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RALO MAYER - Lentos Kunstmuseum Linz

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LENTOS <strong>Kunstmuseum</strong> <strong>Linz</strong><br />

Presseunterlage<br />

<strong>RALO</strong> <strong>MAYER</strong><br />

Obviously a major malfunction /<br />

KAGO KAGO KAGO BE<br />

(Woran glauben die Motten,<br />

wenn sie zu den Lichtern streben)<br />

12. August bis 23. Oktober 2011<br />

LENTOS <strong>Kunstmuseum</strong> <strong>Linz</strong>, A-4021 <strong>Linz</strong>, Ernst-Koref-Promenade 1<br />

Tel: +43 (0)732.7070-3600 Fax: +43 (0)732.7070-3604 www.lentos.at<br />

DVR-Nummer 0002852


Inhalt<br />

Ausstellungsdaten 3<br />

Pressetext 4<br />

Kunstvermittlungs- und Veranstaltungsprogramm 5<br />

Biografie 6<br />

Saaltexte 7<br />

Pressebilder 12<br />

Seite 2


Ausstellungsdaten<br />

Ausstellungstitel: <strong>RALO</strong> <strong>MAYER</strong>. Obviously a major malfunction / KAGO KAGO KAGO BE<br />

(Woran glauben die Motten, wenn sie zu den Lichtern streben)<br />

Ausstellungsdauer 12. August bis 23. Oktober 2011<br />

Eröffnung Donnerstag, 11. August 2011, 19 Uhr<br />

Pressekonferenz Mittwoch, 10. August 2011, 10 Uhr<br />

Ausstellungsort LENTOS <strong>Kunstmuseum</strong> <strong>Linz</strong>, Untergeschoss<br />

Projektleiterin Mag. a Nina Kirsch<br />

Kooperation Die Ausstellung wird von 28.1. bis 25.3.2012 im Kunsthaus Baselland<br />

in der Schweiz präsentiert.<br />

Saaltexte Mag. a Nina Kirsch<br />

Publikation „Ralo Mayer. Obviously a major malfunction / KAGO KAGO KAGO BE (Woran<br />

glauben die Motten, wenn sie zu den Lichtern streben)“, erschienen im Verlag<br />

für moderne Kunst Nürnberg mit Textbeiträgen von Graham Harman, Jon<br />

McKenzie und Ursula Maria Probst und einer Bildstrecke von Ralo Mayer. In<br />

deutscher und englischer Sprache, 88 Seiten, Preis € 17,-. ISBN 9 783869<br />

842516<br />

Unterstützung Fa. Interlux unterstützte die Ausstellung als Sachsponsor und stiftete<br />

Plexiglasscheiben. Das Einrichtungshaus Hochradner stellte für die Eröffnung<br />

inkl. Grillfest Park- und Gartenmöbel zur Verfügung.<br />

Kontakt Ernst-Koref-Promenade 1, 4020 <strong>Linz</strong>, Tel. +43(0)732/7070-3600;<br />

info@lentos.at, www.lentos.at<br />

Öffnungszeiten Di–So 10–18 Uhr, Do 10–21 Uhr, Mo geschlossen (außer 15.8. und 5.9.)<br />

Während der ARS Electronica 2011 (31.8.-6.9.) hat das LENTOS täglich von<br />

10–19 Uhr (Do 10–21 Uhr) geöffnet.<br />

Eintritt € 6,50, ermäßigt € 4,50<br />

Pressekontakt Mag. a Nina Kirsch, Tel. +43(0)732/7070-3603, nina.kirsch@lentos.at<br />

GesprächspartnerInnen bei der Pressekonferenz:<br />

Stella Rollig, Direktorin LENTOS <strong>Kunstmuseum</strong> <strong>Linz</strong><br />

Ralo Mayer, Künstler<br />

Seite 3


Pressetext<br />

4,56 Milliarden Jahre alte Meteoriten, ein Gemälde aus der LENTOS-Sammlung, ein geschlossenes<br />

Ökosystem und eine Checkliste, die sich gemeinsam mit den Apollo-Astronauten auf der<br />

Mondoberfläche befand: Diese vier unterschiedlichen Objekte setzt Ralo Mayer (geb. 1976,<br />

lebt/arbeitet in Wien), im ersten Teil seiner Ausstellung zu eigenen Arbeiten der letzten Jahre in<br />

Beziehung. Der Weltraum, die Geschichte seiner Erkundung und (vergangene) Zukunftsutopien<br />

bilden den thematischen Hintergrund dieser Arbeiten. Wie jede gute Science Fiction sind sie tief in<br />

der alltäglichen Realität der Gegenwart verankert und übersetzen soziale und ökonomische<br />

Zusammenhänge in vielschichtige Erzählungen.<br />

Im zweiten Teil der Ausstellung präsentiert Mayer eine neue raumgreifende Installation, die seine<br />

Untersuchungen von Objekten in Zeit und Raum anhand „der komplexesten Maschine aller Zeiten“<br />

exemplarisch fortführt: Als solche gilt das amerikanische Space Shuttle – die Zahl seiner Teile wird<br />

mit über 2,5 Millionen beziffert. Zweimal, 1986 und 2003, stürzte eine Raumfähre ab. “Obviously<br />

a major malfunction” erkannte der NASA-Kommentator, während das TV-Publikum bereits atemlos<br />

die Katastrophe der Challenger verfolgte. Was aber war im Zeitraum zwischen diesen beiden<br />

Abstürzen passiert?<br />

In Mayers Rekonstruktion der Shuttle-Katastrophen finden sich neben verglühten Fragmenten der<br />

Raumfähren auch Trümmer von Tschernobyl, der Berliner Mauer und der Twin Towers. Seine<br />

Inszenierung folgt dabei einer emanzipatorischen Interpretation sogenannter<br />

Cargo-Kulte. In diesen arbeitete die indigene Bevölkerung Melanesiens den oft traumatischen<br />

Kontakt mit Kolonialmächten auf. Eine Cargo Bay, eine Ladebucht für Frachten aller Art, ist auch<br />

ein herausragendes Merkmal des Space Shuttle. Es war Ende der 1960er Jahre als zuverlässiges<br />

Transportmittel zu geplanten Weltraumkolonien konzipiert worden. Vietnamkrieg und<br />

wirtschaftlicher Abschwung ließen die NASA Budgets schnell schrumpfen und die Space Colonies<br />

blieben Science Fiction. Das Shuttle wurde dennoch gebaut. Die Ära dieses Vehikels, dem sein Ziel<br />

abhanden gekommen war, dauerte 30 Jahre: Im Sommer 2011 fliegt die Raumfähre ihre letzte<br />

Mission.<br />

Seite 4


Kunstvermittlungs- und Veranstaltungsprogramm<br />

Öffentliche Führungen immer donnerstags, 19 Uhr<br />

(kombiniert mit der Ausstellung DIE SAMMLUNG 1900–2011)<br />

Dauer jeweils 1 Stunde, Führungsbeitrag jeweils € 3,- zuzügl. Eintritt. Keine Anmeldung<br />

erforderlich.<br />

Sa 3. September, 15 Uhr (während ARS Electronica)<br />

Künstlerführung mit Ralo Mayer durch die Ausstellung<br />

Gruppenführungen<br />

in deutscher Sprache, gegen Voranmeldung<br />

für Erwachsene: Dauer 1 Stunde, € 65,- zuzügl. Eintritt<br />

für Studierende: Dauer 1 Stunde, € 45,- zuzügl. ermäßigter Eintritt<br />

für Schulklassen: Dauer 1 Stunde, € 30,- (freier Eintritt im Klassenverband)<br />

Anmeldung<br />

Teleservice Center der Stadt <strong>Linz</strong> 0732.7070<br />

Hinweis<br />

Vom 31.8. bis 6.9.2011 findet die ARS Electronica 2011 ORIGIN – Wie alles beginnt statt. Im<br />

Rahmen des Festivals wird heuer auch zum ersten Mal das Kinder- und Jugendfestival u19 CREATE<br />

YOUR WORLD veranstaltet. Mit Festival- oder Tagespässen ist der Eintritt ins LENTOS frei.<br />

Während des Festivals hat das LENTOS täglich – auch Mo 5.9. – von 10–19 Uhr (Do 10–21 Uhr)<br />

geöffnet.<br />

ANMELDUNGEN<br />

Teleservice Center der Stadt <strong>Linz</strong> T 0732.7070<br />

Seite 5


Biografie Ralo Mayer<br />

geboren 1976 unweit des Eisernen Vorhangs, lebt und arbeitet meist in Wien. Künstlerische<br />

Untersuchungen zu postfordistischer Science Fiction, höherdimensionalen Geometrien und<br />

Raumfahrtsgeschichte, die zu renitenten Übersetzungsmonstern in unterschiedlichen Medien<br />

führen. Herausgabe des SF-Magazins multiplex fiction, seit 2007 Übersetzung des Romans The<br />

Ninth Biospherian.<br />

Gruppenausstellungen (Auswahl)<br />

2011 Other Possible Worlds, NGBK, Berlin<br />

2010 Triennale <strong>Linz</strong> 1.0, OK Offenes Kulturhaus, <strong>Linz</strong><br />

Quasi dasselbe?, Kunstpavillon, Innsbruck<br />

2009 mifan, Anni Art, Peking; postalternativ, Kunstraum Niederösterreich, Wien Preparatory Ways,<br />

Transmission Gallery, Glasgow<br />

2007 There is no border, there is no border,..., Galerie im Taxispalais, Innsbruck<br />

Fluchtwege und Sackgassen, Festival der Regionen, Oberösterreich (mit Philipp Haupt)<br />

2006 No Space Is Innocent, steirischer herbst, Forum Stadtpark, Graz (mit Philipp Haupt)<br />

Einzelausstellungen<br />

2010 (…) traveling through Biosphere 2, or: Anastylosis of Follies, ARGOS – centre for art and<br />

media, Brüssel<br />

2008 I have no idea about this place but I’m going to promote it, public space / Chengdu<br />

Das Muster der Schatten des Spaceframe der Biosphere 2 ..., Secession, Wien<br />

Ein Blick durch Millionen Tropfen, die sich durch Kondensation..., Kunstpavillon, Innsbruck<br />

2006 Settings 2007-2009, Galerie 5020, Salzburg<br />

http://was-ist-multiplex.info<br />

Seite 6


Saaltexte<br />

RAUM 1<br />

Untitled (Objet trouvé), 2008<br />

Video, 11 Min.<br />

Das Video zeigt in Zeitlupe den Blickwinkel aus einer Glove-Box, in die man durch Handschuhe<br />

hineingreift, um Objekte in einem Labor zu ertasten. Was alles ist ein Objekt, wie real oder fiktiv ist<br />

es? Wer bestimmt, was ein Objekt ist? Ralo Mayer hinterfragt in seiner Arbeit immer wieder die<br />

Definition von Objekten und beschäftigt sich mit der sog. Objektphilosophie von Bruno Latour. Laut<br />

dessen Thesen besitzen nicht nur Menschen, sondern auch Dinge, wie z. B. Reagenzgläser,<br />

Computer, aber auch Ozonlöcher, eigene Handlungskraft. Somit stehen Dinge im Wechselspiel mit<br />

den Menschen und sind mit ihnen aktiv verbunden.<br />

NASA-Checkliste, 1972<br />

Leihgabe Spaceflori.com<br />

Originale Checkliste des Apollo-Programms, die sich 1972 mit den Astronauten auf der<br />

Mondoberfläche befand.<br />

Meteoriten-Gestein<br />

Gesteinsteile von 4,56 Milliarden Jahre alten Meteoriten<br />

Anhand eines solchen Meteoritengesteins konnten Wissenschaftler 1956 das Alter der Erde auf<br />

4,55 Milliarden Jahre berechnen. Das hier ausgestellte Gestein ist somit älter als alles, was sich auf<br />

der Erde befindet und älter als der Planet selbst.<br />

Gesteinsfragmente aus dem Weltall werden mittlerweile auf eBay für wenige Euro versteigert.<br />

Klemens Brosch, Die Sternwarte, 1926<br />

Öl auf Leinwand<br />

Das Ölgemälde befindet sich in der Sammlung des Stadtmuseum NORDICO. Es zeigt eine Vision<br />

des <strong>Linz</strong>er Malers Klemens Brosch, wie er sich 1926, als die Erkundung des Weltraums noch weit<br />

in der Zukunft lag, Weltraumkolonien vorstellte.<br />

Proposal for a Monument at Lagrange 5, Dedicated to the Lost Space Age, 2008<br />

Geschlossenes Ökosystem mit Shrimps, Algen, Meerwasser, Mikroorganismen, Text und Diagramm<br />

auf Glas<br />

Die Glaskugel ist eine frühe Arbeit von Mayer, die er im Rahmen seiner Untersuchungen zu<br />

Biosphere 2 [siehe Text An intro is a footnote…] entwickelte.<br />

Seite 7


Die Kugel, ein geschlossenes Ökosystem, ist Mayers Vorschlag für ein Monument für nicht<br />

realisierte Weltraumkolonien. Dieses Monument sollte an einem der sog. Lagrange-Punkte platziert<br />

werden. Diese galten als Standorte für die in den 1970er Jahren geplanten Kolonien im Weltall.<br />

Damals ging man davon aus, dass im Jahr 2000 bereits hunderttausende Menschen auf L 5 (einer<br />

der fünf Lagrange-Punkte) leben würden.<br />

Die vier in der Raummitte postierten Objekte stellen Bezugspunkte zu den Arbeiten an den Wänden<br />

her:<br />

HOW TO DO THINGS WITH WORLDS, 17<br />

Models for the postfordist arrangement of space, time and affects, 2006<br />

16 DIN-A3-Drucke (Zeichnerische Umsetzung: Martin Udovicic)<br />

Seit 2006 beschäftigt sich Mayer in dieser Serie mit Modellen und deren Nutzung. Die<br />

großformatigen Zeichnungen sind als Storyboard – eine zeichnerische Version eines Drehbuchs – für<br />

einen fiktiven Dokumentarfilm zu lesen. Darin bringt der Künstler George A. Romeros berühmten<br />

Horrorfilm Night of the Living Dead von 1969 mit der Mondlandung im selben Jahr in<br />

Zusammenhang.<br />

Mayer befasst sich dabei mit den Arbeitsverhältnissen des Postfordismus. Diese Wirtschaftsform der<br />

westlichen Industriestaaten löste in den 1970er Jahren die seit dem Ersten Weltkrieg etablierte<br />

Form der kapitalistischen Warenproduktion, den sog. Fordismus (benannt nach dem US-<br />

Industriellen Henry Ford) ab.<br />

Mayers erfundene Geschichten fußen stets auf realen Fakten und Objekten. So korrespondiert die<br />

im Storyboard beschriebene Mondlandung mit der in der Raummitte ausgestellten NASA-<br />

Checkliste.<br />

In etwa: Den Meteoriten die Würde zurückgeben, 2010<br />

Video, 11 Min.<br />

Das Video ist wie eine Diashow angelegt. Es wird die Geschichte der Meteoriten erzählt, ihre<br />

naturhistorische und kulturelle Entstehung sowie ihr Einfluss auf die Erde und den Menschen.<br />

Für Mayer ist ein Meteorit ein Paradebeispiel für Latours Objektbegriff [siehe Text zum Video<br />

Untitled (Objet trouvé)]. Laut Latour ist ein Quasi-Objekt – einem Bastard gleich – immer zwischen<br />

Natur und Gesellschaft angesiedelt und mit beiden untrennbar verbunden. Der Versuch der<br />

modernen westlichen Zivilisation, Natur von menschlicher Kultur zu trennen, sei daher seit jeher<br />

zum Scheitern verurteilt gewesen.<br />

Anhand des „Objekts“ Meteorit ist diese These logisch nachvollziehbar: Einerseits sind Meteoriten<br />

die ursprünglichsten, natürlichsten Dinge, die es auf der Erde gibt, älter, als der Planet selbst.<br />

Seite 8


Andererseits sind sie eng mit der menschlichen Zivilisation verbunden und beeinflussen deren<br />

kulturelle Entwicklung: Beginnend mit tatsächlichen und möglichen Einschlägen, die durch mediale<br />

Berichterstattung begleitet und zum Teil aufgebauscht werden, über ihre Darstellung in Literatur,<br />

Film und Fernsehen bis hin zu der Tatsache, dass ihre Gesteinsreste – wie sie hier präsentiert<br />

werden – für jede/n auf eBay zu ersteigern und somit Teil des boomenden Internethandels sind.<br />

Construction of a Space Colony (in quasi time-lapse), 2009<br />

Video, 8 Min.<br />

Das Video zeigt einen Sprayer aus San Diego, den Mayer besucht und bei seiner Arbeit gefilmt hat.<br />

Der Sprayer lebt von seinen Bildern und verkauft sie im Internet. Die Bilder sind somit Teil des<br />

Phänomens „Online-Handel“, einer Wirtschaftsform, die erst durch die rasante Verbreitung des<br />

Internet entstehen konnte. Obwohl das Video in Echtzeit aufgenommen wurde, erinnert die<br />

Geschwindigkeit der Umsetzung an Zeitrafferaufnahmen.<br />

Mayer setzt das Video und die künstlerische Arbeit des Sprayers in Kontrast zu Klemens Broschs<br />

Bild Die Sternwarte. Als museale Kunst mit kunsthistorisch ideellem und finanziellem Wert steht<br />

das Gemälde im Widerspruch zu den minutenschnell produzierten gesprayten Bildern, die über das<br />

Internet vertrieben werden.<br />

Dennoch verbindet beide die Auseinandersetzung mit demselben Thema: Weltraum-Utopien.<br />

An intro is a footnote. Und eine Parataxe ist eine in sich selbst faltende Falle, 2008<br />

Video, 34 Min.<br />

Das auf eine Glasplatte projizierte Video ist das Gegenstück zur Glaskugel, die in der Raummitte<br />

positioniert ist. Es ist eine Art Dokumentarfilm über Biosphere 2: In einem Glasbau in der Wüste<br />

Arizonas (USA) lebten von 1991 bis 1993 acht WissenschaftlerInnen. Der Versuch sollte zeigen,<br />

dass Menschen unabhängig von der Außenwelt in einer künstlich geschaffenen Miniaturwelt mit<br />

Regenwald, Ozean und Wüste leben können. Damit sollte einerseits die Machbarkeit einer<br />

zukünftigen Weltraumstation getestet und andererseits das globale Ökosystem der Erde untersucht<br />

werden. Der Betrieb und das – medial vermittelte – Scheitern dieses gigantischen Testmodells<br />

bildet laut Mayer ein Scharnier zwischen den gesellschaftlichen Aufbrüchen der 1960/70er Jahre<br />

und den weltweiten Veränderungen, die unser Leben seit den 1990er Jahren bestimmen.<br />

Fasziniert von Biosphere 2 wollte Mayer ursprünglich ein Buch darüber schreiben. Stattdessen<br />

drehte er ein Video über dieses geplante Buch, als ob es existieren würde. Im Video spielt die<br />

Performerin Krõõt Juurak eine Figur, die durch die Geschichte der Biosphere 2 und den imaginären<br />

Roman führt. Das Verschwimmen von Realität und Fiktion ist dabei ein wesentlicher Aspekt.<br />

Seite 9


RAUM 2<br />

Obviously a major malfunction / KAGO KAGO KAGO BE, 2011<br />

Rauminstallation<br />

Der gesamte Raum wird von einer Installation rund um das NASA-Space-Shuttle eingenommen. Im<br />

Zentrum befinden sich zwei Tragflächen im Maßstab 1:3. Die Art der gerasterten Konstruktion aus<br />

verkohlten Holzlatten und Plexiglas erinnert an Fotos des NASA-Hangars, in dem 2003 Trümmer<br />

der abgestürzten Columbia mit Hilfe eines Rasters auf dem Boden aufgelegt wurden.<br />

Das Space Shuttle wurde Ende der 1960er Jahre als Transportraumschiff gebaut, um zwischen<br />

Erde und Weltraumkolonien Frachten hin und her zu befördern. Die Weltraumkolonien wurden aus<br />

budgetären Gründen nie realisiert. Am Space Shuttle hielt man dennoch fest. Bis zum Sommer<br />

2011 wurde es 135 Mal ins All geschickt. In der Ausstellung dient das Space Shuttle, symbolisiert<br />

durch die beiden Tragflächen, als „Vehikel“ für Mayers künstlerische Untersuchungen.<br />

1986 stürzte das Shuttle Challenger, 2003 die Columbia ab. Für Mayer bilden diese beiden<br />

Abstürze eine Klammer, in der weitreichende Ereignisse der letzten drei Jahrzehnte behandelt<br />

werden.<br />

Die Installation ist ein Ensemble unterschiedlicher Elemente, welche die BesucherInnen zu eigenen<br />

Geschichten zusammenfügen können.<br />

Diese Elemente sind u. a. Videos von Explosionen, die Mayer 1986 als Kind mit einer Homevideo-<br />

Kamera filmte, NASA-Videomaterial, Spielfilmszenen, Amateur- und Medienaufnahmen<br />

verschiedenster Explosionen und Wolken sowie von Mayer montierte Wackelbilder, die einen<br />

Pseudo-3D-Effekt erzeugen.<br />

In einem der Videos spricht ein Junge über die Katastrophen der Space Shuttles, berichtet von 9/11<br />

und Tschernobyl und vom grausamen Tod der vielen Opfer. Er beschreibt Bilder der Katastrophen,<br />

die sich schon längst in unsere Köpfe eingebrannt haben. In seinem Gesicht spiegeln sich<br />

Lichteffekte, als würde er vor einem Bildschirm sitzen.<br />

In dem Video, wie auch im ganzen Raum, werden Fakten und Situationen unterschiedlichster<br />

Herkunft verknüpft. Mayer geht es dabei allerdings nicht um eine Propagierung von<br />

Verschwörungstheorien.<br />

Neben echten Shuttle-Materialien (z. B. eine Hitzeschilddecke) und Erinnerungs- und<br />

SammlerInnenstücken sind verschiedene Objekte zu sehen:<br />

Der Teerpechklumpen bezieht sich auf das Pechtropfen-Experiment. Bei diesem Versuch steht ein<br />

mit Pech gefüllter Trichter unter ständiger Beobachtung. Die extrem zähe Flüssigkeit formt alle<br />

sieben bis acht Jahre einen Tropfen, der schließlich aus dem Trichter fällt. Faszinierend ist die<br />

Seite 10


unglaubliche Langsamkeit dieses Vorgangs, der überhaupt erst durch Zeitraffer sichtbar werden<br />

könnte. Der Moment, in dem der Tropfen zu Boden fällt, passiert dagegen sehr schnell und müsste<br />

laut Mayer in Zeitlupe beobachtet werden. Die Verbindung von Zeitraffer und Zeitlupe und damit<br />

das Zusammenbringen der beiden entgegengesetzten Zeitwahrnehmungen ist ein wiederkehrendes<br />

Thema in Mayers Arbeit.<br />

Die in den Petrischalen aufbewahrten C.-Elegans-Würmer sind eine 1 mm große Fadenwurmart, die<br />

in der Wissenschaft als Modellorganismus eingesetzt wird. Die Würmer befanden sich 2003 für<br />

Forschungszwecke auch an Bord der Columbia. Als das Space Shuttle beim Wiedereintritt in die<br />

Erdatmosphäre zerbarst, waren die C. Elegans die einzigen Lebewesen, die den Absturz überlebten.<br />

(Zur Verfügung gestellt von den Max-Perutz-Laboratories der Universität Wien.)<br />

Den Astronautenanzug ließ Mayer von Teresa Neuhauser für die Ausstellung nach originalen<br />

Vorbildern nachschneidern. Er ist sowohl eine Art Trophäe als auch einfach eine leere Hülle.<br />

An den angekohlten Holzpfeilern sind Exemplare des deutschen Nachrichtenmagazins Spiegel und<br />

des US-amerikanischen Time Magazine befestigt.<br />

Die Spiegel-Hefte stammen alle von 1986 und verdeutlichen, von welchen Katastrophen und<br />

politischen Umbrüchen dieses ereignisreiche Jahr dominiert wurde. Die Time-Magazine-Ausgaben<br />

zeigen Meilensteine der Space-Shuttle-Geschichte, vom Beginn bis zum Ende dieser Ära.<br />

Die Inszenierung der Pfeiler, die an Totempfähle erinnert, folgt auf Mayers Auseinandersetzung mit<br />

sog. Cargo-Kulten. In diesen arbeitete die einheimische Bevölkerung Melanesiens (pazifische<br />

Inselgruppe) den Kontakt mit der westlichen Zivilisation auf. Der Name des Kults geht auf Cargo,<br />

also Frachtgut, zurück, mit dem die InselbewohnerInnen durch die US-Armee im 2. Weltkrieg in<br />

Berührung kamen. Nach dem Ende der Besatzung versuchte die Inselbevölkerung – so die<br />

Interpretation in den 1960er Jahren – durch Nachbauten westlicher Gegenstände und die rituelle<br />

Nachahmung von Verhaltensweisen wieder an „Cargo“ zu kommen. Sie schnitzten z. B. Funkgeräte<br />

aus Holz nach und benutzten diese, als ob es funktionstüchtige Gebrauchsgegenstände wären. Auch<br />

bauten sie lebensgroße Flugzeugmodelle sowie -anlagen aus Bambus. Während man früher davon<br />

ausging, dass es sich dabei um eine verständnislose Imitation handelte, um an westliche<br />

Konsumgüter zu gelangen, sind AnthropologInnen heute der Meinung, dass diese Handlungen der<br />

Aufarbeitung der oft traumatischen Begegnungen dienten.<br />

Mit den Worten KAGO KAGO KAGO BE im Ausstellungstitel nimmt Mayer Bezug auf den<br />

melanesischen Begriffs „Kago“ und bildet daraus eine Art eigener Beschwörungsformel.<br />

Als „Cargo Bay“ wird die Ladebucht des Space Shuttle bezeichnet, die es von anderen<br />

Raumschiffen unterscheidet und es erst zu einem Transportvehikel macht.<br />

Seite 11


Pressebilder<br />

Die Pressebilder stehen auch auf www.lentos.at zum Download bereit.<br />

1. Explosion des Space Shuttle<br />

Challenger, 1986<br />

Foto: Kennedy Space Center,<br />

NASA<br />

4. Rekonstruktion des abgestürzten<br />

Space Shuttle Columbia, 2003<br />

Foto: Kennedy Space Center, NASA<br />

2. Ralo Mayer<br />

Untitled (objet trouvé), 2011<br />

Video Still<br />

7.-10. Ausstellungsansicht<br />

<strong>RALO</strong> <strong>MAYER</strong><br />

Obviously a major malfunction / KAGO KAGO KAGO BE<br />

(Woran glauben die Motten, wenn sie zu den Lichtern streben)<br />

LENTOS <strong>Kunstmuseum</strong> <strong>Linz</strong><br />

Foto: maschekS. 2011<br />

5. Ralo Mayer<br />

Construction of a Space Colony (in quasi timelapse),<br />

2009<br />

Video Still<br />

Seite 12<br />

3. Ralo Mayer<br />

Obviously a major malfunction / KAGO KAGO<br />

KAGO BE, 2011<br />

Produktion Still<br />

Foto: Victor Jaschke<br />

6. Ralo Mayer<br />

Proposal for a Monument at<br />

Lagrange 5, Dedicated to the Lost<br />

Space Age, 2008<br />

Foto: Christian Töpfner

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