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Ein Kilometer Schriftgut zur Druck- und Verlagsbranche

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Herausgegeben vom Internationalen Arbeitskreis <strong>Druck</strong>- <strong>und</strong> Mediengeschichte Neue Folge 15, No.4/2009<br />

Editorial<br />

Die vergleichende Geschichte der <strong>Druck</strong>- <strong>und</strong> Medienindustrie am Ausgang des 20.Jahrh<strong>und</strong>erts ist noch nicht<br />

geschrieben. Diese Lücke in der historischen Forschung wird schmerzhaft deutlich am Mythos des 9.November<br />

1989. Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall herrscht großer Pomp des Gedenkens mit Ansprachen, Artikeln<br />

<strong>und</strong> Zeitzeugenauftritten in Berlin vor. Nicht der Sonnenschein blühender Landschaften, sondern die Tragik<br />

nicht gehaltener Versprechen legt sich auf das Geschehen. Vieles spricht dafür, dass 1989 das Ende einer schon<br />

länger andauernden Strukturkrise, unter anderem in der Wirtschaft, der politischen Wahrheiten <strong>und</strong> der virtuellen<br />

Welten war. Die Folgen des Werte- <strong>und</strong> Formenwandels trafen nicht nur die DDR, sondern auch – vom<br />

Angebot der Warenwelt verdeckt – die alte B<strong>und</strong>esrepublik.<br />

Der <strong>Ein</strong>igungsvertrag versprach, dass die «kulturelle Substanz» in Ostdeutschland «keinen Schaden nehmen»<br />

sollte. Die Wirklichkeit sieht anders aus: Das vorgef<strong>und</strong>ene Industrie- <strong>und</strong> Kulturgut wurde von der<br />

Treuhand unwiederbringlich bestbietend an Unternehmen verkauft, die darin nur einen Weg sahen, mögliche<br />

Konkurrenz im Marktgeschehen auszuschalten. «Abgewickelt» heißt der hässliche Ausdruck dafür. Nur<br />

noch eins von fünfzig Büchern wird in den östlichen B<strong>und</strong>esländern hergestellt, 90Prozent der Arbeitsplätze<br />

sind verloren gegangen <strong>und</strong> Leipzig, die ehemals stolze Buchstadt <strong>und</strong> Ort der Montagsdemonstrationen, liegt<br />

im deutschen Städteranking nach Anzahl der ansässigen Verlage nur noch auf Platz 14.<br />

Nicht zum ersten <strong>und</strong> sicherlich auch nicht zum letzten Mal wird deshalb hier der Aufruf an die Historikerinnen<br />

<strong>und</strong> Historiker laut: Ran an die <strong>Druck</strong>erei- <strong>und</strong> Verlagsarchive. Stellt mit vergleichenden Fragestellungen<br />

an die <strong>Druck</strong>-, Wirtschafts-, Sozial- <strong>und</strong> Medienprozesse in beiden deutschen Staaten die Würde<br />

der Menschen wieder her, die mit ihrer geistigen <strong>und</strong> körperlichen Arbeit einen noch nicht einschätzbaren<br />

Wert für den Erhalt einer gesamtdeutschen Kulturgeschichte geleistet haben! Wir wollen genauer hinschauen<br />

<strong>und</strong> besser verstehen, was wirklich im Kontext der deutschen Teilung <strong>und</strong> <strong>Ein</strong>heit geschehen ist.<br />

Harry Neß<br />

Inhalt<br />

Quellen <strong>zur</strong> <strong>Druck</strong>geschichte<br />

Das Staatsarchiv Leipzig: ein<br />

ganzer <strong>Kilometer</strong> <strong>Schriftgut</strong> <strong>zur</strong><br />

<strong>Druck</strong>- <strong>und</strong> <strong>Verlagsbranche</strong> 27<br />

Früher Offsetdruck<br />

Sachsens lange Vorrangstellung<br />

im Rotationsoffsetdruck 29<br />

Bilder aus dem Depot (7)<br />

Deutsches Zeitungsmuseum,<br />

Wadgassen: signierte Erstausgabe<br />

der «Süddeutschen Zeitung» 31<br />

Bleisatz, Buchdruck <strong>und</strong> Musik<br />

Preisgekröntes Musikvideo «dot»<br />

zeigt das Analoge im Digitalen 32<br />

Ausstellungstipp<br />

Herzog August Bibliothek:<br />

Hochzeit von Bild <strong>und</strong> Buch 32<br />

Impressum 32<br />

Quellen <strong>zur</strong> <strong>Druck</strong>geschichte – warum es sich lohnt, nach Osten zu schauen: Staatsarchiv Leipzig<br />

<strong>Ein</strong> <strong>Kilometer</strong> <strong>Schriftgut</strong> <strong>zur</strong> <strong>Druck</strong>- <strong>und</strong> <strong>Verlagsbranche</strong><br />

In Journal für <strong>Druck</strong>geschichte No.2/2007 stellte Peter Neumann<br />

«Nachlässe von <strong>Druck</strong>ereien in öffentlichen Archiven» vor <strong>und</strong><br />

konzentrierte sich dabei auf die in einigen B<strong>und</strong>esländern bestehenden<br />

Wirtschaftsarchive. Sein Bef<strong>und</strong>, dass es für Firmenakten<br />

keine spezifischen archivischen Zuständigkeiten gibt, trifft zwar aktuell<br />

zu, bedarf aber einer wichtigen Präzisierung. <strong>Ein</strong>e solche Zuständigkeit<br />

gab es nämlich bis 1990 in der ddr; ihr verdanken die<br />

staatlichen <strong>und</strong> kommunalen Archive in den neuen B<strong>und</strong>esländern<br />

eine umfangreiche, überaus interessante Wirtschaftsüberlieferung.<br />

So verwahrt das Staatsarchiv Leipzig (Abteilung 3 des Sächsischen<br />

Staatsarchivs) Archivgut der Wirtschaft im Gesamtumfang<br />

von über sieben <strong>Kilometer</strong>n, davon umfassen die Bestände von<br />

Verlagen <strong>und</strong> der polygrafischen Industrie über einen <strong>Kilometer</strong>.<br />

Wie kommt es zu dieser Überlieferung, die man in einem staatlichen<br />

Archiv nicht vermuten würde? Die wesentlichen Gründe<br />

liegen in der umfassenden Verstaatlichung von Wirtschaftsbetrieben<br />

in der ddr sowie der damaligen Archivgesetzgebung. Die<br />

Erste Durchführungsbestimmung vom 19.März 1976 <strong>zur</strong> «Verordnung<br />

über das staatliche Archivwesen» vom 11.März 1976 erweiterte<br />

die Zuständigkeit der Staatsarchive auf das Archivgut<br />

«der Unternehmen, Betriebe <strong>und</strong> <strong>Ein</strong>richtungen der kapitalistischen<br />

Wirtschaft mit regionaler Bedeutung <strong>und</strong> des Großgr<strong>und</strong>-<br />

besitzes, die in Volkseigentum überführt oder aufgelöst wurden».<br />

Diese Unterlagen bildeten einen Teil des so genannten Staatlichen<br />

Archivfonds. Gleichzeitig waren die Staatsarchive zuständig für die<br />

zentral- <strong>und</strong> bezirksgeleiteten<br />

Kombinate <strong>und</strong> Betriebe, soweit<br />

deren Archive nicht als Endarchiv<br />

bestätigt waren.<br />

Das 1954 gegründete Staatsarchiv<br />

Leipzig wurde so für zahlreiche<br />

Verlage <strong>und</strong> Betriebe der polygrafischen<br />

Industrie zuständig, die<br />

auch nach dem tief greifenden <strong>Ein</strong>schnitt<br />

von 1943/45 in Leipzig weiter<br />

tätig waren. Mit dem in der sbz<br />

/ddr entstandenen Archivgut gelangte<br />

auch die Überlieferung von<br />

Vorgängerbetrieben bis weit ins<br />

19.Jahrh<strong>und</strong>ert <strong>zur</strong>ück in das<br />

Staatsarchiv. Diese Unterlagen<br />

können durch jeden Interessierten<br />

benutzt werden, lediglich personenbezogenes<br />

Archivgut unterliegt<br />

StA-L, 21055 Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan<br />

Geibel & Co., Altenburg, Nr. 28: <strong>Druck</strong>probe.<br />

Deutscher <strong>Druck</strong>er | Nr. 41 | 10.12.2009 27


StA-L, 21055 Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co.,<br />

Altenburg, Nr. 28: <strong>Druck</strong>muster <strong>und</strong> –proben, ohne Datum.<br />

StA-L, 21055 Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel &<br />

Co., Altenburg, Nr. 27: Satzproben in Handpressenabzügen.<br />

Schutzfristen, deren Verkürzung nur unter bestimmten Voraussetzungen<br />

genehmigt werden kann. Informationen zu den Beständen<br />

<strong>und</strong> ihrer Benutzung sind auf der Website des Sächsischen<br />

Staatsarchivs zu finden (www.archiv.sachsen.de).<br />

Warum lohnt es sich, für die Erforschung der <strong>Druck</strong>- <strong>und</strong> Mediengeschichte<br />

speziell nach Leipzig zu schauen? Über die Bedeutung<br />

des Leipziger Platzes als Verlags-, <strong>Druck</strong>- <strong>und</strong> Buchhandelsort<br />

muss an dieser Stelle sicher kein Wort verloren werden.<br />

Diese Bedeutung spiegelt sich in den Beständen des Staatsarchivs<br />

Leipzig wider, auch wenn die Zerstörung des Grafischen Viertels<br />

durch den Bombenangriff im Dezember 1943 <strong>und</strong> andere Ursachen<br />

unwiederbringliche Lücken in die Überlieferung gerissen haben.<br />

Aus den reichhaltigen Beständen seien fünf kurz vorgestellt, um<br />

einen <strong>Ein</strong>druck von der Fülle <strong>und</strong> zeitlichen wie thematischen<br />

Spannbreite der noch auszuschöpfenden Quellen zu geben.<br />

Pierersche Hofbuchdruckerei <strong>und</strong> B.G.Teubner<br />

Mit nur 1,50 laufenden Metern Umfang klein, aber bemerkenswert<br />

ist der Bestand 21055 Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel &<br />

Co., Altenburg. Er umfasst Unterlagen aus den Jahren 1698 bis 1753<br />

sowie 1938 bis 1950. Die Pierersche Hofbuchdruckerei stand in der<br />

Tradition der 1594 im Schloss Hartenfels bei Torgau begründeten<br />

Fürstlich Sächsischen Officin. Johann Friedrich Pierer kaufte<br />

1799 die <strong>Druck</strong>erei, die bis 1871 im Besitz der Familie blieb. <strong>Ein</strong><br />

Konsortium Leipziger Verleger erwarb in diesem Jahr das Unternehmen<br />

<strong>und</strong> setzte Stephan Geibel als Leiter ein. Der Bestand<br />

enthält unter anderem betriebsgeschichtliche Unterlagen, Auftragsbücher,<br />

<strong>Druck</strong>muster <strong>und</strong> Schriftproben.<br />

Mit r<strong>und</strong> 60 laufenden Metern erheblich umfangreicher ist der<br />

Bestand 22198 B.G.Teubner Verlag, Leipzig. Den inhaltlichen<br />

Schwerpunkt des Archivguts aus den Jahren 1811 bis 1991 bilden<br />

Akten <strong>zur</strong> Tätigkeit dieses bedeutenden Wissenschaftsverlages,<br />

StA-L, 22198 B. G. Teubner Verlag, Leipzig, Nr. 47:<br />

Verzeichnis der Setzer- <strong>und</strong> <strong>Druck</strong>erlehrlinge sowie deren<br />

Beurteilungen nach Beendigung der Lehrzeit in der Buchdruckerei<br />

Dresden, 1833 – 1900.<br />

doch ging der Betrieb ursprünglich aus der Weinedelschen Buchdruckerei<br />

Leipzig hervor <strong>und</strong> blieb als <strong>Druck</strong>erei aktiv. So finden sich<br />

im Bestand <strong>Druck</strong>erei-Reglemente von 1839 <strong>und</strong> 1845 (Nr. 30,<br />

Nr.141), Schriftwechsel mit der Firma Koenig & Bauer Würzburg<br />

über die Lieferung <strong>und</strong> Aufstellung von Maschinen (1819–1862,<br />

Nr.56), eine Modellzeichnung der ältesten Teubnerschen Schnellpresse<br />

von 1834 (Nr.54), aber auch ein Verzeichnis der Setzer<strong>und</strong><br />

<strong>Druck</strong>erlehrlinge sowie deren Beurteilungen nach Beendigung<br />

ihrer Lehrzeit (1833–1900, Nr.47). Auf die vielfältigen Beziehungen<br />

zwischen der Firma B. G. Teubner <strong>und</strong> der ursprünglich<br />

Leipziger Firma Giesecke & Devrient kann an dieser Stelle nur hingewiesen<br />

werden. Das historische Archivgut von Giesecke &<br />

Devrient bildet den Bestand 21061 Giesecke & Devrient AG, <strong>Druck</strong>erei,<br />

Leipzig (1845–1946).<br />

<strong>Druck</strong>walzen, Weiterverarbeitung: Böttcher <strong>und</strong> Krause<br />

Die Felix Böttcher <strong>Druck</strong>walzen GmbH hat eine lange Tradition an<br />

ihrem heutigen Sitz in Köln <strong>und</strong> ist weltweit aktiv. Ihr Ursprung<br />

liegt aber in Leipzig, wo die Firma Felix Böttcher 1878 als offene<br />

Handelsgesellschaft gegründet wurde. Böttcher, Erfinder der<br />

Gummidruckwalze, stellte in seinem Betrieb Buchdruckwalzen,<br />

Walzengusseinrichtungen <strong>und</strong> Buchdruckwalzenmasse her. 1892<br />

ging die Firma auf Ernst Herrmann über, expandierte in den folgenden<br />

Jahrzehnten <strong>und</strong> blieb auch 1945 zunächst in Privathand.<br />

1954 wurde sie als VEB <strong>Druck</strong>walzen Leipzig verstaatlicht. Im<br />

Staatsarchiv Leipzig befindet sich der Bestand 21060 Felix Böttcher,<br />

<strong>Druck</strong>walzen Leipzig mit Unterlagen aus dem Zeitraum 1878 bis<br />

1954. Er enthält unter anderem Verträge, Bilanzen, Unterlagen zu<br />

Patenten <strong>und</strong> Warenzeichen sowie Fotos über Kriegsschäden.<br />

<strong>Ein</strong> anderes inhaltliches Spektrum bietet der Bestand 20788<br />

Karl Krause, Polygraphischer Maschinenbau, Leipzig, der Archivgut<br />

aus den Jahren 1884 bis 1949 umfasst. Die 1855 gegründete Firma<br />

28 Deutscher <strong>Druck</strong>er | Nr. 41 | 10.12.2009


gehörte schon bald zu den bedeutendsten Unternehmen des<br />

polygraphischen Maschinenbaus in Leipzig; sie stellte vor allem<br />

Apparate <strong>und</strong> Maschinen für Buchbindereien <strong>und</strong> die Verpackungsindustrie<br />

her. Das Archivgut ermöglicht unter anderem<br />

<strong>Ein</strong>blicke in Geschäftsführung <strong>und</strong> Betriebsorganisation, die Beziehungen<br />

zum Staat <strong>und</strong> zu Wirtschaftsverbänden, die Arbeits<strong>und</strong><br />

sozialen Verhältnisse der Beschäftigten (einschließlich Fremd<strong>und</strong><br />

Zwangsarbeitern), Kapitalbeschaffung <strong>und</strong> Rechnungswesen.<br />

Von Interesse sind auch die umfangreich vorhandenen Unterlagen<br />

zu Patenten <strong>und</strong> Gebrauchsmustern sowie Prospekte <strong>und</strong> Kataloge.<br />

Hier finden sich der Katalog «Karl Krause Leipzig. Maschinen<br />

für die gesamte Papier-Industrie. Leipzig 1893» (Nr. 1242) ebenso<br />

wie Prospekte von Vergolde- <strong>und</strong> Prägepressen, Balancier- <strong>und</strong><br />

Glättpressen oder Maschinenprospekte <strong>zur</strong> Reproduktion mit der<br />

Kleinoffsetpresse (um 1938, Nr. 1280).<br />

Interdruck Graphischer Großbetrieb Leipzig<br />

Als Beispiel für die Überlieferung eines ddr-<strong>Druck</strong>betriebs möge<br />

abschließend der Bestand 21100 Interdruck Graphischer Großbetrieb<br />

Leipzig dienen. Die zehn laufenden Meter Unterlagen entstanden<br />

im Zeitraum 1945 bis 1990 <strong>und</strong> sind bisher – im Gegensatz zu den<br />

anderen vorgestellten Beständen – noch nicht mit einem Findbuch,<br />

sondern lediglich durch ein Abgabeverzeichnis erschlossen.<br />

Der veb Interdruck Graphischer Großbetrieb Leipzig wurde 1966<br />

durch den Zusammenschluss des veb <strong>Druck</strong>haus <strong>Ein</strong>heit <strong>und</strong> des<br />

veb Graphische Werkstätten gegründet. 1976 bestand das Unternehmen<br />

unter anderem aus den Betriebsteilen Lichtsatz, Tiefdruck,<br />

Offset- <strong>und</strong> Hochdruck, Buchbinderische Weiterverarbeitung<br />

einschließlich Glanzfolienkaschieranstalt sowie Chemigrafie<br />

mit Bromsilberdruck. In den 1980er Jahren bestritt Interdruck ein<br />

Drittel der grafischen Produktion in Leipzig. Der Bestand enthält<br />

Material zu Werkleitersitzungen, Jahresberichte <strong>und</strong> Bilanzen,<br />

Aufträge der smad, Berufsausbildung <strong>und</strong> Personal. Wichtige Informationen<br />

über die Rahmenbedingungen, in denen dieser wie<br />

andere <strong>Druck</strong>betriebe sich bewegten, finden sich in den Beständen<br />

21103 Verwaltung Volkseigener Betriebe Industriezweigleitung <strong>Druck</strong>,<br />

StA-L, 22198 B. G. Teubner Verlag, Leipzig, Nr. 54: Modellzeichnung der ältesten Teubnerschen<br />

Schnellpresse, 1834<br />

Leipzig sowie 21104 VVB Polygraphische Industrie Leipzig. Beide<br />

dokumentieren die Tätigkeit zentraler wirtschaftsleitender <strong>Ein</strong>richtungen<br />

auf dem Gebiet des <strong>Druck</strong>ereiwesens der ddr.<br />

Im Editorial des jüngst erschienenen Journal für <strong>Druck</strong>geschichte<br />

No.3/2009 sprach Harry Ness die «oftmals einseitig westdeutsche<br />

Betrachtungsweise von Geschichte» an. Nun: Für Untersuchungen<br />

<strong>zur</strong> Wirtschafts-, Technik- oder Sozialgeschichte ein-<br />

schließlich der <strong>Druck</strong>- <strong>und</strong> Mediengeschichte<br />

kann der Blick nach Osten in die staatlichen<br />

<strong>und</strong> kommunalen Archive der neuen B<strong>und</strong>esländer<br />

nur empfohlen werden. Bis 1990 waren<br />

diese Archive teilweise schwer zugänglich, aber<br />

zwanzig Jahre nach der Friedlichen Revolution<br />

sind dort viele spannende <strong>und</strong> bisher unveröffentlichte<br />

Quellen in einer zeitlich weit <strong>zur</strong>ückreichenden<br />

<strong>und</strong> vielgestaltigen Wirtschaftsüberlieferung<br />

zu entdecken.<br />

Thekla Kluttig<br />

Früher Offsetdruck:<br />

Über Sachsens lange Vorrangstellung im Rotationsoffsetdruck<br />

Nach der simultanen Erfindung des Offsetdrucks 1904/05 in den<br />

USA durch den Amerikaner Ira Washington Rubel <strong>und</strong> den in<br />

die USA ausgewanderten Deutschen Caspar Hermann profitierte<br />

das Land Sachsen von beiden Erfindungen: Die Leipziger Schnellpressenfabrik,<br />

vormals Schmiers, Werner & Stein ag (sws), durch die<br />

Lizenzfertigung der ersten europäischen Bogenoffsetdruckmaschine<br />

von George Mann & Co. in Leeds, England, die von Rubels<br />

Erfindung inspiriert wurde, <strong>und</strong> die vomag ag in Plauen-Vogtland<br />

durch die erste, von dem nach Deutschland <strong>zur</strong>ückgekehrten Caspar<br />

Hermann konstruierte Rollenoffsetdruckmaschine, die ab 1910<br />

dort gefertigt wurde. Im Jahre 1921 fusionierten die Leipziger<br />

Schnellpressenfabrik <strong>und</strong> die Dresdner Schnellpressenfabrik ag,<br />

Coswig bei Dresden, <strong>zur</strong> Dresden-Leipziger Schnellpressenfabrik ag,<br />

woraus 1932 das Planeta <strong>Druck</strong>maschinenwerk mit Sitz in Radebeul<br />

bei Dresden hervorging. Beide Standorte waren also schon früh in<br />

Zur Autorin:<br />

Dr. Thekla Kluttig arbeitet nach<br />

einem Studium der Geschichte<br />

<strong>und</strong> der Ausbildung zum höheren<br />

Archivdienst seit 1997 in der sächsischen<br />

Archivverwaltung. Seit<br />

März 2008 ist sie als Referatsleiterin<br />

im Staatsarchiv Leipzig u. a. für<br />

die Überlieferung der Verlage <strong>und</strong><br />

polygrafischen Industrie zuständig.<br />

Kontakt:<br />

thekla.kluttig@sta.smi.sachsen.de.<br />

die Entwicklung des Offsetdrucks für Akzidenzen <strong>und</strong> Zeitungen<br />

eingeb<strong>und</strong>en.<br />

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs <strong>und</strong> der Teilung Deutschlands<br />

sahen sich deshalb die westdeutschen <strong>Druck</strong>maschinenhersteller<br />

vor die nicht einfache Aufgabe gestellt, das Wissen <strong>und</strong><br />

Können um den Rollenoffsetdruck mühsam aufzubauen, wobei<br />

ihnen aus der ddr geflohene Konstrukteure willkommen waren.<br />

Aufmerksam wurde der Westen nach dem Zweiten Weltkrieg auf<br />

die Vorrangstellung der Sachsen im Offsetdruck weniger durch die<br />

zwei oben genannten Großen der ostdeutschen Branche, sondern<br />

durch ein relativ unbekanntes Unternehmen in Leipzig, das unter<br />

der Bezeichnung veb <strong>Druck</strong>maschinenwerke Leipzig firmierte <strong>und</strong><br />

mit seinen halbbreiten Zirkon-Rollenoffsetdruckmaschinen Mitte<br />

der 1970er Jahre den westlichen Markt aufwirbelten, sodass die<br />

westlichen Hersteller ganz schnell mit solchen Miniweb genannten<br />

Deutscher <strong>Druck</strong>er | Nr. 41 | 10.12.2009 29


Literatur (Auswahl)<br />

8-Seiten-Maschinen (statt der Standard 16-Seiten-Maschinen)<br />

nachziehen mussten. Am Ende wurden mehr als ein Dutzend dieser<br />

Maschinengattung am Markt gezählt.<br />

Wie dieser ernst zu nehmende Konkurrent entstanden ist, erklärte<br />

dem Verfasser kürzlich der Leipziger <strong>Druck</strong>maschinenfachmann<br />

Dr. Dietrich Hank. 1918 existierte schon die Firma Kohlbach<br />

& Co. in Leipzig. Sie fertigte für die Verpackungsindustrie<br />

Anilindruckmaschinen, die heutigen Flexodruckmaschinen, von<br />

Tischmaschinen (aiii) bis zu Standmaschinen (alvk). Während des<br />

Zweiten Weltkriegs mussten Maschinengewehr-Lafetten für Jagdflugzeuge<br />

<strong>und</strong> Granathülsen gefertigt werden. Nach Kriegsende<br />

kamen Firmenchef Steinmetz <strong>und</strong> Juniorchef<br />

Friese ins Gefängnis – dort nahm sich Friese das<br />

Leben. Steinmetz floh nach seiner Entlassung in<br />

den Westen. Der ehemalige Monteur Jensen übernahm<br />

die Betriebsleitung des nunmehr in koma<br />

Leipzig umbenannten Unternehmens.<br />

Schon 1950 wurde das Unternehmen umbenannt<br />

in rolima Leipzig. Damals kam nach Aussage<br />

des Monteurs Gerhard Köhler ein amerikanischer<br />

Vertreter der Firma namens Milton<br />

Berg mit einem lkw auf den Fabrikhof gefahren<br />

<strong>und</strong> überbrachte zwei kleinere Bogenoffsetdruckwerke<br />

mit dem Wunsch: «Baut mir daraus eine<br />

Rollenoffsetdruckmaschine!» Man legte die Flexodruckmaschine<br />

s4b zugr<strong>und</strong>e, überarbeitete den<br />

Querschneider, die <strong>Druck</strong>einheiten <strong>und</strong> die Abrollung.<br />

Die daraus hervorgegangene Klein-Rollenoffsetmaschine<br />

stand als rzo 1952 auf der Leipziger<br />

Messe. 1954 folgte die rzo ii mit vier<br />

<strong>Druck</strong>einheiten im 3-Zylinder-System mit Drittem<br />

Falz <strong>und</strong> Tragwalzen-Wiederaufwickler sowie<br />

einer St<strong>und</strong>enleistung von 9000 <strong>Druck</strong>en bzw.<br />

Umdrehungen – in den usa bei 60 Hz entsprechend<br />

schneller. Der Export nach Übersee entwickelte sich gut,<br />

sodass die rolima vom veb Universal übernommen wurde (Universal<br />

war der Markenname des Bogenanlegers der enteigneten<br />

Firma Kleim & Ungerer).<br />

Der Konstrukteur der rzo ii, Horst Theer, entwickelte 1958 in<br />

dieser Firma die ultra-set junior RO62, die mit einem Falzapparat<br />

versehen war <strong>und</strong> 1964 erstmals beim <strong>Druck</strong> der Bezirkszeitung<br />

«Freie Erde» in Neustrelitz eingesetzt wurde. Gleichzeitig wurden<br />

in Leipzig mehrere Werke zum veb <strong>Druck</strong>maschinenwerke Leipzig<br />

zusammengeschlossen. Es waren dies: Werk I (Werksleitung),<br />

Werk II (veb Optima, vorm. Mansfeld), Werk III (Bogenanlegerwerk<br />

vorm. Spieß) <strong>und</strong> Werk IV (veb Universal, vorm. Kleim & Ungerer).<br />

Horst Theer entwickelte mit seinem Team auch die ultra-set 72 mit<br />

doppeltem Umfang im Gummi-gegen-Gummi-Prinzip, die 1967<br />

beim <strong>Druck</strong> der «Norddeutschen R<strong>und</strong>schau» in Itzehoe eingesetzt<br />

wurde (vgl. Peter Neumanns Bericht in JfD No.2/2009). <strong>Ein</strong> Jahr<br />

vorher war die Maschine schon in der ddr beim <strong>Druck</strong> der Bezirkszeitung<br />

«Das Volk» in Erfurt eingesetzt worden.<br />

Der Konstrukteur Werner Opitz machte aus der ultra-set 72<br />

dann die einfachbreite 8-Seiten-Maschine Zirkon 66, die wie oben<br />

bereits erwähnt Mitte der 1970er Jahre in der westlichen <strong>Druck</strong>maschinenwelt<br />

für viel Wirbelgesorgt hat, denn es wurden von ihr<br />

Rudolf Ruder<br />

Chronik der Polygrafischen<br />

Technik 1956–1997 an der TH<br />

Karl-Marx-Stadt, erschienen<br />

als digital gedruckte Broschur<br />

(175 Seiten) am Nachfolge-<br />

Institut für Print- <strong>und</strong> Medientechnik<br />

der TU Chemnitz 2002<br />

Eva Susanne Franke<br />

Netzwerke, Innovationen <strong>und</strong><br />

Wirtschaftssysteme. <strong>Ein</strong>e Untersuchung<br />

am Beispiel des <strong>Druck</strong>maschinenbaus<br />

im geteilten<br />

Deutschland 1945–1990.<br />

Stuttgart: Franz Steiner 2000<br />

(Dissertation Uni Würzburg)<br />

Boris Fuchs<br />

Die Renaissance des Rollenoffsetdrucks<br />

im Nachkriegs-<br />

Deutschland aus der Sicht eines<br />

Maschinenkonstrukteurs. In:<br />

Leipziger Jahrbuch <strong>zur</strong> Buchgeschichte<br />

Jg.2 (1992) S.225–236<br />

in kürzester Zeit mehr als 100 Maschinen ins westliche Ausland,<br />

von Skandinavien bis in die usa, verkauft. Die westlichen <strong>Druck</strong>maschinenhersteller<br />

hatten zu diesem Zeitpunkt in dieser Formatklasse<br />

nichts zu bieten.<br />

Auch bei den doppelbreiten Rotationsoffsetdruckmaschinen<br />

hatten die sächsischen <strong>Druck</strong>maschinenhersteller die Nase vorn,<br />

indem schon 1968 die erste Hyperset 1700 von veb Plamag mit<br />

168 cm Rollenbreite <strong>und</strong> 2 x 594 mm Abschnittlänge im Gummi-gegen-Gummi-Prinzip<br />

zum <strong>Druck</strong> der zentralen Parteizeitung<br />

«Neues Deutschland» in Dresden eingesetzt wurde. Ihr folgte ab<br />

1977 der verbesserte Maschinentyp Rondoset, ebenfalls von veb<br />

Plamag, zum <strong>Druck</strong> der Zentralzeitungen an fünf <strong>Druck</strong>orten in<br />

Millionen-Auflagen. Es sei in Erinnerung gebracht, dass sich in<br />

Westdeutschland der Axel Springer Verlag erst Mitte 1974 entschloss,<br />

seine Publikationen ebenfalls im Offsetdruck mit Millionenauflagen<br />

herauszubringen, nachdem eine man-Pilotmaschine<br />

1972 in Hamburg die Durchführbarkeit dieser als riskant angesehenen<br />

Umstellung bewiesen hatte. 1970 stellte die Plamag den Bau<br />

von Hochdruckrotationsmaschinen zugunsten der Offsetrotationsmaschinen<br />

ganz ein.<br />

Zur Geschichte der Plamag, heute Teil der manroland <strong>Druck</strong>maschinen<br />

ag, ist noch nachzutragen, dass diese keine Nachfolgerin<br />

des im Zweiten Weltkrieg völlig zerstörten Maschinenbaukonzerns<br />

vomag ist, sondern eine Neugründung an einem anderen Ort<br />

in der Stadt Plauen im Vogtland. Die Plamag setzt jedoch die Tradition<br />

des <strong>Druck</strong>maschinenbaus der vomag <strong>und</strong> deren Rotationsdruckmaschinen-Programms<br />

mit neuen Modellen fort. Auch waren<br />

viele ehemalige vomag-Konstrukteure dort beschäftigt.<br />

Die vomag wurde 1881 als J.C.&H.Dietrich, Plauen (Vogtl.),<br />

Strickmaschinenfabrik gegründet <strong>und</strong> nahm 1896 den Bau von<br />

<strong>Druck</strong>maschinen auf. Man stellte Flachform-Rotationsmaschinen<br />

vom Typ Rotoplana her, deren Kosten sparendes Prinzip über ein<br />

vom Plauener Heinrich Stumpf weitergegebenes Patent auch den<br />

Beginn der Heidelberger <strong>Druck</strong>maschinen ag Anfang des 20.Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

beflügeln sollte. Die erste mit Stereo-R<strong>und</strong>formen arbeitende<br />

Zeitungsrotation Miniatur folgte 1899 <strong>und</strong> war in ihrer kompakten<br />

Bauweise ein Novum, sodass sie großen Absatz fand. Die<br />

besonderen Verdienste des Unternehmens für die Entwicklung<br />

der Offsetdruckmaschinen bestanden darin, dass es ab 1910, vermittelt<br />

durch seinen Leipziger Vertreter, bereit war <strong>zur</strong> Zusammenarbeit<br />

mit Caspar Hermann bei der Entwicklung der weltweit<br />

ersten Rollenoffsetdruckmaschine. Caspar Hermann verkaufte in<br />

der Folge alle seine Patente an die vomag, sodass sie in diesem<br />

Feld Marktführer wurde.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg <strong>und</strong> der Teilung Deutschlands<br />

wurde schon am 3. Juli 1945 die Plauener Maschinenbaugesellschaft<br />

gegründet. Das Werk beschäftigte bereits wieder r<strong>und</strong> 1000 Menschen,<br />

als die sowjetische Militäradministration den Demontagebefehl<br />

für die aus dem Rüstungsbetrieb geretteten Werkzeugmaschinen<br />

befahl. Doch mit Unterstützung des Sachsenverlages<br />

begann der Wiederaufbau, sodass bis 1957 alle Abteilungen <strong>und</strong><br />

Fertigungsbereiche an einem neuen Ort zusammengefasst werden<br />

konnten. Das Werk ging vom sed-Verlagsbesitz in den veb Plamag<br />

über, der Teil des Kombinates Polygraph Werner Lamberz mit insgesamt<br />

15000 Beschäftigten wurde.<br />

Boris Fuchs<br />

30 Deutscher <strong>Druck</strong>er | Nr. 41 | 10.12.2009


Bilder aus dem Depot(7): Deutsches Zeitungsmuseum, Wadgassen<br />

<strong>Ein</strong> ganz besonderes Exemplar der Süddeutschen Zeitung<br />

Am 19. Februar 2009 erhielt das Deutsche Zeitungsmuseum Post<br />

aus den Vereinigten Staaten von Amerika: Die Sendung enthielt<br />

zwei Originalzeitungen aus der unmittelbaren Nachkriegszeit: ein<br />

Exemplar des Blattes Neuer Tag vom 31. Mai 1945 sowie eine Erstausgabe<br />

der Süddeutschen Zeitung vom 6. Oktober 1945. Das Besondere:<br />

Auf den Titelseiten der beiden Zeitungen befinden sich<br />

zahlreiche Unterschriften, im Falle der «SZ» insgesamt 33 verschiedene<br />

mit Bleistift geschriebene Namen. Offenk<strong>und</strong>ig handelt<br />

es sich um Unterschriften, mit denen die bei der Gründung der<br />

Zeitung beteiligten Verleger, Redakteure sowie die Vertreter der alliierten<br />

Besatzungsmacht das Titelblatt der Erstausgabe signierten.<br />

Das vorliegende Originalexemplar der Süddeutschen Zeitung kann<br />

damit als eines der bedeutendsten Exponate für das deutsche<br />

Pressewesen der Nachkriegszeit gelten.<br />

Die Entzifferung der zahlreichen, in den meisten Fällen kaum leserlichen<br />

Namen stellten Direktor Dr. Roger Münch <strong>und</strong> seine<br />

Mitarbeiter im Deutschen Zeitungsmuseum vor ein anspruchsvolles<br />

Rätsel. Immerhin ist es in der Zwischenzeit gelungen, einige der<br />

Namen entsprechend zuzuordnen: So haben die drei Herausgeber<br />

der Zeitung, auf die die Lizenz der alliierten Besatzer ausgestellt ist,<br />

unterschrieben: Alfred Schwingenstein, Edm<strong>und</strong> Goldschagg<br />

sowie Franz Josef Schönigh. Ebenso unterzeichnet hat<br />

der Oberbürgermeister Münchens, Arnulf Klett, ferner die<br />

Schauspielerin Adele Hoffmann (als «Münchener Kindl»). Des<br />

Weiteren sind die Namen zweier amerikanischer Presseoffiziere,<br />

B.B. McMahon sowie Irving Dillard, identifizierbar. Dem Letztgenannten<br />

ist es zu verdanken, dass das Dokument dem Deutschen<br />

Zeitungsmuseum in Wadgassen überlassen worden ist.<br />

Dillard, der Journalistik-Professor in Princeton wurde, starb<br />

2002 <strong>und</strong> hinterließ neben anderen Wertgegenständen auch die<br />

beiden Nachkriegszeitungen seinem Vertrauten Tom Cossaboom.<br />

Dieser wiederum erzählte seinem Fre<strong>und</strong> Ben Scheubeck, der in<br />

Kaiserlautern lebt, von den beiden Zeitungen. Scheubeck hatte im<br />

Winter 2007/08 im Deutschen Zeitungsmuseum die Sonderausstellung<br />

«Von der Mangelwirtschaft <strong>zur</strong> Massenauflage – Printmedien<br />

in den 50er Jahren» besichtigt, in der ausführlich auf das<br />

Thema «Presse der Nachkriegszeit» eingegangen worden war.<br />

Aufgr<strong>und</strong> der Vermittlung Scheubecks gelang es, Cossaboom dazu<br />

zu bewegen, die Originaldokumente nach Wadgassen zu schicken<br />

<strong>und</strong> sie dem Deutschen Zeitungsmuseum zu überlassen.<br />

Auch hinsichtlich des deutschen Pressewesens spricht man im<br />

Zusammenhang mit der unmittelbaren Nachkriegszeit von der<br />

«St<strong>und</strong>e Null». Nachdem in den von alliierten Truppen eroberten<br />

Gebieten zunächst ein vollständiges Publikationsverbot erlassen<br />

worden war, folgte eine Phase, in der die Alliierten so genannte<br />

Heeresgruppenzeitungen herausgaben, bevor dann nach Kriegsende<br />

der Neuaufbau einer demokratischen deutschen Presse mithilfe<br />

des Lizenzierungsverfahrens begann. Demnach konnte eine<br />

Zeitung nur erscheinen, wenn die Alliierten hierfür eine Lizenz ausstellten.<br />

In den einzelnen Besatzungszonen wurden unterschiedliche<br />

Maßstäbe <strong>und</strong> Kriterien bei der Lizenzvergabe angelegt.<br />

Generell wurde die Besetzung der Redaktionen mit politisch unbelasteten<br />

Personen angestrebt, was in vielen Fällen allerdings<br />

nicht möglich war. Probleme bereitete in der Frühphase des wieder<br />

aufzubauenden Pressewesens insbesondere die fehlende Infrastruktur:<br />

zerstörte <strong>Druck</strong>ereien <strong>und</strong> Redaktionsgebäude sowie<br />

Papierknappheit. Nach zwölf Jahren obrigkeitsstaatlicher Steue-<br />

rung, Zensur <strong>und</strong> Propaganda sollten Journalismus <strong>und</strong> Zeitungsbranche<br />

auf eine neue, demokratische Gr<strong>und</strong>lage gestellt<br />

werden. Zentrale Werte waren Objektivität, Überparteilichkeit <strong>und</strong><br />

die Trennung von Nachricht <strong>und</strong> Meinung.<br />

Obwohl in den Jahren 1945 bis 1949 die deutsche Presse durch<br />

den Lizenzzwang einer umfassenden administrativen Steuerung<br />

unterworfen war, wurden in diesen Jahren die Gr<strong>und</strong>lagen für den<br />

Aufbau einer freiheitlichen Presse gelegt. Mit der Gründung der<br />

brd durch das Inkrafttreten des Gr<strong>und</strong>gesetzes am 21. September<br />

1949 entfiel der in der amerikanischen Zone bereits Anfang des<br />

Jahres aufgehobene Lizenzzwang nun in ganz Westdeutschland. In<br />

Artikel 5 des GG ist die Pressefreiheit fortan fest verankert.<br />

Die «SZ» verzeichnete bereits 1948 eine Auflage von knapp<br />

300 000 Exemplaren. Von den Anfängen dieser Erfolgsgeschichte<br />

– <strong>und</strong> vor allem von der Bereitschaft sowohl der alliierten Besatzer<br />

als auch engagierter Deutscher <strong>zur</strong> Zusammenarbeit – zeugt das<br />

Originalexemplar der Erstausgabe, die das Deutsche Zeitungsmuseum<br />

nun geschenkt bekommen hat.<br />

Christian Göbel<br />

Deutscher <strong>Druck</strong>er | Nr. 41 | 10.12.2009 31


Journal<br />

No.1/2010<br />

erscheint<br />

in<br />

Deutscher<br />

<strong>Druck</strong>er<br />

Heft Nr.9<br />

(11.3.2010)<br />

Auf den «Punkt» gebracht – das Analoge im Digitalen<br />

Das preisgekrönte Musikvideo «dot» vereint Bleisatz <strong>und</strong> digitale Technik<br />

Jörg Petri interessiert sich für Schrift –<br />

ob geschrieben, gepinselt, gesprüht, im<br />

Winkelhaken zusammengefügt oder am<br />

Computer entworfen. Der Wettstreit der<br />

analogen <strong>und</strong> digitalen Techniken prägte<br />

ihn während seiner Schriftsetzerlehre in<br />

den 1990er Jahren. Es folgten ein Studium<br />

der Medieninformatik <strong>und</strong> etwa auch die<br />

Auseinandersetzung mit der Schriftklassifikation.<br />

Seit 2005 lehrt er nun selbst an<br />

der Hochschule für Bildende Künste, Braunschweig,<br />

im Fachbereich Kommunikationsdesign.<br />

Hier beschäftigt Petri sich zum<br />

Impressum<br />

Das Journal für <strong>Druck</strong>geschichte (Neue<br />

Folge) ist das offizielle Informationsorgan des<br />

Internationalen Arbeitskreises <strong>Druck</strong>- <strong>und</strong><br />

Mediengeschichte (iadm)/Working Group for<br />

Printing History/Cercle d’Études de l’Histoire<br />

de l’Imprimerie.<br />

Das Journal erscheint viermal jährlich, eingeheftet<br />

im Deutschen <strong>Druck</strong>er. Den Mitgliedern des<br />

iadm werden diese Ausgaben kostenlos zugestellt.<br />

Beispiel mit Buch <strong>und</strong> Leseverhalten im<br />

digitalen Zeitalter.<br />

Otl Aicher charakterisierte das Digitale<br />

als das Mentale, Gedachte, Vorgestellte<br />

<strong>und</strong> demgegenüber das Analoge als<br />

praktisch, konkret, greifbar. Mit Hilfe des<br />

Mediums Typografie sucht Jörg Petri diese<br />

Gegensätze auszuloten, ja aufzulösen – so<br />

in dem «dot»-Projekt. Es geht hier um<br />

Musik, um ein Video als Buch <strong>und</strong> das<br />

Buch als Video ...<br />

Konfrontiert mit der Aufgabe, für das<br />

gleichnamige Lied von Michael Fakesch<br />

ein Musikvideo zu drehen, besann sich<br />

Petri, der über keinerlei eigene Erfahrungen<br />

mit dem Filmen verfügte, auf das, was<br />

er kann: mit Buchstaben umgehen. Aus<br />

dem vieldeutigen Liedtitel «dot» entwickelte<br />

er die Idee, «ein Video zu drucken»,<br />

anders ausgedrückt: ein Video zu produzieren,<br />

das sowohl aus digitalen Bildern<br />

besteht, als auch aus einem Stapel Papier.<br />

Ausgangspunkt war das Buch.<br />

Wenn schon drucken, dann «richtig»,<br />

nämlich mit Handsatz <strong>und</strong> Buchdruckverfahren,<br />

dachte sich Jörg Petri <strong>und</strong> setzte<br />

diese Idee mit Hilfe eines mehrköpfigen<br />

Teams in der Werkstatt der Braunschweiger<br />

hbk um. Die Typografie spielt mit dem<br />

Liedtext, kreist um den «Punkt». Ergebnis:<br />

300 Seiten im Format 28 cm auf 21,7 cm,<br />

5 cm dick, Handsatz, auf griffiges Papier<br />

schwarz <strong>und</strong> silbern gedruckt auf einer<br />

sechzig Jahre alten Korrex – Auflage: drei<br />

Exemplare. Die Buchseiten dienten anschließend<br />

als Vorlage fürs Video. Sie<br />

existieren damit in zweierlei Form: analog<br />

zum Anfassen <strong>und</strong> digital zum Schauen.<br />

Unter http://www.jpetri.de/dot/ finden<br />

sich im Internet weitere Informationen<br />

über das dot-Projekt <strong>und</strong> die aufwendige<br />

Produktion –25Blatt ergeben im Film gerade<br />

einmal 29 Sek<strong>und</strong>en. siw<br />

Herausgeber<br />

Dr.Harry Neß, Silvia Werfel M.A.<br />

Internet<br />

www.arbeitskreis-druckgeschichte.de<br />

Redaktion<br />

Dipl.-Ing.Boris Fuchs<br />

Dr.Harry Neß<br />

Peter Neumann<br />

verantwortlich (Redaktion <strong>und</strong> Gestaltung)<br />

Silvia Werfel M.A./siw<br />

Ausstellung in Wolfenbüttel:<br />

Herzog August Bibliothek<br />

Bis 31. Januar 2010, im Kabinett:<br />

Hochzeit von Bild <strong>und</strong> Buch. Anfänge der<br />

<strong>Druck</strong>grafik 1420–1515, aus den Beständen<br />

der Herzog August Bibliothek<br />

Kalender, Mitteldeutschland, um 1457: Monat Oktober,<br />

Holzschnitt, handkoloriert, eingeb<strong>und</strong>en.<br />

Die frühe Symbiose von <strong>Druck</strong>grafik <strong>und</strong><br />

Typendruck ist besonders interessant, weil<br />

damit auch die Trennung zwischen dem<br />

Kupferstichkabinett als Aufbewahrungsort<br />

für <strong>Druck</strong>grafik <strong>und</strong> der Bibliothek als Ort<br />

des Buches aufgehoben wird <strong>und</strong> neue Erkenntnisse<br />

<strong>zur</strong> Geschichte von Buch <strong>und</strong><br />

<strong>Druck</strong>grafik ermöglicht werden.<br />

Die Ausstellung gehört zum Projekt<br />

Virtuelles Kupferstichkabinett, das vom<br />

Herzog Anton Ulrich-Museum Braunschweig<br />

<strong>und</strong> der Herzog August Bibliothek gemeinsam<br />

durchgeführt wird. Hierbei werden,<br />

unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft,<br />

r<strong>und</strong> 40 000 Blatt <strong>Druck</strong>grafik<br />

aus den Beständen beider <strong>Ein</strong>richtungen<br />

digitalisiert, erschlossen <strong>und</strong> ins<br />

Internet gestellt, weltweit abrufbar unter:<br />

www.virtuelles-kupferstichkabinett.de<br />

Redaktionsadresse<br />

Silvia Werfel<br />

Postfach 130283, 65090 Wiesbaden<br />

Telefon: 0611/29723<br />

E-Mail: smwerfel@aol.com<br />

IADM-Kontaktadresse<br />

Dr.Harry Neß<br />

Unterlindau 32, 60323 Frankfurt/Main<br />

Telefon+Fax: 069/17 50 94 00<br />

E-Mail: ness@dipf.de<br />

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