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Cop Culture – Der Alltag des Gewaltmonopols - Betrifft Justiz

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<strong>Betrifft</strong> JUSTIZ Nr. 69 • März 2002Sicherheit273um eine hoch segmentierte Organisationhandelt, die keine eindeutigen Grenzen,aber auch keine einheitliche Kultur besitzt.Für die Polizei scheint mir eine Ordnungvon Männlichkeiten sehr nützlich zusein, denn immerhin lassen sich Innovations-und Beharrungsvermögen einerOrganisation auch an ihren kulturelldurchsetzungsfähigen Verhaltensmusternbestimmen. Angelehnt an dasKonzept der hegemonic masculinitiesvon Connell (1995), habe ich hegemoniale(also kulturell dominierende),(quantitativ) vorherrschende und abweichendeMännlichkeiten unterschieden,wobei ich die Abweichung nochmals ineine integrationsfähige und eine separierendeDifferenz unterteile. Die Kategorisierungdiente mir als Entwurf einerMännlichkeitstypologie für die Polizei.Sie beginnt mit der Krieger-Männlichkeitund wird fortgeführt mit der Schutz-Männlichkeit. Diese Typen deuten unterschiedlicheZugänge und Berufsverständnissean, auch der dritte Typus, der<strong>des</strong> unauffälligen Aufsteigers, steht eherfür die Gruppe derer, denen die Teilhabean der Organisationsmacht (also die eigeneKarriere) wichtig ist. Um zu zeigen,dass es in der Kultur der Polizisten sehrwohl eine differenzierte Wahrnehmungvon Andersartigkeit gibt, habe ich Homosexualitätals Beispiel für eine Abweichunggewählt, die unter bestimmtenUmständen integrationsfähig ist.Das Männlichkeitsmodell, das sich amintensivsten mit Fragen nach dem richtigenHandeln auseinandersetzt bzw. dieethische Frage <strong>des</strong> Polizeiberufs amstärksten hinterfragt, fasse ich in demTypus <strong>des</strong> Idealisten zusammen. Um zubetonen, dass sich dieser Idealismus anzentralen Stellen von den Vorstellungenanderer Polizisten abhebt, nenne ich ihnfalschen Idealismus. <strong>Der</strong> Ausdruck sollunterstreichen, dass die Moral vieleridealistischer Polizisten durchaus universellenWerten verpflichtet sein kann,dann aber Gefahr läuft, von den jeweiligenPartikularnormen der umgebendenGruppe abzuweichen (im beschriebenenFall war es eine Gruppe einer Beweissicherungs-und Festnahmeeinheit [BFE]der Hessischen Bereitschaftspolizei).Das Wort falsch bezieht sich auf die Normengeltungder direkten sozialen Umgebung.Falsch wäre richtig in Bezug aufdie Menschenrechte oder die Werte vonamnesty international oder in Bezug aufdie Werteordnung vieler anderer Polizistenund auf die Leitbilder der Polizei.Richtig ist aber falsch, wenn Krieger-Männlichkeiten unterwegs sind, die inabgeschotteten Gruppen eigene Gerechtigkeitsvorstellungenentwickelnund deren Geltung durchsetzen wollen.Falscher Idealismus ist keine bloß additiveHaltung (wie sie z.B. homosexuellePolizisten und Polizistinnen für sich reklamieren),sondern eine, die andereausschließt und für sich einen ethischhöherstehenden Geltungsanspruch erhebt.Am Fallbeispiel <strong>des</strong> falschen Idealistenwird im übrigen auch die Diskriminierungspraxisinnerhalb der informellenSozialbeziehungen in einer Organisationverdeutlicht. Nicht die konkrete Handlung,sondern die dahinter stehendemoralische Haltung erzeugt unter denKollegen Irritation und Aggression, diewiederum zur Distanzierung gegenüberdiesem Kollegen und zu seinem tendenziellenAusschluss aus der Gruppe führt.Für die Kollegen <strong>des</strong> „Moralisten“ steht<strong>des</strong>sen Verrat der Kameraden und dieAbweichung von der Gruppennorm imVordergrund. Sie konnten diese Haltungnicht, wie dies offiziell von der Polizeiführunggeschah, als Zivilcourageund als Beleg für die Selbstregulierungsfähigkeitder Polizei werten.Dieser Aspekt der Untersuchung ist fürdie Polizei vielleicht am schwierigsten zuverdauen, denn es konfrontiert sie miteinem Aspekt von Wirklichkeit, von derdie Verantwortlichen oft sagen,dass sie sich auf individuellePathologie (der sog.„schwarzen Schafe“) beschränkt.Nach meinen Ergebnissenist das nicht derFall, vielmehr richtet sich das Verständnisvon Abweichung und Konformitätnach den subkulturell gültigen Werten,nicht etwa nach „Recht und Gesetz“(das tut es oft genug auch noch, es istjedoch kein ausreichender Rahmen, umWertmaßstäbefür eine gutePolizei fehlenDurchbrechungen zu verhindern).Die Untersuchung zeigt, dass es nichtdie singulären Übergriffe sind, die, sozusagenals pathologischer Fehlschluss,von anderen Akten klar abgegrenzt werdenkönnen. Vielmehr verlaufen dieGrenzen fließend: Was eine gerechteStrafe und was eine Misshandlung ist,hängt z.T. von den subkulturellen Normenab. So gesehen sind Übergriffssituationenstets auch Vexierbilder <strong>des</strong>Polizeialltags: Was als korrekte Handlungbeginnt, kann schnell entgleiten ineinen Übergriff. Was auf der einen Seiteals korrekte Festnahme interpretiertwird, bei der vielleicht härter zugegriffenwerden musste, ist von der anderen Seiteaus betrachtet schon eine unverhältnismäßigeKörperverletzung. Was die einenals gerechte Bestrafung an Ort undStelle bezeichnen, ist für andere Selbstjustiz.Jenseits der Legaldefinitionen im Rechtexistieren keine allgemeinverbindlichennormativen Standards im Sinne vonWertmaßstäben für eine gute Polizei (i.S.einer guten Ordnung). Wenn Vorwürfewie Gewaltexzesse, Rassismus, Sexismus,Autoritarismus, Kameraderie,Mobbing, organisierte Kriminalität oderKorruption in der Polizei auftauchen,dann ist es zu wenig, dass alle Verantwortlichenerschreckt oder verstört versichern,es handele sich nur um Einzelfälle.Dies ist keine gute Voraussetzungfür eine souveräne Haltung gegenüberöffentlicher Kritik. Und lediglich von derÖffentlichkeit Verständnis für dieschwierige Arbeit der Polizei zu reklamieren,ist keine sehr sachbezogeneReaktion.Das Verhältnis zwischen den Handlungsmusternder Polizistenkultur undden Leitbildern aus der Polizeikulturbetrachte ich als ein prinzipiellesWiderspruchsverhältnis zwischenzwei Logiken in der Polizei:Für die bürokratische Organisationund die Publikumsorientierung<strong>des</strong> <strong>Gewaltmonopols</strong> erweisen sich dieaggressive Männlichkeit zwar insgesamtals obsolet bzw. dysfunktional, gleichwohlist sie für <strong>des</strong>sen Durchsetzung inbestimmten Konstellationen nützlichund notwendig.

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