SchwerpunktJesuit sein heute –was bedeutet das für mich?<strong>Jesuiten</strong> n November <strong>2014</strong> n Jesuit sein heute? Gerade heute!2Jesuit sein heißt für mich, meine Berufunggefunden zu haben und sie leben zu können.Dahinter steht eine Überzeugung,die für mich wesentlich zum Jesuit seingehört: Da gibt es einen, der ruft. Wennzwei Menschen heiraten, haben sie erfahren,dass die Liebe des anderen innerlichKräfte freisetzt. Die Gründe für einen Ordenseintrittsind vergleichbar. In Exerzitienkonnte ich vor über zehn Jahren eineErfahrung machen, an deren Wirklichkeitich nicht zweifelte. Ich verstand tief inmeinem Herzen: „Clemens, es ist gut, dassDu bist und wie Du bist.“ Das schenktemir Vertrauen und machte mich lebendig.Diese Worte kann man sich nicht selbstsagen. Ich war überzeugt, hier habe ich esmit Gott zu tun bekommen. Davon wollteich mehr. Ich wollte keine ausgemergelteund bleiche Heiligenfigur werden, sondernmit Haut und Haar meinen Glaubenan diese konkrete Person Jesus Christusleben. Den Platz dazu habe ich im Ordengefunden. Durch den geistlichen Weg istmein Vertrauen in Gott gewachsen. Wiein jeder Beziehung gibt es auch lustloseund anstrengende Phasen. Aber mit diesemJesus wird es auch nach Jahren nichtlangweilig. Gott ist lebendig. Ohne Ihnwäre mein ganzes Leben als Ordensmannsinnlos.Für mich erschöpft sich Ordensleben abernicht in meiner spirituellen Suche. Liebewird dort vollkommen, wo ich mich selbstgeben kann. Für mich ist das der Dienst,unsere Sendung. Ignatius war es wichtig,für Menschen auf unterschiedliche Weiseeinen Rahmen zu schaffen, damit sie Gottbegegnen können. Die Aufgabe als Priesterist es, solche Begegnungsräume zu öffnen.Für mich sind besonders wichtig dieEucharistiefeier, die Beichte, die Einzelgesprächeund die Exerzitien. Nach Monatenerzählen mir manche: „Da oder dortwurde es mir warm ums Herz, löste sichetwas, da konnte ich mich selbst mehr annehmen.“Dann weiß ich, Gott hatte seineFinger im Spiel, denn so was kann mannicht machen.Hier lauert aber auch eine große Versuchung.Ich benehme mich manchmal wieein Arzt bei einer Reanimation. Ich pumpebis zur Erschöpfung Worte und Aktionenauf den scheinbaren Glaubenstotenein. Aber es hilft nichts. Ich muss mirmeine Selbstüberschätzung eingestehen.Nicht ich belebe, sondern der Geist Gottesschafft lebendigen Glauben in Menschen.So ein Mitarbeiter Gottes sein zu dürfen,lässt mich fast jeden Abend dankbar aufeinen sinnvollen Tag zurückblicken.Als Jesuit muss ich nicht den Menschenetwas bringen, sondern darf mit ihnenunterwegs sein: momentan vor allem mitvielen jungen Leuten. Natürlich muss ichRede und Antwort für die Lehre der Kirchestehen. Aber es ist mehr ein Mitein-
© SJ-Bild/BubulyteClemens Blattert SJ (re. oben) mit einer Studentengruppe aus Leipzig auf den Stufen zumFelsendom, Jerusalemander, und dabei wird mir viel geschenkt,vor allem großes Vertrauen. Von mirwerden kaum große Ratschläge erwartet,sondern einfach, dass ich da bin, Zeit habeund interessiert zuhöre. Durch die vielenFragen zu Gott und Kirche, gerade in einemwenig christlich geprägten Umfeld,berühren die Leute auch meine Unsicherheit.Manchmal weiß ich selbst keine Antwort.Habe ich dann als „Kirchenexperte“versagt? So verstehe ich mich nicht. Wennich als Suchender mit anderen unterwegsbin, dann geht es darum, weiter zu suchen,nicht so zu tun, als wüsste ich auf alleseine Antwort. Eigentlich geht es schlichtdarum: zu glauben. Auch mich fordertder Glaube heraus. Das ist für mich eineChance, mich wieder neu vertrauend aufGott einzulassen. Dafür will ich Zeugesein. Ab und zu denke ich, dass in denfünf Jahren im säkular geprägten Leipzigmein Glaube besonders stark gewachsenist.“ Ich habe gelernt, ich muss nichtperfekt sein, darf als Sünder mich in dieNachfolge gerufen wissen und andere zuihr einladen. Das ist ein Dienst, der anderenMenschen Hoffnung macht, dass auchsie vor Gott ihre Daseinsberechtigung haben.Das ist nicht immer ganz leicht, aberauf Dauer sehr erfüllend. Ignatius hat sichals Pilger bezeichnet. Mir gefällt das Bild:Ich bin mit anderen unterwegs, und alsJesuit habe ich einen richtig schönen Pilgerweggefunden!Clemens Blattert SJ 3<strong>Jesuiten</strong> n November <strong>2014</strong> n Jesuit sein heute? Gerade heute!