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Zytogenetische Methoden in der Pränataldiagnostik - Zentrum für ...

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mediz<strong>in</strong>ischegenetikGegründet 1989 durch Jan MurkenElektronischer Son<strong>der</strong>druck fürR.-D. WegnerE<strong>in</strong> Service von Spr<strong>in</strong>ger Mediz<strong>in</strong>medgen 2011 · 23:457–462 · DOI 10.1007/s11825-011-0298-4© Spr<strong>in</strong>ger-Verlag 2011zur nichtkommerziellen Nutzung auf <strong>der</strong>privaten Homepage und Institutssite des AutorsR.-D. Wegner · M. Stumm<strong>Zytogenetische</strong> <strong>Methoden</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong>Pränataldiagnostikwww.medgenetik.spr<strong>in</strong>ger.de


Schwerpunktthema: PränataldiagnostikDie Wahl <strong>der</strong> E<strong>in</strong>griffstechnik und desZeitpunkts sowie die Gew<strong>in</strong>nung <strong>der</strong> pränatalenProben erfolgt durch spezialisierteGynäkologen. In . Abb. 1 s<strong>in</strong>d die üblichenZeiträume zur Durchführung <strong>der</strong>e<strong>in</strong>zelnen Techniken aufgeführt. Der optimaleZeitpunkt für die Amniozentese(AC) liegt um die16 +0. Schwangerschaftsmedgen2011 · 23:457–462DOI 10.1007/s11825-011-0298-4Onl<strong>in</strong>e publiziert: 12. Dezember 2011© Spr<strong>in</strong>ger-Verlag 2011R.-D. Wegner 1, 2 · M. Stumm 2, 31<strong>Zentrum</strong> für Pränataldiagnostik und Humangenetik Kudamm 199, Berl<strong>in</strong>2Institut für Mediz<strong>in</strong>ische Genetik und Humangenetik,Charité - Universitätsmediz<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, Campus Virchow-Kl<strong>in</strong>ikum3Institut für Humangenetik, Otto-von-Guericke-Universität, Magdeburg<strong>Zytogenetische</strong> <strong>Methoden</strong><strong>in</strong> <strong>der</strong> PränataldiagnostikDie <strong>in</strong>vasive humangenetische Pränataldiagnostik(PD) umfasst die Entnahme undAnalyse von Fruchtwasserzellen, Chorionzotten,Fetalblut o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en fetalenGeweben zur Erkennung von genetischenStörungen des Embryos/Fetus. Es könnenzytogenetische, molekular-zytogenetische,molekulargenetische o<strong>der</strong> biochemischeAnalysen durchgeführt werden.Im Gegensatz zu den pränatalen nicht<strong>in</strong>vasivenScreen<strong>in</strong>gverfahren, die zu Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitsangabenführen, erlaubendie humangenetischen Untersuchungensehr sichere Aussagen. Der vorliegendeBeitrag ist auf die zytogenetische PD fokussiert.Zusätzlich wird die nicht<strong>in</strong>vasivePränataldiagnostik aus zellfreier fetalerDNA aus dem mütterlichen Blut kurzvorgestellt.Invasive PränataldiagnostikPräanalytikPatientenaufklärung– GendiagnostikgesetzDas seit dem 01.02.2010 geltende Gendiagnostikgesetz(GenDG, [4]) for<strong>der</strong>t vore<strong>in</strong>er pränatalen Diagnostik und nachVorliegen des Untersuchungsergebnissesdas Angebot e<strong>in</strong>er genetischen Beratung.Die Beratung muss e<strong>in</strong>e umfassendeAufklärung zur Untersuchung sowie zumUmgang mit dem Untersuchungsmaterialund den Untersuchungsergebnissen enthaltenund dokumentiert werden. Die Beratungunterliegt dem Arztvorbehalt, d. h.nur Fachärzte für Humangenetik, Fachärztemit <strong>der</strong> Zusatzbezeichnung „mediz<strong>in</strong>ischeGenetik“, und laut GenDG abdem 01.02.2012 auch Ärzte, die den Nachweise<strong>in</strong>er „Qualifikation zur fachgebundenengenetischen Beratung nach den Erfor<strong>der</strong>nissen<strong>der</strong> Richtl<strong>in</strong>ie <strong>der</strong> Gendiagnostik-Kommission(GEKO)“ haben, s<strong>in</strong>dberechtigt, diese durchzuführen.Probengew<strong>in</strong>nung und VersandDie Anzahl <strong>in</strong>vasiver pränataler Diagnostikist für Deutschland nur zu schätzen,<strong>der</strong> Nationale Ethikrat geht von etwa70.000 E<strong>in</strong>griffen im Jahr 2003 aus[8]. Die Inanspruchnahme e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>vasivenPD dürfte aufgrund des E<strong>in</strong>satzes vonErsttrimesterscreen<strong>in</strong>g und früher Fehlbildungsdiagnostik<strong>in</strong> den letzten Jahrenrückläufig se<strong>in</strong>. Zum<strong>in</strong>dest <strong>in</strong> unserem<strong>Zentrum</strong> liegt die Zahl <strong>der</strong> <strong>in</strong>vasiven Diagnostikmaßnahmenim Jahr 2010 bei nur29,3% verglichen mit <strong>der</strong> Anzahl im Jahr2000. Die Indikation „mütterliches Alter“wird jetzt deutlich seltener gestellt, währenddie Indikationen „auffällige Serumdiagnostik“und <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e „auffälligerfetaler Ultraschallbefund“ zunahmen.CVSPLSACEACFBSFBPSSW 11 + 0 –13 + 6 14 + 0 –16 + 6 17 + 0 –20 + 6 GeburtAbb. 1 8 Diagramm mit Angabe <strong>der</strong> üblichen Zeiten für die Durchführung<strong>in</strong>vasiver Techniken zur Gewebegew<strong>in</strong>nung. Die Balkenstärke ist e<strong>in</strong> Maß fürdie Präferenz <strong>der</strong> Technik. SSW Schwangerschaftswoche, CVS Chorionzottenbiopsie,PLS Plazentabiopsie, AC Amniozentese, EAC frühe Amniozentese,FBS Fetalblutentnahme, FBP fetale BlasenpunktionMediz<strong>in</strong>ische Genetik 4 · 2011 |457


Schwerpunktthema: PränataldiagnostikTab. 1<strong>Methoden</strong> <strong>der</strong> <strong>in</strong>vasiven Diagnostik aInvasives diagnostischesVerfahrenDiagnostischesVorgehenE<strong>in</strong>griffszeit(SSW)Abortrisiko(%)woche post menstruationem (SSW). Dasmethodisch bed<strong>in</strong>gte E<strong>in</strong>griffsrisiko beträgtetwa 0,5% (. Tab. 1). E<strong>in</strong>e AC zwischen<strong>der</strong> 11+0. und 13 +6. SSW wird alsfrühe Amniozentese (EAC, „early amniocentesis“)bezeichnet. Aufgrund des erhöhtenRisikos e<strong>in</strong>es Blasensprungs s<strong>in</strong>dstrenge Indikationskriterien anzulegen.Das entnommene Fruchtwasser (10–20 ml) kann direkt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entnahmespritzeo<strong>der</strong> <strong>in</strong> sterilen, für Zellen getestetenTransportröhrchen – Zytotoxizitätausschließen! – verschickt werden.Wenn durch entsprechend ausgestatteteTransportbehälter e<strong>in</strong>e Temperaturzwischen +4 und 37°C gewährleistetwird, kann e<strong>in</strong> Transport auch bei extremenAußenbed<strong>in</strong>gungen problemlos über2–3 Tage erfolgen, ohne dass dabei die Vitalität<strong>der</strong> Zellen merklich reduziert wird.Als optimaler Zeitraum für e<strong>in</strong>e Chorionzottenbiopsie(CVS, „chorionic villisampl<strong>in</strong>g“) wird die 11 +0. – 13 +6. SSW angesehen.Die CVS wird i. Allg. transabdom<strong>in</strong>alunter Ultraschallkontrolle durchgeführt.Das e<strong>in</strong>griffsbed<strong>in</strong>gte Fehlgeburtsrisikoliegt bei <strong>der</strong> CVS bei etwa 0,5%(. Tab. 1), also <strong>in</strong> <strong>der</strong> Größenordnung<strong>der</strong> AC. Bei e<strong>in</strong>er Entnahme vor <strong>der</strong> 10.SSW besteht e<strong>in</strong> Risiko für embryonaleExtremitätenfehlbildungen. E<strong>in</strong>e Gewebeentnahmeab 14 +0. SSW wird als Plazentese(PLB, „placenta biopsy“) bezeichnet.In H<strong>in</strong>blick auf die zytogenetischeAnalyse ist zu berücksichtigen, dass fürdas Gewebe nach PLB e<strong>in</strong>e umgekehrteKorrelation zwischen Schwangerschaftsalterund dem spontanen Mitose<strong>in</strong>dex imZytotrophoblasten charakteristisch ist.Das heißt, dass nach e<strong>in</strong>er PLB e<strong>in</strong> schnellerChromosomenbefund nach Kurzzeitkulturnicht immer zu erstellen ist.Die entnommenen Chorionzotten (10–20 mg) sollten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em speziellen Transportmediummit e<strong>in</strong>em Puffer, <strong>der</strong> e<strong>in</strong>enstabilen pH-Wert gewährleistet, sowie mitHepar<strong>in</strong> zur Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Agglut<strong>in</strong>ation<strong>der</strong> Erythrozyten versandt werden[11]. Chorionzotten können unter den fürdie Fruchtwasserzellen genannten Transportbed<strong>in</strong>gungenverschickt werden. Vor<strong>der</strong> Chromosomenpräparation <strong>der</strong> Kurzzeitkulturist allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong>e mehrstündigeTemperature<strong>in</strong>stellung im CO 2 -Inkubatorerfor<strong>der</strong>lich.Analyse von Fruchtwasserzellen<strong>Zytogenetische</strong> DiagnostikBearbeitung(Tage)AC Konventionell ≥ 14 +0 ~ 0,5 8–14Schnelltest 1EAC Konventionell 11 +0 bis 13 +6 > > 1 ≥ 12Schnelltest 1CVS KZK 11 +0 bis 13 +6 ~0,5 1LZK 5–14PLB KZK ≥ 14 +0 ~0,5 1LZK 7–14FBS > 18 +0 1–3 4FUS > 18 +0 ? 10–18aMit Angabe des üblichen Zeitraums des E<strong>in</strong>griffs, des Risikos e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>griffsbed<strong>in</strong>gten Fehlgeburt sowie <strong>der</strong> Bearbeitungszeitbis zur Befun<strong>der</strong>stellung. SSW Schwangerschaftswochen, AC Amniozentese, EAC frühe Amniozentese,CVS Chorionzottenbiopsie, PLB Plazentese, FBS fetale Blutentnahme, FUS fetale Blasenpunktion, KZKKurzzeitkultur, LZK Langzeitkultur.E<strong>in</strong>e pränatale Chromosomendiagnostikan Fruchtwasserzellen wird seit Ende <strong>der</strong>1960er-Jahre durchgeführt. Die gewonnenenZellen liegen anfangs <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ruhephasedes Zellzyklus (G 0 -Phase) vor.Nur wenige Zellen s<strong>in</strong>d vital und können<strong>in</strong> den Zellzyklus e<strong>in</strong>treten, um dannzu Kolonien auszuwachsen. Da Chromosomenanalysennur an Zellen <strong>in</strong> Teilungdurchgeführt werden können, wird biszur möglichen Chromosomenpräparatione<strong>in</strong>e Zellkultivierung von 8–14 Tagenerfor<strong>der</strong>lich. Speziell im H<strong>in</strong>blick auf dieInterpretation von Chromosomenbefunden(Mosaike!) muss immer bedacht werden,dass diese nur auf wenigen teilungsfähigenZellen beruhen.Detaillierte Angaben zur Technik vonZellzüchtung und Chromosomenpräparations<strong>in</strong>d bei Wegner zu f<strong>in</strong>den [11]. DieGrößenordnung von Kulturversagen sollte0,2% nicht überschreiten. Die Chromosomenanalyseerfolgt an gebän<strong>der</strong>tenChromosomen meist nach Tryps<strong>in</strong>behandlungund Giemsafärbung (GTG-Banden). Nach <strong>der</strong> S2-Leitl<strong>in</strong>ie „HumangenetischeDiagnostik“ <strong>der</strong> Gesellschaftfür Humangenetik (GfH) und des BerufsverbandesDeutscher Humangenetiker(BVDH; [9]) werden für die Pränataldiagnostikm<strong>in</strong>destens 400 Banden/haploidemChromosomensatz gefor<strong>der</strong>t. BeiVorliegen von Aneuploidien ist z. B. auche<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>geres Bandenniveau ausreichend.Es müssen m<strong>in</strong>destens zwei unabhängigeKulturen angelegt werden, die ggf. für e<strong>in</strong>eAnalyse herangezogen werden. Das Anlegene<strong>in</strong>er dritten Kultur kann speziell beiMosaikkonstellationen sehr hilfreich fürdie Bewertung von Ergebnissen se<strong>in</strong>.Chromosomale MosaikeMosaikbefunde <strong>in</strong> <strong>der</strong> PD s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>ediagnostische Herausfor<strong>der</strong>ung.Unter e<strong>in</strong>em zytogenetischen Mosaik verstehtman das Vorliegen von m<strong>in</strong>destens2 Zelll<strong>in</strong>ien mit unterschiedlicher Chromosomenkonstitution,wobei e<strong>in</strong>e Zelll<strong>in</strong>ieaus <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en hervorgegangen se<strong>in</strong>muss. Zur Klassifizierung von Mosaiken<strong>in</strong> Fruchtwasserzellen und zu weitergehendendiagnostischen Maßnahmen s<strong>in</strong>ddie Vorschläge von Hsu u. Benn [6] zuempfehlen.Chromosomenaberrationen <strong>in</strong> nur e<strong>in</strong>erZelle e<strong>in</strong>er Kultur werden als Level-1-Mosaike bezeichnet. Diese s<strong>in</strong>d nach <strong>in</strong>ternationalerNomenklatur (ISCN) ke<strong>in</strong>eMosaike, denn hierfür wird das Auftretenvon m<strong>in</strong>destens 2 Zellen mit identischemchromosomalem Zugew<strong>in</strong>n o<strong>der</strong> identischerchromosomaler Strukturverän<strong>der</strong>ungbzw. von 3 Zellen mit e<strong>in</strong>em Chromosomenverlustgefor<strong>der</strong>t. Level-1-Mosaikewerden <strong>in</strong> den Befunden nicht mitgeteilt.Zellmosaike nach ISCN werden <strong>in</strong>2 Kategorien aufgeteilt: Level-2- und Level-3-Mosaike.E<strong>in</strong> Level-2-Mosaik bedeutetdas Auftreten von m<strong>in</strong>destens458 | Mediz<strong>in</strong>ische Genetik 4 · 2011


Zusammenfassung · Abstract2 Zellen mit identischer Chromosomenabweichungneben <strong>der</strong> (meist normalen)zweiten Zelll<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> nur e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> untersuchtenZellkulturflaschen. Die an<strong>der</strong>e(n)Kulturflasche(n) weist (weisen) nur Zellenmit dem primären Chromosomensatzauf. Level-2-Mosaike s<strong>in</strong>d i. d. R. kulturbed<strong>in</strong>gteArtefakte. Der dafür auch verwendeteBegriff „Pseudomosaik“ ist irreführend,da das Mosaik e<strong>in</strong>en realen Befundaus <strong>der</strong> Kultur darstellt, e<strong>in</strong>e weitergehendeDiagnostik erfor<strong>der</strong>t und, wennauch sehr selten, e<strong>in</strong> fetales Mosaik darstellenkann. Level-2-Mosaike treten mite<strong>in</strong>er Häufigkeit von 0,7–1,1% nach ACauf [3].E<strong>in</strong> Level-3-Mosaik liegt vor, wenn diebeobachteten Zelll<strong>in</strong>ien <strong>in</strong> m<strong>in</strong>destenszwei <strong>der</strong> untersuchten Kulturflaschen auftreten.Die Frequenz dieser Mosaike liegtzwischen 0,1 und 0,3% aller AC [3]. DasRisiko für phänotypische Auffälligkeitenvor o<strong>der</strong> nach <strong>der</strong> Geburt ist chromosomenspezifisch.E<strong>in</strong> sehr hohes Risiko(> 60%) liegt bei Trisomie-Mosaiken <strong>der</strong>Chromosomen 2, 4, 9, 16 und 22, e<strong>in</strong> hohesRisiko (40–49%) bei den Chromosomen5, 13, 14, 15, 18 und 21, e<strong>in</strong> mo<strong>der</strong>atesRisiko (20–39%) bei den Chromosomen6, 7, 12 und 17 und e<strong>in</strong> niedriges bei allenan<strong>der</strong>en Chromosomen vor [1]. Wird e<strong>in</strong>Mosaik bei Nachuntersuchungen an fetalemGewebe (z. B. Fetalblut) <strong>der</strong> betroffenenSchwangerschaft nicht bestätigt,kann es sich um e<strong>in</strong> extraembryonales/extrafetales Mosaik aus <strong>der</strong> Amnionhülle(. Abb. 2) handeln o<strong>der</strong> um e<strong>in</strong> gewebespezifischesMosaik, das z. B. im Fetalblutnicht nachweisbar ist (s. Fetalblutanalysen).Mütterliche Zellkontam<strong>in</strong>ationE<strong>in</strong>e durch die Punktion bed<strong>in</strong>gte Beimengungmütterlicher Zellen (MCC,„maternal cell contam<strong>in</strong>ation“) führt nachden Daten mehrerer größerer Studien bei~0,5% aller Untersuchungen zum Auftretenweiblicher Metaphasen [1].Daten aus eigenen Untersuchungenmittels Interphase-FISH (Fluoreszenz-<strong>in</strong>situ-Hybridisierung)an nativen Fruchtwasserzellenvon männlichen Feten ergabene<strong>in</strong>e MCC <strong>in</strong> 27% <strong>der</strong> 100 analysiertenFälle. In ke<strong>in</strong>em dieser 27 Fälle mit MCCnach FISH-Analyse, selbst <strong>in</strong> dem e<strong>in</strong>enFall e<strong>in</strong>er MCC von 27%, waren jedochMetaphasen mit weiblichem Chromosomensatznach <strong>der</strong> konventionellen Chromosomenanalyse<strong>der</strong> kultivierten Fruchtwasserzellenzu f<strong>in</strong>den. Aller Wahrsche<strong>in</strong>lichkeitnach s<strong>in</strong>d die Zellkerne mit XX-Konstellation auf mütterliche Leukozytenzurückzuführen, die ke<strong>in</strong> Wachstumspotenzialaufweisen.Molekular-zytogenetischeDiagnostik – pränataler SchnelltestDer pränatale Schnelltest nutzt die Technik<strong>der</strong> FISH zur Diagnostik <strong>der</strong> häufigstenfetalen Aneuploidien (Trisomie 13, 18und 21) und <strong>der</strong> Konstellation <strong>der</strong> Geschlechtschromosomen.Hierzu erfolgte<strong>in</strong>e FISH-Analyse an Zellkernen von nativenFruchtwasserzellen mit chromosomenspezifischenDNA-Sonden, die mitFluorochromen markiert s<strong>in</strong>d. Der Untersuchungsbefundkann <strong>in</strong>nerhalb von24 h nach Probene<strong>in</strong>gang erstellt werden.E<strong>in</strong>e ausführliche Darstellung <strong>der</strong> molekular-zytogenetischenPränataldiagnostikist <strong>in</strong> dem Artikel von Westrich und Liehr<strong>in</strong> diesem Heft enthalten.Molekulargenetische undbiochemische DiagnostikMolekulargenetische und biochemischeAnalysen werden bevorzugt an Chorionzottendurchgeführt und unter diesemKapitel besprochen.Analyse von Chorionzotten<strong>Zytogenetische</strong> DiagnostikDie Chorionzottenanalyse wurde <strong>in</strong>Deutschland Mitte <strong>der</strong> 1980er-Jahre etabliert.Der Vorteil im Vergleich zur ACliegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Verlagerung <strong>der</strong> Diagnostikvom zweiten <strong>in</strong> das erste Trimester <strong>der</strong>Schwangerschaft (. Abb. 1).Die gewonnenen Chorionzotten s<strong>in</strong>dextraembryonalen Ursprungs und setzensich aus 3 Zellschichten zusammen(. Abb. 2), wovon zwei für die zytogenetischeDiagnostik von Bedeutung s<strong>in</strong>d.Der Zytotrophoblast weist e<strong>in</strong>e spontaneMitoseaktivität zum üblichen Zeitpunkt<strong>der</strong> Biopsie auf, wodurch e<strong>in</strong>e Chromosomenanalysebereits wenige Stundennach dem E<strong>in</strong>griff möglich ist. Aus prak-medgen 2011 · 23:457–462DOI 10.1007/s11825-011-0298-4© Spr<strong>in</strong>ger-Verlag 2011R.-D. Wegner · M. Stumm<strong>Zytogenetische</strong> <strong>Methoden</strong><strong>in</strong> <strong>der</strong> PränataldiagnostikZusammenfassungDie zytogenetischen Analysen an Fruchtwasserzelleno<strong>der</strong> an Chorionzotten s<strong>in</strong>d dieStandardmethoden <strong>der</strong> <strong>in</strong>vasiven Pränataldiagnostik.In beson<strong>der</strong>en Fällen stellen dieFetalblutanalyse o<strong>der</strong> die Untersuchung fetalerZellen an<strong>der</strong>en Ursprungs e<strong>in</strong>e guteErgänzung dar, um den tatsächlichen fetalenChromosomensatz zu ermitteln. DieChromosomenanalyse erlaubt die Beurteilungdes gesamten Genoms auf lichtmikroskopischerEbene. Bei molekulargenetischenAnalysen monogener Erkrankungen werdennative Chorionzotten für e<strong>in</strong>e <strong>der</strong>artige,gezielte Untersuchung bevorzugt verwendet.Die schnelle Entwicklung <strong>der</strong> nicht<strong>in</strong>vasivengenetischen Pränataldiagnostik kanndie Optionen werden<strong>der</strong> Eltern, bestimmtegenetisch bed<strong>in</strong>gte Störungen auszuschließen,erweitern und auf den E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> <strong>in</strong>vasivenpränatalen Diagnostik maßgeblich E<strong>in</strong>flussnehmen.SchlüsselwörterPränataldiagnostik · Amniozentese ·Chorionzottenbiopsie · Zytogenetik · MosaikeCytogenetic methods<strong>in</strong> prenatal diagnosisAbstractCytogenetic analysis of amniotic fluid cells orchorionic villi are standard methods <strong>in</strong> <strong>in</strong>vasiveprenatal diagnosis. In certa<strong>in</strong> cases, analyz<strong>in</strong>gfetal blood cells or fetal cells of otherorig<strong>in</strong> represents an excellent supplementary<strong>in</strong>vestigation to disclose a fetal chromosomalaberration. At the microscopic level, chromosomeanalysis allows an exam<strong>in</strong>ation of thecomplete genome. In the case of molecularanalysis of monogenic disor<strong>der</strong>s, native chorionicvilli are the preferred tissue for targetedexam<strong>in</strong>ation. Rapid advances <strong>in</strong> molecularnon-<strong>in</strong>vasive prenatal diagnosis will broadenparents’ options to exclude certa<strong>in</strong> relevantgenetic changes and will have an importantimpact on the field of <strong>in</strong>vasive prenataldiagnosis.KeywordsPrenatal diagnosis · Amniocentesis ·Chorionic villi sampl<strong>in</strong>g · Cytogenetics ·MosaicismMediz<strong>in</strong>ische Genetik 4 · 2011 |459


Schwerpunktthema: PränataldiagnostikEXTRAEMBRYONAL / EXTRAFETALSynzytiotrophoblastZygoteBlastomereBlastozyste TrophoblastZytotrophoblastMesenchymaler KernPlazentaCVS (DP/KZK)CVS (LZK)Innere ZellmasseExtraembryonalesMeso<strong>der</strong>mAmniotischesEkto<strong>der</strong>mChorionAmnionEmbryonalesEkto<strong>der</strong>mAmniozenteseEmbryoanlage<strong>Zentrum</strong> fürPränataldiagnostik und HumangenetikKudamm-199www.kudamm-199.deGrafik: © Prof. Dr. Rolf WegnerErstellt: September 2011EmbryonalesEnto<strong>der</strong>mEmbryonalesMeso<strong>der</strong>mB<strong>in</strong>degewebeBlutzellenEMBRYONAL / FETALFetaleBlasenpunktionCordozenteseAbb. 2 9 SchematischeDarstellung <strong>der</strong> Embryonalentwicklung/Fetalentwicklungmit Angabe <strong>der</strong> Gewebe,die bei e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>vasivenDiagnostik untersucht werden.(Mod. nach[10])460 | Mediz<strong>in</strong>ische Genetik 4 · 2011tischen Gründen wird das Gewebe häufigüber Nacht <strong>in</strong>kubiert und erst am folgendenTag präpariert. Die Bearbeitungvon Chorionzotten bis h<strong>in</strong> zur Chromosomenanalyse<strong>der</strong> Zellen des Zytotrophoblastenwird als Kurzzeitkultur bezeichnet.Demgegenüber steht die Langzeitkultur,e<strong>in</strong>e Analyse <strong>der</strong> Zellen des mesenchymalenKerns. Diese zeigen ke<strong>in</strong>espontane Mitoseaktivität und müssendaher <strong>in</strong> Kultur genommen werden, ume<strong>in</strong>e Chromosomenanalyse durchführenzu können. Die Kulturdauer liegt i. d. R.zwischen 4 und 14 Tagen. E<strong>in</strong>e vollständigdurchgeführte Chromosomendiagnostikerfor<strong>der</strong>t die Analyse von Kurzzeitkulturund Langzeitkultur.Die Anfor<strong>der</strong>ungen an die Chromosomenqualitätzur Befundung ist <strong>in</strong> <strong>der</strong>S2-Leitl<strong>in</strong>ie „Humangenetische Diagnostik“aufgeführt [9]. Die Chromosomenqualitätaus präparierten Zellen <strong>der</strong>Kurzzeitkultur ist gewebespezifisch sowiemethodisch bed<strong>in</strong>gt erheblich begrenztund liegt häufig bei ≤ 300 Banden/haploidemChromosomensatz. Damits<strong>in</strong>d nur grobe strukturelle Aberrationenerkennbar. Erst die Metaphasechromosomen<strong>der</strong> Langzeitkultur, mite<strong>in</strong>er i. d. R. erreichbaren Auflösungvon ≥ 400 Banden/haploidem Chromosomensatz,weisen e<strong>in</strong>e ausreichendeQualität für e<strong>in</strong>e strukturelle Chromosomenanalyseauf. Im Durchschnitt liegtdie Bandenqualität <strong>der</strong> Metaphasen ause<strong>in</strong>er Chorionzotten-Langzeitkultur jedochum 50–100 Banden unterhalb <strong>der</strong>aus Fruchtwasserzellen.Chromosomale MosaikeChromosomale Mosaike o<strong>der</strong> fetoplazentareDiskrepanzen treten bei <strong>der</strong> Untersuchungvon Chorionzotten mit e<strong>in</strong>erFrequenz von etwa 1–2% relativ häufigauf. Die europäische EUCROMIC-Studie(„European collaborative research on mosaicism<strong>in</strong> CVS“) zu Mosaiken nach CVS[5] weist dabei e<strong>in</strong>en Anteil von 1,5% fürplazentabegrenzte Mosaike nach.Entsprechend dem Auftreten e<strong>in</strong>esMosaiks o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong>en pathologischenZelll<strong>in</strong>ie im Zytotrophoblasten (Kurzzeitkultur)und/o<strong>der</strong> mesenchymalen Kern(Langzeitkultur; . Abb. 2) variieren dieWahrsche<strong>in</strong>lichkeiten für e<strong>in</strong> echtes Mosaikim Fetus beträchtlich (. Tab. 2, 3).Zusätzlich ist die Prognose für den Fetusauch abhängig von den <strong>in</strong>volviertenChromosomen. So s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> EUCRO-MIC-Studie bei e<strong>in</strong>em Trisomie-7-Mosaik<strong>in</strong> Kurzzeit- und/o<strong>der</strong> Langzeitkultur(n = 32) <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>em Fall Zellen mit Trisomie7 im Fetus nachgewiesen worden. BeiMosaiken mit Trisomie-21-Zellen (n = 31)s<strong>in</strong>d dagegen 9 von 22 Feten tatsächlichbetroffen.Auf die zusätzliche Problematik e<strong>in</strong>ererhöhten Wahrsche<strong>in</strong>lichkeit für dasAuftreten e<strong>in</strong>er uniparentalen Disomie(UPD) bei Vorliegen von Mosaiken wirdspäter e<strong>in</strong>gegangen.Grundsätzlich geht aus den publiziertenDaten hervor, dass <strong>der</strong> Befund <strong>der</strong>Langzeitkultur eher den fetalen Karyotyprepräsentiert als <strong>der</strong> <strong>der</strong> Kurzzeitkultur.Diese Erkenntnis erklärt sich auch durchdie unterschiedliche Differenzierung vonZytotrophoblast und mesenchymalemKern im Verlauf <strong>der</strong> Embryonalentwicklung(. Abb. 2).Die Sicherheit <strong>der</strong> zytogenetischenDiagnostik an Chorionzotten ist etwavergleichbar mit <strong>der</strong> aus Fruchtwasserzellen,wenn sowohl die Kurzzeit- als auchdie Langzeitkultur untersucht werden.Demzufolge for<strong>der</strong>t die S2-Leitl<strong>in</strong>ie „HumangenetischeDiagnostik“ bei Durchführunge<strong>in</strong>er Chorionzottendiagnostikauch die Analyse bei<strong>der</strong> Kulturen für dieErstellung des endgültigen Ergebnisses,es sei denn, dass die bei e<strong>in</strong>er fetalen Ultraschalluntersuchungfestgestellten Auffälligkeitenmit dem Ergebnis <strong>der</strong> Kurzzeitkulturkorrespondieren. Falsch-positiveo<strong>der</strong> falsch-negative Ergebnisse s<strong>in</strong>d


ei Vorliegen durchgängig pathologischerZelll<strong>in</strong>ien sehr selten (jeweils < 0,01%).Mütterliche Zellkontam<strong>in</strong>ationH<strong>in</strong>sichtlich e<strong>in</strong>er niemals sicher auszuschließendenBeimengung mütterlichenGewebes (MCC), auch nach genauestermikroskopischer Dissektion des Chorionbiopsats,weist die Kurzzeitkultur gegenüber<strong>der</strong> Langzeitkultur e<strong>in</strong>en Vorteil auf.Da die mütterlichen Zellen ke<strong>in</strong>e spontaneTeilungsaktivität besitzen und <strong>in</strong>nerhalb<strong>der</strong> kurzen Kulturdauer nicht <strong>in</strong> dieMitose e<strong>in</strong>treten, spielt die MCC bei <strong>der</strong>zytogenetischen Diagnostik <strong>der</strong> Kurzzeitkulturke<strong>in</strong>e Rolle. E<strong>in</strong>e MCC wird jedoch<strong>in</strong> bis zu 1,5% aller Langzeitkulturen beschrieben.Molekulargenetische undbiochemische DiagnostikMolekulargenetische Analysen werdenbevorzugt nach CVS durchgeführt, dadas Gewebe früh <strong>in</strong> <strong>der</strong> Schwangerschaftgewonnen werden kann und e<strong>in</strong>e sofortigeDNA-Extraktion aus den Chorionzottenmöglich ist. E<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>deutige Identifizierungvon Chorionzotten und e<strong>in</strong>e Entfernungmütterlicher Gewebestücke s<strong>in</strong>dvon hoher Bedeutung, um Fehlbefundezu vermeiden. Der Ausschluss e<strong>in</strong>erMCC (EDTA-Blut <strong>der</strong> Schwangeren erfor<strong>der</strong>lich)ist e<strong>in</strong>e auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> S2-Leitl<strong>in</strong>ie„Humangenetische Diagnostik“ verankerteVoraussetzung für die korrekteErstellung des Befundes.E<strong>in</strong>e biochemische Analyse an nativenChorionzotten wird heutzutage seltenere<strong>in</strong>gesetzt. Sie erfolgt z. B., wenn e<strong>in</strong>emolekulargenetische Diagnostik für e<strong>in</strong>eStoffwechselerkrankung nicht zur Verfügungsteht.Analyse fetaler Lymphozytenund an<strong>der</strong>er fetaler GewebeDie Chromosomenanalyse an fetalenLymphozyten erfor<strong>der</strong>t e<strong>in</strong>e Chordozentese,die Punktion e<strong>in</strong>er Nabelvene (FBS,„fetal blood sampl<strong>in</strong>g“). Beim FBS wirddie Nabelschnurvene vorzugsweise an<strong>der</strong> Plazentaansatzstelle punktiert. DasFBS kann ab <strong>der</strong> 18 +0. SSW durchgeführtwerden, dabei werden 1–2 ml Fetalblut gewonnen.Das Abortrisiko wird mit 1–3%Tab. 2 Verschiedene Konstellationen plazentabegrenzter Zellmosaike bzw. fetoplazentarerDiskrepanzen mit Angabe <strong>der</strong> prozentualen Häufigkeit unter allen Mosaiken. (Mod.nach [5])CPM-TypHäufigkeit KZK LZK Fetus(%)I 43,2 + − −II 25,0 − + −III 16,1 + + −FPD-Typ1 0 + − +2 3,6 − + +6,8 + + +Nur Trisomien e<strong>in</strong>zelner Autosomen s<strong>in</strong>d berücksichtigt (n = 192). CPM „conf<strong>in</strong>ed placental mosaicism“, plazentabegrenzteZellmosaike; FPD fetoplazentare Diskrepanzen; KZK Kurzzeitkultur, LZK Langzeitkultur, + Mosaiktrisomieo<strong>der</strong> durchgängige Trisomie, − normaler Chromosomensatz.Tab. 3 Häufigkeit von Feten mit Chromosomenaberration<strong>in</strong> Abhängigkeitvon <strong>der</strong> zytogenetischen Konstellation<strong>der</strong> Chorionzotten. (Mod. nach [5])KZK LZK Feten mit Aberration(%)M N 0T N 0N M 4,1N T 83,3M M 23,5T M 18,2M T 100Nur Trisomien e<strong>in</strong>zelner Autosomen s<strong>in</strong>d berücksichtigt(n = 192). KZK Kurzzeitkultur, LZKLangzeitkultur, M Mosaiktrisomie, T durchgängigeTrisomie, N normaler Chromosomensatz.angegeben, wobei allerd<strong>in</strong>gs zu berücksichtigenist, dass die FBS meist bei Hochrisikoschwangerschaftene<strong>in</strong>gesetzt wird.Haupt<strong>in</strong>dikationen s<strong>in</strong>d die zytogenetischeund/o<strong>der</strong> molekulargenetische Diagnostiknach auffälligem Ultraschallbefund<strong>in</strong> hohen Schwangerschaftswocheno<strong>der</strong> nach unklarem zytogenetischem Befunde<strong>in</strong>er CVS und/o<strong>der</strong> AC.Die Bearbeitung <strong>der</strong> fetalen Lymphozytenzur Chromosomenanalyse folgtweitgehend den Protokollen <strong>der</strong> postnatalenLymphozytenanalysen [11]. E<strong>in</strong> Befundkann <strong>in</strong>nerhalb von 3–4 Tagen erstelltwerden. Analog zum pränatalenSchnelltest an nativen Fruchtwasserzellenkann auch e<strong>in</strong>e molekular-zytogenetischeUntersuchung an nicht kultivierten fetalenLymphozyten erfolgen.Die diagnostische Sicherheit des zytogenetischeBefundes aus fetalen Lymphozytenist jedoch e<strong>in</strong>geschränkt, da falschnegativeBefunde beim Auftreten von spezifischenMosaiken relativ häufig s<strong>in</strong>d. Sos<strong>in</strong>d nach e<strong>in</strong>er konventionellen Chromosomenananlysedas für das Pallister-Killian-Syndromtypische Isochromosom i(12p) fast nie und die Triploidie nur seltenim Fetalblut nachweisbar. E<strong>in</strong>e Kontam<strong>in</strong>ationmit mütterlichen Lymphozytensollte immer ausgeschlossen werden(Kleihauer-Test).Die zytogenetische Analyse fetalerUr<strong>in</strong>zellen o<strong>der</strong>, bei pathologischer Vermehrungvon fetalen Körperflüssigkeiten,z. B. die Analyse von Asziteszellenwird unter strengen Kautelen <strong>in</strong> unserem<strong>Zentrum</strong> erfolgreich e<strong>in</strong>gesetzt. So zeigtenUntersuchungen bei Schwangerschaftenmit auffälligem Ultraschallbefundfalsch-negative Befunde im Fetalblut, daim fetalen Ur<strong>in</strong> (Trisomie 6) bzw. im fetalenAszites (Trisomie 16) e<strong>in</strong>deutig Mosaikevorlagen.Weitere AspekteUniparentale DisomieE<strong>in</strong>e uniparentale Disomie (UPD) ist dasAuftreten e<strong>in</strong>es Chromosomenpaares, beidem beide homologe Chromosomen nurvon e<strong>in</strong>em Elternteil stammen. Bei denChromosomen, die e<strong>in</strong>e elterliche genomischePrägung bestimmter Gene aufweisen,kommt es hierdurch zu kl<strong>in</strong>ischrelevanten Krankheitsbil<strong>der</strong>n. Zu dieserGruppe gehören die Chromosomen 6, 7,11, 14 und 15 [9]. Für das Chromosom 16 istdie Situation nicht zweifelsfrei geklärt, daMediz<strong>in</strong>ische Genetik 4 · 2011 |461


Schwerpunktthema: Pränataldiagnostike<strong>in</strong> Trisomie-16-Mosaik und e<strong>in</strong>e maternaleUPD (mit vielleicht kryptischem Mosaik)identische fetale Auffälligkeiten wieWachstumsrestriktion, Herzfehler undAnalatresie hervorrufen. Ebenso führt e<strong>in</strong>eUPD 20 nicht ausnahmslos zu Pseudohypoparathyroidismus.Das Auftreten e<strong>in</strong>es Zellmosaiks, e<strong>in</strong>erRobertson-Translokation, e<strong>in</strong>es Markerchromosomsbzw. das Vorliegen e<strong>in</strong>er –auch parentalen – balancierten Translokation,s<strong>in</strong>d generell mit e<strong>in</strong>em erhöhten Risikofür die Entstehung e<strong>in</strong>er UPD <strong>der</strong> beteiligtenChromosomen assoziiert. Demzufolgesollte die Problematik e<strong>in</strong>er möglichenUPD und die Handlungsoptionenmit <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong> im Rahmen e<strong>in</strong>er genetischenBeratung besprochen werden.BefundmitteilungFür die Erstellung e<strong>in</strong>es Befundes gibt esdetaillierte For<strong>der</strong>ungen, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> S2-Leitl<strong>in</strong>ie „Humangenetische Diagnostik“[9] aufgeführt s<strong>in</strong>d. Nach dem GenDGdarf <strong>der</strong> Patient<strong>in</strong> <strong>der</strong> Befund nur durchdie verantwortliche ärztliche Person o<strong>der</strong>die ärztliche Person, die die genetische Beratungdurchgeführt hat, mitgeteilt werden.ZuverlässigkeitDie Ergebnisse zytogenetischer Untersuchungens<strong>in</strong>d sehr zuverlässig, wenngewebe<strong>in</strong>härente Eigenschaften bei <strong>der</strong>Analyse mit berücksichtigt werden. DieChromosomenanalyse aus Fruchtwasserzellenist nach wie vor <strong>der</strong> Goldstandard<strong>der</strong> <strong>in</strong>vasiven Pränataldiagnostik, an demsich neue diagnostische <strong>Methoden</strong> messenlassen müssen.Nicht<strong>in</strong>vasive pränataleDiagnostik aus maternalem BlutDas Vorkommen zellfreier fetaler/plazentarerDNA im Blut von Schwangerenwurde erstmalig 1997 beschrieben und ermöglichtheute bereits die genetische Diagnostikbestimmter fetaler Merkmale,ohne dass e<strong>in</strong> <strong>in</strong>vasives Vorgehen erfolgenmuss [7].Die pränatale Bestimmung qualitativergenetischer Merkmale wie Rhesusstatusund, wenn mediz<strong>in</strong>isch <strong>in</strong>diziert, dasfetale Geschlecht bei X-gebundener Erkrankungen,wird bereits <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Län<strong>der</strong>nerfolgreich e<strong>in</strong>gesetzt [2]. Auch seltenepaternale Genmutationen wurden bereitserfolgreich diagnostiziert.Die Analyse von quantitativen Merkmalen,wie z. B. <strong>der</strong> Nachweis von fetalenAneuploidien, ist technisch weitausschwieriger und aufwendiger. Verschiedenemethodische Ansätze wie die „massiveparallele Sequenzierung“ o<strong>der</strong> das „MAL-DI-TOF“ („matrix-assisted laser desorption/ionization– time-of-flight mass spectrometry“,matrixunterstützte Laserdesorptions/Ionisations-Flugzeit-Massenspektrometrie)wurden aber bereits <strong>in</strong> erstenStudien zur nicht<strong>in</strong>vasiven humangenetischenPränataldiagnostik (NIPD) vonfetalen Aneuploidien (Trisomie 13, 18 und21) erfolgreich e<strong>in</strong>gesetzt. E<strong>in</strong> diagnostischerTest wird <strong>in</strong> den USA seit Oktober2011 angeboten.Fazit für die PraxisF E<strong>in</strong>e zytogenetische Pränataldiagnostikmittels gängiger <strong>in</strong>vasiver <strong>Methoden</strong>wie AC bzw. CVS erlaubt e<strong>in</strong>e genaueVorhersage von fetalen Chromosomenstörungenauf lichtmikroskopischerEbene.F Obwohl pränatale Ultraschalluntersuchungenund die biochemische Serumdiagnostikfür e<strong>in</strong>ige AneuploidienVorhersagewahrsche<strong>in</strong>lichkeitenvon 90–95% erreichen, bleibt füre<strong>in</strong>e präzise und umfassende Erkennunge<strong>in</strong>er Chromosomenstörung dieFruchtwasserzell- und Chorionzottenanalysenotwendig.F E<strong>in</strong>en zukünftigen Wandel könnte <strong>der</strong>E<strong>in</strong>satz <strong>der</strong> NIPD aus zellfreier fetalerDNA br<strong>in</strong>gen.F E<strong>in</strong> verantwortungsvoller Umgangmit diesen neuen Technologien ist dabeijedoch unerlässlich und erfor<strong>der</strong>tauch weiterh<strong>in</strong> die <strong>in</strong>dividuelle Indikationsstellungim Rahmen e<strong>in</strong>erkompetenten genetischen Beratung.KorrespondenzadresseProf. Dr. rer. nat. R.-D. Wegner<strong>Zentrum</strong> für Pränataldiagnostik undHumangenetik Kudamm 199Kurfürstendamm 199, 10719 Berl<strong>in</strong>wegner@kudamm-199.deInteressenkonflikt. Der korrespondierende Autorgibt an, dass ke<strong>in</strong> Interessenkonflikt besteht.Literatur1. Benn PA (2010) Prenatal diagnosis of chromosomalabnormalities through amniocentesis. In: Milunsky(Hrsg) Genetic disor<strong>der</strong>s and the fetus. Wiley& Blackwell, London, S 194–2722. Chitty LS, Schoot CE van <strong>der</strong>, Hahn S, Avent ND(2008) SAFE – The Special Non-<strong>in</strong>vasive Advances<strong>in</strong> Fetal and Neonatal Evaluation Network: aimsand achievements. Prenat Diagn 28:83–883. Gardner RJM, Sutherland GR (2004) Chromosomeabnormalities and genetic counsel<strong>in</strong>g. Oxford UniversityPress, Oxford4. (o A) (2009) Gesetz über genetische Untersuchungenbeim Menschen (Gendiagnostikgesetz –GenDG). Bundesgesetzblatt Teil I 2009 Nr. 50, ausgegebenzu Bonn am 4. August 2009. BGBl 1 2009:2529–25385. Hahnemann JM, Vejerslev LO (1997) European collaborativeresearch on mosaicism <strong>in</strong> CVS (EUC-ROMIC) – fetal and extrafetal cell l<strong>in</strong>eages <strong>in</strong> 192gestations with CVS mosaicism <strong>in</strong>volv<strong>in</strong>g s<strong>in</strong>gleautosomal trisomy. Am J Med Genet 70:179–1876. Hsu LYF, Benn PA (1999) Revised guidel<strong>in</strong>es for thediagnosis of mosaicism <strong>in</strong> amniocytes. Prenat Diagn19:1081–10907. Lo YM, Corbetta N, Chamberla<strong>in</strong> PF et al (1997)Presence of fetal DNA <strong>in</strong> maternal plasma and serum.Lancet 350:485–4878. Nationaler Ethikrat (2003) Genetische Diagnostikvor und während <strong>der</strong> Schwangerschaft. NationalerEthikrat, Berl<strong>in</strong>9. Gesellschaft für Humangenetik (GfH), BerufsverbandDeutscher Humangenetiker (BVDH) (2011)S2-Leitl<strong>in</strong>ie „Humangenetische Diagnostik“. MedGenet 23:281–32210. 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