10.07.2015 Aufrufe

filmeheft-good-bye-lenin

filmeheft-good-bye-lenin

filmeheft-good-bye-lenin

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Good Bye, Lenin!Wolfgang BeckerBR Deutschland 2003Filmheft von Cristina Moles Kaupp


FilmerziehungMedien prägen unsere Welt. Nicht selten schaffen sie ihreigenes Universum – schnell und pulsierend, mit der suggestivenKraft der Bilder. Überall live und direkt dabei zusein ist für die junge Generation zum kommunikativen Idealgeworden, das ein immer dichteres Geflecht neuerTechniken legitimiert und zusehends erfolgreich macht.Um in einer von den Medien bestimmten Gesellschaftbestehen zu können, müssen Kinder und Jugendlichemöglichst früh lernen, mit Inhalt und Ästhetik der Medienumzugehen, sie zu verstehen, zu hinterfragen und kreativumzusetzen. Filmerziehung muss daher umfassend in deutscheLehrpläne eingebunden werden. Dazu ist einUmdenken erforderlich, den Film endlich auch im öffentlichenBewusstsein in vollem Umfang als Kulturgut anzuerkennenund nicht nur als Unterhaltungsmedium.Kommunikation und Information dürfen dabei nicht nurMittel zum Zweck sein. Medienerziehung bedeutet auch,von den positiven Möglichkeiten des aktiven und kreativenUmgangs mit Medien auszugehen. Medienkompetenz zuvermitteln bedeutet für die pädagogische Praxis, Kinderund Jugendliche bei der Mediennutzung zu unterstützen,ihnen bei der Verarbeitung von Medieneinflüssen und derAnalyse von Medienaussagen zu helfen und vielleicht sogarzu eigener Medienaktivität und damit zur Mitgestaltung derMedienkultur zu befähigen.Die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb sieht dieMedien nach wie vor als Gegenstand kritischer Analyse an,weil Medienkompetenz in einer von Medien dominiertenWelt unverzichtbar ist. Darüber hinaus werden wir denKinofilm und die interaktive Kommunikation viel stärker alsbisher in das Konzept der politischen Bildung einbeziehenund an der Schnittstelle Kino und Schule arbeiten: mitregelmäßig erscheinenden Filmheften wie dem vorliegenden,mit Kinoseminaren, themenbezogenen Reihen, einerBeteiligung an bundesweiten Schulfilmwochen,Mediatorenfortbildungen und verschiedenen anderenProjekten.Thomas Krüger,Präsident der Bundeszentrale für politische BildungImpressumHerausgeberin: Bundeszentrale für politische Bildung/bpbAdenauerallee 86, 53113 Bonn, Tel. 01888 515-0, Fax 01888 515-113, info@bpb.de, www.bpb.demit freundlicher Unterstützung von X VerleihRedaktion: Katrin Willmann (verantwortlich), Andrea WienenRedaktionelle Mitarbeit: Holger Twele (auch Satz und Layout)Titel, Umschlagseite, Grafikentwurf: Susann UngerDruck: DruckVerlag Kettler, BönenBildnachweis: X Verleih© Neuauflage, November 2003


Good Bye, Lenin!BR Deutschland 2003Regie: Wolfgang BeckerBuch: Bernd Lichtenberg, Wolfgang BeckerDarsteller/innen: Daniel Brühl (Alex Kerner), Katrin Saß (Mutter, Christiane Kerner),Chulpan Khamatova (Lernschwester Lara, Alex Freundin),Maria Simon (Schwester, Ariane Kerner), Florian Lukas (Arbeitskollege Denis),Alexander Beyer (Arianes neuer Freund), Burghart Klaußner (Vater, Robert Kerner),Michael Gwisdek (Direktor Klapprath) u. a.Länge: 120 MinutenFBW: wertvollFSK: ab 6 J., empfohlen ab 10 J.Verleih: X VerleihGOOD BYE, LENIN! Filmheft 3


InhaltBis zum Sommer 1978 scheint das Leben der OstberlinerFamilie Kerner in Ordnung. Der Vater ist Arzt, die Muttereine Grundschullehrerin und ihre Kinder, der 11-jährige Alexund seine zwei Jahre ältere Schwester Ariane, gedeihenprächtig. Doch am 26. August kehrt der Vater von einerDienstreise nach Westberlin nicht mehr zurück. Seine Republikfluchtwird von der Stasi damit erklärt, dass er eine andereFrau habe.In dem Moment, als die Welt der Kerners zusammenbricht,verfolgen die Kinder die Fernsehübertragung des Starts vonSojus 31. An Bord befindet sich Sigmund Jähn, der ersteDeutsche auf seinem Flug ins All. Von nun an wird der gefeierteHeld für Alex zum Übervater.Rückblickend lässt Alex die folgenden Ereignisse Revuepassieren: Seine Mutter versinkt in Trauer, wird apathischund sprachlos. Als sie nach einigen verstörenden Wochenaus der Psychiatrie zurückkehrt, ist sie eine Andere geworden.Christiane Kerner verbannt ihren Mann aus Gesprächenund aus dem Leben, findet fortan in politischemEngagement Befriedigung. „Sie heiratete das sozialistischeVaterland“, bemerkt Alex nicht ohne Ironie.Er lernt eben die junge Russin Lara kennen, als Polizistendie Demonstration zerschlagen und auch Alex verhaften.Zufällig beobachtet seine Mutter diese Szene und erleideteinen Herzinfarkt. Wegen ihres kritischen Gesundheitszustandesdarf Alex nach wenigen Stunden das Gefängniswieder verlassen. Die Mutter liegt im Koma, die Ärzte habenwenig Hoffnung: Selbst wenn Christiane Kerner jemalswieder erwachen würde, könnte die kleinste Aufregungihren Tod bedeuten.Doch Christiane Kerner wacht nicht auf. Sie verschläft denFall der Mauer, Erich Honeckers Abgang und die Vereinigung.Sie weiß nicht, dass Ariane ihr Wirtschaftsstudiumaufgibt, um fortan bei Burger King als Kassiererin zu arbeiten,wo sie Rainer kennen lernt, den neuen Freund aus demWesten. Alex hat seinen Job als Fernsehmonteur inzwischenverloren und trifft am Bett der Mutter Lara wieder –die Lernschwester auf der Station ist. Täglich kommt Alexzu Besuch, längst hat er seine Visiten nach Laras Dienstplanausgerichtet. Bei einem Westberliner Unternehmen hat ereine neue Stelle gefunden und beglückt nun mit KollegeDenis die neuen Bundesbürger mit Satellitenschüsseln.Denis ist ein umtriebiger Video-Tüftler und träumt von einerKarriere als Regisseur. Die beiden werden Freunde.Alex genießt einen traumhaft schönen Sommer und testetden „wilden Westen“. Auch mit Lara kommt er endlichvoran. Beim ersten Kuss, ausgerechnet am Bett der Mutter,wacht Christiane Kerner überraschend auf. Acht Monatehat ihr Koma gedauert. Was nun?Elf Jahre später: Am 7. Oktober 1989 feiert die DDR ihr40-jähriges Bestehen mit einer großen Militärparade –obwohl bereits seit dem Sommer Tausende über Ungarn inden Westen geflohen sind. Christiane Kerner begibt sich alsvorbildliche Aktivistin auf den Weg zum Festakt im Palastder Republik. Zur gleichen Zeit ist auch Alex unterwegs – erdemonstriert mit Bürgerrechtlern für überfällige Reformen.4 Filmheft GOOD BYE, LENIN!


Um sie zu schonen, entschließen sich die Geschwister zurVerheimlichung der neuen politischen Situation. Alex, derbesonders stark an seiner Mutter hängt, will einfach jene„Normalität“ fortsetzen, die vor ihrem Herzinfarkt gegoltenhat.Noch am selben Abend wird Denis in seiner „AktuellenKamera“ erklären: Erich Honecker habe „in einer großenhumanitären Geste der Einreise der seit zwei Monaten inden DDR-Botschaften von Prag und Budapest Zufluchtsuchenden BRD-Bürger zugestimmt. Arbeitslosigkeit,mangelnde Zukunftsaussichten und die zunehmendenWahlerfolge der neonazistischen Republikaner haben diedeutlich verunsicherten BRD-Bürger in den letzten Monatendazu bewogen, dem Kapitalismus den Rücken zu kehrenund einen Neuanfang im Arbeiter- und Bauernstaat zuversuchen.“ Und tatsächlich glaubt Christiane Kerner dasUnfassbare. Als sie dann allerdings beschließt, den neuenBürgern die Familiendatsche zu überlassen, wird Alex klar,dass sein Spiel ein Ende finden muss. Die Widersprüchezwischen der alten konservierten Welt und der neuenwachsen auch ihm über den Kopf. Zuvor jedoch beschließtdie Familie einen gemeinsamen Ausflug zur Datsche. Dortvertraut die Mutter ihren Kindern ein erschütterndesGeheimnis an ...Zwar stoßen seine Pläne bei der pragmatischeren Arianeauf wenig Gegenliebe, doch sie hilft mit, die nach RainersEinzug „verwestlichte“ 4-Zimmer-Wohnung an der FrankfurterAllee wieder in ihren alten Zustand zu bringen. Mit derMutter bezieht die verblichene DDR-Alltagskultur ihre scheinbarletzten 79 Quadratmeter.Doch die neue politische Situation lässt sich auch vor KernersWohnungstür nicht lange stoppen: Nicht nur dasVerschwinden vertrauter Ost-Produkte fordert Alex’ Improvisations-und Organisationstalent heraus, notgedrungen wirder zum Regisseur einer erfundenen Wirklichkeit. Denn dieKranke will fernsehen und die archivierten Sendungen der„Aktuellen Kamera“ können ihre Neugier nicht lange stillen.Als mitten in Christianes Geburtstagsfeier auf der gegenüberliegendenHauswand ein irritierendes Coca-Cola-Plakatentrollt wird, muss Denis ran: Als neuer Sprecher der „AktuellenKamera“ lässt er die DDR in einem Patentverfahrennicht nur über den Coca-Cola-Konzern siegen, sondernbehauptet sogar, dass das Getränk im Grunde eine sozialistischeErfindung gewesen sei. Doch dann stolpert die Muttereines Tages auf die Straße hinunter und entdeckt einefremde Welt, die sie wie im Traum wahrnimmt.GOOD BYE, LENIN! Filmheft 5


SequenzprotokollS 1S 2S 3S 4S 5S 6S 7S 8S 9S 10S 11S 12S 13S 14(Vorspann) Super-8-Aufnahmen: 1978 auf demGelände der familieneigenen Datsche, Alex undAriane spielenFilmtitelAlex und Ariane sehen fern, Sigmund Jähns Flug insAll, Mutter wird von zwei Stasi-Mitarbeitern zu ihremverschwundenen Mann befragtAlex und Ariane besuchen ihre Mutter in der Klinik,sie spricht nicht mehrAlex und Ariane sehen fern, Siegmund Jähn lässtSandmann & Mascha ins All gleiten, Nachbarinbeaufsichtigt die KinderMutter kommt nach acht Wochen Klinikaufenthaltzurück, Kinder begrüßen sie, Mutter entfernt persönlicheGegenstände des Vaters (Bettzeug, Kleidung)Super-8-Aufnahmen von Alex, Mutter dirigiert JungePioniere und fotografiert KinderMutter verfasst Eingabe, Mutter und Kinder schauen„Aktuelle Kamera“ (AK), Mutter erhält Orden, Vorabenddes NationalfeiertagsArbeitsgruppe Junge Raketenbauer, Alex zündetRakete(Zeitsprung, 10 Jahre später) Alex sitzt auf einer Bank,die Straßen Berlins werden für den 40. Jahrestagder DDR geschmücktMilitärparade, Alex liegt im Bett, vibrierende Bücherbords(Erschütterung durch Militärparade), Mutterdiktiert Eingabe, Alex sieht sich die Parade imFernsehen anDemo, Aufmarsch Polizei, Alex verschluckt sich aneinem Apfel, begegnet Lara, Mutter im Taxi auf demWeg zum Festakt im Palast der Republik, wird anPolizeiblockade gestoppt und muss aussteigen,Polizei trennt Alex und Lara, als die Mutter Zeuginvon Alex’ Verhaftung wird, fällt sie in OhnmachtNach seiner Entlassung aus dem Gefängnis fährtAlex ins Krankenhaus, Arzt teilt ihm und Ariane mit,dass die Mutter im Koma liegt, Alex auf dem KrankenhausbalkonAlex in seiner Firma, in der AK wird Erich HoneckersRücktritt verkündet, Zeitungsausschnitte vomMauerfall, Helmut Kohl vor dem SchönebergerRathaus, MauerabrissS 15S 16S 17S 18S 19S 20S 21S 22S 23S 24S 25S 26Alex macht Ausflug in den Westen, Ariane mit neuemFreund Rainer bei Burger King, Ariane und Rainerrichten die Wohnung neu einAlex trifft Lernschwester Lara am Krankenbett derMutter wieder, plant seine Besuche nach LarasDienstzeitenFernsehreparatur-Firma wird abgewickelt, Alex findetneuen Job bei der Firma X-TV, Ost-West-Teamswerden gebildet, Alex lernt Denis kennenLara pflegt Mutter, eine von Alex besprocheneKassette läuft dazuDiskobesuch von Alex und Lara in einem AbbruchhausAlex und Denis verkaufen Satellitenschüsseln,schauen in Denis’ Schnittraum ein Hochzeitsvideoan und reden über dessen künstlerische ZukunftspläneAlex küsst Lara am Krankenbett der Mutter, diedaraufhin aus dem Koma erwacht, Alex und Arianesprechen mit dem Arzt, der sie dazu ermahnt, Aufregungenvon der Mutter fernzuhalten, Alex undAriane werden von der Mutter nach den acht Monatenihres Komas befragt, sie belügen die Mutter, Alexund Denis versetzen das Zimmer der Mutter in seinenursprünglichen Zustand, Arzt demonstriert Alex,wie er sich bei weiterem Herzstillstand verhalten soll,Mutter wird nach Hause transportiertAlex im Supermarkt vor leeren Regalen, Suche nachMutters Sparbuch, Geldtransporter bringen DM, dasneue Geld wird gefeiert, Alex im Supermarkt vorRegalen mit WestproduktenAlex durchwühlt einen Container nach DDR-Behältnissen,kocht Gläser ab und füllt Lebensmittel um,Alex und Ariane versuchen, eine Bankvollmacht vonder Mutter zu bekommen, der fällt ein, dass sie ihrGeld versteckt hat, sie weiß aber nicht mehr, woAlex und Lara okkupieren eine verlassene Wohnung,sie übernachten auf dem BalkonAlex und Denis im Reparatureinsatz, in der Firma mitMitarbeitern vor dem FernseherAlex auf dem Flohmarkt, Alex instruiert die Nachbarnfür die Geburtstagsfeier der Mutter, Alex bearbeitetDirektor Klapprath, Alex instruiert Rainer6 Filmheft GOOD BYE, LENIN!


S 27S 28S 29S 30S 31S 32S 33S 34S 35S 36Denis gibt Alex alte AK-Videoaufzeichnungen, Alexzeigt eine von ihnen der Mutter und gibt sie alsaktuell ausAlex nüchtert Direktor Klapprath aus, Geburtstagsfeierder Mutter, Coca-Cola-Banner wird an dergegenüberliegenden Hauswand entrollt, Lara verlässtwütend die FeierDreh vor Coca-Cola-Niederlassung, Mutter sieht dieerste selbstproduzierte AK, Mutter erinnert sich anGeldversteck, Alex und Denis finden Geld im SperrmüllZwei Tage nach der Währungsunion weigert sich dieBank, die DDR-Banknoten umzutauschen, Alex undLara auf dem Dach, Alex wirft die wertlosen Geldscheineherunter, Feuerwerk zum Fußball-WM-Siegvon DeutschlandMutter diktiert Eingabe, Schüler singen für sie, Alexund Rainer diskutieren in der Küche, Ariane kommtdazu und es gibt Streit, Ariane bekommt Nasenblutenund erzählt Alex, dass sie den Vater gesehenhat, Einkauf des Vaters bei Burger King, Alex stelltsich einen feisten Vater vorLara gipst Alex im Badezimmer ein und fordert ihnauf, seiner Mutter die Wahrheit zu sagenAlex schläft am Bett der Mutter, deren Enkelin Paulageht zum Fenster und zeigt hinaus, ein West-Zeppelinfliegt vorbei, Mutter steht plötzlich auf und gehthinunter auf die Straße, begegnet Wessis beimEinzug, Hubschrauber mit Lenin-Statue fliegt an ihrvorbei, Alex wacht auf und sucht die Mutter, Alexund Ariane finden die Mutter auf der Straße undbringen sie zurück in die WohnungAK-Aufzeichnung im eigenen Studio, Ausstrahlungder selbstproduzierten AK über die Einreise derWestdeutschen in die DDR, die Mutter schlägt vor,einen Wessi aufzunehmenAlex füllt Lebensmittel um, die schwangere Arianeund Rainer informieren ihn über Auszugspläne,Ariane beim Ultraschall des gesamtdeutschenBabys, gesamtdeutsche VerträgeAusflug zur Datsche, Mutter mit verbundenenAugen, Kaffeetrinken vor der Datsche, Mutter decktdie wahre Geschichte über den Vater auf und bittetdie Kinder um VerzeihungS 37S 38S 39S 40S 41S 42S 43S 44(Parallelmontage) Mutter nach erneutem Herzinfarktim Krankenwagen, Ariane sucht die Briefe desVaters in der Küche, Mutter auf der Intensivstation,Ariane liest die Briefe, Alex spricht mit dem ArztAriane gibt Alex die Anschrift des Vaters, Alex wartendam Bett der Mutter, Alex fährt mit Taxifahrer, derwie Sigmund Jähn aussieht, zum VaterFest im Haus des Vaters, Alex schaut mit seinenHalbgeschwistern „Sandmännchen“, Alex bittet denVater, die im Sterben liegende Mutter im Krankenhauszu besuchenLara im Gespräch mit der Mutter, Alex und Vaterkommen ins Krankenhaus, Vater bei der Mutter, Laraund Alex warten auf einer ParkbankAlex und Denis filmen Taxifahrer als Sigmund Jähn inder Bibliothek, Ausstrahlung der selbstproduziertenAK im Krankenhaus, am ersten Jahrestag der deutschenEinheit: Erich Honeckers Rücktritt, „Jähn“über die Bedeutung des Sozialismus, Maueröffnung,Mutter beobachtet Alex während der Ausstrahlung,FeuerwerkBestattung der Mutter, Alex füllt die Asche in eineFeuerwerks-Rakete und zündet sie auf einemHochhausSuper-8-Aufnahmen: Straßenbilder, Mutter mitKindergruppeAbspann(Doku-Material in Kursivschrift)Protokollerstellung: Andrea WienenGOOD BYE, LENIN! Filmheft 7


ProblemstellungGOOD BYE, LENIN! beschäftigt sich mit dem komplexenThema des Mauerfalls 1989 und den Schritten zur deutschenVereinigung. Er reflektiert die Ereignisse anhand derfiktiven Geschichte der Ostberliner Familie Kerner. Ironischerinnert sich der Film an die jüngste Vergangenheit undthematisiert mit dem Verschwinden der DDR-Alltagskulturauch das Vergessen einstiger Werte und Lebenseinstellungen.Der Film möchte dazu anregen, die Möglichkeit einesanderen Geschichtsverlaufs zu überdenken. Die gesellschaftlichenEntwicklungen stoßen die Protagonisten/innenin einen Strudel von Selbstfindungsprozessen, die prototypischfür einzelne Bevölkerungsgruppen der DDR stehenkönnten.Figuren:Die MutterChristiane Kerner steht im Mittelpunkt des Films, auch wennsie überwiegend zur Bettlägerigkeit verurteilt ist. Sie verkörperteinen Typus des DDR-Bürgers, der sich voller Idealismusfür die Gesellschaft und das sozialistische Menschenbildeinsetzt und zum Zeitpunkt der Vereinigung bereits ein„Auslaufmodell“ darstellt.Im Rückblick wird Frau Kerners Motivation klarer – nach derRepublikflucht ihres Mannes sucht und findet sie Halt impolitischen System. „Sie heiratete das sozialistische Vaterland“,lautet Alex’ ironischer Kommentar dazu. Fortan beteiligtsich die Mutter an Solidaritätsaktionen und opfert ihreFreizeit für Verbesserungsvorschläge. Sie wird zur beliebtenAnlaufstelle aller, die mit kleinen Ungerechtigkeiten desDDR-Systems hadern, denn ihre Eingaben haben nicht nurBiss, sondern auch Humor und das richtige Gespür für dieNöte der einfachen Leute. Dennoch stößt ihr Eifer nichtüberall auf Gegenliebe: Ihr ehemaliger Chef, SchulleiterKlapprath, mag sie einst für ihren unerschütterlichen Idealismusbewundert haben. Nach der Republikflucht des Vatersnutzt er indes die Gelegenheit, sie beruflich kalt zu stellen –ihr unermüdlicher Einsatz für den Sozialismus war denKollegen ein Dorn im Auge.Alex KernerHauptakteur Alex Kerner ist zugleich der Chronist undSchöpfer der Geschichte. Aus kritischer Distanz blickt erironisch auf seine letzten elf Lebensjahre und den Prozessder Vereinigung. Trotz des leuchtenden mütterlichen Vorbildsentwickelt er sich zu einem eher passiven DDR-Bürger.Beruflich zeigt der Fernsehreparateur wenig Ehrgeiz, anerster Stelle steht seine Familie, die private Zufriedenheit.Als die DDR ihren 40. Jahrestag feiert, ist Alex 22 unddemonstriert mit Bürgerrechtlern für überfällige Reformen.Er pocht auf politische Veränderungen; diesen Eifer zumindesthat er von der geliebten Mutter übernommen.Während diese im Koma liegt, wird Alex arbeitslos, findetaber eine neue Stelle bei einem Westberliner Unternehmen8 Filmheft GOOD BYE, LENIN!


und freundet sich trotz grundverschiedener Lebensläufe mitdem neuen Kollegen Denis an. Alex lässt sich treiben, Berlinist zum Zentrum der Welt geworden, in dem er sich mitbewegt.„Alles war denkbar, alles war möglich“, sagt er,doch er verliert weder Bodenhaftung noch seinen Humor.Alex scheint für den Neustart gewappnet. Er kann sich indie neue gesellschaftliche Wirklichkeit einfinden, da ihnkeine alten Dogmen bremsen. Dank seines ausgeprägtensozialen Gewissens steht er dem Neuen offen, wenn auchabwartend und kritisch gegenüber.Als die Mutter endlich aus dem Koma erwacht, muss Alexnotgedrungen aktiv werden. Aus Sorge um ihr Wohl entwickelter ein unglaubliches Improvisationstalent im Aufspürenausgemusterter DDR-Produkte und im Erfinden politischer„Wahrheiten“. Der stets etwas verträumt wirkende Jungebeweist, dass er in den letzten Monaten reifer geworden istund Verantwortung übernehmen kann. Es gelingt ihm sogar,die ältere Schwester in ihre Schranken zu weisen und sie fürseine Pläne einzuspannen.In den selbst produzierten Nachrichten konserviert Alexzunächst die alte DDR, dann sieht er sich genötigt, MutterverträglicheErklärungen zu konstruieren. Er entwirft das Bildeiner DDR, wie er sie sich vielleicht selbst gewünscht hätte:eine großzügige Gesellschaft, in der das Miteinander anerster Stelle steht. Alex geht noch weiter, ernennt sein KindheitsidolSigmund Jähn zum neuen Staatsoberhaupt undlässt ihn sagen: „Sozialismus, das heißt auf den Anderenzuzugehen, mit dem Anderen leben, nicht nur von derbesseren Welt zu träumen, sondern sie wahr zu machen.Viele sind auf der Suche nach einer Alternative zu demharten Überlebenskampf im kapitalistischen System. Nichtjeder möchte bei Karrieresucht und Konsumterror mitmachen.Nicht jeder ist für die Ellenbogenmentalität geschaffen.Diese Menschen wollen ein anderes Leben.“ Mit dieserPosition erinnert der Film an die Ideen der Bürgerrechtler,die in den Bildern längst nicht mehr präsent sind. Es scheint,als würde Alex erst jetzt so richtig bewusst, was er seit demDahinwelken der DDR verloren hat. Gegen Filmende stellt erfest: Die DDR war „ein Land, das es in Wirklichkeit nie sogegeben hat, das in meiner Erinnerung immer mit meinerMutter verbunden sein wird.“Ariane KernerAlex’ Schwester ist zwei Jahre älter und um einiges pragmatischer.Als allein erziehende Mutter stehen bei ihr finanzielleund emotionale Sicherheit an erster Stelle. So gibt sienach der Wende ihr Wirtschaftsstudium auf, um stolz beiBurger King, für sie ein Inbegriff der Westkultur, an der Kassezu arbeiten. Ihre Mutterbindung ist weniger ausgeprägt alsbei Alex, sie wird als praktisch denkende, lebenslustigePerson gezeigt, die die DDR-Vergangenheit möglichstschnell vergessen will und dem Konsumrausch verfällt.GOOD BYE, LENIN! Filmheft 9


Veränderte Identität:Das Verschwinden der DDR-AlltagskulturNach der Vereinigung steht Konsum an erster Stelle. DerFilm zeigt die Warteschlangen beim Begrüßungsgeld undbei der Umtauschaktion (Währungsunion). Das „echte Geld“ist angekommen, die alten Ost-Produkte haben ausgedient.Aus den Kaufhallen sind über Nacht Mocca Fix, Spreewaldgurkenund Tempo-Linsen verschwunden, ihnen folgt dievertraute Alltagskultur der DDR. Die Vorboten der westlichenLebenskultur sind Coca-Cola-Laster, Burger King,Sex-Shops und Ikea. Die Welt scheint größer, hektischerund gefährlicher geworden zu sein. „Helden der Arbeit“ sindplötzlich nichts mehr wert und verlieren ihre Jobs.Besonders die Älteren im Plattenbau der Familie Kernerhadern mit dem Verlust ihres gesellschaftlichen Status. DasVerschwinden der DDR wird als persönliche Niederlageempfunden, man wünscht sich die alte Zeit zurück. Allerdingsbröckelt auch hier das einstige Solidaritätsgefühl. AlsAlex in den Mülltonen nach alten Gurkengläsern wühlt,kommentiert dies ein alter Nachbar mit: „So weit ist es mituns gekommen“. Nach Spreewaldgurken gefragt, entgegnetder ehemalige Systemtreue barsch: „Tut mir leid, jungerMann, ich bin selber arbeitslos“ – erst kommt das Fressen,dann die Moral.Während die Alten hadern und meckern, steht ihnen eineoptimistischere Jugend gegenüber, die das ABC desKapitalismus schnell erlernt. Das Geburtstagsständchen inPionieruniform für ihre ehemalige Lehrerin geben die beidenJungs nicht freiwillig – sie bekommen 20 DM dafür.Mediale und familiäre LügenDas Spannungsverhältnis zwischen Schein und Wirklichkeitspiegelt sich als zentrales Thema der Tragikkomödie aufden unterschiedlichsten Ebenen wider. Beginnend mit denholländischen Gürkchen im original DDR-Spreewaldgurkenglasüber Alex’ groteske Umdeutung des Geschichtsverlaufsvia „Aktuelle Kamera“ bis hin zur Behauptung seinerMutter, der Vater habe sich zu seiner Geliebten in denWesten abgesetzt und nie mehr von sich hören lassen.Die Lichterketten der Demonstranten, das Abdanken ErichHoneckers, letzte Paraden, die Deutschlandhymne vor demSchöneberger Rathaus und all die Menschen, die nachWestberlin drängen – diese Bilder finden sich nicht nur inden Archiven der Medienanstalten, sondern haben auchEingang ins kollektive Bewusstsein der Bevölkerung gefunden.GOOD BYE, LENIN! bemüht diese Bilder einerseits zurVergegenwärtigung der Geschichte und stellt andererseitsdurch neue Konnotationen deren Verlauf in Frage. Alexinstrumentalisiert die dokumentarischen Aufnahmen, stelltsie in neue Kontexte und täuscht so einen anderenGeschichtsverlauf vor.„Wahrheit ist eine zweifelhafte Angelegenheit, die ich leichtMutters gewohnter Wahrnehmung angleichen konnte“, sagtsich Alex: „Ich musste nur die Sprache der ‘AktuellenKamera’“ studieren und Denis’ Ehrgeiz als Filmregisseuranstacheln.“ Mit seinem Freund nutzt er die Nachrichtensendung,einst das zentrale „Wahrheitsorgan“ der DDR, fürseine Lügengebäude, er deutet bekannte Bilder um undsimuliert mit Hilfe von Montagetricks eine neue Wirklichkeit.Dem Lügengebäude von Alex steht die familiäre Lüge derMutter gegenüber. In dem Moment, als Alex seine Lügeaufdecken und seiner Mutter endlich die Wahrheit sagenwill, kommt sie ihm mit der Enthüllung ihrer persönlichenTragödie zuvor: Die Flucht des Vaters nach Westberlin seigeplant gewesen, denn er habe darunter gelitten, ohneParteizugehörigkeit beruflich in der DDR nicht vorwärts zukommen. Zwar war zwischen beiden abgesprochen, dasssie ihm mit den Kindern nachfolgt, doch im entscheidendenMoment war sie vor Angst gelähmt. Denn sie hätte möglicherweisenicht nur jahrelang auf die Ausreise wartenmüssen, sondern wäre auch Gefahr gelaufen, dass man ihrdie Kinder wegnimmt. Also entschloss sie sich für die Fluchtnach vorn, verwandelte sich in die aufrechte ParteigenossinKerner und verleugnete ihre Gefühle und Sehnsüchte.In GOOD BYE, LENIN! werden Scheinwelten aufgebaut, indie nichts von außen eindringen darf, damit sie bestehenkönnen. So versteckt die Mutter die Briefe des Vaters vorden Kindern und Alex schirmt die Mutter von der Außenweltab. Die familiäre Lüge wird letztendlich aufgedeckt, währendAlex bis zum Ende glaubt, dass er seine durch das MediumFernsehen gestützte Lüge bis zum Tod seiner Mutteraufrecht erhalten konnte.10 Filmheft GOOD BYE, LENIN!


FilmspracheKameraarbeitNach dem Drehbuch des Kölner Autors Bernd Lichtenberg(geb. 1966) weckt der westdeutsche Filmemacher WolfgangBecker die DDR zur Zeit vor und kurz nach der Wende zuneuem Leben. GOOD BYE, LENIN! beginnt als Komödie,wird allerdings früh von dramatischen Ereignissen durchdrungen.Humor, Spannung und Ernst korrespondierenmiteinander. Dokumentarisches Filmmaterial zeigt Originalaufnahmenaus der DDR und den Monaten zwischen 1989und 1990. Becker bemüht sich, der Chronologie derpolitischen Ereignisse auf diese Weise gerecht zu werden.Die Spielfilmszenen zeigen deren Echo im Privaten; um dieHandlung zu beschleunigen, bleiben sie skizzenhaft.Off-Kommentar und ErzählstrukturDie filmische Narration von GOOD BYE, LENIN! wird vonden Off-Kommentaren (Voice-Over) Alex Kerners getragenund folgt einer klassischen Erzählstruktur. Der Film nutzt denOff-Kommentar, um die Geschichte voranzutreiben, zuerklären oder zu konterkarieren. Auch schnelle Schnitte,dokumentarisches Filmmaterial und Rückblenden könnendurch ihn logisch verbunden werden. Alex bedient sichdabei typischer DDR-Begriffe (etwa „Held der Arbeit“) unddeutet sie in seinen lakonischen Kommentaren für eigeneZwecke um. Das ist Ironie für Eingeweihte wie etwa seineBemerkung zu Beginn des Films: „1978 war die DDR aufWeltniveau und unsere Familie ging den Bach runter.“Super-8-Aufnahmen und beschauliche Spielszenen zuBeginn des Films zeugen von Alex’ glücklicher Kindheit.Diese Einführung dauert knapp zehn Minuten, dann ist derFilm im Jahr 1989 angekommen. Am 7. Oktober feiern dieMenschen den 40. Jahrestag der DDR – während verdienstvolleParteiangehörige ihre Prämien einstreichen,protestieren Bürgerrechtler auf der Straße. Filmisch wird dienächtliche Konfrontation mit der Polizei zunächst aus derTotalen distanziert von oben betrachtet, dann nähert sichdie Kamera auf gleicher Ebene den Polizisten und Demonstrantenin einer Halbtotale und zeigt Alex schließlich inGroßaufnahme. Die Kamera wechselt auf diese Weise vonder distanzierten Perspektive der Bildberichterstattung zursubjektiven von Alex.Als Alex später seine neue Arbeit im West-Betrieb antritt,verrät das ewige Händeschütteln zur Begrüßung die neuenOst-Kollegen, ein augenzwinkerndes – leider rares – Beispielder kleinen Verhaltensunterschiede zwischen Ost undWest. Die veränderte Geschwindigkeit der neuen Zeitverdeutlichen die Fahrten des Firmenwagens von Alex undDenis. Mit Blitzgeschwindigkeit (Bildbeschleunigung/Zeitraffer)schießen sie um die Ecken; schnelle Schnitte verdeutlichenzusätzlich das andere Zeitgefühl.SchlüsselszenenWenige Schlüsselszenen unterbrechen die klassischeErzählstruktur des Films. Eine davon ist der Abtransport derriesigen Lenin-Statue per Hubschrauber, die komplett imComputer entstanden ist. Alex’ Mutter steht auf der Straßeund nimmt wie im Traum von ihrem Idol Abschied. Im Vorbeiflug scheint ihr Lenin seinen Arm wie zum Gruß hinzustrecken.Um den Ausnahmecharakter dieser Szene zuunterstreichen, sind die Alltagsgeräusche nahezu ausgeblendet;Musik untermalt die Szene. Auch der WeltraumflugSigmund Jähns hat visionären Charakter. Diese dokumentarischenSzenen konfrontieren die gesellschaftspolitischeRealität mit Visionen, die gegen Ende den Rahmen desErzählkinos sprengen. Letzte Aufnahmen aus der altenHauptstadt der DDR beschwören sie noch einmal: Ober-GOOD BYE, LENIN! Filmheft 11


flächlich betrachtet mochte sich Berlin mit grauen monotonenStraßenzügen und verblichenem, schäbig wirkendenDesign präsentieren – die private Welt trug jedoch farbenfrohe,heitere und individuelle Züge. Nicht zufällig flackern nocheinmal Alex’ Kindheitserinnerungen an seine Mutter auf, dieaus jeder Situation das Beste machen konnte.Dokumentarisches im neuen KontextWolfgang Becker nutzt dokumentarisches Filmmaterial, umden Rahmen der erzählten Zeit von GOOD BYE, LENIN!möglichst authentisch wiederzugeben. Gleichzeitig setzt erdieses Material in neue Kontexte und fordert damit eineReflexion der Geschichte unter anderen Vorzeichen.Alex und Denis fälschen drei Mal Beiträge für die „AktuelleKamera“. Dabei kombinieren sie Archivmaterial mit selbstgedrehten Aufnahmen im Stil der DDR-Nachrichtensendungund versehen das von Denis zusammengeschnitteneMaterial mit Kommentaren im Originaljargon der „AktuellenKamera“. Denis moderiert die Sendung als neues Gesichtder „Aktuellen Kamera“: Maskiert mit Oberlippenbärtchen,Anzugjacke und Krawatte sitzt er in seinem improvisiertenStudio vor einer Wand mit aufgeklebtem Fotomaterial. PerVideo wird das neue Material punktgenau zur Ausstrahlungum 19.30 Uhr auf Frau Kerners Fernsehgerät übertragen.Der erste Beitrag beschäftigt sich mit den Vertragsverhandlungenzwischen Coca Cola und dem Getränkekombinatder DDR, der zweite erklärt das massive Aufkommen vonWest-Autos in Ostberlin durch Republikflüchtlinge aus demWesten und der dritte sorgt für ein würdiges Ende der DDRdurch die Abdankung Honeckers und die Ernennung SigmundJähns zu seinem Nachfolger.12 Filmheft GOOD BYE, LENIN!


FragenDie ersten zehn Filmminuten beschreiben die letzten Jahreder DDR. Beschreiben Sie Ihre ersten Eindrücke.Was haben Sie bislang von der DDR gehört bzw. wie habenSie die DDR selbst erlebt? Wie wurde Ihnen davon berichtet?Was war das für ein Land? Welche Ideologie war vorherrschend?Auf welchen Werten basierte sie? Wie stellen Siesich den damaligen Alltag vor?Was hat im Film mehr Gewicht, die private Welt der Kernersoder die Lebenswelt in Berlin, der Hauptstadt der DDR?Wie durchdringen sich die beiden Bereiche? Wie werdendie gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in derehemaligen DDR gezeigt?Mit welcher Stimmung betrachtet Alex seine Vergangenheit?Welche Rolle spielt dabei der Vater, welche Sigmund Jähn?Welche symbolische Bedeutung haben die Sternenträumefür Alex?Welche Rolle spielt die Mutter in Alex’ Leben? Wie wird siedargestellt? Ist Ihnen die Frau sympathisch? Welche dramaturgischeFunktion hat sie im Film?Was würden Sie als typisch „ostdeutsch“ bezeichnen?Welche Unterschiede fallen Ihnen zum westlichen Lebensstilauf? Differenziert der Film zwischen „Ost“ und „West“ bzw.sind die unterschiedlichen Haltungen wahrnehmbar?Der 7. Oktober 1989Welches Ereignis wird in dem Film gefeiert? Welche politischenEreignisse fanden an diesem Tag gleichzeitig statt?Welche Positionen werden gezeigt?Wie bereiten sich die Kerners auf diesen Feiertag vor? Wiewohnt die Familie inzwischen, was hat sich verändert?Welchen Eindruck vermittelt die Mutter? Welche Haltungnehmen ihre Kinder an?Wie wirkt das Verhalten von Alex auf der Demonstration?Wie wichtig ist ihm das Ganze?Welche Empfindungen haben Sie bei seiner Verhaftung?Welche Bedeutung hat diese Szene für die Dramaturgie desFilms?Zeit der deutschen Vereinigung, Zeit des Komasder MutterWas wissen Sie über die Zeit des Mauerfalls 1989 und derdeutschen Vereinigung?Charakterisiert der Film beide deutsche Wirklichkeiten? Wiewerden die Westdeutschen im Film gezeigt? Welche sozial-,alltags- und mentalitätsgeschichtlichen Aussagen fällt derFilm?Wie erlebt Alex die Vereinigung? Was ändert sich in seinemprivaten Umfeld, welche Veränderungen nimmt er wahr?Welche Bedeutung hat das Koma der Mutter für die Familie?Hat es auch symbolische Bedeutung?Die neue politische Realität löst Identitätskonflikte aus. Wiegehen die einzelnen Altergruppen und Personen damit um?Inwiefern verändern sie sich? Wer ist Ihnen sympathisch?Wie zeigt der Film die Zeit des Umbruchs? Bewertet er dieEreignisse? Beschreiben Sie die noch vorhandene Alltagskulturder DDR.Welche typischen „Ost“-Produkte entdecken Sie? SindIhnen einige davon bekannt? Wie würden Sie diese charakterisieren?Was passiert mit der DDR-Alltagskultur? Welche Dingeverschwinden zunächst und warum ist das so?Wie wird die Zeit nach dem Mauerfall filmsprachlich umgesetzt?GOOD BYE, LENIN! Filmheft 13


Die Zeit nach Mutters KomaWie reagiert die Familie auf die Rückkehr der Mutter insLeben? Wie würden Sie die Position der Schwester charakterisieren?Können Sie sich in Ariane hineinversetzen?Würden Sie ähnlich denken?Welche Funktion hat die Wohnung der Kerners für die Familieund die Nachbarn? Beschreiben Sie Stil und Charakter derWohnung. Wie und warum verändert sie sich im Laufe desFilms?Verändert sich Alex nach Mutters Erwachen? BeschreibenSie sein Verhalten. Finden Sie es glaubwürdig? Würden Sieähnlich handeln?Charakterisieren Sie die Mutter. Welche Veränderungengehen in ihr vor? Wie nimmt sie ihre Realität war? Wie erlebtsie bei ihrem kurzen „Spaziergang“ die ungefilterte Wirklichkeit?Wie korrespondieren die filmischen Mittel mit denEreignissen?Hat der Lebensmut der Mutter nach dem Infarkt gelitten?Welche Tragweite hat ihr Geständnis gegen Filmende fürihre Familie? Wären Sie eines ihrer Kinder, wie würden Siesich in diesem Moment fühlen? Inwiefern relativiert dasGeheimnis der Mutter Alex’ vorhergehende Aktionen?Die Identitätssuche von AlexWie sieht Alex seine Aufgabe als Bürger des alten und neuenDeutschland? Inwiefern verändern sich seine Positionen undsein Verhalten?Ziehen Sie eine Bilanz seines Verhaltens: Ist er ein „Wendehals“,zählt er zu den ewigen Meckerern? Wie erlebt erseine Identitätssuche? Was rangiert bei ihm an erster Stelle?Von welchen identitätsstiftenden Momenten berichtet derFilm? Welche konkreten Konflikte werden gezeigt?Glaubwürdigkeit der Medien und vermitteltesGeschichtsbildIst Alex’ Geschichtsfälschung nur für seine Mutter gedacht?Entdeckt er dabei auch für sich neue Wahrheiten? Wiebeurteilen Sie seine politischen und gesellschaftlichenVisionen? Finden Sie seine Erklärungen sehr abwegig? Wiebewerten Sie seine letzte Nachrichtensendung? Was hättenSie unter gleichen Voraussetzungen Ihrer Mutter erzählt?Wie geht der Film mit historischen Daten und Ereignissenum? Lässt sich Geschichte fälschen?Gab es Unterschiede zwischen Ost- und West-Nachrichten?Welche?Wie schätzen Sie den Wahrheitsgehalt von Nachrichtensendungenein? Welchen Medien vertrauen Sie und warum?SchlussbetrachtungWird der Prozesscharakter der Geschichte deutlich? Waswill der Film mit seinem Ende sagen?Was ist aus den Bürgerrechtlern geworden, die am 7. Oktobernoch für Reformen in der DDR eintraten? Wie bewertenSie nun die jüngste deutsch-deutsche Geschichte? Setztsich der Film mutig damit auseinander? Zeigt er das Zusammenwachsender Gesellschaft oder eher die Konflikte?Ist GOOD BYE, LENIN! ein Film wider das Vergessen? Werhat die besten Chancen, in der neuen Realität zurechtzukommenund warum? Welche Chancen räumen Sie Alexein?Gilt das Urteil noch heute: „Typisch Ost, typisch West“?Wie vollzieht sich die Gratwanderung des Films zwischenKomödie und Tragödie? Hat Sie der Film emotional berührt?14 Filmheft GOOD BYE, LENIN!


GOOD BYE, LENIN! Filmheft 15


MaterialienAlltag in der DDROstprodukte(Quelle: „Made in GDR“, Hausarbeit von Ralf Bresser, WS 2001/ 02,FB Design, FH Aachen)Die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu versorgen waroberste Priorität in der DDR. Solche Artikel waren zu günstigen– und einheitlichen Preisen (EVP) erhältlich. Darüberhinaus gehende Konsumgüter waren sehr teuer, Luxusartikelgar nur in speziellen Läden erhältlich: „Exquisit“ (Kleidung),„Delikat“ (Nahrung und Genussmittel) oder „Intershop“ (Westartikelfür ausländische Besucher).Anders als im Westen wurde frühzeitig eine ökonomischeund rechtliche Gleichstellung der Frau angestrebt. DieBerufstätigkeit der Frau war eher Regel als Ausnahme.Bereits Mitte der 1960er Jahre waren 70 % aller Frauenzwischen 16 und 60 Jahren berufstätig. Haushaltsgerätemussten also praktisch und zeitsparend sein. Entwickeltwurden Schnellkochtöpfe, kombinierte Staubsauger- undBohnergeräte, Schnellgerichte wie „Tempolinsen“ u. ä.Die Produkte aus „Plaste und Elaste“, Pressspanmöbel undKraftfahrzeuge wirken in ihrer Ästhetik eckig, ein wenigimprovisiert und häufig – auch aufgrund der blassen oder zugrellen Farben – schäbig. Verstärkt wird dieser Eindruckdurch meistens ironisch wirkende oder stark reduzierteMarkennamen, die schlicht auf den Inhalt oder die Funktionverweisen. Gemein ist diesen Artikeln, die im verwöhntenund übersättigten Westen eher Mitleid erweckten, dass siekaum geeignet waren, Wohlstand und Gediegenheit zusymbolisieren. Und so verschwanden die Produkte 1989zunächst ebenso wie der „Arbeiter- und Bauernstaat“, dersie hervorbrachte.Trabant –Trabi, auch Rennpappe genanntDer Trabant war das erschwinglichsteund häufigste Automobil derDDR. Nach Bestellung konnte es –je nach Region – 10 bis 15 Jahredauern, bis der Trabi ausgeliefertwurde. Er hat einen Zweitaktmotor,besteht aus Duroplast und bietet Fahrenden wenig Platzund Komfort. Seit Fertigungsbeginn des Fahrzeugs im Jahre1964 bis zum Produktionsstop verließen drei Millionen Fahrzeugedie Produktionsstätte des VEB Sachsenring, AutomobilwerkeZwickau. Am 30. April 1991 um 14.51 Uhr rolltenach 33 Jahren der letzte Trabant, ein Kombiwagen, vomMontageband.Wohnen im PlattenbauDie Wohnungsknappheit bis zum Ende der DDR war einesihrer zentralen Probleme. Im Bauwesen stand die Förderungdes sozialistischen Bewusstseins und entsprechender Lebensweiseim Vordergrund – das führte zur Standardisierungund Typisierung der Wohnungen im Plattenbau.Moderater gerieten die Bauten an der heutigen FrankfurterAllee, einst die „erste sozialistische Straße in Deutschland“.Damals hieß der imposante Berliner Boulevard östlich desAlexanderplatzes Stalinallee, dann Karl-Marx-Allee. Im Rahmendes Nationalen Aufbauprogramms der DDR entstanddie 90 Meter breite Allee zwischen 1952 bis 1960 auf einerLänge von 2,3 Kilometern. Heute zählt sie zu den bedeutendsteneuropäischen Architekturdenkmälern. Der stalinistisch-neoklassizistischeStil der sieben- bis neungeschossigenBebauung wird gerne „stalinistischer Zuckerbäckerstil“genannt. Hier eine Wohnung zu finden, galt – trotz kleinerFenster und niedriger Decken – einst als Privileg.16 Filmheft GOOD BYE, LENIN!


Junge PioniereDie Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ war d i e sozialistischeKinderorganisation der DDR: Eines ihrer Ziele war, dieErziehung politisch zu instrumentalisieren. So gab es fürKinder im Alter zwischen sechs und 14 Jahren seit 1948 dieKinderorganisation der „Jungen Pioniere“. Ihre Namensgebungwar mit dem von den Nationalsozialisten ermordetenKommunisten Ernst Thälmann verbunden. Ab 1957 gab esdie Unterscheidung zwischen „Jungpionieren“ (6-10 Jahre)– sie trugen ein blaues Halstuch – und „Thälmann-Pionieren“(10-14 Jahre), die ein rotes Halstuch trugen.Bruderländern“ wurde berichtet, wobei man heikle Themenwie die Erfolge der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc inPolen oder das Gorbatschow-Programm von Glasnost undPerestroika gerne vermied.Obwohl es Vater Staat nicht gerne gesehen hat, schaltetenviele DDR-Bürger die „Tagesschau“ oder „heute“ ein – umdie Glaubwürdigkeit der „Aktuellen Kamera“ (die Hauptsendungbegann immer um 19.30 Uhr) war es schlecht bestellt(geschätzte Einschaltquoten 10 bis 15 %). Im Herbst 1989bewiesen die staatlichen Rundfunksender der DDR nocheinmal ihre Linientreue: Sie verschwiegen die Protestbewegungenim Lande oder gaben sie verzerrt wieder. Die Demonstrationenim Land am 40. Geburtstag der Republikgeißelte man als „Störungen der Volksfeste“.DatscheDie Datsche ist das DDR-Pendant zur Laube in einer westdeutschenKleingartenanlage. Oft hatte sie auch das Formateines Wochenendhäuschens.95 Prozent aller Ostdeutschen waren einst Mitglied bei denPionieren. Ihr Bekenntnis zum Sozialismus wiederholten siefast täglich in der Formel des Pioniergrußes: Auf die Aufforderung„Für Frieden und Sozialismus – Seid bereit!“, hattendie Kinder zu antworten: „Immer bereit!“, wobei die rechteHand mit abgespreiztem Daumen kurz auf den Kopf zulegen war.„Aktuelle Kamera“ (AK), Nachrichtensendung der DDRPünktlich zu Stalins 73. Geburtstag wurde am 21. Dezember1952 in Berlin-Adlershof die „Aktuelle Kamera“ als ersteöffentliche Nachrichtensendung der DDR ausgestrahlt. Siewar auch die erste deutschsprachige TV-Nachrichtensendungüberhaupt, denn die ARD-Tagesschau ging erst einigeTage später auf Sendung. Die AK bestand in der Anfangszeitaus einigen Dias, zu denen Nachrichtentexte verlesenwurden. Der Schwerpunkt der Berichterstattung lag aufinnen- und wirtschaftspolitischen Themen; Staatsempfängeund Erfolgsmeldungen aus der Produktion füllten dasProgramm. Auch aus den so genannten „sozialistischenGOOD BYE, LENIN! Filmheft 17


Zeittafel:Eckdaten der deutschen VereinigungJuli 89:Tausende von DDR-Bürgern verlassen das Land überUngarn nach Österreich oder flüchten sich in die StändigeVertretung der Bundesrepublik Deutschland nach Ost-Berlin.Auch die bundesdeutschen Botschaften in Prag und Budapestwerden belagert.04.09.89:Zum vierten Mal demonstrieren in Leipzig nach dem Friedensgebetin der Nikolaikirche mehrere hundert Menschenfür „Reisefreiheit statt Massenflucht“.07.10.89:Die DDR feiert ihren 40. Jahrestag. Zu den Feierlichkeitensind hochrangige Staatsgäste aus der ganzen Welt eingeladen.Erich Honecker und Michail Gorbatschow treffen zueinem ausführlichen Meinungsaustausch zusammen, beidem Gorbatschow Honecker erklärt, der einzige Weg,Massenausreisen und Demonstrationen zu bewältigen,bestehe in einem deutschen Weg der Perestroika. Andiesem Abend kommt es in vielen Städten der DDR zugroßen Demonstrationen für Reformen. In Ost-Berlin findetdabei die größte Demonstration seit dem 17. Juni 1953statt. Die Sprüche lauten u. a.: „Wir bleiben hier!“ und„Gorbi, hilf uns!“18.10.89:Die Sensation: Das ZK der SED entbindet Erich Honecker„aus gesundheitlichen Gründen“ von seinem Amt alsGeneralsekretär der SED und wählt Egon Krenz zu seinemNachfolger. Daraufhin tritt Honecker auch von seinen Ämternals Vorsitzender des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsratessowie von seinem Sitz im Politbüro zurück.09.11.89:Eine neue Reiseregelung wird beschlossen; sie sieht einekurzfristige Visaerteilung ohne Voraussetzungen vor. Nocham selben Abend prüfen viele tausend Menschen die Richtigkeitdieser Aussage und reisen, begrüßt von zigtausendWest-Berlinern, teilweise nur für Stunden nach West-Berlin.Aufgrund des gewaltigen Massenandrangs verlieren dieGrenzkräfte der NVA schnell den Überblick. Am BrandenburgerTor klettern Tausende von Menschen auf die Mauerund feiern deren Fall. In den folgenden Stunden und Tagenwird immer öfter und immer heftiger auf der Mauer gefeiert,bald schon werden Teile aus ihr herausgemeißelt. Die Zeitder „Mauerspechte“ bricht an.10.11.89:In West-Berlin sprechen Willy Brandt und Helmut Kohl aufeiner Kundgebung vor dem Schöneberger Rathaus. Brandt:„Wir sind jetzt in der Situation, wo zusammenwächst, waszusammengehört.“ Das DDR-Innenministerium bestätigt imFernsehen, die neue Reiseregelung sei dauerhaft, bald würdenneue Grenzübergänge geschaffen. Noch am selbenAbend können Besucher die Glienicker Brücke passieren,die früher dem Austausch von Gefangenen diente. In derNacht zum 11. November brechen DDR-Grenzer ein Lochin die Mauer an der Bernauer Straße.13.11.89:Alle Sperrgebiete an der Mauer und der Grenze sind mitsofortiger Wirkung aufgehoben, es besteht freier Zugang zuallen Ortschaften.18.03.90:Volkskammerwahlen. Die ersten freien, demokratischenWahlen in der DDR. Insgesamt 24 Parteien und politischeGruppierungen treten an. Die Wahlbeteiligung ist extremhoch und liegt bei 93,39 Prozent.01.07.90:Der Staatsvertrag über die Wirtschafts-, Währungs- undSozialunion tritt in Kraft. Die Mark der DDR verliert ihre Gültigkeit.DDR-Kleingeld wird von den Banken noch längereZeit angenommen und über die noch existierende Staatsbankder DDR gewechselt. Die Umstellung des Geldesfindet ausschließlich über Konten statt. Alle auf Mark derDDR lautenden Forderungen und Verbindlichkeiten werdenzum Kurs 1:2 umgestellt.18 Filmheft GOOD BYE, LENIN!


22.07.90:Die Volkskammer führt die 1952 abgeschafften Länder(Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen,Sachsen-Anhalt und Thüringen) wieder ein. Diese werdennach der offiziellen Vereinigung am 3. Oktober die „FünfNeuen Bundesländer“.22.08.90:Die Volkskammer berät über den endgültigen Beitrittsterminzur Bundesrepublik Deutschland. Als Kompromissvorschlagerhält der 3. Oktober die Mehrheit.31.08.90:Im Palais unter den Linden in Ost-Berlin wird der „Vertragüber die Herstellung der Einheit Deutschlands“ (Einigungsvertrag)unterzeichnet. Die DDR wird als „Beitrittsgebiet“bezeichnet.03.10.90:Um 0.00 Uhr ist die DDR mit der Bundesrepublik Deutschlandwiedervereinigt. Die offizielle Staatszeremonie findet inBerlin vor dem Reichstag statt.(Quelle: www.ddr-im-www.de)GOOD BYE, LENIN! Filmheft 19


Porträt: LeninLENIN (eigentlich: Vladímir Iljítsch Uljánov, geb. am 22. April1870, gest. am 21. Januar 1924), sowjetischer Revolutionär,Politiker, marxistischer Theoretiker, Gründer der Sowjetunion.Erschüttert von der Hinrichtung seines älteren BrudersAlexander 1887 wegen eines geplanten Attentats auf denZaren, schließt sich Lenin der revolutionären Bewegung an.Er studiert Jura, zieht nach St. Petersburg und sucht Kontaktzu führenden Sozialdemokraten und Revolutionären.Nach der Gründung des „Kampfbund zur Befreiung derArbeiterklasse“ 1895 wird er wegen politischer Agitationverhaftet und landet nach zweijährigem Gefängnisaufenthaltfür weitere drei Jahre in sibirischer Verbannung. Dort schreibtLenin sein erstes größeres Werk „Die Entwicklung desKapitalismus in Russland“. 1899 tritt er der RussischenSozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAPR) bei, die erneu organisieren will.1900 geht Lenin für fünf Jahre ins Exil nach Westeuropaund benutzt von nun an den Decknamen Lenin. In seinemWerk „Was tun?“ propagiert Lenin die klare Trennung zwischenPartei und Arbeiterklasse: Einer disziplinierten undstraff organisierten Kaderpartei komme als Avantgarde derArbeiterklasse die Aufgabe zu, die sozialistische Gesellschaft,die Diktatur des Proletariats zu errichten. DiesesKonzept wird 1903 die SDAPR spalten – Lenin wird zumFührer der politischen Avantgarde, organisiert den Aufbauder „Partei neuen Typs“ und gründet 1912 die Parteizeitung„Pravda“ (Wahrheit).Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges hält sich Lenin in derSchweiz auf, nach der russischen Februarrevolution 1917kehrt er in seine Heimat zurück. Als im Juli ein Revolutionsversuchmissglückt, wird Lenin aus seinem Exil in Finnlandweiterhin den bewaffneten Aufstand propagieren. Am 25.Oktober 1917 (der gregorianische Kalender nennt hier den7. November) siegt die Revolution. Lenin wird Regierungschefund schafft mit teilweise gewaltsamen Mitteln und„revolutionärer Härte“ ein diktatorisches Regime nach demIdeal der „Diktatur des Proletariats“.Nach zwei Schlaganfällen zieht sich Lenin 1923 aus deraktiven Politik zurück. Am 21. Januar 1924 stirbt er in Gorkibei Moskau. Auf seiner Trauerfeier präsentiert sich Stalinerstmals öffentlich als neuer Führer der Partei.20 Filmheft GOOD BYE, LENIN!


Porträt: Sigmund Jähn„Fliegerkosmonaut der DDR“, der erste Deutsche im AllSigmund Jähn (geb. am 13. Februar 1937 im VogtländischenMorgenröthe-Rautenkranz) entschließt sich nach einerLehre als Buchdrucker 1955 für eine Militärlaufbahn bei derNationalen Volksarmee (NVA). Jähn studiert an der zentralenOffiziershochschule für Luftstreitkräfte „Franz Mehring“ undwird später einer der ersten Düsenpiloten der NVA-Luftwaffe.Bis 1966 ist Jähn Flugzeugführer bei den Luftstreitkräftender UdSSR und beginnt dort ein vierjähriges Studium an derMilitärakademie. Seine Ausbildung zum Astronauten meistertJähn von 1976 bis 1978 im sowjetischen Kosmonautenzentrum„Juri Gagarin“. Am 26. August 1978 ist essoweit: Sigmund Jähn fliegt mit dem russischen KommandantenWaleri Bykowski in der Sojus 31 zur russischenRaumstation Salyut 6. Er ist der erste Deutsche im All. Nacheinwöchigem Aufenthalt in der sowjetischen Raumstationlandet die Besatzung wohlbehalten am 3. September in derkasachischen Steppe. In der Zwischenzeit ist Jähn zumMedienstar avanciert. Stolz wird ihm der neu geschaffeneEhrentitel „Fliegerkosmonaut der DDR“ überreicht, dieMedien stilisieren ihn euphorisch zum Volkshelden.Sigmund Jähn promoviert 1983 in Potsdam auf dem Gebietder Fernerkundung der Erde. Nach 1990 arbeitet derPhysiker im russischen Ausbildungszentrum für Kosmonautenals freier Berater, seit 1993 ist er auch für die ESA(European Space Agency) tätig.Zur Mission der Sojus 31In den 1970er Jahren ist die DDR am Interkosmos-Programm der sozialistischen Länder beteiligt. Die inJena entwickelte Multispektralkamera MKF 6 giltseinerzeit als bestes „Weltraum-Auge“. Mehr alshundert Geräte in den sowjetischen Raumschiffen,150 Apparate in den Kontrollzentren am Boden sowieTechnik für Satelliten und Wetterraketen waren „Madein GDR“.Bei ihrer Arbeit in der Weltraumstation Salyut 6 absolviertenBykowski und Jähn gemeinsam mit der damaligenSalyut-Stammbesatzung ein Programm mit mehrals 20 Experimenten. Dabei ging es unter anderem umdie Produktion neuer Werkstoffe bei Schwerelosigkeit.Auch über den Alltag an Bord und seinen Blick auf dieErde informierte Jähn seine Landsleute. Seine schönsteAussage über den Flug in den Orbit lautet: „Schon vormeinem Flug war mir bewusst, wie klein und verletzbarunser Planet ist. Aber erst als ich ihn vom Weltraum aussah, in all seiner unglaublichen Schönheit und Zartheit,erkannte ich: Die dringendste Aufgabe der Menschheitbesteht darin, für die Erde liebevoll zu sorgen und siekünftigen Generationen zu bewahren.“GOOD BYE, LENIN! Filmheft 21


LiteraturhinweiseBundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Aus Politik undZeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das ParlamentNr. 17/2002 (zur Alltagskultur Ostdeutschlands).Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Aus Politik undZeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung Das ParlamentNr. 17/2002 (zur Deutschen Einheit und zum Wertewandel).Rainer Geißler: Die Sozialstruktur Deutschlands. Diegesellschaftliche Entwicklung vor und nach der Vereinigung.Mit einem Beitrag von Thomas Meyer. Schriftenreihe derBundeszentrale für politische Bildung, Bd. 384, Bonn 2002Hermann Glaser: Die Mauer fiel, die Mauer steht. Ein deutschesLesebuch 1989-1999. dtv München 1999Matthias Judt (Hg.): DDR-Geschichten in Dokumenten.Beschlüsse, Berichte, interne Materialien und Alltagszeugnisse.Herausgegeben von der Bundeszentrale für politischeBildung, Bd. 350, Bonn 1998Wolfgang R. Langenbucher, Ralf Rytlewski und BerndWeyergraf (Hg.): Kulturpolitisches Wörterbuch, BRD/DDR.J.B. Metzler Verlag, Stuttgart 1983Helmut M. Müller u. a.: Schlaglichter der deutschen Geschichte.Herausgegeben von der Bundeszentrale fürpolitische Bildung, Bonn 2002Alexander von Plato: Die Vereinigung Deutschlands – Einweltpolitisches Machtspiel. Schriftenreihe der Bundeszentralefür politische Bildung, Bd. 381, Bonn 2002Werner Weidenfeld, Karl-Rudolf Korte (Hg.): Handbuch zurdeutschen Einheit; Schriftenreihe (Bd. 363), Bundeszentralefür politische Bildung. Bonn 1999Stefan Wolle: Die heile Welt der Diktatur – Alltag und Herrschaftin der DDR 1971-1989.Ch. Links Verlag, Berlin 1998(gebunden), Econ TB Verlag, München 1999 (Taschenbuch)CD-ROM:Enzyklopädie der DDR, direct media, Berlin 2000Internet:www.79qmddr.deWebsite zum Filmwww.kinofenster.de„Kinofenster“-Ausgabe 2/03 zum Filmwww.bpb.de/themen/452AA4,0,0,Die_Deutsche_Einheit.htmlDie Deutsche Einheit: Themenschwerpunkt der Bundeszentralefür politische Bildungwww.ddr-im-www.dePrivate Website: „Fakten, Daten, Berichte“ zur DDRwww.ddr-alltagskultur.comPrivates „virtuelles Museum“ einer Sammlung von Konsumgüternund Alltagsgegenständen aus 40 Jahren DDRwww.andreawitte.de/ddr/Private Online-Galerie: DDR-Gebrauchsanweisungen undandere Druckerzeugnissewww.ddr-tv.de.vuFernsehen der DDR: zumeist unkommentierte Dokumentationvon Sendeinhalten auf einer privaten Websitewww.strausberg.de/jaehn/„Sigmund Jähn – Der erste Deutsche im Weltall“, privateWebsitehttp://mitglied.lycos.de/ysop2/„Alltag in der DDR – Das letzte Jahrzehnt“, private Website22 Filmheft GOOD BYE, LENIN!


SeminarWas ist ein Kinoseminar?Ein Kinoseminar kann Möglichkeiten eröffnen, Filme zu verstehen.Es liefert außerdem die Chance zu fächerübergreifendemUnterricht für Schüler schon ab der Grundschuleebenso wie für Gespräche und Auseinandersetzungen imaußerschulischen Bereich. Das Medium Film und dieFächer Deutsch, Gemeinschafts- und Sachkunde, Ethikund Religion können je nach Thema und Film kombiniertund verknüpft werden.Umfassende Information und die Einbeziehung der jungenLeute durch Diskussionen machen das Kino zu einemlebendigen Lernort. Die begleitenden Filmhefte sindGrundlage für die Vor- und Nachbereitung.Filme spiegeln die Gesellschaft und die Zeit wider, in dersie entstanden sind. Basis und Ausgangspunkt für einKinoseminar sind aktuelle oder themenbezogene Filme,z. B. zu den Themen Natur, Gewalt, Drogen oderRechtsextremismus.Das Kino eignet sich als positiv besetzter Ort besonderszur medienpädagogischen Arbeit. Diese Arbeit hat innerhalbeines Kinoseminars zwei Schwerpunkte.1. FilmspracheEs besteht ein großer Nachholbedarf für junge Menschen imBereich des Mediums Film. Filme sind schon für Kinder einfaszinierendes Mittel zur Unterhaltung und Lernorganisation.Es besteht aber ein enormes Defizit hinsichtlich des Wissens,mit dem man Filme beurteilen kann.Was unterscheidet einen guten von einem schlechten Film?Welche formale Sprache verwendet der Film?Wie ist die Bildqualität zu beurteilen?Welche Inhalte werden über die Bildersprache transportiert?2. Film als Fenster zur WeltÜber Filme werden viele Inhalte vermittelt:soziale Probleme einer multikulturellen Gesellschaft,zwischenmenschliche Beziehungs- und Verhaltensmuster,Geschlechterrollen, der Stellenwert von Familie undPeergroup, Identitätsmuster, Liebe, Glück und Unglück,Lebensziele, Traumklischees usw.Die in einem Kinoseminar offerierte Diskussion bietetKindern und Jugendlichen die Möglichkeit, gesellschaftlicheProblembereiche und die im Film angebotenen Lösungsmöglichkeitenzu erkennen und zu hinterfragen. Sie können sichalso bewusst zu den Inhalten, die die Filme vermitteln, inBeziehung setzen und ihren kritischen Verstand in Bezugauf Filmsprache und Filminhalt schärfen.Das ist eine wichtige Lernchance, wenn man bedenkt, dassFilme immer stärker unsere soziale Realität beeinflussen undunsere Lebenswelt prägen.


Filmhefte onlinebestellen undherunterladen:www.bpb.dewww.fluter.de/filmwww.kinofenster.deeine Online-Publikation für alle, die an Film interessiert sind:für Fachleute aus dem Film- und Bildungsbereichfür Pädagoginnen und Pädagogen, Schülerinnen und Schülerfür alle jungen Leute, die gern ins Kino gehenwww.kinofenster.destellt aktuelle Kinofilme zu wichtigen Themen mit Hintergrund vorberücksichtigt alle diskussionswerten Kinostarts des Monatspräsentiert News aus dem Kino-, Film- und Medienbereichermöglicht im Serviceteil Zugriff auf Archiv- und Linksammlungwww.kinofenster.deist eine Website der Bundeszentrale für politische Bildung

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!