Väter-NRW - Arbeit mit Vätern - Väter-Typen und Familienverhältn...http://www.vaeter-nrw.de/index.php?contr=article&categoryID=1...einen einst geliebten Mann übernimmt der neue Partner aus Solidarität nichtselten in seine Sichtweise: Von einem derart ungeeigneten Vorgänger hebt ersich selbst natürlich umso positiver ab. Allerdings kann sich so einMachtkampf entwickeln, der niemandem gut tut und gerecht wird – schon garnicht den Kindern.druckenEine solche psychische und emotionale Konstellation der Erwachsenen kannfür Kinder eine Leidenszeit bedeuten. Bei Besuchswochenenden entsteht dannin den Übergabesituationen mitunter Hochspannung. Manche Kinder, die einestarke Bindung an den leiblichen Vater haben, wissen in diesem DreieckVater-Mutter-Ersatzvater nicht mehr, wem sie vertrauen können.Unvollständige Informationen führen überdies zu Missverständnissen undHalbwahrheiten. Die sich speziell an Kinder wendende Internetseite „Mellvil“ –mit mehreren Aspekten zum Thema Scheidung, zum Beispiel „Wie geht'sweiter nach der Scheidung?“, „Mit Stiefgeschwistern klarkommen“, "Wennman einen Stiefvater oder eine Stiefmutter bekommt" oder "Streit mit derStiefmutter, Zoff mit dem Stiefvater" – könnte von Vätern quasi vorbeugendzur Kenntnis genommen werden, da sie hier einiges über das Seelenleben vonKindern erfahren können.Soziale Vaterschaft muss nach und nach gelernt werdenLiegt eine solche Dynamik vor, suchen und brauchen „soziale Väter“Gelassenheit und Souveränität, mit der sie es schaffen, sich aus denbisherigen Kämpfen, die nicht die ihren sind, heraus zu halten und der Gefahreiner Instrumentalisierung vorzubeugen.Fragt man nach den Gefühlen von Rat suchenden Männer, stößt man beiihnen oft auf eine erhebliche Unsicherheit in ihrer neuen Rolle: Unvorbereitetagieren sie mit mehreren ihnen wenig bekannten Menschen ganzverschiedenen Alters - rund um die Uhr und im privatesten Umfeld. Sie setzensich mit Konflikten und Folgen einer Trennung auseinander, die nicht die ihrensind. Und sie fragen sich, wo Raum für ihre eigenen Sorgen und Wünsche ist,die es oft ja auch noch gibt. Im klassischen Rollenbild überwindet ein Manneigene Unsicherheiten und Ängste, indem er sich als tatkräftiger Macher zeigtund auch die Probleme der Partnerin in die Hand nimmt. Gerade dieseVerhaltensweisen werden ihn aber in einer solchen Konstellation eherscheitern lassen. Ein Mann – in der Rolle als neuer sozialer Vater – ist imeigenen Interesse gut beraten, sich zunächst etwas zurückzuhalten, neugierigzu beobachten, offen zu fragen, die Familie (einschließlich aller wichtigennahen Verwandten) und ihre Alltagsregeln kennen zu lernen, bevor er aktivmitgestaltend seine eigenen Akzente setzt; diese Empfehlung geben auch die„Eltern im Netz“ – das Ratgeberportal des Bayerischen Landesjugendamtes –zur Situation von Stieffamilien und insbesondere zum Verhältnis vonStiefkindern und -vätern. Vor allem ist er auch gut beraten, mit den eigenenbisherigen Familienkonstellationen (insbesondere wenn es weitere Kinder auseiner früheren Partnerschaft gibt) „ins Reine“ zu kommen, bevor er sich aufeine neue Familie einlässt.Das Zusammenwachsen von trennungserfahrenen Partnern und Kindern zueiner Patchwork-Familie erfordert viel Zeit und Vertrauen, wie auch Martin R.Textor in seinem Beitrag „Stieffamilie leben“ zu bedenken gibt, wenn er dazurät, Abschied von der Vorstellung zu nehmen, eine "Normalfamilie" zu sein.Das Konfliktpotenzial solcher Beziehungen kann mitunter größer sein als dasin herkömmlichen Familien („Kernfamilie“), weil die gegenseitigen Erwartungenan das Gelingen der neuen Partnerschaft und Familie einem höherenZeitdruck unterliegen. Bereits einmal getrennte Partner können aberandererseits gelassener und konstruktiver an neue Herausforderungenherangehen, da sie viele Konflikte bereits schon einmal erlebt haben – unddavon können auch Kinder profitieren.Der „Ersatz“-Vaterrolle wird der neue Partner einer Frau mit Kindern kaumentgehen können – wie lang- oder kurzfristig dies sein wird, muss sich jeweilserweisen. „Ersatz“ zu sein ist kein schönes Gefühl, eine Lücke aber gut zufüllen kann viel Kreativität freisetzen und Erfüllung mit sich bringen.Um eben solche Erfahrungen hat sich das am Institut für Wirtschafts- undSozialgeschichte an der Universität Wien angesiedelte (20<strong>04</strong> abgeschlossene)Forschungsprojekt "Beziehungskulturen abseits der Norm" unter Leitung vonProf. Dr. Reinhard Sieder gekümmert. Sieder, der auch von„Fortsetzungsfamilien“ spricht, rät Männern für das neue Zusammenleben mitKindern in einem Interview: „Die Rollen, die in der Erstfamilie gelernt undgelebt wurden, können in der Fortsetzungsfamilie nicht unverändert fortgeführtwerden, ohne Konflikte zu erzeugen. Wenn beispielsweise ein Stiefvaterversucht, ein Stiefkind auf dieselbe Weise zu kontrollieren oder zu bestrafen,wie er es in einer vorherigen Familie gelernt und eingeübt hat, wird er inbeträchtliche Schwierigkeiten geraten. Er sollte nicht versuchen, dem nichtleiblichenKind den Vater zu ersetzen oder gar ein "besserer" Vater zu sein.Das Kind hat bereits einen Vater und der sollte nicht aus dem Leben desKindes verdrängt werden.“Ratsam ist also, nicht überaktiv und euphorisch, verbissen oder zuangestrengt an die neuen Familienaufgaben heranzugehen – das notwendigeBalancieren zwischen der Erfüllung eigener und fremder Wünsche undErwartungen sollte ein Mann im Blick behalten.2 von 3 26.03.2009 09:57
Väter-NRW - Arbeit mit Vätern - Väter-Typen und Familienverhältn...http://www.vaeter-nrw.de/index.php?contr=article&categoryID=1...AusblickDas Zusammenwachsen als Stieffamilie erfordert Zeit. Die größteHerausforderung besteht für die Paare darin, die unterschiedlichenFamilienkulturen und Erziehungsstile „auf die Reihe“ zu bekommen. Deshalbkommt es im Alltag darauf an, gut als Paar im Kontakt zu sein und vielmiteinander zu kommunizieren. Wie aber kann diese Beziehung gut gepflegtwerden, wenn das neue Paar ständig in unterschiedlichen Elternrollengefordert wird?Gute Voraussetzungen für eine Patchwork-Familie sind sicher gegeben, wenndie Beziehung zur neuen Partnerin und ihren Kindern nicht umkämpft ist undder neue Mann es schafft, zum Frieden zwischen den Expartnern beizutragen.Dadurch werden die Kinder von Loyalitätskonflikten freigehalten.Wenn solch gute Voraussetzungen nicht gegeben sind (und weil eszunehmend Patchwork-Familien gibt), eröffnen sich hier für die qualifizierte(Erziehungs-)Beratung und unterstützende Begleitung von Männern als sozialeVäter auch mehr, teils neue Handlungsfelder. Leitgedanke sollte für alleerwachsenen Beteiligten und insbesondere für Männer in ihren neuenVaterrollen sein, aus früheren positiven wie negativen Erfahrungen zu lernenund offen für neue Optionen und Chancen zu sein. Nicht zuletzt die Kinderbrauchen ein möglichst sicheres, sorgendes und anregungsreichesLebensumfeld, um sich gut entwickeln zu können.Alexander Bentheim / Andreas Haase - 15.11.<strong>07</strong>3 von 3 26.03.2009 09:57