlich verwendet?Welche Gespräche bezüglich Zahlungen an den ehemaligenBetreiber des Atommülllagers Asse II, die GSF, Forschungszentrumfür Umwelt und Gesundheit, bzw. das Helmholtz-ZentrumMünchen, HZM, gab es konkret zwischen demBundesministerium für Bildung und Forschung, BMBF, einerseitsund Vertretern des Deutschen Atomforums und derGSF bzw. dem HZM andererseits, und zu welchen wesentlichenErgebnissen führten die Gespräche jeweils?(C)(B)Anlage 23Antwortder Parl. Staatssekretärin Astrid Klug auf die Frage desAbgeordneten <strong>Hans</strong>-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) (Drucksache 16/13331, Frage 43):In welcher Form und mit welchem Zeitplan will die Bundesregierungden Deutschen Bundestag sowie Nichtregierungsorganisationen– darunter vor allem die Erneuerbare-Energien-Verbände – bei der Erstellung der nationalen Aktionspläneim Rahmen der EU-Richtlinie für erneuerbareEnergien einbinden?Der nationale Aktionsplan muss bis Mitte nächstenJahres bei der Kommission eingereicht werden. Überden Zeitplan und die Einbindung des Deutschen Bundestagssowie von Nichtregierungsorganisationen in die Erstellungdes nationalen Aktionsplans im Rahmen derEU-Richtlinie wird die kommende Bundesregierung entscheiden.Anlage 24Antwortder Parl. Staatssekretärin Astrid Klug auf die Frage derAbgeordneten Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) (Drucksache 16/13331, Frage 44):Wie beurteilt die Bundesregierung die durch die Aussagedes Präsidenten des Bundesamtes für Strahlenschutz vom4. Juni 2009, die Asse sei von Anfang an als Entsorgungsanlagegeplant worden und ihm sei ein Forschungsdesign niemalsuntergekommen, bestätigte Tatsache, dass in der imVerantwortungsbereich der Bundesministerin für ForschungZu Frage 45:Nach Auskunft des Helmholtz-Zentrums Münchengab es ab dem Jahr 2002 keine Zahlungen des deutschenAtomforums und der Unternehmen der Atom- und Energiewirtschaftan die GSF, Forschungszentrum für Umweltund Gesundheit bzw. Helmholtz-Zentrum München,HZM.Zu Frage 46:Für die Finanzierung der Asse-Öffentlichkeitsarbeitwurden zwischen 1997 und 2002 Zahlungen in Höhe von613 000 Euro netto von der Inforum GmbH, Berlin andie GSF geleistet (es wird auch auf die Antwort zurmündlichen Frage der Abgeordneten Brigitte Pothmer inder Fragestunde am 27. Mai 2009, Plenarprotokoll 16/223,verwiesen). Grundlage dieser Finanzierungszusage istein Gespräch zwischen PreussenElektra und dem damaligenLeiter des Forschungsbergwerkes Asse.Die Finanzierung wurde mit Ablauf des Jahres 2002gemäß einer Vereinbarung vom 25. November 2002 zwischender GSF und dem Informationskreis Kernenergie(vertreten durch die INFORUM Verlags- und VerwaltungsgesellschaftmbH) eingestellt.(D)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 25021(A)Anlage 26Antwortder Parl. Staatssekretärin Astrid Klug auf die Fragen derAbgeordneten Eva Bulling-Schröter (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) (Drucksache 16/13331, Fragen 51 und 52):Warum ist die Infrastruktur des Bergwerks Gorleben, insbesonderedie Dimensionierung der Schächte und aufgefahrenenStrecken, „deutlich größer ausgefallen als“ – für die Erkundungdes Salzstocks – „notwendig“, wie der Präsident desBundesamtes für Strahlenschutz, Wolfram König, in einemInterview der Frankfurter Rundschau vom 1. Juni 2009 bestätigt?Wer entschied wann, über das für die Erkundung notwendigeMaß hinaus, das Bergwerk in Gorleben auszubauen?Zu Frage 51:Auf die Antwort der Bundesregierung auf die FrageNr. 9 a der Kleinen Anfrage „Eignung der StandorteGorleben und Schacht Konrad für die Endlagerung vonradioaktivem Müll“ vom 26. Juni 2006, Bundestagsdrucksache16/1963, wird verwiesen.Zu Frage 52:Die Entscheidung zur Erkundung in Gorleben wurdedurch die damalige Bundesregierung getroffen. Im Übrigenwird auf die Antwort der Bundesregierung auf dieFrage Nr. 9 a der Kleinen Anfrage „Eignung der StandorteGorleben und Schacht Konrad für die Endlagerungvon radioaktivem Müll“ vom 26. Juni 2006, Bundestagsdrucksache16/1963, verwiesen.Zu Frage 55:tung vom 3. Juni 2009, „Bayern will Chaos bei Unizulassungbeenden“), und rechnet die Bundesregierung angesichts dieserVerzögerung damit, dass das dialogorientierte Serviceverfahrenfür die Hochschulzulassung zum 1. April 2011 einsetzbarist, zumal aus Kreisen der KMK verlautet, „dass sich die Suchenach einem Softwareentwickler noch einige Monate hinziehenwird“ (Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 3. Juni 2009,„Bayern will Chaos bei Unizulassung beenden“)?Die Entwicklung des Serviceverfahrens Hochschulzulassungbzw. die Vergabe eines darauf gerichtetenAuftrags erfolgt nicht durch die Bundesregierung oderdas Bundesministerium für Bildung und Forschung.Herr des Verfahrens ist die (ländergemeinsame) Zentralstellefür die Vergabe von Studienplätzen (ZVS), die inBezug auf das künftige Serviceverfahren Hochschulzulassungan die Beschlüsse einer gemeinsamen Steuerungsgruppevon Kultusministerkonferenz (KMK) undHochschulrektorenkonferenz (HRK) gebunden ist. Dieletztendliche Billigung des Lastenhefts erfolgt durchdiese KMK-/HRK-Steuerungsgruppe, die Ausschreibungder Softwareentwicklung durch bzw. im Auftragder ZVS. Den genannten Akteuren obliegt deshalb auchdie förmliche Beteiligung von mit Fragen des Datenschutzesbefassten Stellen. Dies hatte der SachverständigeProfessor Jähnichen in dem genannten Fachgesprächausdrücklich erklärt. Staatssekretär AndreasStorm hatte im weiteren Verlauf des Fachgesprächs aufdiese Auskunft des Sachverständigen Bezug genommen.Zu Frage 56:(C)(B)Anlage 27Antwortdes Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Fragendes Abgeordneten Kai Gehring (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) (Drucksache 16/13331, Fragen 55 und 56):Warum hat die Bundesregierung der am 25. März 2009während eines Fachgespräches im Ausschuss für Bildung undForschung des Deutschen Bundestages zum Thema Hochschulzulassungvom Parlamentarischen Staatssekretär bei derBundesministerin für Bildung und Forschung Andreas Stormgemachten Zusage nicht entsprochen, bei der Entwicklung einesdialogorientierten Serviceverfahrens für die Hochschulzulassungdie Gewährleistung des Datenschutzes während desBewerbungsverfahrens zu sichern und für die Beteiligung desBundesbeauftragten für den Datenschutz und die InformationsfreiheitSorge zu tragen, und bis zu welchem Terminwird/werden der Bundesbeauftragte für den Datenschutz unddie Informationsfreiheit und/oder seine Kollegen in den Länderneinbezogen, was laut Schreiben des Bundesbeauftragtenfür den Datenschutz und die Informationsfreiheit vom 25. Mai2009 an mich bisher nicht erfolgt ist?Wie erklärt sich die Bundesregierung die Verzögerung beider Ausschreibung der Softwareentwicklung für ein dialogorientiertesServiceverfahren für die Hochschulzulassung, dieursprünglich noch im Mai 2009 „unmittelbar nach Entsperrungder Bundesmittel durch den Haushaltsausschuss“ desDeutschen Bundestages erfolgen sollte (Quelle: Brief vonKarl Diller, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesministerder Finanzen, an den Vorsitzenden des Haushaltsausschussesdes Deutschen Bundestages, Otto Fricke, vom28. April 2009), da eine Arbeitsgruppe der Kultusministerkonferenz,KMK, nun aber erst „in zwei Wochen“ den Ausschreibungstextbeschließen werde (Quelle: Süddeutsche Zei-Die eingetretene Verzögerung ist durch einen zuvornicht absehbaren Klärungsbedarf bei einzelnen Detailpunktendes Lastenhefts entstanden. Die Bundesregierunggeht nach den ihr vorliegenden Informationen nichtdavon aus, dass sich hieraus negative Auswirkungen aufden geplanten Zeitpunkt für den Start des dialogorientiertenServiceverfahrens ergeben. Die zitierte Passageaus der Süddeutschen Zeitung „dass sich die Suche nacheinem Softwareentwickler noch einige Monate hinziehenwird“ betrifft den ohnehin mit dem Ausschreibungsverfahrenverbundenen Zeitbedarf. Der mit der Fragestellungunternommene Versuch, dies als zusätzlicheVerzögerung darzustellen („zumal“), ist deshalb zurückzuweisen.Anlage 28Antwortdes Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Frageder Abgeordneten Cornelia Hirsch (DIE LINKE)(Drucksache 16/13331, Frage 57):Welche Ziele des vom 15. bis 19. Juni 2009 stattfindendenbundesweiten Bildungsstreiks teilt die Bundesregierung, undinwiefern plant die Bundesregierung, im Rahmen der GemeinsamenWissenschaftskonferenz, GWK, die Ziele desvom 15. bis 19. Juni 2009 stattfindenden bundesweiten Bildungsstreikeszu thematisieren?Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass Bildungund Ausbildung ein entscheidender Schlüssel zugesellschaftlicher Teilhabe, zu Wohlstand und individu-(D)


25022 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009(A)(B)ellem Aufstieg sind. Deshalb hat sich die Bundesregierungfür die größte Bildungs- und Wissenschaftsoffensiveeingesetzt, die es je in Deutschland gegeben hat.Mit der in Dresden beim Qualifizierungsgipfel am22. Oktober 2008 beschlossenen „Qualifizierungsinitiativefür Deutschland“ haben Bund und Länder erstmalsüber alle Bildungsbereiche hinweg gemeinsame Zieleund Maßnahmen vereinbart wie die Halbierung der Zahlder Schul- und Ausbildungsabbrecher bis 2015, den qualitativenAusbau der frühkindlichen Bildung, verbindlicheSprachstandsfeststellungen und Sprachförderung vorder Einschulung sowie eine verstärkte Berufsorientierung.Wichtigster Beschluss der Qualifizierungsinitiativeist das Ziel, bis 2015 den Anteil der Ausgaben für Bildungund Forschung auf 10 Prozent des Bruttoinlandsproduktszu steigern.Weiterhin haben die Regierungschefs von Bund undLändern am 4. Juni 2009 die Fortsetzung des Hochschulpakts2020, der Exzellenzinitiative und des Pakts fürForschung und Innovation beschlossen und sich damitverpflichtet, bis 2019 rund 18 Milliarden Euro für Wissenschaftund Forschung aufzuwenden. Die bisherigeEntwicklung der Studienanfängerzahlen zeigt, dassschon die erste Phase des Hochschulpakts 2020 wirkt.Mit 39,3 Prozent hat die Studienanfängerquote bereitsim Wintersemester 2008/09 einen historischen Höchststanderreicht. Durch die zweite Programmphase desHochschulpakts bis 2015 soll nunmehr das Potenzial vonrund 275 000 zusätzlichen Studienanfängern ausgeschöpftwerden.Ferner wurden die Bedarfssätze und die Einkommensfreibeträgeim BAföG angehoben. Die Zahl der insgesamtim Rahmen des BAföG Geförderten ist außerdemseit Beginn der Legislaturperiode um rund75 000 angewachsen.Darüber hinaus werden die Investitionen im Rahmender beschlossenen Konjunkturprogramme zu einem sehrgroßen Teil in Bildungs- und Forschungsinfrastrukturgetätigt. In den Jahren 2009 und 2010 werden Bund undLänder insgesamt rund 8,7 Milliarden Euro für die Sanierungund Modernisierung von Bildungsinfrastrukturaufbringen.Anlage 29Antwortdes Parl. Staatssekretärs Andreas Storm auf die Frageder Abgeordneten Cornelia Hirsch (DIE LINKE)(Drucksache 16/13331, Frage 58):Wie begründet die Bundesregierung ihre Entscheidung,keine gesetzlichen Regelungen zur Verbesserung der Situationvon Praktikantinnen und Praktikanten in dieser Legislaturperiodeauf den Weg bringen zu wollen, vor dem Hintergrund,dass sich insgesamt über 100 000 Bürgerinnen und Bürger imRahmen einer Petition für mehr gesetzliche Regelungen ausgesprochenhaben?Ziel der Bundesregierung ist ein qualitativ und quantitativgutes Angebot von Praktika, einem zentralen Bindegliedzwischen Qualifizierung und Erwerbsarbeit.Nach vorliegenden Studien sind Praktika in der überwiegendenMehrzahl der Fälle ein sinnvolles und gutesInstrument. Gleichwohl nimmt die BundesregierungHinweise und Berichte über Fälle von Missbrauch vonPraktikantenverhältnissen ernst, die unter anderem Gegenstandder Beratungen im Petitionsausschuss desDeutschen Bundestages waren.Einvernehmen besteht, dass der Missbrauch vonPraktika nicht zu tolerieren ist. Vor diesem Hintergrundhaben die beteiligten Ressorts den Handlungsbedarf fürgesetzliche Regelungen intensiv erörtert. Angesichts derdabei deutlich werdenden schwierigen Detailfragenkonnte allerdings zum gegenwärtigen Zeitpunkt keineabschließende Verständigung erzielt werden.Anlage 30Antwortdes Staatsministers Günter Gloser auf die Fragen der AbgeordnetenKerstin Müller (Köln) (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN) (Drucksache 16/13331, Fragen 60 und 61):Tritt die Bundesregierung für eine unkonditionierte Umsetzungder Vertiefung der EU-Israel-Beziehungen ein, undwelche Haltung hat sie im Rahmen des EU-Israel-Assoziierungsratesam 15. Juni 2009 vertreten?Was ist das Ergebnis dieses Treffens?Zu Frage 60:Aus Anlass des 9. Assoziationsrats hat die EU ihreBeschlüsse vom Dezember 2008 bekräftigt und erneutunterstrichen, welch hohe Bedeutung sie ihren Beziehungenzu Israel beimisst.Die Perspektive einer weiteren Intensivierung der Beziehungenbesteht und die Europäische Union ist weiterhinbereit, diese qualitativ und quantitativ zu verstärken.Die Bundesregierung hat immer deutlich gemacht,dass eine Intensivierung der Beziehungen zwischen Israelund der Europäischen Union im beiderseitigen Interesseliegt.Sie hat diesen Prozess deshalb von Beginn an mitNachdruck unterstützt. Zusammen mit ihren europäischenPartnern ist die Bundesregierung der Auffassung,dass der Prozess der Vertiefung im Kontext der gemeinsamenInteressen und Ziele betrachtet werden muss, zudenen auch die Lösung des israelisch-palästinensischenKonflikts gehört.Zugleich setzt sich die Bundesregierung für eine paralleleAufwertung der Beziehungen der EuropäischenUnion zur Palästinensischen Autonomiebehörde ein.Zu Frage 61:Der 9. EU-Israel-Assoziationsrat bot Gelegenheit zueinem umfassenden Meinungsaustausch mit Israel sowohlzu den bilateralen Beziehungen als auch zu denwichtigsten Aspekten des Nahostfriedensprozesses.Beide Seiten haben anlässlich des Treffens umfangreicheErklärungen abgegeben, aus denen die jeweiligen Positionenklar hervorgehen.(C)(D)


Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 226. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 17. Juni 2009 25023(A)Anlage 31Neuabdruck einer Erklärung nach § 31 GOder Abgeordneten Marianne Schieder, KlausBarthel, Dr. Axel Berg, Martin Burkert, ElviraDrobinski-Weiß, Petra Ernstberger, GabrieleFograscher, Angelika Graf (Rosenheim), GustavHerzog, Frank Hofmann (Volkach), Dr. h. c.Susanne Kastner, Walter Kolbow, MechthildRawert, Marlene Rupprecht (Tuchenbach),Ewald Schurer, Dr. Marlies Volkmer, HeidiWright und Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (alleSPD) zur namentlichen Abstimmung über dieBeschlussempfehlung: Milch-Exportsubventionensofort stoppen – Weitere Zerstörung derMärkte in Entwicklungsländern verhindern(224. Sitzung, Tagesordnungspunkt 9)Verantwortungsvolle Politik bedeutet, nicht nur dieLösung der Probleme im eigenen Land anzupacken, sonderngenau zu prüfen, welche Auswirkungen unser Handelnandernorts hat. In einer globalisierten Welt ist esmehr denn je notwendig, dass wir als Industrienation geradedie Situation der Menschen im Blick haben, die vonHunger und Not betroffen sind. Daher ist das Instrumentder Exportsubventionen für Agrarprodukte klar abzulehnen.Es kann nicht sein, dass die Europäische Union zurBewältigung der Probleme auf dem Milchmarkt wiederzu Mitteln greift, die sie laut Bekundungen in den WTO-Verhandlungen bis 2013 abschaffen will, da sienachweislich problematisch für andere Märkte sind, insbesonderein den ärmsten Ländern der Welt. Es ist außerdemnicht zu akzeptieren, dass vonseiten der EuropäischenUnion vermeintlich nur in die Ländersubventionierte Ware exportiert wird, die nicht unmittelbarvon Hunger betroffen sind. Jeder weiß, dass dieseProdukte letztendlich über Umwege gerade in den ärmstenLändern lokale Märkte zerstören. Die EuropäischeUnion erlaubt es sich im Moment, auf dem Rücken derÄrmsten die Lösung ihrer Probleme in der Agrarpolitikanzugehen.Verantwortungsvolle und verlässliche Politik beinhaltetaber auch, dass man sich an Vereinbarungen wie zumBeispiel einen Koalitionsvertrag hält. Gerade in schwierigenZeiten ist dies erforderlich, um nicht im Chaos zuenden. Leider ist es derzeit in der Koalition nicht möglich,ein klares Mehrheitsvotum gegen den Einsatz vonExportsubventionen auf den Weg zu bringen.(C)(B)(D)


Gesamtherstellung: H. Heenemann GmbH & Co., Buch- und Offsetdruckerei, Bessemerstraße 83–91, 12103 BerlinVertrieb: Bundesanzeiger Verlagsgesellschaft mbH, Amsterdamer Str. 192, 50735 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Telefax (02 21) 97 66 83 44ISSN 0722-7980

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