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ft entscheidet Willi Schmiderst frühmorgens, welchenKäse er produzieren wird.Noch vor Sonnenaufgang lieferndie Bauern ihre Kuh-,Schaf-, Büffel- oder Geissenmilchin die Käserei. Dannwird gekostet. Das Käppischelmisch in die Stirn gezogen,steht Schmid in seinen grossen weissen Gummistiefelnund der Plastikschürze vor einem Milchkanister.Wie ein Weinkenner lässt er der frischen RohmilchZeit, damit sie ihr Aroma in seinem Gaumen entfaltenkann. Schmid schliesst kurz die Augen.Willi Schmids «Städtlichäsi» liegt gut versteckt zwischenzwei engen Gässlein im Zentrum des ToggenburgerStädtchens Lichtensteig. Die Käseproduktionläuft seit drei Uhr morgens auf Hochtouren. Tiefüber seinen 700-Liter-Milchkessel gebückt, schneidetSchmid sorgfältig mit zwei Plastikschaufeln den Käsebruch,der nicht zu fein zerkleinert werden soll, bevorman ihn abtropfen lässt und vorsichtig in Plastikformenabfüllt. Schmid ist hochkonzentriert, im Hintergrundplätschert in der Abtropfwanne bereits derBruch für die «Hölzige Geiss», seinen cremigen Geissenkäse,den er zwecks Aromatisierung und Reifungmit einer Tannenrinde umspannt.Willi Schmid hält kurz inne und schwärmt vonVanillearomen und Bergkräutern in der Milch. «Einschönes Röstaroma – die Kühe haben gestern vieleverschiedene Gräser gefressen.» Er weiss genau, welcheKühe die Milch geliefert haben. Schmid kennt jedenBauern, jede Weide, ja sogar jede Kuh, von der erMilch bekommt. Einige wenige Bauern beliefern ihnmit Milch – mit der bestmöglichen. Die Zusammenarbeitist geprägt von gegenseitiger Verbundenheit,Freundschaft, aber auch Respekt. Jeder Bauer weiss,dass er seinen Auftrag verliert, wenn er nicht mehr dengeforderten Standard liefert. Stoppt einer die Schafzucht,produziert Schmid so lange keinen Schafskäse,bis er wieder eine Milch gefunden hat, die seinen Ansprüchengenügt. Da kennt er kein Pardon, auch wennihm Ungeduldige die Bude einrennen, um endlichwieder in ein Stück «Nicola» oder «Hölzig Schaf» beissenzu können.Schmids Kunden sind in guter Gesellschaft. Wasim Herzen des Toggenburg produziert wird, hates längst in die Käseauswahl renommierterRestaurants in der ganzen Welt geschafft. Willi Schmidfreut sich darüber, obwohl er sich oft nicht einmal andie Namen der Köche erinnern kann. «Wie heisst dieserSchweizer in New York schon wieder?», muss erseine Frau Beatrice fragen. Die Rede ist von keinemGeringeren als Daniel Humm, dem Perfektionisten,dessen «Eleven Madison Park» dieses Jahr zum bestenRestaurant Nordamerikas gewählt wurde und zurzeitals das fünftbeste Restaurant der Welt gilt. Dort kommtSchmids Käse auf den Tisch. Ebenso beim SchweizerSpitzenkoch Andreas Caminada. «Und in Schwedengehört es anscheinend zum guten Ton, in Spitzenrestaurantsmeinen Käse zu servieren», sagt der Käser.Schmid bildet sich darauf nicht viel ein, er hat denÜberblick über seine Auszeichnungen längst verloren,so viele waren es in den letzten sieben Jahren.Die wahren Goldstücke liegen im Reifungskeller.Gegen 3000 Käselaibe, von denen Schmid sagt: «Dassind meine Babys! Ihnen gehört meine ganze Aufmerksamkeit.»Seine Augen leuchten, als er sich einen«Mühlistein» aus dem Reifungsgestell holt, einen grossenrunden Vollfettkäse mit Loch in der Mitte, der aussiehtwie ein überdimensioniertes Engadiner Ringbrot.Oder wenn er lachend den Käse aufschneidet, ihngrosszügig zur Degustation anbietet und selber genüsslichhineinbeisst. Immer noch isst er täglich Käse.Oft fährt Schmid nach dem anstrengenden Arbeitstagin der Käserei einen Umweg und hält bei «seinen»Kühen auf der Weide. Auch wenn er nicht der Besitzerist, gehören sie ihm trotzdem ein bisschen. Sie galoppierenquer über die Weide, wo Schmid ihnen dieArme um den Hals legt. Er weiss, welche Kühe frischgekalbert haben, wo sie am liebsten getätschelt werdenund wie gut ihre Milch ist. «Würde der Bauer dieMilch nicht zusammenschütten, ich könnte sie wohlnoch im Kaffee einer Kuh zuordnen», sagt Schmid.Wechselt ein Bauer die Weide, erkennt der Käser diesam nächs ten Tag am Geruch der Milch. Er kennt dieWiesen im Toggenburg, weiss, wo die Sonne aromatischeBlumen gedeihen lässt und auf welcher Alp besondersviel Klee wächst. Manch halbschattiges Tobelist ideal für Wildkräuter, die die Milch aromatisieren.„Würde der Bauer die Milchnicht zusammenschütten,könnte ich sie wohl noch imKaffee einer Kuh zuordnen.“Schon als kleiner Bub erkundete Schmid die Felderund Wiesen. Alle Kräuter, Blätter und Gräser, die diejungen Geissen fressen, hat er schon selber probiert.«Wir haben hier im Toggenburg schwere Lehmböden,die besonders viele Nährstoffe speichern können. Daskommt der Milch zugute», sagt er. Trinkt er die Milch,schmeckt er die Scholle. Schmid erklärt anschaulich,dass die Milch vom Schwarzfleckvieh im Jura ganzanders schmecke als die vom Braunvieh im Bündnerland,das vor allem auf Kies böden grast. Andere Kühe,andere Vegetation. Willi Schmids Land karte ist eineder Milcharomen.Beste Rohmilch ist Schmids Grundmaterial, seinweisses Gold. Pasteurisierte Milch trinken würde ernie, geschweige daraus einen Käse herstellen. «Das istein toter Saft!» Sein verschmitztes Lachen weicht einerernsten Miene. «Das schmeckt nach nichts. Beim Käseist die Qualität der Milch entscheidend, perfektes Fettund perfektes Eiweiss, nur so kann ich einen gutenZum Reinbeissen:Natürlich hat WilliSchmid schon alleBlumen und Kräuterselbst probiert.18 BEOBACHTER NATUR | NOVEMBER 2013BEOBACHTER NATUR | NOVEMBER 201319

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