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Vom glücklichen Zufall zum gezielten Entwurf - Forschung für Leben

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Der Wandel in der Arzneimittelforschung<strong>Vom</strong> <strong>glücklichen</strong> <strong>Zufall</strong> <strong>zum</strong> <strong>gezielten</strong> <strong>Entwurf</strong>Der Vater eines jungen Industriechemikers littan rheumatischen Beschwerden. Das da<strong>für</strong>eingesetzte Arzneimittel musste er in grossenMengen einnehmen. Es schmeckte bitter und esverursachte Übelkeit und Erbrechen. Was lag näher,als dass der Sohn versuchte, ein neues, besser verträglichesMittel zur Behandlung seines Vaters zuentwickeln? Das ist der Stoff, aus dem Legenden gewobenwerden. Trotzdem, so oder so ähnlich mages sich abgespielt haben, als der Bayer-ForscherFELIX HOFFMANN 1897 in der Arbeitsgruppe vonARTHUR EICHENGRÜN aus der Salicylsäure dieAcetylsalicylsäure herstellte. Das Aspirin ® der FirmaBayer war geboren. Seit 1899 wird diese Substanzzur Behandlung von Kopfschmerzen und Fieber eingesetzt.Ein einzigartiger weltweiter Siegeszugfolgte. Seit Anfang der 70er Jahre dient es auch zurBehandlung von Gerinnungsstörungen, z.B. zurVerhütung eines (wiederholten) Herzinfarkts oderGehirnschlags. Aspirin ® ist heute nicht nur eines derbeliebtesten Arzneimittel, sondern mit Sicherheitauch das bekannteste.___Arzneimittelforschung gestern und heuteWie beseitigt Aspirin die Kopfschmerzen? Das warlange Zeit unklar. Ebenfalls in den 70er Jahren fandenJOHN R. VANE und SERGIO H. FERREIRA, dassbeide Stoffe, Acetylsalicylsäure wie auch Salicylsäure,ein bestimmtes Enzym unseres Körpers hemmen,das im entzündeten Gewebe vorkommt und dort<strong>für</strong> die Synthese von Schmerzmediatoren, den sogenanntenProstaglandinen, verantwortlich ist. Vielspäter klärte man den genauen Wirkmechanismusauf und der war mehr als überraschend. Währenddie Salicylsäure an das Enzym Cyclooxigenase nuranlagert und es daher auch nur schwach hemmt,überträgt die Acetylsalicylsäure ihren Acetylrestdauerhaft auf das Enzym und blockt es damit <strong>für</strong>längere Zeit. Die bei diesem Prozess entstehendeSalicylsäure spielt als Wirkstoff praktisch keine Rolle.Der komplexe Wirkmechanismus, den HOFF-MANN nicht einmal ahnen konnte, bedingt auchdie gerinnungshemmende Wirkung. Hier sind ebenfallsProstaglandine beteiligt, resp. ihre Verwandten,die Thromboxane. Sie bewirken eine Zusammenballungvon Blutplättchen und lösen damit einePfropfbildung aus. Während das Enzym im Körperund im Blut ständig nachgebildet wird und daherdie Wirkung des Aspirins ® auf Entzündung,Fieber und Kopfschmerz wieder abklingt, könnendie Blutplättchen dieses Enzym nicht nachbilden.Kleine Dosen bewirken daher eine lang andauerndeDämpfung der krankhaft erhöhten Neigung zurBlutgerinnung, ohne andere Körperfunktionen zubeeinflussen.Aus dieser Geschichte erkennt man schon die wesentlichenUnterschiede in der Arzneimittelforschunggestern und heute. In den Anfängen standendie chemische Synthese, durchaus gestützt aufIntuition und logischem Schliessen, und der Tierversuchim Vordergrund. Der <strong>Zufall</strong> spielte aber eineausserordentlich wichtige Rolle. Zum Ende des19. Jahrhunderts begannen einige chemische Fabriken,die sich vorher intensiv mit Farbstoffen beschäftigthatten, diese Stoffe auf ihr Potenzial alsArzneimittel zu prüfen. Es war bekannt, dass manBakterien und Parasiten spezifisch anfärben kann.Warum sollte man sie mit diesen Farbstoffen nichtauch spezifisch abtöten können? PAUL EHRLICHund GERHARD DOMAGK sind herausragende Namenin diesem Zusammenhang. EHRLICH kam überden Einbau des giftigen Arsens in organische Verbindungen<strong>zum</strong> Präparat E 606, dem Salvarsan ® .DOMAGK verwendete ein charakteristisches Strukturelementder Azofarbstoffe und erhielt damit daserste, <strong>für</strong> die antibakterielle Chemotherapie eingesetzteSulfonamid, das Prontosil rubrum ® ; kurz daraufentdeckten die französischen Forscher J. undJ. TRÉFOUEL, dass nicht Prontosil selbst, sonderndessen lange bekanntes Spaltprodukt Sulfanilamiddie hemmende Wirkung auf das Bakterienwachstumausübt.Zum Zeitpunkt der Auffindung eines neuen Arzneimittelswaren die Wirkmechanismen oft noch unbekannt.Die Entdeckungen des ersten fiebersenkenden MittelsAcetanilid (1886), des Penicillins (1928-1941), des LSD(1943) und des ersten Tranquillizers Librium (1960) sindnur einige wenige Beispiele <strong>für</strong> die wichtige Rolle des<strong>glücklichen</strong> <strong>Zufall</strong>s in der Arzneimittelforschung. Die3

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