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Wer war Dorothea Erxleben ? * - Hochschulstadtteil ...

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<strong>Wer</strong> <strong>war</strong> <strong>Dorothea</strong> <strong>Erxleben</strong> ? *<br />

* Von Frauen und Männern, die den Straßen des<br />

<strong>Hochschulstadtteil</strong>s Lübeck einen Namen geben.


InhaltsverzeIchnIs<br />

Inhalt<br />

1 Maria Gaetana aGnesI<br />

2 amelie hedwig Beese<br />

3 ernst aBBe<br />

4 andré Marie aMpère<br />

5 Gerty theresa corI<br />

6 <strong>Dorothea</strong> christiana erxleBen<br />

7 Johannes richard Baltzer<br />

8 Joseph carleBach<br />

9 Marie-sophie GerMaIn<br />

10 Maria Goeppert-Mayer<br />

11 christian andreas Doppler<br />

12 paul ehrlIch<br />

13 Karoline lucretia herschel<br />

14 henriette hIrschfelD-tIBurtIus<br />

In der Broschürenmitte:<br />

straßennamen im hochschulstadtteil –<br />

ein ÜBersIchtsplan<br />

15 alexander fleMInG<br />

16 carl friedrich Gauss<br />

17 Grace Murray hopper<br />

18 lise MeItner<br />

19 Joachim JunGIus<br />

20 albert lezIus<br />

21 Maria sibylla MerIan<br />

22 Maria MItchell<br />

23 Maximilian wilhelm hermann lInDe<br />

24 carl MÜhlenpforDt<br />

25 amalie emmy noether<br />

26 cornelia Bernhardine J. schorer<br />

27 Isaac newton<br />

28 Johannes scherBecK<br />

29 Johann adam soherr<br />

30 Johann Julius walBauM<br />

Impressum/ Kontakt<br />

Grusswort<br />

Die Lübecker Bürgerschaft hat in Ihrer Sitzung<br />

am 10. Oktober 2002 folgenden Antrag beschlossen:<br />

„Der Bürgermeister wird beauftragt, der Bürgerschaft<br />

in ihrer nächsten sitzung einen geschlechtsspezifisch<br />

ausgewogenen namens-<br />

vorschlag für die Benennung der straßen im<br />

hochschulstadtteil vorzulegen.“<br />

Ein entsprechender Vorschlag zur Benennung<br />

der 29 Straßen und Wege wurde den politischen<br />

Gremien zur Novembersitzung 2002 vorgelegt.<br />

Die straßenrechtlichen Anforderungen für eine<br />

gute Orientierung der zukünftigen BewohnerInnen<br />

im neuen Stadtteil wurden somit erfüllt.<br />

Gleichzeitig sollte eine angemessene Ehrung<br />

verdienter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler<br />

mit Bezug zum neuen Hochschulstandort<br />

vorgenommen werden. Hierzu hat es in<br />

vielen Gremien Diskussionen und Empfehlungen<br />

gegeben, wobei sich herausstellte, dass das<br />

Wissen um die Verdienste von Männern viel bekannter<br />

ist, als das um die Leistungen von<br />

Frauen. Das bestätigte sich sogar bei den Nachforschungen<br />

zu dieser Broschüre! Wir freuen<br />

uns deshalb, dass es mit maßgeblicher Unterstützung<br />

des Lübecker Frauenbüros gelungen<br />

ist, den Alltagsblick für die wissenschaftlichen<br />

Errungenschaften von Frauen zu schärfen.<br />

In den Gremiendiskussionen wurde ebenfalls<br />

die Idee zu dieser Broschüre geboren, die wir –<br />

die <strong>Hochschulstadtteil</strong> Entwicklungsgesellschaft<br />

– gerne aufgegriffen haben. Zusammen mit dem<br />

Straßenplan hoffen wir, Ihnen eine interessante<br />

und wissenswerte Orientierungshilfe an die<br />

Hand zu geben. Stöbern Sie darin und erkunden<br />

Sie Ihr neues Viertel einmal ganz anders!<br />

Ihr HEG - Projektteam<br />

Grusswort


16. aprIl 1718 – 9. Januar 1799<br />

MarIa Gaetana aGnesI<br />

MarIa Gaetana aGnesI<br />

la prima signora della matematica:<br />

eine frau schafft sich einen platz in<br />

der Männerdomäne der Mathematik<br />

Mit neun Jahren hielt die junge Mailänderin im Salon<br />

ihres Elternhauses Vorlesungen auf Latein und beherrschte<br />

bereits sieben Sprachen. Mit 14 fand sie<br />

neue originelle Lösungen für Probleme der Ballistik und<br />

der analytischen Geometrie. Mit 20 Jahren <strong>war</strong> sie<br />

schon eine anerkannte Mathematikerin und veröffentlichte<br />

die „Propositiones philosophicae“, eine thesenhafte<br />

Sammlung naturwissenschaftlicher und philoso-<br />

phischer Streitgespräche, die sie im elterlichen Salon<br />

abhielt, in der sie sich vor allem auch für eine umfassende<br />

Bildung von Frauen ausspricht.<br />

Mit 30 Jahren veröffentlichte Agnesi dann ihre „Analytischen<br />

Gesetze“, eine der wichtigsten Grundlagen für<br />

die Integralrechnung, und wurde in die Akademie der<br />

Wissenschaften zu Bologna gewählt. Damit nicht genug,<br />

sorgte sie bald mit der „Agnesischen Hexe“, wie ihre<br />

Formel für die kubische Kurve genannt wird, für großes<br />

Aufsehen. Sie erntete Anerkennung und Begeisterung<br />

von Mathematikern, wissenschaftlichen Gesellschaften,<br />

Fürsten und Regenten aus weiten Teilen Europas. Auch<br />

Papst Benedikt XIV. – selbst begeisterter Mathematiker<br />

– <strong>war</strong> hoch beeindruckt und bot ihr in der Folge einen<br />

Lehrstuhl für höhere Mathematik und Naturphilosophie<br />

an der Universität zu Bologna an. Mit der Berufung von<br />

Frauen auf universitäre Lehrstühle stellte Italien zur<br />

damaligen Zeit die absolute Ausnahme im sonst eher<br />

patriarchalisch gesinnten Europa dar.<br />

Nach dem Tod ihres Vaters trat die nun 34-jährige von<br />

all ihren Ämtern zurück und widmete sich fortan der<br />

Religion und wohltätigen Zwecken. Bis heute gilt Maria<br />

Gaetana Agnesi als erste Mathematikerin der Geschichte.<br />

„nichts hat mich mehr ermutigt als die tatsache<br />

ihres Geschlechts, das durch eine glückliche fügung<br />

auch meines ist. es ist meine feste Überzeugung,<br />

dass in diesem zeitalter, das durch ihre herrschaft<br />

ausgezeichnet sein wird bis in die fernsten<br />

Generationen, sich jede frau bis an die Grenzen<br />

ihrer Kraft anstrengen muss, um den ruhm ihres<br />

Geschlechts zu fördern.“<br />

M. G. Agnesi im Vorwort ihrer „Analytischen<br />

Gesetze“, die sie der österreichischen<br />

Erzherzogin Maria Theresia gewidmet hat<br />

>MellI< Beese<br />

eine frau erobert die lüfte: die erste fliegerin<br />

und flugzeugkonstrukteurin Deutschlands<br />

Melli Beese sollte als erste deutsche Pilotin in die<br />

Geschichte eingehen, doch zunächst studierte sie<br />

Bildhauerei an der Kunsthochschule Stockholm, beschäftigte<br />

sich mit Schiffsbau und hörte Vorlesungen<br />

über Mathematik. Schließlich gelangte sie so an der<br />

Technischen Hochschule Dresden zur Flugtechnik und<br />

-mechanik. Mehr und mehr reifte in ihr der Wunsch, ihre<br />

theoretischen Kenntnisse in die Tat umzusetzen – doch<br />

an den meisten der wenigen Flugschulen, die zur damaligen<br />

Zeit existierten, wurde sie mit der Begründung,<br />

Frauen seien Technik-unverständig und ungeeignet, ein<br />

Flugzeug zu führen, abgelehnt. Nur ihrer Hartnäckigkeit<br />

ist es zu verdanken, dass sie im September 1911 als<br />

erste Frau Deutschlands und 115. Person überhaupt<br />

ihren Pilotenschein erhielt – allen Manipulationsversuchen<br />

männlicher Kollegen zum Trotz.<br />

Schon ein Jahr später gründete sie gemeinsam mit<br />

ihrem zukünftigen Mann Charles Boutard ihre eigene<br />

Flugschule und <strong>war</strong> nebenbei Flugzeugkonstrukteurin.<br />

Von 1912 bis 1914 wurden mehrere Patente von ihr angemeldet,<br />

u.a. ein „zerlegbares Flugzeug“, dessen Tragflächengerüst<br />

zusammenlegbar <strong>war</strong>; ein Wasserflug-<br />

zeug und ein einsitziges Leichtflugzeug.<br />

1913 heiratete Melli Beese Charles Boutard, einen Franzosen.<br />

Ihre Lehr- und Geschäftserlaubnis wurde ihr<br />

daraufhin im ersten Weltkrieg entzogen, ihr Mann<br />

wurde interniert. In den kommenden Jahren hielt sie<br />

der seelischen Belastung und den Kriegsrepressalien<br />

nicht mehr stand. Ihre Ehe ging in die Brüche, die Kraft<br />

zu einem Neuanfang <strong>war</strong> ihr abhanden<br />

gekommen. Am 22. Dezember 1925<br />

beging Melli Beese Selbstmord.<br />

Kurz zuvor, im Mai 1925, wurde auf der<br />

Tagung der internationalen Kommission<br />

für die Luftfahrt beschlossen, dass nur<br />

Männern ein Führerschein für Luftverkehrsflugzeuge<br />

ausgestellt werden dürfe.<br />

Noch heute sind – bis auf einige wenige<br />

Ausnahmen – Frauen im Cockpit eher<br />

eine Seltenheit.<br />

„an jenem 22. Dezember 1925 erschießt sich<br />

Melli Beese verzweifelt und entwürdigt, weil ihr<br />

die Gesellschaftsordnung, in der sie lebte, nicht<br />

den platz einräumte, der ihr gebührte.“<br />

Hans Ahner: Sturz in die Tiefe. Berlin 1983.<br />

aMelIe heDwIG Beese<br />

13. septeMBer 1886 – 22. DezeMBer 1925<br />

2


23. Januar 1840 – 14. Januar 1905<br />

ernst aBBe<br />

ernst aBBe<br />

Begründer des modernen Mikroskopbaus,<br />

fortschrittlicher sozialreformer und<br />

wichtiger partner von carl zeiss<br />

Bereits als Schüler <strong>war</strong> Ernst Abbes Taten- und Wissensdrang<br />

nicht zu bremsen: Neben der Schule studierte<br />

er die <strong>Wer</strong>ke des berühmten Mathematikers Carl<br />

Friedrich Gauß und begann bereits mit 17 Jahren sein<br />

Studium der Mathematik und Physik in Jena. Schon als<br />

23-jähriger <strong>war</strong> er hier nach seiner Habilitation Privatdozent,<br />

später dann, von 1870 bis 1896, Professor für<br />

Physik.<br />

1866 sollte er dem fast doppelt so alten „Mechanikus“<br />

Carl Zeiss begegnen. Gemeinsam mit ihm begründet<br />

Abbe in den Jahren 1871/ 72 den wissenschaftlichen<br />

Mikroskopbau: Zunächst erforscht Abbe im Auftrage<br />

Zeiss die wissenschaftlichen Grundlagen des Mikroskopbaus,<br />

danach entwickelt er die Beugungstheorie der<br />

mikroskopischen Abbildung. Er schafft so die Grundlagen<br />

für die wissenschaftlich fundierte Mikroskopherstellung<br />

– und die Firma Carl Zeiss entwickelt sich<br />

zu einem Unternehmen von Weltruhm.<br />

Nach dem Tode Carl Zeiss übernimmt Abbe 1889 die<br />

alleinige Leitung des Zeiss-<strong>Wer</strong>ks und führt maßgebliche<br />

Sozialreformen – u. a. die Einführung des Achtstundentags,<br />

der Mitarbeiter-Gewinnbeteiligung und des bezahlten<br />

Urlaubs – durch. In diesem Zusammenhang<br />

gründet er 1891 auch die Carl-Zeiss-Stiftung, der er die<br />

Firma Zeiss und auch Teile seines eigenen Vermögens<br />

überschreibt und so für die wirtschaftliche Absicherung<br />

des Unternehmens sorgt.<br />

Ohne Abbes Untersuchungen und Entwicklungen wären<br />

zahlreiche medizinische Forschungserfolge in der zweiten<br />

Hälfte des 19. Jahrhunderts, v. a. auf dem Gebiet der<br />

Bakteriologie, undenkbar gewesen.<br />

anDré MarIe aMpère<br />

Der herausragende universalgelehrte –<br />

ein franzose unter strom<br />

Ein Sohn der Aufklärung von Beginn an: Ampère genoss<br />

keine Schulbildung, sondern <strong>war</strong> auf allen Wissensgebieten<br />

Autodidakt. Am meisten interessierte er sich<br />

jedoch für die Naturwissenschaften Mathematik und<br />

Physik und wurde so Lehrer und später sogar Professor<br />

auf diesen Gebieten.<br />

Anfangs beschäftigt sich Ampère noch mit Theorien zur<br />

Wahrscheinlichkeit und zu Differentialgleichungen, bis<br />

er von der Entdeckung des Elektromagnetismus hört<br />

und sofort zu experimentieren beginnt: Ampères unbestrittener<br />

Hauptverdienst zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

ist die Zusammenführung der bis dahin relativ<br />

unabhängigen Gebiete Elektrizität und Magnetismus.<br />

Der Franzose schuf so die Basis für die weitere Entwicklung<br />

der Elektrodynamik und gilt daher als ihr<br />

wichtigster Begründer. 1820 stellt er dann die mechanische<br />

Anziehung bzw. Abstoßung stromdurchflossener<br />

Leiter aufeinander fest, was heute als Ampère‘sches<br />

Gesetz bzw. -Kräftegesetz bekannt ist.<br />

Weiterhin gilt er als Erfinder des Prinzips der elektrischen<br />

Telegraphie, welches Carl Friedrich Gauß und<br />

Wilhelm Weber erstmals angewandt haben, und<br />

formuliert mit seinem Ampère‘schen Verkettungsgesetz<br />

die Grundlage für die Maxwell´schen Gleichungen.<br />

Zudem hat Ampère der Maßeinheit<br />

für die Stromstärke seinen Namen<br />

gegeben und besaß ganze vier Professuren:<br />

in Mathematik, Physik,<br />

Astronomie und Philosophie. Ein<br />

wissenschaftliches Multitalent.<br />

ampère:<br />

Kurzzeichen a, nach a. M. ampère<br />

benannte einheit der elektrischen<br />

stromstärke. a ist die stärke eines<br />

konstanten elektrischen stromes,<br />

der durch zwei parallele, geradlinige, unendlich lange<br />

und im vakuum im abstand von 1 m voneinander angeordnete<br />

leiter von vernachlässigbar kleinem, kreisförmigen<br />

Querschnitt fließend, zwischen diesen leitern<br />

pro 1 m die Kraft 2 • 10 -7 n hervorrufen würde.<br />

Definition: wissen.de-Lexikon<br />

anDré MarIe aMpère<br />

22. Januar 1775 – 10. Juni 1836<br />

4


15. auGust 1896 – 26. oKtoBer 1957<br />

Gerty theresa corI<br />

Gerty theresa corI<br />

engagierte Medizinerin, die ihr leben der<br />

Biochemie verschreibt<br />

1914 studierte Gerty Theresa in Prag an der deutschen<br />

Universität Medizin – und lernte dort nicht nur ihre Liebe<br />

zur Biochemie, sondern auch zu Carl Cori, ihrem<br />

späteren Ehemann und beruflichen Partner, kennen.<br />

Gemeinsam sollten sie als Biochemiker-Ehepaar bekannt<br />

werden.<br />

Obwohl beide Medizin studierten, stand für sie schon<br />

früh fest, dass sie in die Forschung gehen und keine<br />

konventionellen praktischen Ärzte werden wollten. So<br />

kam es, dass die Coris 1922 in die USA gingen, um dort<br />

wissenschaftlich zu arbeiten, und 1928 auch ihre amerikanische<br />

Staatsbürgerschaft erhielten.<br />

Zunächst musste auch Gerty Cori Unterschätzungen<br />

und Abwertungen hinnehmen: Während ihr gleicher-<br />

maßen qualifizierter Ehemann als Biochemiker oder<br />

Forschungsleiter angestellt <strong>war</strong>, musste sie als Assistentin<br />

arbeiten. So ist auch zu erklären, weshalb vor<br />

allem Carl Cori bekannt wurde, obwohl beide immer<br />

gemeinsam forschten.<br />

Erst 1947 erhielt Gerty ihre Professur – in eben diesem<br />

Jahr wurde sie gemeinsam mit ihrem Mann als erstes<br />

Ehepaar, als dritte Frau und als erste US-Amerikanerin<br />

mit dem Nobelpreis ausgezeichnet (für die Glykogen-<br />

Synthese). Vor allem für die Erforschung der Verwandlung<br />

der Glukose in Glykogen, eine wesentliche Er-<br />

kenntnis zur Diabetes-Behandlung, sind die Coris<br />

verantwortlich. Zudem legten sie durch ihre Arbeit mit<br />

Enzymen und Hormonen die Grundlage für die Erforschung<br />

genetischer Defekte beim Menschen.<br />

1957 starb Gerty Cori. Doch noch anerkannt und hoch<br />

geehrt. Ihrer Lebensphilosophie ist sie bis dahin immer<br />

treu geblieben:<br />

„Ich glaube, dass die wunder des menschlichen<br />

Geistes in Kunst und wissenschaft zum ausdruck<br />

kommen, und sehe zwischen beiden keinen<br />

Gegensatz. ehrlichkeit, vor allem intellektuelle<br />

Integrität, Mut und freundlichkeit sind noch immer<br />

die tugenden, die ich bewundere. Die liebe zu meiner<br />

arbeit und die hingabe an sie sind für mich die<br />

Grundlage des Glücks.“<br />

<strong>Dorothea</strong> chrIstIana<br />

erxleBen<br />

Die erste Doktorin Deutschlands<br />

Seit jeher <strong>war</strong> es für Frauen mehr als beschwerlich, in<br />

der Medizin Fuß zu fassen. Erst recht im 18. Jahrhundert,<br />

als Frauen so gut wie keine Bildungsmöglichkeiten hatten.<br />

<strong>Dorothea</strong> <strong>Erxleben</strong> erging es nicht anders, dennoch<br />

hatte sie das Glück, von ihrem Vater, in dessen Praxis<br />

sie assistierte und den sie auf Krankenbesuchen begleitete,<br />

in die Medizin eingewiesen zu werden. Ein ordentliches<br />

universitäres Medizinstudium blieb ihr dennoch<br />

verwehrt.<br />

1740 bat sie deshalb den jungen Preußenkönig Friedrich<br />

den Großen (1712-1786), ihr die Promotion zu ermöglichen,<br />

woraufhin dieser die medizinische Fakultät in<br />

Halle/ Saale anwies, ihr bei einer Promovierung nicht im<br />

Wege zu stehen. Nun hatte Friedrich der Große aber<br />

erst in diesem Jahr den Thron bestiegen, sodass diese<br />

Anweisung wenig hilfreich <strong>war</strong>. Tief enttäuscht schrieb<br />

<strong>Dorothea</strong> zwei Jahre später ihre Gedanken zu einem<br />

Frauenstudium in ihrem Manuskript „Untersuchung der<br />

Ursachen, die das weibliche Geschlecht vom Studiren<br />

abhalten“ nieder und verursachte damit – wohl kaum<br />

verwunderlich, zieht man den damaligen<br />

Zeitgeist in Betracht – erhebliche<br />

Unruhen im akademischen<br />

Berlin, die ihr noch weniger dienlich<br />

sein sollten.<br />

Dennoch machte sie weiterhin ärztliche<br />

Hilfreichungen und musste<br />

sich bald mit einer Anzeige Quedlinburger<br />

Ärzte wegen Kurpfuscherei<br />

auseinandersetzen. Doch wie das<br />

Schicksal es wollte, konnte sie die<br />

Praxis ihres Vaters dennoch übernehmen.<br />

Sie studierte Medizin, promovierte<br />

1754 in Halle, praktizierte bis zu ihrem Tode<br />

als erste Ärztin Deutschlands – und half so vielen anderen<br />

Frauen, die es ihr in Zukunft gleichtun wollten.<br />

„[…]<br />

auch Deutschland sieht in seiner töchter schaar<br />

Das, was sonst nur die Männer zieret.<br />

Ihm stellet sich die erxlebin jetzt dar<br />

Im schmuck, der Ihr mit recht gebühret,<br />

Im Doctorschmuck der edlen heilungskunst.<br />

Ihr gab ihn nicht die schmeicheley und Gunst.<br />

nein, Ihr verdienst ist dieser würde werth,<br />

sie <strong>war</strong>d von Ihr durch fleiß errungen.<br />

Die ehre, die Ihr jetzo wiederfährt,<br />

Bestärken selbst der neider zungen:<br />

sie machen am beschäumten dürren Mund<br />

Ihr hohes lob unwiedersprechlich kund.<br />

[…]“<br />

Johann Joachim Lange (1698-1765), Professor<br />

der Philosophie und Mathematik an der<br />

Friedrichs-Universität Halle, Auszug aus seinem<br />

Lobgedicht auf <strong>Dorothea</strong> <strong>Erxleben</strong> zu ihrer Promotion<br />

<strong>Dorothea</strong> chrIstIana erxleBen<br />

13. noveMBer 1715 – 13. JunI 1762<br />

6


4. Dezember 1862 – 25. Juni 1940<br />

Johannes rIcharD Baltzer<br />

Johannes rIcharD<br />

Baltzer<br />

architekt, Denkmalpfleger, oberbaudirektor<br />

Johannes Richard Baltzer entstammt einer westfälischen<br />

Baumeister-Familie, in deren berufliche Fußstapfen<br />

er nach seiner schulischen Laufbahn dann<br />

auch treten soll. Er studiert an der TH Berlin-Charlottenburg<br />

in der Abteilung für Architektur bei Karl<br />

Schäfer und schließt dieses Studium 1886 als Bauführer<br />

(mit Auszeichnung) ab. Vier Jahre später besteht<br />

er auch sein 2. Staatsexamen – abermals mit Auszeichnung.<br />

In den nächsten Jahren ist er Regierungsbaumeister<br />

im Ministerium der Öffentlichen Arbeiten in Berlin, und<br />

Kreisbauinspektor in Bartenstein (Ostpreußen). Das Regierungsgebäude<br />

in Osnabrück entsteht in dieser Zeit<br />

unter seiner Leitung.<br />

Am 1. Juli 1898 trat Baltzer als Bauinspektor in den<br />

lübeckischen Staatsdienst, womit sein mehr als 30<br />

Jahre andauerndes Wirken in der Hansestadt begann.<br />

1903 wurde er dann zum Baudirektor, 1923 zum Oberbaudirektor<br />

ernannt.<br />

An folgenden Bauten <strong>war</strong> Baltzer v.a. als Leiter maßgeblich<br />

beteiligt:<br />

Marlikaserne, Navigationsschule (spätere Seefahrtsschule),<br />

Ernestinenschule, Johanneum, zahlreiche<br />

städtische Verwaltungsgebäude und Krankenhäuser<br />

(u.a. Heilanstalt Strecknitz) u.v.m.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg richtete sich sein Hauptaugenmerk<br />

auf die Schaffung von Wohnungen, um der<br />

dramatischen Wohnungsnot zu begegnen. Die Bearbeitung<br />

des Generalsiedlungsplans für Lübeck <strong>war</strong> sein<br />

wichtigstes Betätigungsfeld nachdem er zum Oberbaudirektor<br />

ernannt worden <strong>war</strong>.<br />

Baltzers Schaffen und Formensprache, die sich aus<br />

neugotischen, barocken, Jugendstil- und Renaissance-<br />

Elementen zusammensetzt, hat das Lübecker Stadtbild<br />

mehr als nachhaltig geprägt.<br />

Bilder mit freundlicher Genehmigung des Dölling und Galitz Verlags sowie des Joseph-Carlebach-Instituts, Israel<br />

Joseph<br />

carleBach<br />

einer der bedeutendsten<br />

deutschen rabbiner des<br />

20. Jahrhunderts<br />

Joseph Carlebach <strong>war</strong> das achte von insgesamt zwölf<br />

Kindern des seit 1870 in Lübeck amtierenden Rabbiners<br />

Salomon Carlebach. So wie die meisten seiner Brüder<br />

schlug auch er die Rabbinerlaufbahn ein. In dieser<br />

Funktion <strong>war</strong> er als Lehrer und Rabbiner in Jerusalem,<br />

Berlin, Litauen und Lübeck tätig. Joseph Carlebach <strong>war</strong><br />

Direktor der Talmud Tora-Realschule in Hamburg,<br />

Oberrabbiner der Hochdeutschen Israeliten-Gemeinde<br />

Altona mit Zuständigkeit für die gesamte Provinz<br />

Schleswig-Holstein, Oberrabbiner des Deutsch-Israelitischen<br />

Synagogen-Verbands Hamburg und Chacham<br />

(Rabbiner) der Portugiesisch-Jüdischen Gemeinde.<br />

Auch neben diesen Aufgaben <strong>war</strong> Carlebach mehr als<br />

vielseitig: 1901 schloss er seine Schulbildung am noch<br />

heute existierenden Katharineum mit dem Abitur ab<br />

und ging für vier Jahre nach Berlin, um dort an der<br />

Universität die Fächer Naturwissenschaften, Mathematik,<br />

Philosophie und Kunstgeschichte für das Lehramt<br />

zu studieren – u.a. bei Max Planck und Philosoph<br />

Wilhelm Dilthey. Seine akademischen Studien schloss<br />

er 1909 mit der Promotion zum Dr. phil. nat. an der Uni<br />

Heidelberg ab.<br />

Joseph Carlebach <strong>war</strong> Rabbiner und Pädagoge, Mathematiker<br />

und Philosoph, Übersetzer, Kunstkritiker und<br />

Bibelausleger, begnadeter Redner und vor allem geistiger<br />

Führer der jüdischen Gemeinde Hamburgs – und<br />

das in ihrer schwersten Zeit. Einer seiner wichtigsten<br />

Verdienste ist es, im Nazi-Deutschland für die jüdische<br />

Selbstbehauptung gekämpft zu haben. Auch dann noch,<br />

als er gemeinsam mit seiner Frau und den vier jüngsten<br />

Kindern sowie zahlreichen Angehörigen der jüdischen<br />

Gemeinde Hamburgs in das Konzentrationslager Jungfernhof<br />

bei Riga deportiert wurde. Hier wurden Joseph<br />

und Lotte Carlebach sowie die drei Töchter Ruth, Noemi<br />

und Sara (nur Sohn Shlomo Carlebach überlebte) am<br />

26. März 1942 ermordet.<br />

„sein wirken als rabbiner, die treue zu seiner Gemeinde<br />

und sein tragisches ende haben ihn zu einem<br />

symbol jüdischen wirkens und leidens in Deutschland<br />

in diesem Jahrhundert werden lassen. – seinen<br />

namen tragen eine straße in hamburg und eine in<br />

Jerusalem, sowie die Joseph-carlebach-loge [die<br />

leider nicht mehr existiert] in hamburg [und jetzt der<br />

stadtteilpark im hochschulstadtteil lübeck].“<br />

Peter Freimark in: Biografisches Lexikon für<br />

Schleswig-Holstein und Lübeck, Bd. 7, S. 42, 1985.<br />

Joseph carleBach<br />

30. Januar 1883 – 26. märz 1942<br />

8


1. aprIl 1776 – 27. JunI 1831<br />

MarIe-sophIe GerMaIn<br />

MarIe-sophIe GerMaIn<br />

ausnahmemathematikerin ohne Beruf –<br />

aber mit „unweiblicher“ Berufung<br />

Wie viele junge Mädchen stöberte auch Sophie Germain<br />

gern in der Bibliothek ihres Vaters Ambroise Francoise<br />

Germain – jedoch las sie Bücher, die für Mädchen ihres<br />

Alters nicht alltäglich <strong>war</strong>en: Mathematikbücher und die<br />

„Histoire des Mathématiques“ von Montucla. Allen<br />

Versuchen ihrer Familie zum Trotz, lies sie sich nicht von<br />

der Mathematik und Geometrie abbringen. So kam es,<br />

dass sie Vorlesungsmitschriften verschiedener Professoren<br />

der Pariser „Ecole Polytechnique“ wenigstens<br />

sammeln dufte – Frauen <strong>war</strong>en dort nicht zugelassen<br />

–, vor allem Chemie- und Analysisvorlesungen von J.L.<br />

Lagrange.<br />

Studenten <strong>war</strong> es nach der Französischen Revolution<br />

erlaubt, den Professoren ihre Meinung und Ideen zu den<br />

Vorlesungen mitzuteilen – und das tat Sophie auch: unter<br />

dem Pseudonym Auguste Antoine LeBlanc. Lagrange<br />

<strong>war</strong> beeindruckt – und kam ihrem Pseudonym auf die<br />

Schliche. Er pries sie als großes Talent, verhalf ihr so zu<br />

der moralischen Unterstützung, die ihr von ihrer Familie<br />

versagt blieb und wurde zu einem lebenslangen Freund<br />

und Mentor.<br />

Sophie Germain nutzte ihr Pseudonym ein zweites Mal:<br />

Als sie Gauß, dem bedeutendsten Mathematiker ihrer<br />

Zeit, ihre Gedanken zu dessen Theorien mitteilte. Gauß<br />

<strong>war</strong> beeindruckt und zwischen beiden erwuchs eine<br />

lange und umfangreiche Korrespondenz, obwohl sie<br />

sich nie persönlich getroffen haben.<br />

Die französische Akademie der Wissenschaften schrieb<br />

mehrere Preise für Essays zum Thema „Vibration elastischer<br />

Flächen“ aus. Einen davon erhielt Sophie<br />

Germain – und gelangte damit in die Kreise der berühmtesten<br />

Mathematiker Frankreichs. Sie wurde öffentlich<br />

gefeiert und durfte an den Sitzungen des<br />

„Institut de France“ teilnehmen – die höchste Ehre, die<br />

das Institut jemals einer Frau zuteil werden ließ.<br />

Neben ihren Arbeiten zur Theorie der Elastizität sind<br />

ihre zahlentheoretischen Abhandlungen am bekanntesten<br />

geworden. Daneben beschäftigte sie sich mit<br />

Philosophie, Chemie, Physik, Geographie und Geschichte.<br />

Auf Bitten Gauß sollte Sophie Germain die Ehrendoktorwürde<br />

der Universität Göttingen erhalten – doch sie<br />

starb, bevor sie diese hohe Auszeichnung entgegen-<br />

b c b b ∫ x dx ∑a x ∏a x (x+y)(x-<br />

a<br />

y) = x2-xy+xy-y2 = x2-y2 n 2∑i=1 a ∫ b f(x)g (x) dx {[ ∫x2 dx +<br />

MarIa Goeppert-Mayer<br />

von den rätseln, die die natur geschaffen hat<br />

– und der frau, die sie zu lösen suchte<br />

Im Alter von drei Jahren kam Maria Goeppert mit ihren<br />

Eltern nach Göttingen. Da es zur damaligen Zeit in<br />

Deutschland keine staatlichen weiterführenden Schulen<br />

für Mädchen gab, besuchte sie nach der Volksschule<br />

für zwei Jahre eine von Frauenrechtlerinnen geführte<br />

„Sufragetten-Schule“ und machte danach als sogenannte<br />

„Externe“ ihr Abitur. Sie studierte im Anschluss<br />

Mathematik und Physik in Göttingen – bei keinem<br />

geringeren als Max Born, der 1954 für seine quantenmechanischen<br />

Forschungen den Nobelpreis erhielt, 24<br />

Jahre nachdem die jetzige Maria Goeppert-Mayer ihren<br />

Doktortitel erhielt.<br />

Gemeinsam mit ihrem Mann, der an die Baltimore University<br />

als Professor für Chemie berufen wurde, ging sie<br />

in die USA. Hier wurde es ihr allerdings nicht viel leichter<br />

gemacht, einen Arbeitsplatz finden. Die Weltwirtschaftskrise,<br />

die Tatsachen, dass sie Frau eines Universitätsprofessors<br />

und die Quantenmechanik in den USA noch<br />

unbekannt <strong>war</strong>, kamen erschwerend hinzu. Schließlich<br />

fand sie eine Anstellung als Deutschkorrespondentin<br />

bei einem Physikprofessor. Hier durfte sie ihren Arbeitsplatz<br />

für Forschungen nutzen, sodass sie eigene<br />

Artikel veröffentlichte und Studentinnen ausbildete.<br />

Gemeinsam mit ihrem Mann veröffentlichte sie das<br />

Lehrbuch „Statische Mechanik“. Zudem unterstützte sie<br />

jüdische Kolleginnen, die ebenfalls in die USA<br />

emigrierten.<br />

1941 arbeitete sie am Atombombenbau<br />

mit, setzte sich<br />

aber gleichzeitig für eine friedliche<br />

Nutzung der Kernenergie<br />

ein. 1946, nachdem sie nach<br />

Chicago, das Zentrum der Atombombenforschung,<br />

gezogen <strong>war</strong>,<br />

wurde sie Institutsmitglied mit<br />

Professorentitel – aber ohne<br />

Bezahlung.<br />

Aufgrund ihrer Forschungen in<br />

der theoretischen Physik erhielt<br />

sie 1963 den Nobelpreis für ihre<br />

Arbeit „Kernkonfiguration nach<br />

dem Spin-Bahn-Kopplungsmodell“<br />

– nach Marie Curie <strong>war</strong> sie<br />

die zweite und bislang letzte<br />

Frau, die diese Auszeichnung im<br />

Bereich Physik erhalten hat.<br />

Bis zu ihrem Tode 1972 forschte und publizierte sie in<br />

San Diego – und ermunterte junge Frauen, Naturwissenschaftlerinnen<br />

zu werden.<br />

nehmen konnte.<br />

„Du wirst einen Beruf erlernen, du wirst studieren und<br />

etwas Interessantes tun.“<br />

Vater von Maria Goeppert<br />

10<br />

MarIa Goeppert-Mayer<br />

28. Juli 1906 – 20. Februar 1972


29. november 1803 – 17. märz 1853<br />

chrIstIan anDreas Doppler<br />

chrIstIan anDreas<br />

Doppler<br />

Doppelter enthusiasmus – doppelter effekt<br />

Schon früh förderten seine Eltern seine mathematischanalytisch<br />

orientierte Begabung. Doppler studierte so<br />

am Polytechnischen Institut Wien Mathematik und Physik,<br />

und an der Universität Salzburg Philosophie. Nachdem<br />

er eine erste Assistenzstelle in Wien inne hatte,<br />

wurde er schon mit 32 Jahren als Professor nach Prag<br />

berufen, wo er 13 Jahre lang forschte und mehr als 50<br />

wissenschaftliche Arbeiten publizierte.<br />

1842 veröffentlichte Doppler vor der Königlichen Böhmischen<br />

Gesellschaft sein berühmtes Buch „Über das<br />

farbige Licht der Doppelsterne und einige andere<br />

Gestirne des Himmels“. Er wurde damit weltberühmt.<br />

1848 kehrte er als Mitglied der Kaiserlichen Akademie<br />

der Wissenschaft nach Wien zurück und wurde hier<br />

1850 erster Direktor des Physikalischen Instituts an der<br />

Universität.<br />

Im Mittelpunkt seiner Forschungen stand die „Frequenzverschiebung“.<br />

Er untersuchte die Folgen, wenn<br />

sich Sender und Empfänger einer Welle gegeneinander<br />

bewegen. 1842 sagte er voraus, dass bei Annäherung<br />

eine höhere und bei Entfernung eine tiefere Frequenz<br />

zum Empfänger gelangt. Der „Doppler Effekt“.<br />

„was haben flugzeuge, schnelle<br />

autos, rote Blutkörperchen, klopfende<br />

herzen, Gase in dichten röhren<br />

und die sterne am himmel<br />

gemeinsam? Ihre Geschwindigkeit<br />

wird mit hilfe eines physikalischen<br />

prinzips gemessen, das der weltbekannte<br />

salzburger naturwissenschaftler<br />

christian andreas Doppler<br />

entdeckt hat.“<br />

paul ehrlIch<br />

ein leben für die Immunitätsforschung<br />

Paul Ehrlich studierte Medizin und promovierte anschließend<br />

zum Thema „Beiträge zur Theorie und Praxis<br />

der histologischen Färbung“. (Die Dissertation enthält<br />

u.a. Ehrlichs Entdeckung der Mastzellen.) Kurz darauf<br />

wird er an die Berliner Charité als Assistenzarzt, später<br />

als Oberarzt, berufen, wo er bis 1887 tätig ist.<br />

Ab 1882 arbeitet er nebenbei mit Robert Koch zusammen.<br />

Gemeinsam forschen sie auf dem Gebiet der<br />

Farbstoffe, versuchen, bakterielle Erreger durch Färbung<br />

kenntlich zu machen und entwickeln den ersten<br />

Direktnachweis von Mykobakterien. Ehrlich leistet zudem<br />

wesentliche Beiträge zur Diagnostik von Blutkrankheiten<br />

und setzt Methylenblau zur Vitalfärbung ein.<br />

Mit Ende seiner Tätigkeit an der Charité beginnt für Paul<br />

Ehrlich ein neuer Abschnitt: er habilitiert, wird Privatdozent<br />

für Innere Medizin an der Universität Berlin und<br />

arbeitet mit Emil Behring (Begründer der Serumtherapie)<br />

zusammen. Ehrlich beginnt mit der Immunitätsforschung<br />

und der Entwicklung wirkungsvoller Im-<br />

munisierungsprotokolle zur Gewinnung hochtitriger<br />

Heilsera – und entdeckt und definiert verschiedene<br />

Antikörperqualitäten bzw. Immunglobulinklassen. Aus<br />

seinen Beobachtungen zur Wirkung von Sera und<br />

Toxinen geht die Seitenkettentheorie als erstes konsistentes<br />

Konzept der Immunologie hervor.<br />

1891 wird Ehrlich von Robert Koch an das neu gegründete<br />

Institut für Infektionskrankheiten in Berlin<br />

berufen, das heutige Robert Koch-Institut. Hier arbeitet<br />

er an der Gewinnung sowie der Konzentrations- und<br />

<strong>Wer</strong>tbestimmung von Diphterieserum und schafft eine<br />

international anerkannte Maßeinheit. 1901 beginnt er<br />

explizit mit der Krebsforschung und errichtet 1902 eine<br />

Abteilung dafür, in der er u. a. an der experimentellen<br />

Chemotherapie forscht.<br />

1903 wird er mit der „Preußischen Großen Goldenen<br />

Medaille für Wissenschaft“ ausgezeichnet, eine Ehrung<br />

die zuvor nur Rudolf Virchow zuteil geworden ist. Nur<br />

fünf Jahre später erhält er gemeinsam mit Elia<br />

Metschnikow, dem Entdecker der Phagozytose, den<br />

Nobelpreis für „unvergängliche Verdienste um die<br />

medizinische und biologische Forschung, namentlich<br />

um die <strong>Wer</strong>tbestimmung der Serumpräparate“.<br />

Darauf ruht sich der leidenschaftliche Mediziner jedoch<br />

nicht aus und entdeckt ein Jahr später gemeinsam mit<br />

seinem Mitarbeiter Sachahiro Hata das Salvarsan 1 , das<br />

erste Chemotherapeutikum zur Syphilisbehandlung.<br />

1 12<br />

www.christian-doppler.com: Christian Doppler<br />

Forschungs- und Gedenkstätte, Salzburg<br />

Bildquelle: Freie Universität Berlin, www.linf.fu-berlin.de/ ~gutsche/intern<br />

Paul Ehrlich in seinem Arbeitszimmer. Mit freundlicher Genehmigung des Paul-Ehrlich-Instituts (Bundesamt für Sera und Impfstoffe)<br />

1<br />

Am 10. Juli 1910 wird die erste größere Charge von<br />

Salvarsan bei Hoechst produziert. Salvarsan ist ein<br />

Kunstwort und bedeutet soviel wie: Das Mittel, das<br />

mit Arsen heilt.<br />

paul ehrlIch<br />

14. märz 1854 – 20. august 1915


1750 – 1848<br />

KarolIne lucretIa herschel<br />

KarolIne<br />

lucretIa<br />

herschel<br />

ein erster weiblicher stern<br />

am himmel der astronomie<br />

Karolines musikalisches Talent<br />

wurde von ihrem Vater, selbst<br />

Musiker, bewusst gefördert. Eine<br />

umfassende allgemeine Ausbildung<br />

blieb ihr dennoch verwehrt.<br />

Nach des Vaters Tod wollte sie Erzieherin und selbständig<br />

werden. Diese Pläne durchkreuzte allerdings<br />

ihre eigene, sehr konservative Mutter – ihr elf Jahre älterer<br />

Bruder Wilhelm hingegen half ihr unbewusst. Er<br />

<strong>war</strong> nach England gegangen, brauchte eine Haushälterin.<br />

Karoline durfte ihm aber erst folgen, als er ihrer Mutter<br />

Geld zusicherte, damit sich diese eine bezahlte Haushälterin<br />

nehmen konnte.<br />

Mit 22 Jahren kam sie nach England: Sie lernt die Sprache,<br />

beschäftigt sich mit Rechnungswesen und setzt<br />

ihre musikalische Ausbildung fort. Für einige wenige<br />

Gäste gibt sie kleine Konzerte, mit ihrem Bruder diskutiert<br />

sie astronomische Probleme. Zugunsten dessen<br />

astronomischer Studien muss sie ihre musikalische<br />

Karriere aber zurückstellen. Wilhelm entdeckt 1781 den<br />

Uranus, wird darauf in die Royal Society eingeführt und<br />

zum Hofastronom ernannt. Damit enden auch die musikalischen<br />

Aufführungen der Herschels. Doch – Karoline<br />

wird Assistentin ihres Bruders und erhält jährlich<br />

50 Pfund. Damit ist sie die erste Frau, die eine entsprechende<br />

Stelle in der Astronomie erhalten hat – aber<br />

auch diejenige, die am geringsten für diese Assistenzposition<br />

entlohnt wird. Ein Mann in ihrer Stellung<br />

hätte deutlich mehr verdient.<br />

Schließlich nimmt Karoline Wilhelm die meiste Arbeit<br />

ab und findet noch die Zeit, des Nächtens den Himmel<br />

systematisch abzusuchen. Sie entdeckt vierzehn Nebel<br />

und acht Kometen. Sie erstellt Kataloge und Berechnungen<br />

über 2500 Nebel und teilt Flamsteeds „British<br />

Catalogue“, der ca. 3000 Sterne auflistete, so ein, dass<br />

man mit ihm den Himmel systematisch absuchen<br />

konnte.<br />

1822 stirbt Wilhelm. Karoline geht zurück nach Hannover.<br />

Finanziell unabhängig stellt sie der Königlichen Akademie<br />

Flamsteeds Arbeiten vor, publiziert Wilhelms<br />

Bücher und vervollständigt die Katalogisierung der<br />

1500 Nebel und zahllosen Sternenhaufen, die sie gemeinsam<br />

entdeckt hatten. Letzteres bringt ihr schließlich<br />

anerkennend die Goldmedaille der Royal Astronomical<br />

Society ein, deren Ehrenmitglied sie im Alter<br />

von 85 Jahren wird. Zu ihrem 90. Geburtstag verleiht ihr<br />

der König von Preußen die<br />

goldene Medaille für Wissenschaften.<br />

Karoline Lucretia<br />

Herschel – eine der wenigen<br />

Frauen, deren Errungenschaften<br />

– wenn auch fast viel zu<br />

spät – letztlich doch noch gewürdigt<br />

wurden.<br />

henrIette<br />

hIrschfelDtIBurtIus<br />

Deutschlands erste zahnärztin mit<br />

außerordentlichem engagement für<br />

frauen und Bedürftige<br />

3 14<br />

Der Uranus<br />

Sie zählt zu den PionierInnen der Zahnmedizin – und<br />

gehört in die Reihe der Frauen, die mutig genug sind,<br />

mit den tradierten weiblichen Rollenbildern zu brechen,<br />

indem Sie einen Beruf wählen, der ihrem Geschlecht –<br />

nach damals weit verbreiteter Ansicht – nicht gut zu<br />

Gesicht steht. Sie gehört zu den Frauen, die anderen<br />

Frauen, die ihr folgen sollen, den Weg bereitet haben.<br />

Von 1867 bis 1869 studiert Henriette Zahnmedizin am<br />

Dental College in Philadelphia (USA). Trotz großer Vorbehalte<br />

vieler Professoren. Im Jahr ihres Abschlusses<br />

kam sie nach Deutschland zurück und eröffnete hier im<br />

November 1869 in Berlin als „Doctor of Dental Surgery“<br />

die erste Zahnarztpraxis in Deutschland, die einer Frau<br />

gehörte: ein „Zahnatelier“. Dies <strong>war</strong> allerdings nur möglich,<br />

weil sie vom Preußischen Kultusministerium die<br />

Genehmigung dazu erhielt – die natürlich mit einer wesentlichen<br />

Bedingung verbunden <strong>war</strong>: Henriette<br />

Hirschfeld-Tiburtius durfte, um die Grenzen der Sitte zu<br />

wahren, nur weibliche Patienten behandeln.<br />

Ihr beruflicher Schwerpunkt lag vor allem auf präventivmedizinischem<br />

Gebiet, also der Vorbeugung von Karies<br />

und Mund- und Kiefererkrankungen. Trotz der Heirat<br />

mit dem Arzt Carl<br />

Tiburtius und der<br />

Geburt zweier Kinder<br />

setzt sie ihre<br />

Arbeit fort, meinte<br />

sie doch, Kinder<br />

bräuchten selbständig<br />

denkende Mütter.<br />

Aber auch ihrem<br />

großen sozialen Engagement<br />

sollte deutlich<br />

mehr Würdigung<br />

geschenkt werden.<br />

Sie <strong>war</strong> z. B. in<br />

den Vorständen des<br />

„Heimathauses für<br />

Stellung suchende Mädchen“ und der „Heimstätte in<br />

Berlin“, die erwerbslosen Mädchen und deren Kindern<br />

Zuflucht bot, aktiv tätig. Vereins- und Wohlfahrtstätigkeiten<br />

nutzte sie, um Mädchen und jungen Frauen<br />

Wege in die finanzielle Selbständigkeit und zu einem<br />

Beruf zu zeigen. Der Schwester ihres Mannes, Franziska<br />

Tiburtius, <strong>war</strong> sie mehr als Vorbild. Diese studierte in<br />

der Schweiz Medizin und gründete danach mit Hilfe<br />

Henriettes eine „Poliklinik für Frauen“. Auch dort hielt<br />

Henriettes Geist Einzug – wurden doch dort vor allem<br />

Frauen aufgenommen, die keiner Krankenkasse angehörten<br />

und demzufolge am bedürftigsten <strong>war</strong>en.<br />

henrIette hIrschfelD-tIBurtIus<br />

14. feBruar 1834 – 25. auGust 1911


strassennaMen IM hochschulstaDtteIl<br />

straßennamen im hochschulstadtteil<br />

eIn ÜBersIchtsplan


6. august 1881 – 11. märz 1955<br />

alexanDer fleMInG<br />

alexanDer<br />

fleMInG<br />

zufälle gibt es nicht – oder wie das erste<br />

antibiotikum entdeckt wurde<br />

Als der schottische Professor Alexander Fleming im<br />

September 1928 sein Labor aufräumt, findet er eine<br />

verschimmelte Glasschale. Kaum, dass er sie wegwerfen<br />

will, besinnt er sich eines Besseren und schaut noch<br />

einmal genauer hin: Er erkennt, dass der Schimmelpilz<br />

seinen gezüchteten Bakterien nicht gut zu tun scheint<br />

– alle sind tot. Bei genaueren Beobachtungen erkennt<br />

er schließlich, dass eine Substanz des Pilzes die Bakterien<br />

vernichtet. Den Schimmelpilz nennt er fortan<br />

Penicillium 1 .<br />

Versuche, die eigentliche Substanz, das Penicillin G, in<br />

eine Substanz umzuwandeln, die stabil genug ist, um<br />

medikamentös eingesetzt zu werden, schlugen jedoch<br />

fehl. Fleming <strong>war</strong> kein Chemiker und gab im Jahre<br />

1931 seine Forschungen daran auf. Andere Wissenschaftler,<br />

v. a. Chemiker wie Ho<strong>war</strong>d Florey und Ernst<br />

Chain, setzten seine Versuche ab 1935 fort und entwickelten<br />

eine Substanz, die 1940 erfolgreich am Menschen<br />

getestet werden konnte.<br />

Seinen Siegeszug tritt das Medikament im Zweiten<br />

Weltkrieg an. Lungenentzündungen, Scharlach oder die<br />

Pest verlieren durch Flemings Penicillium ihre tödliche<br />

Bedrohung. Heute hingegen wird es zu häufig eingesetzt<br />

– Bakterien werden zunehmend resistent gegen die<br />

Substanz, die sie eigentlich vernichten soll.<br />

1944 wird Fleming in den Adelsstand erhoben und<br />

erhält 1945, nach dem breiten Einsatz des Penicillins im<br />

Zweiten Weltkrieg, gemeinsam mit Florey und Chain<br />

den Nobelpreis.<br />

„we unconsciously learned<br />

a great deal from nature.“<br />

Alexander Fleming über seine<br />

Jugend<br />

1<br />

Penicillium ist ein Stoffwechselprodukt verschiedener Arten des<br />

Pinselschimmels, das als Antibiotikum gegen viele Krankheitserreger<br />

(z. B. Kokken, Syphilisspirochäten) wirkt. Penicillin kann eingespritzt,<br />

eingenommen und örtlich angewandt werden. Penicillin wurde als<br />

erstes Antibiotikum in die Heilkunde eingeführt.<br />

Kugelmodell des Penicillins<br />

carl frIeDrIch Gauss<br />

eine mathematische Koryphäe – und die<br />

erfindung der weltweit ersten telegraphenverbindung<br />

Schenken wir Gauß´ Anekdoten Glauben, so hat er seinen<br />

Vater bereits mit drei Jahren bei der Lohnabrechnung<br />

korrigiert; in der Grundschule die Summe der<br />

Zahlen von 1 bis 100 nach s=n(n+1)/2 berechnet und<br />

mit 18 Jahren das reguläre Siebzehneck mit Zirkel und<br />

Lineal konstruiert.<br />

Gauß studierte zunächst in Göttingen, promovierte danach<br />

in Helmstedt und reüssierte mit der Bahnberechnung<br />

des Kleinplaneten Ceres, in die er seine Methode<br />

der kleinsten Quadrate und Überlegungen zur Zufallsberechnung<br />

(Glockenkurve) bereits einbezog. Diese<br />

<strong>war</strong> damals jedoch noch nicht veröffentlicht, brachte<br />

ihm aber den Ruf als Direktor an die noch nicht fertig<br />

gestellte Göttinger Stern<strong>war</strong>te ein. Die Bahnberechnungsmethoden<br />

publizierte er erst 1809 unter dem<br />

Titel „Theoria Motus Corporum Coelestium“. Bis heute<br />

sind sie – bis auf kleine Modifikationen aufgrund des<br />

modernen Rechnereinsatzes – im Kern nicht mehr verbessert<br />

worden.<br />

In der Folge veröffentlichte Gauß grundlegende <strong>Wer</strong>ke<br />

zur höheren Arithmetik, zur Differentialgeometrie und<br />

zur Bewegung der Himmelskörper. Er vermaß in seinen<br />

geodätischen Projekten u.a. das Königreich Hannover.<br />

Hier nahm er über fünf Jahre persönlich an den Vermessungen<br />

teil, für die er eigens neue Geräte (z. B. das<br />

Heliotrop) entwickelte.<br />

1802 wird er Mitglied der Königlichen Gesellschaft der<br />

Wissenschaften, der heutigen Akademie der Wissenschaften,<br />

und nach Petersburg berufen – doch er lehnt<br />

ab, so, wie er die Rufe vieler anderer Universitäten<br />

ebenfalls ablehnt. Statt dessen wird er 1807 zum ordentlichen<br />

Professor der Astronomie und Direktor der<br />

Universitäts-Stern<strong>war</strong>te in Göttingen ernannt. Hier<br />

bleibt er bis zu seinem Tode und macht zahlreiche<br />

wichtige Entdeckungen. 1833 verbanden er und Wilhelm<br />

Weber z. B. seine Stern<strong>war</strong>te mit dem physikalischen<br />

Kabinett mittels einer Drahtleitung und tauschten über<br />

elektromagnetisch beeinflusste Kompassnadeln Nachrichten<br />

aus: die erste elektrische Telegraphen-Verbindung<br />

der Welt! Völlig zu Recht lies König Georg V. von<br />

Hannover Gauß-Münzen mit der Inschrift „dem ersten<br />

Mathematiker“ prägen.<br />

„Die Mathematik ist die Königin<br />

der Wissenschaften und die<br />

Zahlentheorie ist die Königin<br />

der Mathematik.“<br />

5 16<br />

Carl Friedrich Gauß<br />

carl frIeDrIch Gauss<br />

30. april 1777 – 23. Februar 1855


9. Dezember 1906 – 1. Januar 1992<br />

Grace Murray hopper<br />

7<br />

Grace Murray hopper<br />

MarK I und „debugging“ – oder – von einer frau,<br />

die die technik-Geschichte des letzten Jahrhunderts<br />

maßgeblich mitgeschrieben hat<br />

Betrachten wir die Lebensdaten von Grace Hopper, fragen<br />

wir uns, in welchem Bereich ihre Leistungen anzusiedeln<br />

sind: In einem der mo-<br />

dernsten überhaupt – Grace<br />

Hopper ist die einzige Pionierin<br />

der Computerentwicklung.<br />

Schon früh interessierte sie sich<br />

für die Mathematik, doch Anfang<br />

des 20. Jahrhunderts <strong>war</strong> dies<br />

für Frauen noch immer verpönt.<br />

Nichtsdestotrotz erhielt sie gerade<br />

von einem Mann, ihrem<br />

Vater, die nötige Bestätigung darin,<br />

diesem Interesse nachzugehen<br />

– entgegen der typischen<br />

Frauenrollen. Genau das tat sie<br />

auch: Sie machte ihren Abschluss<br />

in Mathematik und Physik,<br />

erhielt ein Stipendium und vertiefte ihre Studien in<br />

Yale, wo sie im Alter von 23 Jahren ihr Masters Degree<br />

erhielt. Ein Jahr später trat sie an ihrem früheren College<br />

den Dienst als Mathematiklehrerin an. Nebenbei<br />

er<strong>war</strong>b sie ihren Doktor- und Professortitel in Yale.<br />

Seit 1944 <strong>war</strong> sie an der Entwicklung des ersten programmierbaren<br />

Digitalrechners der USA, dem MARK I,<br />

beteiligt. Sie <strong>war</strong> aber auch die dritte Person überhaupt,<br />

die diesen Rechner programmierte. Entgegen der allgemeinen<br />

Meinung, <strong>war</strong> Grace Hopper schon früh von den<br />

zahlreichen Anwendungsmöglichkeiten von Computern<br />

überzeugt, doch fehlten ihr geeignete programmier-<br />

und nutzerfreundliche <strong>Wer</strong>kzeuge. Sie gab ihre berufliche<br />

Karriere als College-Professorin deshalb auf und<br />

wechselte zum kommerziellen Computerprojekt<br />

UNIVAC I. Von ihr stammte in den folgenden Jahren die<br />

Idee des Compilers, der die Basis für Generationen von<br />

Programmiersprachen bilden sollte. An der Entwicklung<br />

der Programmiersprache COBOL <strong>war</strong> sie maßgeblich<br />

beteiligt, ebenso wie der Begriff des „debugging“ 1 von<br />

ihr geprägt wurde. Zudem entwickelte sie MARK II und<br />

III sowie die Programmiersprache „FLOW MATIV“ mit.<br />

Grace Hoppers fachliche Errungenschaften sind eindeutig,<br />

ihre Person ist jedoch umstritten: Zur Computerentwicklung<br />

kam sie über die US Navy, in der sie bis ins<br />

hohe Alter hinein eine der wichtigsten EDV-Beraterinnen<br />

<strong>war</strong>. Erst im Alter von 80 Jahren schied sie als Konteradmiralin<br />

aus dem Militärdienst aus.<br />

Die erste große Tagung von Frauen im Computerbereich,<br />

1994, trug ihren Namen: die „Grace Hopper Celebration<br />

of Women in Computing“. Neben zahlreichen weiteren<br />

Auszeichnungen verleiht ihr Präsident Bush 1990 die<br />

„National Medal of Technology“, die höchste nationale<br />

Auszeichnung für Verdienste um den technischen Fortschritt.<br />

1 debugging: Beim debugging/ debuggen [engl. to debug = entwanzen,<br />

einen Fehler beseitigen] wird ein Computerfehler (Bug)<br />

im Soft<strong>war</strong>e-Programm gesucht und entschärft.<br />

Quelle: wissen.de<br />

lIse MeItner<br />

Der nobel-fehler: eine<br />

frau und ihr lebenslanger<br />

Kampf um berufliche und<br />

menschliche anerkennung<br />

1902 macht Lise Meitner ihr<br />

Abitur und studiert im Anschluss<br />

daran Mathematik,<br />

Physik und Philosophie in<br />

Wien. Als zweite Frau schließt<br />

sie 1906 erfolgreich mit der<br />

Promotion ab. Um ein „wirkliches<br />

Verständnis von Physik zu gewinnen“, wechselt sie<br />

nach Berlin, hört Max Bohrs Vorlesungen, experimentiert<br />

mit Otto Hahn. Letzteres jedoch nur unter der Voraussetzung,<br />

das Institut niemals zu betreten. Sie<br />

arbeitet fortan in einer Holzwerkstatt im Keller des<br />

Hauses.<br />

Lise Meitner lässt sich nicht entmutigen und wird belohnt:<br />

Sie wird Universitätsassistentin bei Max Planck.<br />

1918 ist sie Leiterin der physikalischen Abteilung des<br />

Kaiser-Wilhelm-Instituts.<br />

Abermals als erste Frau, habilitiert sie 1922 in Physik<br />

und wird 1926 außerordentliche Professorin für experimentelle<br />

Kernphysik. Von einer entspannten Lage<br />

kann, wenn überhaupt, so nur kurzzeitig die Rede sein.<br />

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten wird ihr<br />

als Jüdin die Lehrerlaubnis entzogen. Wie so viele emigriert<br />

sie – zunächst nach Schweden, wo sie am Stockholmer<br />

Nobel-Institut für Physik beruflichen „Unter-<br />

schlupf“ findet. 1938 gelingt Bohr und Hahn zufällig die<br />

Kernspaltung. Da sie nicht weiter kommen, bitten sie<br />

Lise um Rat. Sie drängt beide zu weiteren Kontrollexperimenten,<br />

woraufhin ihnen die Entdeckung der Kernspaltung<br />

gelingt. Mit ihrem Neffen, Otto Robert Fritsch,<br />

liefert sie 1939 die erste theoretische Deutung dazu.<br />

Doch allein Otto Hahn erhält 1944 den Nobelpreis für<br />

diese bedeutende Entdeckung – er erwähnt Meitners<br />

Anteil daran mit keiner Silbe. Wieder wird sie beruflich<br />

wie menschlich hart gekränkt. Noch immer gilt sie als<br />

Mitarbeiterin Hahns, obwohl sie Leiterin einer eigenen<br />

physikalischen Abteilung ist und bedeutende Forschungserfolge<br />

aufzuweisen hat. Auch die Forschungsprofessur<br />

in Stockholm, der Otto-Hahn-Preis,<br />

den sie 1955 verliehen bekommt, und das Bundesverdienstkreuz,<br />

das sie 1959 erhält, können diese herben<br />

Schläge wohl nicht gemindert haben. 1960 wird sie<br />

emeritiert und siedelt nach Cambridge um.<br />

1966 erhalten sie, Hahn und Fritz Straßmann den<br />

Enrico-Fermi-Preis der Atomenergiekommission der<br />

USA. Bis zu ihrem Tod 1968 setzt sie sich für eine<br />

friedliche Nutzung der Atomenergie ein – wohl deshalb<br />

auch hat sie abgelehnt, in die USA zu gehen, um am<br />

geheimen Atombombenbau mitzuarbeiten.<br />

Lise Meitner und Otto Hahn:<br />

Zeichnung von Carola Schramm<br />

(Copyright Hahn-Meitner-Institut Berlin)<br />

lIse MeItner<br />

7. noveMBer 1878 – 27. oKtoBer 1968<br />

18


21./22. oKtoBer 1587 – 23. septeMBer 1657<br />

JoachIM JunGIus<br />

JoachIM JunGIus<br />

„Jungius <strong>war</strong> einer der ersten<br />

und mutigsten Kämpfer gegen<br />

die kritiklose annahme der<br />

aristotelischen naturlehre und<br />

für die freie forschung auf<br />

dem Gebiete der naturwissenschaften.“<br />

J.F. Bubendey über Joachim Jungius<br />

vielseitig, begabt und rastlos:<br />

einer der ersten deutschen universalgelehrten<br />

Joachim Jungius führte ein mehr als bewegtes Leben.<br />

Bis 1605 besuchte er das Lübecker Katharineum, in den<br />

Jahren darauf studierte er Philosophie und Mathematik<br />

in Rostock und Gießen, 1608 erhielt er seinen Magisterabschluss.<br />

1609 wurde er an die Universität Gießen<br />

als Mathematik-Professor berufen und legte hier bereits<br />

die propädeutische Bedeutung der Mathematik für<br />

die Philosophie dar. Die Professur legte er 1614 nieder,<br />

widmete sich als Privatgelehrter in Augsburg und Lübeck<br />

naturwissenschaftlichen und philosophischen<br />

Studien. Ab 1616 studierte er weitere zwei Jahre in Rostock<br />

– diesmal Medizin. In Padua wurde er zum Doktor<br />

der Medizin ernannt und daraufhin in die Philosophische<br />

Fakultät in Rostock aufgenommen. Als dort jedoch die<br />

Pest ausbrach, ging er nach Lübeck zurück, um kurze<br />

Zeit darauf dem Ruf als ordentlicher Professor nach<br />

Helmstedt zu folgen. Doch die Universität wurde aus<br />

Kriegsgründen aufgehoben – Jungius praktizierte kurzzeitig<br />

als Arzt in Braunschweig. 1626 kehrte er nochmals<br />

als rätlicher Professor der Mathematik nach Rostock<br />

zurück, doch schon zwei Jahre später folgte der Rastlose<br />

dem Ruf des Hamburger Johanneums als Rektor.<br />

Hier wurde er endlich sesshaft, hier blieb er bis zu seinem<br />

Tode und verhalf dem Akademischen Gymnasium<br />

zu neuem Glanz.<br />

Jungius bedeutendste Leistungen liegen auf den Gebieten<br />

der Logik, Physik, Chemie, Botanik und Mathematik.<br />

Später befasste er sich noch mit didaktischen, sprachwissenschaftlichen<br />

und geografischen Fragestellungen.<br />

1622 rief er in Rostock zur Gründung der ersten naturwissenschaftlichen<br />

Gesellschaft Nordeuropas auf, und<br />

verankerte in den Statuten der „Societa Ereunetica sive<br />

Zetetica“ sein Konzept von der Erneuerung der Naturerkenntnis<br />

durch die mathematisch-naturwissenschaftliche<br />

Fundierung der philosophischen Forschung. Er<br />

wurde so zum Pionier einer neuen Denkweise in der<br />

Naturwissenschaft und der wissenschaftlichen Methodologie<br />

Deutschlands.<br />

Leibnitz, einer der bedeutendsten<br />

Logiker Deutschlands,<br />

stellte Jungius mit<br />

Aristoteles und Descartes<br />

gleich, und auch Goethe<br />

befasste sich in seinen<br />

letzten Lebensjahren mit<br />

dem Universalgelehrten.<br />

Bild Albert Lezius: Mit freundlicher Genehmigung der DMW.<br />

alBert lezIus<br />

ein chirurg mit herz und seele<br />

Albert Lezius medizinische Laufbahn begann in Tübingen<br />

und München. Hier studierte er Medizin und bestand<br />

sein Staatsexamen. Es folgte<br />

eine Assistenz- und spätere Oberarztstelle<br />

am Mainzer Krankenhaus. 1938<br />

habilitierte er, schon ein Jahr später<br />

übernahm er die Leitung der Chirurgie<br />

am Bürgerspital in Frankfurt. Fünf<br />

Monate darauf folgte ein dreijähriger<br />

Militärdienst, in dem er Leiter der chirurgischen<br />

Abteilung des großen Luftwaffenlazaretts<br />

in Clichy bei Paris <strong>war</strong>.<br />

1944 kam Lezius in Gefangenschaft –<br />

zeitgleich verlieh ihm die Frankfurter<br />

Fakultät den Professorentitel. 1946<br />

kehrte er ans Bürgerspital zurück,<br />

1947 übernahm er dann als Chefarzt<br />

die Chirurgie am Lübecker „Krankenhaus<br />

Ost“, dem heutigen Universitätsklinikum. Hier<br />

konnte sich Lezius endlich entfalten: In kürzester Zeit<br />

entstand unter seiner Leitung ein für den norddeutschen<br />

Raum seit langem fehlendes Zentrum für Thoraxchirurgie.<br />

Bald hielt die Hamburger Universitätsklinik Ausschau<br />

nach einem Chirurgen und entschied sich nach längerem<br />

Zögern für Albert Lezius – eine, wie sich herausstellen<br />

sollte, mehr als glückliche Wahl.<br />

Lezius Name wurde international bekannt, als er Ende<br />

der 30er Jahre eine Methode der Revaskulierung des<br />

insuffizienten Koronarkreislaufes veröffentlichte. Er gehört<br />

zu den ersten Medizinern, die sich in Deutschland<br />

mit der operativen Behandlung von Herzklappenfehlern<br />

beschäftigten: Für die Neubearbeitung der Bier-, Braun-<br />

und Kümmelschen Operationslehre hatte er gerade das<br />

Kapitel der Herz- und Gefäßchirurgie fertig gestellt und<br />

widmete seine letzten Lebenstage der Vorbereitung einer<br />

Monographie über die Technik von Operationen am<br />

Herzen.<br />

Lezius gehört in die Reihe der bedeutenden Chirurgen,<br />

die sich durch eine unvergleichliche Geschicklichkeit<br />

und das Beherrschen verschiedenster Operationsmethoden<br />

auszeichnen. Wichtiger noch ist jedoch sein<br />

außerordentliches Engagement für die Pflege der Menschen,<br />

die von ihm behandelt wurden. Lezius <strong>war</strong> so zu<br />

einem Workaholic geworden – ohne seine Arbeit konnte<br />

er nicht, doch auf die Dauer konnte er auch nicht<br />

mit ihr. Er erlitt am 10. November 1953 einen Herzinfarkt,<br />

an dem er neun Tage später, im Alter von nur 50 Jahren,<br />

verstarb.<br />

„[...] ein ideenreicher und zuverlässiger chirurg,<br />

der überall, wo er auftrat, die herzen gewann<br />

durch die einfachheit und lauterkeit seines<br />

wesens, durch die ernsthaftigkeit seiner Bestrebungen<br />

und durch die empfänglichkeit für<br />

den guten willen und die leistungen anderer.“<br />

9 20<br />

R. Nissen zum Gedenken an Albert Lezius. In: Deutsche<br />

medizinische Wochenschrift (DMW). 79. Jg. 1954, S. 88<br />

alBert lezIus<br />

15. Januar 1903 – 19. november 1953


2. aprIl 1647 – 13. Januar 1717<br />

MarIa sIBylla MerIan<br />

MarIa sIBylla MerIan<br />

vielfältig wie ein schmetterling.<br />

Die erste große entomologin 1<br />

Das 17. Jahrhundert hieß intellektuelle Frauen nicht gerade<br />

willkommen, aber Maria Sibylla Merian fand dennoch<br />

einen winzigen Schlupfwinkel zum geistigen, zum<br />

gebildeten Leben. Mit 13 Jahren schrieb sie bereits: „Ich<br />

sammelte alle Schmetterlinge, die ich finden konnte,<br />

um ihre Metamorphose zu studieren.“ Heimlich häufte<br />

sie Tierchen, Insekten und Pflanzen an und schuf erste<br />

Zeichnungen.<br />

Allmählich wandelte sich ihr Interesse, aus der Künstlerin<br />

wurde eine Naturforscherin mit einer Wohnung<br />

voll „Teufelsgetier“, wie die Insekten, Raupen und Käfer,<br />

die Maria Sibylla untersuchte, damals abfällig genannt<br />

wurden. Sie ließ sich nicht beirren und entdeckte die<br />

Metamorphose von der Raupe über die Puppe hin zum<br />

Schmetterling. Minutiös hielt sie diese Stadien fest,<br />

entdeckte, dass jede Schmetterlingsart ihre eigene Futterpflanze<br />

hat, ohne die die Falter nicht leben können.<br />

1675 publizierte sie ihr „ Neues Blumenbuch“, worin sie<br />

Blumen und -gebinde kunstvoll illustrierte. Ihr zweites<br />

epochales <strong>Wer</strong>k erschien 1679: „Der Raupen wunderbare<br />

Verwandlung und sonderbare Blumennahrung“.<br />

Epochal, weil Merian damit die Insektenkunde als<br />

Wissenschaft begründete. Die von ihr getroffene<br />

Einteilung in Tag- und Nachtfalter gilt noch heute.<br />

1685 zog sie nach Holland. Hier hörte sie von der tropischen<br />

Flora und Fauna. Ihre Begeisterung <strong>war</strong> so groß,<br />

dass sie nach achtjähriger Vorbereitung 1699 in See<br />

sticht: nach Surinam. Sie machte zahlreiche Exkursionen,<br />

hält die Metamorphose der tropischen Insekten<br />

minutiös fest. 1701 erkrankt sie an Malaria und<br />

muss nach Holland zurück – trotz<br />

allem mit einer mehr als reichen<br />

Ausbeute. Mit Hilfe Amsterdamer<br />

Kupferstecher fertigt sie sogleich ein<br />

großes Prachtwerk kolorierter Stiche<br />

über die Flora und Fauna Surinams an<br />

und veröffentlichte nach drei Jahren<br />

unermüdlicher Arbeit ihr Hauptwerk<br />

„Metamorphosis insectorum Surinamensium“.<br />

Zwölf Jahre später stirbt sie<br />

– als erste Naturwissenschaftlerin, die<br />

erkannte, dass Insekten Entwicklungs-<br />

stufen durchlaufen.<br />

1 Entomologie = Insektenkunde<br />

„Im Juni 1699 schifft sich<br />

die 52-Jährige [...] nach<br />

südamerika ein [...] in einer<br />

zeit, in der eine frau<br />

ohne männliche Begleitung<br />

noch nicht einmal<br />

mit der postkutsche in die<br />

nächste stadt fahren darf!<br />

In die Kolonien reist eine ehrbare frau nur mit Männern<br />

aus ihrer familie. allein überqueren in der regel<br />

nur >zuchthaushuren, betrunkene straßenferkel und<br />

Diebinnen< den atlantik...”<br />

MarIa MItchell<br />

ein leben für die sterne oder:<br />

amerikas erste astronomin<br />

Maria Mitchell <strong>war</strong> die bedeutendste amerikanische<br />

Wissenschaftlerin des 19. Jahrhunderts und erste Astronomie-Professorin<br />

der USA. Ihr Wissen erhielt sie<br />

zunächst von ihrem Vater, der meinte, Mädchen sollten<br />

den gleichen Bildungsstand wie Jungen besitzen. Dann<br />

bildete sie sich autodidaktisch weiter, wobei ihr ihre<br />

Arbeit als Bibliothekarin behilflich <strong>war</strong>. Einerseits, weil<br />

sie dort an der Quelle zu all ihrem Wissen saß, andererseits,<br />

weil dies ein gut bezahlter Arbeitsplatz <strong>war</strong>, der<br />

ihr den nötigen Feiraum zum Studieren und Lesen gab.<br />

Nicht alle gebildeten Frauen konnten solche Vorzüge<br />

genießen.<br />

Im Observatorium ihres Vater, das mit einem nagelneuen<br />

Teleskop ausgestattet <strong>war</strong>, entdeckte sie 1847 einen<br />

Stern, wo zuvor keiner gewesen <strong>war</strong>. Weil sie einen Kometen<br />

vermutete, notierte sie sich dessen Koordinaten.<br />

Der Stern bewegte sich weiter und bestätigte damit<br />

ihre Vermutung. Marias<br />

Entdeckung wurde<br />

„Question everything.“<br />

an den dänischen Kö-<br />

Maria Mitchell<br />

nig weitergeleitet –<br />

dieser hatte versprochen,<br />

demjenigen, der einen Kometen allein durch ein<br />

Teleskop zu entdecken vermag, eine Goldmedaille zu<br />

schenken. Doch auch ein römischer Priester sah den<br />

Kometen – allerdings zwei Tage später –, und da seine<br />

Entdeckung vor der Marias beim König eintraf, erhielt<br />

zunächst er den Preis. Nach langwierigen Verhandlungen<br />

wurde er schließlich doch Maria zugesprochen, und der<br />

Komet nach ihr benannt. Maria wurde berühmt, Wissenschaftler<br />

gratulierten ihr, Menschen kamen, um die Frau<br />

zu sehen, die einen Kometen entdeckt hatte. Nur ein<br />

Jahr nach ihrer Entdeckung, wurde sie in die American<br />

Academy of Arts and Sciences als erstes weibliches<br />

Mitglied aufgenommen, zwei Jahre später in die Association<br />

for the Advancement of Science. Maria besuchte<br />

nun wissenschaftliche Versammlungen und machte<br />

astronomische Berechnungen.<br />

Unterdessen sammelten zahlreiche Amerikanerinnen<br />

Geld für die erste Astronomin des Landes und schenkten<br />

ihr davon ein neues Teleskop, welches sie zum<br />

Studium von Sonnenflecken nutzte. 1865 wurde sie<br />

Astronomieprofessorin und Direktorin des Observatoriums<br />

im neu eröffneten Vassar College. Hier veranstaltete<br />

sie Nachtobservationen von Meteorschauern,<br />

fotografierte Sterne und untersuchte die Oberflächen<br />

von Saturn und Jupiter. 1869 wurde sie als erste Frau in<br />

die American Philosophical Society gewählt und beteiligte<br />

sich vier Jahre später an der Gründung der<br />

American Association for the Advancement of Women,<br />

deren Präsidentin sie <strong>war</strong>.<br />

1 22<br />

Dieter Wunderlich: EigenSinnige Frauen. Zehn Porträts. Verlag<br />

Friedrich Pustet, Regensburg.<br />

Merians Zeichnung des<br />

großen Atlasschmetterlings<br />

MarIa MItchell<br />

1. auGust 1818 – 28. JunI 1889


14. Juni 1862 – 23. april 1940<br />

MaxIMIlIan wIlhelM herMann lInDe<br />

Max lInDe<br />

lübecker augenarzt und Kunstliebhaber<br />

Wie so viele Lübecker Persönlichkeiten machte auch<br />

Max Linde sein Abitur am humanistischen Gymnasium,<br />

dem Katharineum, bevor er nach Kiel, Berlin, Marburg,<br />

Straßburg und München ging, um Medizin zu studieren<br />

und 1886 zu promovieren. Im Anschluss daran assistierte<br />

er seinem Großonkel, einem Sanitätsrat; er fuhr<br />

ein halbes Jahr lang als Schiffsarzt zur See und praktizierte<br />

ab 1887 als Arzt und Geburtshelfer in Hamburg-<br />

Eimsbüttel. Nach einer dreijährigen Fortbildung zum<br />

Augenarzt kehrte er 1897 nach Lübeck zurück. Er<br />

eröffnete ein Jahr darauf eine Augenarzt-Praxis, die er<br />

bis 1926 betrieb.<br />

Doch Max Linde zählt weniger aufgrund seiner beruflichen<br />

Leistungen zu den bedeutendsten Lübecker Persönlichkeiten<br />

– vielmehr <strong>war</strong> er einer der fortschrittlichsten<br />

Kunstsammler seiner Zeit. 1898 kaufte er das<br />

heutige Lübecker Standesamt und vereinigte dort eine<br />

große Anzahl moderner Kunstwerke: Gemälde und Pastelle<br />

Cézannes, Degas´, Manets, Monets und Renoirs.<br />

Dessen monumentale Bronze „Le Penseur“ stand seit<br />

1905 im Garten des Hauses. Zudem besaß Linde Gemälde<br />

von Böcklin, Leibl und Trübner, Plakate von Toulouse-Lautrec<br />

und Farbholzschnitte von Utamaro,<br />

einem japanischen Künstler.<br />

Zu Max Liebermann, dem bedeutendsten Portraitisten<br />

zu Beginn des 20. Jahrhunderts, knüpfte Linde schon<br />

Mitte der 90er Jahre Kontakt. 1897 kam er nach Lübeck,<br />

um den Arzt und Kunstliebhaber zu malen – so wie<br />

auch viele andere nationale und internationale Künstler,<br />

Architekten und Kunstinteressierte nach Lübeck kamen,<br />

um Linde und dessen Sammlung zu besuchen.<br />

Aber Linde <strong>war</strong> nicht nur Sammler, er <strong>war</strong> vor allem<br />

Mäzen und ist als erster dieser Art in die Kunstgeschichtsschreibung<br />

eingegangen. Er förderte und protegierte<br />

den norwegischen Maler Edvard Munch, erklärt<br />

ihn 1902 in seiner Schrift „Edvard Munch und die Kunst<br />

der Zukunft“ zum Künstler der Moderne. Im selben Jahr<br />

entstand in Lübeck Munchs „Linde Mappe“, Radierungen<br />

und Lithographien, die die Familie Linde zeigen. Linde<br />

verhalf Munch vor allem zu wesentlichen Kontakten, die<br />

die Grundsteine für dessen internationale Anerkennung<br />

legen sollten.<br />

Linde setzte sich aber vor allem auch für die kulturelle<br />

Entwicklung in Lübeck ein. Er <strong>war</strong> z. B. Vorsteher des<br />

Naturhistorischen Museums, des Gewerbemuseums<br />

und der Sammlung von Gemälden, Kupferstichen und<br />

Gipsabgüssen. Er machte die Lübecker in zahlreichen<br />

Ausstellungen mit den neuesten Kunstströmungen bekannt,<br />

hielt Vorträge und gründete als reformfreudiger<br />

Arzt den Verein für Schulgesundheitspflege.<br />

Aus Munchs „Linde Mappe“ – Die vier Söhne des Dr. Linde<br />

Bildquellen: Universitätsarchiv der Technischen Universität Braunschweig (UniA BS), J I M : 26) Das katholische Gesellenhaus am Dom<br />

carl MÜhlenpforDt<br />

ein Baumeister für lübeck<br />

Carl Mühlenpfordt´s Karriere begann am humanistischen<br />

Gymnasium in Blankenburg und setzte sich an<br />

der Technischen Hochschule Braunschweig fort, wo er<br />

Architektur studierte.<br />

Mühlenpfordt´s architektonische Leistung in Lübeck, wo<br />

er von 1903 bis 1905 Regierungsbauführer und von<br />

1907 bis 1914 Bauinspektor <strong>war</strong>, ist vor allem dadurch<br />

gekennzeichnet, dass sie stets das individuelle Gesicht<br />

der Hansestadt berücksichtigte und formte und sich<br />

nicht in modernen Neubauten verlor. Seine Bauwerke<br />

fügen sich so ein in die einzigartige Architektur der<br />

Stadt, immer zweckmäßig und klar gestaltet, und<br />

schaffen ein ausgewogenes, ruhiges und vor allem traditionsreiches<br />

Miteinander. Bei der Instandsetzung des<br />

Rathauses <strong>war</strong> er z. B. bemüht, traditionelle Arbeitsweisen<br />

zu nutzen und die alten Materialien zu reproduzieren.<br />

Weitere lübsche Bauwerke, an denen Mühlenpfordt´s<br />

architektonischer Stil deutlich wird, sind u. a. der Giebel<br />

der Apotheke in der Sandstraße (1912), das Hauptzollamt<br />

(1910), die Schule am damaligen Falkendamm (1913),<br />

das katholische Gesellenhaus am Dom (1907), der<br />

<strong>Wer</strong>kbau des Drägerwerks (um 1937), die Kirche in<br />

Kücknitz (erbaut 1909) und seine Siedlungsbauten<br />

„Heimstätten“ (1910 und 1935).<br />

Die Hansestadt Lübeck würdigte Mühlenpfordt´s Leistungen<br />

mit dem Titel eines Baurats und dem Lübecker<br />

Hanseatenkreuz – und im Jahre 2003 mit einem<br />

Straßennamen im <strong>Hochschulstadtteil</strong>.<br />

„Die große linie seiner architektur zieht über Jahrzehnte<br />

hinweg. Der raum verbietet, seine ganze<br />

arbeit, besonders auch seine lehrtätigkeit, zu<br />

schildern. als professor in Braunschweig schuf er<br />

neben großen stadtbauten die Kirchen in der<br />

Moorsiedlung thausen und in oldenburg. Diese zeigen<br />

rund zwanzig Jahre nach den ersten lübecker<br />

Bauten den gleichen reifen, klaren stil und die enge<br />

verbundenheit mit niedersachsen .“<br />

3 24<br />

Die Schule am Falkendamm<br />

Dr. Ing. Hespeler: Ein Lübeckischer Baumeister.<br />

In: Lübeckische Blätter. 1938<br />

carl MÜhlenpforDt<br />

12. feBruar 1878 – 19. Januar 1944


23. märz 1882 – 14. april 1935<br />

aMalIe eMMy noether<br />

Aufgabe 4: Sei R ein noetherscher<br />

Ring. Zeigen Sie, dass der<br />

Potenzreihenring R[[X]] in einer<br />

Variablen wieder noethersch ist.<br />

aMalIe<br />

eMMy<br />

noether<br />

ein leben für die<br />

Mathematik<br />

Emmy Noether gilt laut ihrer Biographin Tollmien als die<br />

„Begründerin der axiomatischen Algebra“ und „bedeutendste<br />

Mathematikerin, die je gelebt hat“. Soweit<br />

so gut. Eine überragende akademische Bedeutung an<br />

deutschen Universitäten kam ihr dennoch nicht zu.<br />

Mehr als einen kleinen Lehrauftrag hatte man(n) der<br />

„genialen Mathematikerin“ (Luise F. Pusch) nie zugestanden.<br />

Soweit die Tatsachen.<br />

Emmy macht im Jahr der Jahrtausendwende (1900) ihr<br />

Lehrerinnenexamen für Englisch und Französisch und<br />

legt 1903 ihr Abitur ab. Zum Wintersemester 1903/04<br />

geht sie nach Göttingen, damals eine der Hochburgen<br />

der Mathematik. Sie wird jedoch krank, kehrt schon<br />

nach einem Semester nach Erlangen zurück. Ab 1904/<br />

05 studiert sie dort bei ihrem Vater weiter: als einzige<br />

Frau unter 47 Mathematikkommilitonen. Sie promoviert<br />

summa cum laude und wird in die „Deutsche Mathematikervereinigung“<br />

aufgenommen, wo sie sich abermals<br />

in einer von Männern beherrschten Domäne be-<br />

weisen muss.<br />

Zwei Göttinger Mathematiker bitten sie 1915 um Hilfe<br />

bei der Relativitätstheorie. Sie geht erneut nach Göttingen,<br />

stellt einen Antrag auf Habilitation, der allerdings<br />

zu dieser Zeit abgelehnt wird. Laut Luise F. Pusch wollte<br />

man keinen Präzedenzfall schaffen. Nach dem Krieg hat<br />

sich die Situation jedoch umgekehrt: Emmy darf nun<br />

habilitieren – als erste Frau an der Universität Göttingen<br />

– und unter ihrem Namen lehren.<br />

1921 veröffentlicht sie eine Arbeit, die ihr internationale<br />

Beachtung einbringt und woraufhin sie zur „nichtbeamteten<br />

außerordentlichen Professorin“ ernannt wird.<br />

Ihren ersten bezahlten Lehrauftrag – der nur für die<br />

lebensnotwendigsten Dinge ausreichte – erhält sie dennoch<br />

erst, als sie durch die Inflation all ihre Ersparnisse<br />

verliert.<br />

1933 entziehen ihr die Nationalsozialisten die Lehrbefugnis.<br />

Sie geht ins Exil in die USA, wo sie eine Gastprofessur<br />

an einem Frauen-College erhält.<br />

Einzige Entschädigung für die Demütigungen und Entbehrungen,<br />

die sie als Frau unter männlichen Akademikern<br />

zu erdulden hatte, <strong>war</strong> der wachsende inter-<br />

nationale Schüler- und Kollegenkreis, der ihren Namen<br />

in die Welt trug.<br />

cornelIa B. J. schorer<br />

ärztin in amerika<br />

Als eine der ersten deutschen Frauen – und erste Lübeckerin<br />

überhaupt – studierte Cornelia Schorer Medizin:<br />

In Zürich, da sich Frauen im Deutschen Reich zu<br />

dieser Zeit (1891-1898) nicht immatrikulieren durften.<br />

1898 arbeitete sie für einige Monate als „Volontärarzt“<br />

in der Klinik für Hautkrankheiten und Syphilis der k.k.<br />

deutschen Universität in Prag – wahrscheinlich in Hinblick<br />

auf ihren Wunsch, Psychiaterin und Neurologin zu<br />

werden.<br />

1898 geht sie in die USA, um dort als Psychiaterin zu<br />

arbeiten. In der Passagierliste führt man sie in der<br />

Rubrik „Bezeichnung des bisherigen Berufs“ als<br />

„Fräulein“ – nicht als „Ärztin“. Die Gründe für die Auswanderung<br />

sind bis heute ungewiss. Sicher ist nur, dass<br />

es für Frauen in den USA erheblich einfacher <strong>war</strong>, als<br />

Ärztin zu praktizieren bzw. eine Anstellung in einem<br />

Krankenhaus zu finden. So konnte Cornelia bereits ein<br />

Jahr später auf eine Lizenz als Ärztin in Massachusetts<br />

verweisen. 1900 trat sie dann in die Massachusetts<br />

Medical Society ein. Unklar in ihrer Biographieschreibung<br />

ist allerdings bis heute, ob sie in ihren ersten Jahren in<br />

den USA auch als Ärztin praktizierte – und wenn ja, auf<br />

welchem Fachgebiet.<br />

1901 nahm sie eine Stelle als „Assistant Physician“, als<br />

Assistenzärztin, am Worcester Insane Hospital, einem<br />

psychiatrischen Krankenhaus, an und <strong>war</strong> dort bis zu<br />

ihrer Kündigung im Jahre 1914 tätig – eine kurze krankheitsbedingte<br />

Pause im Jahre 1908 ausgenommen. Von<br />

1914 bis 1916 arbeitete sie am Psychopathic Department<br />

des Boston State Hospital, wo sie als „Junior<br />

Assistant Physician“ angestellt und für „all persons<br />

suffering from delirium, mania, mental confusion, delusions<br />

or hallucinations“ 1 zuständig <strong>war</strong>. Noch im selben<br />

Jahr nahm sie eine Stelle als Psychiaterin in einer<br />

von der Ärztin Dr. Edith Rogers Spaulding<br />

geleiteten Studie über „Psychopathic<br />

delinquent women“ am zu<br />

diesem Zwecks erbauten „Bedford<br />

Hills Psychopathic Hospital“ nahe<br />

New York an. Im April 1920 wurde sie<br />

dann zum Ende ihrer Berufstätigkeit<br />

„Senior Assistant Physician“ am „Foxborough<br />

State Hospital“, wo sie auch<br />

die „School Clinic“ leitete.<br />

1933 ließ sich Cornelia Schorer pensionieren<br />

und kehrte nach Deutschland<br />

zurück. Da sie jedoch nie<br />

lange an einem Ort verweilen konnte<br />

– wie auch ihre gesamte Biographie<br />

zeigt –, reiste sie viel durch<br />

Deutschland und in andere europäische Länder. 1935<br />

besuchte sie die USA ein letztes Mal zu einer langen<br />

Rundreise.<br />

1 Briggs, Lloyd Vernon and collaborators: History of the Psychopathic<br />

Hospital Boston. Massachusetts, Boston 1922.<br />

5 26<br />

„an dem >fall noether< lässt sich die<br />

grausame Borniertheit der deutschen<br />

Männer-universität exemplarisch<br />

nachweisen.“<br />

luise f. pusch<br />

Portrait Privateigentum Helga Wiskemann, Lübeck<br />

„[...] Dr. cornelia B. J. schorer was appointed to fill the<br />

vacancy of female physician.“<br />

Superintendent Hosea M. Quinby in: Sixty-ninth Annual Report of the<br />

Trustees of the Worcester Insane Hospital and twenty-fourth Annual<br />

Report of the Trustees of the Worcester Insane Asylum at Worcester,<br />

for the year ending September 30. 1901. Boston 1902<br />

cornelIa BernharDIne Johanna schorer<br />

12. JulI 1863 – 9. Januar 1939


4. Januar 1643 – 31. märz 1727<br />

Isaac newton<br />

Isaac newton<br />

„I feign no hypotheses“<br />

(newton in seiner principia Mathematica)<br />

Seinem Onkel ist es zu verdanken, dass Sir Isaac<br />

Newton heute in nahezu allen Lexika und Nachschlagewerken<br />

vertreten ist. Er bewirkte, dass sein<br />

Neffe nicht den väterlichen Hof übernehmen musste,<br />

und sich so seinen mathematischen Studien, experimentellen<br />

Untersuchungen und handwerklichen<br />

Konstruktionen widmen konnte. Mit 18 kam Isaac so an<br />

die University of Cambridge. Hier entwickelte er<br />

bahnbrechende theoretische Ansätze über die Natur<br />

des Lichts, die Gravitation und die Planetenbewegung<br />

sowie über die mathematischen Probleme, die mit<br />

Tangenten-, Flächen- und Schwerpunktsberechnungen<br />

zusammenhängen. 1699 wurde er Nachfolger seines<br />

Lehrers und Mentors Isaac Barrow und somit Professor<br />

der Mathematik. Drei Jahre später wurde Newton Mitglied<br />

der Royal Society.<br />

1689 begann ein neues Kapitel: Die University of Cambridge<br />

entsandte Newton ans englische Parlament.<br />

1699 wurde er zudem Vorsteher der königlichen Münze<br />

– sein Bild prangte nun auf jeder englischen 1-Pfund-<br />

Note – und 1703 Präsident der Royal Society. 1705<br />

schlug Königin Anne ihn wegen seiner wissenschaftlichen<br />

Verdienste zum Ritter.<br />

Newtons Ansehen als Begründer der klassisch theoretischen<br />

Physik und damit der exakten Naturwissenschaften<br />

(neben Galilei) geht v. a. auf sein Hauptwerk<br />

„Philosophiae naturalis principa mathematica“ (Mathematische<br />

Prinzipien der Naturlehre) zurück. Hier vereinte<br />

er Galilei´s Forschungen zur Beschleunigung und<br />

Kepler´s zu den Planetenbewegungen zu einer einheitlichen<br />

Theorie der Gravitation. Damit legte er die<br />

Grundsteine der klassischen Mechanik, indem er die<br />

drei Grundgesetze der Bewegung formulierte. Nach<br />

dem Tod seines Erzfeindes Hooke veröffentlichte er<br />

sein Buch „Optik oder eine Abhandlung über die Reflexion,<br />

Brechung, Krümmung und die Farben des<br />

Lichtes“. Neben Leibnitz gilt er zudem auch als einer der<br />

Begründer der Infinitesimalrechnung.<br />

Nach Sir Isaac Newton sind das Newton`sche Näherungsverfahren<br />

und die internationale Einheit der Kraft,<br />

das Newton, benannt.<br />

Johannes scherBecK<br />

Medicus et chymicus<br />

Wie für einen Humanisten üblich, er<strong>war</strong>b Scherbeck<br />

zunächst Allgemeinkenntnisse in Grammatik, Rhetorik<br />

und Logik und studierte danach an der Artistenfakultät<br />

der Universität Kopenhagen, um dieses philologische<br />

Grundwissen zu erweitern. Laut Scherbecks biografischer<br />

Chronik, sollte er anfangs – wie sein Vater – die<br />

Pastorenlaufbahn einschlagen. Der zur damaligen Zeit<br />

herrschende Glaubensstreit zwischen orthodoxen<br />

Lutheranern und den als Philippisten bezeichneten<br />

Schülern Melanchton´s, zu denen sich auch Johannes<br />

zählte, machte selbst vor Familienbanden nicht halt,<br />

sodass es zum Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn<br />

kam.<br />

An der traditionsreichen Universität Wittenberg er<strong>war</strong>b<br />

Scherbeck 1580 seine Magisterwürde und erkannte<br />

bald, dass für einen Philippisten seiner Art eine theologische<br />

Laufbahn in seiner orthodox lutherischen Heimat<br />

unvorstellbar <strong>war</strong>. Scherbeck entschließt sich also,<br />

Medizin zu studieren und unternimmt mehrjährige<br />

Studien- und Bildungsreisen, die ihn u. a. in die Schweiz,<br />

durch Frankreich, nach London und in die Niederlande<br />

führen. 1591 beendet er sein Medizinstudium an der<br />

Universität Basel mit der Doktorwürde. In Scherbecks<br />

Biographie ist überliefert, dass er versuchte, Nierensteine<br />

mit eigens präpariertem Salpetergeist zu behandeln<br />

und nicht zuletzt deswegen als „Medicus et<br />

chymicus“ bzw. „Philosophus et chemiatros“ bezeichnet<br />

wurde.<br />

1591 ließ sich Scherbeck als Arzt in Lübeck nieder und<br />

erarbeitete sich hier in 40-jähriger ärztlicher Praxis Ansehen<br />

und Wohlstand. In seinem Haus trafen sich zahlreiche<br />

Reisende und Gelehrte. Bis ins frühe 20. Jahrhundert<br />

wurde die Erinnerung an Scherbeck in Lübeck<br />

durch ein Epitaph in der Jakobikirche erhalten:<br />

„[...] mit knapp über achtzig Jahren, lebenssatt und<br />

am ende seines irdischen schauspiels angelangt [...],<br />

nicht ungern von der Bühne des lebens abgetreten.“<br />

Peter Voswinckel beurteilt Scherbecks Bedeutung für<br />

unsere Hansestadt in seinem Aufsatz im Biographischen<br />

Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck folgendermaßen:<br />

„ohne zweifel gebührt ihm in der wissenschaftsgeschichte<br />

schleswig-holsteins und lübecks ein platz<br />

als markanter vertreter der späthumanistischen,<br />

grenz-überschreitenden >res publica litteraria


12. oKtober 1706 – 22./23. september 1778<br />

Johann aDaM soherr<br />

Johann aDaM soherr<br />

lübecker Baumeister des rokoko<br />

Soherr übernimmt 1730 die Nachfolge seines Vaters als<br />

Stadtbaumeister in seiner Heimatstadt. Zuvor <strong>war</strong> er<br />

vermutlich am Bau der Hofburg in Wien sowie am<br />

Schloss zu Kirmint (Ungarn) des Grafen Batthyanyi beteiligt.<br />

Nach zweijähriger Tätigkeit in Mannheim geht er<br />

dann nach Kopenhagen, um den Posten eines Bauinspektors<br />

am königlichen Residenzschloss Christiansborg<br />

zu bekleiden. 1742 wird er Hofbauinspektor und<br />

Mitarbeiter Laurids de Thurahs und Nicolai Eigtveds. In<br />

diese Zeit fällt auch seine Mitarbeit an den Schlössern<br />

Frederiksborg, Fredensborg und Jægersborg sowie am<br />

Prinzenpalais.<br />

1748/49 be<strong>war</strong>b sich Soherr dann um die vakante<br />

Stelle des Stadtbaumeisters in Lübeck, die er dann<br />

ganze dreißig Jahre besetzte. Zu seinen Aufgaben<br />

zählten u.a.: die allgemeine Bauaufsicht; die Aufsicht<br />

über städtische Gebäude; der Neubau, die Restauration<br />

und die Verbesserung technischer Anlagen (Mühlen und<br />

Waagen) sowie von Straßen und Wasserwegen. In<br />

Soherrs Amtszeit wurden zahlreiche solcher Bau- und<br />

Verbesserungsmaßnahmen durchgeführt – u.a. 1750<br />

der Bau des Pfarrhauses in Behlendorf und des Gasthauses<br />

Lachswehrallee 39, 1751 der Bau der Brauerei<br />

und Brennerei und 1753 des Pächterhauses in Ritzau,<br />

1754 der Umbau der Ratsstube und 1775 der Bau eines<br />

neuen Gutshauses für Lübeck-Steinrade.<br />

Da jedoch nur sehr wenig aus Soherr´s Baumeisterzeit<br />

erhalten geblieben ist, lässt sich seine Arbeit künstlerisch<br />

kaum einschätzen. Sein Verdienst liegt vor allem<br />

darin, dass er Gestaltungsweisen des dänischen Rokoko<br />

nach Lübeck übertragen hat.<br />

Wiener Hofburg<br />

Johann JulIus<br />

walBauM<br />

von der Brauerei ins Behandlungszimmer<br />

Johann Walbaum führte nach dem Tod seines Vaters<br />

gemeinsam mit seiner Mutter die geerbte Brauerei<br />

weiter – beschäftigte sich aber in seiner Freizeit mit<br />

ganz anderen Dingen: Johann las viel und interessierte<br />

sich für Botanik und Kräuterkunde. Diesem speziellen<br />

Interesse ist es wohl auch zu verdanken, dass er<br />

schließlich doch Medizin studiert und 1748 zum Doktor<br />

der Medizin promoviert. Am nächsten lag Walbaum die<br />

Chirurgie, doch aus finanziellen Gründen <strong>war</strong> es ihm<br />

nicht möglich, sich auf langen Reisen fortzubilden.<br />

1749 ließ sich Johann Walbaum deshalb und aufgrund<br />

eines akuten Medizinermangels in Lübeck in der Hansestadt<br />

nieder – und wurde mehr als freundlich aufgenommen,<br />

sodass er auch blieb, als ihn einer seiner<br />

wichtigsten Lehrer nach Göttingen rief.<br />

Walbaum wurde nach und nach zu Lübecks bedeutendstem<br />

Arzt in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts:<br />

Er verbesserte das Hebammen- und Apothe-<br />

kenwesen, setzte sich für die Ausbildung von Wund-<br />

ärzten ein und benutzte 1758 erstmals Handschuhe bei<br />

einer Geburtshilfe-OP – 100 Jahre vor Einführung steriler<br />

OP-Handschuhe.<br />

Walbaum <strong>war</strong> aber vor allem Aufklärer und in diesem<br />

Sinne entsprechend engagiert: Die Erziehung und Bildung<br />

seiner Kinder, Dienstboten<br />

und Mitbürger lag ihm gleichermaßen<br />

am Herzen. Den Mittelpunkt<br />

seiner gemeinnützigen Tätigkeit<br />

bildete die Gesellschaft zur Beförderung<br />

gemeinnütziger Tätigkeit,<br />

die er vorangetrieben und im Sinne<br />

der Aufklärung mit reformiert hat.<br />

Kein Wunder also, dass Johann<br />

Walbaum als einer der einflussreichsten<br />

Aufklärer Lübecks im<br />

ausgehenden 18. Jahrhundert gilt.<br />

Ein dritter Aspekt darf in Bezug auf<br />

Johann Walbaum nicht vergessen<br />

werden: Neben allem beruflichen<br />

und gemeinnützigem Engagement<br />

galt sein wissenschaftliches Interesse weiterhin der<br />

Natur und Botanik. Seine <strong>Wer</strong>ke über Schildkröten,<br />

Fische und Vögel fanden in der Fachwelt große<br />

Anerkennung.<br />

9 30<br />

„verdienter arzt – emsiger naturforscher –<br />

Gemeinnütziger Bürger.“<br />

Inschrift in Walbaums Grabstein auf dem Dom-Innenhof<br />

Johann JulIus walBauM<br />

30. Juni 1724 – 21. august 1799


Herausgeberin:<br />

<strong>Hochschulstadtteil</strong> Entwicklungsgesellschaft<br />

HEG Projektbüro<br />

Kanalstraße 64 • 23552 Lübeck<br />

www.hochschulstadtteil.de<br />

info@hochschulstadtteil.de<br />

in Zusammenarbeit mit:<br />

Frauenbüro der Hansestadt Lübeck<br />

Kanzleigebäude • 23539 Lübeck<br />

frauenbuero@luebeck.de<br />

Grundlage:<br />

Beschluss der Lübecker Bürgerschaft vom<br />

28. November 2002, Vorlage des Fachbereichs<br />

Stadtplanung, Bereich Verkehr,<br />

Sachbearbeiterin Frau Dorothee Gutzeit.<br />

Die Vorlage basierte auf Vorschlägen verschiedener<br />

Institutionen und Gruppen:<br />

u.a. des Frauenbüros der Hansestadt<br />

Lübeck, der Medizinischen Universität<br />

connection<br />

Lübeck und der Fachhochschule Lübeck<br />

sowie der WTP-Gesellschaft. penguin

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