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broschüre 2005 - Das Ulrichsberg-Buch

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eingezogen. Die Gestapo beschlagnahmte<br />

die Bauernhöfe der Deportierten<br />

und verlangte einen “freiwilligen”<br />

Verzicht auf das Eigentumsrecht, mit<br />

der Androhung, bei Verweigerung die<br />

Familie in KZs einzuweisen. (5)<br />

Da das Gebiet, das von den Nationalsozialisten<br />

für die Ansiedlung der Vertriebenen<br />

gedacht war, von der Roten<br />

Armee 1943 zurückerobert wurde,<br />

konnten die Pläne, 50.000 SlowenInnen<br />

zu deportieren, nur teilweise ausgeführt<br />

werden. Insgesamt wurden fast<br />

300 Familien, ungefähr 1300 Menschen,<br />

vertrieben. 1000 Personen wurden<br />

im Zuge der ‘Entnationalisierung<br />

der SlowenInnen’ eingesperrt, davon<br />

starben 200 in den Konzentrationslagern<br />

und Gefängnissen.<br />

PartisanInnen<br />

Partizani/ke<br />

1939/40 desertierten die ersten slowenischen<br />

Wehrmachtssoldaten aus<br />

Kärnten und flüchteten nach Jugoslawien.<br />

Nach dem Überfall auf Jugoslawien<br />

versteckten sie sich im Kärntner<br />

Karawankengebiet und bildeten erste<br />

PartisanInnenkader. (6) Der Kampf der<br />

PartisanInnen stellt zugleich den einzigen<br />

organisierten und kontinuierlichen<br />

bewaffneten Widerstand auf dem Gebiet<br />

des heutigen Österreichs dar.<br />

Die Kärntner PartisanInnen griffen drei<br />

Jahre lang mit Überfällen und Sabotageakten,<br />

mit antifaschistischen Flugblättern<br />

und Versammlungen die NS-Herrschaft<br />

in Kärnten an. Sie sabotierten die<br />

Nachschublinien für den Angriffskrieg<br />

der Deutschen Wehrmacht gegen Jugoslawien,<br />

wodurch größere Truppenteile<br />

zur PartisanInnenbekämpfung gebunden<br />

waren und nicht mehr an der Front<br />

eingesetzt werden konnten. Darüber<br />

hinaus boten PartisanInnen fliehenden<br />

ZwangsarbeiterInnen und entflohenen<br />

KZ-Häftlingen immer wieder Zuflucht.<br />

Gerade bei der PartisanInnenbekämpfung<br />

in Südosteuropa kam es auch immer<br />

wieder zu Kriegsverbrechen durch<br />

SS oder Wehrmacht. So auch in Kärnten.<br />

Zwei Wochen vor Kriegsende, am<br />

25. April 1945, verübte eine SS-Polizei-<br />

Einheit auf dem slowenischen Bergbauernhof<br />

Persˇmanhof in der Nähe des<br />

Loiblpasses ein Massaker an der Zivilbevölkerung.<br />

Elf Mitglieder der Familie<br />

Sadovnik, die PartisanInnen unterstützt<br />

hatten, wurden umgebracht und ihr<br />

Bauernhof niedergebrannt. Die Täter<br />

wurden nie zur Verantwortung gezogen.<br />

Jedes Jahr im Juni findet bei diesem<br />

Hof, der heute Museum und Gedenkstätte<br />

ist, eine Gedenkveranstaltung<br />

statt, bei der an den Widerstandskampf<br />

der PartisanInnen und an den<br />

Mut der slowenischen Zivilbevölkerung<br />

gedacht wird.<br />

Entschädigungsmaßnahmen nach<br />

1945<br />

Odsˇkodnine po 1945<br />

Die von der österreichischen Regierung<br />

eingesetzte “Historikerkommission”<br />

stellte in ihrem 2002 erschienenen<br />

Bericht fest, dass “unter dem Eindruck<br />

des von den Kärntner Slowenen getragenen<br />

bewaffneten Widerstandes, der<br />

Waffenbruderschaft der slowenischen<br />

Partisanenarmee mit den Briten wie<br />

auch unter dem Eindruck der – kurzfristigen<br />

– Doppelbesetzung Kärntens<br />

durch britische und jugoslawische<br />

Truppen sowie der Gebietsforderungen<br />

Jugoslawiens” die provisorische Kärntner<br />

Landesregierung die slowenischen<br />

Forderungen und Schäden anerkannte.<br />

“Namentlich genannt wurden die im<br />

April 1942 deportierten Slowenen. Ähnliche<br />

Erklärungen wurden auch hinsichtlich<br />

der Wiedererrichtung slowenischer<br />

Vereine, Organisationen und Genossenschaften<br />

getätigt.” (7)<br />

So wurden “arisierte” Höfe den ursprünglichen<br />

EigentümerInnen rückgestellt.<br />

Als die Gebietsansprüche auf Teile<br />

Kärntens seitens Jugoslawiens 1949<br />

bei den anderen Alliierten auf klare Ablehnung<br />

stießen, stand die Kärntner<br />

Regierung weiteren ausständigen Entschädigungszahlungen<br />

an SlowenInnen<br />

klar ablehnend gegenüber und<br />

diese konnten nur durch massiven politischen<br />

Druck durchgesetzt werden.<br />

Bis heute bestehen von NS-Opfern, so<br />

auch Kärntner SlowenInnen, immer<br />

noch Entschädigungsansprüche, die<br />

bisher nicht abgegolten wurden. Diese<br />

konnten bis zum Mai 2003 innerhalb<br />

des Allgemeinen Entschädigungsfonds<br />

für NS-Opfer angemeldet werden. Auszahlungen<br />

aus diesem Fonds an die<br />

heute schon betagten Opfer werden jedoch<br />

von der österreichischen Bundesregierung<br />

bis heute “in die Länge gezogen”.<br />

Auch vom Prinzip der Antragstellung<br />

- d.h., dass NS-Opfer ihre Ansprü-<br />

che wie BittstellerInnen geltend machen<br />

müssen und keinen Rechtsanspruch<br />

darauf haben - ging der Staat<br />

Österreich bis heute nicht ab. AntragstellerInnen<br />

an den Allgemeinen Entschädigungsfonds<br />

verpflichten sich<br />

noch dazu, mit einer eventuellen Auszahlung<br />

auf alle weiteren Ansprüche an<br />

Österreich zu verzichten.<br />

Ehemalige PartisanInnen selbst können<br />

übrigens bis heute innerhalb des<br />

sogenannten “Opferfürsorgegesetzes”<br />

Leistungen beziehen. Wehrmachtsdeserteure<br />

werden bis heute jedoch nicht<br />

als Opfergruppe anerkannt, eine generelle<br />

Rehabilitierung durch die Republik<br />

lässt noch auf sich warten. �<br />

Fußnoten:<br />

(1) Augustin Malle u. Brigitte Entner, Die<br />

Kärntner Slowenen; vollständiger Text:<br />

http://www.uni-klu.ac.at/his/Aktuelles/KaerntnerSlowenen.htm<br />

(2) vgl.: Gerhard Baumgartner u. Andreas<br />

Moritsch: Der nationale Differenzierungsprozeß<br />

in Südkärnten und im südlichen<br />

Burgenland 1850-1940, in: Werner Holzer<br />

u. Rainer Münz (Hg.): Trendwende? Sprache<br />

und Ethnizität im Burgenland, Wien<br />

1993, 123.<br />

(3) Nach der Befreiung Kärntens führte die<br />

provisorische Landesregierung unter dem<br />

Druck der Briten im Sommer 1945 das Minderheitenschulwesen<br />

ein. Zweisprachiger<br />

Unterricht wurde verplichtend für alle SchülerInnen<br />

der ersten drei Schulstufen in Südkärnten<br />

eingeführt. Diese Maßnahme, die<br />

107 Schulen umfasste und zu einer verbesserten<br />

Verständigung zwischen den Volksgruppen<br />

führen sollte, wurde jedoch nach<br />

1955 wieder abgeschafft. vgl.: Hellwig Valentin,<br />

Der Sonderfall. Kärntner Zeitgeschichte<br />

1918 – 2004, Klagenfurt, Lublijana<br />

u. Wien <strong>2005</strong>, 172.<br />

(4) Historikerkommission (Hg.): Augustin<br />

Malle, Alfred Elste, Brigitte Entner, Boris Jesih<br />

Valentin Sima, Heidi Wilscher: Vermögensentzug,<br />

Rückstellung und Entschädigung<br />

am Beispiel von Angehörigen der<br />

slowenischen Minderheit und ihrer Verbände<br />

und Organisationen. Wien 2002.<br />

(5) vgl.: Verband ausgesiedelter Slowenen,<br />

Vertreibung und Widerstand. 1942 –<br />

1982, Klagenfurt 1982, 33 ff.<br />

(6) vgl.: Hellwig Valentin, Der Sonderfall.<br />

Kärntner Zeitgeschichte 1918 – 2004, Klagenfurt,<br />

Lublijana u. Wien <strong>2005</strong>, 131.<br />

(7) Historikerkommission (Hg.). Wien<br />

2002.<br />

14 - AK GEGEN DEN KÄRNTNER KONSENS AUGUST <strong>2005</strong>

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