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Positionspapier zur Diagnostik in der Nutztiermedizin - Arbeitskreis ...

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gesün<strong>der</strong> und sie s<strong>in</strong>d „tiergesundheitsdef<strong>in</strong>iert“(d.h., die Herkunftsbeständeverfügen über e<strong>in</strong>endiagnostisch beschriebenenund attestierten Tiergesundheitsstatus).Status quo <strong>der</strong> tierärztlichen<strong>Diagnostik</strong> fürdie NutztierpraxisDie Nutztierhaltung unterlag <strong>in</strong>den letzten Jahren enormen Umstrukturierungen.Viele Tierhalterentwickelten sich vom Bauernalten Schlages zum im Wettbewerbstehenden Unternehmer<strong>in</strong> <strong>der</strong> Wertschöpfungskette fürLebensmittel. Die For<strong>der</strong>ungen<strong>der</strong> abnehmenden Hand (gesundeTiere mit def<strong>in</strong>ierten Tiergesundheitseigenschaftenfür e<strong>in</strong>ehohe Produktqualität sowie fürden <strong>in</strong>ternationalen Handel) und<strong>der</strong> Gesellschaft (Tierseuchenverhütung,Lebensmittelsicherheit,Zoonosenbekämpfung, risikoorientierteFleischuntersuchung undVerbesserungen im Tierschutz)erfor<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> systematisches, proaktivesTiergesundheitsmanagement.Die gegenwärtige Praxisist aber immer noch vorwiegendauf die Diagnosestellung von Erkrankungenund auf die Feststellungvon Todesursachen orientiert.Damit h<strong>in</strong>kt das <strong>der</strong>zeitige<strong>Diagnostik</strong>angebot (reagieren aufKrankheit und Verendungen)dem tatsächlichen <strong>Diagnostik</strong>bedarf(proaktives Monitor<strong>in</strong>g vonResistenzen und Zoonoseerregern,Früherkennung des Auftretensvon Erregern seuchenhaft verlaufen<strong>der</strong>Erkrankungen und Erstellungvon Tiergesundheitsprofilen)deutlich h<strong>in</strong>terher, und die Scherewird, wenn wir nichts än<strong>der</strong>n,noch größer werden, da immermehr traditionell wirtschaftendeLandwirte aufgeben und die Tierhaltungimmer mehr <strong>in</strong> hoch spezialisiertenUnternehmen erfolgt.Die größten strukturellen Defizitegibt es beim Angebot fürpathologische Untersuchungen,die das Fundament <strong>der</strong> labordiagnostischen<strong>Diagnostik</strong> s<strong>in</strong>d: zwarstehen ausreichend staatliche,universitäre und privatwirtschaftlicheE<strong>in</strong>richtungen, ausgerüstetmit mo<strong>der</strong>nen Methoden <strong>zur</strong> weiterführendenmikrobiologischen,molekularbiologischen, chemischen,biochemischen und mikroskopischenUntersuchung vonProbenmaterial <strong>in</strong> hoch qualifiziertenund meist akkreditiertenLabors <strong>zur</strong> Verfügung, doch mangeltes <strong>in</strong> Deutschland an e<strong>in</strong>erflächendeckenden Versorgung mitE<strong>in</strong>richtungen <strong>zur</strong> pathologischanatomischenUntersuchung vonTierkörpern und -organen und <strong>zur</strong>gezielten Probenentnahme für dieweitergehenden Untersuchungen,obwohl gerade die pathologischanatomischenUntersuchungenund die gezielten Organentnahmene<strong>in</strong>e zentrale Stellung beimAufbau e<strong>in</strong>er flächendeckendenund systematischen <strong>Diagnostik</strong>e<strong>in</strong>nehmen. Erst die Zusammenführung<strong>der</strong> anamnestischen undkl<strong>in</strong>ischen Erhebungen mit denpathologisch-anatomischen (fallsnotwendig histologischen) Befundenund den Ergebnissen <strong>der</strong>daraus resultierenden weiterführendenlabordiagnostischen Untersuchungenführt zu e<strong>in</strong>er <strong>der</strong>tierärztlichen Kunst angemessenen(also auch „forensiktauglichen“)<strong>Diagnostik</strong>. Durch jahrzehntelangaus öffentlichen Mittelngestützte Offizialberatungen(zu denen auch subventionierteSektionen gehörten) „verwöhnte“Landwirte empf<strong>in</strong>den die heutemit Vollkostenrechnung zu veranschlagendenSektionen und diedaraus resultierende Labordiagnostikals zu teuer und reduzierendie Anzahl <strong>der</strong> diagnostischenAufträge anstatt sie, wie es durchdie steigenden Anfor<strong>der</strong>ungen andie Tiergesundheit und durch diesich stetig vergrößernden Tierbeständeerfor<strong>der</strong>lich ist, zu erhöhen.H<strong>in</strong>zu kommt die Tatsache,dass die Zahl <strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungen,die wissenschaftlich fundierte pathologisch-anatomischeund, fallserfor<strong>der</strong>lich, nachfolgende histologischeUntersuchungen anbieten,stetig gesunken ist. Dieshat dazu geführt, dass die Wegezu diesen E<strong>in</strong>richtungen immerlänger geworden s<strong>in</strong>d. WennLandwirte durch die weiten Anfahrten<strong>zur</strong> <strong>Diagnostik</strong>e<strong>in</strong>richtungmehrere Stunden daran geh<strong>in</strong><strong>der</strong>twerden, ihre Arbeiten im Tierbestan<strong>der</strong>ledigen zu können, gehtfolgerichtig die Zahl <strong>der</strong> <strong>zur</strong> Sektione<strong>in</strong>gesandten Tiere zusätzlich<strong>zur</strong>ück. Auch <strong>in</strong> den Nie<strong>der</strong>landenwurden <strong>Diagnostik</strong>e<strong>in</strong>richtungenDas <strong>der</strong>zeitige <strong>Diagnostik</strong>angebotreagiert auf Krankheit und Todesfälleund damit zu spät.geschlossen und heute werdenalle Untersuchungen nur noch <strong>in</strong>Deventer durch den nie<strong>der</strong>ländischenGezondheitsdienst voorDieren angeboten. Dort aber gibtes e<strong>in</strong>en Kurierdienst, <strong>der</strong> zeitnahe,sachgerechte und seuchenhygienischsichere Transporte vongefallenen und moribunden Tierenaus allen Teilen des Landesnach Deventer garantiert, ohnedass die Betriebsleiter Unterbrechungenihrer Betriebsabläufeh<strong>in</strong>nehmen müssen. Dies hat zue<strong>in</strong>er signifikant höheren postmortalenUntersuchungsdichte <strong>in</strong>den Nie<strong>der</strong>landen im Gegensatzzu Deutschland geführt. Auch<strong>in</strong> Dänemark ist die <strong>Diagnostik</strong>dichteviel höher als bei uns –dort liegt das aber daran, dass beiE<strong>in</strong>haltung von behördlich kontrolliertenAuflagen für Landwirtund Tierarzt e<strong>in</strong>e gezielte Organentnahmedurch den Tierarzt aufden Höfen gestattet ist. Dr. SvenEric Jorsal vom Department of3 0 6 GROSSTIERPRAXIS 01/2009


d) Anfor<strong>der</strong>ung an die <strong>Diagnostik</strong>laborsEs ist dr<strong>in</strong>gend erfor<strong>der</strong>lich, die<strong>Diagnostik</strong>tools <strong>der</strong> verschiedenenLabors vergleichbar zumachen. Während <strong>in</strong> <strong>der</strong> Seuchendiagnostiküber Referanzlaborsdie Diagnose abgesichertwird, <strong>in</strong> <strong>der</strong> serologischen Untersuchungüberwiegend mitstandardisierten Verfahren gearbeitetwird, gibt es vor allem<strong>in</strong> <strong>der</strong> molekularbiologischenUntersuchung noch viele PCR-Methoden, die laborspezifischentwickelt wurden und nicht<strong>in</strong> R<strong>in</strong>gversuchen abgeprüftwurden. Hier gilt es, Methodenvergleichbar zu machen, umdem praktizierenden Tierarztmehr Sicherheit <strong>in</strong> <strong>der</strong> täglichenPraxis zu geben. Anbieterveter<strong>in</strong>ärmediz<strong>in</strong>ischer Labordiagnostiksollten pr<strong>in</strong>zipiellakkreditiert se<strong>in</strong> und die Methoden,mit denen regelmäßigPrüfergebnisse erstellt werden,müssen im akkreditierten Kompetenzprofil<strong>der</strong> E<strong>in</strong>richtungmit aufgenommen werden, alsoständigen R<strong>in</strong>gversuchen unterliegen.e) Schaffung e<strong>in</strong>es gestaffeltenDiagnosesystems• Anamnese und kl<strong>in</strong>ische Untersuchungdes Tierbestandes,• je nach Sachlage Entnahmevon Blut-, Spül- und Tupferprobensowie ggf. FutterundWasserproben sowiezielgerichtete Organentnahmenim Betrieb,• Weiterleitung o<strong>der</strong> gleichzeitigeUntersuchung vonohneh<strong>in</strong> genommenen Monitor<strong>in</strong>gprobenzum Ausschlussvon anzeigepflichtigenTierseuchen nach Vorgabeamtlicher Stellen,• weiterführende Untersuchungdes entnommenenMaterials <strong>in</strong> adäquat ausgestattetentierärztlichenPraxen und/o<strong>der</strong> <strong>in</strong> spezialisierten(akkreditierten) Untersuchungse<strong>in</strong>richtungen,• Sektion und Untersuchung<strong>in</strong> etablierten, anerkanntenund neutralen (akkreditierten)<strong>Diagnostik</strong>e<strong>in</strong>richtungen<strong>in</strong> all den Fällen, diee<strong>in</strong>e vertiefende Befundungerfor<strong>der</strong>n,• Weiterleitung von Proben(eventuell Anfor<strong>der</strong>ung weiterenUntersuchungsmaterials)<strong>in</strong> wissenschaftlicheE<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> Veter<strong>in</strong>ärpathologieund eventuell• Weiterleitung <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Referenzlabor<strong>zur</strong> Abklärungkonkreter Verdachtsbefunde.Diese Kaskade gilt natürlich nichtbei e<strong>in</strong>em Seuchenverdacht, <strong>der</strong>durch die Anamnese, die kl<strong>in</strong>ischeUntersuchung und/o<strong>der</strong> bei<strong>der</strong> zielgerichteten Organentnahmeauf dem landwirtschaftlichenBetrieb entsteht.2. Entwicklung von m<strong>in</strong>iaturisierten„multi-diagnostischen“TestsEs gilt, zügig die seit geraumerZeit verfügbare Microarray-Technologie, mit <strong>der</strong> man e<strong>in</strong>e<strong>in</strong>mal entnommenes Probenmaterialsimultan auf e<strong>in</strong>e großeAnzahl von entwe<strong>der</strong> Antigeneno<strong>der</strong> Antikörper bestimmenund untersuchen kann.Dies ist zwar e<strong>in</strong> Aufruf an dieUnternehmen, die tierärztliche<strong>Diagnostik</strong>a entwickeln undherstellen, aber ohne e<strong>in</strong>e wieauch immer gestaltete f<strong>in</strong>anzielleFör<strong>der</strong>ung werden sich dieseEntwicklungen nicht „vonalle<strong>in</strong>“ <strong>in</strong> Gang setzen, denndie Entwicklungskosten s<strong>in</strong>dhoch und anfänglich werdendie Erstentwickler e<strong>in</strong>en Marktantreffen, <strong>der</strong> sich erst schrittweiseausweiten wird.Wenn aber mit e<strong>in</strong>er Probedie Bedürfnisse des Staatesund <strong>der</strong> Gesellschaft(Tierseuchenverhütung und Lebensmittelsicherheit)UND <strong>der</strong>Landwirte (Tiergesundheitserhaltund def<strong>in</strong>ierter Tiergesundheitsstatus)gedeckt werden,wird sich die Bereitschaftzu e<strong>in</strong>er systematischen undTransparenz schaffenden <strong>Diagnostik</strong><strong>in</strong> <strong>der</strong> Haltung Lebensmittelliefern<strong>der</strong> Tieren stetigerhöhen.AusblickDie Umsetzung <strong>der</strong> vorgeschlagenendiagnostischen Kaskade <strong>in</strong>Verb<strong>in</strong>dung mit „multi-diagnostischen“E<strong>in</strong>maluntersuchungenvon Probenmaterial gleichzeitigauf Tierseuchenerreger undLebensmittelsicherheits- undTiergesundheitsrisiken würde <strong>in</strong>Komb<strong>in</strong>ation mit e<strong>in</strong>er zu schaffendenzentralen Datenbank zuden erhobenen Befunden die Qualität<strong>der</strong> tierärztlichen <strong>Diagnostik</strong>für unsere Nutztierpraxis spürbarverbessern. Insbeson<strong>der</strong>e fürden auch für Deutschland immerwichtiger werdenden <strong>in</strong>ternationalenHandel mit Tieren und tierischenProdukten und für die Umsetzung<strong>der</strong> neuen EuropäischenTiergesundheitsstrategie würde<strong>der</strong> Ausbau e<strong>in</strong>es flächendeckendenMonitor<strong>in</strong>gs, welches kostengünstige<strong>in</strong>en kont<strong>in</strong>uierlichenÜberblick über den betrieblichen,regionalen und überregionalenTiergesundheitsstatus ermöglicht,von größter Bedeutung se<strong>in</strong>.Autoren:Prof. Thomas Blaha, Dipl. ECVPHund ECPHM(Außenstelle für EpidemiologieBakum, Stiftung TierärztlicheHochschule Hannover, DGSG)Inge Böhne(Vorsitzende des BTK-Ausschussesfür Schwe<strong>in</strong>e, Mitglied desBTK-Ausschusses für Tierseuchenbekämpfung,DGSG)Christ<strong>in</strong>a Wen<strong>der</strong>del und Dr. Dr.Bernd Iben, Dipl. ECPHM(DGSG)3 2 8 GROSSTIERPRAXIS 01/2009

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