Roland Kachler März 2004 Lass die Liebe tanzen ... - Friedenskirche
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<strong>Roland</strong> <strong>Kachler</strong> <strong>März</strong> <strong>2004</strong><br />
Christofstr. 16<br />
Remseck<br />
<strong>Lass</strong> <strong>die</strong> <strong>Liebe</strong> <strong>tanzen</strong><br />
<strong>Liebe</strong> Nachteulen,<br />
<strong>die</strong> <strong>Liebe</strong> läßt bitten und ich möchte Sie zum Tanz der <strong>Liebe</strong> auffordern!<br />
Aber ist Ihnen gerade zum Tanzen zumute in Ihrer Partnerschaft, hätten Sie Lust<br />
aufzustehen, mit Ihrem Partner gemeinsam ins Schwingen zu kommen, sich mit<br />
ihm im Rhythmus zu wiegen, im Tanz zu drehen, in einem leichten wie dem<br />
Walzer oder durchaus auch in einen eher kämpferischen wie dem Tango? – oder<br />
haben sich Ihre Beine in Konflikten und mühseligen Streitereien so verknotet,<br />
dass nicht ans Tanzen zu denken ist? Vielleicht ist ihre <strong>Liebe</strong> ins Stolpern, aus<br />
dem Rhythmus geraten? Und manchmal gibt es gerade gar keinen Tanzpartner,<br />
der sich auffordern ließe.<br />
Es gehört zu jeder Partnerschaft und Ehe, dass eine Beziehung zeitweise aus<br />
dem Takt gerät, dass wir uns nicht über <strong>die</strong> Schritte im gemeinsamen Paartanz<br />
einigen können, dass einer keine Lust mehr zum Tanzen hat.<br />
Lot und seine Frau sind so ein Paar – und wir sind immer wieder Lot-Paare, bei<br />
denen der eine stehen bleibt und erstarrt und der andere weitergeht, wegtanzt.<br />
Lot und seine Familie müssen aus ihrer Heimatstadt, weil <strong>die</strong>se vernichtet<br />
werden soll. Lot und seine Familie aber sollen gerettet werden, doch nur wen<br />
keiner der Fliehenden auf <strong>die</strong> untergehende Stadt zurückblickt. Zwei Engel<br />
mahnen zur Eile. Noch im hastigen Fliehen dreht sich <strong>die</strong> Frau Lots um und<br />
erstarrt zur Salzsäule.<br />
Wir können nur ahnen, was Frau Lot zu dem Blick zurück bewegt hat. Es war<br />
wohl auch der Schmerz und <strong>die</strong> Trauer darüber, dass sie und ihre Familie<br />
wegziehen mußten. Wenigstens für einen Blick möchte sie stehen bleiben und<br />
auf das bisherige gemeinsame Leben zurückschauen.<br />
Doch Lot drängt – verständlicherweise - vorwärts, den Blick schon in <strong>die</strong><br />
Zukunft gerichtet. Ihm kann es nicht schnell genug gehen. Er läßt sich nicht<br />
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aufhalten, auch nicht vom Erstarren seiner Frau. Scheinbar ungerührt läßt er sie<br />
am Wegesrand stehen.<br />
In <strong>die</strong>ser Geschichte von Lot und seiner Frau zeigt sich exemplarisch, was<br />
geschieht, wenn sich ein Paar unterschiedlich entwickelt. Er steht hier – bei<br />
Paaren ist das oft auch genau umgekehrt – er steht hier für das Vorwärtsgehen,<br />
für eine schnellere Entwicklung; sie dagegen repräsentiert den Gegenpol: Sie<br />
möchte verweilen und sich Zeit für ihr eigenes Entwicklungstempo lassen. Er ist<br />
rascher im Loslassen und braucht das Neue, sie braucht das Festhalten und das<br />
Zurückblicken.<br />
Nun steht das Paar in der Gefahr, bei <strong>die</strong>sem gemeinsamen Beziehungsthema -<br />
Vorwärtsgehen und Innehalten, Loslassen und Festhalten - in eine Polarisierung<br />
zu geraten. Je mehr der Mann nach vorne drängt, umso mehr fühlt sie sich in<br />
ihrem Festhalten bedroht. Natürlich muss sie nun ihrerseits das Festhalten<br />
verstärken, hat sie doch das Gefühl, dass er das Ihre nicht ernstnimmt und dass<br />
sie das Ihre verlieren könnte. Er wiederum fühlt sich von ihr ständig<br />
zurückgehalten und gebremst.<br />
Nun bricht das Paar seinen Tanz ab, bleibt stehen und blockiert sich, weil <strong>die</strong><br />
Schritte der Partner nicht mehr im gleichen Takt sind.<br />
Doch wie alle lebendigen Systeme braucht auch ein Paar <strong>die</strong> Bewegung, <strong>die</strong><br />
Entwicklung, das Wachstum. Es lässt sich auf Dauer nicht einfrieren. So sucht<br />
sich <strong>die</strong> Wachstumstendenz ihre eigenen, meist ungewöhnlichen Wege. Oft ist<br />
es der Vorwärtsdrängende, der dann ausbricht und sich zum Beispiel in jemand<br />
anderes verliebt.<br />
Deutlicher kann das Unbewusste eines blockierten Lot-Paares nicht<br />
signalisieren, was eben immer wieder ansteht, ein Aufbruch aus dem<br />
Gewohnten, aus der Langeweile, aus dem Rückzug, aus dem Clinch, ein<br />
Aufbruch in <strong>die</strong> Beziehung hinein, ein Aufbruch, der neue Nähe und<br />
Lebendigkeit will.<br />
Paare tun also gut daran, Veränderungswünsche zu beachten und sie als<br />
Vorboten einer anstehenden Entwicklung ernst zu nehmen, zu begrüßen. Wenn<br />
es gelingt, solche Wünsche nicht als knallharte Forderung zu stellen, sondern als<br />
meine Sehnsucht, als meine Einladung an dich, als meine Lust auf etwas Neues<br />
mit dir zu formulieren, dann kann auch der Langsamere sich einlassen auf erste<br />
Schritte, auf Tanzschritte ins Neue, und der Vorwärtsdrängende bemerkt, dass<br />
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sich der andere mitnehmen lässt, wenn beide <strong>die</strong> ersten Schritte langsam und<br />
bewusst tun.<br />
Wie wäre es bei Lot und seiner Frau weitergegangen, wenn beide etwas von<br />
dem Anliegen des anderen hätten wertschätzen und aufnehmen können - er ihren<br />
Wunsch, innezuhalten und sich mit dem Abschied Zeit zu nehmen und sie seine<br />
Fähigkeit, loszulassen und weiterzugehen? Hätten sie dann nicht gemeinsam<br />
Abschied und Neubeginn gestalten können? Er hätte sie unterstützen können,<br />
bewußt Abschied zu nehmen, indem sie zum Beispiel wie in einem Ritual noch<br />
einmal gemeinsam durch <strong>die</strong> Räume des Hauses gehen, um sich gemeinsam von<br />
jedem Raum mit den darin erlebten Erfahrungen zu verabschieden; sie hätte ihn<br />
in seinem Wunsch nach dem Neuen besser begleiten können, indem sie ihn nach<br />
seinen Hoffnungen und Träumen von der neuen Heimat gefragt hätte.<br />
Erst vorsichtige Tanzschritte um <strong>die</strong> Pole Innehalten und Vorwärtsgehen hätten<br />
sich eingestellt – und dann hätten beide gespürt: ich habe beide Pole in mir und<br />
im Paartanz darf beides sein, einmal mehr bei mir, einmal mehr beim anderen.<br />
Einmal geht der eine voran, das andere mal ich – und es ist immer wieder<br />
spannend, überraschend, wer da anfängt, wer da den ersten Schritt macht. Und<br />
genau in <strong>die</strong>ser Spannung erlebe ich mich, erlebe ich dich und spüren wir uns<br />
beide lebendig, in Bewegung, im Tanz des Lebens.<br />
Ausgetanzt hat es sich auch bei Abraham und Sarah. Von wegen Bewegung, da<br />
läuft nicht mehr viel zwischen den beiden. Ganz offen wird ausgesprochen, daß<br />
<strong>die</strong> <strong>Liebe</strong> zwischen ihnen beendet ist; sie schlafen schon lange nicht mehr<br />
miteinander. Sara fühlt sich alt - wörtlich übersetzt "wie ein ausgewrungener<br />
Lappen" (1. Mose, Kap. 18, 12) - <strong>Liebe</strong>slust empfindet sie schon lange nicht<br />
mehr.<br />
Verbindet <strong>die</strong>ses Paar noch etwas anderes als alte Gewohnheiten und<br />
liebgewonnene Sicherheiten? Kann in <strong>die</strong>ser vertrockneten Beziehung noch<br />
etwas Neues aufblühen? Zwar wünschen sie sich ein Kind - Symbol für <strong>die</strong><br />
emotionale Verbundenheit zweier Partner und für etwas Neues in der<br />
Paarbeziehung -, aber im Grunde ihres Herzen haben sie <strong>die</strong>se Hoffnung<br />
begraben.<br />
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Als ein Besuch bei Abraham und Sara <strong>die</strong> Hoffnung auf etwas Neues zwischen<br />
den beiden, <strong>die</strong> Hoffnung auf ein Kind, in Aussicht stellt, kann Sara darüber nur<br />
verbittert lachen.<br />
Oft merken wir es als Paar gar nicht, wie wir uns emotional voneinander<br />
entfernen. Da gibt es den Alltag, <strong>die</strong> Diskussionen ohne Ende und Lösung, da<br />
gibt es enttäuschte Hoffnungen – alles scheinbar richtige Gründe, warum ich<br />
mich emotional aus der Beziehung rausnehme und mich in mein Schneckenhaus<br />
zurückziehe – das gemeinsame Beziehungshaus aber wird leer und kühl,<br />
zunehmend unbewohnbar.<br />
Das zeigt auch der Traum eines achtundvierzigjährigen Mannes:<br />
„Ich komme abends von der Arbeit müde nach Hause. Mit Schreck stell ich fest,<br />
dass unser Haus nur noch eine Ruine ist. Das Dach ist ganz weg, nur noch einige<br />
Wände stehen da. Doch der Kamin ragt unversehrt aus den Trümmern. Ein<br />
kleine Rauchfahne steigt auf. Ich denke, wo sind denn meine Kinder und meine<br />
Frau Ich will nach ihnen rufen und wache dann an meinem Rufen wie gelähmt<br />
auf.“<br />
Die Ehefrau <strong>die</strong>ses Mannes dachte schon länger an Trennung, weil sie sich von<br />
ihm nicht mehr verstanden gefühlt hatte. Sie hatte bei ihm zwar immer wieder<br />
mehr Zuwendung eingefordert, doch er hatte <strong>die</strong> Signale seiner Frau nicht<br />
verstehen wollen, zu sehr war er seinem Beruf eingespannt. Erst jetzt konnte er<br />
im Traum sehen, wie bedroht seine Partnerschaft eigentlich war. Die Beziehung<br />
steht wie eine von allen verlassene Ruine da.<br />
Der aufsteigende Rauch zeigt ihm aber auch, dass es noch eine Chance gibt: Im<br />
Kamin des Wohnzimmers ist <strong>die</strong> Glut doch noch nicht ganz erloschen. Es gibt<br />
sie also noch, <strong>die</strong> <strong>Liebe</strong>sglut, wenn auch unter den Trümmern des eingestürzten<br />
Beziehungshauses.<br />
Wie also <strong>die</strong> Glut der <strong>Liebe</strong> noch einmal anfachen und entbrennen lassen? Ich<br />
sitze in der Paartherapie jeden Tag solchen „erkalteten“ Paaren gegenüber.<br />
Woran arbeite ich mit solchen Paaren? Zunächst leite ich <strong>die</strong> Paare an, ihre alten<br />
Enttäuschungen und Verletzungen anzusprechen, auszusprechen – und dann<br />
spüren sie den Schmerz und der Trauer über das, was sie als Paar nicht mehr<br />
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gelebt haben, und im Schmerz und in der Trauer kommen sich <strong>die</strong> beiden wieder<br />
nahe, ganz heiß, sehr intensiv – gerade auch Schmerz und Trauer verbinden.<br />
Jetzt ist das Paar auch bereit, sich auf <strong>die</strong> Suche nach der <strong>Liebe</strong>sglut zu machen<br />
– und fast jedes Paar hat <strong>die</strong>se Glut, den Schatz der <strong>Liebe</strong>sgefühle noch in sich –<br />
wenigstens in ferner Erinnerung.<br />
Ich frage – und sie können sich jetzt <strong>die</strong> Fragen einfach auch selbst vorlegen -<br />
ich frage nach dem Beginn der <strong>Liebe</strong>, nach den ersten <strong>Liebe</strong>sflammen.<br />
Also: Erinnern Sie sich noch? Wie war Ihre Verliebtheit? Was war das<br />
besonders Schöne damals, was war besonders intensiv bei Ihnen?<br />
Und fast alle sagen: Wir haben uns viel erzählt, viel geredet, stundenlang auf<br />
Spaziergängen, nächtelang.<br />
Was hält uns, was hält Sie heute davon ab, von mir, von sich zu erzählen, mich<br />
für <strong>die</strong> Gefühle des anderen zu interessieren, auf Spaziergängen wieder einmal<br />
über uns zu reden – also wesentlich, also emotional zu reden? Das ist der oft<br />
verlorene Schlüssel zum Herz des anderen – ganz besonders für das Herz der<br />
Frauen. Das müssten wir Männer uns immer wieder klar machen.<br />
„Und wir haben ganz viel unternommen“, fügen Paare meistens hinzu. Es ist<br />
leichter für uns Männer, über gemeinsame Unternehmungen wieder <strong>die</strong> Nähe<br />
zur Partnerin zu finden, darüber zu reden, was wir gemeinsam gemacht haben<br />
und wie unterschiedlich wir <strong>die</strong>s, den Kinofilm, <strong>die</strong> Ausstellung, <strong>die</strong>sen<br />
Gottes<strong>die</strong>nst heute, erlebt haben – Gemeinsames Tun und Erleben ruft<br />
Gemeinsames ins Gefühl.<br />
„Was war das Besondere an ihrem Partner damals, warum Sie sich gerade in ihn<br />
verliebt?“, frage ich weiter nach. Nein, ich lasse nicht locker, den <strong>Liebe</strong>sschatz<br />
wieder zu heben, ihn zu polieren, ihn wieder glänzen zu lassen. Und Paare<br />
wissen, was das Faszinierende, Besondere am anderen ist – und der Partner freut<br />
sich, das endlich einmal wieder zu hören – auch das ein Schlüssel zum Herz des<br />
anderen.<br />
Es gibt den Zugang zur Glut der <strong>Liebe</strong> – manchmal ist er ganz ungewöhnlich<br />
wie Abraham und Sarah, eben wie ein Wunder : Drei unbekannte Gestalten<br />
besuchen das Paar. Abraham begreift sofort und intuitiv, dass sich in <strong>die</strong>sen drei<br />
Gestalten Gott selbst verbirgt. Abraham und Sarah bewirten <strong>die</strong> drei Männer<br />
fürstlich und geben ihnen Wohnraum in ihrem Haus. War <strong>die</strong> Zweisamkeit<br />
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zwischen den beiden wohl schon lange erlahmt, kündigt sich in der Zahl „Drei“<br />
etwas Neues an.<br />
Im Dritten kommt eine andere Dimension, <strong>die</strong> Dimension des Himmels und des<br />
Religiösen in <strong>die</strong> Partnerschaft der beiden. Das Dritte, das Göttliche, das ganz<br />
Andere und Neue kommt bei Abraham und Sarah sehr direkt in <strong>die</strong> abgestorbene<br />
Beziehung und transzen<strong>die</strong>rt das Gewohnte.<br />
Wir haben oft den Sinn für gemeinsame spirituelle Erfahrungen verloren. Aber<br />
es gibt sie für uns Paare! Wie wäre es, einmal wieder unter einem klaren<br />
Sternenhimmel Arm in Arm zu spazieren, oder am weiten Meer Hand in Hand<br />
zu gehen, oder aneinandergelehnt auf einem Berggipfel zu stehen, oder<br />
gemeinsam über ein Kunstwerk zu staunen – es gibt <strong>die</strong> gemeinsame Erfahrung,<br />
dass unsere „kleine“ <strong>Liebe</strong> von etwas Größerem, einer größeren <strong>Liebe</strong> gehalten<br />
und umfasst wird.<br />
Bei Abraham und Sarah liegt das Entscheidende darin, dass sie dem Göttlichen,<br />
das <strong>die</strong> <strong>Liebe</strong> ist, Herberge gewähren - alles andere geschieht aus sich selbst. Sie<br />
mussten wohl nur eines tun, nämlich sich auf <strong>die</strong> irrationale und abwegige<br />
Hoffnung, dass ihre <strong>Liebe</strong> auch unter der Dürre ihre alten Beziehung doch noch<br />
lebt, einzulassen.<br />
Nach einem Jahr nimmt Sara <strong>die</strong> Frucht der neu erblühten <strong>Liebe</strong> in Gestalt eines<br />
Kindes in <strong>die</strong> Arme. Ihr verbittertes Lachen hat sich nun in ein befreites,<br />
freudiges Lachen verwandelt: "Gott hat dafür gesorgt, dass ich lachen kann“,<br />
sagt sie. „Alle, <strong>die</strong> davon hören, werden mit mir lachen.“<br />
Ein Fest, ein <strong>Liebe</strong>sfest feiert ein ganz anderes Paar in uralten Zeiten, aber als<br />
Urbild ist es tief in jedem <strong>Liebe</strong>nden, in jedem Paar verankert: Salomo, der<br />
große <strong>Liebe</strong>skünstler und <strong>die</strong> Königin von Saba, in ihrer <strong>Liebe</strong>skunst kein<br />
bisschen kleiner als Salomo. Ja, der <strong>Liebe</strong>swettstreit bleibt unentschieden – aber<br />
es gibt eine Siegerin: <strong>die</strong> <strong>Liebe</strong>, <strong>die</strong> ins Tanzen sich schwingt.<br />
Die Königin von Saba hat von der großen Weisheit des Königs Salomo gehört<br />
und möchte sich davon ein Bild machen. Selbstbewusst stellt sie ihm <strong>die</strong><br />
schwierigsten Rätselfragen über <strong>die</strong> Geheimnisse des Lebens, <strong>die</strong> sie kennt. Es<br />
heißt dann wörtlich: "Salomo blieb ihr keine Antwort schuldig; auch <strong>die</strong><br />
schwierigsten Fragen konnten ihn nicht in Verlegenheit bringen." (1. Könige,<br />
Kap. 10, 3). Das Reden ist das wohl das größte Geschenk, das Salomo - und<br />
natürlich alle Männer - einer Frau machen können. Die Fähigkeit zu reden,<br />
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esonders auch über sich selbst und <strong>die</strong> Beziehung, macht den Mann aus der<br />
Sicht der Frau erst zum Partner. Salomo erwies sich in der Begegnung mit der<br />
Königin in <strong>die</strong>sem Sinne als Mann und als Partner.<br />
Der König und <strong>die</strong> Königin sind Symbole für den selbstbewußten Menschen, der<br />
seine erwachsenen Fähigkeiten zur Verfügung hat, der seine Stärken und<br />
Schwächen in das Ganze seiner Persönlichkeit integriert hat und sie auch nach<br />
außen vertritt. Und dennoch sind Salomo und <strong>die</strong> Königin von Saba in ihrer<br />
Begegnung gerade nicht egozentrisch; sie sind nicht von einer kindlichen<br />
Bedürftigkeit bestimmt, aus der heraus sie nur fordern und nicht schenken<br />
könnten.<br />
Im Gegenteil: Obwohl beide es nicht nötig hätten, beschenken sich beide<br />
reichlich - darin besteht das Geheimnis <strong>die</strong>ses Paares. Die Königin von Saba<br />
kann <strong>die</strong> Weisheit Salomos anerkennen und annehmen; noch mehr, sie<br />
bewundert sie. Darin zeigt sich ein erwachsenes Paar, nämlich dass <strong>die</strong> Partner<br />
den Reichtum, <strong>die</strong> Fähigkeiten und Stärken des anderen sehen, annehmen und<br />
damit würdigen. Bildlich gesprochen setzen sich <strong>die</strong> beiden mit ihren<br />
Fähigkeiten und Stärken gegenseitig 'auf den Thron'.<br />
Und jeder bringt seinen eigenen Reichtum im Überfluß in <strong>die</strong> Beziehung ein.<br />
Die Königin von Saba macht Salomo ein ganz besonderes Geschenk mit<br />
Gewürzen und Duftölen, <strong>die</strong> es in Salomos Reich nicht gibt. Gewürze und Düfte<br />
stehen für <strong>die</strong> erotische und sexuelle Seite der <strong>Liebe</strong>, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Königin dem König<br />
mitbringt. Symbolisch gesprochen schenkt sie ihm <strong>die</strong> Welt des Eros und lehrt<br />
ihn <strong>die</strong> Sprache der Zärtlichkeit und <strong>die</strong> Kunst der körperlichen <strong>Liebe</strong>. Darin<br />
wird sie zur Lehrmeisterin von Salomo. Und das ist - aus Sicht des Königs - das<br />
größte Geschenk, das <strong>die</strong> Königin ihm gibt. Er erfährt und lernt etwas für ihn<br />
Fremdes, das er nicht selber aus sich heraus bewerkstelligen konnte. Für <strong>die</strong><br />
Kunst des <strong>Liebe</strong>ns und <strong>die</strong> Sprache des Eros braucht es den anderen, der <strong>die</strong><br />
eigenen Sinne zur Sinnlichkeit erweckt und kultiviert. Jedes Paar hat <strong>die</strong><br />
Aufgabe und Chance, eine eigene Kultur von Eros und Sinnlichkeit zu<br />
entwickeln – hier können sie sich gegenseitig reich beschenken, und gerade hier<br />
werden sie im Schenken selbst reich beschenkt, auf allen Ebenen des Spürens,<br />
des Fühlens, der Lust, des überfließenden Rausches – Gewürze und Düfte sind<br />
wirklich ein wundervolles Geschenk der Königin von Saba.<br />
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Doch noch ist der Reigen des Schenkens nicht zu Ende, wie ausdrücklich gesagt<br />
wird: "Salomo erfüllte der Königin von Saba jeden ihrer Wünsche und<br />
beschenkte sie darüber hinaus so reich, wie nur er es konnte." (1. Könige, Kap.<br />
10, 13)<br />
Die Königin muss sich ihre Bedürfnisse nicht erst mühsam erkämpfen. Ihr fließt<br />
mehr zu, als sie selbst so freizügig gegeben und für sich gewünscht hatte. Und<br />
Salomo kann seinen Reichtum - symbolisch ist damit der Reichtum seiner<br />
Person und <strong>Liebe</strong> gemeint - ohne Angst, etwas zu verlieren, zurückfließen<br />
lassen.<br />
Das ist ein weiterer Aspekt des Geheimnisses der <strong>Liebe</strong>: Der in <strong>die</strong> Beziehung<br />
fließende Reichtum beider Partner vermehrt sich – und zwar dann, wenn jeder<br />
ein bißchen mehr eingibt, als er glaubt, dass es der andere tut. Da wir nicht<br />
immer <strong>die</strong> großen <strong>Liebe</strong>skünstler wie Salomo oder <strong>die</strong> Königin von Saba sind,<br />
genügt ein kleines Mehr, ein winziges bißchen Mehr an Aufmerksamkeit, an<br />
Interesse, an Reden, an Zärtlichkeit. Dann entsteht so etwas wie ein geheimer -<br />
darüber sollten Paare nicht reden! - ein geheimer Wettbewerb, wer dem anderen<br />
mehr, eben ein winziges bißchen Mehr an Gutem tun kann. Die Partner<br />
beflügeln sich wechselseitig in ihrer <strong>Liebe</strong>sfähigkeit, <strong>die</strong> wie eine wärmende<br />
Glut von beiden immer wieder neu genährt wird – und <strong>die</strong> beide doppelt<br />
zurückwärmt.<br />
Das Königspaar ist das Bild für das reiche Glück, das in einer Paarbeziehung<br />
wachsen kann. Die <strong>Liebe</strong> ist hier wie ein Fest und ein Höhenflug, in dem sie das<br />
Paar wie mit leichten Schwingen trägt. Paare sollten solche Hoch-Zeiten<br />
gemeinsam nehmen und leben. In <strong>die</strong>sen Hoch-Zeiten entsteht zwischen den<br />
Partnern eine intensive, aber leichte und tänzerische Nähe, <strong>die</strong> einem inneren<br />
Tanz gleicht, einem Tanz der Gefühle, einem Tanz der Gesten zwischen uns<br />
beiden, einem Tanz, der uns ahnen lässt, dass er und wir Teil eines größeren<br />
Tanzes, des Lebenstanzes sind. (AMEN)<br />
Und jeder Tanz zeigt eine besondere Facette <strong>die</strong>ses Lebenstanzes, zu dem jedes<br />
Paar aufgefordert ist.<br />
Der Walzer läßt <strong>die</strong> Partner mit schmelzenden Klängen den Tanz beginnen und<br />
dreht sie dann in schnellem Dreivierteltakt bis zum Schwindeligwerden, in dem<br />
<strong>die</strong> Welt zu fliegen beginnt. Im Walzer tanzt das Paar das Fest des Lebens, wird<br />
jeder Augenblick zum Rausch, zur Hochzeit des Paares.<br />
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Im Tango zelebrieren sich Eros und Leidenschaft, gezügelte und doch<br />
ungezügelte Lust, der Kampf zwischen Mann und Frau – im Wiegeschritt löst<br />
sich <strong>die</strong> Spannung für Augenblicke auf, um sich sogleich wieder aufzubauen im<br />
abrupten Wechsel der Schritte und Gesten.<br />
Im langsamen Walzer und im Blues dreht sich das Paar hingegeben an <strong>die</strong><br />
Langsamkeit der Klänge, aneinander angeschmiegt, verschmolzen mit dem<br />
anderen und den sanften Melo<strong>die</strong>n.<br />
Ganz anders beim freien Tanz: Jeder tanzt an seinem Platz nach den Rhythmen<br />
des Beat oder Rock’n’Roll in seinen ganz eigenen Bewegungen und Schritten.<br />
Und doch sind <strong>die</strong> Tanzpartner aufeinander bezogen, nehmen <strong>die</strong> Bewegungen<br />
des anderen auf, wandeln sie ab, spielen mit ihnen, kommen sich näher, <strong>tanzen</strong><br />
voneinander weg – immer sind sie verbunden durch <strong>die</strong> treibenden Rhythmen<br />
von Schlagzeug und Bass.<br />
Jedes Paar wird immer wieder seinen Rhythmus, seine Musik, seinen Tanz<br />
finden müssen. Jeder letzte Tanz ist der Beginn eines neuen Tanzes, eines neuen<br />
Reigens der <strong>Liebe</strong>. Lohnt es sich nicht, als Paar das Tanzen zu lernen –<br />
wenigstens im Traum?<br />
Eine Frau träumt von ihrer Beziehung: "Ich gehe nackt auf einem Sandweg.<br />
Neben mir geht – ebenfalls nackt – ein Schwarzafrikaner. Ich merke, dass er<br />
sich in einem tänzerischen Rhythmus bewegt. Tatsächlich: Von Ferne höre ich<br />
Trommeln. Ich bin verwirrt, aber der Rhythmus steckt mich an. Meine Beine<br />
fallen in einen Tanzschritt – anders als der des Schwarzen. Und doch passen sie<br />
ganz zusammen. Tanzend schreiten wir beide in der Sonne den Sandweg<br />
entlang. Es ist wunderschön! Hoffentlich wird <strong>die</strong>ser Tanz nie enden!"<br />
Amen.<br />
Literatur:<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Kachler</strong> Warum Lachen <strong>die</strong> beste Therapie für Paare ist<br />
Kreuz Verlag Stuttgart 2001<br />
<strong>Roland</strong> <strong>Kachler</strong> <strong>Lass</strong> <strong>die</strong> <strong>Liebe</strong> <strong>tanzen</strong> – Die Kunst der Paarbeziehung<br />
Kreuz Verlag Stuttgart 2003<br />
Copyright bei <strong>Roland</strong> <strong>Kachler</strong><br />
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