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Ausstellung Orte des Erinnerns

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Gollowitsch – Schicksal einer Leutkircher FamilieGollowitschim NationalsozialismusAbb. 1: Kaufhaus Gollowitsch und Gasthaus zum Schatten Abb. 2: Abbruch Gasthaus zum Schatten, 1938Alle Themen auf einen Blick:1 Familie2 Vom Hausierhandel zum Kaufhaus3 Systematische Existenzbedrohung4 Der „Schatten“ - Enteignung und Abbruch5 Isolation - Emigration - Deportation6 Wiedergutmachung?7 Leutkirch erinnert sichIn der Mitte unserer Stadt klafft in der Häuserzeile der Marktstraße eineLücke, die heute als Marktplatz und Freisitz von zwei Gaststätten genutztwird. Der Ort war Schauplatz eines unfassbaren Geschehens.Hier stand ein bekanntes Kaufhaus, betrieben von der LeutkircherKaufmannsfamilie Gollowitsch. Das Haus wurde 1938 zwangsenteignetund abgerissen. Von hier wurde am 28.11.1941 die Familie FritzGollowitsch in die Vernichtungslager deportiert.Eine Initiative Leutkircher Bürger hat den 70. Jahrestag der Deportationzum Anlass genommen, an das geschehene Leid zu erinnern. Daraus istder Initiativkreis „<strong>Orte</strong> <strong>des</strong> <strong>Erinnerns</strong>“ entstanden, der diese <strong>Ausstellung</strong>zusammengestellt und organisiert hat.Das Erinnern ist unsere Verantwortung. Eine Hypothek, aber auchHoffnung für uns und die Zukunft unserer Kinder.<strong>Ausstellung</strong>skonzeption:Initiativkreis „<strong>Orte</strong> <strong>des</strong> <strong>Erinnerns</strong>“Nicola SieglochGeorg ZimmerEmil HöschHubert Moosmayer<strong>Ausstellung</strong>sgestaltung:Ralph NeuschelSteffen Hüttelinallermunde kreativhaus, LeutkirchHeimatpflege Leutkirch e.V.Druck:Bruno Pöllmannagenturthieme, LeutkirchErwin PreißlerLiteratur:Emil Hösch: Die Gollowitsch in Leutkirch. Schicksal einer jüdischenFamilie. Leutkirch 1993. (in: In und um Leutkirch, Beiträge zumStadtjubiläum 1993)Richard Kämmerle: Die Leutkircher Familien Gollowitsch und Sauer.Schicksale nationalsozialistischer Judenverfolgung. Freiburg 1994.Wir danken den Leihgebern, die diese <strong>Ausstellung</strong> ermöglicht haben:Stadtarchiv LeutkirchStadtarchiv StuttgartFamilie LändleThekla SchorerFamilie WiestFamilie SchuckAlfons FrischMartin RudauThermopalKeil Technic-CenterStadtbibliothekBuchhandlung KapplerAlle Abbildungen ohne Nachweis: Stadtarchiv Leutkirch


1FamilieGollowitschAbb. 3: Fritz Gollowitsch (Mitte, hinten) mit Familie Abb. 4: Irma (vordere Reihe rechts) und Alice Gollowitsch (hinter Irma) mit Angestellten <strong>des</strong> Kaufhauses, um 1934Als erster Gollowitsch kam 1879 Lippmann nach Leutkirch (Abb. 6).Er wurde 1853 in Raygrod in „russisch Polen“ geboren. Als 14-jährigerkam er nach Deutschland. 1875 heiratete er in Buchau Mathilde Ullmann,deren Mutter mit der Familie Einstein verwandt war. Diese Ehe scheintnicht vom Glück gesegnet gewesen zu sein. Über die 1875 geborene Idaist bisher nichts weiter bekannt. 1877 kam Sofie zur Welt, sie starb abernoch als Kleinkind. Mathilde gebar 1879 in Leutkirch noch ein totesMädchen und starb selbst 1886.Im Jahr danach heiratete Lippmann in zweiter Ehe in Buchau Julie Stern,deren Eltern von Buchau nach Wangen gezogen waren.Zu der Wangener Verwandtschaft (Stern, Jung, Sohler) hielten dieGollowitsch engen Kontakt (Abb. 3), auch als die Familie in Leutkirchheimisch geworden war.Abb. 5: Irma GollowitschAbb. 6: Lippmann GollowitschGollowitsch-StammbaumNach Anfangsschwierigkeiten hatte Gollowitsch geschäftlich Erfolg.Die Kinder gingen normal zur Schule und fühlten sich als Leutkircher;Fritz und Heiner waren wie später auch ihre Töchter in Leutkirch integriert.Dies zeigte sich zum Beispiel durch deren Mitgliedschaft in verschiedenenVereinen. Dass die Kinder am christlichen Religionsunterricht nicht teilnahmenoder die Familie zu jüdischen Festen manchmal nach Buchaufuhr, fiel nicht weiter auf. Auch die im Geschäft mitarbeitenden Gollowitsch-Damen zeigten im Umgang mit den anderen Angestellten keinerleiKontaktschwierigkeiten (Abb. 4).Dass Fritz und Mina Ehepartner aus Frankfurt fanden und Heiner AliceMayr aus Mainz heiratete, zeigt, dass die Kontakte der Gollowitsch inLeutkirch jetzt weit über Buchau und Wangen hinausgingen.In der nächsten Generation gab es nur noch eine Gollowitsch-Hochzeitin Deutschland; 1934 heiratete Irma Erich Waldbaum aus Iserlohn (Abb. 9).Die vor 1938 gestorbenen Gollowitsch wurden in Buchau begraben (Abb. 7).Emanuel FannyUllmann EinsteinBuchauMathildeUllmann* 1846 Buchau† 1886 LeutkirchIda Sofie MädchenGollowitsch Gollowitsch* 1875 * 1877 1879 †*† ? † ?oo19341.oo1875BuchauErichWaldbaumIserlohn * 1914† 1942 ?IrmaGollowitschKalenMichlaGollowitsch Leiklerle ?russisch PolenLippmannGollowitsch* 1853 russisch Polen1867 nach Buchau1879 nach Leutkirch† 1925 München2.oo1887BuchauSigmund FannyStern WeilBuchauRosa Irma MinaGollowitsch Gollowitsch Gollowitsch* 1882 * 1894 * 1896† 1908 † 1908 † ?Lillyoo1913 FriedrichWeilGollowitsch* 1889 Frankfurt * 1888 Leutkirch† 1942 Riga ? † 1942 Riga ?JulieStern* 1868 Buchau† 1942 Theresienstadtoo1919IsidorWolfFrankfurtHeinrichoo1920 AliceGollowitschMayr* 1890 Leutkirch * 1898 Mainz† 1942 Stuttgart † 1942 Auschwitz ?Margot oo Mr. Forbes † Liselotte Ilse oo Hr. NeubergerGollowitschGollowitsch Gollowitsch* 1920 Leutkirch* 1925 Frankfurt * 1920 Frankfurt1939 nach England† 2005 Oxford† 1942 Auschwitz ? 1937 in die USAPhiladelphia/New-YorkGerda* 1935† 1942 ?Peter Forbes* 1944 OxfordooBeatrixAbb. 8: Margot Forbes mit Peter undSchwiegertochter Beatrix aus Holland,2000Margot hat nach ihrer Emigration inEngland geheiratet. Von der dortigenFamilie Gollowitsch-Forbes lebt nachdem frühen Tod <strong>des</strong> Vaters Forbes undnach dem Tod Margots 2005 noch SohnPeter Forbes als jüngster und wohl auchletzter Gollowitsch-Nachkomme (Abb. 8).Margots Cousine Ilse heiratete nachihrer Emigration in Amerika.Die 91jährige lebt jetzt in New York.Abb. 7: Grabstein Lippmann Gollowitschjüdischer Friedhof Buchau (Foto Rudau)Abb. 9: Hochzeitsfoto Irma Gollowitschmit Erich Waldbaum, 1934


2Vom Hausierhandel zum KaufhausGollowitschAbb. 10: Gasthaus zum Schatten (li.), Rathausarkaden (re. Bildrand)Abb. 11: Kaufhaus „Anker“Als Lippmann Gollowitsch als jüdischer Handelsmann nach Leutkirchgekommen war, wollte ihn der Stadtrat 1881 wieder ausweisen.Das Landratsamt gab dem Antrag aber nicht statt. Zunächst führteLippmann einen Hausierhandel, bevor er in der „Traube“ einen Verkaufsraumanmietete.Den ersten Laden eröffnete er im „Wilden Mann“ (Abb. 13), wo er einenKonkurs überstand. Schließlich erwarb er 1905 das Gasthaus „Anker“,das er abriss und als Kaufhaus neu errichtete (Abb. 11).20 Jahre später - jetzt waren an dem gutgehenden Geschäft auch dieSöhne beteiligt - konnte die Firma das Nachbargebäude „Schatten“erwerben und es als Hausmeisterwohnung, Lagerraum und im 1.Stockals Verkaufsraum für die Damenkonfektion benutzen (Abb. 10).Den Erfolg erreichte Gollowitsch durch freundliche Bedienung, gute Wareund Großzügigkeit bei Zahlungsbedingungen und Spenden, vor allem fürdas Kinderheim St. Anna zu Weihnachten.Abb. 12: VerkaufsraumAuf Werbung wurde großer Wert gelegt. Es wurde auf gutes Werbe<strong>des</strong>ignbei Plakaten und sogar beim Packpapier geachtet. Gollowitsch war wohlder beste Anzeigenkunde beim „Allgäuer Volksfreund“ (Abb. 14, 15, 17).Überraschen mag, dass das jüdische Geschäft ein kleines Bilderbuch zurWehrertüchtigung bei besonderen Anlässen an Buben verschenkte.Gollowitsch konnte sich in der Werbung als „Größtes Kaufhaus derTextilbranche“ in der Region präsentieren. Er besaß mit „Anker“ und„Schatten“ einen zentralen Teil der innerstädtischen Immobilien (Abb. 11)und war mit seinem Geschäft ein bedeutender Faktor im WirtschaftslebenLeutkirchs.Abb. 13: Gasthaus zum „Wilden Mann“ Abb. 14: Werbeanzeige in der Zeitung, 1933 Abb. 15: Pfingst-Reklame, 1910Abb. 16: Kaufhaus Gollowitsch in Isny.Die Filiale bestand von November 1909bis Januar 1915, (Foto Stadtarchiv Isny) Abb. 17: Anzeige Ausverkauf, 1878


3Systematische ExistenzbedrohungGollowitschAls Judenboykott bezeichneten die Nationalsozialisten den Boykottjüdischer Geschäfte, Warenhäuser, Banken, Arztpraxen, RechtsanwaltsundNotarskanzleien, den das NS-Regime am 1. April 1933 in ganzDeutschland durchführen ließ.Damit nahm die Regierung die seit dem 25-Punkte-Programm derNSDAP von 1920 geplante Verdrängung der deutschen Juden aus demWirtschaftsleben erstmals durch eine reichsweite, gezielt nur gegen siegerichtete Maßnahme in Angriff. Ab diesem Zeitpunkt wurden dieExistenzen jüdischer Geschäftstreibender systematisch bedroht.Abb. 18: Schreiben der Angestellten, 1934 (Kämmerle S. 38) Abb. 19: Schreiben von Leutkircher Geschätsleuten, 1935Die Leutkircher Bevölkerung verhielt sich - wie vielerorts in ländlichenGegenden - passiv und reserviert. Es kam zu keinen offenen Feindseligkeiten.In Leutkirch war kaum etwas zu spüren von Boykott, SA-Postenvor den Geschäften und mit antijüdischen Parolen verschmiertenSchaufenstern, wie das in vielen anderen Städten geschah (Abb. 20).Ganz unwirksam war allerdings die Propaganda in Leutkirch nicht. DieAngestellten der Firma Gollowitsch warben <strong>des</strong>wegen 1934 für dasGeschäft und ermunterten die Kundschaft, dem Haus Gollowitsch dieTreue zu halten (Abb. 18). Das Kaufhaus Gollowitsch wurde zunehmendgemieden. Sinkende Umsatzzahlen zeigten die drohende Gefahr, obwohlörtliche Nazi-Größen noch weiter bei Gollowitsch - durch die Hintertüroder per Zustellung durch Angestellte - einkauften und besonders dieLandbevölkerung dem Geschäft die Treue hielt. Der heimliche Handelkonnte noch einige Zeit aufrecht erhalten werden.Abb. 20: Beschmierte Schaufenster jüdischer Geschäfte,Berlin 1938 (Foto Stiftung Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum)Abb. 21 und 22: Verkauf <strong>des</strong> „Anker“ an die Firma Fischer und Wende,1939 (Notariat Leutkirch)Schlimmer wurde es, als 1935Bürgermeister Dr. Ehrle für die„Altstadtgesundung und Schaffungeines Marktplatzes“ durch dengeplanten Abbruch <strong>des</strong> „Schatten“zu werben begann.Die Geschäftskonkurrenz Leutkirchsmachte sich die nationalsozialistischeArgumentation zu eigen.So verlangte unter anderem einKonkurrent im Bekleidungshandelvom Rathaus, dass die „Machtfülle<strong>des</strong> neuen Reiches“ verhindernmüsse, dass 12 LeutkircherGeschäfte durch einen „Juden“beeinträchtigt würden (Abb. 19).Abb. 23: Schreiben von Hermann NetzerGollowitsch sah sich schließlich gezwungen, sein Geschäft zu verkaufen.Nachdem 1938 Verkaufsverhandlungen aus Mangel an Interessenten(Abb. 23) und wegen <strong>des</strong> niedrigen Angebots der Stadt gescheitertwaren, wurde die Zwangsenteignung eingeleitet. Der im Septemberdurch Enteignung in das Eigentum der Stadt übergegangene „Schatten“wurde sofort abgerissen. Das Restgeschäft lief noch ein paar Wochenim „Anker“ weiter, bis die Pogromnacht im November das Aus brachte.Zwar war der am „Anker“ angerichtete Schaden unbeträchtlich, aberFritz und Heiner Gollowitsch waren bis zum Monatsende in „Schutzhaft“genommen und dann wie alle Juden mit Berufsverbot belegt worden.Auf Grundlage der „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus demdeutschen Wirtschaftsleben“ vom 12.11.1938 waren alle jüdischenGeschäfte zu schließen. Der Zwangsverkauf wurde im folgenden Frühjahrdurchgeführt (Abb. 21 und 22).Die Zeitung konnte bald verkünden: „Jetzt ist es soweit!“ Fischer undWende führten nun das Kaufhaus „Anker“ (Abb. 24).Abb. 24: Arisierung Kaufhaus „Anker“


3Systematische ExistenzbedrohungGollowitschIn der Reichspogromnacht am 9. November 1938 kam es zu Ausschreitungenam Kaufhaus Gollowitsch. Die Leuchtreklame „Gollowitsch“wurde heruntergeschlagen und in die durch den „Schatten“-Abbruchentstandene Grube geworfen. Sonst wurde kein großer Schaden angerichtet,weil der Hausmeister die Schaufenster durch Herunterlassen derRolläden geschützt hatte. Zeitzeugen berichten, dass von Leutkirchern andie heruntergelassenen Rollläden „Juda, fahr nach Amerika“ geschmiertwurde. Die beiden Gollowitsch-Brüder kamen in „Schutzhaft“, und dasGeschäft kam schließlich durch Zwangsverkauf in „arische“ Hände.


4Der „Schatten“ – Enteignung und AbbruchGollowitschAbb. 26: Kaufhaus Gollowitsch (links) und der „Schatten“ (rechts)Abb. 27: Gasthaus zum SchattenDer „Schatten“, das Eckhaus neben „Anker“ und Kornhaus, war für denStadtkern ein bestimmen<strong>des</strong>, wohl auf das 16. Jh. zurückgehen<strong>des</strong>Gebäude, das im Laufe der Zeit neben Wohnungen vielen GewerbenPlatz geboten hatte (Abb. 26-28 und 32-34). Beim Übergang anGollowitsch 1925 waren im Erdgeschoss noch die Räumlichkeiten füreine Wirtschaft und ein Friseurgeschäft. Aus Gründen <strong>des</strong> Denkmalschutzeswurde damals Gollowitsch untersagt, den Bau durch einmodernes Geschäftsgebäude zu ersetzen.Abb. 28: Lageplan vom Gasthaus zum SchattenAbb. 29: Zwangsenteigung, Anschlag am Rathaus, 1937 Abb. 30: Spenden zur Schaffung eines Marktplatzes, 1938Abb. 31: Spende von Lederwaren Uhland, 1938Abb. 32 und 33: Kaufhaus „Anker“ und Gasthaus zum Schatten Abb. 34: Blick vom Bockturm, um 1935


4Der „Schatten“ – Enteignung und AbbruchGollowitschAbb. 35: Abbruch Gasthaus zum Schatten, 1938Abb. 36: Abbruch Gasthaus zum Schatten, 1938Abb. 37 und 38: Abbruch Gasthaus zum Schatten, 1938Ab 1935 betrieb das Rathaus den Abbruch <strong>des</strong> „baufälligen“ Hausesunter dem Vorwand, den Marktplatz zu vergrößern und die Verkehrsführungzu erleichtern. Der Lageplan (Abb. 28) kann teilweise dieseZielsetzung plausibel erscheinen lassen, ob das Stadtbild durch denAbbruch gewonnen hat, ist aber fraglich. Als Verkaufsverhandlungenan den zu niedrigen Angeboten scheiterten, leitete die Stadt dasEnteignungsverfahren ein (Abb. 29).Die vom Innenministerium auf 28 000 RM festgesetzte Entschädigungkonnte leichter aufgebracht werden, weil Geschäftsleute Spenden inHöhe von 14 000 RM zur „Verschönerung <strong>des</strong> Stadtbil<strong>des</strong>“ aufbrachten(Abb. 30 und 31). Im September 1938 waren Bau und Grundstück insEigentum der Stadt übergegangen. Der dann sofort durchgeführte Abbruchwurde offensichtlich mit großem Interesse verfolgt, wie zahlreicheFotos aus dieser Zeit zeigen (Abb. 35-41). In die noch einige Zeit nachdem Abbruch offene Grube (Abb. 36) wurde die bei den Ausschreitungender „Reichspogromnacht“ am 9. November 1938 beim „Anker“ herabgerisseneLeuchtschrift <strong>des</strong> Kaufhauses Gollowitsch geworfen.Abb. 39: Abbruch Gasthaus zum Schatten, 1938 Abb. 40: Abbruch Gasthaus zum Schatten, 1938Abb. 41: Abbruch Gasthaus zum Schatten, 1938


5Isolation – Emigration – DeportationGollowitschAbb. 42 und 43: Judenpässe von Friedrich und Liselotte Gollowitsch(neben dem Kennzeichen „J“ die Pflicht-Vornamen Israel und Sara)Neben den nationalsozialistischen Aufrufen zum Geschäftsboykottmachte sich die zunehmende Isolation zuerst in der Schule bemerkbar,was vor allem die jüngste Gollowitschtochter Lilo spüren musste.Es wurde angeordnet, dass jüdische Schüler in der letzten Bankreihe zusitzen hatten. Einzelne Lehrer sollen sich dieser diskriminierenden Anordnungwidersetzt haben, wie aus Erzählungen hervorgeht. Die jüdischenSchüler durften nicht mehr am Kinderfest teilnehmen. Zeitzeugen berichtenvon judenfeindlichen Äußerungen an der Volksschule, vor allem durchden Lehrer Windisch, der SA-Führer in Leutkirch war. Ab dem 15.11.1938wurde den Juden der Schulbesuch verboten.Abb. 44: Klassenfoto von Liselotte Gollowitsch (2. Reihe links, 1. von links),2. Klasse der katholischen Volksschule, 1932Entziehung <strong>des</strong> Wahlrechts (Abb. 45),Enteignungen, Berufsverbot,Arbeitseinsatz (Abb. 46),„Sühneleistungen“, Ablieferung vonRadiogeräten (Abb. 47) und dieAnordnung <strong>des</strong> Judensterns.Abb. 45: Entzug <strong>des</strong> Wahlrechts,1936 (Kämmerle S. 44)Abb. 46: Arbeitseinsatz der Juden,1940 (Kämmerle S. 60)Abb. 47: Beschlagnahmung von Radiogeräten,1939 (Kämmerle S. 61)Das Dokument der Gepäckverschickung und -einlagerung belegt,dass bei der Familie Gollowitsch daran gedacht wurde, durch Auswanderungdem Elend zu entgehen (Abb. 56).Dies wird auch durch die Mitteilung <strong>des</strong> Rechtskonsulenten Moos deutlich,dass auf einem portugiesischen Dampfer vier Plätze für die FamilieGollowitsch reserviert wurden (Abb. 48). Den beiden Cousinen Ilse undMargot gelang die Ausreise. Weshalb letztendlich nur die beiden CousinenIlse und Margot geflohen sind, bleibt ungeklärt.Abb. 48: Buchung von Plätzen auf einem portugiesischen Dampfer, 1941


5Isolation – Emigration – DeportationGollowitschAbb. 49: Deportation von Julie Gollowitsch, 1942 (Kämmerle S. 75)Abb. 50: Liste der Transporte 1941(aus: Gottwald/Schulle, Die „Judendeportation“aus dem Deutschen Reich1941-1945, Wiesbaden 2005)Abb. 51: Deportation von Fritz Gollowitsch, 1941 (Kämmerle S. 70)Abb. 52: Deportation von Alice und Liselotte Gollowitsch,1942 (Kämmerle S. 73)Abb. 54: Sammellager in der <strong>Ausstellung</strong>shalle beim Eingangzur 3. Reichsgartenschau auf dem Killesberg(Foto Stadtarchiv Stuttgart)Abb. 53: Kontrolle durch Sicherheitspolizei in der „Ehrenhalle<strong>des</strong> Reichsnährstan<strong>des</strong>“ (Foto Stadtarchiv Stuttgart)Ab dem 23.10.1941 wurde dieEmigration der Juden verbotenund bald danach kamen dieAnweisungen zur Deportation.Für Fritz und Lilly im November1941, für Heiner, Alice und Lilo imSommer 1942 (Abb. 49-52).Heiner, der sich in Leutkirch dasLeben nehmen wollte, um derDeportation zu entgehen, kamverletzt ins Polizeigefängnis nachnach Stuttgart. Laut Totenschein(Abb. 55) setzte Heiner dort am15. Juli 1942 seinem Leben durch„Strangulation“ ein Ende.Zeitzeugen bezweifeln dieseTo<strong>des</strong>ursache.Abb. 55: Totenschein Heinrich Gollowitsch (Stadtarchiv Stuttgart)Fritz Gollowitsch und seine Frau Lilly wurden am 28.11.1941 nach Stuttgartgebracht und dort vom Sammellager Killesberg aus (Abb. 53 und 54)am 1.12.1941 nach Riga in das provisorische Konzentrationslager „Jungfernhof“deportiert. Am 26. März 1942 erschießen SS- und Polizeiverbändeim Wald bei Riga über 1600 „arbeitsunfähige“ Erwachsene und Kinder –darunter auch einen Großteil der dorthin deportierten württembergischenJuden – unter ihnen vermutlich auch Fritz und Lilly. Alice und Lilo kamennach Auschwitz (Abb. 57), Großmutter Julie kam im Juli 1942 zunächst indie als „jüdisches Altersheim“ bezeichnete Sammelunterkunft in Dellmensingen.Sie wurde schließlich nach Theresienstadt deportiert.Abb. 56: Gebühren für dieGepäcklagerungAbb. 57: Konzentrationslager Auschwitz (Foto shutterstock.com)Abb. 58: Liste der in Leutkirchverfolgten Juden, 1960Von den aus Leutkirch Deportierten hat niemand überlebt.Abb. 59 und 60: Zeichen der Erinnerung, Gedenk- und Erinnerungsort am„Inneren Nordbahnhof“ in Stuttgart (hinter Pragfriedhof), von dem aus dieDeportationszüge abfuhren, mit sog. Wand der NamenAbb. 61 und 62

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