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Wege zur Reduktion von SO2 bei der Vinifizierung - Dc.delinat ...

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Was macht <strong>der</strong> Schwefel im Wein?<strong>von</strong> Volker Schnei<strong>der</strong>99,5% aller Winzer behaupten, ohne <strong>SO2</strong> ließe sich kein trinkbarer Wein keltern. Aberwas machen die berühmt berüchtigten Sulfite tatsächlich im Wein? Kann man wirklichnicht auf sie verzichten? Und wie lassen sich zumindest die Mengen des Schwefels imWein reduzieren.Um es vorweg zu sagen: Wein wird nicht mit Schwefel, son<strong>der</strong>n bestenfalls mit Schwefeldioxid(SO 2 ) behandelt. Beim elementaren Schwefel handelt es sich nämlich um ein gelbes Pulver,dessen Verbrennung erst das in <strong>der</strong> Weinbereitung eingesetzte Schwefeldioxid ergibt. In <strong>der</strong>Flüssigkeit reagiert es zum größten Teil <strong>zur</strong> schwefligen Säure. Diese liegt teilweise gebundenin ihren Salzen vor, die man Sulfite nennt. Die Begriffe Schwefeldioxid, SO 2 , schweflige Säureund Sulfite sind im Allgemeingebrauch teilweise austauschbar, während die trivialeBezeichnung "Schwefel“ völlig an den realen Gegebenheiten vor<strong>bei</strong>geht.Die konservierende Wirkung <strong>der</strong> Dämpfe brennenden Schwefels auf den Wein war bereits denHochkulturen des Altertums bekannt und wurde spätestens seit dem Mittelalter in denmitteleuropäischen Weinbaugebieten genutzt. Seit dieser Zeit, und insbeson<strong>der</strong>e seit demBeginn des 20. Jahrhun<strong>der</strong>ts, unterlag <strong>der</strong> Einsatz <strong>von</strong> Schwefeldioxid zunehmendenBeschränkungen, wo<strong>bei</strong> die zulässigen Höchstgehalte schrittweise herabgesetzt wurden. Dieswar nur möglich, weil durch eine verbesserte technische Ausstattung <strong>der</strong> Betriebe und vertiefteönologische Fachkenntnisse das Schwefeldioxid gezielter und sparsamer eingesetzt werdenkonnte.Die zunehmende Beschränkung <strong>der</strong> zulässigen Höchstwerte an SO 2 erfolgte vor allem austoxikologischen Erwägungen. Die sachliche Rechtfertigung solcher Überlegungen stehtallerdings auf schwachen Beinen, denn ohnehin werden im menschlichen Körper durch denAbbau <strong>von</strong> Nahrungseiweißen pro Tag ca. 2000 mg SO 2 gebildet, die enzymatisch zu Sulfatumgewandelt und als solches mit dem Urin ausgeschieden werden. Der tägliche Konsum einerFlasche Wein mit durchschnittlich 100 mg SO 2 erhöht die natürliche Umsetzung <strong>von</strong> SO 2 imKörper um nur 5 %, woraus sich kaum toxikologische Probleme ergeben sollten. Mit großerSicherheit ist dies jedenfalls nicht für ein Unwohlsein am Folgetag verantwortlich.Die seit 2005 auch in <strong>der</strong> EU geltende Deklarationspflicht für Schwefeldioxid auf Weinetikettenrichtet sich vor allem an Allergiker. In <strong>der</strong> Tat reagiert ein geringer Prozentsatz <strong>der</strong>Bevölkerung, darunter beson<strong>der</strong>s Asthmatiker, empfindlich auf die orale Aufnahme <strong>von</strong>Schwefeldioxid. Sie müssen auch an<strong>der</strong>e Lebens- und Genussmittel wie Trockenfrüchte,eingelegtes Gemüse o<strong>der</strong> Kartoffelpulver meiden, welche ebenfalls Schwefeldioxid alsKonservierungsstoff enthalten.Delinat-Institut für Ökologie und KlimafarmingF o n d a t i o n D e l i n a t I n s t i t u t • A n c i e n n e É g l i s e 9 • C H - 1 9 7 4 A r b a z • T é l . 0 2 7 - 3 9 8 . 5 1 . 1 4 • c o n t a c t @ d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g • w w w . d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g


Wenn Winzer die SO 2 -Gehalte ihrer Weine so gering wie möglich halten, versuchen sie dies vorallem vor dem Hintergrund, dass sie ihren Wein als ein möglichst naturbelassenes Produktverstehen. Per Definition wird Wein durch die Vergärung des Saftes frischer Trauben erhalten.Beson<strong>der</strong>s die biologisch o<strong>der</strong> organisch ar<strong>bei</strong>tenden Winzer orientieren sich stark an dieserursprünglichen, puristischen Definition <strong>von</strong> Wein und reduzieren die Anwendung exogenerBehandlungs- und Zusatzstoffe auf ein Minimum. In diesem Zusammenhang steht dieAnwendung <strong>von</strong> schwefliger Säure immer wie<strong>der</strong> auf dem Prüfstand. Die Frage ist, welcheAufgaben sie erfüllen soll, wann und wie viel da<strong>von</strong> zugesetzt werden muss, wie man dieeingesetzten Mengen reduzieren kann und ob Qualitätsweine ohne jeglichen SO 2 -Zusatzmöglich sind.Bindung <strong>von</strong> SO 2 ist für hohes Gesamt-SO 2 verantwortlichDie schweflige Säure erfüllt drei verschiedene Aufgaben im Wein. Diese umfassen1. eine mikrobiologische Stabilisierung2. einen Schutz vor Oxidation und3. eine Bindung geruchlich aktiver Nebenprodukte <strong>der</strong> Gärung.Damit SO 2 diese Funktionen im Wein erfüllen kann, muss es in freier Form vorliegen. Dies istallerdings immer nur teilweise <strong>der</strong> Fall. Ein variabler und oftmals größerer Anteil ist bereits anWeininhaltsstoffe gebunden. Beide Formen – freies und gebundenes SO 2 – ergeben in <strong>der</strong>Summe das gesamte SO 2 . Darauf beziehen sich die gesetzlichen Grenzwerte.Um das Gesamt-SO 2 möglichst gering zu halten, besteht ein berechtigtes Interesse, den Anteildes gebundenen SO 2 zu minimieren. Es ist weitgehend nutzloser Ballast. Der Weg zu seinerMin<strong>der</strong>ung kann nur darin bestehen, jene Weininhaltsstoffe zu min<strong>der</strong>n, die für seine Bindungverantwortlich sind. Dazu stehen verschiedene Möglichkeiten, überwiegend kellertechnischerArt, <strong>zur</strong> Verfügung. Um ihre Wirkung zu verstehen, ist eine nähere Betrachtung <strong>der</strong>Bindungspartner unabdingbar.Bindung <strong>von</strong> SO 2 durch AcetaldehydDer wichtigste dieser Bindungspartner ist <strong>der</strong> Acetaldehyd. 1 mg da<strong>von</strong> bindet 1,45 mg SO 2 .Erst wenn das Acetaldehyd vollständig an SO 2 gebunden ist, kann SO 2 in freier Form übrigbleiben. Freies SO 2 und freies Acetaldehyd schließen sich somit gegenseitig aus. Dascharakeristische Merkmal freien Acetaldehyds ist sein Eigengeruch, <strong>der</strong> als Lufttonumschrieben und in fruchtigen Weinen als fehlerhaft gilt.Acetaldehyd entspringt dem Stoffwechsel <strong>der</strong> Hefe und ist ein Nebenprodukt <strong>der</strong> alkoholischenGärung. Seine Bildung erfolgt in Abhängigkeit <strong>von</strong> den Gärbedingungen. Je schleppen<strong>der</strong> undrepressiver die Gärung verläuft, desto mehr akkumuliert da<strong>von</strong> im Wein mit <strong>der</strong> Folge einesentsprechend höheren SO 2 -Bedarfs zu seiner Absättigung. Unter optimalen Gärbedingungenkönnen Werte <strong>von</strong> 3 mg/l und weniger erreicht werden. Verläuft die Gärung jedoch schleppend,Delinat-Institut für Ökologie und KlimafarmingF o n d a t i o n D e l i n a t I n s t i t u t • A n c i e n n e É g l i s e 9 • C H - 1 9 7 4 A r b a z • T é l . 0 2 7 - 3 9 8 . 5 1 . 1 4 • c o n t a c t @ d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g • w w w . d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g


können vielfach höhere Werte auftreten. Die häufigsten Ursachen schleppen<strong>der</strong> Gärungen sindeine zu niedrige Gärtemperatur, eine zu geringe Nährstoffversorgung <strong>der</strong> Hefe, einegärschwache Hefe o<strong>der</strong> eine sehr hohe Mostgradation. Beson<strong>der</strong>s wenn restsüße, in <strong>der</strong> Gärungsteckengebliebene o<strong>der</strong> abgestoppte Weine später erneut in eine unterschwellige Nachgärunggeraten, entstehen höchste Mengen an Acetaldehyd. Solche Nachgärungen sind für dasPhänomen <strong>der</strong> so genannten "Schwefelfresser“ verantwortlich. Da<strong>bei</strong> handelt es sich um Weine,die erst dann freies SO 2 aufweisen, wenn ihr Gesamt-SO 2 jenseits <strong>der</strong> gesetzlichen Grenzwerteliegt.Zeitpunkt <strong>der</strong> SchwefelungWird SO 2 bereits vor <strong>der</strong> Gärung zu Trauben, Maische o<strong>der</strong> Most gegeben, fasst die Hefe diesesals toxisch auf und versucht, sich ihm zu entledigen. Dazu bildet sie eine entsprechende Mengean Acetaldehyd, um es abzubinden. Das an Acetaldehyd gebundene SO 2 ist gegenüber <strong>der</strong> Hefewirkungslos. Wenn in einem typischen Fall vor dem Gärstart 50 mg/l SO 2 eingesetzt werden,scheiden da<strong>von</strong> ca. 25 mg/l durch Oxidation zu Sulfat aus dem System aus. Die verbleibenden25 mg/l werden an Acetaldehyd gebunden und belasten auf jeden Fall die SO 2 -Bilanz desfertigen Weines.Auch noch nach Abschluss <strong>der</strong> Gärung kann die Hefe Acetaldehyd bilden, wenn <strong>der</strong> unfiltrierteWein Sauerstoff aufnimmt. Verantwortlich dafür ist die enzymatische Oxidation <strong>von</strong> Ethanoldurch das hefebürtige Enzym Aldehyddehydrogenase. Liegt noch genügend suspendierte Hefeim jungen Wein vor, kann sie zutretenden Sauerstoff in ihre Zellen absorbieren und so <strong>der</strong>Reaktion entziehen. Ist jedoch nach einigen Monaten ihre Fähigkeit <strong>zur</strong> Sauerstoffzehrungerschöpft, verwendet sie ihn <strong>zur</strong> Synthese <strong>von</strong> Acetaldehyd. Sowohl <strong>der</strong> biochemische Status<strong>der</strong> Hefe als auch die Menge des aufgenommenen Sauerstoffs nach <strong>der</strong> Gärung ist <strong>von</strong>erheblicher Bedeutung für den SO 2 -Bedarf <strong>bei</strong> Weißweinen.Im filtrierten Wein ist nach Zutritt <strong>von</strong> Sauerstoff auch eine rein chemische Oxidation <strong>von</strong>Ethanol zu Acetaldehyd bekannt. Sie wird durch phenolische Substanzen katalysiert und ist inden phenolarmen Weißweinen nicht relevant, spielt jedoch eine Rolle <strong>bei</strong> <strong>der</strong> semi-oxidativenLagerung und <strong>der</strong> Mikrooxygenierung <strong>von</strong> Rotweinen. In tanninreichen Rotweinen wird das sogebildete Acetaldehyd gleichzeitig wie<strong>der</strong> abgebaut durch Bindung an das Tannin. Auf Grunddieser Reaktion weisen Rotweine tendenziell sogar weniger Acetaldehyd und wenigergebundenes SO 2 als Weißweine auf. Insgesamt hat die rein chemische Bildung <strong>von</strong> Acetaldehydkeine Bedeutung für das Bedürfnis <strong>der</strong> Weine, SO 2 zu binden.Bindung <strong>von</strong> SO 2 durch an<strong>der</strong>e GärungsnebenprodukteÜber das Acetaldehyd hinaus sind alle weiteren Carbonylverbindungen in <strong>der</strong> Lage, SO 2 zubinden. Diese Bindungsformen sind jedoch weniger fest und stehen in einem Gleichgewicht mitdem freien SO 2 . Sie stellen ein Reservoir dar, aus dem ständig freies SO 2 nachgeliefert wird,Delinat-Institut für Ökologie und KlimafarmingF o n d a t i o n D e l i n a t I n s t i t u t • A n c i e n n e É g l i s e 9 • C H - 1 9 7 4 A r b a z • T é l . 0 2 7 - 3 9 8 . 5 1 . 1 4 • c o n t a c t @ d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g • w w w . d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g


wenn das vorhandene verschwindet, z. B. durch langsame Oxidation während <strong>der</strong> Lagerung.Insofern sind sie weniger Ballast als das an Acetaldehyd fest gebundene SO 2 .Zu diesen schwächeren Bindungspartnern des SO 2 zählen beson<strong>der</strong>s Pyruvat und Ketoglutarat.Sie sind ebenfalls Nebenprodukte des Gärungsstoffwechsels und können durch einen Zusatz<strong>von</strong> Thiamin (Vitamin B1) erheblich gemin<strong>der</strong>t werden. Eine Aufstockung des Thiamingehaltesführt stets zu einer Min<strong>der</strong>ung des SO 2 -Bedarfs und ist fast zwingend in Mosten aus faulemLesegut, in denen Botrytis den natürlichen Thiamingehalt weitgehend aufgezehrt hat.Sowohl Acetaldehyd als auch Pyruvat und Ketoglutarat werden während eines biologischenSäureabbaus (BSA) weitgehend durch die beteiligten Bakterien abgebaut. Dies ist ein weitererGrund, warum Rotweine mit ihrem praktisch obligatorischen BSA tendenziell wenigergebundene und damit auch weniger gesamtes SO 2 als Weißweine aufweisen.Eine erhöhte SO 2 -Bindung ist stets in Weinen aus botrytisfaulen Trauben zu verzeichnen. Da<strong>bei</strong>ist es nicht so sehr <strong>der</strong> Botrytispilz selbst, <strong>der</strong> die erhöhte SO 2 -Bindung verursacht. Auf denbefallenen Beeren siedeln Hefen, die den aus dem beschädigten Gewebe austretenden Most zuvergären beginnen und die bereits genannten SO 2 -bindenden Gärungsnebenprodukte bilden.Darüber hinaus finden sich Bakterien ein, welche Zucker auf oxidativem Weg abbauen unddaraus zahlreiche SO 2 -bindende Ketoverbindungen herstellen. Nur in sehr süßen Weinen desTyps <strong>der</strong> Beerenauslese spielt <strong>der</strong> Zucker (Glucose) eine Rolle als Bindungspartner für dieschweflige Säure.Bindung <strong>von</strong> SO 2 durch gärfremde InhaltsstoffeEine <strong>der</strong> erwähnten Ketoverbindungen ist das Xyloson. Es entsteht aus <strong>der</strong> <strong>von</strong> Natur aus imMost enthaltenen o<strong>der</strong> zugesetzten Ascorbinsäure durch Oxidation zu Dehydroascorbinsäure,die in Gegenwart <strong>von</strong> SO 2 zu Xyloson umgesetzt wird. Xyloson ist die Ursache für den höherenSO 2 -Bedarf <strong>von</strong> Weinen, denen vor o<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Gärung Ascorbinsäure zugesetzt worden ist.In Rotweinen greifen die Anthocyane in das komplizierte Gleichgewicht zwischen freien undgebundenen SO 2 ein. Anthocyane lagern SO 2 an und bilden so farblose Addukte, die fast ebensostabil sind wie die Bindung zwischen Acetaldehyd und SO 2 . Im Gegensatz <strong>zur</strong> Acetaldehyd-SO 2werden diese Addukte <strong>bei</strong>m Ansäuern jedoch schnell wie<strong>der</strong> gespalten, sodass <strong>bei</strong> <strong>der</strong>jodometrischen Bestimmung des freien SO 2 das an Anthocyane gebundene SO 2 als freies SO 2erfasst wird. Auch im Verlaufe <strong>der</strong> Reifung des Rotweins wird SO 2 aus dieser Bindungfreigesetzt, wenn <strong>der</strong> Anthocyangehalt durch Polymerisation mit dem Tannin abnimmt, wo<strong>bei</strong>Pigmente mit geringerer Affinität zu SO 2 entstehen.<strong>Wege</strong> <strong>zur</strong> Einsparung <strong>von</strong> schwefliger SäureWie in den vorangegangenen Ausführungen dargelegt, sind erhöhte Gehalte an Gesamt-SO 2 inerster Linie auf erhöhte Konzentrationen SO 2 -binden<strong>der</strong> GärungsnebenprodukteDelinat-Institut für Ökologie und KlimafarmingF o n d a t i o n D e l i n a t I n s t i t u t • A n c i e n n e É g l i s e 9 • C H - 1 9 7 4 A r b a z • T é l . 0 2 7 - 3 9 8 . 5 1 . 1 4 • c o n t a c t @ d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g • w w w . d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g


<strong>zur</strong>ückzuführen. Erst wenn <strong>der</strong>en SO 2 -Bindungsbedürfnis gesättigt ist, bleibt SO 2 in <strong>der</strong>gesuchten freien Form übrig. Nur freies SO 2 schützt gegen Oxidation, mikrobiologischenVer<strong>der</strong>b und vor dem charakteristischen Geruch nach freiem Acetaldehyd.Der erste Schritt <strong>zur</strong> Einsparung <strong>von</strong> schwefliger Säure liegt logischerweise in einer Min<strong>der</strong>ung<strong>der</strong> SO 2 -bindenden Gärungsnebenprodukte durch Optimierung <strong>der</strong> Gärbedingungen. Dazugehören eine adäquate Nährstoffversorgung <strong>der</strong> Hefe, eine optimale Temperaturführungwährend <strong>der</strong> Gärung, die Vermeidung unterschwelliger Nachgärungen in unvollständigvergorenen Weinen, <strong>der</strong> Verzicht auf Schwefelung vor <strong>der</strong> Gärung und, in Abhängigkeit vomangestrebten Weintyp, ein anschließen<strong>der</strong> BSA. Auf diesem Weg können im günstigsten FallWeine erzeugt werden, <strong>der</strong>en freies SO 2 mehr als 50 % des gesamten SO 2 beträgt, zum Beispiel25 mg/l freies <strong>bei</strong> 40 mg/l gesamten SO 2 .Während die Maßnahmen <strong>zur</strong> Optimierung <strong>der</strong> Gärkinetik hinreichend bekannt sind, herrschtgroße Unsicherheit über den Einsatz <strong>von</strong> SO 2 bereits vor <strong>der</strong> Gärung. Wohlwissend, dass einsolcher Einsatz den Ballast an gebundenem SO 2 im fertigen Wein erhöht, wird er in weitenKreisen propagiert und durchgeführt. Die Rechtfertigung erfolgt mittels zweier Argumente:- Verlust <strong>von</strong> Aroma durch Oxidation des Mostes bzw. <strong>der</strong> Maische. Da<strong>bei</strong> werden die <strong>von</strong>oxidierten Mosten bekannten sensorischen Erscheinungen fiktiv auf den Wein übertragen.Dieser Trugschluss ist auf eine völlige Unkenntnis <strong>der</strong> Unterschiede zwischen <strong>der</strong> Oxidation desMosts und <strong>der</strong> des Weins <strong>zur</strong>ückzuführen. Die Oxidation weißer Moste wirkt <strong>der</strong> Oxidation desWeins sogar entgegen unter Ausfällung oxidierbarer Phenole und Stabilisierung <strong>der</strong> Aromatik.(siehe auch: http://www.ithaka-journal.net/die-kunst-gezielter-oxydation-teil-1-mostoxidation)- Bildung <strong>von</strong> flüchtiger Säure und / o<strong>der</strong> Ethylacetat durch wilde Hefe o<strong>der</strong> Bakterien. DieSchwefelung soll eine Unterdrückung schädlicher Mikroorganismen und eine Selektionpositiver Hefen her<strong>bei</strong>führen. Dies mag <strong>bei</strong> mikrobiologisch kompliziertem Lesegut o<strong>der</strong>Spontangärungen gerechtfertigt sein. Übersehen wird da<strong>bei</strong>, dass die im Most befindlichen,schädlichen Mikroorganismen ausschließlich aerober Natur sind. Ihre Aktivität bedarf <strong>der</strong>Anwesenheit <strong>von</strong> gelöstem Sauerstoff. Dieser wird den Mikroorganismen augenblicklichentzogen, sobald <strong>der</strong> Most in Gärung gerät. Ein rascher Gärstart durch kräftige Beimpfung <strong>zur</strong>Verkürzung <strong>der</strong> kritischen Latenzzeit ist <strong>der</strong> sicherste Weg <strong>zur</strong> mikrobiologischen Stabilisierungvor <strong>der</strong> Gärung.Wie viel freies SO 2 benötigt ein Wein?Ein weiterer Weg <strong>zur</strong> Einsparung <strong>von</strong> SO 2 besteht in <strong>der</strong> Lagerung und Abfüllung mitgeringeren Gehalten an freiem SO 2 . Dieses Vorgehen tangiert sowohl die mikrobiologischeStabilität als auch die Wi<strong>der</strong>standsfähigkeit <strong>der</strong> Weine gegenüber oxidativer Alterung.Der Teil <strong>der</strong> freien schwefligen Säure, <strong>der</strong> als mikrobiologisch aktiv und gleichzeitig geruchlichwirksam vorliegt, ist das tatsächlich als Gas gelöste SO 2 . Die an<strong>der</strong>en Zustandsformen <strong>der</strong>Delinat-Institut für Ökologie und KlimafarmingF o n d a t i o n D e l i n a t I n s t i t u t • A n c i e n n e É g l i s e 9 • C H - 1 9 7 4 A r b a z • T é l . 0 2 7 - 3 9 8 . 5 1 . 1 4 • c o n t a c t @ d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g • w w w . d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g


freien schwefligen Säure sind das Sulfit-Ion (SO 3- - ) und das Bisulfit-Ion (HSO 3 - ). Der als SO 2 -Gas vorliegende Prozentanteil <strong>der</strong> freien schwefligen Säure SO 2 ist ganz erheblich vom pH-Wert abhängig, wie aus Abbildung 1 hervorgeht. Weine mit niedrigem pH-Wert sindhinsichtlich ihrer mikrobiologischen Stabilität klar bevorteilt, weil <strong>der</strong> mikrobiologisch aktiveAnteil <strong>der</strong> freien schwefligen Säure mit abnehmendem pH logarithmisch zunimmt. DieserZusammenhang ist <strong>bei</strong> <strong>der</strong> Lagerung unfiltrierter Weine relevant, verliert jedoch seineBedeutung <strong>bei</strong> kalter Lagerung o<strong>der</strong> nach steriler Abfüllung.gasförmige SO 2 in % <strong>von</strong> <strong>der</strong> freien schwefligen Säure109876543210Abb. 1: Abhängigkeit des gasförmigen Anteils (SO 2 ) <strong>der</strong>freien schwefligen Säure vom pH-Wert.2,8 3,0 3,2 3,4 3,6 3,8 4,0 4,2pH-WertSchwieriger ist die Frage nach dem Oxidationsschutz zu beantworten. Oxidation setzt dieAufnahme <strong>von</strong> Sauerstoff voraus, wie sie zum Beispiel durch den FlaschenverschlussDelinat-Institut für Ökologie und KlimafarmingF o n d a t i o n D e l i n a t I n s t i t u t • A n c i e n n e É g l i s e 9 • C H - 1 9 7 4 A r b a z • T é l . 0 2 7 - 3 9 8 . 5 1 . 1 4 • c o n t a c t @ d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g • w w w . d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g


stattfindet. Ein Teil des Sauerstoffs reagiert mit <strong>der</strong> freien schwefligen Säure, die da<strong>bei</strong> zu Sulfatoxidiert wird und aus <strong>der</strong> SO 2 -Bilanz ausscheidet. Ist die freie schweflige Säure schließlichvöllig verschwunden, ist <strong>der</strong> Wein ungeschützt <strong>der</strong> weiteren Oxidation ausgesetzt, und <strong>der</strong>typische Geruch nach freiem Acetaldehyd tritt auf.Unter dem Aspekt des Oxidationsschutzes ist es weniger relevant, wie hoch die freie schwefligeSäure ist, als wie stabil sie ist. Nach <strong>der</strong> Abfüllung hängt ihre Stabilität <strong>von</strong> <strong>der</strong> Gasdichtigkeitdes Flaschenverschlusses ab. Schraubverschlüsse mit Zinnfolie als Einlage schließen annäherndhermetisch gegenüber Luftsauerstoff ab und erlauben die Abfüllung mit geringen Mengen freierSO 2 . Die meisten synthetischen Stopfen verhalten sich <strong>bei</strong>m gegenwärtigen Stand <strong>der</strong>Entwicklung eine entgegengesetzt. Sie erfor<strong>der</strong>n ein höheres Niveau an freier SO 2 <strong>bei</strong>mAbfüllen. Naturkorken sind hinsichtlich ihrer Durchlässigkeit stark unterschiedlich und liegenzwischen <strong>bei</strong>den Extremen. Auf jeden Fall müssen freies SO 2 , Flaschenverschlüsse undLagerbedingungen aufeinan<strong>der</strong> abgestimmt sein.Beson<strong>der</strong>heiten <strong>der</strong> Herstellung SO 2 -freier WeinePunktuell kommt es in <strong>der</strong> Weinbranche zu Bestrebungen, Weine ohne zugesetztes SO 2herzustellen. Unter Einhaltung gewisser Vorsichtsmaßnahmen und Einsatz entsprechen<strong>der</strong>Techniken kann dieses Vorgehen funktionieren, ohne dass <strong>der</strong>art hergestellte Weine wesentlichvom gewohnten Geschmacksbild abweichen.Da<strong>bei</strong> ist zunächst zu beachten, dass alle Hefen gewisse Mengen an SO 2 bilden. Vorläuferstufeist das in allen Traubensäften natürlicherweise anzutreffende Sulfat, welches in ziemlichgleichmäßiger Konzentration um 200 mg/l vorliegt. Die SO 2 -Bildung ist in erster Linie <strong>von</strong> dem<strong>zur</strong> Gärung kommenden Hefestamm abhängig, aber auch die Mostzusammensetzung hat einengewissen Einfluss. Abbildung 2 zeigt die Unterschiede zwischen 18 verschiedenenReinzuchthefen in vier Mosten.Delinat-Institut für Ökologie und KlimafarmingF o n d a t i o n D e l i n a t I n s t i t u t • A n c i e n n e É g l i s e 9 • C H - 1 9 7 4 A r b a z • T é l . 0 2 7 - 3 9 8 . 5 1 . 1 4 • c o n t a c t @ d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g • w w w . d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g


<strong>SO2</strong>, mg/l4035302520151050Abb. 2: Synthese <strong>von</strong> schwefliger Säure durch Hefen während <strong>der</strong> Gärung. Mittelwerte ausvier Mosten pro Hefestamm.A B C D E F G H I J K L M N O P Q RDie Herstellung so genannter "schwefelfreier“ Weine, welche nicht <strong>der</strong> Deklarationspflichtunterliegen, erfor<strong>der</strong>t den Einsatz einer Hefe, welche weniger als 10 mg/l SO 2 bildet. Von denkommerziellen Reinzuchthefen sind dazu nur wenige Stämme in <strong>der</strong> Lage. Das Verhalten <strong>von</strong>Spontangärungen ist nicht bekannt und wenig kalkulierbar, weil <strong>der</strong> <strong>zur</strong> Dominanz kommendeHefestamm in <strong>der</strong> Praxis unbekannt ist.Darüber hinaus müssen die Gärbedingungen so gestaltet werden, dass praktisch keinAcetaldehyd gebildet wird. In freier, nicht an SO 2 gebundener Form würde er den bereitserwähnten Luftton hervorrufen. Bis zu 3 mg/l Acetaldehyd sind akzeptabel, weil sie durchgleichzeitig gebildetes SO 2 abgebunden werden. Ein BSA kann <strong>zur</strong> Min<strong>der</strong>ung <strong>von</strong> Acetaldehydsinnvoll sein, ist aber nicht zwingend.Zur Vermeidung <strong>von</strong> Oxidationsschäden ist nach <strong>der</strong> Gärung, und insbeson<strong>der</strong>e nach <strong>der</strong>Filtration, die weitere Verar<strong>bei</strong>tung unter absolut inerten Bedingungen erfor<strong>der</strong>lich. Dazu stehendie aus dem Brauwesen bekannten, aber für den Winzerbetrieb aufwendigen Techniken desabsoluten Luftabschlusses <strong>zur</strong> Verfügung. Sie umfassen eine Evakuierung aller Behälter,Leitungen und Maschinen mit Stickstoff. Auch störend hohe Kohlensäuregehalte können mittelsStickstoff ausgetrieben werden. Zur Endfiltration empfehlen sich Membranen <strong>von</strong> 0,2 µ, weiljeglicher Keimschutz durch SO 2 entfällt. Gasdichte Schraubverschlüsse fügen sich in dasKonzept <strong>der</strong> inerten Weinbehandlung ein. Zusätzlich hat sich <strong>bei</strong> Weißweinen eine deutlichoxidative Mostverar<strong>bei</strong>tung bewährt, weil sie einen zusätzlichen Beitrag zum Schutz desspäteren Weins vor Oxidation leistet. Eine wesentliche Abweichung <strong>von</strong> diesen Vorgaben führtzu signifikanten Abweichungen vom gewohnten Geschmacksbild frisch-fruchtiger Weißweineund stellt ihre Haltbarkeit in Frage.HefeDelinat-Institut für Ökologie und KlimafarmingF o n d a t i o n D e l i n a t I n s t i t u t • A n c i e n n e É g l i s e 9 • C H - 1 9 7 4 A r b a z • T é l . 0 2 7 - 3 9 8 . 5 1 . 1 4 • c o n t a c t @ d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g • w w w . d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g


Rotweine erfahren unter den beschriebenen, inerten Bedingungen fast keine Reifung, wie sie fürdiese Weinart erwartet wird. Ihr Tannin vermag jedoch relativ große Mengen <strong>von</strong> Sauerstoffund Acetaldehyd schadlos zu binden. Insofern ist eine tendenziell oxidativere Verar<strong>bei</strong>tungungeschwefelter Rotweine möglich. Wie weit diese getrieben werden kann, ohne dass einLuftton o<strong>der</strong> Braunstich auftritt, ist <strong>von</strong> ihrem Gehalt an traubenbürtigen Tanninen,Anthocyanen sowie <strong>von</strong> holzbürtigen Ellagtanninen abhängig. ZusätzlicheGrundlagenforschung ist auf diesem Gebiet mehr als sinnvoll.ZusammenfassungEine Reduzierung des Einsatzes <strong>von</strong> SO 2 erfor<strong>der</strong>t zunächst eine Optimierung <strong>der</strong>Gärbedingungen, um die Synthese SO 2 -binden<strong>der</strong> Gärungsnebenprodukte zu min<strong>der</strong>n. Dazuzählt insbeson<strong>der</strong>e Acetaldehyd, das in seiner freien, nicht an SO 2 gebundenen Form, einencharakteristischen Eigengeruch aufweist, welcher in Weinen <strong>der</strong> fruchtigen Art als fehlerhaftbeschrieben wird. Verzicht auf Schwefelung vor <strong>der</strong> Gärung ist ein zweiter Schritt. DieAbfüllung mit geringeren Gehalten an freiem SO 2 ist nur möglich, wenn dieSauerstoffaufnahme durch den Flaschenverschluss berücksichtigt wird. Die Herstellungungeschwefelter Weine erfor<strong>der</strong>t beson<strong>der</strong>s im Weißweinbereich absoluten Sauerstoffabschlussnach <strong>der</strong> Gärung, analog dem inerten Vorgehen im Brauereigewerbe, um Sortentypizität undHaltbarkeit nicht zu gefährden. Ungeschwefelte Rotweine sind durch ihren höherenTanningehalt weniger empfindlich gegenüber Sauerstoff.Delinat-Institut für Ökologie und KlimafarmingF o n d a t i o n D e l i n a t I n s t i t u t • A n c i e n n e É g l i s e 9 • C H - 1 9 7 4 A r b a z • T é l . 0 2 7 - 3 9 8 . 5 1 . 1 4 • c o n t a c t @ d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g • w w w . d e l i n a t - i n s t i t u t . o r g

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