Als PDF-Datei. - Stadtkapelle Offenburg
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Beerdigung von Thomas Berger<br />
am Freitag, den 3. Juni 2005 auf dem Friedhof Zunsweier, 15.30 Uhr<br />
Ansprache des 1. Vorsitzenden der <strong>Stadtkapelle</strong> <strong>Offenburg</strong> Jess Haberer<br />
Liebe Moni,<br />
verehrte Familie Berger, verehrte Familie Stark,<br />
liebe Kollegen und Freunde,<br />
sehr geehrte Trauergemeinde,<br />
auch die <strong>Stadtkapelle</strong> <strong>Offenburg</strong> trauert um Thomas Berger, unseren Dirigenten und<br />
musikalischen Leiter. Wir sind gekommen, um Abschied zu nehmen.<br />
Die Welt ist leerer geworden, seit Thomas gegangen ist. Sein Tod hat uns<br />
aufgerüttelt, erschüttert und bestürzt. Niemand konnte damit rechnen.<br />
Ein triumphales Konzert auf der Piazza Rosselli in Pietra Ligure vergangenen<br />
Samstag hat wieder einmal die Beliebtheit der <strong>Stadtkapelle</strong> <strong>Offenburg</strong> und ihres<br />
Dirigenten in die Überschriften der Zeitungen gebracht.<br />
Sie haben Thomas Berger gedrückt, geküsst und verehrt mit allem, was das<br />
italienische Temperament für uns so einzig macht.<br />
Bei der italienischen Hymne standen den Menschen die Tränen in den Augen. Auch<br />
bei „Music“ von John Miles...“dein“ Stück und vor allem „dein letztes“ solistisches,<br />
bärenstark gespieltes Stück...wir werden es heute noch hören.<br />
Das gemeinsame Fest im Anschluss mit Edy als „Kenny G“ und ich mit meinem<br />
lahmen Kreuz beim Samba; wir alle im ausgelassenen Formationstanz zum<br />
Abschluss unserer Konzertreise...dann Anti pasti im „Bar-Sport“ bei „Mama“, wie wir<br />
die Wirtin nannten und dann der letzte Gute-Nacht-Gruß vor der Heimfahrt zurück<br />
nach Deutschland.<br />
Und niemand ahnte, dass sich innerhalb einer Stunde unsere Welt verändern würde.<br />
Die Katastrophe kam in dieser Nacht. Das Menschenmögliche hat nicht ausgereicht,<br />
dir zu helfen. Schock, Ohnmacht und tiefe Trauer sitzen seither in unseren Herzen<br />
und die schweigende Heimfahrt war geprägt durch tränenreiche Stille und<br />
Fassungslosigkeit.<br />
„Lieber Gott, das ist nicht fair – das kannst du nicht gewollt haben“ – so die Reaktion.<br />
Oder: „Der Thomas kann doch nicht einfach gehen!“<br />
Warum DU, Thomas?<br />
Warum JETZT?<br />
Am 22. März 1990 ging ein Stern auf...für die <strong>Stadtkapelle</strong> und die Kulturstadt<br />
<strong>Offenburg</strong>. Thomas Berger wurde Dirigent des Traditionsorchesters!<br />
Damit begann ein unaufhaltsamer Aufstieg an Popularität, an Konzertqualität, an<br />
Beachtung und Beliebtheit bei einer Fangemeinde, die von Konzert zu Konzert<br />
größer wurde. In wenigen Jahren hatten wir alle Siegertreppchen erklommen.<br />
1
Dann 1994...ich weiß es noch ganz genau...entstand im Brandeckgarten nach<br />
mehreren Schoppen die Idee, eine CD zu bespielen...mit klassischer und moderner<br />
Literatur und mit mir als Sänger...mein Freund, wie mutig!<br />
1995 war`s soweit...mit durchschlagendem Erfolg. Seither berichten Printmedien und<br />
Radiostationen darüber; bei mittlerweile 5 professionellen Produktionen. Es hat<br />
funktioniert: Du machtest das musikalische Konzept; ich sorgte für Geld und<br />
Organisation.<br />
Wir haben gemeinsam viele Ideen in die Startposition gelegt; manche Projekte haben<br />
bereits konkrete Ansätze. Vor allem junge Musiker sollten jetzt Chancen zur Bühnen-<br />
und Studioarbeit bekommen.<br />
Es gibt Verabredungen mit den Partnerstädten, die dir alle sehr am Herzen lagen<br />
und deine persönliche Initiative hieß: Willkommen Pietra Ligure!<br />
Aus Weiz und Pietra sind heute Freunde unter uns, um mit uns zu trauern. Draußen<br />
hat diese Nachricht tiefe Erschütterung verursacht. Genauso wie hier im Zentrum<br />
seines Wirkens, wo Ratlosigkeit und das Nichtbegreifenkönnen den Menschen im<br />
Gesicht steht.<br />
Deshalb darf ich alle anderen Vereine, in denen Thomas Berger in seiner Laufbahn<br />
tätig war, in meine Abschiedsworte einbinden. Auch die Schulkameraden des<br />
Jahrgangs 63/64 aus Berghaupten lassen ihre Betroffenheit in meinen Nachruf<br />
einfließen.<br />
Wir wussten alle, lieber Thomas, dass du ein „Workoholic“ bist; ein<br />
„Hundertprozentiger“; ein „Perfektionist“; ein „Visionär“; ein „Kreator“: Ständig unter<br />
Strom!<br />
Ich möchte nicht wissen, welche Ideen dir selbst in der begrenzten Freizeit durch den<br />
Kopf gingen oder welche Projekte sich bei der Arbeit im Stuttgarter Orchestergraben<br />
bei dir entwickelt haben! Wohl Stoff für weitere 15 Jahre Dirigententätigkeit!<br />
Wir alle haben dich gebraucht, benützt, gefordert, oft belästigt!<br />
„Thomas hier – Herr Berger dort!“<br />
„Thomas dieses – Herr Berger tun Sie mal!“<br />
Wir müssen uns da schon kräftig an die Brust klopfen. Ging dir das vielleicht durch<br />
den Kopf in den Minuten, den Sekunden deines Todeskampfes?<br />
Der probate Schutz im Leben des vielbeschäftigten Musiklehrers, Dirigenten und<br />
Musiker war generell „das Einschalten des Anrufbeantworters“ mit der Musik „Es ist<br />
niemand zu Hause“ von den Comedian Harmonists.<br />
Insider haben gewusst, dass es nur so möglich war, ein Familienleben zu führen, das<br />
der Frau den rücksichtsvollen Ehemann und den Kindern den liebevollen Vater<br />
wenigstens „auf Zeit“ gab.<br />
„Es ist niemand zu Hause!“ – manch` Anrufer hat dieses AB-Signal verflucht.<br />
Trotzdem: Es war immer noch zu wenig AB !!!<br />
2
Durch viele Schlupflöcher sind immer wieder Belastungen, Komplikationen,<br />
Fremdbestimmtsein, Zeitdiebe und Stress in dein Leben eingedrungen. Dennoch<br />
gabst du nach außen das Bild von Ruhe, Übersicht, Ordnung und Gelassenheit im<br />
rechten Augenblick. Welch` trügerisches Bild!<br />
Komm jetzt nicht mit dem Spruch, mein lieber Freund: „Jeder ist zu ersetzen“ und<br />
„das Leben geht weiter!“ Damit tust du allen Unrecht, die an dich glauben; auch nach<br />
dem Tod. Die deine Visionen verstanden haben und bereit sind, an deinen Träumen<br />
weiter zu arbeiten.<br />
Nach dem Konzert ist vor dem Konzert!<br />
Moni, du hast gestern Abend vor den Mitgliedern der <strong>Stadtkapelle</strong> eine tiefe und<br />
ergreifende Ansprache gehalten. Du hast gesagt, dass uns mehr bleibt als die<br />
Erinnerung; mehr als der Sarg! Der Tod ist nicht das Ende, sondern signalisiert einen<br />
Anfang!<br />
Wir werden Thomas weiterhin neben uns haben und seine Unterstützung brauchen.<br />
Er<br />
kann von uns erwarten, dass wir uns nicht hängen lassen und auf`s Spiel setzen,<br />
was er mit uns in 15 Jahren aufgebaut hat. Thomas hat ein Recht darauf, dass seine<br />
Arbeit weiterhin Früchte trägt!<br />
Es gibt 1000 Fragen, auf die wir in diesen Tagen keine Antwort finden. Dennoch<br />
muss es Trost sein, zu hoffen (oder zu wissen?) dass es eine Bestimmung gibt, in<br />
der wir alle eine Rolle spielen. Und in der Unvorhergesehenes, Schlimmes eben<br />
auch einen Platz haben muss...vielleicht sogar einen Sinn!?<br />
Im Leben kommt man ständig an Grenzsituationen!<br />
Ich glaube, dass solche Gedanken erlaubt sind und tröstend wirken können. Denn<br />
das Schlimmste im Schmerz ist wohl das Bild, das man in sich trägt, dass wenn ein<br />
Mensch stirbt, ein Licht erlöscht, um nie mehr angezündet zu werden.<br />
Mit einem entsprechenden Bewusstsein lässt sich diese Vorstellung erweitern:<br />
...statt einem Licht wird etwas anderes leuchten!<br />
...das „An-ihn-denken“<br />
... „von-ihm-reden“<br />
„ihm-nacheifern“<br />
„im-Wort-bleiben“<br />
das Aufbauen an seinem Vorbild<br />
und die Motivation des Ansporns dadurch.<br />
Wir wissen, die Zeit der Trauer beginnt mit kleinen Schritten. Deshalb sind unsere<br />
Tränen wichtig und wir werden sie nicht verbergen. Denn im Fließen der Tränen ist<br />
die Hoffnung enthalten, dass sich der Schmerz löst und wir besser mit dieser<br />
Situation umgehen können.<br />
3
Verstehen kann man das Leben ohnehin nur rückwärts. Leben muss man es<br />
vorwärts!<br />
Da hätte uns auch Thomas beigepflichtet, in dem Wissen, der Tod ist nur ein<br />
Zwischenergebnis! Trost erwächst aus dieser grundsätzlichen Einstellung! Trotzdem<br />
nimmt uns die Trauer den Atem!<br />
Wir werden unserem verstorbenen Freund und Dirigenten ein ehrendes Andenken<br />
bewahren. In schmerzlicher Trauer fühlen wir uns mit den Angehörigen verbunden.<br />
Aber wir wären noch trauriger, wenn es ihn nicht gegeben hätte! Denn er hat unser<br />
Leben bereichert . Wir hatten eine starke Zeit!<br />
Ich habe mir 3 Stunden nach deinem Tod – im Morgengrauen des Sonntag – die<br />
Piazza Rosselli, unsere Konzertarena, noch mal angeschaut: Stühle weggeräumt,<br />
Bühne abgebaut, Traversen und Lampen weg, achtlos weggeworfene<br />
Papierschnippel, Reservierungsschilder, Plakate...und ich höre im Geiste die<br />
frenetischen Rufe des Publikums ......... und ich spüre deine unbändige Power!!<br />
Du sagtest: die Bühne würde nicht sofort abgebaut, denk` an TBO ! Ich sagte: und<br />
sie wird doch!! Hätte ich nur mit dir gewettet!<br />
Thomas, ich habe dich auf vielen Bühnen hunderte Male angekündigt:<br />
Meine Damen und Herren, liebes Publikum!<br />
Hören Sie nun die <strong>Stadtkapelle</strong> <strong>Offenburg</strong> unter der musikalischen Leitung von<br />
Stadtmusikdirektor Thomas Berger!<br />
Das ist jetzt Vergangenheit!<br />
Lieber Freund;<br />
Du hast die Bühne verlassen, ohne dich zu verabschieden und zu verbeugen, Wir<br />
wollen das vor dir tun! Deine Familie nehmen wir in unsere Mitte.<br />
Mach`s gut, Maestro...<br />
Halt` den Taktstock gerade<br />
Und lass` den AB an!!<br />
Tschau Thomas!<br />
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