09.07.2015 Aufrufe

Psychische Erkrankungen im Jugendalter - www.gesunde-schule ...

Psychische Erkrankungen im Jugendalter - www.gesunde-schule ...

Psychische Erkrankungen im Jugendalter - www.gesunde-schule ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Psychische</strong> <strong>Erkrankungen</strong> <strong>im</strong> <strong>Jugendalter</strong>Symposium Jugendliche und junge Erwachsene mitpsychischen Störungen <strong>im</strong> SchulalltagUlm 22.4.2009Michael Kölch


Forschungsförderung:BMFFSJSchweizer Bundesamt für JustizEli Lilly International FoundationBoehringer Ingelhe<strong>im</strong>Europäische AkademieMitarbeit in klinischen StudienEli LillyAstra ZenecaJanssen-CilagReisebeihilfen/Vortragshonorare:Janssen-CilagUniversität RostockDGKJPPUCBdiverse gemeinnützigeOrganisationenKeine Aktien, keine Beteiligungen anPharmafirmen


Was sind psychische StörungenRisikofaktorenBeispiele für best<strong>im</strong>mte StörungenWas tun?


<strong>Psychische</strong> Störungen bei MinderjährigenGenerell können (fast) alle Störungen, die bei Erwachsenen bekanntsind auch bei Kindern und Jugendlichen auftretenZusätzlich ein breites Spektrum spezifischer Störungen <strong>im</strong> Kindes- und<strong>Jugendalter</strong>:ZwangsstörungenADHDMutismusEssstörungenEmotionale Störungmit TrennungsangstEnuresisStörung desSozialverhaltensAutismusTeile der Störungen qualitative Veränderungen <strong>im</strong> psychischenErleben, Teile davon entwicklungsphysiologische Normvarianten


<strong>Psychische</strong> Störungen Charakteristika undKlassifikationssystemeErhebliche krankheitswertige Abweichungen <strong>im</strong> Erlebenoder/und VerhaltenZeigen sich auf Ebenen ► Denken, ► Fühlen, ► HandelnTypische Eigenschaften von psychischen Störungen sind,•dass sie sehr eingeschränkt willentlich zu steuern sind•sie länger dauern•sie Leiden verursachen•sie das Leben beeinträchtigen ( Familie, Schule, Ausbildung)Medizinische Klassifikationssysteme:ICD-10: WHODSM-IV: APA


Bio-psycho-soziales ModellAls integrale Erklärungsfigur für psychische Störungen und ihre Behandlung<strong>im</strong> Kindes- und <strong>Jugendalter</strong> kann das biopsychosoziale Modell gelten(Herpertz-Dahlmann et al., 2007)Biologische Faktoren: z.B. Genetik<strong>Psychische</strong> Faktoren: z.B. negativer Denkstil („ich schaffe nichts“)Soziale Faktoren: z.B. Verlust einer liebevollen Beziehung, ArbeitslosigkeitBiologischeFaktoren<strong>Psychische</strong>FaktorenSozialeFaktorenResilienzfaktoren<strong>Psychische</strong>StörungResilienzfaktoren


Gelingendes Aufwachsen von Jugendlichen undpsychische Störungenweitaus größter Teil der Kinder entwickelt sich positiv bzw. unauffälligaberVerunsicherung bei Eltern (Erziehungsgutachten des wiss. BeiratsFamilienfragen 2005)– Shell Studie: 50% der befragten Eltern wissen nicht, woran sie sichin der Erziehung halten sollen (Deutsche Shell, 2000)Verunsicherung bei Kindern und Jugendlichen: die pragmatische,opt<strong>im</strong>istische Jugend steht zunehmend „unter Druck“ (Deutsche Shell,2006)– Werte: Leistungsorientierung, Engagement, Orientierung ankonkreten und nahe liegenden Problemen, Wunsch nachbefriedigenden Beziehungen– rasche, schwer vorhersehbare Veränderungen von ökonomischen,sozialen und beruflichen Lebensbedingungen– geringe Berufsaussichten/ Ausbildung; sehen etwas unsicherer indie Zukunft, weniger politisch (1984: 57%; 2006: 39%), Solidaritätmit älterer Generation, Glaube an die Demokratie, wenige sindreligiös, Angst vor Zuwanderern


Prävalenz für psychische Störungen bei Minderjährigen –Auffälligkeit und DiagnosenÄltere Zahlen zu psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen– Kinder und Jugendliche: 18% bis 27% (Petermann et al., 2000)– Kindergartenkinder: ca. 18% (Hahlweg, & Miller, 2001)– unter Dreijährige: ca. 20% (Remschmidt,1998)– 18 % haben eine schweregradgewichtete Symptomatik (Ihle undEsser 2002/2004)Neueste Zahlenbasis: KiGGS-Survey (2007)– 22% aller Kinder und Jugendlicher von psychischen und/oderVerhaltensproblemen betroffen.– aber: nicht alle diese Kinder sind entsprechend den Kriterien derWeltgesundheitsorganisation aufgrund diagnostischer Kriterienerkrankt und bedürfen einer ambulanten oder stationärenBehandlung.– 6 % aller Kinder unter 18 J sind behandlungsbedürftig psychischkrank► insgesamt ist die kinderpsychiatrische Morbidität steigend


Was macht das Risiko aus?Welche Risikofaktoren gibt es?


Neurobiologische Faktoren der Hirnreifung


Hirnentwicklung (nach Ludolph 2008)´Wachstumskurve des Gehirns` prä-, peri- und postnatal(http://<strong>www</strong>.fu.uu.se/etox/gl_eriksson.html, nach Dobbing, 1979)


HirnentwicklungIm präfrontalen Cortex des Jugendlichen finden sich <strong>im</strong> Vergleich zum adultenHirn:- erhöhte Myelinisierung- abnehmende Synapsendichte („synaptic pruning“)- abnehmendes Volumen der grauen Substanz („use it or lose it“)- erhöhte präfrontale AktivierungMarkham et al [2007]: quantifizierten das Volumen, die Anzahl der Neurone unddie Zahl der Gliazellen <strong>im</strong> medialen und dorsalen präfrontalen Kortex bei Ratten<strong>im</strong> Alter von 35 Tagen (adoleszent) und <strong>im</strong> jungen Erwachsenenalter (Tag 90).Verminderung der Zahl der neuronalen <strong>im</strong> mPFC aber nicht <strong>im</strong> dorsalen Anteil► „späte Welle“ von Apoptosevorgängen während des Übergangs zumErwachsenenalter► besondere Suszeptibilität gegenüber Umwelteinflüssen in diesemLebensabschnitt.Substantielle Veränderungen nicht nur <strong>im</strong> präfrontalen Kortex, sondern vor allemauch in l<strong>im</strong>bischen Arealen.


Fazit NeurobiologieEntwicklungsbedingte Alterationen► Verlagerung <strong>im</strong> Gleichgewicht zwischen mesokortikalen undmesol<strong>im</strong>bischen dopaminergen System► tragen offensichtlich zu den einzigartigen Charakteristika <strong>im</strong>Verhalten Jugendlicher bei, die sich in ihrer- intensiveren Emotionalität,- erhöhten Impulsivität und- Risikoverhaltennicht nur von Erwachsenen sondern auch von Kindernunterscheiden [Spear et al., 2000].


Welche besonderen Risiken gibt es <strong>im</strong> Kindes- und<strong>Jugendalter</strong>?Schwellensituationen: Gelingen und ScheiternSchuleAusbildungFreundschaftPartnerschaftPersönlichkeitsfindungJede Schwelle kann zu Scheitern führen und zur Entwicklungvon psychischen StörungenWichtig: ein Teil passager, ein Teil mit hoher Gefahr derChronizitätBei Kindern und Jugendlichen ist der Suizid die zweithäufigsteTodesursache.


Beispiel: Übergang Schule und Ausbildung = Schwellensituation


Bedeutung des BerufswahlprozessesDie Wahl des zukünftigen Berufes stellt nach wie vor einenelementaren Schritt <strong>im</strong> Leben eines Menschen dar.Berufliche Tätigkeit ist in der Regel nicht nurHaupterwerbsquelle (Lebensunterhalt), sonderneines der zentralen Identifikationskriterien.Heute: Berufswahl hat nicht mehr die für das zukünftige Lebenweichenstellende Bedeutung, aber entscheidendrichtungsweisend.Berufswahl legt Grundstock für Art und Dauer der Ausbildung,den späteren Tätigkeitsbereich,Beschäftigungsperspektiven,den gesellschaftlichen Stellenwert,berufliche und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten,die finanzielle Situation undpersönliche Erfüllung und Zufriedenheit


Wenn aufgrund einer psychischen Erkrankung der Beruf nichtgelingt:<strong>Psychische</strong> <strong>Erkrankungen</strong> machen in der Altersgruppe bis 50Jahren die häufigste Ursache für Berufsunfähigkeit ausZahl der Frühberentungen, die auf psychische Ursachenzurückzuführen sind, hat sich seit 1985 verdreifacht (Eikelmannet al. 2005, Riecher-Rössler 2005).Dramatisch an der hohen Anzahl an Berentungen ist vor allem,•dass häufig die psychiatrischen Behandlungsmöglichkeiten <strong>im</strong>Vorfeld und aktuell nicht ausgeschöpft wurden und•kaum Massnahmen der beruflichen Rehabilitation durchlaufenwurden (Apfel und Riecher-Rössler 2005).


Weitere Risikofaktoren


Prevalence of any mental disorder byfamily type%16141210864207,311,27,715,4 15,8 15,7Married Cohabiting All couples Single W/D/S All loneparents


Prevalence of any mental disorder byeducational qualifications of parent161415,3121010,4%865,96,57,6 7,8420Degree HND A level GCSE:A-C GCSE;D-F None


Prevalence of any mental disorder bygross weekly household income181615,7 16,1141212%10869,16,65,6420Under £100 £100-£199 £200-£299 £300-£399 £400-£499 $500+


Bedeutung von FamilienbeziehungenBella Studie (Ravens - Sieberer 2006) und RKI Survey KIGGS (2006, 2007)bestätigen englische Befunde:doppeltes Risiko bei Alleinerziehen (OR:2,09)aktuelle Familienkonflikte (OR: 4,97)Konflikte in der Familie der Eltern (OR: 2,02-3,89)Unzufriedenheit in der Partnerschaft (OR: 2,75)Die Risiken zu erkranken sind auch schichtabhängig:Unterste vs. oberste Sozialschicht: Risiko für Hyperaktivität x 3,2; Dissozialitätx 4,7; Ängste x 1,7).Risiko für psychische Erkrankung steigt mit mehreren Belastungenbei 3 Risiken 30,7%bei 4 Risiken 47,7% aller betroffener Kinder


Spezielle Gruppen mit besonders erhöhtem Risiko fürpsychische StörungenKinder psychisch kranker ElternÜber die Hälfte der Eltern schätzt Kinder alsbehandlungsbedürftig ein, aber ca. 25% der Kinder erhaltenspezielle Hilfe (Schmid & Kölch 2007)Kinder in institutioneller Erziehung


Prävalenz für psychische Störungen in der UlmerHe<strong>im</strong>kinderstudieNützel et al. 2006DiagnoseSt. Sozialverhalten(F 91, F 92)ADHD(F 90.0 + F 90.1)Depression(F 32, F 34)AngststörungenPrävalenz beiHe<strong>im</strong>kindern26 %(+ 22 % F 90.1)24 %10,4 %4 %Prävalenz inNormalpopulation6 %3-6 %1-5 %1,8 – 5,3 %EnuresisSucht/Substanzabusus6 %(14 J.)8,8 %(14 J.)2 %4 % Alkohol (16 J.)1 % Cannabis (14 J.)


Fazit RisikofaktorenSoziale Faktoren best<strong>im</strong>men das Risiko für psychischeStörungen mit„moderne“ Lebenswelt kann (muss aber nicht) ein RisikofaktorseinRisikogruppen sind identifiziert, aber zum Teil schwer zuerreichenSchwellensituationen sind prädestiniert, das Risiko zu erhöhen


Auftreten best<strong>im</strong>mter Störungen über das Lebensalter hinweg(Klein) Kinder: Fütterstörungen, Ausscheidungsstörungen,ADHD, emotionale Störung mit Trennungsangst, Autismus,Ticstörungen, oppositionelle StörungenJugendliche: Depressionen, Zwangsstörungen, Psychosen,Selbstverletzendes Verhalten, Angststörungen und spezifischePhobien, Essstörungen, Sucht und Delinquenz,Persönlichkeitsstörungen


Häufigkeiten best<strong>im</strong>mter StörungenAngstADHDDepressionEssstörungenZwangTicPsychosen


Welche Störungen gibt es?


ADHDStörung von Aufmerksamkeitsstörung, erhöhte Impulsivität undHyperaktivität:3-8%Jungen : Mädchen 3-5 : 1Lebenszeitprävalenz: 18,2%Komorbiditäten: Angst, affektive Störungen, störendesVerhalten


Bedeutung der unterschiedlichen Klassifikationssysteme fürdie Versorgung am Beispiel AHDHDSMInattention≧ 6Inattention≧ 6++Hyperactivity/Impulsivity≧ 6Hyperactivity/Impulsivity< 6⇒ ADHD CombinedType⇒ ADHD predominantlyInattentive TypeIVInattention< 6+Hyperactivity/Impulsivity≧ 6⇒ ADHD predominantlyHyperactive-ImpulsiveTypeICD10Inattention6/9+Impulsivity+1/4+Oppositional Defiant DisorderConduct disorderHyperactivity3/5⇒ Disorder of Attentionand Activity⇒ Hyperkinetic ConductDisorder


ADHDDoes Pharmacotherapy for ADHD Predict Risk for Later MDD?Daviss et al. 2008 J Child Adoles Psychopharmacology


DepressionenPrävalenz von MDD 2% bei Kindern (m:w 1:1) und 4-8% beiJugendlichen (m:w 1:2) (Birmaher et al., 1996, Doi et al 2001)25% aller jungen Leute haben wahrscheinlich bis zum Alter von18 Jahren eine klinisch signifikante depressive Episode erlebt(Lewinsohn et al, 1994, National Health and Medical ResearchCouncil, 1997)Depressive Episoden <strong>im</strong> Kindes- und <strong>Jugendalter</strong> bergen einhohes Risiko des Wiederauftretens <strong>im</strong> Erwachsenenalter(Harrington & Dubicka, 2001); 45% der Teenager, die sich schoneinmal von einer depressiven Episode erholt hatten, erkranktenerneut <strong>im</strong> Alter zwischen 19 und 24 Jahren (Lewinsohn et al,1999)hohe Gefahr für Suizidalität (Harrington, 2001), v.a. während derBesserungsphase (Nelson et al., 2007)


DepressionenSymptomatik verschieden vom Erwachsenenalter:Im Pubertäts- und <strong>Jugendalter</strong>•Vermindertes Selbstvertrauen•Apathie, Angst, Konzentrationsmangel•Leistungsstörungen•Zirkadiane Schwankungen des Befindens•Psychosomatische Störungen•Gereizt, lustlos, soziale Isolation etc.


EssstörungenLebenszeit-Prävalenz– Anorexia nervosa: 0.5-3.7%– Bul<strong>im</strong>ia nervosa: 1.1-4.4%, späterer Beginn(Currin et al. 2005)AN: geringer globaler Anstieg während des 20. Jahrhunderts(Keel & Klump 2003, Hoek & van Hoengen 2003), hingegendeutlicher Anstieg der BN (Peak 1996, seither stabile Zahlen;ev. mehr Outing bzw. mehr Inanspruchnahme vonTherapieangeboten)– AN: 10-19jährige Mädchen: höchste Inzidenz: 34.6/ 100.000(weibliches Geschlecht: 8.6 pro 100.000) - w:m = 12:1– BN: 10-19 Jährige: höchste Inzidenz: 35.8/100.000(weibliches Geschlecht: 12.4 pro 100.000) – w:m = 18:1– männliche Patienten: Zusammenhang mit vorhandenerhomo- und bisexueller Orientierung (Bramon-Bosch et al. 2000;Carlat et al. 1997)


Unterschiede und GemeinsamkeitenHauptgemeinsamkeit:KörperschemastörungHauptunterscheidungsmerkmal:HeißhungerattackenErbrechen:Gewichtsregulation oder <strong>im</strong>Wechsel mit Fressanfällen


Anorexia nervosa: Bilder


Sonderform Delinquenz (Schmid & Kölch 2009)Das <strong>Jugendalter</strong> ist eine Lebensphase, in der besonders häufigaggressives und <strong>im</strong>pulsives Verhalten auftritt, das mitRegelübertretungen bis hin zu Straftaten verbunden sein kann.Problematik nicht neu, zeigt sich in allen Ländern und Kulturen,auch wenn Jugendkr<strong>im</strong>inalität aufgrund verstärkterMedienpräsenz in den letzten Jahren mehr wahrgenommenwird.Statistik des Bundeskr<strong>im</strong>inalamtes 2006 über die polizeilichverfolgten Straftaten: weit über ein Drittel aller Tatverdächtigenhaben das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet (<strong>www</strong>.bka.de,2008).Die Altersverteilung bei Delikten verläuft <strong>im</strong> <strong>Jugendalter</strong>gipfelartig mit einem steilen Anstieg in Pubertät und ebensosteilen Abfall <strong>im</strong> jungen Erwachsenenalter (Overbeek et al.,2001; Moffitt et al., 1993, 1996).


Delinquenz und Störung des Sozialverhaltens -psychiatrischIn der Allgemeinbevölkerung leiden ca. 7 % der männlichenKinder und Jugendlichen und 3 % der weiblichen Jugendlichenan einer Störung des Sozialverhaltens (Meltzer et al., 2000;Loeber et al., 1998; Lavigne et al., 1996).In stationären Jugendhilfeeinrichtungen und Sonder<strong>schule</strong>n fürErziehungshilfe ist die Prävalenz der Störung desSozialverhaltens sehr viel höher. In He<strong>im</strong>en beträgt diePrävalenz 48 %, wobei 22 % eine Störung des Sozialverhaltensin Kombination mit einer Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung aufweisen (Schmid et al., 2008; Schmid,2007).


Was tut man nun?Und warum sollte man früh intervenieren?


Kosten der sozialen Ausgrenzung: Langzeit- Followupvon Kindern mit und ohne Verhaltens-Störungenund psychischen Störungen140000€uros12000010000080000600004000020000Kr<strong>im</strong>inalitätArbeitsplatzverlustBeziehungenPflege und He<strong>im</strong>versorgungGesundheitErziehung0keine ProblemeVerhaltensproblemeVerhaltensstörungenQuelle: Scott S.; Knapp M.; Henderson J.; Maughan B.: Financial cost of social exclusion. Follow-upstudy of anti-social children into adulthood, British Medical Journal (BMJ), 323, 191-196. Umrechnungin Euro durch David McDaid, Mental Health Economics European Network.


Gelingendes Aufwachsen von Kindern: Präventionstypen(nach Mrazek & Haggerty, 1994)tertiär(indiziert)Symptomreduktion oder Verhinderungpsychischer Störung/Erkrankungbei erkennbaren Verhaltensauffälligkeitensekundär(selektiv)pr<strong>im</strong>är(universell)Vorbeugung erwarteter kindlichernegativer Entwicklungsverläufe inRisikofamilienSchaffung entsprechender Rahmenbedingungen


Der Fächer der Möglichkeiten in der PräventionSchnittmengen der ZuständigkeitenBMGSSGB VSGB VDiagnoseAkutbehandlungSGB V (Reha)SGB VIIISGB XBMGSBMFSFJBMGSBMFSFJLänderministerienKommunen&LandkreiseBZGA,IndiziertePraev.Select. Praev.Univers. Praev.Langzeitbehandl.Rückfallproph.(Sek.Praev.)Rehabilitation(tert. Praev.)Modifiziert nach:Muñoz R., Mrazek P.J., Haggerty, R.J., 1996.Institute of Medicine Report and Prevention of Mental Disorders. American Psychologist, 51, 1116-1122)(Rehaträger)SGB VIIISGB IXBSHGArbeitsrehaEingliederungs-hilfe


Angebote der Hilfe (vereinfacht)BeratungsstellenSchulpsychologieJugendhilfe= man muss nicht krank seinFachärzteKinder- und JugendlichenpsychotherapeutenSGB V


Formen KJP BehandlungDiagnostikKurzinterventionPsychotherapie- ambulant- teilstationär- vollstationärPharmakotherapieSoziotherapie und Milieutherapie


Verteilung Diagnosen Kinder- und JugendpsychiatrieDiagnosen KJP UlmAnzahl10009008007006005004003002001000ambulant stationär GesamtBehandlungsbereicheF0F1F2F3F4F5F6F7F8F90F91F92F93F94F95F98Ulm KJP 2007


Versorgungssituation nach Bundes PT Kammer2.500 Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in der ambulanten Versorgungvon minderjährigen Patienten tätigDas Postulat „ambulant vor stationär“ wird in Deutschland mit mehr als 700Praxen für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie gemessen ameuropäischen Vergleich vorbildlich umgesetzt.Modell der sozialpsychiatrischen Praxen auf der Basis der Sozialpsychiatrie-Vereinbarung einmalig: Arzt +qualifizierte Mitarbeiter = Versorgungspotential kannmindestens verdreifacht werdenStationäre Kinder- und Jugendpsychiatrie ca. 110 Krankenhausabteilungen mit ca.4.500 Betten.Ca. 30.000 Patienten behandelt (Ø 47 Tage).~ 43-44% Jugendliche 14 - 18 JahreDiagnosen: schwere Verhaltensstörungen, Entwicklungsstörungen sowieSchizophrenie und Depression.~ 35-38% Vorschul- und Schulkindern 5-13 JahreDiagnosen: selbst- und fremdgefährdendes Verhalten, schwereVerhaltensstörungen, Leistungsstörungen sowie Entwicklungsstörungen.


Bettenverteilung in DeutschlandGMK-Bericht 2007


und ambulantGMK-Bericht 2007


Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist keine Autowaschstrasse…Die psychotherapeutischen Massnahmen sind vielfältig, auch die„Schulen“ psychotherapeutischer InterventionenDie Wirksamkeit einzelner Verfahren ist unterschiedlich starkabgesichertBasiselemente der Therapie können ähnlich sein:-Stärkung der sozialen Kompetenzen-Identifikation von dysfunktionalen Mechanismen-Üben von alternativen Verhalten und Denken-Gruppenerfahrungen


Bei der Arbeit mit Jugendlichen…Psychoedukation über „Umbauarbeiten“Immer bedenken: Gefühle und Verhalten st<strong>im</strong>men nicht <strong>im</strong>merüberein!Problembewusstsein entwickelt sich, manchmal aber nochnicht stark ausgeprägt vorhanden, vor allem bei Störungen wieADHS (war ja schon <strong>im</strong>mer so!, Jugendlicher kennt sich nichtanders, bei Depression oft eher klar)Manchmal erscheinen Dinge dramatisch, haben ja noch nichterlebt, dass Lebenssituationen vorübergehen können (z.B.erste Beziehung geht in Brüche)Ernst nehmen, Träume <strong>im</strong> Kleinen fördern, hinausblicken überZeit: was hat mir schon geholfen, was kann mir jetzt helfen?Manchmal auch Rat geben, eigene Erlebnisse, Weg aufzeigenSind eben manchmal nicht so verlässlich oder anderes istwichtiger, nicht sofort Motivationsfrage stellen!


Bei der Arbeit mit Jugendlichen…Verlässlichkeit (auch wichtig: welche Infos gebe ich an Elternweiter?)Auch Themen ansprechen, die eventuell TabuInteressante Art der Gestaltung, auch Aufgaben, per mail/ Chat?Klare RollenEventuell auch Gleichaltrige einbeziehenKlar machen: Coaching, Modellernen, Verstärkung, klassischesKonditionieren, auch <strong>im</strong> theraputischen Setting


Versorgungssituation mit PsychopharmakaPharmakoepidemiologie


MPH Verordnungen in DeutschlandDDD = 30 mg; 40 X Anstieg in den letzten 10 Jahren350.3 million DDDin 199018.3 million200126 million200430252015Million DDD10501990 1992 1994 1996 1998 2000 200480x in den letzten 15 Jahren


Prävalenz Psychopharmaka bei He<strong>im</strong>kindern (UlmerHe<strong>im</strong>kinderstudie:nur 11% (N=79) erhielten eine psychoaktive MedikationN der eingesetzten AMVerwendete SubstanzenMPH56524ret MPHPipamperon6Amphet.atypicalsneuroleptics1521814SSRIAnticonvulsants/Moodstabothers


st<strong>im</strong>ulant prescriptions %Boys and girls 9–11 years25 Elmshorn24 Kiel23 Lübeck26 Oldenburg30 Hannover39 Magdeburg57 Siegen41 Mönchengladbach50 Köln61 Bad Vilbel56 Koblenz65 Wiesbaden67 Kaiserslautern68 Mannhe<strong>im</strong>76 Karlsruhe75 Pforzhe<strong>im</strong>07 Gera96 Bamberg92 Amberg97 Würzburg90 Nürnberg94 Passau63 Aschaffenburg87 Kempten91 Ansbach〉0 〉 1.7〉3.4〉5.1


Einfluss auf die Medikation haben auch die Hospitalisationsratenvon Kindern mit ADHD in DeutschlandJungen : 8,7 / 100 000 West Deutschland25,3 / 100 000 Ost DeutschlandHyperkinetische Störung des Sozialverhaltens (F 90.1):Jungen 5,8 West17,3 OstDauer HospitalisierungMW 38 Tage (Osten) 42 Tage (West)Stang, A. Dtsch. Ärztebl. 2007, 104 (19) 1306- 1311


PharmakoepidemiologieInternationale Unterschiede in Verordnungspraxis:bis zu 15fach höhere Verordnungen von z.B. Antidepressivaan MJ in den USA aber auch NL vs. DÄhnliche Zahlen auch für andere Substanzgruppen wieSt<strong>im</strong>ulantien oder NeuroleptikaDas verordnete Substanzspektrum ist international sehrverschiedenz.B. bei AntidepressivaUSA, NL:SSRID: TCA + PhytopharmakaWeitere Unterschiede bei Geschlecht und Polypharmazie


Number and prevalence of st<strong>im</strong>ulant users in 4 countriesJulie Magno Zito, PhD,D.J. Safer, MD, L.T.W. de Jong-van den Berg, PhD, K.Janhsen, PhD, C.S. de Vries, PhD, Jae Ryu, BS, J.M. Fegert, MDp e r 1 0 0 03020100US Dutch German UKn=3490 n=1239 n=2729 n=380U.S. st<strong>im</strong>ulant prevalence was 2.5, 3.6 and 13 t<strong>im</strong>es higher than that of theirDutch, German and UK counterparts, respectively


PharmakoepidemiologieInternationale Unterschiede in Verordnungspraxis:bis zu 15fach höhere Verordnungen von z.B. Antidepressiva anMJ in den USA aber auch NL vs. DÄhnliche Zahlen auch für andere Substanzgruppen wieSt<strong>im</strong>ulantien oder NeuroleptikaDas verordnete Substanzspektrum ist international sehrverschiedenz.B. bei AntidepressivaUSA, NL:SSRID: TCA + PhytopharmakaWeitere Unterschiede bei Geschlecht und Polypharmazie


Substanzgruppen und ZulassungADHDZugelassen:MPH-Präparate, Amphetamin, AtomoxetinOff-label:ModafinilDepressionZugelassen:Tri- und Tetracyclische Antidepressiva (TCA), JohanniskrautSeit 2006: FluoxetinOff-label:SSRISchizophrenienZugelassen:Konventionelle Neuroleptika (zB Haldol)Off-label:Atypika (außer Clozapin als „third-line“ unter strengenAuflagen)


Zusammenhänge Verordnungen und Suizide?Suizide in Deutschland 2002-2006Suizide Kinder + Jugendliche in Deutschland 1998-2006A n z a h l35030025020015010032%5-10 JahreA n z a h l10-15 jahre15-19 Jahre35030025020015010024%505001 2 3 4 52002 2004 2006Jahr01 2 3 4 5 6 7 8 91998 2000 2002 2004 2006Jahr2002-2006: 22% Anstieg AD Verordnungen (2.05 auf 2.51/1000)2002-2006: 32% Abnahme der Suizide 0-19 Jährige (von 338 auf 231/Jahr)Aber bei Berücksichtigung eines anderen Zeitraums:2000-2006: 130% Anstieg der AD Verordnungen (1.09 auf 2.51)2000-2006: 24% Abnahme der Suizide 0-19 Jährige (305 auf 231/Jahr)


Trends in der Verordnungspraxis 2002-2008• Prävalenz und Inzidenz für Psychopharmaka in Deutschlandstieg in den letzten Jahren• In Deutschland werden zum Teil ältere Präparate undPräparate mit fraglicher Wirkung verordnet• Hoher Anteil Phytopharmaka in D• Der tatsächliche Gebrauch ist geringer als Verordnungszahlen


Fazit• ca. 5-10% der Kinder zeigen eine psychischen Störung• Die häufigsten psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichensind:• Angststörungen,• dissoziale Störungen,• hyperkinetische Störungen• Risikofaktoren können sozial bedingt sein neben genetischenRisikofaktoren (Trigger)• Früh erkennen hilft Langzeitfolgen zu min<strong>im</strong>ieren• Behandlung erfolgt auf verschiedenen Ebenen: Jugendlicher,Familie, Umfeld• Psychotherapeutisch, medikamentös, Beratung und Sozialpädagogik


Das müssen Sie mitnehmen!• Hinschauen• Typisches Missverständnis „Reifungskrise“ oder „das wächstsich aus“: Ja, aber eben nur bei einem Teil: wenn dieFunktion beeinträchtig ist, dann ist Intervention angezeigt –der Jugendliche hat nicht soviel Zeit!• „Mit ein bisschen Verständnis legt sich das“: Ja, Verständnisist gut und oft auch die Basis, aber mit Verständnis alleinändert sich noch nichts• „Da ist die Familie schuld“: jeder der Beteiligten hat Anteil,aber Schuld ist psychotherapeutisch wenig hilfreich –tatsächlich müssen sich meist alle Beteiligten ändern unddas ist schwer!• Schwierige Jugendliche sind psychisch krank: nein, nur einTeil ist manifest psychisch krank• Psychisch kranke Jugendliche sind gefährlich: nein, nur einverschwindend geringer Teil verübt Straftaten oderGewalttaten


Diskussion und Fragen


• Dr. Michael KölchKlinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie /Psychotherapie des Universitätsklinikums UlmSteinhövelstraße 589075 Ulm<strong>www</strong>.uniklinik-ulm.de/kjppÄrztlicher Direktor: Prof. Dr. Jörg M. Fegert

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!