Gelbe Reihe: Thomas/Putzo, ZPO (Aap-System)
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Erstversand, 21.03.2011<br />
Abschnitt 2. Parteien § 72<br />
2. Entscheidung ergeht durch Zwischenurteil, das mit dem Endurteil verbunden<br />
werden darf. Sie ist auch stillschweigend denkbar (BGH NJW 63, 2027),<br />
zB durch Auferlegung der Kosten der Nebenintervention im Endurteil u Begründung<br />
in den Entscheidungsgründen (KG NJW-RR 10, 142). Beschluss<br />
ergeht außerhalb eines Urteilsverfahrens (vgl § 66 Rn 2) u im Falle § 66 Rn 10.<br />
a) Inhalt. Das Zwischenurteil lautet auf Zulassung der Nebenintervention<br />
(ohne Kostenentscheidung wegen § 101 Abs 1; bestr), wenn alle Voraussetzungen<br />
(§ 66 Rn 3–8) vorliegen u das Interesse des Nebenintervenienten, auf das es<br />
allein ankommt, glaubhaft gemacht ist (Rn 4), andernfalls auf Zurückweisung,<br />
wobei zugleich die Kosten dem Nebenintervenienten aufzuerlegen sind (wegen<br />
§ 101 Abs 1; nach BAG NJW 68, 73 entspr § 91 Abs 1 S 1).<br />
b) Rechtsmittel (Abs 2): § 567 Abs 1 Nr 1; wenn das LG im Berufungs- od<br />
Beschwerdeverfahren entschieden hat, kann es die Rechtsbeschwerde zulassen<br />
(§ 574 Abs 1 Nr 2). Abs 2 gilt aber nicht, sondern § 99 Abs 1, wenn bei<br />
zurückgewiesener Nebenintervention nur die Kostenentscheidung angefochten<br />
wird (Nürnberg MDR 94, 834). Beschwert ist bei Zulassung nur der Antragsteller,<br />
bei Zurückweisung sind es der Nebenintervenient u die unterstützte Partei<br />
(Frankfurt NJW 70, 817; bestr). Am Beschwerdeverfahren sind alle zu beteiligen<br />
(vgl Rn 3). Gebühren: Für das Gericht GKG-KV 1810; für RA RVG-<br />
VV 3500.<br />
3. Beteiligung am Rechtsstreit (Abs 3). Sie wirkt in den Rechtsmittelinstanzen<br />
fort (BGH NJW 02, 1872). Dies entspricht dem Recht des Nebenintervenienten<br />
(§ 67 Rn 8). Er hat es solange, bis die zurückweisende Entscheidung<br />
(Rn 6) formell rechtskräftig ist (§ 705). Erst ab Rechtskraft kann er nicht<br />
mehr wirksam Prozesshandlungen vornehmen; die bis dahin vorgenommenen<br />
bleiben aber wirksam (hM).<br />
[DE <strong>ZPO</strong> § 071#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r][DA <strong>ZPO</strong> § 072#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r]<br />
§ 72 Zulässigkeit der Streitverkündung<br />
(1) Eine Partei, die für den Fall des ihr ungünstigen Ausganges des<br />
Rechtsstreits einen Anspruch auf Gewährleistung oder Schadloshaltung<br />
gegen einen Dritten erheben zu können glaubt oder den Anspruch eines<br />
Dritten besorgt, kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung des<br />
Rechtsstreits dem Dritten gerichtlich den Streit verkünden.<br />
(2) 1Das Gericht und ein vom Gericht ernannter Sachverständiger<br />
sind nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift. 2 § 73 Satz 2 ist nicht anzuwenden.<br />
(3) Der Dritte ist zu einer weiteren Streitverkündung berechtigt.<br />
1. Allgemeines. Lit: Knöringer JuS 07, 335. – a) Begriff. Streitverkündung<br />
ist die förmliche Benachrichtigung eines außenstehenden Dritten von einem<br />
anhängigen Rechtsstreit (sog Vorprozess) durch eine Partei (RoSchwGottwald<br />
§ 51 Rn 1). Die Partei ist dann Streitverkünder, der Dritte Streitverkündungsempfänger,<br />
auch Streitverkündungsgegner, od (sprachlich falsch) Streitverkündeter<br />
genannt.<br />
b) Zweck ist vor allem, im Folgeprozess (Rn 4) die Nebeninterventionswirkung<br />
herbeizuführen (§§ 74, 68). Daneben treten materiellrechtliche Wirkungen<br />
ein (§ 74 Rn 3).<br />
c) Anwendungsbereich. Er deckt sich mit dem der Nebenintervention<br />
(§ 66 Rn 2). Streitverkündung wird auch im selbständigen Beweisverfahren<br />
(§ 485) zugelassen (hM; BGH 134, 190 mwN). § 72 gilt auch nicht entspr im<br />
Grundbuchverfahren (BayObLG Rpfleger 80, 153).<br />
d) Beschränkung der Streitverkündung. aa) Kraft Gesetzes (Abs 2 S 1).<br />
Die Streitverkündung ggü diesem Personenkreis ist also unzulässig. Durch das<br />
2. JuModG wird der bisherige Streit (hierzu BGH NJW 07, 919 u NJW 06,<br />
Hüßtege 139<br />
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§ 72 Buch 1. Allgemeine Vorschriften<br />
140 Hüßtege<br />
Erstversand, 21.03.2011<br />
3214 m Anm Kaiser NJW 07, 123), ob dem gerichtlich bestellten SV der Streit<br />
verkündet werden kann, beendet, weil der SV nicht Dritter, sondern Gehilfe des<br />
Gerichts (§ 404 a) ist. Dasselbe gilt für die Richter des zuständigen Spruchkörpers,<br />
auch für Einzelne von ihnen und Mitarbeiter des SV (§ 407 a Abs 2 S 2).<br />
Der neue Abs 2 S 2 stellt zusätzlich klar, dass die Vorschrift des § 73 S 2, wonach<br />
der Schriftsatz dem Dritten zuzustellen und dem Gegner des Streitverkünders in<br />
Abschrift mitzuteilen ist, keine Anwendung findet.<br />
bb) Ferner möglich durch Prozessvertrag (Einl III 6), indem ihre Zulässigkeit<br />
entweder auf das Verfahren vor einem bestimmten Gericht beschränkt od ganz<br />
ausgeschlossen wird (Mansel ZZP 109, 61 mwN). Das kann in der Vereinbarung<br />
eines ausschließlichen Gerichtsstands liegen (Mansel aaO).<br />
2. Voraussetzungen. Sie werden im anhängigen Prozess (Vorprozess) nicht<br />
geprüft (allgM; zB München NJW 93, 2756 mwN), sondern nur im späteren<br />
(Folgeprozess), wenn es zwischen Streitverkünder u Streitverkündungsempfänger<br />
zum Rechtsstreit kommt. Dasselbe gilt für die Zulässigkeit der Streitverkündung<br />
(Rn 3 a). Die beiden Alternativen in Abs 1 unterscheiden sich nur im Hinblick<br />
auf die Anspruchsrichtung (BGH NJW 09, 1488).<br />
a) Anhängiger Rechtsstreit, in dem der Streitverkünder Partei ist (wie § 66<br />
Rn 3 u 4). Rechtshängigkeit (§ 261 Abs 1) ist nicht nötig (BGHZ 92, 251). Es<br />
können beide Parteien dem Streitverkündungsempfänger den Streit verkünden<br />
(BGH NJW 09, 1488). Ob u wem er beitritt (§ 70), bleibt ihm überlassen. Er<br />
kann aber nur der einen od der anderen Partei beitreten. Die Wirkung des § 68<br />
tritt aber nur im Verhältnis zur unterlegenen Partei ein.<br />
b) Streitverkündungsgrund (großzügige Auslegung durch die Rspr; BGH<br />
aaO) muss auf Seiten des Streitverkünders bestehen u darin liegen, dass im Falle<br />
des Unterliegens im Vorprozess (Rn 4) eine der beiden nachfolgenden Voraussetzungen<br />
(Rn 7 od 8) für einen möglichen Folgeprozess (Rn 4) zutrifft. Es kommt<br />
dabei nicht darauf an, wie der Vorprozess (Rn 4) dann tatsächlich ausgeht (Thüringen<br />
OLG-NL 06, 184). Es steht auch nicht entgegen, dass es dem Interesse<br />
des Streitverkünders nicht in vollem Umfang entspricht, wenn sein Vorbringen<br />
unterstützt wird (Köln NJW-RR 91, 1535).<br />
aa) Anspruchsgegnerschaft. Es muss ein Anspruch gegen den Streitverkündungsempfänger<br />
entstehen können, nämlich auf Gewährleistung od Schadensersatz<br />
(aus Gesetz od Vertrag), Regressanspruch genannt. Dazu gehört auch der<br />
Fall, dass Prozessgegner od Streitverkündungsempfänger dem Streitverkünder auf<br />
Schadensersatz alternativ haften (BGHZ 8, 72 u VersR 85, 569), nicht notwendig<br />
aus derselben Rechtsgrundlage od aus einem nach Umfang u Inhalt identischen<br />
Anspruch (BGHZ 65, 127). Das ist insbes dann gegeben, wenn die Vertragspartnerschaft<br />
(alternativ) entweder aus § 164 Abs 1 od 2 BGB folgt (BGH<br />
NJW 82, 281). Hingegen ist der verklagte alternative Schuldner nicht zur Streitverkündung<br />
an den anderen möglichen Schuldner berechtigt (Häsemeyer in<br />
Anm zu BGH aaO in ZZP 107, 228). Streitverkündung ist hingegen zulässig,<br />
wenn Beklagter u Streitverkündungsempfänger alternativ als Verursacher des<br />
selben Schadens in Betracht kommen (Köln NJW-RR 91, 1535). Es darf zZ der<br />
Streitverkündung nicht eine gesamtschuldnerische Haftung von Prozessgegner u<br />
Streitverkündungsempfänger bestehen (BGHZ 70, 187).<br />
bb) Anspruchsinhaberschaft. Ein Anspruch des Streitverkündungsempfängers<br />
gegen den Streitverkünder auf Gewährleistung od Schadensersatz muss entstehen<br />
können, nämlich in den Fällen der §§ 75–77, u wenn der Streitverkünder<br />
(auf Grund Gesetzes, Rechtsgeschäfts od Verwaltungsakts) über ein Recht des<br />
Streitverkündungsempfängers den Prozess führt, zB der Frachtführer in Drittschadensliquidation<br />
gegen den Unterfrachtführer über den Schadensersatzanspruch<br />
des Absenders (BGHZ 116, 95). Die Streitverkündung nach Abs 1 Alt 2<br />
hat eine verjährungshemmende Wirkung (BGH NJW 09, 1488).
Erstversand, 21.03.2011<br />
Abschnitt 2. Parteien §§ 73, 74<br />
c) Ordnungsgemäße Streitverkündung. Sie muss den Voraussetzungen des<br />
§ 73 entsprechen.<br />
3. Weitere Streitverkündung (Abs 3). Unter den gleichen Voraussetzungen<br />
(Rn 4–9) kann der Streitverkündungsempfänger aus eigenem Interesse (BGH<br />
WM 97, 1755) seinerseits einem Dritten (auch anderen Nebenintervenienten)<br />
den Streit verkünden, auch ohne selbst dem Rechtsstreit beizutreten (ausführlich:<br />
Regenfus NZM 10, 226). Die Nebeninterventionswirkung tritt dann nur im<br />
Verhältnis zwischen den Streitverkündungsempfängern ein (BGH aaO; Regenfus<br />
aaO S 229).<br />
[DE <strong>ZPO</strong> § 072#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r][DA <strong>ZPO</strong> § 073#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r]<br />
§ 73 Form der Streitverkündung<br />
1Zum Zwecke der Streitverkündung hat die Partei einen Schriftsatz<br />
einzureichen, in dem der Grund der Streitverkündung und die Lage<br />
des Rechtsstreits anzugeben ist. 2Der Schriftsatz ist dem Dritten zuzustellen<br />
und dem Gegner des Streitverkünders in Abschrift mitzuteilen.<br />
3Die Streitverkündung wird erst mit der Zustellung an den Dritten<br />
wirksam.<br />
1. Voraussetzungen. Als Prozesshandlung erfordert die Streitverkündung<br />
die der Einl III Rn 10–15. § 78 gilt nicht. a) Form: schriftlich, beim AG auch<br />
zu Protokoll möglich (§ 496). Einzureichen beim Prozessgericht (wie § 70<br />
Rn 2).<br />
b) Inhalt. Er erfordert: aa) Erklärung, dass der Streit verkündet wird. Dies<br />
kann nur unbedingt geschehen (Einl III Rn 14), jedoch muss das Wort „hilfsweise“<br />
keine Bedingung darstellen (BGH NJW-RR 89, 766).<br />
bb) Grund der Streitverkündung. Das sind die Tatsachen, die die Voraussetzungen<br />
des § 72 Rn 6–8 ausfüllen.<br />
cc) Lage des Rechtsstreits, nämlich in welchem Stadium er sich befindet,<br />
welche Entscheidungen schon ergangen, welche Rechtsbehelfe ergriffen sind,<br />
welche Termine anstehen; ferner Beweisergebnisse.<br />
c) Zustellung (S 2) von Amts wegen (§§ 166 ff). Die Mitteilung an den Prozessgegner<br />
ist für wirksame Streitverkündung nicht notwendig. Wirksam wird<br />
sie allein durch die Zustellung an den Streitverkündungsempfänger (S 3).<br />
d) Zeitpunkt. Er ist auf die Nebeninterventionswirkung (§ 68) zu beziehen.<br />
Daher ist eine Streitverkündung idR dann verspätet, wenn sie in einer nicht<br />
revisiblen Sache nach Schluss der mdl Vhdlg geschieht (Köln MDR 83, 409).<br />
2. Mängel können nach § 295 geheilt werden (hM); jedenfalls soweit es sich<br />
um eine unvollständige Angabe der Gründe u um die fehlerhafte Angabe der<br />
Lage des Rechtsstreits handelt (BGH NJW 76, 292). Maßgebend ist dann die<br />
erste Verhandlung, an der der Streitverkündungsempfänger teilnimmt, als Nebenintervenient<br />
od Partei im neuen Rechtsstreit (Folgeprozess).<br />
3. Kosten der Streitverkündung gehören grundsätzlich nicht zu denen des<br />
anhängigen Rechtsstreits u treffen den Streitverkünder, weil sie seiner Rechtsverfolgung<br />
gegen den Streitverkündungsempfänger dienen (hM; München<br />
MDR 89, 548). Ausnahme bei § 75 u § 841. Gebühren: nur für die Zustellung<br />
(GVKostG-KV 100, 101. Tätigkeit des RA gehört zum Rechtszug (§ 19 RVG).<br />
Bei Einzeltätigkeit RVG-VV 3403. Enthält das Urteil keinen Ausspruch über die<br />
Kosten, die durch eine Nebenintervention verursacht wurden, so gilt § 321 (dort<br />
Rn 4; BGH MDR 05, 526).<br />
[DE <strong>ZPO</strong> § 073#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r][DA <strong>ZPO</strong> § 074#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r]<br />
§ 74 Wirkung der Streitverkündung§§ 73, 74<br />
(1) Wenn der Dritte dem Streitverkünder beitritt, so bestimmt sich<br />
sein Verhältnis zu den Parteien nach den Grundsätzen über die Nebenintervention.<br />
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(2) Lehnt der Dritte den Beitritt ab oder erklärt er sich nicht, so wird<br />
der Rechtsstreit ohne Rücksicht auf ihn fortgesetzt.<br />
(3) In allen Fällen dieses Paragraphen sind gegen den Dritten die Vorschriften<br />
des § 68 mit der Abweichung anzuwenden, dass statt der Zeit<br />
des Beitritts die Zeit entscheidet, zu welcher der Beitritt infolge der<br />
Streitverkündung möglich war.<br />
1. Allgemeines. Werres NJW 84, 208. a) Möglichkeiten des Streitverkündungsempfängers.<br />
Es steht ihm frei, ob er untätig bleibt (Abs 2), beitritt u damit<br />
Nebenintervenient wird (Abs 1) od einen Parteiwechsel herbeiführt (§§ 75–77).<br />
Tritt er dem Gegner des Streitverkünders bei, wirkt dies dem Streitverkünder<br />
gegenüber wie ein unterlassener Beitritt (BGH NJW 83, 820) u die Nebeninterventionswirkung<br />
(§ 68) besteht gegenüber beiden Prozessparteien.<br />
b) Folgen. Dass die Wirkungen (Rn 3 u 4) auch ohne Beitritt als Nebenintervenient<br />
eintreten, erfordert eine Streitverkündung, die den Anforderungen des<br />
§ 72 Rn 4–9 entspricht u daher zulässig ist (hM; BGH FamRZ 08, 504), selbstverständlich<br />
auch eine nach § 73 wirksam vorgenommene. Die Wirkungen treten<br />
nur im Verhältnis des Streitverkünders zum Streitverkündungsempfänger ein<br />
(BGHZ 70, 187 u NJW-RR 90, 121) u entfallen bei Klagerücknahme. Die prozessuale<br />
Wirkung (Rn 4) entfällt auch, wenn der Streitverkündungsempfänger<br />
beitritt, aber zurückgewiesen wird (§ 71). Die Wirkungen treten unabhängig<br />
vom Ausgang des Rechtsstreits ein, insbes auch dann, wenn der Streitverkünder<br />
den Vorprozess gewinnt (BGHZ 36, 212/6).<br />
2. Materiell-rechtliche Wirkung. Die Verjährung wird gehemmt (§ 204<br />
Abs 1 Nr 6 BGB), auch im selbständigen Beweisverfahren (§ 204 Abs 1 Nr 7<br />
BGB), u die Ansprüche wegen nicht vertragsgemäßer Leistung bleiben erhalten<br />
(vgl § 218 Abs 1 BGB).<br />
3. Prozessuale Wirkung (Abs. 3) ist die des § 68, also die Nebeninterventionswirkung,<br />
auch wenn der Streitverkündungsempfänger nicht als Nebenintervenient<br />
beigetreten ist od wenn der Streitverkünder nicht unterlegen ist<br />
(BGH 36, 212). Sie tritt aber nur unter den Voraussetzungen des § 68 Rn 2–4<br />
ein u nicht zu Ungunsten des Streitverkünders (hM; BGH 100, 257). Maßgebender<br />
Zeitpunkt ist nicht der des Beitritts, sondern der, zu dem der Beitritt<br />
infolge der Streitverkündung möglich war, also regelmäßig eine angemessene,<br />
kurze Zeit (etwa einige Tage) nach Zustellung u Kenntnis der Streitverkündung.<br />
Das ist wichtig für § 68 Rn 10.<br />
[DE <strong>ZPO</strong> § 074#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r][DA <strong>ZPO</strong> § 075#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r]<br />
§ 75 Gläubigerstreit<br />
1Wird von dem verklagten Schuldner einem Dritten, der die geltend<br />
gemachte Forderung für sich in Anspruch nimmt, der Streit verkündet<br />
und tritt der Dritte in den Streit ein, so ist der Beklagte, wenn er den<br />
Betrag der Forderung zugunsten der streitenden Gläubiger unter Verzicht<br />
auf das Recht zur Rücknahme hinterlegt, auf seinen Antrag aus<br />
dem Rechtsstreit unter Verurteilung in die durch seinen unbegründeten<br />
Widerspruch veranlassten Kosten zu entlassen und der Rechtsstreit über<br />
die Berechtigung an der Forderung zwischen den streitenden Gläubigern<br />
allein fortzusetzen. 2Dem Obsiegenden ist der hinterlegte Betrag<br />
zuzusprechen und der Unterliegende auch zur Erstattung der dem Beklagten<br />
entstandenen, nicht durch dessen unbegründeten Widerspruch<br />
veranlassten Kosten, einschließlich der Kosten der Hinterlegung, zu<br />
verurteilen.<br />
1. Zweck. Der in der Praxis seltene Fall soll es dem beklagten Schuldner, der<br />
das Bestehen der Forderung nicht bestreitet, aber den wahren Gläubiger nicht
Erstversand, 21.03.2011<br />
Abschnitt 2. Parteien § 76<br />
kennt, ermöglichen, aus dem Rechtsstreit auszuscheiden u ihn den beanspruchenden<br />
Gläubigern (Prätendenten) zu überlassen. Dies entspricht materiellrechtlich<br />
dem § 372 S 2 BGB.<br />
2. Voraussetzungen. a) Leistungsklage eines Gläubigers gegen den Schuldner<br />
einer Forderung auf Geld od andere hinterlegungsfähige Sachen (StJBork 3).<br />
b) Forderungsidentität: Inanspruchnahme der selben Forderung (BGH<br />
NJW 96, 1673), ganz od zT, durch einen Dritten als Gläubiger, sei es durch Klage,<br />
Mahnung od sonstige Handlungen, insbes Erklärungen.<br />
c) Streitverkündung des Beklagten an den Dritten (Prätendenten) gemäß<br />
§§ 72–74.<br />
d) Eintritt des Prätendenten in den Prozess wie ein Hauptintervenient (§ 64);<br />
andernfalls wird der Prozess fortgesetzt u es gelten die §§ 74, 68.<br />
3. Wirkung. a) Parteiwechsel (17 vor § 50) erfolgt (RG 63, 319), wenn<br />
nunmehr der beklagte Schuldner den vollen (aA Vollkommer MDR 07, 607:<br />
teilweise Hinterlegung genügt) Betrag hinterlegt (§ 372 S 2, § 376 Abs 2 Nr 1<br />
BGB) u auf seinen Antrag durch Endurteil (RoSchwGottwald § 131 Rn 4) aus<br />
dem Rechtsstreit entlassen wird (so auch die Urteilsformel). Der Klagantrag ist<br />
wegen § 13 Abs 2 HinterlO zu ändern auf Einwilligung in die Auszahlung des<br />
hinterlegten Betrages. Dasselbe kann der eingetretene Prätendent u neue Beklagte<br />
durch Widerklage beantragen.<br />
b) Hauptintervention (§ 64) findet statt, wenn der Beklagte nicht hinterlegt<br />
od keinen Entlassungsantrag stellt.<br />
4. Kostenpflicht. Im Urteil (Rn 6) sind dem ursprünglichen Beklagten<br />
nur solche Kosten aufzuerlegen, die er durch Bestreiten des Bestandes der Forderung<br />
(nicht der Aktivlegitimation) verursacht hat. Im Endurteil, das zwi-<br />
schen den Prätendenten ergeht, ist über alle noch nicht erledigten Kosten zu<br />
entscheiden, auch über die des zuerst beklagten Schuldners (insoweit ggf nach<br />
§ 93).<br />
[DE <strong>ZPO</strong> § 075#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r][DA <strong>ZPO</strong> § 076#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r]<br />
§ 76 Urheberbenennung bei Besitz<br />
(1) 1Wer als Besitzer einer Sache verklagt ist, die er auf Grund eines<br />
Rechtsverhältnisses der im § 868 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten<br />
Art zu besitzen behauptet, kann vor der Verhandlung zur<br />
Hauptsache unter Einreichung eines Schriftsatzes, in dem er den<br />
mittelbaren Besitzer benennt, und einer Streitverkündungsschrift die<br />
Ladung des mittelbaren Besitzers zur Erklärung beantragen. 2Bis zu<br />
dieser Erklärung oder bis zum Schluss des Termins, in dem sich<br />
der Benannte zu erklären hat, kann der Beklagte die Verhandlung zur<br />
Hauptsache verweigern.<br />
(2) Bestreitet der Benannte die Behauptung des Beklagten oder erklärt<br />
er sich nicht, so ist der Beklagte berechtigt, dem Klageantrage zu<br />
genügen.<br />
(3) 1Wird die Behauptung des Beklagten von dem Benannten als<br />
richtig anerkannt, so ist dieser berechtigt, mit Zustimmung des Beklagten<br />
an dessen Stelle den Prozess zu übernehmen. 2Die Zustimmung<br />
des Klägers ist nur insoweit erforderlich, als er Ansprüche geltend<br />
macht, die unabhängig davon sind, dass der Beklagte auf Grund<br />
eines Rechtsverhältnisses der im Absatz 1 bezeichneten Art besitzt.<br />
(4) 1Hat der Benannte den Prozess übernommen, so ist der Beklagte<br />
auf seinen Antrag von der Klage zu entbinden. 2Die Entscheidung ist in<br />
Ansehung der Sache selbst auch gegen den Beklagten wirksam und<br />
vollstreckbar.<br />
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§ 77, Vorbem § 78 Buch 1. Allgemeine Vorschriften<br />
144 Hüßtege<br />
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1. Anwendbar nur bei Leistungsklage gegen einen Besitzer (Abs 1), insbes<br />
auf Herausgabe aus §§ 985, 1007 Abs 2 BGB; nicht bei schuldrechtlichen Ansprüchen<br />
(hM). Der Streitverkündung (§ 73) ist die Benennung des mittelbaren<br />
Besitzers (§ 868 BGB) anzufügen.<br />
2. Verhalten des Benannten (Abs 2). Bestreitet od schweigt er, so ist der<br />
Beklagte ihm gegenüber von jeder Haftung frei.<br />
3. Übernahme des Prozesses (Abs 3) führt zum Parteiwechsel (17 vor § 50),<br />
falls der Beklagte ausscheidet (Abs 4). Zustimmung ist nur bei Anspruchskonkurrenz<br />
erforderlich, wenn auch eine schuldrechtliche Anspruchsgrundlage in Betracht<br />
kommt (vgl Rn 1). Wird sie verweigert, so ist nur Nebenintervention<br />
möglich.§ 77, Vorbem § 78<br />
4. Ausscheiden des Beklagten (Abs 4) erfolgt ohne besondere Entscheidung.<br />
Zurückweisung des Entbindungsantrags geschieht durch Zwischenurteil (§ 303;<br />
allgM), das nur zusammen mit dem Endurteil angefochten werden kann (hM;<br />
Düsseldorf OLGZ 92, 254). Der Beklagte bleibt Streitgenosse des Eingetretenen.<br />
S 2 erstreckt die Rechtskraft (§ 322) u Vollstreckbarkeit; daher ist in die Klausel<br />
(§ 724) wegen § 750 der frühere Beklagte aufzunehmen.<br />
[DE <strong>ZPO</strong> § 076#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r][DA <strong>ZPO</strong> § 077#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r]<br />
§ 77 Urheberbenennung bei Eigentumsbeeinträchtigung<br />
Ist von dem Eigentümer einer Sache oder von demjenigen, dem ein<br />
Recht an einer Sache zusteht, wegen einer Beeinträchtigung des Eigentums<br />
oder seines Rechts Klage auf Beseitigung der Beeinträchtigung<br />
oder auf Unterlassung weiterer Beeinträchtigungen erhoben, so sind die<br />
Vorschriften des § 76 entsprechend anzuwenden, sofern der Beklagte<br />
die Beeinträchtigung in Ausübung des Rechtes eines Dritten vorgenommen<br />
zu haben behauptet.<br />
Hierunter fallen insbes die Klagen aus § 1004 BGB u aus dessen entspr Anwendung.<br />
Rechte eines Dritten: insbes Miet- od Pachtvertrag, Arbeits-, Dienst-<br />
od Werkvertrag, Auftrag.<br />
[DE <strong>ZPO</strong> § 077#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r][DA <strong>ZPO</strong> vor § 078#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r]<br />
Titel 4. Prozessbevollmächtigte und Beistände<br />
Vorbemerkung<br />
1. Prozessvollmacht. a) Begriff. Sie ist die auf Rechtsgeschäft (nach hM<br />
auf Prozesshandlung) beruhende, dem ProzBev erteilte Vertretungsmacht im<br />
Prozess. Sie ist für alle im Inland zu führenden Prozesse nach deutschem Recht<br />
zu beurteilen.<br />
b) Bedeutung. Die Prozessvollmacht ist nur Prozesshandlungsvoraussetzung<br />
(Einl III Rn 10), keine Prozessvoraussetzung (hM; BGH 111, 221), weil ihr<br />
Mangel für sich allein die Klage nicht unzulässig macht. Nur wenn sie bereits bei<br />
der Klageerhebung fehlt, ist die Klage wegen Fehlens einer anderen Prozessvoraussetzung,<br />
nämlich der einer wirksamen Klageerhebung unzulässig (16 vor § 253).<br />
c) Anwendbare Vorschriften. Die §§ 80–89 sind Sonderregeln, die den<br />
§ 164–179 BGB vorgehen allgem M (BGH NJW 03, 1094). Diese sind nur anzuwenden,<br />
soweit die <strong>ZPO</strong> darauf verweist od soweit sie allgemeine Rechtsgedanken<br />
enthalten (BGH NJW 03, 963); zB gilt § 134 BGB (BGH NJW 03,<br />
1094).<br />
d) Außenverhältnis. Es betrifft die Wirkung der vom ProzBev im Prozess<br />
vorgenommenen Prozesshandlungen u Rechtsgeschäfte für u gegen den Vertretenen<br />
(vgl § 85).<br />
e) Innenverhältnis. Es betrifft das der Prozessvollmacht zu Grunde liegende<br />
Rechtsgeschäft zwischen Vollmachtgeber u ProzBev. Es ist meistens ein Ge-
Erstversand, 21.03.2011<br />
Abschnitt 2. Parteien § 78<br />
schäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB), insbes wenn ein RA zum ProzBev bestellt<br />
wird. Im Einzelfall ist ein Dienst- od Arbeitsvertrag möglich, zB beim Prokuristen<br />
od einem Angestellten, auch ein Auftrag (§ 662) bei unentgeltlicher Tätigkeit.<br />
Dies ist allein nach materiellem Recht zu beurteilen.<br />
2. Postulationsfähigkeit ist die Fähigkeit, dem prozessualen Handeln die<br />
rechtserhebliche Erscheinungsform zu geben (RoSchwGottwald § 45 Rn 1). Sie<br />
ist nur Prozesshandlungsvoraussetzung (Einl III Rn 10), keine Prozessvoraussetzung,<br />
aus dem gleichen Grund wie Rn 2. Grundsätzlich ist jede prozessfähige<br />
Person auch postulationsfähig, aber nicht im Anwaltsprozess (Anwaltszwang,<br />
§ 78), sondern nur im Parteiprozess (§ 79) sowie für Prozesshandlungen, die<br />
außer Anwaltszwang stehen (§ 78 Abs 3). Postulationsunfähigkeit kann sich außerdem<br />
ergeben bei Unfähigkeit zum geeigneten Vortrag od zur Äußerung in<br />
der Gerichtssprache (§ 187 GVG), ferner durch Ausschluss von der Verhandlung<br />
od durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens (Stuttgart Justiz 04, 513). Durch<br />
Prozessleitungsmaßnahmen u ordnungspolizeiliche Befugnisse des Gerichts sind<br />
die Interessen der Partei an einem ordnungsgemäßen Sachvortrag zu wahren u<br />
andererseits extreme Störungen des Verfahrensablaufs zu unterbinden. Im Streit<br />
um die Postulationsfähigkeit ist eine Partei als postulationsfähig zu behandeln,<br />
auch wenn sie es nicht ist (Frankfurt FamRZ 94, 1477 mwN).<br />
[DE <strong>ZPO</strong> vor § 078#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r][DA <strong>ZPO</strong> § 078#02_<strong>ZPO</strong>_Buch_1#<strong>ZPO</strong>#<strong>ZPO</strong>#huesstege_r]<br />
§ 78 Anwaltsprozess<br />
(1) 1Vor den Landgerichten und Oberlandesgerichten müssen sich die<br />
Parteien durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. 2Ist in einem Land<br />
auf Grund des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz<br />
ein oberstes Landesgericht errichtet, so müssen sich die Parteien<br />
vor diesem ebenfalls durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. 3Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Parteien durch einen bei dem<br />
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.<br />
(2) Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich<br />
der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben<br />
gebildeten Zusammenschlüsse können sich als Beteiligte für die Nichtzulassungsbeschwerde<br />
durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum<br />
Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt<br />
anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts<br />
einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben<br />
gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.<br />
(3) Diese Vorschriften sind auf das Verfahren vor einem beauftragten<br />
oder ersuchten Richter sowie auf Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten<br />
der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, nicht<br />
anzuwenden.<br />
(4) Ein Rechtsanwalt, der nach Maßgabe der Absätze 1 und 2 zur<br />
Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.<br />
1. Allgemeines. Der Anwaltszwang ist seit 1. 1. 2000 im gesamten Bundesgebiet<br />
für alle RAe einheitlich geregelt. Durch die seit 1. 8. 02 geltende Neufassung<br />
ist der Lokalisationszwang auch für die Vertretung vor dem OLG aufgehoben.<br />
Eine ausschließliche Zulassung mit Lokalisierungszwang gibt es nur<br />
noch vor dem BGH. Die Änderung der BRAO durch das Gesetz zur Stärkung<br />
der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft führte zur Aufgabe der Zulassung<br />
bei einem bestimmten Gericht insgesamt, sodass hieran auch § 78 anzupassen<br />
war.<br />
a) Begriff. Anwaltszwang ist die Notwendigkeit der Vertretung einer Prozesspartei<br />
od eines Dritten durch einen RA. Das verstößt nicht gegen Art 2<br />
Abs 1 GG (BVerfG NJW 93, 3192). Der Anwaltszwang betrifft die Postula-<br />
Hüßtege 145<br />
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§ 78 Buch 1. Allgemeine Vorschriften<br />
146 Hüßtege<br />
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tionsfähigkeit (Vorbem 4). Es besteht für das Gericht, dessen Entscheidung angefochten<br />
werden soll, keine Hinweispflicht auf den Anwaltszwang (BGH NJW-<br />
RR 05, 1726).<br />
b) Wirkung. Nur zugelassene RAe sind postulationsfähig; andernfalls fehlt<br />
eine Prozesshandlungsvoraussetzung (BGH FamRZ 06, 116 m Anm Fellner<br />
MDR 06, 284). Diese muss im Zeitpunkt der Prozesshandlung gegeben sein<br />
(BGH aaO). Die Zulassung wird wirksam mit Aushändigung der Zulassungsurkunde<br />
(§ 12 Abs 1 BRAO), nicht erst ab Eintragung in die Liste (BGH NJW 92,<br />
2706). Dem Anwaltszwang unterliegende Prozesshandlungen können nur von<br />
zugelassenen RAen wirksam vorgenommen werden, von RA-Gesellschaften<br />
(auch ausländische wie die LLP nach US-amerikanischem oder englischem<br />
Recht, LG München I NJW 06, 704) durch den für sie handelnden RA, der die<br />
erforderliche Zulassung hat (§ 59 l S 3 BRAO). Nimmt sie eine andere Person,<br />
insbes die Partei selbst vor, so ist die Prozesshandlung unwirksam, kann aber<br />
durch Genehmigung (§ 89 Rn 13) eines postulationsfähigen ProzBev heilen u<br />
muss nicht wiederholt werden. Das gilt insbes auch für die Klageschrift (hM;<br />
BGH 111, 339). Eine Rückwirkung ist jedoch abzulehnen (hM). Nur innerhalb<br />
der Frist genehmigungsfähig sind fristgebundene Prozesshandlungen, insbes<br />
Rechtsmittel. Bei ihnen tritt keine Heilung nach § 295 ein, weil der Mangel<br />
nicht verzichtbar ist (§ 295 Rn 3).<br />
c) Fingierte Zulassung des beim LG zugelassenen RAs beim übergeordneten<br />
OLG gem § 26 Nr 1 EG<strong>ZPO</strong> ist auf Grund der Änderung der BRAO durch<br />
das Gesetz zur Stärkung der Selbstverwaltung der Rechtsanwaltschaft u der damit<br />
verbundenen Aufhebung des § 26 Nr 1 EG<strong>ZPO</strong> durch Art 7 Abs 5 des ÄnderungsG<br />
hinfällig geworden.<br />
2. Umfang des Anwaltszwanges. Er gilt für: a) Gerichte. Bei allen Kollegialgerichten,<br />
nämlich LG, OLG u BGH, auch vor dem Einzelrichter (§§ 348,<br />
348 a) u dem Vorsitzenden der KfH (§ 349). Vor dem AG nur beim Familiengericht<br />
nach Maßgabe des § 114 FamFG. Vor dem BGH muss die Partei auch für<br />
die Nichtzulassungsbeschwerde u für einen Antrag auf einstweilige Anordnung<br />
durch einen dort zugelassenen RA vertreten werden (BGH Büro 10, 53).<br />
b) Parteien: für alle Parteien, auch beteiligte Dritte (Abs 2), insbes Nebenintervenienten<br />
u wenn ein RA Partei kraft Amtes od gesetzlicher Vertreter ist,<br />
sofern er nicht selbst beim Prozessgericht zugelassen ist (vgl Abs 4).<br />
c) Verfahren: für das Ganze, sei es mündlich od schriftlich, grundsätzlich ab<br />
Anhängigkeit bei dem betreffenden Gericht bis zum Ende der Rechtshängigkeit.<br />
Ausnahmen bestehen für die Rücknahme der Klage (vgl § 269 Rn 7), der Berufung<br />
u Revision (§ 516 Rn 5, § 565 Rn 3) samt Kostenantrag.<br />
d) Prozesshandlungen (Einl III). Der Anwaltszwang gilt, soweit nicht die<br />
Ausnahmen des Abs 3 zutreffen, in der Verhandlung u in den Schriftsätzen, auch<br />
für den Prozessvergleich (§ 794 Rn 12). Die Partei darf aber Erklärungen zu<br />
Tatsachen abgeben (vgl § 85 Abs 1). Sie kann insbes behaupten (wegen Geständnis<br />
vgl § 288 Rn 4), Tatsachenbehauptungen u Geständnisse des ProzBev nach<br />
§ 85 Abs 1 S 2 widerrufen od berichtigen, sich ferner gemäß § 137 Abs 4, § 279<br />
Abs 3 erklären. Widersprechen sich ProzBev u Partei, so ist nach § 286 zu würdigen,<br />
wobei regelmäßig der Erklärung der Partei der Vorzug zu geben ist, da der<br />
ProzBev seine Information meist von ihr erhält. Wirksam entgegennehmen kann<br />
die Partei Zustellungen u Erklärungen außerhalb der Verhandlung, soweit nicht<br />
§ 172 entgegensteht.<br />
3. Anwaltszwang vor Kollegialgerichten (Abs 1). a) Landgericht, Oberlandesgericht<br />
u Oberstes Landesgericht (Abs 1 S 1, 2). Der RA muss zur<br />
Rechtsanwaltschaft zugelassen sein (§ 12 BRAO).<br />
b) Bundesgerichtshof. aa) Grundsatz (Abs 1 S 3). Wirksam vertreten kann<br />
nur ein beim BGH zugelassener RA. Das gilt entspr für Anhörungsrüge (§ 321 a,