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SSS-05-Kurzbericht-50plusHIV

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<strong>05</strong>Schriftenreihe zursoziologischenSozialpsychologiePhil C. Langer(Hrsg.)Aisha-Nusrat Ahmad,Jochen Drewes,Phil C. Langer,Drew Mazyck,Christoph RasemannKlaus-Jürgen Weber50plushivPsychosoziale Aspektedes Älterwerdens mitHIV und Aids in Deutschland.<strong>Kurzbericht</strong> zu denErgebnissen der Experteninterviews


<strong>05</strong>Schriftenreihe zursoziologischenSozialpsychologieHerausgegeben von Phil C. LangerAisha-Nusrat Ahmad,Jochen Drewes,Phil C. Langer,Drew Mazyck,Christoph RasemannKlaus-Jürgen Weber50plushivPsychosoziale Aspekte des Älterwerdensmit HIV und Aidsin Deutschland. <strong>Kurzbericht</strong> zuden Ergebnissen der ExperteninterviewsDie Schriftenreihe wird herausgegebendurch Prof. Dr. Phil C. Langer,Juniorprofessor für Soziologieam Fachbereich Gesellschaftswissenschaftender Goethe-Unviersität Frankfurt.Email: langer@soz.uni-frankfurt.deISSN: 2195-6626Gestaltung: Hannes Ahbe


INHALT1 EINFÜHRUNG: DAS FORSCHUNGSPROJEKT „50PLUSHIV“ ............................................. 12 HINTERGRUND: EPIDEMIOLOGISCHE RELEVANZ UND STAND DERFORSCHUNG .......................................................................................................................................... 23 METHODIK: DIE EXPERTENINTERVIEWS IM QUALITATIVEN STUDIENARM ..... 44 BEFUNDE DER EXPERTENINTERVIEWS ................................................................................. 55 DISKUSSION ......................................................................................................................................... 13ANHANG ................................................................................................................................................... 17


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“11 Einführung: Das Forschungsprojekt „50plushiv“Eine HIV-Infektion wird heute oft als gut behandelbare, chronische Erkrankung gesehen underfahren. Immer mehr HIV-Positive erreichen ein höheres Lebensalter. So wird in wenigen Jahrenmehr als die Hälfte der mit HIV lebenden Menschen in Deutschland älter als 50 Jahre sein.Doch was bedeutet es, mit einer HIV-Infektion in Deutschland alt zu werden? Das Projekt„50plushiv“ möchte die Lebenssituation von Menschen mit HIV/Aids, die das 50. Lebensjahrbereits erreicht haben, untersuchen. Das Forschungsziel ist es, Erkenntnisse zu gewinnen zurLebenssituation, psychischen Gesundheit, gesundheitsbezogener Lebensqualität, Belastungs- undBewältigungszusammenhängen in unterschiedlichen Lebensweltkontexten sowie zu den institutionellenVersorgungsbedarfen von älter werdenden Menschen mit HIV in Deutschland. Mit derempirisch fundierten und genauen Beschreibung der Lebenswirklichkeit von älteren Menschenmit HIV/Aids soll eine Sensibilisierung sowie Bereitstellung von Informationen für die Politik,Selbsthilfe und Versorgungssysteme gewährleistet werden.Um eine fundierte Beschreibung der Lebenswirklichkeit der Menschen mit HIV/Aids, die das 50.Lebensjahr erreicht haben, zu erhalten, sind zwei verschiedene Herangehensweisen gewählt worden:In einer breit angelegten Fragenbogenstudie, die an der Freien Universität Berlin durchgeführtwird, sollen möglichst viele der in Deutschland lebenden HIV-positiven Menschen über 50Jahren erreicht werden. Die standardisierten Fragen und Antwortmöglichkeiten sollen es ermöglichen,valide, verallgemeinerbare, aber auch differenzierende Aussagen über die Gruppe ältererHIV-positiver Menschen in Deutschland zu treffen. Die Fragebogenstudie wird durch die H.W.& J. Hector-Stiftung gefördert. Im Rahmen einer Interviewstudie, die an der Goethe-UniversitätFrankfurt durchgeführt wird, werden viertiefende Interviews mit Betroffenen sowie Expert*innenzu den Herausforderungen des Älterwerdens mit HIV geführt. Die Interviewstudiewird durch das Bundesministerium für Gesundheit gefördert.In der ersten empirischen Feldphase des qualitativen Studienarms wurden Experteninterviewsmit zentralen psychosozialen, medizinischen und Selbsthilfeakteur*innen im Feld der HIVspezifischenBeratungs-, Unterstützungs- und Versorgungsinfrastruktur durchgeführt. Die Experteninterviewsverfolgten drei Ziele: Im Sinne einer Ist-Analyse sollen sie wesentlich zu der Rekonstruktionder „objektiven“ Infrastruktur der Beratungs-, Unterstützungs-, und Versorgungsangebotebeitragen, die in der zusammenführenden Interpretation der aus den weiteren Feldphasengewonnen Daten (Bedürfnis- und Erwartungsstruktur der Betroffenen) Voraussetzung fürdie Identifizierung spezifischer Bedarfe von älteren Menschen mit HIV/Aids ist. Zweitens könnendurch die Experteninterviews Hintergrundwissen und professionelle Praxiserfahrung, diebislang nicht in der Forschungsliteratur publiziert wurden, in wissenschaftliches Wissen überführtund so für weitere Analysen zugänglich gemacht werden; dieses kann zur besseren Interpretationder Interviews mit älteren HIV-positiven Menschen herangezogen werden. Schließlich stellen dieBefunde aus den Experteninterviews zusammen mit der Literaturrecherche und den explorativenInterviews, die im Vorfeld der Studie von Jochen Drewes durchgeführt wurden, die Grundlageder Entwicklung des Leitfadens für die problemzentrierten Interviews mit älteren HIV-positivenMenschen in Deutschland dar.! ! !!


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“2Im Folgenden wird zunächst kurz die Relevanz des Forschungsprojektes skizziert und das Projektin den aktuellen Forschungskontext eigebettet (Abschnitt 2). Im Anschluss wird knapp dieMethodik vorgestellt, die die Erhebung und Auswertung der Experteninterviews in der erstenFeldphase des qualitativen Studienarms anleitete (Abschnitt 3). Die Präsentation der für das Projektwichtigsten Ergebnisse der Experteninterviews (Abschnitt 4) erfolgt differenziert nach denvon den befragten Expert*innen thematisieren individuellen und institutionellen Implikationendes Älterwerdens mit HIV und Aids in Deutschland. In einer Diskussion dieser Befunde werdenausgewählte Aussagen stärker interpretativ zusammengeführt und aus den ExperteninterviewsPerspektiven für die anstehenden Interviews mit HIV-positiven älteren Menschen aufgezeigt(Abschnitt 5).2 Hintergrund: Epidemiologische Relevanz und Stand der ForschungIn den Ländern des globalen Nordens gerät in den letzten Jahren zunehmend eine Entwicklungin den Blick, die vielen noch vor wenigen Jahren undenkbar erschien: Das durchschnittliche Lebensalterder Menschen mit HIV und Aids steigt, der Anteil älterer Menschen unter den HIV-Infizierten wird immer größer. Diese Entwicklung ist bedeutsam, betrifft sie doch die Politik, dieklinische Forschung, das Versorgungssystem und die organisierte Selbsthilfe gleichermaßen. Einestark ansteigende Zahl von Studien, Symposien und Publikationen unterstreicht die Relevanz, diediesem Thema mittlerweile beigemessen wird (vgl. z.B. Effros et al., 2008; Sankar, Nevedal, Neufeld,Berry & Luborsky, 2011; Justice, 2010; Trapana, 2010; Masten, 2011; Hartl & Vielhaber,2010; Landay & High, 2012). Symposien, Workshops und Präsentationen zu medizinischen Aspektender HIV-Infektion im Alter bildeten einen deutlichen Schwerpunkt auf der XI. InternationalenAIDS-Konferenz in Washington im Juli 2012.Gemäß den internationalen Gepflogenheiten umfasst die Gruppe der älteren Betroffenen alleInfizierten, die bereits das 50. Lebensjahr erreicht haben (vgl. z.B. Sankar, Nevedal, Neufeld, Berry& Luborsky, 2011). Diese Konvention kann selbst als Ausdruck des mit HIV verbundenenbegrenzten Erwartungshorizonts bezüglich der Lebensspanne angesehen werden und bildet Annahmeneines mit der HIV-Infektion zusammenhängenden früheren Alterungsprozesses ab (vgl.Justice, 2012). Basierend auf dieser Definition können die Centers of Disease Control and Prevention inden USA zeigen, dass der Anteil der älteren Menschen unter den HIV-Infizierten von 2001 auf2007 um 10 Prozentpunkte von 17 % auf 27 % angestiegen ist, in einer Metropole wie New YorkCity sogar um 13 Prozentpunkte von 22 % auf 35 % (GMHC, 2010). Da angenommen wird, dassdiese Entwicklung sich weiter verstärken wird, gehen Schätzungen davon aus, dass schon 2015die Hälfte aller Menschen mit HIV und Aids in den USA 50 Jahre und älter sein werden (vgl.Luther & Wilkin, 2007).Andere europäische Länder berichten von ähnlichen Entwicklungen. In den Niederlanden stiegnach Berechnungen der HIV Monitoring Foundation der Anteil der HIV-Infizierten, die 50 Jahreund älter waren, von 10 % im Jahr 1996 auf 27 % im Jahr 2008. Für 2015 wird erwartet, dassdieser Anteil bei 41 % der HIV-Infizierten liegt (Knecht-van Eekelen, 2010). Auch in Großbritannienverdoppelte sich der Anteil der über 50-Jährigen HIV-Infizierten in medizinischer Be-! ! !!


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“3handlung in einem Zeitraum von 9 Jahren auf 19 % im Jahr 2009 (Health Protection Agency,2010).Eine informelle Übersicht des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeigt, dass ca. ein Drittel der 78 000HIV-positiven Menschen in Deutschland das 50. Lebensjahr erreicht haben.Diese in vielen Ländern des globalen Nordens festzustellende Tendenz wird aufgrund von zweiFaktoren begründet: Zum einen steigt durch die Effektivität und weite Verbreitung der antiretroviralenTherapie in die Lebenserwartung der HIV-positiven deutlich an. Zum anderen nimmtauch das durchschnittliche Lebensalter sowohl für den Zeitpunkt der HIV-Infektion als auch dender Erstdiagnose der HIV-Infektion zu.Im Zentrum der aktuellen Forschungsbemühungen zum Themenkomplex HIV und Altern stehenbisher vor allem klinisch-medizinische Fragestellungen. Erste internationale Studien befassensich seit Kurzem auch mit den psychosozialen Aspekten des Älterwerdens mit einer HIV-Diagnose und/oder Aids. Zu erwähnen sind hier insbesondere drei Studien, in denen vorzeigbarumfängliche Stichproben realisiert werden konnten. Im Rahmen der Studie Research on OlderAdults with HIV (ROAH) wurden 914 ältere Menschen mit HIV und Aids aus New York zudemographischen Charakteristika, physischem und psychischen Gesundheitsstatus, sexueller Aktivität,Substanzkonsum, sozialen Netzwerken, Stigma, Einsamkeit und psychologischen Ressourcenbefragt (Brennan, Karpiak, Shippy & Cantor, 2009). Bereits 1996 wurden bei dem WestCentral Florida Survey of Middle-Aged and Older Adults with HIV Disease Interviews mit 172 Menschenmit HIV und Aids über 45 Jahren geführt. Die dabei gewonnenen quantitativen Fragebogendatenwurden durch 15 narrative Interviews mit älteren HIV-Infizierten ergänzt. Auch in dieser Studiewurden neben krankheitsbezogenen Daten Informationen zu Stressoren, Coping-Strategien, sozialerUnterstützung, psychischer Gesundheit und Risikofaktoren erhoben, ergänzt durch die ausführlicheErörterung von Themen wie Disclosure, Stigma und Lebenszufriedenheit (Nichols,Speer, Watson, et al., 2002). Ebenfalls einen quantitativen und einen qualitativen Teil umfasstedie Studie 50Plus des Terrence Higgins Trust (THT) in Großbritannien. Landesweit wurde eineStichprobe von 410 Menschen mit HIV über 50 Jahren für die Fragebogenuntersuchung realisiert,dazu wurden 40 qualitative Interviews geführt. Auch hier wurde die physische und psychischeGesundheit, die materielle Lage, Wohlbefinden, Diskriminierung, Disclosure, soziales Netzwerkund soziale Unterstützung sowie die Bedürfnisse in diesen Bereichen erfragt (Power, Bell &Freemantle, 2010).Aus Deutschland liegen bisher nur Ergebnisse einer Studie zu diesem Themenkomplex vor. DieStudie „Die ältere Patientin/der ältere Patient 50/2010“ der Deutschen Arbeitsgemeinschaft niedergelassenerÄrzte für die Versorgung HIV-Infizierter (DAGNÄ) wurde 2008 gestartet und2010 abgeschlossen. Diese Studie war als Kontrollgruppen-Vergleichsstudie angelegt und liefertehauptsächlich Ergebnisse zu klinisch relevanten Fragestellungen. 250 über 50jährige HIV- Patientensowie – als Kontrollgruppen – 250 HIV-negative Patienten mit einer chronischen Erkrankung(Diabetes) und 250 HIV-negative Patienten ohne chronische Erkrankung, Teilnehmer beiderGruppen ebenfalls über 50 Jahre, wurden über zwei Jahre im Abstand von sechs Monatenuntersucht. Dabei wurden der körperliche Gesundheitszustand (u.a. die Vitalfunktionen und! ! !!


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“4Komorbiditäten), der psychische Gesundheitszustand (Depressionen und Ängste), der subjektiveGesundheitszustand (gesundheitsbezogene Lebensqualität), sowie gesundheitsbezogene Verhaltensweisen(sportliche Aktivität und Sexualität) erhoben (Wolf & Jäger, 2008). Zu den Ergebnissenliegen Posterpräsentationen vor, ein Bericht ist derzeit noch in Arbeit.Im Rahmen der Versorgungsforschung konnten bisher keine Studien identifiziert werden, diesich mit den medizinischen und psychosozialen Bedürfnissen älterer Menschen mit HIV undAids und den Anforderungen, die sich daraus an das Versorgungssystem ergeben, befassen. Obwohl,wie eingangs skizziert, das Thema HIV und Altern international Beachtung findet, liegenzur Situation von älteren Menschen mit HIV und AIDS in Deutschland bislang keine belastbarenDaten vor. Insbesondere Forschungsbefunde zu psychosozialen Aspekten des Älterwerdens mitHIV und zu dem damit verbundenen Unterstützungs- und Versorgungsbedarfen fehlen inDeutschlang bislang gänzlich.Um die Forschungslücke zu schließen, zielt die Studie vor allem auf:1. eine empirisch fundierte und genaue Beschreibung der Lebenswirklichkeit von älterenMenschen mit HIV in Deutschland;2. die Identifizierung die institutionellen Beratungs-, Unterstützungs-, und Versorgungsbedarfein Bezug auf die unterschiedlichen Lebenswelten dieser Gruppen;3. eine Sensibilisierung für und Bereitstellung von Informationen zum Thema für Politik,Versorgungssysteme und Selbsthilfe.In der ersten empirischen Feldphase, die im Folgenden im Hinblick auf Methodik, Befunde undderen Implikationen für den weiteren Forschungsprozess ausgeführt werden, wurden Experteninterviewsmit zentralen medizinischen, psychosozialen und Selbsthilfeakteuren sowie PflegeundVersorgungsträgern im Feld der HIV-bezogenen Beratungs-, Unterstützungs-, Versorgungsstrukturdurchgeführt.3 Methodik: Die Experteninterviews im qualitativen StudienarmAls methodisches Mittel zur Beantwortung der Forschungsfrage und im Sinne einer Ist-Analysezur Rekonstruktion der „objektiven“ Infrastrukturen der Beratungs-, Unterstützungs-, und Versorgungsangebotewurden qualitative Interviews mit zentralen HIV-spezifischen medizinischen,psychosozialen und Selbsthilfeakteur*innen in Deutschland durchgeführt. Die Interviews wurdenin Anlehnung an Gläser und Laudel (2004) als leitfadengestützte Experteninterviews im Hinblickauf eine Analyse des manifesten Inhalts konzipiert. Zur Durchführung der Interviews wurde aufBasis der skizzierten Forschungsbefunde sowie identifizierten Forschungslücken ein Leitfadenerstellt (siehe Anhang). Er deckte die Felder zur Beschreibung der Lebenswirklichkeit hinsichtlichpsychosozialer, sozioökonomischer, medizinischer und psychiatrischer Implikationen älterer! ! !!


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“5HIV-positiver und den bestehenden Versorgungs- und Unterstützungsinfrastruktur sowie dieinstitutionellen Bedarfe ab. 1Zwischen dem 01. Juni 2013 und <strong>05</strong>. August 2013 wurden insgesamt 17 Experteninterviews faceto-faceund telefonisch durchgeführt 2 . Die Zusammensetzung der Stichprobe erfolgte auf Grundlagedes von Flick (2009) vorgeschlagenen Verfahrens des a-priori-determination-Samplings, dessenZiel es ist, anhand vorab festgelegter Kriterien die Stichprobenkonstruktion so zu gestalten,dass alle signifikanten Aspekte des untersuchten Phänomens darin abgebildet sind. Es wurdendaher vier Expert*innen aus dem medizinischen Bereich 3 , fünf Expert*innen aus dem PflegeundVersorgungsbereich, zwei Psycholog*innen, sieben Mitarbeiter*innen von regionalen Aidshilfenund dem Dachverband der DAH sowie ein*e Mitarbeiter*in des Patient-Relation-Managements eines Pharmaunternehmens befragt. 4 Um Unterschiede hinsichtlich VersorgungsundUnterstützungsangebote zu identifizieren wurde bei der Stichprobenkonstruktion Wert daraufgelegt, Expert*innen aus ländlichen Gebieten und Großstädten, neuen und alten Bundesländernzu interviewen sowie Expert*innen, die sich im Kontext von HIV / AIDS schwerpunktmäßigmit Migration, Drogenkonsum und dem Alterungsprozess ihrer Klient*innen auseinandersetzen.Die Interviews wurden aufgezeichnet, verbatim transkribiert und mit Post- und Präskript versehen.Die mit MAXQDA EDV-gestützte Auswertung erfolgte mittels kategorialer Inhaltsanalyse,die sich primär auf den manifesten Inhalt der Äußerung bezieht (Mayring 2000). Die Ergebnisseder Analyse wurden im Rahmen von wöchentlichen Teamsitzungen diskutiert und interpretativverdichtet.4 Befunde der Experteninterviews4.1 Individuelle Folgen des Älterwerdens mit HIVDie durch die Expert*innen in den Interviews thematisierten individuellen Folgen des Älterwerdensmit HIV und Aids in Deutschland lassen sich differenziert in medizinische, psychische undpsychiatrische sowie psychosoziale und sozioökonomische Implikationen beschreiben.4.1.1 Medizinische FolgenDie Expert*innen stimmten in der normalisierenden Einschätzung überein, dass es sich bei derHIV-Infektion, sofern sie rechtzeitig diagnostiziert und behandelt wird, aus medizinischer Perspektiveum eine gut behandelbare, chronischer Erkrankung handelt. Die Begleitmorbiditäten, die!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!1!! Da!der!Fokus des Leitfadens für die Expert*inneninterviews auf Probleme und Herausforderungen des Älterwerdensmit HIV lag, wurde wenig zu Ressourcen und Strategien älterer HIV-positiver Klient*innen / Patient*innenerfragt. In den anstehenden Interviews mit älteren Positiven werden indes die Ressourcen und Strategienden Schwerpunkt bilden.2!! Sieben der Interviews wurden face-to-face, zehn telefonisch geführt.3 Es wurden sowohl niedergelassene Ärzt*innen als auch Klinikärzt*innen interviewt, die sich schwerpunktmäßigmit HIV auseinadersetzen.4 Zwei Expert*innen waren zum Zeitpunkt des Interviews sowohl in Selbsthilfeeinrichtungen als auch in Versorgungs-sowie Unterstützungsinfrastruktur tätig.! ! !!


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“6im Alter hinzukommen, wurden durch die Expert*innen als Folge zeitabhängiger Risiken betrachtet.Hierzu wurden das kardiovaskuläre Risiko, Stoffwechseltoxizität, Arteriosklerose, Nierenfunktionseinschränkungen,Fettleberhepatitis und arterielle Hypertonien genannt. Zudemwurden Begleitinfektionen wie Hepatitis C und B und andere sexuell übertragbare Infektionen(STIs) aufgeführt. Analkarzinome, Zervixkarzinome und Bronchialkarzinome würden ebenfallsbei HIV-Patient*innen deutlich häufiger auftreten und eine entscheidende Rolle im Alter über 50spielen.Die Expert*innen führten weiter aus, dass die HIV-Infektion sowie die antiretrovirale Therapie u.U. Einfluss auf die Auftrittswahrscheinlichkeit der genannten Begleitmorbiditäten ausüben können.So führen gewisse Medikamente der antiretroviralen Therapie zur deutlichen Cholesterinerhöhungund einer erhöhten Rate an Nierenversagen. Uneinigkeit herrschte allerdings unter denbefragten Expert*innen – u. a. Bezug nehmend auf medizinische Studien – darüber, inwiefern dieoben skizzierten Komorbiditäten bei älteren HIV-Patient*innen im Vergleich zu HIV-negativentatsächlich früher in Erscheinung treten.Im Kontext der Medikation wurde durch die Expert*innen die Polypharmazie als eine besondereHerausforderung benannt. Auch die mangelhafte bis fehlende Kommunikation zwischen den behandelndenÄrzten könne für ältere Patient*innen eine erhebliche Belastung darstellen, da diesesich zusätzlich in den Behandlungsprozess miteinbringen müssten.Bezüglich der genannten STIs stellten die Expert*innen fest, dass sie zwar sehr gut behandelbarseien, sofern sie richtig und rechtzeitig diagnostiziert würden; eben dies geschehe jedoch vielfachbei älteren Patient*innen nicht, da bei der Anamnese die Sexualität nicht thematisiert werde. Experte4 beschreibt dies folgendermaßen:Das hat ein bisschen was mit dem Anfang zu tun, dass bei älteren HIV-Positiven, die wir erleben, dass die,auch eigentlich Schwerpunktärzte, dann gar nicht mehr so genau nachfragen. Das heißt, es wird vorausgesetzt,der hat das nicht, der hat keine Syphilis, der hat keine Hepatitis. Weil man denkt, der ist jetzt 70, waswird der noch groß an Sex haben, so ungefähr. Also da ist so ein Knackpunkt.Wiederholte Geschlechtserkrankungen haben gemäß den Ausführungen der Expert*innen einenEinfluss auf Alterungsprozesse, wobei vor allem wiederholte Syphilisinfektionen neurokognitiveEinschränkungen hinterlassen könnten.Speziell für Frauen während der Menopause ist es, so die Expert*innen, schwierig zu differenzieren,ob und inwiefern die Symptome HIV-spezifisch sind, wobei die inzwischen zahlreich vorliegendenStudien mit z. T. diskrepanten Aussagen keine Entlastung darstellen, sondern zu weiterenVerunsicherungen beitrügen. Experte 14 formuliert dies zusammenfassend folgendermaßen:Also sie haben ja nicht nur mit den Veränderungen durch die Wechseljahre zu tun, mit den Frauen mehr oderweniger zu tun haben, jetzt rein auf körperlicher Ebene, sondern auch mit möglichen Nebenwirkungen. Dasauseinanderzuhalten, da keine Angst zu haben, auch das richtig einschätzen zu können, ist einfach unglaublichschwierig und wird, denke ich, im ärztlichen Bereich noch nicht so in dem Umfang thematisiert.Einig waren sich die Expert*innen darüber, dass sie aus medizinischer Perspektive auf die Herausforderungendes Älterwerdens mit HIV gut vorbereitet sind. Mängel wurden vor allem in derbestehenden Versorgungsstruktur identifiziert, die weiter unten dargestellt werden.4.1.2 Psychiatrische und psychologische Folgen! ! !!


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“8auch gar nicht mehr rausgehen, dass schlichte Einkaufsgänge zu einem Problem werden, weil man scheel angegucktwird, so meint man zumindest, spielt HIV eine enorme Rolle, nach dem Motto, man sieht mir dasdoch an, der Aussätzige. All diese innerpsychischen Vorgänge manifestieren sich manchmal dann tatsächlichauch. Man sieht mir an, dass ich HIV-positiv bin, was man natürlich nicht tut und dass man scheel angegucktwird, das wurde man schon ein Leben lang, wenn man über und über tätowiert ist und eine sehr auffälligeKleidungsart hat, dann wird man natürlich angeguckt. Das war ja viele Jahre erfüllte das auch einen Text,nämlich lass mich in Ruhe. Und jetzt passiert es tatsächlich, sie werden in Ruhe gelassen, vollständig, sie werdenscheel angeguckt, kein Mensch will mit ihnen was zu tun haben und das führen sie dann aber nicht aufsozusagen die Jahre dieses Lebens zurück, sondern auf bestimmte Infektionen, die sie haben.Schwere depressive Episoden, so die Expert*innen, könnten gravierende Folgen zeitigen, insbesonderedann, wenn die Patient*innen die Einnahme der HIV-Medikamente verweigerten.Des Weiteren wurden Demenz und kognitive Einschränkungen, wie beispielsweise Konzentrationsschwierigkeitenund Gedächtnisprobleme angeführt. Die Expert*innen beschrieben hier, dassPatient*innen den Umstand als besonders belastend und herausfordernd empfinden, wenn dieUrsache der Einschränkungen und Erkrankungen nicht eindeutig bestimmt werden können. Experte11:Und da ist dann also im Alter oft nicht mehr klar, war das jetzt eine schleichende HIV-Demenz oder ist es eineAltersdemenz oder wo kommt es denn her und das für Klienten schon auch teilweise belastend ist, dasssie nicht wissen, also dass sie dann auch Schuldgefühle haben, hätte ich meine Medikamente immer genommen- naja man weiß es aber nicht, vielleicht hast du auch einfach eine Altersdemenz und vergisst jetzt was,mein Oma hat es auch. Also so dass man oft die Ursache nicht rausfinden kann, das ist sicher belastend.Schließlich wurde von den Expert*innen ein erhöhtes Maß an Erschöpfung bei älteren HIV-Patient*innen konstatiert. Dieser Themenkomplex wurde in den Interviews indes nicht weiterausgeführt.4.1.3 Psychosoziale und sozioökonomische ImplikationenDie Expert*innen legten in den Interviews dar, dass psychosoziale und sozioökonomische Faktorenvielfach miteinander interagieren. Als überwiegende Belastung wurde durch die Expert*innendie soziale Isolation und Vereinsamung älterer HIV-Positiver angegeben. Der Wohnort, mangelhafteInfrastruktur und fehlender Community-Bezug wurden dabei als bedingende Faktoren genannt..In diesem Zusammenhang wurde außerdem die eingeschränkte Mobilität älterer Betroffener,die in größerer Entfernung von HIV-spezifischen Versorgungsstrukturen wohnhaftsind, als problematisch erachtet. Als sozioökonomische Faktoren wurden die frühe Berentung,Langzeitarbeitslosigkeit und drohende Altersarmut genannt, da der hieraus resultierende Mangelan finanziellen Ressourcen, sowie der Ausschluss aus dem Arbeitsleben, eine gleichberechtigteTeilhabe am sozialen Leben verhindere.. Experte 9 stellt die skizzierten Herausforderungen sodar:Und das ist halt für sehr gering qualifizierte Menschen und dann noch mit einer HIV-Infektion eher schwierig,was zu kriegen. Weil es z. T. ja auch keine wirklichen Einstiegsmodelle gibt dafür. Also wenn ich seit 15Jahren nicht gearbeitet habe, dann kann ich nicht von heute auf morgen auf 40-Stunden-Woche kommen, alsoauf 100 Prozent. Das ist halt auch ein großes Problem. Oder zeitlich befristete Stellen zu haben, wo jemandsagt, also so 20 Stunden in der Woche kann ich mir super vorstellen, irgendwo zu arbeiten, das ist aberschwierig, so was zu kriegen.Zugleich führten einige Expert*innen aus, dass ihre Klient*innen und Patient*innen über Überlastung,Burnout sowie verminderte Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben berichten, wie Experte 8beschreibt:! ! !!


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“9Das Tempo des Arbeitsleben ist wahn/. Ich sehe das bei HIV-Patienten etwas gehäuft. Ich gehe schon davonaus das Menschen mit HIV nicht zu 100% durch die Therapie wieder hergestellt werden, sondern vielleichtnur zu 95 % oder 98%. Und unter den Bedingungen des heutigen Arbeitslebens mit der Arbeitsverdichtunghat man schon den Eindruck, dass bei vielen Patienten dann doch so ein kleines Restproblem in der Leistungsfähigkeitaufgedeckt wird dadurch.Für Experte 4 spielt dies indes keine Rolle. Das Erleben am Arbeitsplatz ist für ihn weitgehendunabhängig von der HIV-Infektion und/oder dem Alter:Wir haben eine Coachinggruppe, die sich mit dem Thema HIV und Arbeit beschäftigt. Da ist so eine wildeAltersmischung drin. Und die Erfahrung, die sie machen ist, dass es sich nicht wirklich auswirkt. Es gibt immerwieder Fälle, wo die HIV-Infektion unabhängig vom Alter im Erwerbsleben eine Rolle spielt, grundsätzlichsind aber die, die jetzt sich auch damit beschäftigen, dass man nicht sagen kann, das ältere HIV-Positiveauf einmal plötzlich aus heiterem Himmel ein Problem am Arbeitsplatz wegen mangelnder Leistungsfähigkeitoder irgendwas in der Richtung entwickeln. Sondern das ist auch in der Gruppe meines Wissens gar nicht sodas Thema.Es sind nicht nur verminderte Leistungsfähigkeit und Burnout, die aus Sicht der befragten Expert*innenfür ältere HIV-Positive im Erwerbsleben hinderlich und belastend sein können, sondernauch die Angst vor Ablehnung und Stigmatisierung. Experte 14 fasst dies so zusammen:(…) das ist Stigmatisierung und Diskriminierung, die Angst vor dem Coming out als positive Frau, die Angstz. B., wenn ich mir jetzt gerade mit Mühe irgendein prekäres Arbeitsverhältnis ergattert habe, dass es da offenbarwerden könnte, dass ich positiv bin, und das dann auch wieder sich erledigt hat.Disclosure, Stigmatisierungsprozesse und erfahrene Diskriminierungen wurden durch die Expert*innennicht nur im Erwerbsleben thematisiert, sondern auch im privaten Umfeld sowie inBezug auf die Versorgungsinfrastrukturen.Die Expert*innen gaben an, dass ältere HIV-positive vielfach aufgrund von Selbststigmatisierungund antizipierter Stigmatisierung in eine Art „innere Emigration“ gegangen seien und ihrem sozialenUmfeld ihre HIV-Infektion – oftmals über viele Jahre hinweg – nicht mitgeteilt hätten. Experte3 stellt die skizzierten Herausforderungen, die sich daraus speziell im Alter zeitigen, wiefolgt dar:Und das hat sie auch gehindert in der Vergangenheit, sich zu outen. Und die haben sich eingemauert in eineBurg, wo sie wissen, dass sie positiv sind, aber kein anderer. Und jetzt werden sie kränker, älter und gebrechlicher.Sie werden bedürftiger und müssen immer noch aufpassen, dass die anderen nicht erfahren, dass siepositiv sind. Denn sonst gehen viele soziale Kontakte, meinen sie, haben sie Angst, dass viele soziale Kontaktedann in die Brüche gehen und sie alles noch verlieren. In jungen Jahren können sie immer wieder ausweichen,sind mobil, aber wenn sie jetzt 70 sind und vielleicht so ein Herzinfarkt hatten, dann sind sie nicht mehrso flexibel, sind sie auf ihre bestehenden soziale Kontakte angewiesen, sie haben die aber zehn oder 20 Jahreangeschwindelt, denen nie gesagt, dass sie positiv sind. Und jetzt, wie wollen sie jetzt das Problem lösen.Dies ausführend beschrieben die Expert*innen, dass die Geheimhaltung, die mehrfach auch als„Versteckspiel“ bezeichnet wurde, den Leidensdruck der Betroffenen erhöhe. Das Disclosure beziehtsich dabei nicht nur auf die HIV-Infektion, sondern auch auf die sexuelle Orientierung, diez. T. nur heimlich ausgelebt werde, um die Fassade aufrecht zu erhalten. Experte 8 drückt diesenUmstand so aus:Also beide haben gemeinsam die Verletzung des Selbstwertgefühls und es hängt auch immer stark bei meinenPatienten vom kulturellen Hintergrund ab. Wenn sie aus einem eher traditionellen Elternhaus stammen, teilweisemit Migrationshintergrund, dann spielen unter Umständen eher traditionelle Wertvorstellungen aucheine Rolle, d.h. viele Patienten können, und das betrifft auch ganz stark die Männer, die können sozusagennicht ihrer Familie gegenüber eingestehen, dass sie homosexuell sind, HIV selbst wäre vielleicht sogar nochetwas womit die Familie leben könnte, aber sozusagen diese Verletzung des Bildes, das sie haben von ihremSohn oder Bruder oder so was sexuelle Identität angeht, das ist häufig in der Familie stark sanktioniert.! ! !!


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“10Alkohol- und Substanzkonsum wurde durch die Expert*innen mehrfach als ambivalente Bewältigungsstrategiebeschrieben, wobei differenziert wurde, das im Alter Alkohol- und Tablettenkonsumeher eine Rolle spielten als Party- oder Designerdrogen, die überwiegend von Jüngeren konsumiertwerden würden. Mit den Worten von Experte 9:Alkohol, an erster Stelle Alkohol auf jeden Fall, bei denen, die uns aufsuchen, die halt schon älter sind, alsoauch eine lange Alkoholkarriere hinter sich haben. Und dadurch bedingt wie so ein Teufelskreis drinstecken,also langzeitarbeitslos, dann HIV, sich irgendwann verrenten lassen, zu einer Perspektivlosigkeit, was fangeich mir den ganzen Tag mit mir an, bis hin zur Vereinsamung. Ja, es ist schwierig. Bis zu seelischen Konflikten.Und es ist relativ schwierig, dahingehend zu wirken, dass die auch psychologische Hilfe annehmen. (…)Es gibt sicherlich den einen oder anderen, den intravenösen Drogengebrauch, aber das ist eher die Ausnahme.Ähnlich antwortet auch Experte 8 auf die Frage, ob und inwiefern Alkohol- und Substanzkonsumeine Rolle bei älteren HIV-positiven Patient*innen spielt:Die spielen sicher eine große Rolle und mit Sicherheit mehr als uns in den Sprechstunden erzählt wird. Wirsehen häufig unklare Anstiege z.B. der Leberenzyme, vorübergehende, aber insbesondere bei jüngeren Leutenund das muss man natürlich auch einmal sagen, also das ist eher der chronische Substanzgebrauch, Kokainoder moderne Designerdrogen oder so das betrifft überwiegend die jüngeren Leute bei uns, während die älterenLeute eher ein Problem mit Alkohol haben. Das ist aber, ich weiß nicht ob das häufiger ist als in derDurchschnittsbevölkerung, da traue ich mich nicht irgendwas, kann ich nichts berufenes dazu sagen, aber dasist sicherlich kein ganz seltenes Problem.Die Expert*innen beschrieben, dass Disclosure auch als positive Bewältigungsstrategie und Ressourcefungieren kann. Experte 3 etwa führt aus, dass „so eine Partnerschaft […] ein gutes sozialesNetz |ist] oder wenn sie sich geoutet haben und ihr soziales Netz haben. Dann kann man gutalt werden drin“. Zudem können psychosoziale Organisationen, wie Selbsthilfeeinrichtungen, alsErsatzstrukturen agieren. Der Bezug zur Community wird durch die Expert*innen als ambivalentbezeichnet. Während die Verortung insbesondere in der schwulen Community einerseits als Entlastungund Ressource betrachtet wird, heben einige Expert*innen auch hiermit – insbesondere imAlter –verbundene Belastungen hervor. Experte 11 erläutert diese Ambivalenz wie folgt:Also dass in der Regel die älteren Männer im schwulen Kontext noch eher ein Umfeld haben, dass sie auchBesuch bekommen, jetzt kein riesig großer ist, aber die Freunde nicht wegrennen, wenn jemand positiv istoder oft zumindest eins, zwei übrigbleiben, die vielleicht auch selber positiv sind und im heterosexuellen Umfeldauch gar nicht so ... also die Männer, die haben alle überhaupt keine Kontakte mehr. Also da sind dieÄngste schon noch riesig. (…) Aber ich glaube, Sexualität und schwul sein und HIV haben im Alter, das istauch ein schwieriges Thema, weil in der Szene darf man eh nicht alt werden, also das ist eh schon schwierig,jemanden zu finden, und dann sind sie auch noch positiv. Also das sind Mehrfachbelastungen, die die Männerda auf jeden Fall haben.So bewirke das nach Meinung einiger Expert*innen in der schwulen Community herrschendeIdeal von „Jugendlichkeit“, dass schwule Männer im Alter z.T. mit Exklusionserfahrungen zurechnen hätten. Bei HIV-Positiven käme hierbei außerdem die Infektion als weiteres Problemkriteriumhinzu.Ähnlich – wenn auch auf ganz andere Weise – ambivalent ist nach Expert*innenmeinung auchdie Rolle migrantischer Communities im Kontext einer HIV-Infektion. So stellten diese für Migrant*inneneinerseits eine unverzichtbare Ressource dar, weil sie oftmals der einzige Zugang zusozialen Netzwerken seien; umso problematischer verhalte sich diese Tatsache jedoch anderseits,wenn es um den Umgang mit der HIV-Infektion ginge. So schildert Expertin 15:(…) das müssen Sie sich vorstellen, dass Migranten in sehr, sehr engen, geschlossen Communities leben.Und diese Communities sind oft auch die einzigen sozialen Netzwerke für sie in Deutschland. Und das ist! ! !!


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“12ältere HIV-Patient*innen mit Migrationshintergrund erwähnt und das Fehlen kultursensibler Angeboteim Gesundheitswesen moniert.Darüber hinaus wurde die mangelhafte bis gänzlich fehlende Vernetzung und Kommunikationunter den behandelnden Ärzten thematisiert, so beispielsweise durch Experte 11:Also ich glaube, dass diese wirklich ... also wenn die Menschen älter sind und dann Fachärzte brauchen undHIV-Ärzte und vielleicht auch noch ein Psychiater, also dass wir so mehr von einem Arzt zum nächsten rennen,dieses Helfernetz oft echt nicht gut funktioniert, also Absprache zwischen Ärzten ist die Hölle. Und unsereKlienten dann ziemlich schnell aufgeben und dann sagen, dann gehe ich gar nirgendwo mehr hin, da habeich keine Lust drauf irgendwie. Oder jetzt das Medikament wirkt mit dem wieder nicht, also da mag ichnicht mehr und wenn da nicht wirklich Hilfe ist, ganz zentral, der dann sagt, okay, wir koordinieren das jetztund wir reden auch mit den Ärzten, dass die in Gottes Namen untereinander reden müssen, sonst rutschendie auch ganz schnell ab und sagen, dann kümmere ich mich halt nicht drum. Und das ist, finde ich, ein sehrgroßes Thema. Und dann kommt da eher so eine Lähmung bei den Klienten oder Klientinnen raus, dannmache ich gar nichts.Mehrfach wurde über Stigmatisierungsprozesse und Diskriminierungen seitens medizinischerVersorger wie Krankenhäusern, Rehabilitationszentren und Pflegern berichtet, die die Aufnahme,medizinische Behandlung sowie die Pflege von HIV-Patient*innen verweigerten oder HIV-Patient*innen in den Einrichtungen diskriminierend gegenübertreten würden. Experte 17 beschreibtdies folgendermaßen:4.2.2 PflegeWir haben einmal einen Klienten gehabt, er ist zusammengebrochen, wir wussten nicht weswegen, es warnicht klar, ob das jetzt eine Überdosis von irgendwas ist, ich habe den Rettungswagen gerufen und haben gesagt,dass derjenige HIV-positiv ist. Sie machen sich kein Bild, was da passiert ist. Da standen Menschen mitRaumanzügen vor der Tür. Das ist jetzt keine Geschichte, oder es ist eine, aber die ist wirklich passiert. Diekamen gar nicht durch die Tür. Was soll denn das jetzt? - Sie haben doch gesagt, er wäre ansteckend. – Nein,das haben wir nicht gesagt. Wir haben nur gesagt, damit Sie sich darauf vorbereiten können, haben wir dieKrankheitsbilder durchgegeben und u. a. ist der Mensch HIV-positiv, der war auch noch ganz viel anderes,aber Raumanzug. Rettungssanitäter, also Menschen, die ... also nicht die Gemüsefrau von der Ecke, ist jaauch Quatsch, aber das könnte man vielleicht noch verstehen. Ärzte und Rettungssanitäter in Raumanzügenhaben wir erlebtBesonders die Unterbringung in Pflegeeinrichtungen von älteren HIV-Positiven und die Versorgungdurch ambulante Pflegedienste wurde durch die Expert*innen als eine der zentralen Herausforderungenim Kontext der Versorgung älterer HIV-Positiver identifiziert. Expert*innen 11und 17 beschreiben dies so:Also mit dem ambulanten Pflegedienst ist es schwierig, jemanden zu finden, der jetzt neben Medikamentenausgabeoder Einkaufsdienste machen die ja auch, also das geht alles noch, aber ich habe immer das Gefühl,sobald es an die Körperpflege geht, (…) und da brauchen sie erstmal eine Schulung und das müssen sie erstmalabsprechen und ich dann immer sage, naja, aber jemand anderen waschen Sie auch mit Handschuhenund wenn jemand ein anderer Klient blutet, dann lange ich auch nicht in die offene Wunde rein. Also jemand,der professionell Pflege macht, dem müsste es eigentlich völlig egal sein, ob jemand positiv ist oder nicht.Oder einen Pflegedienst, der kommt, weil derjenige akut erkrankt war, nach einem Krankenhausaufenthaltund eben ambulant gepflegt werden musste. Krebserkrankung, der hatte einen externen Urinbeutel, weil manihm die Blase entfernt hat. Und irgendwie, ich weiß nicht genau wie das passiert ist, sind zwei Tropfen, ichhabe sie gesehen, auf die Plastikschuhe der Pflegekraft - Plastikschuh, ich sage es noch mal - der Pflegekraftgekommen. Ich habe selten in meinem Dienst eine solche Dekompensation erlebt, aber es war kein Klient, eswar ein Mitarbeiter eines Gesundheitsdienstes. Also solche Geschichten, da könnte ich eine ganze Abendveranstaltungmit füllen, wo man sich wirklich fragt, hallo, das muss doch sich durchgesprochen haben, dass einPlastikschuh nicht HIV-positiv wird. Nein, da ist das Hirn dann auch aus, man ist dann nur noch angstgeleitetund dekompensiert vielfältig vollständig. Pflegedienste, die sich weigern, in solchen Bereichen zu arbeiten, dasgibt es alles.! ! !!


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“13Die Diskriminierung vor allem durch Pfleger*innen und dem Reinigungspersonal erklärten dieExpert*innen u. a. durch mangelnde Aufklärung.Neben der HIV-Infektion, die die Aufnahme und Unterbringung in Pflegeeinrichtungen erschwert,kommen noch unterschiedliche Lebensstile und Bedürfnisse älterer HIV-positiver hinzu,die die Unterbringung in ein klassisches Altenheim zusätzlich erschwerten, da sie nicht über entsprechendeAngebote und Versorgungsstrukturen verfügten. Hierzu wurde u. a. die Unterbringungvon Drogengebraucher*innen, schwulen Männern und HIV-positiven Menschen mit Migrationshintergrundgenannt. Auch die Möglichkeit, die eigene Sexualität in klassischen Altenheimenauszuleben, sei nur schwer realisierbar, da Pfleger*innen und Mitbewohner*innen mangelndesVerständnis sowie Ablehnung entgegenbringen würden. Allerdings fehle es den meisten älterenKlient*innen an finanziellen und sozialen Ressourcen, um Einzelzimmer zu beziehen oderVersorgung und Pflege privat zu organisieren.Um die psychosozialen Implikationen aufzunehmen, die im Abschnitt 3.1.2 aufgeführt wurden,berichteten Expert*innen aus der Pflege- und Versorgungstruktur, dass sie sich mit weiteren professionellenDienstleistern sowie ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen von Aidshilfen vernetzten,um die Klient*innen aus ihrer sozialen Isolation zu holen.4.2.3 Beratung und BegleitungDie Expert*innen führten aus, dass sie ihre Beratungsangebote aufgrund der altersstrukturellenEntwicklungen und rechtlichen Veränderungen erweitert haben. Sie setzen sich u.a. mit Themenwie Verpartnerung, Witwenrenten und Erbe auseinander, um ältere Betroffene adäquat beratenund unterstützen zu können. Um speziell HIV-Positive mit Migrationshintergrund zu erreichenseien auch partizipative, audiovisuelle Medien erarbeitet worden (bzw. in Arbeit), die sich in verschiedenenSprachen an die Zielgruppen richten, und kultursensible Angebote auf den Weg gebrachtworden.5 DiskussionBemerkenswert ist zunächst, dass, folgt man den Aussagen der befragten Expert*innen unabhängigvon den Bereichen, in denen sie tätig sind, HIV im Alter rein medizinisch keine im Vergleichzur normalisierten HIV-Behandlung besonderen Herausforderungen mit sich zu bringen scheint.Altersbezogene Implikationen, etwa durch Komorbiditäten, werden gesehen und thematisiert,aber als handhabbar vermittelt, sofern die entsprechende Expertise vorhanden ist. Nicht seltenwird in diesem Zusammenhang auf vorliegende medizinische Studien verwiesen. Zugleich bleibtvielfach die Frage, inwieweit es sich bei bestimmten gesundheitlichen Problemen um HIVund/oderaltersspezifische Probleme handelt, offen. Dies betrifft auch Aspekte der psychischenGesundheit, insbesondere die Depression als eine von der Prävalenz her vergleichsweise häufigeStörung, die die Lebensqualität von HIV-Positiven im Alter wesentlich beeinträchtigen kann.Insgesamt jedoch weisen die Experteninterviews auf die Bedeutung psychosozialer und sozioökonomischerImplikationen des Älterwerdens mit HIV und Aids in Deutschland. Dabei wurdenbesonders Multiproblemlagen skizziert, die geprägt sind durch eine beispielsweise aufgrund von! ! !!


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“15Lebensstil älterer Schwuler oder einen kulturell „exotisches“ Verhalten von älterer Menschen mitMigrationshintergrund) schwierig zu integrieren sei.Interessant ist, dass die Frage nach der Bedeutung von HIV im Alter in Bezug etwa auf Pflegeeinrichtungenim Vergleich zur Bedeutung dessen, was hier als Lebensführung bezeichnet wurde,oft sekundär erscheint. Nicht die Infektion selbst erscheint dann als Herausforderung für diePflege (z.B. im Hinblick auf ein „HIV-Mainstreaming“); hervorgehoben werden eher Probleme,die durch einen schwulen Lebensstil, eine Drogenbiografie oder durch Kulturdifferenzen entstehenund das bestehende Pflegesystem – bzw. vor allem die in der alltäglichen Pflege praktischTätigen – überforderten. In diesem Zusammenhang tritt in vielen Interviews das Thema HIV imAlter immer wieder in den Hintergrund, während primär über Schwule, Drogenkonsumierendeoder Migrant*innen im Alter gesprochen wird. Für die Interviews mit HIV-positiven älterenMenschen, die in der nächsten Feldphase des qualitativen Studienarms anstehen, wird es damitauch darum gehen müssen zu untersuchen, inwieweit eine Einteilung unterschiedlicher Gruppen,die in Bezug auf HIV/Aids i. d. R. durch den Transmissionsweg bestimmt und als Zielgruppenetwa für die Prävention relevant sind, für die Frage nach den psychosozialen Aspekten vonHIV/Aids im Alter sinnvoll erscheint oder ob andere Einteilungen herangezogen werden sollten.Eine wichtige Unterscheidung dürfte dabei sicherlich die im Projektantrag bereits erwähnte Differenzierungzwischen länger mit HIV Infizierten, die langsam ins Alter kommen, und im Altersich neu mit HIV Infizierende oder mit HIV Diagnostizierte sein. Auffällig ist, dass in den Interviewsmit den Expert*innen vor allem die erste Gruppe thematisiert wurde, während es kaumAussagen zur zweiten gab. Besonders deutlich wird dies bei der Feststellung sozialer Isolation(„innerer Emigration“) vieler älterer HIV-Positiver, die ihre Infektion jahrelang vor Freunden,Bekannten und Familie verheimlicht hätten. Das daraus sich ergebende Double-Bind, dass einNon-Disclosure früher funktional zur Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte war, nun aber einDisclosure wichtig wäre, um diese Kontakte zur Unterstützung aktivieren zu könne, betrifft ausschließlichlänger Infizierte. Die spezifischen Herausforderungen, denen ein beispielsweise mit 70Jahren mit HIV diagnostizierter Mensch gegenübersteht, blieben indes weitgehend unthematisiert.Dies sollte beim Sampling für die Interviews mit HIV-positiven Älteren in Betracht gezogenwerden, um spezifisch Fälle dieser zweiten Gruppe zu untersuchen.Abschließend sei noch kurz auf die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Markierung des Altwerdensmit dem 50. Lebensjahr eingegangen. Die unter Verweis auf einen möglicherweise forcierten Alterungsprozessaufgrund der HIV-Infektion medizinisch begründete und auch in der internationalensozialwissenschaftlichen Forschung übernommene Grenze wurde durch die befragten Expert*innenweitgehend übernommen und kaum problematisiert. Lediglich im Hinblick auf HIVpositiveSchwule und Bisexuelle wurde auf die Bedeutung sexueller Attraktivität und Aktivität alssubjektiv erfahrene Merkmale verwiesen, wodurch eine andere Einteilung, ab wann und wie Älterwerdenindividuell wahrgenommen werden kann, in Aussicht gestellt ist. Gerade angesichtsunterschiedlicher Subjektivierungsimperative, die sich am Alter im Allgemeinen festmachten undin den letzten Jahren die Sozialfigur des „jungen Alten“ ins Leben riefen, der als „Alterskraftunternehmer“bis ins hohe Alter hinein nicht nur fit, sondern auch ökonomisch produktiv und gesellschaftlichnützlich ist (vgl. Lessenich 2008), wird im Projekt in der Folge mit zu untersuchen! ! !!


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“16sein, wie Menschen mit HIV Älterwerden subjektiv erleben, an was sie es festmachen und wie siemit tendenziell stigmatisierenden gesellschaftlichen Anforderungen, denen sie aufgrund HIVbedingterEinschränkungen oft nicht hinreichend „gerecht“ werden können, umgehen (können).! ! !!


AnhangZitierte LiteraturBrennan, M., Karpiak, S.E., Shippy, R.A. & Cantor, M.H. (Eds.) (2009). Older Adults with HIV:An In-Depth Examination of an Emerging Population. New York: Nova Science.Effros R. B et al. (2008). Aging and infectious diseases: workshop on HIV infection and aging:what is known and future research directions. Clinical infectious diseases, 47(4), 542-53.Flick, U. (2009). An introduction to qualitative research. Los Angeles: Sage.Gläser, J. & Laudel, G. (2010). Experteninterviews und qualitative Inhaltsanalyse (4. Auflage). Wiesbaden:VS Verlag für Sozialwissenschaften.GMHC (2010). Growing older with the epidemic: HIV and aging. New York: Gay Men’s Health Crisis,Inc.Hartl, H. & Vielhaber, B. (2010). Länger Leben – Älter werden mit HIV (Med-Info Nr. 79). AIDS-Hilfe Köln e.V.: Köln.Health Protection Agency (2010). HIV in the United Kingdom: 2010 Report. Health ProtectionReport, 4(47).Justice, A.C (2012). Epidemiological and Clinical Aspects: Lessons Learned from the First Waveof Aging with HIV. Präsentation auf der XIX. International AIDS Conference. Washington.24.07.2012.Justice, A.C. (2010). HIV and Aging: Time for a New Paradigm. Abgerufen am 24.7.2012 vonhttp://www.health.ny.gov/diseases/aids/conferences/plenaries/docs/time_for_a_new_paradigm.pdf.Landay, A. & High, K. (2012). HIV and Aging: A Global Perspective on Research, Care and Prevention.Satellite Symposium auf der 19. Welt-Aids-Konferenz. Washington. 23.7.2012.Lessenich, S. (2008). Produktives Altern : auf dem Weg zum Alterskraftunternehmer? In M. Füllsack(Hrsg.), Verwerfungen moderner Arbeit: zum Formwandel des Produktiven (S. 45-64).Bielefeld: transcript Verl. 2008.Luther, V.P. & Wilkin, A.M. (2007). HIV infection in older adults. Clinical Geriatric Medicine, 23,567-583.Masten, J. (2011). Aging with HIV. Oxford University Press: New York.Power, L., Bell, M. & Freemantle, I. (2010). A national study of HIV and ageing (50Plus). York: JosephRowntree Foundation.Robert-Koch-Institut (RKI) (2010). Zum Verlauf der HIV-Epidemie in Deutschland bis Ende2010. Epidemiologisches Bulletin, 46, 453-459.Sankar, A., Nevedal, A., Neufeld, S., Berry, R. & Luborsky, M. (2011). What do we know aboutolder adults and HIV? A review of social and behavioral literature. AIDS Care, 23, 1187-1207.Trapana, G. (2010). HIV-Positive altern schneller. 1st international workshop on HIV & aging,Baltimore, 4.-5. Oktober 2010. HIV&more, 2010/4, 4-6.


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“18Verwendeter Leitfaden0. Einleitung• Begrüßung & Dank für die Bereitschaft das Interview zu führen• Kurze Vorstellung der eigenen Person & Vorstellung des Projekteso„In den Ländern des globalen Nordens ist zunehmend zu beobachten, dass das durchschnittlicheLebensalter von Menschen mit HIV und Aids steigt und dass der Anteil älterer Menschen mitHIV / AIDS größer wird. Das Forschungsziel des Projektes ist es, Erkenntnisse zur Lebenssituation,psychischer Gesundheit, gesundheitsbezogener Lebensqualität, Belastungs- und Bewältigungszusammenhängenin unterschiedlichen Lebensweltkontexten sowie zu den institutionellenVersorgungsbedarfen von älter werdenden Menschen mit HIV in Deutschland zu gewinnen. Mitder empirisch fundierten und genauen Beschreibung der Lebenswirklichkeit von älteren Menschenmit HIV in Deutschland soll eine Sensibilisierung sowie die Bereitstellung von Informationen fürdie Politik, Selbsthilfe und Versorgungssysteme gewährleistet werden.“• Geplanter Zeitrahmen für das Interview: ca. 30 Min.• Hinweis auf Umgang mit den Daten (Vertraulichkeit, keine Weitergabe, Anonymisierung& Möglichkeit auf Fragen nicht zu antworten, Erlaubnis der Aufnahme erfragen)1. Zur beruflichen Tätigkeit• Könnten Sie bitte kurz Ihren Arbeitskontext skizzieren! Welche Rolle spielt darin dasThema „HIV und Alter“?• Mit welchen Problemen oder Herausforderungen sind Sie in Ihrer Arbeit mit älter werdendenHIV-Positiven konfrontiert? Wie gehen Sie mit diesen Herausforderungen um?• In der wissenschaftlichen Literatur wird Alter im Zusammenhang mit HIV mit dem 50.Lebensjahr angesetzt. Inwieweit erscheint Ihnen das sinnvoll?oGibt es darüber hinaus für sie eine weitere sinnvolle Einteilung? (ab 65/70, also in Rente; ab Pflegebedürftigkeit….indie auch die Antworten evt. zu differenzieren wären)2. Zur Lebenswirklichkeit der Patient_innen / Klient_innen• Wie würden Sie die Lebenssituation von älter werdenden Menschen mit HIV beschreiben?• Zu welchen spezifischen Belastungen kommt es dabei aufgrundooooooovon Geschlecht, sexueller Orientierung?Migrationshintergründe oder -erfahrungen?(illegalem) Drogengebrauch?Langzeitinfektion, Spätdiagnose?im höheren Lebensalter „frisch“ infiziert?aufgrund des Wohnortes / der Wohnsituation der Betroffenen? (Werden spezifische Belastungengesehen, die der Lebenssituationländlicher Raum oder größere Entfernung zu HIV spezifischenVersorgungsstrukturen zugeordnet werden? Oder der Wohnsituation (allein, mit Partner/in, mitFamilie, in Versorgungseinrichtungen…)finanzielle Situation (spätestens ab Rente)• Wie wirken sich psychosoziale Ressourcen und die sozioökonomischen Umstände aufden Gesundheitszustand / die Lebenssituation älterer HIV-positiver Patient_innen aus?• Welche Rolle spielen Alkohol- und Substanzkonsum im Kontext „HIV und Alter“?! ! !!


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“19• HIV & Arbeit: Wie wirkt sich die HIV-Infektion älterer Betroffener auf das Erwerbslebenaus?• Wie wirkt sich die HIV-Infektion im Alter auf die Sexualität aus? (Differenzierung nachLangzeitinfektion & im höheren Alter infiziert)• Wie nehmen Sie das gesellschaftliche Klima HIV-Positiven gegenüber wahr? Ist eine Veränderungzu beobachten? (Klima in den Communities gegenüber Älteren?)3. Medizinische / psychiatrische Aspekte:• Wie ist Ihr Eindruck zum Gesundheitszustand von älteren Menschen mit HIV generell?• Werden Auswirkungen der Wechselwirkungen zwischen alterstypischen Erkrankungenund HIV gesehen (Osteoporose, spez. Krebsarten, koronare Herzerkrankungen) und worinbestehen diese?• Was sind Ihre Erfahrungen bezüglich der Reaktion des Immunsystems älterer HIVpositiverauf die antiretrovirale Therapie. Gibt es da Unterschiede zwischen jüngeren undälteren Betroffenen?• Erfahrungen bezüglich der Compliance / der Vertäglichkeit? Unterschiede Jünger / Älter?• Wie wirken sich die typischen Komorbiditäten (Hepatitis, STDs) auf die Gesundheit vonälteren HIV-Positiven aus?• Explizite Frage nach neurokognitiven Störungen.• MED: Inwiefern unterscheiden sich die psychiatrischen Erkrankungen älterer HIV-Positiver Menschen von der Gesamtpopulation der HIV-Positiven?4. Identifizierung institutioneller Bedarfe• MED: Inwieweit hat die beschriebene Lebenssituation Auswirkungen auf Ihre Tätigkeit?Ist die ärztliche Praxis (Ausstattung und Inhalte) angemessen auf das Älterwerden vonHIV-Positiven vorbereitet?• Welche weiteren Beratungs-, Unterstützungs- und Versorgungsmöglichkeiten gibt es derzeitin Deutschland, die für die Gruppe älterer HIV-Positiver Menschen relevant --- spezifischsind?• Wie leicht sind diese Angebote für die Betroffenen zugänglich? Wäre es eventuell sinnvoll,Informationsforen anzubieten?• Wie gut sind ihrer Meinung nach die Angebote für die Beratung- Unterstützung und Versorgungälterer Menschen auf Menschen mit HIV vorbereitet?• Welche der Angebote werden Ihrer Meinung nach durch die Betroffenen genutzt?• Welche der Angebote erachten Sie für sinnvoll, welche für weniger sinnvoll?• Welche Angebote sollten ausgebaut werden? Welche müssten neu eingerichtet werden?Welche Angebote müssten sich wie verändern?5. Ende• Möchten Sie noch etwas hinzufügen? Habe ich ihrer Ansicht nach vergessen etwas Wichtigesnachzufragen?• Praxiskontext für Ihren Arbeitsbereich! ! !!


<strong>Kurzbericht</strong> zu den Ergebnisse der Experteninterviews im Rahmen des Projektes „<strong>50plusHIV</strong>“20• Gibt es Ihrer Ansicht nach eine Expertin oder einen Experten zum Thema „HIV und Alter“,die oder den wir im Rahmen der Studie unbedingt befragen sollten?• Nach Auswertung der Interviews mit den Expert*innen und positiven Interviewpartner*innenplanen eine Expertenrunde, mit denen wir die Ergebnisse der Auswertungdiskutieren und im Hinblick auf Anwendungsmöglichkeiten erörtern möchten. WärenSie prinzipiell bereit, an der Expertenrunde teilzunehmen, d.h. können wir Sie zu gegebenerZeit anfragen, ob Sie daran teilnehmen möchten?• Wie war das Interview für Sie?• Dank & Verabschiedung! ! !!

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