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Einige Anmerkungen zur Spenderliste Die Schule in Platkowniza

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<strong>E<strong>in</strong>ige</strong> <strong>Anmerkungen</strong> <strong>zur</strong> <strong>Spenderliste</strong><br />

~ Nr. 4 = Gustav Amdt, Landwirt aus Sojkowek, Vater me<strong>in</strong>er Großtante Johanna Ratke geb.<br />

Amdt (1906-1993), verheiratet mit Kathar<strong>in</strong>a Ratke<br />

Nr. 89 = Friedrich Theise war Landwirt <strong>in</strong> Sojkowek.<br />

Gustav Tonn war der Lehrer <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong>.<br />

63<br />

~ Nr. 5 = Julius Amdt, Landwirt aus Sojkowek, der Bruder des Gustav Amdt, umgekommen <strong>in</strong><br />

der Verbannung <strong>in</strong> Rußland<br />

~ Nr. 6 = Eva Appel, Mutter des "Totengräbers" Appel <strong>in</strong> Sojkowek. <strong>Die</strong> Familie Appeliebte<br />

direkt am Friedhof. Es gibt die Anekdote, daß der Sohn Appel se<strong>in</strong>e Mutter, e<strong>in</strong>e sehr arme<br />

Frau, so auf dem Friedhof begraben hat, daß jeder an ihrem Grab vorbeigehen mußte. Er<br />

wollte damit sagen: Im Leben galt sie als Bettler<strong>in</strong> nichts, im Tode mußten ihr alle Respekt<br />

zollen und um sie herumgehen.<br />

~ Nr. 17 = Johann Erichson (1837-1918), me<strong>in</strong> Ururgroßvater<br />

~ Nr. 19 = Peter Heise, e<strong>in</strong> wohlhabender Landwirt <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong> <strong>in</strong> der sogenannten "Schönen<br />

L<strong>in</strong>ie", der über 90jährig <strong>in</strong> den 30er Jahren dieses Jahrhunderts verstarb.<br />

~ Nr. 45 = Johann Jabs, dessen Witwe Eva später im Ausbau Obrockie wohnte. Wahrsche<strong>in</strong>lich<br />

nicht me<strong>in</strong> Urgroßvater Johann Jabs, der <strong>zur</strong> Geme<strong>in</strong>de Sadoles gehörte.<br />

~ Nr. 46 = He<strong>in</strong>rich Jabs, war der Schmied <strong>in</strong> Sojkowek, e<strong>in</strong> Bruder me<strong>in</strong>es Ururgroßvaters.<br />

~ Nr. 65 = Mart<strong>in</strong> Ratke, nicht me<strong>in</strong> Urgroßvater. <strong>Die</strong>sef Name war nicht selten <strong>in</strong> der Kolonie.<br />

~ Nr. 68 = Julius Ratke könnte der Nachkomme me<strong>in</strong>es Urururgroßvaters Peter Ratke se<strong>in</strong>, der<br />

dessen Hof bewirtschaftete. Julius Ratke war mit e<strong>in</strong>er Kiesel verheiratet und starb im Lager<br />

nach 1945.<br />

~<br />

~<br />

~ Ferd<strong>in</strong>and Czarnowski war Bauer <strong>in</strong> Sojkowek/Ociete am Friedhof <strong>in</strong> Sojkowek. Das Grundstück<br />

gehörte - so me<strong>in</strong>e ich - noch zu Ociete.<br />

<strong>Die</strong> anderen erwähnten Personen konnte ich nicht zweifelsfrei zuordnen, da viele Namen häufiger<br />

vorgekommen s<strong>in</strong>d. So s<strong>in</strong>d mir alle<strong>in</strong> z. B. drei Mart<strong>in</strong> Ratke's bekannt, die um die gleiche Zeit<br />

gelebt haben.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Schule</strong> <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong><br />

<strong>Platkowniza</strong> hatte e<strong>in</strong>e <strong>Schule</strong>, wie es bei den Kolonisten üblich war. Schreiben sah man nicht<br />

als notwendig an, wichtig war das Lesen, damit die Menschen, wie vom Reformator Mart<strong>in</strong> Luther<br />

gefordert, durch Studium der Bibel und des Gesangbuches als bewußte Protestanten bestehen<br />

konnten.<br />

Re<strong>in</strong>hold Wolf schreibt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Bericht über die Kolonie: "<strong>Die</strong> Dörfer <strong>Platkowniza</strong>, Sadoles<br />

und Ociete erhielten jeweils e<strong>in</strong>e <strong>Schule</strong>. In den <strong>Schule</strong>n war e<strong>in</strong> Raum für den Gottesdient, die sogenannte<br />

"Sonntagsschule". Nach dem 1. Weltkrieg wurde die <strong>Schule</strong> <strong>in</strong> Ociete geschlossen, und<br />

die K<strong>in</strong>der mußte wie die K<strong>in</strong>der aus Sojkowek nach Sadoles <strong>zur</strong> <strong>Schule</strong> gehen, wenn sie nicht die<br />

polnische <strong>Schule</strong> <strong>in</strong> Sadowne besuchen wollten."<br />

<strong>Die</strong> <strong>Schule</strong> <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong> war wie die Bauernhäuser aus 5 Zoll starken Bohlen gebaut und<br />

hatte auch e<strong>in</strong> Strohdach. Allerd<strong>in</strong>gs waren die Wände e<strong>in</strong> Stück höher und nicht von außen mit<br />

Brettern verschalt sondern weiß gehalten. Zur <strong>Schule</strong> <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong> gehörten sechs Morgen Land,<br />

das waren ca. drei Hektar, die wohl zum Lebensunterhalt des Lehrers gedacht waren. Der Acker<br />

war leichter Boden, und die Wiese war mehr e<strong>in</strong> Sumpf, so daß der Lehrer wohl mehr schlecht als<br />

recht davon leben konnte.<br />

Der Dorflehrer pflegte auch immer als Kantor zu amtieren. Er vertrat den Pastor im Gottesdienst<br />

und bei Amtshandlungen. E<strong>in</strong>en eigenen Pastor konnte sich die evangelische Kirche <strong>in</strong> der<br />

Kolonie nicht leisten, deshalb kamen mehrmals im Jahr Pastoren aus Nachbargeme<strong>in</strong>den <strong>zur</strong> geistigen<br />

Betreuung der Kolonisten.<br />

Der letzte Kantor <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong> war Gustav Tonn, der 1943 <strong>in</strong> Warschau verstarb. Als Lehrer<br />

war e<strong>in</strong> Herr <strong>Die</strong>ßner tätig, verheiratet mit e<strong>in</strong>er Wies<strong>in</strong>ger aus Sadoles. Er war e<strong>in</strong> "Zugewanderter"<br />

und deshalb gern Gespött der Leute. <strong>Die</strong>ser Lehrer hatte die Angewohnheit, nach fast jedem<br />


64<br />

Satz die Worte: "Kolossal! Kolossal!" zu gebrauchen. Von der DorfJugend wurde das zum Anlaß<br />

genommen, Spottverse zu dichten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Vielzahl, die stets mit: "Kolossal! Kolossal!" endeten." ­<br />

<strong>Die</strong> <strong>Die</strong>ßners s<strong>in</strong>d nach dem II. Weltkrieg nach Kanada ausgewandert.<br />

Bis 1877 bildete <strong>Platkowniza</strong> mit den deutschen Dörfern e<strong>in</strong>en eigenen Amtsbezirk mit e<strong>in</strong>em<br />

Woit (Vogt). Erst dann wurde diese Geme<strong>in</strong>de mit Sadowne zusammengeschlossen und Sadowne<br />

alle<strong>in</strong>iger Verwaltungs sitz. Das Geme<strong>in</strong>deamtsgebäude <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong> wurde abgerissen und <strong>in</strong><br />

Sadowne wieder aufgebaut.<br />

Viele me<strong>in</strong>er Vorfahren haben <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong> gelebt, s<strong>in</strong>d dort geboren worden, s<strong>in</strong>d dort aufgewachsen<br />

und wurden dort auf dem Friedhof begraben.<br />

<strong>Die</strong> E<strong>in</strong>wohnerliste von <strong>Platkowniza</strong> hat der <strong>in</strong>zwischen verstorbene Adolf Betker aufgestellt.<br />

<strong>Die</strong> Karte des Ortes stammt von Jakob Müller jun., Sohn des bereits schon erwähnten Jakob Müller,<br />

der Kassierer beim Kirchenbau <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong> war.<br />

<strong>Die</strong> E<strong>in</strong>wohnerliste von <strong>Platkowniza</strong><br />

<strong>Die</strong> E<strong>in</strong>wohnerliste beg<strong>in</strong>nt im südlichen Teil des Dorfes, <strong>in</strong> der sogenannten "Schönen L<strong>in</strong>ie".<br />

1. Wilhelm Neumann, verheiratet mit Anna, 2 K<strong>in</strong>der<br />

2. Wilhelm Ratke, verheiratet mit Hulda, 1 Tochter<br />

3. Gottlieb Gurske, gebürtig aus Obrockie, Sohn des Ludwig Gurke, verheiratet mit Eva Rienas<br />

4. Re<strong>in</strong>hold Heise, 1898 - 1990, verheiratet mit Emma Erismann, 2 K<strong>in</strong>der Der bereits schon zitierte<br />

Heise war Vorsteher der Baptisten <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong>, se<strong>in</strong>e nach dem 2. Weltkrieg verstorbene Ehefrau<br />

die Kus<strong>in</strong>e me<strong>in</strong>er Großmutter.<br />

5. Samuel Müller, verheiratet mit Hulda, 8 K<strong>in</strong>der<br />

6. Christian Hartmann, verh. mit Wilhelm<strong>in</strong>e, 2 K<strong>in</strong>der<br />

7. Jakob Heise, verheiratet mit Lilli, 1 K<strong>in</strong>d<br />

8. Rudolf Hennig, verheiratet<br />

9. Gustav Heise, verh. mit Paul<strong>in</strong>e, 3 K<strong>in</strong>der<br />

10. Friedrich Heise, verh. mit Christ<strong>in</strong>e, 8 K<strong>in</strong>der<br />

11.Robert Ritz, gestorben 1945 <strong>in</strong> Rendsburg an e<strong>in</strong>er Kriegserletzung. Vetter me<strong>in</strong>es Großvaters<br />

Adolf Ratke. verh. mit Emilie, 4 K<strong>in</strong>der. <strong>Die</strong> Witwe ist nach Kanada ausgewandert.<br />

12. Gustav Restau (1895-1991) , verh. mit Eva Ritz (1896-1989), 1 Sohn Emil. Eva ist die Kus<strong>in</strong>e<br />

me<strong>in</strong>es Großvaters.<br />

13.Adolf Betker, verh. mit Emilie Jabs, 6 K<strong>in</strong>der<br />

14.Eduard Beier, verh. mit Emma Barabas, verwitwete Müller, Witwe des Jakob Müller sen., Kassierer<br />

beim Kirchenbau <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong>. Beier fiel im H. Weltkrieg. <strong>Die</strong> Witwe starb <strong>in</strong> der Nähe von<br />

Helmstedt Ende der 50er Jahre.<br />

15.Jakob Witzke<br />

16.Samuel Rienas, verh. mit Alw<strong>in</strong>e Semke, e<strong>in</strong>ige K<strong>in</strong>der<br />

17. Edmund Werner, verh. mit Adela Degner, 4 K<strong>in</strong>der<br />

18.Wilhelm Werner, verh. mit Anna Ratke, K<strong>in</strong>der<br />

19. Gottlieb Betker, verh. mit Elisabeth J abs, beide <strong>in</strong> Polen ermordet<br />

20. Karl Jabs, verh. mit Blond<strong>in</strong>e Ratke, e<strong>in</strong>ige Zeit Bürgermeister <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong><br />

21. Michael Neumann, verh. mit Rosalie Patzer, K<strong>in</strong>der<br />

22. Eva Barabas, geb. Neumann<br />

23.Knuth<br />

24. Frau Buse, <strong>in</strong> erster Ehe mit e<strong>in</strong>em Krüger verheiratet, ungefähr 5 K<strong>in</strong>der. Buse ist aus Paprutsch.<br />

25. Edmund Kiesel, verh. mit Martha Barabas, 2 Söhne<br />

26. Amalie Neumann, geb. Heise, 2 Söhne<br />

27. Kurtz.


28. Edmund Matt, verh. mit Blond<strong>in</strong>e, 2 K<strong>in</strong>der<br />

29.Jakob Matt, verh. mit Hulda Beier, K<strong>in</strong>der<br />

30.Jakob Beier, verh. mit Amalie Matt, 6 K<strong>in</strong>der<br />

31. Waldemar Ratke, ...,2 K<strong>in</strong>der<br />

32. KarlJabs, verh. mit Hulda Barabas, 2 K<strong>in</strong>der<br />

33. Friedrich Mandau, verh ... Schulz, 5 K<strong>in</strong>der<br />

65<br />

34. Ludwig Schulz, verh. mitWanda Barabas, 2 K<strong>in</strong>der<br />

35. Kar! Wemer, verh. mit Julianna Schulz<br />

36. Hermann Freiheit, verh. mit Natalie Jabs, 10 K<strong>in</strong>der<br />

37.Samuel Ratke, verh. Juliane Witzke, 4 K<strong>in</strong>der. Sohn des "Butter"-Ratke, Butterhändler<br />

38.Julius Spitzmacher, verh. mit Anna Weiß<br />

39.Wilhelm Schulz, verh. mit Gertrud Kiesel, 3 K<strong>in</strong>der<br />

40. Wilhelm Timm, verh. Juliane Kopp, 6 K<strong>in</strong>der<br />

41. Samuel Ratke, 2 Töchter<br />

42.Jakob Beier, verh. mit ... Ratke<br />

43. He<strong>in</strong>rich Beier, verh. mit Emilie Malitzki, K<strong>in</strong>der<br />

44. Adolf Beier, verh. mit Emma Rose, K<strong>in</strong>der<br />

45. Friedrich Beier, verh. mit Johanna Wiese, 4 K<strong>in</strong>der<br />

46. Robert Malitzki, verh. mit Wiese, 4 K<strong>in</strong>der<br />

47. Wilhelm Hennig, verh. mit L<strong>in</strong>ke, 5 K<strong>in</strong>der<br />

48.August Bleich, verh. mit Amalie Heise, 5 K<strong>in</strong>der<br />

49.Jakob Rüdiger, verh., 3 K<strong>in</strong>der<br />

50. Karol<strong>in</strong>e H<strong>in</strong>tz, geb. Restau, Witwe, 1 Sohn<br />

51. David Ratke, verh., 3 K<strong>in</strong>der<br />

52. Frau Ratke, geb. Rüdiger, 2 K<strong>in</strong>der<br />

53. He<strong>in</strong>rich Ratke, verh. mit Emma H<strong>in</strong>tz, 3 K<strong>in</strong>der<br />

54. Adolf Strobel, verh. mit e<strong>in</strong>er Rüdiger, 2 Töchter<br />

55. Michael Rüdiger, verh. mit Leokadia Bentschkowski, 3 Söhne<br />

56. He<strong>in</strong>rich Rüdiger, verh. mit e<strong>in</strong>er Heise<br />

57. He<strong>in</strong>rich Rose, verh. , K<strong>in</strong>der<br />

58.Adolf Betker, verh. mit Gertrud Beier, 3 K<strong>in</strong>der<br />

59.Adolf Bentschkowski, verh. mit e<strong>in</strong>er Neumann, K<strong>in</strong>der<br />

60. die Witwe Jabs<br />

61. Roman Beier, verh. mit e<strong>in</strong>er Heise. Roman Beier war Dorfschulze <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong> als Nachfolger<br />

von Edmund Malitzki.<br />

62.Jakob Restau, verheiratet<br />

63.Adolf Karau, verheiratet<br />

64. Rudolf Peters, verh. mit Wilhelm<strong>in</strong>e Ratke. Peters war Müller <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong>, gebürtig war er aus<br />

Paprotsch. Se<strong>in</strong>e Ehefrau war die Schwester von Kathar<strong>in</strong>a Amdt, der Mutter me<strong>in</strong>er Großtante<br />

Johanna Ratke. Wilhelm<strong>in</strong>e Peters starb im Januar 1977 über 90-jährig. Ihr Ehemann war wenige<br />

Jahre vorher gestorben. Tochter Alice verheiratete Brase wohnt <strong>in</strong> Niedersachsen.<br />

65. Kar! Ratke, verh. mit Anna Ewald<br />

66. Friedrich Ratke (1900-1972), verh. mit Paut<strong>in</strong>e Matt, 5 K<strong>in</strong>der. Paul<strong>in</strong>e Matt ist die jüngste Tochter<br />

des reichen David Matt und lebt hochbetagt <strong>in</strong> Salt Lake City, USA bei ihrem jüngsten Sohn. <strong>Die</strong><br />

Tochter Irene verheiratete ScWenker lebt <strong>in</strong> der Nähe von Philadelphia. Friedrich Ratke starb <strong>in</strong><br />

Philadelphia.


67. Hermann Wemer, verh. Blond<strong>in</strong>e Ewald, 6 K<strong>in</strong>der<br />

68. Ferd<strong>in</strong>and Wemer, verh. mit e<strong>in</strong>er Matzke<br />

66<br />

69. Edmund Hartmann, verh. mit Marianne Heise, 3 K<strong>in</strong>der<br />

70. Edmund H<strong>in</strong>tz, verheiratet, ungefähr 4 K<strong>in</strong>der<br />

71.Witwe Timm, geb. Jabs, K<strong>in</strong>der<br />

n.Eduard Wolter, verh. mit Juliane Beutler, 2 K<strong>in</strong>der<br />

73. Michael Müller, verh. mit Wilhelm<strong>in</strong>e Ratke. Frau Müller war die Schwester me<strong>in</strong>es Urgroßvaters<br />

Mart<strong>in</strong> Ratke. Sie starb Anfang der 50er Jahre über 90jährig <strong>in</strong> Sul<strong>in</strong>gen/Niedersachsen. Das Ehepaar<br />

hatte 3 K<strong>in</strong>der.<br />

74.Julius Hipke, verh. mit Hulda He<strong>in</strong>richsohn, 4 K<strong>in</strong>der<br />

75. He<strong>in</strong>rich Malitzki, verh. mit e<strong>in</strong>er Heise<br />

76. Edmund Malitzki, verh. mit e<strong>in</strong>er Ratke, 1 Tochter. Malitzki war bis zum Brand se<strong>in</strong>es Hofes der<br />

Dorfschulze <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong><br />

77. Sigismund Kurtz, verh. mit Hulda Ratke. Sohn des Julius Kurtz aus Sadoles und Bruder der Stefanie<br />

Pede, der Nachbar<strong>in</strong> der Ratke's <strong>in</strong> Ociete. Sigismund ist nach dem 2. Weltkrieg <strong>in</strong> die USA<br />

ausgewandert und starb vor e<strong>in</strong>igen Jahren <strong>in</strong> Philadelphia, bald nach se<strong>in</strong>er Frau. Hulda Ratke ist<br />

die Schwester von Friedrich Ratke (Nr. 66)<br />

78. Wilhelm Ewald, verh. mit Wanda Bentschkowski, 8 K<strong>in</strong>der<br />

79.Adolf Emmert, verh. mit Rosalie Hipke, 4 K<strong>in</strong>der<br />

80. Ottilie Sauloff, geb. Emmert, geschieden, 2 K<strong>in</strong>der. Frau Saulaff arbeitete als Waschfrau und hatte<br />

e<strong>in</strong> sehr hartes Leben. Sie hatte e<strong>in</strong>e uneheliche Tochter, die ebenfalls <strong>in</strong> Lübeck lebt. <strong>Die</strong>se Tochter<br />

nahm sie dann immer mit <strong>zur</strong> Arbeit, weil sie niemand hatte, die auf sie aufpaßten. Der Sohn<br />

Ludwig lebt <strong>in</strong> Lübeck.<br />

81. Christian Schmidtke, verh. mit Marianne Ratke, K<strong>in</strong>der. <strong>Die</strong> Schmidtkes s<strong>in</strong>d aus unserer Jabs­<br />

Verwandtschaft.<br />

82. Gustav Tann, verh. mit Johanna Nebel. Tann (1876 - 1943), war der Kantor und Lehrer <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong>.<br />

Se<strong>in</strong>e Ehefrau Johanna blieb <strong>in</strong> Polen.<br />

83. Edmund Hartmann, verh. mit Amanda Kopp<br />

84.Julius Rüdiger, verh. mit Hulda Freiheit, 3 K<strong>in</strong>der<br />

85. Robert Hartmann, verheiratet<br />

86. <strong>Die</strong> Witwe Müller, K<strong>in</strong>der<br />

87.Liewrenz, verh. mit e<strong>in</strong>er Rüdiger, gebürtig aus Paprutsch<br />

88.Adolf H<strong>in</strong>tz, verh. mit Emilie Ratke, 2 Töchter<br />

89. He<strong>in</strong>rich Timm, verh. mit Paul<strong>in</strong>e Ratke, 2 Töchter<br />

90. Daniel Schepiel, verh. mit Wanda Schulz, 3 Töchter, der Kirchendiener <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong><br />

91. Gertrud Wolf geb. Schulz, Witwe, 4 Töchter. <strong>Die</strong> Großmutter des schon mehrfach erwähnten<br />

Re<strong>in</strong>hold WalE.<br />

92. Gustav Kopp, verh. mit e<strong>in</strong>er Appel, K<strong>in</strong>der<br />

93. EmitJabs, verh. mit Blond<strong>in</strong>e Schulz, 2 K<strong>in</strong>der<br />

94. Michael H<strong>in</strong>tz, verh. mit Juliane Appel, 3 K<strong>in</strong>der<br />

95. Christian Netzei, verh. mit Amalie Appel, 3 K<strong>in</strong>der<br />

Mit vielen dieser Familien s<strong>in</strong>d wir verwandt. Es ist heute nicht mehr feststellbar, wer von ihnen<br />

nun direkt zu unseren Vettern und Basen zählen. <strong>Die</strong> Namen Jabs und Ratke s<strong>in</strong>d zahlreich.<br />

Sie s<strong>in</strong>d alle direkte Nachkommen des Adam Jabs (1750 - 1817) und der Brüder Peter, Johann und<br />

Daniel Ratke, die wir zu unseren Vorfahren zählen.


Eva Barabas aus <strong>Platkowniza</strong><br />

mit Ihren Töchtern und Enkel<strong>in</strong>nen<br />

lks. Luise Bet<strong>in</strong> re. Emma Beier<br />

verw. Müller<br />

67<br />

Eheleute Friedrich u. Paul<strong>in</strong>e geh. Matt Ratke<br />

Aus <strong>Platkowniza</strong> mit ihren K<strong>in</strong>dern


DAS DORF SADOLES<br />

68<br />

<strong>Die</strong> zweite große Ortschaft der Kolonie war Sadoles, gesprochen Ssaddolesch, mit e<strong>in</strong>em<br />

scharfen S am Anfang und e<strong>in</strong>em SCH am Ende. <strong>Die</strong> evangelische Kirchengeme<strong>in</strong>de und damit die<br />

deutsche Kolonie überhaupt nannte man ab 1936 offiziell <strong>Platkowniza</strong>-Sadoles. <strong>Die</strong> Kirche zu Sadoles<br />

war die Hauptkirche der Kolonie. Ab Beg<strong>in</strong>n der Kolonisation bis etwa 1841 wurden die<br />

Geburten und Todesfälle vom Probst der Kirche zu Sadowne vorgenommen. Er konnte so auch<br />

von den deutschen Kolonisten profitieren, die ihm die E<strong>in</strong>tragung bezahlen mußten. Ab 1842<br />

wurde e<strong>in</strong>e eigene Kirche gegründet, wohl mit E<strong>in</strong>willigung des Landesherrn, des Grafen Zamoyski.<br />

<strong>Die</strong> standesamtlichen E<strong>in</strong>tragungen der Deutschen wurden jetzt - bis 1939 - im Kirchenbuch<br />

zu Sadoles vorgenommen. <strong>Die</strong> Heiraten erfolgten vor 1842 wohl zumeist <strong>in</strong> der evangelischen<br />

Kirche der Kreisstadt Wegrow (gespr. Wengruw, die Deutschen sagten Wengrow). Wie<br />

konnte der katholische Geistliche <strong>in</strong> Sadowne e<strong>in</strong> evangelisches Ehepaar trauen? Später fanden<br />

Trauungen auch <strong>in</strong> den drei Kirchen der Kolonie statt, obgleich Hochzeiten <strong>in</strong> Wengrow oder gar<br />

Warschau beliebt waren. <strong>Die</strong> standesamtliche E<strong>in</strong>tragung erfolgte trotzdem zumeist <strong>in</strong> Sadoles.<br />

Wie wir sehen, war Sadoles bedeutungsvoll.<br />

Nunmehr e<strong>in</strong>ige Informationen <strong>zur</strong> Geschichte dieses Ortes. Sadoles ist alt, doch wie alt, ist<br />

nicht feststellbar. Im 16. Jahrhundert ersche<strong>in</strong>t der Name Sadoles <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Steuerliste. Aufgeführt<br />

ist nur das damals kle<strong>in</strong>e DorfSadowne. Zu dieser Zeit hatte Sadowne meist unter 100 E<strong>in</strong>wohner.<br />

Bei der Zählung 1673/74 werden Sadowne und Sadoles zusammengezählt und haben zusammen<br />

etwa 100 E<strong>in</strong>wohner, wobei nach den Aufzeichnungen <strong>in</strong> Sadoles der größere Teil der E<strong>in</strong>wohner<br />

gelebt hat. Früher unterschied man nicht direkt zwischen den beiden Ortschaften. Man geht davon<br />

aus, daß die Landeigentümer, die geistlichen Herren aus Warschau, hier im 17. und 18. Jahrhundert<br />

Bauern und Handwerker aus anderen polnischen Regionen angesiedelt haben. In den Kirchenbüchern<br />

ersche<strong>in</strong>t Sadoles erstmalig 1643 unter dem Namen SADOLASEM, was Gartenwald oder<br />

Waldgarten bedeutet. E<strong>in</strong> Teil von Sadoles wurde auch Poswiatna genannt (das Geheiligte). Es war<br />

das Gebiet von Sadoles, das dem Pfarrer <strong>in</strong> Sadowne gehörte. Bis <strong>in</strong> dieses Jahrhundert hatte der<br />

Pfarrer von Sadowne Land <strong>in</strong> Sadoles, die sogenannten "Pfaffenwiesen". Zurück zu den E<strong>in</strong>wohnerzahlen:<br />

1808 zählte man noch 123 E<strong>in</strong>wohner, knapp 20 Jahre später waren es nur noch 105. Es<br />

müssen auch hier e<strong>in</strong>ige Bauern weggezogen se<strong>in</strong>.<br />

<strong>Die</strong> deutschen Kolonisten fanden somit bei ihrer Ankunft sowohl verödete Bauernhöfe vor,<br />

die relativ schnell zu kultivieren waren, wie auch Urwald, der noch zu roden war, also ähnlich wie<br />

<strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong>.<br />

Sadoles war ebenso weitläufig wie <strong>Platkowniza</strong> und wie <strong>in</strong> der Kolonie ohneh<strong>in</strong> üblich. Jeder<br />

baute se<strong>in</strong>en Hof auf se<strong>in</strong> Grundstück. Dicht nebene<strong>in</strong>ander standen die Häuser nur, wenn das<br />

Land aus langen "Schläuchen" bestand. Das Zentrum des Dorfes wird wohl dort gelegen haben,<br />

wo sich später die Kirche befunden hat und die <strong>Schule</strong>. Hier <strong>in</strong> der Gegend f<strong>in</strong>det man auch heute<br />

noch anssässige Familien wie z. B. den Schmied Wojciechowski oder die Bauernfamilie Ojdana. Es<br />

s<strong>in</strong>d Familiennamen, die schon <strong>in</strong> den ältesten Kirchenbüchern der Region Sadowne ersche<strong>in</strong>en.<br />

Der Anteil der Polen an der E<strong>in</strong>wohnerzahl Sadoles's im Jahre 1921 war relativ hoch. Von den<br />

442 E<strong>in</strong>wohnern waren 294 Polen und nur 137 Deutsche. Aber trotzdem kann man Sadoles als e<strong>in</strong><br />

deutsches Dorf bezeichnen. <strong>Die</strong> polnischen und deutschen Bauern des Ortes waren sich nicht<br />

fe<strong>in</strong>dlich ges<strong>in</strong>nt, man sprach mite<strong>in</strong>ander, half sich gegenseitig, wie es zwischen guten Nachbarn<br />

üblich ist.<br />

Das Zentrum des Ortes bildete die Kirche. Das erste Gotteshaus soll 1842 errichtet worden<br />

se<strong>in</strong>. Man baute aus Holz e<strong>in</strong>en Raum, <strong>in</strong> dem nicht nur Andachten abgehalten sondern auch<br />

Schulunterricht erteilt wurde. <strong>Die</strong>se Kirche/<strong>Schule</strong> diente den Dorfbewohnern viele Jahre als Hort<br />

der Erhaltung des evangelischen Glaubens und der deutschen Sprache. Als Lehrer und Kantor<br />

wirkte AdolfWade von 1885 bis 1924. Er führte die Kirchenbücher.<br />

Über die Herkunft des AdolfWade ist mir nichts bekannt. Auf dem Friedhof von Sojk6wek<br />

f<strong>in</strong>det man die Grabstätte se<strong>in</strong>er Eltern. Der Vater starb 1889. <strong>Die</strong> Grabplatte ist heute kaum noch<br />

lesbar. Der Grabste<strong>in</strong> der Mutter dagegen ist noch gut erhalten. Sie starb im Oktober 1914 im Alter<br />

von 82 Jahren. Wade war e<strong>in</strong> anerkannter Mann <strong>in</strong> der Kolonie. Se<strong>in</strong>e Freundschaft mit dem<br />

mächtigsten Mann Polens, dem Marschall Pilsudzki, brachte nicht alle<strong>in</strong> ihm, sondern sicher der<br />

gesamten Kolonie Vorteile.


69<br />

Lehrer Wade mit se<strong>in</strong>er Ehefrau vor der Kirche <strong>in</strong> Pl'atkowniza<br />

Wade war wohl m<strong>in</strong>destens zweimal verheiratet. Se<strong>in</strong>e letzte Frau war erheblich jünger als er.<br />

Beide sieht man auf dem Bild vor der Kirche <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong>. Wann es aufgenommen wurde, ist<br />

mir nicht bekannt. Wade war zuletzt se<strong>in</strong>en Aufgaben als Lehrer und Kantor nicht mehr gewachsen.<br />

Das Alter machte sich bei ihm bemerkbar. Er wollte es selbst nicht wahrhaben. Waren Bestrebungen<br />

imgange, ihn abzulösen, so wandte er sich an se<strong>in</strong>en mächtigen Freund <strong>in</strong> Warschau, Pilsudzki,<br />

zu damaliger Zeit Staatsoberhaupt der Republik Polen. Me<strong>in</strong>e Großmutter erzählte mir, daß<br />

der Schulrat e<strong>in</strong>en Brief vom Machthaber mit nur e<strong>in</strong>em Satz erhalten hatte: "Wade bleibt! Pilsudzki".<br />

Wade blieb, und die K<strong>in</strong>der trieben weiter Schabernack mit ihm. Sie füllten ihm se<strong>in</strong>e<br />

Aktentasche unbemerkt mit Mist, klebten ihm e<strong>in</strong>en Zettel auf den Rücken: "Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> alter Esel"<br />

und allerlei mehr derart grober Scherze. Doch e<strong>in</strong>es Tages konnte Wade nicht mehr se<strong>in</strong>en Beruf<br />

ausüben und begab sich <strong>in</strong> den Ruhestand <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Haus <strong>in</strong> der Nähe der Kirche und ist bald verstorben.<br />

Se<strong>in</strong>e Ehefrau verstarb 1945. Das alte, schon erwähnte Bethaus brannte Anfang diesen<br />

Jahrhunderts ab. So wurde erzählt, daß e<strong>in</strong>es sonntags, als der Lehrer und Kantor AdolfWade den<br />

Gottesdienst beendet hatte, e<strong>in</strong> starkes Gewitter aufzog. <strong>Die</strong> Gottesdienstbesucher machten sich<br />

schnell auf den Nachhauseweg, um noch trocken heimzukommen. Frau Wade soll gerade - als alle<br />

anderen bereits die Kirche verlassen hatten - die Blumen vom Altar holen, die sie jeden Sonntag als<br />

Dekoration dorth<strong>in</strong> stellte, als plötzlich der Blitz e<strong>in</strong>schlug und Feuer ausbrach. Frau Wade brachte<br />

sich schleunigst <strong>in</strong> Sicherheit. Das aus Holz erbaute und mit Stroh gedeckte Gebäude brannte <strong>in</strong>nerhalb<br />

weniger M<strong>in</strong>uten völlig ab. So war man gezwungen, e<strong>in</strong> neues Gotteshaus zu erbauen.<br />

<strong>Die</strong>smal sollte es e<strong>in</strong>e "richtige" Kirche se<strong>in</strong>, so wurde beschlossen. E<strong>in</strong> Schulgebäude wurde<br />

separat erbaut. Der Bau der Kirche zog sich über viele Jahre h<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> Wände waren aus Holzbohlen<br />

von ca. 17 cm Stärke. <strong>Die</strong> Kirche hatte e<strong>in</strong>en Turm mit Glocken, im Kirchenraum waren


70<br />

Leuchter angebracht. Große Fenster erhellten den Raum. Me<strong>in</strong>e Großmutter Natalie Ratke er<strong>in</strong>nerte<br />

sich noch genau an den Bau der Kirche, und daß die E<strong>in</strong>wohner sich ihr Gotteshaus selbst<br />

schufen. Sie erzählte mir, daß ihr Vater mehrfach <strong>zur</strong> Mithilfe am Bau gegangen ist. Ganz besonders<br />

konnte sie sich aber an die E<strong>in</strong>weihung der Kirche er<strong>in</strong>nern. Sie fand statt am 11.11.1906, e<strong>in</strong>en<br />

Tag nach ihrem vierten Geburtstag. Noch war die Kirche nicht ganz fertig. Es fehlte noch der<br />

Fußboden, und es waren noch ke<strong>in</strong>e endgültigen Sitzbänke vorhanden, aber man weihte die Kirche<br />

e<strong>in</strong>. Vielleicht, weil der Pastor, der nicht häufig kam, sich angesagt hatte. Es s<strong>in</strong>d weiter ke<strong>in</strong>e Aufzeichnung<br />

oder Erzählungen vorhanden, wie diese E<strong>in</strong>weihung vonstatten g<strong>in</strong>g. Sie wurde wohl<br />

nicht so prachtvoll gefeiert wie zwei Jahre später <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong>, wo der Bischof der Evangelischen<br />

<strong>in</strong> Polen, Julius Bursche, persönlich erschienen war. Me<strong>in</strong>e Großmutter konnte sich nicht mehr an<br />

den Ablauf der Feier er<strong>in</strong>nern. Sie wußte nur noch, daß man Holzklötze aufgestellt und darüber<br />

Bretter gelegt hatte, so daß provisorische Sitzbänke entstanden. <strong>E<strong>in</strong>ige</strong> Holzblöcke hatte man als<br />

Zusatz sitzplätze gelassen. Auf solch e<strong>in</strong>em Klotz kam me<strong>in</strong>e Großmutter zu sitzen, als sie mit ihren<br />

Eltern an dem Gottesdienst teilnahm, und daß hatte sich der Vierjährigen so e<strong>in</strong>geprägt, daß sie<br />

sich als sehr alte Frau daran noch er<strong>in</strong>nern konnte.<br />

<strong>Die</strong> Kirche von SadoleS vor 1939<br />

Zur Zeit der Verbannung der deutschen Kolonisten nach Rußland (1915 - 1918) war die Kirche<br />

ohne Nutzung und Bewachung. Als die ersten Kolonisten 1918 <strong>zur</strong>ückkehrten, fanden sie die<br />

Kirche unversehrt vor. Nur die Kirchenglocke war nicht mehr vorhanden.<br />

Zu damaliger Zeit befanden sich noch deutsche Soldaten <strong>in</strong> der Region und stellten auch die<br />

Verwaltung. An sie wandte sich Kantor Wade mit der Bitte, die Glocke <strong>zur</strong>ückzugeben. Und tatsächlich:<br />

Bald erhielt man <strong>in</strong> Sadoles die Nachricht, die Glocke könne man von der Bahnstation<br />

Zieleniec (Schelenjetz) abholen. <strong>Die</strong> Freudenbotschaft g<strong>in</strong>g wie e<strong>in</strong> Lauffeuer durch's Dorf. Alle<br />

Sadolescher waren froh, ihre Glocke bald wiedersehen zu können, aber mehr noch, wiederhören zu<br />

dürfen.<br />

Mit e<strong>in</strong>em Fuhrwerk wurde die Glocke von der Bahnstation abgeholt und <strong>zur</strong> Kirche befördert.<br />

Dort hatten sich schon starke Männer mit Seilen versammelt, damit die Glocke nicht erst abgehoben<br />

werden mußte, sondern gleich vom Wagen <strong>in</strong> den Turm gezogen werden konnte. Viele<br />

E<strong>in</strong>wohner schauten hierbei zu. Obgleich beim Transport e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Stück von der Glocke abgesprungen<br />

war, so hatte der Klang trotzdem nicht gelitten.<br />

Bei der Anschaffung der Glocke hatte der Bauer David Neumann, der 1918 <strong>in</strong> Rußland verstarb,<br />

den größten Geldbetrag gespendet. Es sollte e<strong>in</strong> Andenken an se<strong>in</strong>en jüngsten Sohn Julius<br />

se<strong>in</strong>, der im zaristischen Heer gefallen war. Wegen dieser Spende war der Name und die Anschrift


71<br />

e<strong>in</strong>gegossen worden. So war das Auff<strong>in</strong>den der Glocke 1918 e<strong>in</strong>fach gewesen. <strong>Die</strong>se Glocke h<strong>in</strong>g<br />

dann noch bis 1939 <strong>in</strong> der Kirche und ist dann <strong>in</strong> den Wirren des 2. Weltkrieges verlorengegangen.<br />

In Er<strong>in</strong>nerung geblieben ist e<strong>in</strong> Unglück <strong>in</strong> der Kirche zu Sadoles, das glimpflich ausg<strong>in</strong>g, als<br />

Katastrophe aber hätte enden können. E<strong>in</strong>zig die "Theese-T<strong>in</strong>e" kam zu Schaden. Sie war Bäuer<strong>in</strong><br />

<strong>in</strong> Ociete und <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gewissen Weise e<strong>in</strong> Orig<strong>in</strong>al. Auf sie komme ich noch zu passender Gelegenheit<br />

<strong>zur</strong>ück. Ich lasse nun e<strong>in</strong>en Augenzeugen, Adolf Neumann aus Sadoles, schildern, wie sich<br />

alles zugetragen hat:<br />

"Gustav Braun mochte wohl fünf bis sechs Jahre Lehrer und Kantor gewesen se<strong>in</strong>. Er führte<br />

immer am Heiligen Abend mit den K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> der Kirche e<strong>in</strong>e wunderschöne Zeremonie auf. In<br />

<strong>Platkowniza</strong> kannten wir es so, daß die K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> der Reihe im Gang standen. Dagegen hat Kantor<br />

Braun sie vor dem Altar rund um sich versammelt. Es wurde gesungen, Sprüche aufgesagt und<br />

Zwiegespräche geführt. Das fanden wir - me<strong>in</strong> Freund Siegmund Radtke und ich - so schön, daß<br />

wir uns entschlossen, am Heiligen Abend nach Sadoles <strong>in</strong> die Kirche zu gehen.<br />

Es war e<strong>in</strong> schöner W<strong>in</strong>terabend, es lag Schnee und es mochte etwa 10 Grad m<strong>in</strong>us gewesen<br />

se<strong>in</strong>. Der Himmel war klar und die Sterne funkelten. <strong>Die</strong> Glocke läutete, der Gottesdienst begann.<br />

Wir waren noch e<strong>in</strong> Stück von der Kirche entfernt und sahen e<strong>in</strong>en hellen, farbigen Lichtstrahl aus<br />

dem Kirchturm, der sich weit über die Schneedecke ausbreitete. Als wir näher kamen, hörten wir<br />

das S<strong>in</strong>gen <strong>in</strong> der Kirche und sahen, daß <strong>in</strong> dem Glockenturm e<strong>in</strong> Bethlehemsstern aus farbigem<br />

Papier angebracht worden war. E<strong>in</strong>e dah<strong>in</strong>ter stehende Kerze ließ ihn <strong>in</strong> hellem Glanz erstrahlen ­<br />

e<strong>in</strong> schöner Anblick.<br />

Wir g<strong>in</strong>gen leise <strong>in</strong> die Kirche und setzen uns, um nicht zu stören, <strong>in</strong> die h<strong>in</strong>terste Bank. <strong>Die</strong><br />

Männer saßen l<strong>in</strong>ks und die Frauen rechts - so bestimmte es die Kirchenordnung. Es wäre unzüchtig<br />

gewesen, wenn e<strong>in</strong>e Frau zwischen Männern oder e<strong>in</strong> Mann zwischen Frauen gesessen<br />

hätte. Am Heiligen Abend saß immer e<strong>in</strong> Kirchenvorsteher als Aufsicht <strong>in</strong> der letzten Bank.<br />

An diesem Abend hatte Christian Krebs Aufsicht. Er saß neben se<strong>in</strong>er Frau, die ihr Enkelk<strong>in</strong>d<br />

auf dem Schoß hatte. <strong>Die</strong> Kle<strong>in</strong>e mußte mal und so g<strong>in</strong>g Frau Krebs mit ihr nach draußen. Sie kam<br />

jedoch eilig <strong>zur</strong>ück und flüsterte ihrem Mann etwas <strong>in</strong>s Ohr. Er sprang auf und lief h<strong>in</strong>aus. Me<strong>in</strong><br />

Freund Siegmund und ich sahen uns beredt an. Wir vermuteten, daß etwas mit den Pferden, die<br />

draußen vor den Schlitten gespannt waren, geschehen sei.<br />

Wir standen auf und spr<strong>in</strong>teten los, denn vielleicht wurde unsere Hilfe gebraucht. Im Flur zwischen<br />

Haupt- und Pendeltür lief Krebs schweigend an uns vorbei und rannte die Treppe zu den<br />

Emporen hoch, wo die Musikanten saßen. Denn Hermann H<strong>in</strong>z, e<strong>in</strong>er der Musikanten, hatte den<br />

Rahmen mit Stern <strong>in</strong> den Glockenturm e<strong>in</strong>gebaut. Er wußte, wie er befestigt war.<br />

Als wir beide nach draußen kamen, sahen wir, daß es ganz hell war. Rahmen und Stern standen<br />

<strong>in</strong> voller Flamme. Krebs hatte <strong>in</strong>zwischen H<strong>in</strong>z von dem Brand verständigt. H<strong>in</strong>z ist sofort die<br />

Leiter zum Turm hochgestiegen, hat die Befestigungen von den Rahmen gelöst und den brennenden<br />

Rahmen mit dem Fuß h<strong>in</strong>untergestoßen. Unglücklicherweise waren schon etliche Leute draußen<br />

auf der Treppe, als der Rahmen h<strong>in</strong>unterfiel. E<strong>in</strong>e Ecke traf Christ<strong>in</strong>e Timm und schlug ihr e<strong>in</strong>e<br />

Wunde <strong>in</strong> den Kopf. Auch andere kamen zu Schaden.<br />

Unter den Menschen brach nun e<strong>in</strong>e Panik aus; denn <strong>in</strong> der Kirche hatte es sich so angehört,<br />

als sei der Kirchturm abgebrannt und die Glocke h<strong>in</strong>untergefallen. Nun hieß es, rette sich wer<br />

kann! <strong>Die</strong> Kirche hatte ke<strong>in</strong>en Notausgang und so stürmten die <strong>in</strong> Panik geratenen Menschen alle<br />

gleichzeitig <strong>zur</strong> Haupttür, wo es dann zwangsläufig zum Stau kam. Viele begannen nun von <strong>in</strong>nen<br />

die Fenster e<strong>in</strong>zuschlagen. Me<strong>in</strong> Freund Siegmund und ich liefen von außen an die Fenster heran<br />

und schrien: "<strong>Die</strong> Gefahr ist vorbei, nicht e<strong>in</strong>schlagen!"<br />

Wir sahen die Angst <strong>in</strong> ihren Gesichtern. Aber schließlich sahen sie e<strong>in</strong>, daß es ke<strong>in</strong>en Zweck<br />

hatte, die kle<strong>in</strong>en Sprossenscheiben e<strong>in</strong>zuschlagen, die nur ca. 25 mal 25 cm groß waren - da<br />

konnte niemand durchkommen. Und die Sprossen waren so stark, daß sie nicht mit den Händen<br />

zerbrochen werden konnten. Als das Feuer erlosch und es draußen dunkel wurde, haben sich alle<br />

beruhigt. Aber sie waren noch so genervt, daß Kantor Braun sie nicht dazu bewegen konnte, die<br />

Andacht fortzusetzen. Und so g<strong>in</strong>gen die Leute alle nach Hause.<br />

Noch am Abend beauftragte man etliche Handwerker damit, die beschädigten Fenster mit<br />

Brettern, Blech oder Pappe zum Schutz vor Unwetter dichtzumachen, und um die Andachten am<br />

ersten und zweiten Weihnachtstag ungestört abhalten zu können.


72<br />

Später hat die Geme<strong>in</strong>de ihrem Lehrer und Kantor Gustav Braun e<strong>in</strong> großes Lob und Dank<br />

ausgesprochen, weil er e<strong>in</strong>en klaren Kopf <strong>in</strong> dieser Situation behalten hat. Er hatte die K<strong>in</strong>der nicht<br />

ause<strong>in</strong>anderlaufen lassen, sondern alle vor den Altar gedrängt, damit sie nicht von der aufgeregten<br />

Menschenmenge niedergetrampelt wurden. Nur so blieben alle K<strong>in</strong>der unversehrt.<br />

E<strong>in</strong> gebranntes K<strong>in</strong>d scheut das Feuer; seit diesem Unglück wurde nie mehr e<strong>in</strong> Stern im Turm<br />

<strong>in</strong>stalliert, und der Heilige Abend wurde <strong>in</strong> völliger Sicherheit alle Jahre fröhlich gefeiert."<br />

AdolfNeumann 1984<br />

<strong>Die</strong> Kiche von Sadoles <strong>in</strong> ihrer heutigen Form (1989)<br />

<strong>Die</strong> Kirche von Sadoles steht heute nicht mehr an ihrem Platz. Dort, wo sie e<strong>in</strong>mal gestanden<br />

hat, bef<strong>in</strong>det sich nun e<strong>in</strong>e tiefe Kuhle, bewachsen mit Bäumen und Gestrüpp. Nach dem 2. Weltkrieg<br />

hat man sie abgerissen und e<strong>in</strong>ige Dörfer weiter <strong>in</strong> Wielgie (gesprochen Wi-elgie) wieder aufgebaut.<br />

Im Sommer 1989 konnte ich sie besichtigen. In manchen Details er<strong>in</strong>nert sie noch an die<br />

ursprüngliche Kirche, wie mir alte Kolonisten erklärten, die sie noch <strong>in</strong> ihrer ursprünglichen Form<br />

kannten. - <strong>Die</strong> Kirche <strong>in</strong> Wielgie war bei unserem Besuch dort schon sehr baufallig, <strong>in</strong>zwischen<br />

steht sie nicht mehr und ist durch e<strong>in</strong>en Neubau ersetzt.<br />

Der Nachfolger als Lehrer und Kantor von Adolf Wade wurde im Jahre 1924 der junge Gustav<br />

Braun (1900 - 1945). Er war der Lehrer bis 1939, bis <strong>zur</strong> Aussiedelung der Kolonisten. Gebürtig<br />

war er aus Lodz. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong>der aus unser Familie wurden von ihm unterrichtet. Braun war e<strong>in</strong><br />

sehr parteiischer Mensch. Je reicher die Eltern, desto angesehener waren bei ihm die K<strong>in</strong>der. Je ärmer<br />

die Eltern, desto mehr Nachteile hatten die Schüler. Braun hatte als Studierter e<strong>in</strong>e besondere<br />

Stellung im Dorf, und es wagte niemand, ihm zu widersprechen. <strong>E<strong>in</strong>ige</strong> K<strong>in</strong>der waren ihm ganz<br />

besonders unangenehm, und an denen pflegte er dann se<strong>in</strong>e Aggressionen loszuwerden.


73<br />

Der junge Lehrer Gustav Braun mit Schülern vor der Kirche <strong>in</strong> Sadole~<br />

Foto aus dem Jahre 1925<br />

Als Kantor hatte Braun auf der Orgel den Gottesdienst zu begleiten. <strong>Die</strong> Orgel war natürlich<br />

noch nicht elektrisch, sondern war mit Blasebalgen versehen, die dann von Schülern betätigt wurden.<br />

So mußte auch me<strong>in</strong> Vater Gustav Ratke diesen <strong>Die</strong>nst versehen, zusammen mit Re<strong>in</strong>hold<br />

Jabs aus Sadoles, Sohn des Schmied Jabs. <strong>Die</strong>ser Re<strong>in</strong>hold war e<strong>in</strong> Spaßvogel. Er wollte Braun ärgern,<br />

und gegen den Rat me<strong>in</strong>es Vaters blies er den Blasebalg so stark auf, daß aus der Orgel ke<strong>in</strong>e<br />

melodischen Töne mehr herauskamen. Braun kam sehr bald mit hochrotem Kopf angelaufen, um<br />

den Jungen se<strong>in</strong>en Unmut zu zeigen und um ihnen die richtige Betätigung des Blasebalges beizubr<strong>in</strong>gen.<br />

Gustav Braun kam 1939 mit <strong>in</strong> die Thorner Gegend, nach Luben, nahm die Kirchenbücher mit<br />

und stellte für die Kolonisten Urkunden über die Vorfahren aus, wie von den Nazi-Behörden gefordert<br />

zum Nachweis der "arischen" Abstammung. Seit Anfang 1945 ist Gustav Braun vermißt.<br />

Se<strong>in</strong>e Ehefrau starb 1988 <strong>in</strong> Hannover.<br />

Das Dorf Sadoles ist sehr weitläufig. Es reicht im Süden bis an Sadowne heran, im Westen ist<br />

der Ort begrenzt durch die Chaussee von Sadowne nach Brok, nördlich liegt e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Teil von<br />

<strong>Platkowniza</strong> sowie das Dorf Morzycz<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> Grenze zu diesem Ort bildet das Flüßchen Wil~cza.<br />

<strong>Die</strong>ser Fluß ist <strong>in</strong>sgesamt 25 km lang und mündet <strong>in</strong> den Bug.<br />

In Sadoles wurde me<strong>in</strong>e Großmutter Natalie Ratke geb. Jabs imJahre 1902 geboren, auf dem<br />

Hof des Bauern Wies<strong>in</strong>ger, wo die Eltern <strong>zur</strong> Miete wohnten. Hier verbrachte sie ihre Jugend auf<br />

dem Hof ihrer Pflegeeltern Hartmann, und auf diesem Hof lebten die Ratke's ab 1932 bis <strong>zur</strong> Umsiedelung<br />

nach Westpreußen im Jahre 1939.<br />

Von Sadoles existiert ebenfalls e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>wohnerliste, die von Erna Papke geh. Kurtz aufgestellt<br />

wurde. Ihr Vater Adolf Kurtz war Bauer <strong>in</strong> Sadoles und gleichzeitig <strong>in</strong> der Kommunalpolitik tätig.<br />

Er hatte sich auch bemüht, Amtsvorsteher <strong>in</strong> Sadowne zu werden.<br />

<strong>Die</strong> deutschen E<strong>in</strong>wohner von Morzyczyn hatten sich auf der gegenüberliegenden Seite des<br />

Flüßchens Wil~cza angesiedelt. Sie zählten sich aber selbst zu den E<strong>in</strong>wohnern von Sadoles, g<strong>in</strong>gen<br />

hier <strong>in</strong> die Kirche und schickten hierher ihre K<strong>in</strong>der <strong>zur</strong> <strong>Schule</strong>. Deshalb s<strong>in</strong>d sie nachfolgend mit<br />

<strong>in</strong> der Liste aufgeführt. Als E<strong>in</strong>ziger etwas abseits wohnte Christian Krebs, der bereits schon erwähnte<br />

Kirchenvorsteher <strong>in</strong> Sadold.


<strong>Die</strong> E<strong>in</strong>wohner von Sadoles<br />

<strong>Die</strong> Nummerierung erfolgt nach dem Sadoles-Plan, der dem Buch beiliegt:<br />

Edmund Wiechowski, e<strong>in</strong> Pole<br />

Antoni Wiechowski, e<strong>in</strong> Pole<br />

Boleslaw Wiechowski, e<strong>in</strong> Pole<br />

Karl Rose<br />

74<br />

1. Julius Kurtz, verh. mit Martha Witzke. Er war Landwirt und nebenbei handelte er mit Milcherzeugnissen,<br />

Geflügel und Eiern. Der Sohn Sigismund, verh. mit Hulda Ratke, ist <strong>in</strong> die USA<br />

ausgewandert, ebenso der Sohn Adolf. <strong>Die</strong> Tochter Hulda ist seit 1945 verschollen. Sohn Edmund<br />

fiel im 2. Weltkrieg. <strong>Die</strong> Tochter Stefanie heiratete den Landwirt Karl Pede <strong>in</strong> Ociete<br />

und ist vor zwei Jahren über 80jährig <strong>in</strong> Eiderstedt verstorben. <strong>Die</strong> Eheleute Kurtz s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> den<br />

60er Jahren <strong>in</strong> der damaligen DDR verstorben.<br />

2. Adolf Kurtz, verh. mit Karol<strong>in</strong>e Karau aus <strong>Platkowniza</strong>. Er war vereidigter Landvermesser<br />

(Katasteramt), bekleidete <strong>in</strong> Sadowne das Amt e<strong>in</strong>es Geme<strong>in</strong>devorsitzenden und Beisitzers im<br />

Gericht. <strong>Die</strong> Ehefrau kam im polnischen Vernichtungslager Potolice bei Bromberg um, ebenso<br />

der Sohn Erhard. <strong>Die</strong> Tochter Erna (*1919) hat dies Verzeichnis der E<strong>in</strong>wohner aufgestellt. Sie<br />

ist mit dem Lehrer Jakob Papke verheiratet und lebt <strong>in</strong> Unterlüß (Lüneburger Heide). Bei ihr<br />

ist Adolf Kurtz 1987 kurz vor Vollendung des 84. Lebensjahres verstorben.<br />

3. Tomasz Wiechowski, e<strong>in</strong> Pole<br />

4. Jan Danaj, e<strong>in</strong> Pole<br />

5. Tomasz Szimanik, e<strong>in</strong> Pole<br />

6.<br />

7.<br />

8.<br />

9.<br />

10.<br />

Samuel Theise, verh. mit Hulda Jabs. Das Ehepaar Theise hatte 5 K<strong>in</strong>der. Hulda Theise ist vor<br />

kurzem hochbetagt bei ihrem ältesten Sohn Jakob <strong>in</strong> der Nähe von Cuxhaven verstorben. Ihre<br />

Schwester Emilie war mit Samuel Ratke verheiratet, dem Bruder me<strong>in</strong>es Großvaters. Jakob<br />

Theise verstarb am 17. Januar 1996 an e<strong>in</strong>em Krebsleiden im Alter von 71 Jahren. Er war immer<br />

sehr an der Kolonie <strong>in</strong>teressiert.<br />

11. Ludwig H<strong>in</strong>tz, verh. mit e<strong>in</strong>er Ortlieb. H<strong>in</strong>tz war lange Zeit Dorfschulze <strong>in</strong> Sadoles.<br />

12. Wilhelm Wildemann,<br />

13. Albert<strong>in</strong>e Wildemann. Der alte Wildemann ist Missionar gewesen. Se<strong>in</strong>e Witwe heiratete später<br />

den Nachbarn Friedrich Krüger (Nr. 15). Der Sohn war Statthalter der deutschen Besatzung <strong>in</strong><br />

Sadowne bis Kriegsende und ist dann untergetaucht oder möglicherweise ums Leben gekommen.<br />

14. Samuel Krebs, geboren 1871, verh. mitJohanna Karau (1891-1945), Schwester der Frau Kurtz<br />

(Nr. 2). Von den K<strong>in</strong>der verstarb Amalie verh. Restau noch vor 1939. Der Ehemann Jakob Restau<br />

wanderte mit zwei K<strong>in</strong>der nach Kanada aus und ist kürzlich verstorben. Zwei Söhne, die<br />

Zwill<strong>in</strong>gsbruder Mart<strong>in</strong> und Robert, fielen im 2. Weltkrieg. <strong>Die</strong> Tochter Juliane war mit Edmund<br />

Baier verheiratet, der von den Polen gehängt wurde. Der Säugl<strong>in</strong>g der beiden verhungerte.<br />

Frau Johanna Krebs wurde auf den Transport von Plonsk nach Warschau umgebracht.<br />

<strong>Die</strong> jüngste Tochter starb gleich nach dem Krieg. In erster Ehe war Samuel Krebs mit Hulda<br />

Hartmann verheiratet, e<strong>in</strong>er Schwester der Großmutter me<strong>in</strong>er Großmutter.<br />

15. Friedrich Krüger, verh. mit Eva J abs verwitwete Wildemann. In russischer Zeit war er "Feldscher"<br />

und mit der Gesundheitslehre vertraut. Se<strong>in</strong>e Frau war als Hebamme tätig. In se<strong>in</strong>em<br />

Garten zog er Heilkräuter und Sträucher, um sie als Arzeneien zu verwenden. Er war stellvertretender<br />

Kantor, <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Haus fanden religiöse Zusammenkünfte statt. Er war der Patenonkel<br />

von Friedrich WilhelmJabs (1906-94), dem Bruder me<strong>in</strong>er Großmutter.<br />

16. Friedrich Ortlieb<br />

17. He<strong>in</strong>rich Matt, verh. mit Eva Soller. <strong>Die</strong> Familie wurde 1945 erschlagen. Matt war e<strong>in</strong> Nachkomme<br />

des reichen David Matt, ich glaube, sogar se<strong>in</strong> Sohn. Er war nur von kle<strong>in</strong>er Statur und<br />

wurde deshalb der "kle<strong>in</strong>e" Matt genannt. Se<strong>in</strong>e Ehefrau war erheblich größer als er. Me<strong>in</strong><br />

Vater hat persönlich gesehen, wie sie ihn züchtigte. Der Hof des Matt grenzte an den sogenannten<br />

Grenzweg. Se<strong>in</strong> Anwesen pflegte er dadurch zu vergrößern, daß er beim Auskleien<br />

des Grabens von der Straßenseite Erde wegnahm und auf se<strong>in</strong>e Seite des Grabens brachte. Der


75<br />

Grenzweg wurde dadurch immer schmaler, bis es auffiel und alles wieder rückgängig gemacht<br />

werden mußte.<br />

18. JozefKrol, e<strong>in</strong> Pole. <strong>Die</strong> Krull's, wie man auf deutsch schreiben würde, sollen deutscher Abkunft<br />

se<strong>in</strong>. Ich kann mir vorstellen, daß es sich um e<strong>in</strong>en Österreicher handelt, der Anfang des<br />

letzten Jahrhunderts <strong>in</strong> der Gegend hängen blieb.<br />

19. Tomasz Wojciechowski, Pole, e<strong>in</strong> Schmied<br />

20. Michal Krol, Pole<br />

21. Jan Kibart, Pole<br />

22. Stanislaw Kibart, Pole<br />

23. Heise und Knuth<br />

24. Gustav Brandt, verh. mit Gertrud Matt. Gustav Brandt war der Bruder oder Halbbruder von<br />

Wilhelm<strong>in</strong>e Hartmann, der Pflegemutter me<strong>in</strong>er Großmutter. Frau Brandt war die Tochter von<br />

David Matt, dem Reichen. Bei den Brandts lebten die Geschwister me<strong>in</strong>er Großmutter: Friedrich<br />

Wilhelm und Emilie. Frau Brandt starb im Lager Potolice an e<strong>in</strong>em Krebsleiden.<br />

25. Friedrich Erismann. <strong>Die</strong>sen Hof hatte se<strong>in</strong> Vater Leopold Erismann besessen, verh. mit Johanna<br />

Jabs, der Tante me<strong>in</strong>er Großmutter. Der Schwiegersohn war Re<strong>in</strong>hold Heise, den ich <strong>in</strong><br />

der Chronik wiederholt erwähne. Leopold Erismann war <strong>in</strong> der Verbannung <strong>in</strong> Rußland <strong>zur</strong><br />

Zeit des 1. Weltkrieges umgekommen. Se<strong>in</strong>e Witwe starb hochbetagt <strong>in</strong> den 70er Jahren <strong>in</strong> der<br />

DDR.<br />

26. Wawzuyniec Frackiewitz, Pole<br />

27. Waclaw Frackiewitz, Pole<br />

28. Samuel Restau<br />

29. AdolfEwald, verstorben 1993.<br />

30. Friedrich Restau<br />

31. Andreas Bauer<br />

32. Karl Restau<br />

33. Karl Majewski, <strong>in</strong> zweiter Ehe mit e<strong>in</strong>er Arndt-Witwe verheiratet.<br />

34. Aleksander Krol, e<strong>in</strong> Pole. E<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er K<strong>in</strong>der hat me<strong>in</strong> Großvater möglicherweise vor dem<br />

Tode gerettet. Als me<strong>in</strong> Großvater e<strong>in</strong>es Tages am Hof der Krol's vorbeikam war dort viel Geschrei.<br />

E<strong>in</strong>es der K<strong>in</strong>der hatte entsetzliches Nasenbluten, was nicht aufhören wollte. Me<strong>in</strong><br />

Großvater fertigte e<strong>in</strong>e Kompresse und brachte die Blutung zum Stillstand. Als 1939 der 2.<br />

Weltkrieg ausbrach, war der alte Krol sehr wütend auf die Deutschen. Se<strong>in</strong>en Sohn, nunmehr<br />

e<strong>in</strong> sehr alter Mann, haben wir bei unserem Besuch <strong>in</strong> der Kolonie gesehen. Er bewirtschaftet<br />

nun e<strong>in</strong>en der Wies<strong>in</strong>ger-Höfe.<br />

35. Boleslaw Trojan, e<strong>in</strong> Pole<br />

36. Samuel Jabs, verh. mit e<strong>in</strong>er Ortlieb. Sohn des Jakob Jabs, genannt "Buttermilch"-Jabs und<br />

se<strong>in</strong>er Ehefrau Karol<strong>in</strong>e Semke. Es waren Verwandte me<strong>in</strong>er Großmutter. SamuelJabs war der<br />

Patenonkel me<strong>in</strong>es Vaters. 1939 verließ er Sadoles nicht und wurde bald darauf ermordet.<br />

37. Gustav H<strong>in</strong>tz, verh. mit e<strong>in</strong>er M<strong>in</strong>ke. <strong>Die</strong> Eheleute H<strong>in</strong>tz verstarben beide <strong>in</strong> den 30erJahren.<br />

Der Sohn Hermann H<strong>in</strong>tz war als Sargmacher tätig. Er kam 1945 durch e<strong>in</strong>en Stromschlag <strong>in</strong><br />

der Nähe von Wilster ums Leben. Se<strong>in</strong>e Witwe, e<strong>in</strong>e Lemke aus der Kolonie Groß Paprotsch,<br />

dort geboren 1913, lebt heute <strong>in</strong> St. Michaelisdonn/Dithmarschen. Der Sohn ist e<strong>in</strong> talentierter<br />

Musiker, der e<strong>in</strong> Bläserensemble leitet und auch schon im Fernsehen aufgetreten ist. <strong>Die</strong> Eheleute<br />

Hermann und Olga H<strong>in</strong>tz s<strong>in</strong>d die Paten me<strong>in</strong>es <strong>in</strong>zwischen schon verstorbenen Onkels<br />

Waldemar Ratke (*1939).<br />

38. Ludwig M<strong>in</strong>ke, verh. mitJuliane H<strong>in</strong>tz. M<strong>in</strong>ke war der direkte Nachbar unserer Familie <strong>in</strong> Sadoles.<br />

Se<strong>in</strong> Hof war nur wenige Meter entfernt. Wie mir me<strong>in</strong>e Großmutter erzählte, war es ursprünglich<br />

der H<strong>in</strong>tz-Hof, doch überließ der alte H<strong>in</strong>tz dieses Anwesen se<strong>in</strong>em Schwiegersohn<br />

und baute sich nebenan e<strong>in</strong>en neuen Hof. M<strong>in</strong>ke war nebenbei Gärtner. Jeden <strong>Die</strong>nstag stand<br />

er <strong>in</strong> Sadowne auf dem Markt. Er hatte aber nie ernsthafte Konflikte mit se<strong>in</strong>en polnischen<br />

Konkurrenten. Se<strong>in</strong>e Salzgurken galten als die besten weit und breit. Se<strong>in</strong>e Frau war kränklich,


76<br />

so daß er sich häufig das Essen selbst bereiten mußte. E<strong>in</strong> überliefertes Gericht von ihm war<br />

gebratenes Euter <strong>in</strong> Buttermilch. Selbst den vieles gewohnten Kolonisten schauderte bei dem<br />

Gedanken, derartiges essen zu müssen. <strong>Die</strong> Tochter Olga war im Alter me<strong>in</strong>er Großmutter. Sie<br />

hatte e<strong>in</strong>en sehr zweifelhaften Ruf. Verheiratet war sie mit Ludwig Sollert aus Morzyczyn. Wegen<br />

ihr hatten sich zwei ihrer "Verehrer" zerstritten. Als der e<strong>in</strong>e von se<strong>in</strong>em Besuch bei Olga<br />

<strong>zur</strong>ückkam, schoß ihn der andere nieder. - Olga M<strong>in</strong>ke hat das Hochzeitskleid me<strong>in</strong>er Großmutter<br />

geschneidert. Ludwig M<strong>in</strong>ke starb während der Flucht 1945 irgendwo <strong>in</strong> Pommern,<br />

konnte aber, wie Olga me<strong>in</strong>er Großmutter schrieb, mit Sarg und Pastor würdevoll beerdigt<br />

werden.<br />

39. Der Peter-Hartmann-Hof, ab 1932 bewohnt von der Familie Adolf Ratke, me<strong>in</strong>er Familie.<br />

<strong>Die</strong>sen Hof hatte Peter Hartmann 1890 von e<strong>in</strong>em Restau gekauft.<br />

40. Christian Hartmann, genannt "Käsch" verheiratet mit e<strong>in</strong>er Paul<strong>in</strong>e Jabs aus <strong>Platkowniza</strong>.<br />

Christian war der Halbbruder von Peter Hartmann, dem Pflegevater me<strong>in</strong>er Großmutter. Er<br />

war aber erheblich jünger. Se<strong>in</strong>e Tochter Frieda war mit Adolf Neumann verheiratet, der im<br />

Krieg an der Schw<strong>in</strong>dsucht starb. <strong>Die</strong> Pol<strong>in</strong>, die ihn bis zu se<strong>in</strong>em Tode gepflegt hat, habe ich<br />

vor e<strong>in</strong>igen Jahren im Dorf Birglau kennengelernt. Sie erzäWte, daß sie ke<strong>in</strong> Hochdeutsch<br />

sprechen könne, durch Neumann aber das Kolonisten-Platt verstehen würde.<strong>Die</strong> Hartmanns<br />

s<strong>in</strong>d nach Amerika ausgewandert.<br />

41. Friedrich Jabs, verh. mit Marianne Hartmann. Jabs, genannt "Leed-Jabs" (Läut-Jabs), war der<br />

Küster der Kirche zu Sadoles, war mit e<strong>in</strong>er weiteren Halbschwester des Peter Hartmann verheiratet.<br />

Wegen se<strong>in</strong>er eigenwilligen Art zu gehen, nannte man ihn auch den "Kloss-Jabs"<br />

(Stampf-Jabs).<br />

42. He<strong>in</strong>richsohn, <strong>in</strong> Morzycz<strong>in</strong><br />

43. Ludwig Restau, <strong>in</strong> Morzycz<strong>in</strong><br />

44. Ludwig Sollert, <strong>in</strong> Morzycz<strong>in</strong>, war verh. mit der bereits schon erwähnten Olga M<strong>in</strong>ke. In erster<br />

Ehe war Olga mit e<strong>in</strong>em Dittmann verheiratet, der sie woW verlassen hatte und nach Amerika<br />

gegangen ist. Das K<strong>in</strong>d aus dieser Ehe starb 20jährig im 2. Weltkrieg an der Schw<strong>in</strong>dsucht. <strong>Die</strong><br />

Ehe mit Sollert sche<strong>in</strong>t nicht ideal gewesen zu se<strong>in</strong>, denn zumeist lebte Olga bei ihren Eltern.<br />

Sie haben sich woW später scheiden lassen. - Sollert war e<strong>in</strong> sehr brutaler und gleichzeitig auch<br />

e<strong>in</strong>faltiger Mann. Er arbeitete als Spitzel für die polnischen Behörden. Wegen se<strong>in</strong>er geistigen<br />

Beschränktheit wurde er von den deutschen Behörden nach 1939 nicht behelligt. Er soll später<br />

kränklich gewesen und bald nach Kriegsende <strong>in</strong> der DDR gestorben se<strong>in</strong>. - Es gibt über ihn<br />

e<strong>in</strong>e Anekdote: Nachdem man entdeckt hatte, daß er als Spitzel gearbeitet hatte und andere<br />

Kolonisten ihn anzeigten, merkte der Militärkommandant sehr bald, wessen Geistes K<strong>in</strong>d dieser<br />

Sollert sei und wollte ihn nicht bestrafen. <strong>Die</strong> Kolonisten me<strong>in</strong>ten, dies wäre ungerecht, also<br />

verurteilte ihn der Kommandant zum Tode, befaW aber, daß ihn die Kolonisten selbst erschießen<br />

sollten. Das wollten sie sich nicht aufs Gewissen laden, und Sollert machte sich aus<br />

dem Staube.<br />

45. Michael Spitzmacher. E<strong>in</strong> etwas mürrischer Mensch. Geboren wurde er am 14. Juni 1882 <strong>in</strong><br />

<strong>Platkowniza</strong> als unehelicher Sohn der Susanne Spitzmacher, die später <strong>in</strong> Lonschka lebte und<br />

93jährig <strong>in</strong> Westpreußen im 11.Weltkrieg starb. Er war Landwirt und ist im Juni 1944 <strong>in</strong> der<br />

Gegend von Plonsk gestorben. Se<strong>in</strong>e Witwe hat nach dem Krieg <strong>in</strong> der DDR gelebt. Me<strong>in</strong><br />

Vater hat ihn noch gut <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung. Michael Spitzmacher sah es nicht gern, wenn jemand<br />

über se<strong>in</strong> Land g<strong>in</strong>g und konnte dann sehr unfreundlich werden.<br />

46. Julius Spitzmacher, Landwirt und "Gelegenheitsdieb". Se<strong>in</strong>en Unterhalt verdiente er sich zum<br />

Teil durch <strong>Die</strong>bstäWe. Er war woW e<strong>in</strong>e sehr zwielichtige Person, die häufig mit dem Gesetz <strong>in</strong><br />

Konflikt kam. Vermutlich hat er das Haus des Peter Hartmann ausgeraubt, als die Familie<br />

nicht anwesend war. E<strong>in</strong> schweres Verbrechen bei den Kolonisten, die zumeist arm waren und<br />

von ihren Vorräten leben mußten. Waren die Vorräte verloren, so hatten sie meist nicht das<br />

Geld, sich Lebensmittel <strong>in</strong>genügender Menge zu kaufen und mußten hungern. - Von ihm wird<br />

die folgende Geschichte erzäWt: E<strong>in</strong>e Frau wollte sich die Hände waschen, nahm deshalb ihren<br />

R<strong>in</strong>g ab und legte ihn aufs Fensterbrett. Sie vergaß den R<strong>in</strong>g und als sie ihn nach geraumer<br />

Zeit holen wollte, war er nicht mehr an se<strong>in</strong>em Platz. Sie hatte Spitzmacher gesehen und bezichtigte<br />

nun ihn des <strong>Die</strong>bstaWes. <strong>E<strong>in</strong>ige</strong> Jahre später wurde e<strong>in</strong> Baum gefallt, auf dem sich e<strong>in</strong><br />

Elsternnest befand. In diesem Nest fand man den angeblich von Spitzmacher gestoWenen


77<br />

R<strong>in</strong>g. Er war ausnahmsweise mal zu Unrecht e<strong>in</strong>es Verbrechens beschuldigt worden. Julius<br />

Spitzmacher war wohl nur weitläufig mit Michael Spitzmacher verwandt. Er war etwa gleich alt<br />

wie dieser, stammte ebenfalls aus <strong>Platkowniza</strong> und wurde 1945 von den Polen erschlagen. Se<strong>in</strong>e<br />

jüngste Tochter Selma lebt <strong>in</strong> Süddeutschland. <strong>Die</strong> Ehefrau hieß Johanna Ritz.<br />

47. H<strong>in</strong>tz. Außer dem Familiennamen ist mir nichts bekannt.<br />

48. He<strong>in</strong>rich Kerker, verh. mit Rosamunde Jabs, der Tochter des "Läut"-Jabs. E<strong>in</strong> Sohn ist beim<br />

Reichsarbeitsdienst umgekommen, er war im Alter me<strong>in</strong>es Vaters. Kerker selbst wurde mit se<strong>in</strong>er<br />

Tochter nach Rußland verschleppt, später an die Polen ausgeliefert. Er soll große Qualen<br />

erlitten haben. - Neben Kerker hat e<strong>in</strong> Schulz gewohnt. Das Haus ist auf dem Plan mit ke<strong>in</strong>er<br />

Ziffer versehen. Manche rechnen Schulz <strong>Platkowniza</strong> zu.<br />

49. Christian Krebs (1880 - 1942), verh. mit Stefanie Arndt (1886 - 1959). Der bereits schon <strong>in</strong> der<br />

Geschichte vom Brand der Kirche zu Sadoles erwähnte Kirchenvorsteher. Er hatte e<strong>in</strong>en großen<br />

Hof <strong>in</strong> Morzyczyn, war Imker und Züchter von Obstbäumen. Se<strong>in</strong> Schwiegervater Josef<br />

Wichowski war Pole und durfte 1915, als die Deutschen verschleppt wurden, auf dem Hof<br />

bleiben, so daß Krebs nach der Rückkehr alles komplett vorfand, wogegen die anderen Kolonisten<br />

weder Saatgut noch Vieh, teilweise sogar ke<strong>in</strong>e Höfe mehr hatten. <strong>Die</strong>ser Pole, genannt<br />

der "alte" Josef hatte aber für alle Kolonisten Saatkartoffeln bereitgestellt, so daß hieran ke<strong>in</strong><br />

Mangel bestand. Se<strong>in</strong>e Tochter war Susanne Arndt, die Ehefrau des Krebs aus e<strong>in</strong>er unehelichen<br />

Verb<strong>in</strong>dung mit e<strong>in</strong>er Marianne Arndt. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d Wilhelm, gefallen 1945, verheiratet<br />

mit e<strong>in</strong>er Krebs aus Wola Polewna, Natalie, verheiratet mit e<strong>in</strong>em Ratke, Eduard (ungekommen<br />

1945/46), Emilie (1911-1995), verheiratet mit He<strong>in</strong>rich Arndt, verstorben <strong>in</strong> Wilster,<br />

Friedrich (von Beruf Lehrer), gefallen im H. Weltkreig, verheiratet mit Emilie Kurtz aus der<br />

Familie Kurtz (Nr. 2 dieser Liste) sowie Walter Krebs (1923 - 1991), der mit e<strong>in</strong>er Renate Baier<br />

aus <strong>Platkowniza</strong> verheiratet war .•<br />

50. Hermann Ewald, verh. mit Auguste M<strong>in</strong>ke. Hermann Ewald ist im 2. Weltkrieg gefallen, se<strong>in</strong>e<br />

Frau starb nach schwerer Krankheit gleich nach der Flucht 1945 hier <strong>in</strong> Holste<strong>in</strong>. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong>der<br />

wurden dann von der älteren Tochter Erika versorgt, nachdem sie aus e<strong>in</strong>em polnischen Gefangnis<br />

entweichen konnte. Sie ist vor e<strong>in</strong>igen Jahren im Rhe<strong>in</strong>land gestorben. - <strong>Die</strong> Tochter<br />

Emilie starb <strong>in</strong> Sadoles 1935 an e<strong>in</strong>er Lungenentzündung. Me<strong>in</strong> Vater er<strong>in</strong>nert sich noch daran,<br />

wie Hermann Ewald bei me<strong>in</strong>em Großvater erschien und ihn darum bat, für ihn die Milch <strong>zur</strong><br />

Meierei zu fahren, weil ihm gerade die Tochter verstorben sei. - <strong>Die</strong>se Familie hat viel Leid ertragen<br />

müssen. Außer e<strong>in</strong>em Sohn lebt ke<strong>in</strong> Mitglied der Familie mehr.<br />

51. Adolf Wade, der Dorflehrer<br />

52. <strong>Die</strong> deutsche <strong>Schule</strong><br />

53. <strong>Die</strong> evangelische Kirche<br />

54. Gustav Braun (1900 - 1945) und se<strong>in</strong>e Ehefrau Else geb. P<strong>in</strong>kowski (1908 - 1988)<br />

55. Hermann Braun, verh. mit Rosamunde Lamprecht. <strong>Die</strong> Tochter Jenny lebt <strong>in</strong> den USA. Der<br />

Bruder des Lehrers.<br />

56. Hermann Lamprecht, verh. mit Rosamunde Restau. Der e<strong>in</strong>zige Sohn fiel im 2. Weltkrieg<br />

57. Der Pole Ojdana<br />

58. Johann Restau<br />

59. Patzer. Wie der letzte Eigentümer dieses Hofes hieß, konnte ich nicht <strong>in</strong> Erfahrung br<strong>in</strong>gen.<br />

Es handelt sich bei dieser Familie um diejenige, die mehrfach <strong>in</strong> dieser Chronik ersche<strong>in</strong>t.<br />

60. Michael Beier, verh. mit Emilie Beyer verw. Wiese. <strong>Die</strong> Tochter Jan<strong>in</strong>a heiratete Jakob Restau<br />

und wanderte mit ihm nach Kanada aus.<br />

61. Robert Loog, verh. mit Amalie Restau. <strong>Die</strong> Familie Loog stammt der Überlieferung nach aus<br />

Ostfriesland. Loog war Bauer und gleichzeitig Fleischer. Er war Leiter der Genossenschaft,<br />

über die noch berichtet wird. 1944 ist er <strong>in</strong> Rußland verschollen. <strong>Die</strong> Loogs hatten zahlreiche<br />

K<strong>in</strong>der.<br />

62. Ortlieb und Beier<br />

63. Karl Ortlieb, verh. mit Hulda Jabs. Hulda ist die Tochter des "Läut"-Jabs und im gleichen Alterwie<br />

me<strong>in</strong>e Großmutter. Ab 1939 waren die Ortliebs die Nachbarn unserer Familie <strong>in</strong>


Bischfeld. Karl Ortlieb ist vor e<strong>in</strong>igen Jahren gestorben, se<strong>in</strong>e Witwe lebte <strong>in</strong> Bergen/Niedersachsen.<br />

64. Friedrich Ortlieb<br />

65. Dittmann und Frank<br />

78<br />

66. Friedrich Jabs, verh. mit Amalie Krebs. Jabs war Schmied und e<strong>in</strong> Vetter me<strong>in</strong>es Urgroßvaters<br />

J ohann Jabs. Er wurde 1939 von den Polen <strong>in</strong>terniert, von der deutschen Wehrmacht befreit,<br />

kam dann aber nach dem Weltkrieg im polnischen Vernichtungslager Potolice um. Das Ehepaar<br />

hatte zahlreiche K<strong>in</strong>der.<br />

67. Wisniewski, e<strong>in</strong> Pole<br />

68. Jakob Restau<br />

69. Gustav Frank, verh. mit Christ<strong>in</strong>e Hude. Sadoles hatte e<strong>in</strong> eigenes Blasorchester. Hier spielte<br />

Frank die Tuba. Se<strong>in</strong>e Ehefrau war e<strong>in</strong>e Halbschwester me<strong>in</strong>er Urgroßmutter Paul<strong>in</strong>e Jabs<br />

geb.Semke. Das Ehepaar hatte zwei K<strong>in</strong>der, der Sohn fiel im Krieg<br />

70. Wilhelm Nehr<strong>in</strong>g, verh. mit Emilie Neumann<br />

71. Wilhelm Neumann, verh. mit Juliane Jabs. Er war der letzte Dorfschultze von Sadoles, gleichzeitig<br />

war er als Nachfolger des "Läut"-Jabs Küster und blies im Orchester.<br />

72. Neumann - Hude. <strong>Die</strong>sen Hof bewirtschaftete Marianne Neumann verw. Hude geb. Semke<br />

(1858 - 1943), me<strong>in</strong>e Ururgroßmutter. Sie hatte nach der Rückkehr aus der Verschleppung<br />

nach Rußland den Witwer Ludwig Neumann geheiratet. Eigentümer<strong>in</strong> blieb sie bis 1939, trotz<br />

ihres hohen Alters. - Auf die Familie gehe ich noch ausführlicher e<strong>in</strong>.<br />

73. He<strong>in</strong>rich Rienas, verh. mit Alw<strong>in</strong>e Patzer. Rienas, e<strong>in</strong> Semke-Nachkomme und damit e<strong>in</strong> weitläufiger<br />

Verwandter me<strong>in</strong>er Familie, hatte neun Töchter.<br />

74. Das Genossenschaftsgebäude<br />

75. Waldemar <strong>Die</strong>sner, verh. mit Lydia Wies<strong>in</strong>ger.Der bereits schon erwähnte Lehrer <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong>.<br />

Er wanderte später nach Kanada aus.<br />

76. Johanna Ewald, genannt Poczus (gesprochen Potschuss), e<strong>in</strong>e geb. Wies<strong>in</strong>ger. E<strong>in</strong>e Frau mit<br />

äußerst schlechtem Ruf. Sie war wohl mehrfach verheiratet bzw. lebte mit verschiedenen Män­<br />

nern zusammen. Abtreibungen waren verboten, so wandten sich <strong>in</strong> Not geratene Frauen an die<br />

"Poczus". Sie blieb nach 1939 <strong>in</strong> Sadoles und wurde dort ermordet. Es heißt, e<strong>in</strong>er ihrer Lebensgefahrten<br />

soll sie ermordet haben aus Rache. Genaues ist nicht zu erfahren. Sie ist noch<br />

heute den polnischen Anwohnern dort e<strong>in</strong> Begriff. Der Ehemann Ewald war nach Kanada<br />

ausgewandert.<br />

77. He<strong>in</strong>rich Wies<strong>in</strong>ger. Se<strong>in</strong>e Ehefrau stammte aus Paprotsch und hat die Ehe zwischen me<strong>in</strong>er<br />

Großtante Emilie Jabs und dem Buse vermittelt.<br />

78. Wilhelm Wies<strong>in</strong>ger und Ehefrau geb. Baier. Wilhelm Wies<strong>in</strong>ger war e<strong>in</strong> begabter Geigenspieler<br />

und spielte auf Hochzeiten. <strong>Die</strong> K<strong>in</strong>der hatten die Musikalität geerbt.<br />

79. He<strong>in</strong>rich Dittmann, verh. mit Paul<strong>in</strong>e Jabs<br />

80. Adolf Heise<br />

81. Wilhelm Restau<br />

82. Edmund Jabs, verh. mit Anna Hartmann. Edmund hatte <strong>in</strong> den dreißiger Jahren das sogenannte<br />

Pfaffenland <strong>in</strong> der Nähe von Sadowne erworben. Se<strong>in</strong>e Frau Anna starb früh. Darauf­<br />

h<strong>in</strong> heiratete er e<strong>in</strong>e Erismann. Sie kam mit zwei ihrer K<strong>in</strong>der bei e<strong>in</strong>em Bombenangriff 1945<br />

ums Leben. Jabs selbst starb <strong>in</strong> Schleswig-Holste<strong>in</strong> bei der Arbeit auf dem Felde an e<strong>in</strong>em<br />

Herzschlag.<br />

83. Emil Jeske, verh. mit Mathilde Bauer. Mathilde Bauer war Krankenschwester <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Auf<br />

Veranlassung ihrer Mutter kehrte sie nach Sadoles <strong>zur</strong>ück, um das Erbe nach ihren Eltern zuübernehmen.<br />

Der Ehemann stammte aus Lontschka.<br />

84. Szymanik und Drost, Polen<br />

85. Jan Szymanik, Pole<br />

86. Piotr Szymanik, Pole<br />

87. Kalbarczyk, Pole - Hier besaß auch He<strong>in</strong>rich Rienas Land (Nr. 72)


88. Jan Robak, Pole<br />

89. Decyk, Pole<br />

90. A Gustav Ziesmann<br />

91. B He<strong>in</strong>rich Ortlieb, verh. mit Anna Bauer. Der Sohn Ludwig war Brettschneider.<br />

79<br />

92. Ferd<strong>in</strong>and Ewald, <strong>in</strong> zweiter Ehe verheiratet mit Emma Ortlieb, <strong>in</strong> erster mit Paul<strong>in</strong>e Bauer.<br />

Ewald war Schuhmacher. Schon vor dem 1. Weltkrieg hatte er e<strong>in</strong>e Büchersammlung mit Werken<br />

von Goethe und Tolstoi. Vor der Deportation 1915 nach Rußland vergrub er sie - gut verpackt<br />

- im Hühnerstall. Kaum beschädigt fand er sie nach der Rückkehr wieder.Er hatte Interesse<br />

am Schachspiel. Er gehörte mit zu denen, die 1939 von den Polen festgenommen wurden.<br />

93. D Rosalia Ros<strong>in</strong>ka, e<strong>in</strong>e Pol<strong>in</strong><br />

94. E Kam<strong>in</strong>ska, e<strong>in</strong>e Pol<strong>in</strong><br />

95. F <strong>Die</strong> Brüder Herrmann, Gustav und Karl Bauer. Hermann Bauer war mit Gerturd Brandt<br />

verheiratet, der Nichte von Gustav Brandt. Sie lebten später auf se<strong>in</strong>em Hof (Nr. 24). Nach<br />

dem Krieg lebten sie <strong>in</strong> Thür<strong>in</strong>gen. - Gustav Bauer verzog nach Paprutsch. - Später lebte hier<br />

nur noch Kar! Bauer mit se<strong>in</strong>er Familie. <strong>Die</strong> Mutter der Brüder, die sogenannte "Ludwig Bauersche"<br />

(nach ihrem Mann), besaß enorme Kenntnisse <strong>in</strong> der Kräuterheilkunde, <strong>in</strong>sbesondere<br />

der von Flechten und Moosen.<br />

96. G Ludwig Ewald, verh. mit Paul<strong>in</strong>e Lamprecht. Ewald war von Beruf Zimmermann. Zum<br />

Richtfest hatte er stets e<strong>in</strong>en Spruch parat. Er war sehr musikalisch. Im fortgeschrittenen Alter<br />

heiratete er erst und hatte zwei Söhne.- Anna Ewald wohnte mit <strong>in</strong> dem Haus. Sie war Sprechstundenhilfe<br />

bei e<strong>in</strong>em Psychotherapeuten <strong>in</strong> Warschau. <strong>Die</strong> Mutter Eva war Hebamme. Auf<br />

Sterilität legte sie großen Wert, was damals nicht unbed<strong>in</strong>gt übli,ch war. Der Bruder Edmund<br />

war Angestellter bei der Krankenkasse <strong>in</strong> Leslau und kam um.<br />

97. H Samuel Spitzmacher, e<strong>in</strong> Vetter der Spitzmachers aus Morczycyn<br />

98. I Zadozny, Pole<br />

99. J JozefWiechowski, Pole<br />

Hermann H<strong>in</strong>tz aus SadoleS<br />

Nachbar der Ratke's


Aus der Feder von Erna Papke geb. Kurtz stammen die beiden nachfolgenden Erzählungen<br />

über E<strong>in</strong>wohner von Sadoles, die e<strong>in</strong>en gewissen E<strong>in</strong>blick über das Leben <strong>in</strong> der Kolonie geben.<br />

Me<strong>in</strong> Onkel Samuel aus Sadoles<br />

80<br />

"Um den Weg aus der <strong>Schule</strong> von Sadowne nach Hause abzukürzen, unternahm ich die Wanderung<br />

durch die sumpfigen Wiesenwege am Wald. Vorbei an den Häusern drei polnischer Brüder,<br />

J an, Piotr und Stanislaw Szymanik, Drost und Bauer. Hier wohnte e<strong>in</strong>e entfernte Verwandte, Mathilde<br />

Bauer (später mitJeske verheiratet). Nach vielen Bemühungen me<strong>in</strong>es Vater bei Konsulaten,<br />

durfte sie ihren Beruf <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> aufgeben und das Erbe nach ihrer Mutter übernehmen.<br />

Weiter nördlich, h<strong>in</strong>ter der Straße, konnte man die Häuser von He<strong>in</strong>rich Matt, vom alten Heilpraktiker<br />

Friedrich Krüger und Wildemann sehen.<br />

Ich näherte mich der langen Drift, zu beiden Seiten mit Kopfweiden e<strong>in</strong>gerahmt, die zum Viehaus<br />

tritt diente. <strong>Die</strong>ser Weg führte zu me<strong>in</strong>er Tante Hannchen Gohanna geb. Karau), Schwester<br />

me<strong>in</strong>er Mutter und zu me<strong>in</strong>em Onkel Samuel Krebs (genannt Rakowski). Er stand, gestützt auf e<strong>in</strong>em<br />

Stock, auf dem Hof. Se<strong>in</strong>e Augen prüften den Horizont, überflogen den Himmel und stellten<br />

die W<strong>in</strong>drichtung fest. <strong>Die</strong> starken Augenbrauen, die teilweise se<strong>in</strong>e Augen verdeckten und der buschige<br />

Schnurrbart gaben ihm die Ähnlichkeit von Marschall Pilsudzki. Oft zog ich diese Vergleiche,<br />

wagte aber nicht, es ihm zu sagen.<br />

Um ihn nicht <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Wetterforschungen zu stören, g<strong>in</strong>g ich ganz langsam auf ihn zu und<br />

blieb dann stehen. Jetzt bemerkte er mich. Se<strong>in</strong> Blick fiel auf me<strong>in</strong>e durchnäßten Füße, die mit<br />

Schlamm bedeckt waren.<br />

"Best ja ganz voll Blaat, wast noch krank ware, Hunge hast ook - kommst woll ute School",<br />

sagte er und führte mich <strong>in</strong> den Flur .•<br />

Me<strong>in</strong>e Cous<strong>in</strong>e Amalie bereitete mir e<strong>in</strong> Fußbad und Tante Hannchen servierte e<strong>in</strong>e heille<br />

R<strong>in</strong>dfleischsuppe mit selbstgemachten Nudeln. Bald darauf ertönte Onkel Samuels Stimme aus<br />

dem großen Wohnzimmer: "Erna, komm, eck well die wat vatälle!" Nun erzählte mir me<strong>in</strong> Onkel<br />

von W<strong>in</strong>d, Wolken und Wetter. Das war nicht das erste Mal. Sicher merkte me<strong>in</strong> Onkel, daß ich<br />

immer aufmerksam zuhörte. <strong>E<strong>in</strong>ige</strong>s ist mir heute noch <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung:<br />

Länger andauernde Schönwetterlage bei grau-blauem Himmel.<br />

Wetterumschlag bei weill-grauem Himmel, verbunden mit Dunst.<br />

E<strong>in</strong>e tiefe Blaufarbung der Atmosphäre mit guter Sicht kann auf plötzliches schlechtes Wetter mit<br />

Sturm h<strong>in</strong>deuten.<br />

Das Wetter bleibt stabil, wenn abends die Sterne klar und deutlich hervortreten.<br />

Wenn die Sterne uns zubl<strong>in</strong>ken oder sogar verdeckt werden, setzt e<strong>in</strong> Wetterumschwung e<strong>in</strong>, besonders<br />

nach längerer Schönwetterperiode.<br />

Das Auftreten von Kreisen oder Höfen um Sonne und Mond kann Regen im Sommer und Schnee<br />

im W<strong>in</strong>ter br<strong>in</strong>gen.<br />

Der Regenbogen vor 12 Uhr weist auf Regenschauer aus dem Westen, der am Nachmittag auf<br />

Regen aus dem Osten h<strong>in</strong>.<br />

Wetterleuchten auf der nördlichen Halbkugel kündigt Gewitter an, jedoch ke<strong>in</strong>en Dauerregen.<br />

Nördliche und westliche W<strong>in</strong>de br<strong>in</strong>gen im Sommer Regen, im W<strong>in</strong>ter Schnee.<br />

Ost- und Südw<strong>in</strong>de br<strong>in</strong>gen Wärme und schönes Wetter.<br />

Ostw<strong>in</strong>d br<strong>in</strong>gt im W<strong>in</strong>ter Frost.<br />

Turmwolken, die ausgefranst s<strong>in</strong>d, helle und dunkle Farben aufweisen, br<strong>in</strong>gen Wärmegewitter mit<br />

anschließender Abkühlung.<br />

Hoch am Himmel stehende Federwolken bescheren gutes Wetter; gesellen sich niedriggehende,<br />

dunklere Haufenwolken dazu, kann es zu starken Niederschlägen kommen. W<strong>in</strong>drichtung beachten!<br />

Kle<strong>in</strong>e, helle Haufenwolken, die sich auflösen, deuten e<strong>in</strong>e Schönwetterlage an.


Hohe, übere<strong>in</strong>andergeschichtete Wolken, mehrfarbig, br<strong>in</strong>gen veränderliches Wetter, besonders,<br />

wenn sich ihnen Federwolken, die niedrig gehen, anschließen.<br />

81<br />

Lockere, ganz niedrige Wolken bänke, die schnell am Himmel vorüberziehen, br<strong>in</strong>gen ke<strong>in</strong>en Niederschlag.<br />

Bergähnlich aufgetürmte, drohende Wolken mit e<strong>in</strong>er Mütze s<strong>in</strong>d Gewitterwolken.<br />

Begehrt s<strong>in</strong>d die hellen, losen Schäferwolken am Himmel, die gutes Wetter br<strong>in</strong>gen. Aber wenn die<br />

Schäfchen sich <strong>in</strong> "Kähne" flüchten müssen, ist Regen <strong>in</strong> Aussicht.<br />

Ja, Onkel Samuel erzählte vom Morgen- und Abendrot, von Amboßwolken, die sprühen und<br />

von Fischgrätwolken, die das Wetter verändern. Es soll sogar Zigarrenwolken geben. Das Verhalten<br />

der Vögel und anderen Tieren gab ihm Aufschluß über herannahendes Unwetter. Ich kann<br />

mich nicht er<strong>in</strong>nern, daß er über Bauernregeln oder den 100jährigen Kalender gesprochen hätte.<br />

Se<strong>in</strong>e eigenen Erfahrungen täuschten ihn kaum.<br />

Gegen Wetterfühligkeit empfahl er abgekochtes Wasser mit Zucker oder Salz, im W<strong>in</strong>ter Salzher<strong>in</strong>ge,<br />

im Sommer frische Gurken.<br />

Für se<strong>in</strong>e rassige R<strong>in</strong>derzucht war er bekannt. Von se<strong>in</strong>en prämierten Zuchtbullen profitierten<br />

die Kühe <strong>in</strong> weiterer Umgebung. E<strong>in</strong> solches Tier hatte se<strong>in</strong> Be<strong>in</strong> verletzt, seitdem h<strong>in</strong>kte er. Aber<br />

se<strong>in</strong> Wille bliebt ungebrochen. Auf dem Bauernhof hatte er durch Hermann Bauer e<strong>in</strong>e große und<br />

zuverlässige Hilfe. Onkel Samuel's Tod kam plötzlich und unerwartet. <strong>Die</strong> Führung des Hofes<br />

übernahm me<strong>in</strong>e Tante. Deren älteste Tochter Amalie übernahm <strong>in</strong> Platkown1za den Bauernhof<br />

unseres Großvaters, Christian Karau (gestorben 1933), und heiratete Jakob Restau. Sie starb vor<br />

Ausbruch des 2. Weltkrieges und h<strong>in</strong>terließ e<strong>in</strong>en Sohn und e<strong>in</strong>e Tochter, die nach dem Krieg 1945<br />

nach Kanada ausgewandert s<strong>in</strong>d. .<br />

Nach der Umsiedelung lebte Tante Hannchen mit ihren K<strong>in</strong>dern <strong>in</strong> Strachowo bei Plonsk. Ihr<br />

Leben wurde von Polen grausam beendet.<br />

Me<strong>in</strong> Onkel Julius aus Sadoles<br />

(um 1930)<br />

An e<strong>in</strong>em Sonntagmorgen standen wir um 5 Uhr auf. Unsere Mutter bereitete Tee und Brote<br />

für e<strong>in</strong>e Reise. Me<strong>in</strong>e Geschwister, Erhard und Emilie, durften auch mit.<br />

Der Wagen mit dem großen Fuchswallach von unserem Onkel, Julius Kurtz, hielt vor unserem<br />

Haus. Unsere Cous<strong>in</strong>en, Johanna und Paul<strong>in</strong>e, deckten vorhandene Körbe auf dem Wagen zu, ihr<br />

Bruder, Edmund, kutschierte.<br />

Wir fuhren <strong>in</strong> westlicher Richtung. Unser Haus stand rechts, die fünf polnischen l<strong>in</strong>ks von der<br />

Straße. L<strong>in</strong>ks, von der Straßengabelung nach Morzyczyn, war das Haus von Kar! und Kathar<strong>in</strong>a<br />

Rose, daneben die Häuser von Samuel und Hulda Theise, Samuel und Johanna Krebs und zwei<br />

polnische Höfe, Krol und Wojciechowski. H<strong>in</strong>ter diesem Haus, l<strong>in</strong>ks führte die Straße nach Sadowne,<br />

geradeaus nach Sojkowek zum Friedhof. Vor dieser Straßengabelung, rechts, befand sich<br />

e<strong>in</strong> breiter Weg zu unserer evangelischen Kirche (erbaut 1906 im schwedischen Stil). <strong>Die</strong>ser Weg<br />

lief parallel zum Grenzweg.<br />

Onkel Julius stellt prüfend die Frage, wer denn rechts an der Straße wohnen würde. Wir wußten<br />

es. Gegenüber von Theises: Ludwig H<strong>in</strong>tz, daneben Wildemann sowie Krüger und an der Ekke:<br />

He<strong>in</strong>rich Matt. Dort bogen wir <strong>in</strong> den Grenzweg e<strong>in</strong>. Hier stand früher, l<strong>in</strong>ks, die alte Kirche,<br />

sie war abgebrannt. H<strong>in</strong>ter dem Feld sahen wir die neue, nördlich davon das Kantoratshaus, <strong>in</strong><br />

dem Lehrer Braun wohnte. Östlich davon, direkt am Grenzweg, wohnte der Lehrer und Kantor i.<br />

R. AdolfWade. Gegenüber, rechts, Ortlieb. Er war der Nachbar von Matt. Nun kamen Wiesen<br />

und Äcker. Das nächste und letzte Haus gehörte unserem Küster, Friedrich Jabs. (Anmerkung:<br />

Hier g<strong>in</strong>g der kle<strong>in</strong>e Privatweg ab, der auch am Hof der Ratke's vorbeiführte). Wir fuhren über e<strong>in</strong>e<br />

kle<strong>in</strong>e Brücke und befanden uns <strong>in</strong> <strong>Platkowniza</strong>. Rechts wohnte Schulz, se<strong>in</strong> Grundstück<br />

grenzte an Morzycyn. Östlich wohnten Kerker, Spitzmacher und Sollert, sie gehörten <strong>zur</strong> Geme<strong>in</strong>de<br />

Sadoles.<br />

Zwischen den Häusern von David Matt und Ratke verließen wir den Grenzweg. Wir fuhren<br />

westlich, <strong>in</strong> Richtung Kirche und bogen rechts auf die Chaussee nach Brok e<strong>in</strong>. L<strong>in</strong>ks sahen wir die<br />

Mühle, dann g<strong>in</strong>g die Fahrt weiter bis zum letzten Haus, rechts, direkt gegenüber vom Bug. Hier


82<br />

wohnte der Landwirt Julius Ratke, früher Musikant. Mit se<strong>in</strong>em Schifferklavier erfreute er so manches<br />

Hochzeitspaar. Me<strong>in</strong> Cous<strong>in</strong> Siegismund Kurtz hatte dessen Tochter Hulda <strong>zur</strong> Ehefrau. Beide<br />

bewirtschafteten das Erbe. Später bauten sie sich e<strong>in</strong> Haus gegenüber der Mühle.<br />

Onkel Julius führte uns näher an den Fluß. Hier lagerten Hunderte, ja, Berge von Holzstämmen.<br />

Wir konnten es kaum fassen! - Manche Stämme waren wie e<strong>in</strong> Fußboden zusammengefügt.<br />

Onkel Julius erzählte uns, daß Fachleute aus <strong>Platkowniza</strong> und Brok die Holzstämme zu Flößen<br />

zusammenzimmem würden, so daß auf diesen Wohn- und Schlafmöglichkeit bestand.<br />

In sumpfigen Gebieten wurde das Holz bei starkem Frost mit Pferdeschlitten abgefahren. In<br />

der Hochsaison wurden den Beschäftigten warme Mahlzeiten gereicht. Das alles vollzog sich unter<br />

der Organisation e<strong>in</strong>es Kaufmannes und Flößers Papengut aus Deutschland. Er hatte se<strong>in</strong>en zweiten<br />

Wohnsitz bei Hulda und Siegismund Kurtz. Sie waren bereit zu dolmetschen, Arbeiter sowie<br />

Quartiere zu besorgen und auf die notwendige Ordnung zu achten. Das war viel Arbeit. Alle freuten<br />

sich, wenn das Vorhaben gelungen war. Dann fuhren die Flößer auf dem Bug und der Weichsel<br />

mit den Holzstämmen nach Danzig.<br />

Onkel Julius hatte noch e<strong>in</strong>e Überraschung. Er kutschierte uns über die lange Holzbrücke des<br />

Bug. An beiden Seiten standen Tonnen mit Löschwasser. Rechts ragten Eisbrecher empor. H<strong>in</strong>ter<br />

der Brücke <strong>in</strong> Brok bogen wird l<strong>in</strong>ks nach Poremby e<strong>in</strong>. Dort g<strong>in</strong>gen wir <strong>in</strong> den Wald. Jedem von<br />

uns K<strong>in</strong>dern wurde em Sack umgehängt und dem Pferd der Futtersack. Dann begaben wir uns<br />

weiter <strong>in</strong> nördlicher Richtung. Bei dem Anblick, der sich uns nach kurzer Zeit bot, hätten wir am<br />

liebsten vor Freude laut geschrien. Doch ruhiges Verhalten war Gebot. Wir konnten es kaum glauben,<br />

wir standen <strong>in</strong>mitten von Gruppen von Pfifferl<strong>in</strong>gen. Kle<strong>in</strong>e, große und übergroße Pfifferl<strong>in</strong>ge.<br />

<strong>Die</strong>se Stelle hatte me<strong>in</strong> Onkel entdeckt, als er mit se<strong>in</strong>em Sohn Siegismund, Stämme für die<br />

Flößerei aussuchte.<br />

Onkel Julius war Landwirt, um 1880 geboren, und der älteste Bruder me<strong>in</strong>es Vaters Adolf<br />

Kurtz. Nebenberuflich beschäftigte er sich mit dem Aufkauf von Butter, Preßkäse, Eiern und Geflügel.<br />

Tante Martha (geb. Witzke) war für ihre pe<strong>in</strong>liche Sauberkeit bekannt. <strong>Die</strong> Ware wurde <strong>in</strong><br />

Pergamentpapier und weißen Le<strong>in</strong>entüchern <strong>in</strong> Körbe und Kisten verpackt, anschließend nach<br />

Zieleniec gebracht und mit der Bahn verfrachtet. In Warschau holte der Kaufmann Rogalski den<br />

Onkel mit se<strong>in</strong>er Ware vom Bahnhof ab. <strong>Die</strong> Kunden waren überzeugt, daß die Kolonisten <strong>in</strong> Sadoles<br />

und Umgebung saubere und wohlschmeckende Lebensmittel herstellten und lieferten. <strong>Die</strong>smal<br />

bekamen sie viele, viele Pfifferl<strong>in</strong>ge.<br />

Ema Papke geh. Kurtz 1989

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