Couleurs vicinales
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Couleurs vicinales
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ahnzeiten, auch wenn sie nun Überlandstraßenbahnen waren und in den hübschen Stationen an den eingleisigen Strecken<br />
häufig auf den kreuzenden Gegenzug gewartet werden musste. Ein typischer Vertreter dieser Kategorie war z.B. die Linie W<br />
�Waterloo Direct�. Sie nahm am Rouppeplaats in Nähe des Brüsseler Südbahnhofs ihren Ausgang und folgte etliche Kilometer<br />
der Landstraße nach Waterloo. Erst zwei- und dann eingleisig mitten in der Straße gelegen mussten sich die Straßenbahnen<br />
mit dem Autoverkehr zu beiden Seiten der Gleise arrangieren. Hinter dem Monument Gordon änderte sich das Bild<br />
vollständig: Nun auf eigener Trasse und abseits der Straße durch eine hügelige Landschaft mit kleinen Stationen, an denen<br />
sich Ausweichen befanden, dann die Durchfahrt in einem Dorf mitten auf der Hauptstraße, um in Wavre in einer Stadtstraße<br />
ihren Endpunkt zu haben. Mit etwas Glück begegnete einem hier im Herbst ein Rübenzug auf dem Weg in die Zuckerfabrik,<br />
wo dann für die Rangierarbeiten noch eine SNCV-Dampflokomotive wartete.<br />
Oder die zuweilen vollständig isoliert liegenden Strecken in den Ardennen, auf denen es wie in Bouillon oder unter Dalhem<br />
nördlich von Lüttich auch Tunnel zu durchfahren gab. Oder die prächtige Panoramastrecke �Route mervelleuse� mit<br />
Kehrschleifen und Haarnadelkurven hinauf zur Citadelle von Namur und die Panoramastrecke Verviers - Spa.<br />
Im Hennegau führten Strecken eingleisig längs des Bürgersteiges kleiner Straßen vorbei an endlosen Reihen von Arbeiterhäuschen<br />
um dann unvermittelt dazwischen für eine Weiterfahrt auf eigenem Bahnkörper abzubiegen. Oder die zweigleisige<br />
Strecke durch die Dünen und nicht zu vergessen (und auch heute noch zu erleben) auf der Deichstraße zwischen Mariakerke<br />
und Middelkerke mit direktem Blick auf Strand und Meer mit einer großen Sandwolke, die jede Bahn hinter sich herzog.<br />
Abwechslung also genug und immer wieder neue Eindrücke die bleibende Erinnerungen hinterlassen.<br />
Die ersten Dias:<br />
Die Expo in Brüssel im Jahre 1958 war der Anlass um zum ersten Mal Farbdias zu machen. Danach hat der Autor versucht,<br />
systematisch die SNCV mit Farbaufnahmen zu dokumentieren. So konnten die letzten Autorails der Strecke Hamme-Mille �<br />
Jodoigne im Sommer 1959 noch mit diesem Material aufgenommen werden. Eile war auch in Gent geboten, wo kurz vor der<br />
Aufhebung die letzten Vorortlinien E, N und Z noch auf Dias verewigt werden konnten, allerdings waren nur noch N- und S-<br />
Triebwagen im Einsatz. Die Dampflok 1075 der Zuckerfabrik Wavre konnte ebenfalls noch gerade rechtzeitig in Farbe fotografiert<br />
werden wie auch im Herbst 1961 die letzten Diesel-Schlepptriebwagen mit ihren Rübenzügen auf der Strecke Hamme-Mille<br />
- Tienen. Andere Glückstreffer waren die letzten Holz-Standardtriebwagen auf der verbliebenen Linie des Netzes<br />
von Kortrijk, die nur deshalb noch bis 1963 im Einsatz waren, weil die parallelen Straßen sich wegen ihres schlechten Zustandes<br />
nicht für den Einsatz von Bussen eigneten.<br />
Für seinen Arbeitgeber hatte der Autor von 1958-61 in der niederländischen Provinz Limburg seinen Aufenthaltsort und<br />
konnte sich von dort einige Male nach Lüttich aufmachen, wo 1961 die Strecken Lüttich - Riemst und Jemeppe - Verlaine<br />
kurz vor ihrer Stilllegung besucht werden konnten. Die direkt hinter der Grenze gelegene Strecke Trimbleur - Warsage war<br />
häufiger das Ziel kurzer Ausflüge, konnten hier doch die letzten Meterspurdampfloks in ihren anstrengenden Dienst beim<br />
faszinierenden Transport von normalspurigen Kohlenwagen mit Rollwagen auf steigungsreichen Strecke beobachtet und<br />
fotografiert werden.<br />
Nach der Stilllegungswelle der Jahre 1959-61, welche die Tätigkeit des Fotografen bestimmte, war anschließend mehr Zeit<br />
für regelmäßige Besuche im riesigen Netz des Hennegaus. So konnten 1960-63 in der Borinage noch die letzten umgebauten<br />
Standardwagen vom �Typ Eugies� in Betrieb im Bild festgehalten werden. Zu dieser Zeit fuhren auch noch die PCC und<br />
die stromlinienförmigen Vierachser vom Type �Braine-le-Comte� in La Louviére und Charleroi, einige auch in einer attraktiven<br />
rot-creme Lackierung an Stelle der SNCV-Standardfarbe creme. Es kostete viel Mühe und Zeit um die Netzstruktur des<br />
Hennegaus kennen zu lernen. Stadtpläne der Industrieansiedlungen im Hennegau gab es nicht und man musste schon alle<br />
Strecken selbst einmal abfahren um herauszubekommen, wie die Netze der Borinage und von Charleroi miteinander verknüpft<br />
waren. So dauerte es einige Zeit, den genauen Verlauf der beiden Ringlinien von Jumet zu ergründen, die sich unterwegs<br />
in Gohyssart auch noch mehrmals begegneten oder kreuzten. Ein Glück, wenn man ein Auto sein Eigen nannte und<br />
seine Erkundungsfahrten unabhängig von Fahrplänen und Linienverläufen unternehmen konnte.<br />
Es stellt sich die Frage, wie man als Ausländer überhaupt an Informationen kam, wo was bei der Vicinalbahn auf Schienen<br />
fuhr: Die Antwort lautet: Das Belgische Kursbuch - in seiner Informationsfülle war es unübertroffen, erschien alle halben Jahre<br />
und enthielt einen Abschnitt �Fahrplan der Straßenbahnen und Autobusse der SNCV� mit Fahrplantabellen sämtlicher Linien<br />
in ganz Belgien. Es stellte eine hervorragende Basis dar um in Belgien auf Straßenbahntour zu gehen und passte dank<br />
seines Formates auch in die Fototasche. Im �Informationszeitalter des Computers�, wo es teilweise nicht einmal mehr gedruckte<br />
Fahrpläne gibt kaum noch vorstellbar!<br />
Fand sich im Kopf einer Fahrplantabelle der Hinweis �Änderungen des Fahrplanes vorgesehen�, war Gefahr im Verzug und<br />
es konnte einem passieren, dass die Umstellung auf Bus bereits stattgefunden hatte, wenn man endlich die Strecke besuchen<br />
konnte.<br />
Wesentlich mühsamer war es, an Informationen über den großen und vielfältigen Wagenpark dieses Riesenunternehmens<br />
zu gelangen. Die paar belgischen Straßenbahnfreunde die man kannte, wussten meistens nur in der Stadt Bescheid, in der<br />
sie wohnten. Ein Verkehrsfreund aus Antwerpen wusste zwar jedes Detail zu seiner städtischen Straßenbahn und dem<br />
SNCV-Netz des Bereiches, das Hennegau-Netz kannte er jedoch nicht!<br />
Erst niederländischen Verkehrsfreunden, allen voran Maurits van Witsen, Eduard Bouwman, Hans Stork und der Autor, erfassten<br />
bei ihren Reisen alle Fahrzeuge, die sie sahen und erreichten so, dass nach und nach die einzelnen Bauarten und<br />
Serien und deren Zusammenhänge untereinander herausgearbeitet werden konnten. Einer der wenigen Belgier mit landesweiten<br />
Interessen, der erste Vorsitzende der Amateurvereinigung Amutra, Pierre Dehon, war im Besitz einer offiziellen Liste<br />
der SNCV über ihre Beschaffungen und die hierfür vorgesehenen Nummern. Durch deren Auswertung konnte der Autor im<br />
Jahre 1955 die erste Zusammenstellung über die Fahrzeuge des elektrischen Betriebes der SNCV veröffentlichen. Es blieben<br />
aber noch einige ungelöste Rätsel, wie z.B. der Lebenslauf des Antwerpener 9635 alias 9688. Es waren in erster Linie<br />
nicht die Einheimischen, sondern die Niederländer, die ihr Herz für die Straßen- und Kleinbahnromantik ihres Nachbarlandes<br />
entdeckten und Aufnahmen in großer Zahl machten. So ist auffallend, dass nahezu alle in Belgien erschienenen Bücher<br />
zum Thema SNCV mit Aufnahmen von Fotografen aus den Niederlanden illustriert sind.<br />
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