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GESCHiCHtE<br />
Texte und Fotos Dieter Horst Steinmetz<br />
Häufige Irrtümer im Geschichtswissen über Calbe Teil 26<br />
Calbe. die geburtenzahl ging in<br />
Calbe am ende des ersten Weltkrieges<br />
drastisch zurück. Sie sank<br />
1917 um 47 Prozent, also nahezu<br />
auf die hälfte des Vorkriegsstandes.<br />
da kommt immer wieder<br />
die meinung auf, dass das wohl<br />
auf die fehlenden männer zurückzuführen<br />
wäre, die sich im feld<br />
befanden. das ist aber grundsätzlich<br />
falsch. die Soldaten bekamen<br />
weitgehend regelmäßig heimaturlaub,<br />
ohne den sie die harten<br />
belastungen im feld nicht durchgestanden<br />
hätten. daran kann es<br />
also kaum gelegen haben, dass<br />
die geburten so stark zurückgingen.<br />
Schwangerschaftsverhütung<br />
spielte wegen der katastrophalen<br />
Versorgungslage seit 1915/16,<br />
die mit einer hohen Säuglings-<br />
und Kleinkindersterblichkeit einherging,<br />
sicherlich eine nicht zu<br />
unterschätzende rolle. ganz<br />
Calbe. marie lemmer, die Schwester<br />
des jungen magisters, war<br />
noch nicht volljährig, als der<br />
Vater Conrad lemmersen 1623<br />
starb. da es hier in jener Zeit gegen<br />
das gesetz verstieß, dass eine<br />
frau - auch eine wohlhabende<br />
- allein erziehend und geschäftsfähig<br />
war, bekam die Witwe lemmer<br />
den angesehenen Calbenser<br />
bürger mathies döring als treuhänder<br />
an die Seite gestellt. dieser<br />
war nun auch der Vormund<br />
für marie.<br />
nach ihrer Volljährigkeit heiratete<br />
marie lemmer den amtsschreiber<br />
Johann reichenbach aus nienburg,<br />
der 1640 das grundstück<br />
breite 3 erwarb. der Sohn des<br />
Paares, Johann friedrich, wurde<br />
am 6. Januar 1647 geboren. maries<br />
bruder Conrad (der sprachgelehrte<br />
magister) hatte währenddessen<br />
1638 die bürgermeisterstochter<br />
Sibylla Will ke geheiratet.<br />
als dieser 1651 das haus des<br />
Schwiegervaters in der heutigen<br />
bernburger Straße 7 kaufte,<br />
konnte von da an die junge reichenbach-familie<br />
allein im großen<br />
dreifach-haus in der breite<br />
wohnen.<br />
maries und Johanns Sohn Johann<br />
friedrich studierte 1666 in<br />
leipzig, wurde am 29.4.1675 in<br />
Calbe als akademischer Stadt-<br />
gravierend war aber die hungersituation<br />
der frauen selbst. die<br />
natur schiebt in solchen fällen einen<br />
riegel vor. Wenn die frauen<br />
kaum noch fleisch, Kartoffeln<br />
und getreide zu sehen bekamen<br />
und sich nachweislich von Wiesenkräutern<br />
und anderen ersatzlebensmitteln<br />
ernähren mussten,<br />
wurde auf natürlichem Weg eine<br />
eventuelle Schwangerschaft<br />
unterbunden, um das leben der<br />
frauen zu retten und potentielle<br />
föten bzw. Säuglinge nicht<br />
zu opfern. dieses Phänomen der<br />
vorübergehenden, hormonell bedingten<br />
unfruchtbarkeit wurde<br />
in der geschichte bei allen hungerkatastrophen<br />
beobachtet.<br />
übrigens: heutzutage liefern sich<br />
auch magersüchtige junge frauen<br />
einer solchen Sterilität aus. n<br />
schreiber vereidigt und hier 1708<br />
als bürgermeister eingesetzt.<br />
Seit 1691 war er schließlich besitzer<br />
des ehemaligen lemmergrundstückes.<br />
Seine mutter marie<br />
hatte zuvor noch als Witwe<br />
und besitzerin in dem gebäude<br />
gewohnt. anlässlich einer generalüberholung<br />
des gutshofes<br />
ließ reichenbach am tor (heute:<br />
Wilhelm-loewe-Straße 30) seine<br />
initialen „J. f. r.“ und die Jahreszahl<br />
„1697“ anbringen. So kann<br />
man es heute noch sehen. 1685<br />
erwarb reichenbach zusätzlich<br />
das rittergut mit dem Sitz in der<br />
ritterstraße 1 vom kurbrandenburgischen<br />
Staat. nun besaß der<br />
später in den adelsstand erhobene<br />
von reichenbach nicht nur<br />
den stolzen lemmerhof, sondern<br />
auch das beachtliche, altehrwürdige<br />
rittergut.<br />
1710 starb Johann friedrich v.<br />
reichenbach. Seine Witwe anna<br />
Katharina, geborene fiedler, ließ<br />
das 1694 durch einen brand beschädigte<br />
ritterguts-haus 1715<br />
wieder aufbauen und an dessen<br />
eingang in der ritterstraße 1 einen<br />
Stein anbringen, auf dem in<br />
latein von dem Wiederaufbau<br />
berichtet wurde. dieser inzwischen<br />
zerbrochene Stein befindet<br />
sich im Stadtarchiv von Calbe. die<br />
Witwe reichenbach und auch<br />
käthe kollwitz Hunger<br />
Die Spur der Zeichen – Symbolik aus Calbes vergangenen Zeiten<br />
Teil 6: Breite 3 – Die Reichenbachs als Besitzer des Lemmerhofes (Fortsetzung zu Teil 5)<br />
die Witwen der nachfolgenden<br />
reichenbachs lebten in dem<br />
haus ritterstraße 1, die letzte bis<br />
zum ende des 18. Jahrhunderts.<br />
(gegenwärtig wartet dieser geschichtsträchtige<br />
bau auf seinen<br />
abriss.) das dreifach-gebäude<br />
in der breite 3 blieb bis 1772 in<br />
den händen der reichenbachfamilie.<br />
danach wohnten darin<br />
bis 1934 gewerbetreibende und<br />
landwirte.<br />
an der Stelle der 1935 abgeris-<br />
Termine<br />
Kleingartenverein<br />
„Neue Zeit“e.V.<br />
Sprechstunde des Vorstandes<br />
Monat November:<br />
<strong>20</strong>.11.<strong>20</strong>10<br />
jeweils von 09.00 bis 11.00 uhr<br />
Elt-Kassierung <strong>20</strong>10: die termine<br />
der elt-Kassierung entnehmen<br />
Sie bitte dem Schaukasten.<br />
Redaktionsschluss<br />
„Calbenser Blatt“<br />
Ausgabe Dezember<br />
Montag,<br />
1.11.<strong>20</strong>10<br />
senen Wohnhäuser des ehemaligen<br />
lemmerhofes errichtete<br />
man 1936 das Sparkassengebäude.<br />
die wertvolle tafel (s.<br />
Cb 3/10) wurde gerettet und im<br />
Sparkassen-Portal rechts oben<br />
angebracht. Vom einst prunkvollbarocken<br />
erbbegräbnis der familie<br />
reichenbach an der Südseite<br />
der St.-Stephani-Kirche ist dort<br />
nur noch eine kleine, stark verwitterte<br />
Sandsteinplakette geblieben.<br />
n<br />
das Calbenser Blatt 10-11/10<br />
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