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Johann Hinrich Wichern und Pommern - GRIEPPOMMER.de

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<strong>Johann</strong> <strong>Hinrich</strong> <strong>Wichern</strong> <strong>und</strong> <strong>Pommern</strong>Verfasst vonFriedrich Bartels.Vorsteher <strong>de</strong>s PDVZ von 1976 - 19981Dieses Dokument stammt von www.grieppommer.<strong>de</strong>


EinleitungSehr geehrte Damen <strong>und</strong> Herren, liebe Brü<strong>de</strong>r <strong>und</strong> liebe Schwestern!Ich habe die Freu<strong>de</strong>, Ihnen etwas darüber vorzutragen, in welchem Verhältnis<strong>Wichern</strong> <strong>und</strong> <strong>Pommern</strong> gestan<strong>de</strong>n haben.<strong>Wichern</strong>s Verhältnis zu <strong>Pommern</strong> war ein lockeres, kurzzeitiges, punktuelles: Er ist in<strong>Pommern</strong> we<strong>de</strong>r geboren noch gestorben, er hat hier nicht gelebt, er war nur ein paarMal als Dienstreisen<strong>de</strong>r in <strong>Pommern</strong>.Ich habe mir angewöhnt, von <strong>de</strong>n sechs ”Missionsreisen” <strong>de</strong>s ”Apostels” <strong>Wichern</strong>durch <strong>Pommern</strong> zu re<strong>de</strong>n. Missionsreisen waren es im wahrsten Sinne <strong>de</strong>s Wortes: Erwar im Dienste <strong>de</strong>r ”Inneren Mission” in <strong>Pommern</strong> (wie in ganz Deutschland) unterwegs– <strong>und</strong> er galt in ganz Deutschland als <strong>de</strong>r Apostel zur Erneuerung <strong>de</strong>r Kirche<strong>und</strong> zur Erweckung <strong>de</strong>r Christenmenschen.In dieser Mission war er innerhalb von 5 Jahren nur etwa 50 Tage in <strong>Pommern</strong> anwesend,aber nachhaltig <strong>und</strong> flächen<strong>de</strong>ckend erfolgreich wirksam. Nach 20 Jahren warer dann 1870 noch einmal in Stettin <strong>und</strong> Lebbin (Wollin).So ist es nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass das Verhältnis <strong>Pommern</strong>s zu <strong>Wichern</strong> eine langeWirkungsgeschichte hat. Alle Darstellungen <strong>de</strong>r Werke <strong>und</strong> Dienste <strong>de</strong>r InnerenMission setzen mit <strong>Wichern</strong> ein (was m.E. historisch nicht zutreffend ist) <strong>und</strong> en<strong>de</strong>nbei <strong>de</strong>r heutigen Diakonie, <strong>de</strong>ren ”Vater” er sein soll (was m.E. so gradlinig nichtzutrifft).Es ist also angebracht, die Begegnungen <strong>Wichern</strong>s mit <strong>Pommern</strong> wahrzunehmen <strong>und</strong><strong>de</strong>r Wirkungsgeschichte nachzuspüren.Das will ich in drei Teilen tun:1. Ich wer<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Wegen <strong>Wichern</strong>s auf seinen sechs Reisen nachgehen.Wir wissen darüber Bescheid aus <strong>de</strong>n Briefen <strong>Wichern</strong>s an seine Frau Amanda, diewährend seiner Abwesenheit das ”Rauhe Haus” in Hamburg hütete.2. Ich wer<strong>de</strong> Sie auf einige ”Aussichtspunkte” aufmerksam machen, die Durch- <strong>und</strong>Überblicke gewähren.3. Ich wer<strong>de</strong> Sie auf eine 7. virtuelle Reise mit <strong>Wichern</strong> im Jahr 2008 mitnehmen.Meine Gr<strong>und</strong>voraussetzung, dass frühere Autoren (Uckeley, Helmuth Hey<strong>de</strong>n) <strong>Wichern</strong>sStationen in <strong>Pommern</strong> vollständig dokumentiert haben, musste ich bald korrigieren.So bin ich wohl <strong>de</strong>r erste, <strong>de</strong>r Verlauf, Stationen, Ergebnisse in Wort <strong>und</strong>Bild zusammenfassend dargestellt hat.2Dieses Dokument stammt von www.grieppommer.<strong>de</strong>


<strong>Wichern</strong>s Wege in <strong>Pommern</strong>Den Anstoss zu seiner ersten Reise nach <strong>Pommern</strong> erhielt <strong>Wichern</strong> im Juni 1846, alser in Berlin an einer Pastoralkonferenz teilnahm. Nach st<strong>und</strong>enlangen fruchtlosenDebatten ergriff er das Wort zu einer seiner mitreißen<strong>de</strong>n Stegreifre<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>ren Ergebnisdie Auffor<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Konferenzteilnehmer war, <strong>Wichern</strong> müsse durchs Landziehen <strong>und</strong> <strong>de</strong>n Priestern Buße predigen. So war er am 26. <strong>und</strong> 27. Juni 1846 für zweiTage in Stettin. In <strong>de</strong>n Vormittagsst<strong>und</strong>en fuhr er mit <strong>de</strong>m Schiff bei ”einer w<strong>und</strong>erschönenO<strong>de</strong>rfahrt” nach Züllchow, einem Vorort von Stettin. Dort gab es seit 1831ein Knabenrettungshaus, also einige Jahre älter als sein ”Rauhes Haus” in Hamburg.Zwei Rauhäusler Diakonenbrü<strong>de</strong>r waren dort Mitarbeiter, die die unter <strong>de</strong>m VorsteherDietze im Geist <strong>de</strong>r Furcht <strong>und</strong> <strong>de</strong>r überstrengen Disziplin geführte Anstalt reformierten.Darüber war Dietze <strong>Wichern</strong> gegenüber voll <strong>de</strong>s Lobes.<strong>Wichern</strong> fuhr am Mittag zurück nach Stettin. Dort traf er ca. 20 Personen, die für seineInnere-Mission-Gedanken aufgeschlossen waren, darunter ”sehr wackere Frauen,die sich in Stettin <strong>de</strong>r Armen annahmen”.Es gab in <strong>Pommern</strong> seit längerer Zeit Aktivitäten von verantwortungsvollen Bürgern,Vertretern <strong>de</strong>s A<strong>de</strong>ls <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Geistlichkeit, die gegen die sozialen Notstän<strong>de</strong> <strong>de</strong>rBevölkerung <strong>und</strong> gegen die damit verb<strong>und</strong>ene Entkirchlichung <strong>und</strong> innere Haltlosigkeitgerichtet waren. Missionsvereine, die die Mission in Afrika, Indien <strong>und</strong> Chinaför<strong>de</strong>rten, wur<strong>de</strong>n aufgeschlossen für die Inlandmission, die <strong>Wichern</strong> später ”InnereMission” nannte. Frauenvereine entstan<strong>de</strong>n, 1817 z.B. in Barth (von Frau MargarethaFrie<strong>de</strong>rika Antoniette v. Lilienström geb.Mevius gegrün<strong>de</strong>t als wahrscheinlich 1.Verein dieser Art in ganz Deutschland), 1835 in Anklam (Vorsteherin war dort Gräfinv. Schwerin in Busow. Dazu gehörten 25 Gutsbesitzerinnen, Frauen von Pächtern <strong>und</strong>von Pastoren). Mäßigkeitsvereine entstan<strong>de</strong>n z.B. in Strals<strong>und</strong> <strong>und</strong> auf Rügen.Folie 5 Und vor allem die vielen Rettungshäuser für Knaben <strong>und</strong> Mädchen in <strong>de</strong>rgesamten Provinz. Sittlich verwahrloste Kin<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Jugendliche, die nicht aus Leichtsinn,son<strong>de</strong>rn aus Böswilligkeit die öffentliche Ruhe störten, sollten hier gebessertwer<strong>de</strong>n. Durch christlichen Einfluss, Elementarunterricht, Haus- <strong>und</strong> Feldarbeit solltedieses Ziel erreicht wer<strong>de</strong>n.Wilhelm Martius bezeichnet sie als die ersten Kin<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Inneren Mission .Mit diesen Arbeitsgebieten <strong>und</strong> mit <strong>de</strong>n Menschen, die sie trugen, wur<strong>de</strong> <strong>Wichern</strong> andiesem 1. Tag in <strong>Pommern</strong> bekannt.Viele von ihnen besuchte er im darauf folgen<strong>de</strong>n Jahr 1847 bei seiner 2. Missionsreisenach <strong>Pommern</strong> ( 9. ? - 28.August 1847)Er kam von Berlin über Mecklenburg zuerst nach Drechow (? o<strong>de</strong>r Rönkendorf?) vor<strong>de</strong>n Toren von Triebsees zur Familie v. Gadow, wo er an <strong>de</strong>r Taufe seines Patenkin<strong>de</strong>sHans teilnahm. Er besuchte in Semlow Frau von Behr-Negendank, in SchlemminGeneralleutnant v. Thun <strong>und</strong> in Divitz Graf Karl v. Krassow, <strong>de</strong>r in Neuvorpommerneine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Persönlichkeit darstellte.3Dieses Dokument stammt von www.grieppommer.<strong>de</strong>


In Barth traf er die inzwischen alt gewor<strong>de</strong>ne Frau v. Lilienström, die Grün<strong>de</strong>rin <strong>de</strong>sFrauenvereins. Graf v. Krassow führte ihn nach Strals<strong>und</strong>, wo er im Haus von PastorWilken (St. Nicolai) die Ortsgeistlichkeit kennen lernte <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren z.T. traurige Stellungzur Inneren Mission. Er besichtigte die Rettungsanstalt, die im Herbst <strong>de</strong>s Jahreseröffnet wer<strong>de</strong>n sollte, <strong>und</strong> vermittelte <strong>de</strong>n Rauhäusler Bru<strong>de</strong>r Habeck.Weiter ging es nach Greifswald. Sein Gesprächspartner war kein Pastor o<strong>de</strong>r Universitätslehrer,son<strong>de</strong>rn Oberverwaltungsgerichts-Präsi<strong>de</strong>nt Hassenpflug. Am nächstenTag auf <strong>de</strong>r Fahrt nach Loitz disputierten die bei<strong>de</strong>n über Verwaltung <strong>und</strong> Verfassung<strong>und</strong> waren sich einig, ”dass die Bürokratie das erste zu beseitigen<strong>de</strong> Unheil” wäre.In Loitz nahm ihn <strong>de</strong>r Wagen <strong>de</strong>r verwitweten Frau v. Maltzahn-Gültz auf, in <strong>de</strong>renHaus ihn ein großer Fre<strong>und</strong>eskreis erwartete, zur Mittagstafel waren sie 17hochrangige Persönlichkeiten. Die nächsten Ziele waren Ducherow <strong>und</strong> Busow,wo die Frau <strong>de</strong>s Grafen v. Schwerin eine eifrige För<strong>de</strong>rin <strong>de</strong>r Inneren Mission war.Nur 2 km entfernt traf <strong>Wichern</strong> in Bugewitz <strong>de</strong>n Domänenpächter Tilo. Er galt alsMittelpunkt <strong>de</strong>s geistlichen Lebens in dieser Gegend, <strong>de</strong>r Pastoren <strong>und</strong> Lehrer regelmäßigeinlud, um sie in Sachen <strong>de</strong>s inneren Lebens anzuregen. Bei diesen Begegnungenvermittelte <strong>Wichern</strong> Rauhäusler Brü<strong>de</strong>r nach Altentreptow <strong>und</strong> Triebsees. Ererhielt namhafte Spen<strong>de</strong>n für das Rauhe Haus. Weiter ging es dann in die Uckermark.Hier hatte sich ein Rettungsverein gegrün<strong>de</strong>t, <strong>de</strong>r dabei war, ein kleines Rettungshausin Brüssow einzurichten. Da <strong>de</strong>r Rauhäusler Bru<strong>de</strong>r Götzky Hausvater wer<strong>de</strong>n sollte,verhan<strong>de</strong>lte <strong>Wichern</strong> mit <strong>de</strong>m zuständigen Komitee darüber. Über Gramzow <strong>und</strong> Passowreiste <strong>Wichern</strong> weiter wie<strong>de</strong>r nach Stettin-Züllchow, um die bei<strong>de</strong>n RauhäuslerBrü<strong>de</strong>r Schmidt <strong>und</strong> Beckemeyer zu besuchen, die nach Dietzes Tod (04.10.1846) dieAnstalt leiteten.Als <strong>Wichern</strong> En<strong>de</strong> August 1847 nach dieser langen 2. Missionsreise <strong>Pommern</strong> verließ,nahm er einen tiefen Eindruck von einer Schar ernster Christen mit, die <strong>de</strong>mGedanken <strong>de</strong>r Notwendigkeit <strong>und</strong> <strong>de</strong>s Segens <strong>de</strong>r Innere-Missions-Arbeit Verständnis<strong>und</strong> Interesse entgegen brachten <strong>und</strong> bereit waren, diese zu unterstützen <strong>und</strong> zuför<strong>de</strong>rn. ”Das ist uns allen zum Exempel, dass auch wir nicht lange beraten, son<strong>de</strong>rn– han<strong>de</strong>ln!...Nur fange man die Sache nicht immer mit Komitees <strong>und</strong> <strong>de</strong>ren Sitzungenan, selten – wenn auch hier <strong>und</strong> dort – bringt das Frucht.”Die 3. Reise nach <strong>Pommern</strong>, die ihn (1849) diesmal wie<strong>de</strong>r für 2 Tage nach Stettinführte, ist historisch von beson<strong>de</strong>rer Be<strong>de</strong>utung: <strong>Wichern</strong> hatte ein Vierteljahr vorhermit seiner bahnbrechen<strong>de</strong>n Re<strong>de</strong> in Wittenberg das Tor für die Belange <strong>de</strong>r InnerenMission weit aufgestoßen. Auch in <strong>Pommern</strong> schlossen sich seine Anhänger<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e sogleich zu gemeinsamen Aktivitäten zusammen. Auffallen<strong>de</strong>rweisezunächst nicht in <strong>de</strong>r Provinzialhauptstadt Stettin, son<strong>de</strong>rn in <strong>de</strong>m Lan<strong>de</strong>steil Neuvorpommern<strong>und</strong> Rügen mit Graf k.v. Krassow, Pastor Magnus Böttger u.a., die seitJahren sehr rührig waren <strong>und</strong> nun – 14 Tage nach Wittenberg – in Strals<strong>und</strong> im Haus<strong>de</strong>r Familie v. Krassow eine neue Struktur schufen, in<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n ”Verein für Fre<strong>und</strong>e<strong>de</strong>r Inneren Mission in Neuvorpommern <strong>und</strong> Rügen” grün<strong>de</strong>ten.4Dieses Dokument stammt von www.grieppommer.<strong>de</strong>


Er gehörte zu <strong>de</strong>n 3 ersten Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Central-Ausschusses. Dann aber engagiertensich einige Persönlichkeiten für die Bildung eines Provinzialvereins für ganz<strong>Pommern</strong>. Sie hatten alles für die Gründung vorbereitet. <strong>Wichern</strong> sollte ihn aus <strong>de</strong>rTaufe heben. Er nutzte eine zweitägige Arbeitspause in Berlin, um am 28. Februar1849 in Stettin auf einer Versammlung in <strong>de</strong>r Elisabeth-Schule wie<strong>de</strong>r in einer mitreißen<strong>de</strong>nStegreifre<strong>de</strong> viele Sympathisanten <strong>und</strong> Mitstreiter zu gewinnen:„Das wichtigste Ereignis war die gestrige Versammlung in <strong>de</strong>r Elisabethschule. Wasdiesmal reizte, war außer <strong>de</strong>r Sache selbst, die mich immer bewegt, die Teilnahmevon vielen Gutsbesitzern <strong>und</strong> Geistlichen, die zum Teil meilenweit hergekommen waren.Der Saal, wohl 400 Menschen fassend, war gänzlich gefüllt, ebenso viele hattenumkehren müssen. Es war, wie man erwartet hatte, alles durcheinan<strong>de</strong>r: Demokratenvon reinstem Wasser, Konservative, gute <strong>und</strong> schlechte, Stadträte, Bürgermeister, <strong>de</strong>rKonsistorialpräsi<strong>de</strong>nt, Räte <strong>de</strong>r Regierung, Militärs, die meisten Pastoren <strong>de</strong>r Stadt,eine große Menge von solchen, die <strong>de</strong>n Pietismus fürchten, dazwischen Schullehrer<strong>und</strong> einige Kaufleute. Natürlich fehlten die wenigen „Christlichen“ nicht, die zumTeil verlangten, dass das Bekenntnis hinsichtlich <strong>de</strong>s Dogmas so auf <strong>de</strong>n Präsentiertellergelegt wer<strong>de</strong>n sollte, dass alle an<strong>de</strong>rn alsbald erkennen möchten, dass man mitihnen nichts zu tun habe. Dazu waren die Führer <strong>de</strong>r Altlutheraner, Baptisten, fernersolche erschienen, welche von <strong>de</strong>r Inneren Mission <strong>de</strong>n Untergang <strong>de</strong>r Kirche fürchten,wie auch die, die von ihr <strong>de</strong>ren Auferstehung hoffen... Dieses Schlachtfeld reiztemich, nach allen Seiten hin zu versuchen, die Innere Mission als ein Werk <strong>de</strong>s Frie<strong>de</strong>ns<strong>und</strong> <strong>de</strong>r allseitigen Beschämung <strong>und</strong> Erhebung geltend zu machen <strong>und</strong> ihr fürdie verschie<strong>de</strong>nsten Standpunkte Bahn zu brechen. Ich habe 2 ½ St<strong>und</strong>en gere<strong>de</strong>t; dieZuhörer waren wie gebannt, <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Gang <strong>de</strong>s Ganzen, <strong>de</strong>r erst im Moment <strong>de</strong>r Re<strong>de</strong>entstand, war ein aufsteigen<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>r zuletzt die Zuhörerschaft auf eine Stufe <strong>de</strong>r allgemeinenÜberzeugung zu führen schien <strong>und</strong> sich von da aus mit freudiger Hoffnung<strong>und</strong> Aussicht schließen ließ.“ (Bericht an seine Frau)Am folgen<strong>de</strong>n Tag (1.März 1849) wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Provinzialverein <strong>Pommern</strong> gegrün<strong>de</strong>t<strong>und</strong> für seine ersten Vorhaben Nägel mit Köpfen gemacht: Am kommen<strong>de</strong>n Sonntagsollten von Stettins Kanzeln Erweckungs- <strong>und</strong> Rettungspredigten gehalten wer<strong>de</strong>n.Ein hauptamtlicher Mitarbeiter wur<strong>de</strong> eingestellt (Kandidat Schwencker). Die ZüllchowerAnstalten wur<strong>de</strong>n als Dienstsitz bestimmt, ein Erweiterungsbau beschlossen,eine eigene Diakonenanstalt gegrün<strong>de</strong>t. Die Schriftenmission (Züllchower Bote) sollteaktiviert wer<strong>de</strong>n. Der Beitritt zum Centralausschuss wur<strong>de</strong> beschlossen.Die Zustimmung <strong>und</strong> Unterstützung <strong>de</strong>s Kultusministeriums war zugesagt. Mit <strong>de</strong>namtlichen Vertretern <strong>de</strong>r Provinzialkirche ( Bischof Ritschel <strong>und</strong> Konsistorialpräsi<strong>de</strong>ntv. Mittelstaedt) wur<strong>de</strong>n vorsichtige <strong>und</strong> lang anhalten<strong>de</strong> Nachverhandlungengeführt, um sie davon zu überzeugen, dass man nicht so lange warten könne, bis diekirchlichen Organe die Innere Mission in die Hand nehmen könnten <strong>und</strong> wollten.Diese Tage im Winter 1849 haben die Weichen für die Arbeit <strong>de</strong>r Inneren Mission in<strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahrzehnten gestellt.5Dieses Dokument stammt von www.grieppommer.<strong>de</strong>


Man kann <strong>de</strong>n 01. März 1849 mit Recht als das nachhaltigste Datum in <strong>de</strong>r Geschichte<strong>de</strong>r Pommerschen Evangelischen Kirche im 19. Jahrh<strong>und</strong>ert bezeichnen. <strong>Wichern</strong>spersönlicher Einsatz <strong>und</strong> seine geistliche Überzeugungskraft haben das in starkemMaße bewirkt.Seine engen persönlichen <strong>und</strong> dienstlichen Verbindungen veranlassten ihn, imFrühsommer 1850 Einladungen nach <strong>Pommern</strong> anzunehmen. Jetzt wollte er auchbeson<strong>de</strong>rs die Arbeitsstätten seiner entsandten Diakone besuchen. In einem Brief vom07.Juni 1850 schreibt er ”von einer ganzen Kette von Brü<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>s Rauhen Hauses,die sich leicht die Hand reichen können, immer nur zwei, höchstens drei Meilen voneinan<strong>de</strong>rgetrennt, Triebsees, Divitz, Strals<strong>und</strong>, Garz/Rügen.Er kam auf seiner 4. <strong>Pommern</strong>reise im Juni 1850 wie<strong>de</strong>r einmal aus Mecklenburg,zuerst in die Grenzstadt Triebsees, von <strong>de</strong>r ein trübes Bild malt: ” eine heillos verwahrlosteStadt. Die Kommune ist sehr reich, dagegen ist die Zahl <strong>de</strong>r Bettler sehrgroß...”. Wie<strong>de</strong>r ein Aufenthalt in Divitz, danach mit Graf v. Krassow <strong>und</strong> Frau v.Behr-Semlow nach Strals<strong>und</strong>, wo eine Konferenz <strong>de</strong>s dortigen Missionsvereinsschnell zusammen trat, um <strong>Wichern</strong>s Rat zur Schriftenmission (Kolportage) <strong>und</strong> zurFürsorge für die ca. 500 Arbeiter an <strong>de</strong>n Festungsanlagen zu hören.Im Rettungshaus Garz auf Rügen wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Bru<strong>de</strong>r Benecke besucht. Geplante Konferenzenin Greifswald <strong>und</strong> Demmin musste er absagen,In Anklam predigte er, wur<strong>de</strong> von Graf v. Schwerin-Putzar (<strong>de</strong>m SchwiegersohnSchleiermachers) in einen großen Kreis eingeführt. Am nächsten Tag ein Gesprächmit <strong>de</strong>r gräflichen Familie über <strong>de</strong>ren Projekt, auf einem ihrer großen Güter ein Rettungshauszu grün<strong>de</strong>n. Durch Mecklenburg-Strelitz fuhr er zurück nach Berlin.Aber schon nach wenigen Wochen war er zum 5. Mal in <strong>Pommern</strong> (August 1850),diesmal in Hinterpommern.Seine erste Station war Gut Gramenz (Kreis Neustettin), wo er etwa 10 Tage beiHerrn von Senfft-Pilsach weilte. (Übrigens war Friedrich v. Bo<strong>de</strong>lschwingh zweiJahre später (1852) während seiner Ausbildung zum Landwirt dort. Hier entschied ersich zu einer Lebens- <strong>und</strong> Berufsän<strong>de</strong>rung <strong>und</strong> wur<strong>de</strong> Pastor). Seiner Frau schreibt er:”Du siehst, die Saat Gottes geht auch hier auf” - <strong>und</strong> hatte die neu entstehen<strong>de</strong>n Rettungshäuservor Augen, in <strong>de</strong>nen seine Rauhäusler Brü<strong>de</strong>r wirkten: Kieckow, Car<strong>de</strong>min,Berlinchen.Sehr erschüttert war er über <strong>de</strong>n Stand <strong>de</strong>s geistigen <strong>und</strong> kirchlichen Lebens in <strong>de</strong>nkleinen Städten , <strong>de</strong>n er auf dieser Reise kennen lernte. Als Beispiel sei ein Berichtüber Plathe angeführt: ”Ein Diebs,- Lügen <strong>und</strong> Hei<strong>de</strong>nnest! Bettel aller Art unterGroß <strong>und</strong> Klein <strong>und</strong> Lie<strong>de</strong>rlichkeit stehen hier in voller Blüte. Hasard, Kartenspiel,Trunk <strong>und</strong> Frechheit sind tief eingewurzelt <strong>und</strong> haben alles angefressen”.6Dieses Dokument stammt von www.grieppommer.<strong>de</strong>


In Naugard besuchte <strong>Wichern</strong> das dortige Zuchthaus, in <strong>de</strong>m zwei Rauhäusler Brü<strong>de</strong>rals Aufseher tätig waren. Die Anstalt nennt er ”im Äußeren vortrefflich, im Inwendigenein Grab voll Verwesung: Ich mag nicht alles wie<strong>de</strong>rgeben, was ich in <strong>de</strong>n24 St<strong>und</strong>en, die ich in Naugard zugebracht, über das Gefängnis gehört <strong>und</strong> gesehenhabe”. Von diesen Tagen gingen wichtige Anstöße zur Arbeit für Strafentlassene (GutRoman für männliche, Fort Preußen für weibliche Gefangene) aus, die aber nach einigenJahren aufgr<strong>und</strong> finanzieller Schwierigkeiten eingestellt wer<strong>de</strong>n musste.Der letzte Tag <strong>Wichern</strong>s in <strong>Pommern</strong> war am gleichen Ort wie <strong>de</strong>r erste: In Züllchow,wo in diesem Jahr 1850 die neue Diakonenanstalt eröffnet wor<strong>de</strong>n war.Dafür, dass <strong>Wichern</strong> nach 1850 nicht mehr nach <strong>Pommern</strong> gekommen ist, habe ichkeine Begründung gef<strong>und</strong>en. Er beteiligte sich in Berlin zunehmend an einer Kommissionfür das Gefangenenwesen in Preußen mit <strong>de</strong>m Ziel einer gr<strong>und</strong>legen<strong>de</strong>nGefängnisreform. Er grün<strong>de</strong>te in Berlin-Spandau das <strong>Johann</strong>esstift. Gleichzeitig litt erunter fortschreiten<strong>de</strong>n Kopfschmerzen, Ermüdungserscheinungen, schließlich unter<strong>de</strong>n Folgen eines Schlaganfalls.Exkurs:Als ich im November 2008 mein Manuskript <strong>und</strong> die dazugehörige Präsentationabschloss, ging ich noch davon aus, dass <strong>Wichern</strong> im Hebst 1850 zum letzten Mal in<strong>Pommern</strong> weilte. Ich bezog mich mit dieser Annahme z.B. auf Alfred Uckeley o<strong>de</strong>rH. Hey<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r Volker Gummelt , die einen Aufenthalt nach 1850 in <strong>Pommern</strong> nichterwähnen.Dann las ich in <strong>de</strong>r UB in einem Heft, das 1938 zum ”Tag <strong>de</strong>r Inneren Mission” herausgegebenwur<strong>de</strong> , einen Beitrag von Günter Besch, seinerzeit Provinzalpfarrer fürIM in Stettin: ”<strong>Wichern</strong>s Beziehungen zu <strong>Pommern</strong>”. Dort erwähnt Besch in einemlängeren Absatz eine Reise <strong>Wichern</strong>s im Jahr 1870 nach Lebbin auf <strong>de</strong>r Insel Wollin,um die industriellen Anlagen <strong>de</strong>s Stettiner Kommerzienrates <strong>Johann</strong>es Quistorp zubesichtigen . Zunächst vermutete ich, es wäre bei Besch ein Schreib- o<strong>de</strong>r Druckfehler,durch <strong>de</strong>n die Jahreszahl 1850 mit 1870 verwechselt wor<strong>de</strong>n wäre. Aber, sieheda, eine Nachfrage beim Archiv <strong>de</strong>s Rauhen Hauses in Hamburg bestätigte: <strong>Wichern</strong>war im Mai 1870 noch einmal in <strong>Pommern</strong>. Nach allem, was ich inzwischen hierzunachgelesen habe, vermute ich, dass <strong>Wichern</strong> etwa 1869 wie<strong>de</strong>r intensiver Kontakt zuQuistorp hatte <strong>und</strong> von <strong>de</strong>ssen sozialem Engagement <strong>und</strong> seinem Mäzenatentum sehrbeeindruckt war. Vielleicht hat sich bei einer Begegnung eine Einladung nach Stettin<strong>und</strong> Lebbin ergeben. Ich füge hier also eine 6. Reise <strong>Wichern</strong>s nach <strong>Pommern</strong> ein.6. Reise <strong>Wichern</strong>s nach <strong>Pommern</strong> 14.-15. Mai 1870Darüber schreibt sein Biograf Martin Gerhardt 1931: ”Die nächste Reise führte ihnam 13. Mai nach Neubran<strong>de</strong>nburg...reiste dann am 14. auf Quistorps Einladung weiternach Stettin. Ein eigener Dampfer <strong>de</strong>s Kommerzienrats führte ihn nach Lebbin,wo er nun die Zementfabrik mit allen sozialen Einrichtungen eingehend besichtigenkonnte. In Stettin wohnte er als Gast von Pastor Bramesfeld im Diakonissenhaus Bethanien,das Quistorp für 80 000 Taler gebaut hatte.7Dieses Dokument stammt von www.grieppommer.<strong>de</strong>


Am 15. predigte er hier bei <strong>de</strong>r Festfeier <strong>de</strong>s Ernestinenhofes, einer Mäg<strong>de</strong>herbergeauf <strong>de</strong>mselben Terrain, über das Wort <strong>de</strong>s Dienens <strong>de</strong>s Menschensohnes Mark. 10,14<strong>und</strong> konnte nachher <strong>de</strong>n Festgästen noch einen Vortrag über die Frauenfrage halten.Selbstverständlich besichtigte er auch hier die an<strong>de</strong>ren großen Anstalten <strong>de</strong>r InnerenMission, die Kückenmühle, Züllchow, wo er noch einmal mit Gustav Jahn zusammentraf,<strong>und</strong> das <strong>Johann</strong>iterkrankenhaus, ”bei <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Herr Jahn gelernt, dass die<strong>Johann</strong>iter eine be<strong>de</strong>nkliche Fre<strong>und</strong>schaft sind”.Diese wenigen Sätze enthalten einige wichtige Stichworte, die <strong>de</strong>r Erläuterung bedürfen:Quistorp:<strong>Wichern</strong> war mit dieser Familie eng befre<strong>und</strong>et. Kandidat Wilhelm Quistorp war1847 vom Rauhen Haus als Leiter <strong>de</strong>s Rettungshauses Züllchow entsandt wor<strong>de</strong>n.Sein Bru<strong>de</strong>r <strong>Johann</strong>es war Unternehmer mit einem außergewöhnlichen sozialen Engagement,das sich in seiner Zementfrabrik in Lebbin auf Wollin zeigte. Diese galtals eine <strong>de</strong>r größten in Deutschland. Noch viele an<strong>de</strong>re Unternehmenszweige betriebQuistorp, u.a.eine Ree<strong>de</strong>rei. <strong>Wichern</strong> hat Quistorp <strong>de</strong>s öfteren zur Mitarbeit in <strong>de</strong>nArbeitgeberkonferenzen <strong>de</strong>s Centralausschusses herangezogen. Im Jahr 1869 hatQuistorp auf <strong>de</strong>m Kongress für die IM in Stuttgart in einem ausführlichen Vortragüber seine soziale Arbeit berichtet.Sozialwerk:Quistorp schuf ein mustergültiges Sozialwerk, in Lebbin u.a. 150 Werkswohnungen,ein Witwenhaus, einen Vereinssaal, eine Bücherei mit Lesesaal <strong>und</strong> einen Einkaufsvereinmit preisgünstigen Waren. Er grün<strong>de</strong>te eine Kranken-, Witwen-, Sterbe- <strong>und</strong>Unterstützungskasse für seine Betriebsangehörigen.Bethanien:Im Jahr 1869 stiftete er in Stettin die Diakonissen- <strong>und</strong> Krankenanstalt ”Bethanien”<strong>und</strong> übergab schlüsselfertig das auf seinem Gr<strong>und</strong>stück errichtete Mutterhaus mitPlatz für 40 Schwestern, Schwestersaal, Kapelle <strong>und</strong> zunächst 40 Kranke.Ernestinenhof:Schon vorher grün<strong>de</strong>te er mit einigen Kaiserswerther Schwestern die Mäg<strong>de</strong>herberge”Ernestinenhof” für nach Stettin kommen<strong>de</strong> junge Mädchen.<strong>Johann</strong>iter-Krankenhaus:Es war 1863 in Züllchow gegenüber <strong>de</strong>n Anstalten gebaut wor<strong>de</strong>n. Welche ProblemG. Jahn mit <strong>de</strong>n Nachbarn gehabt hat, ist bisher nicht bekannt. Dass es mit dieserEinrichtung nicht so ganz gut lief, geht daraus hervor, dass 1908, als die Betreuungkörperbehin<strong>de</strong>rte Kin<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Jugendlicher durch Stift ”Salem” gleichsam überquoll,das Krankenhaus umfunktioniert wur<strong>de</strong> zur ”Krüppelanstalt Bethesda”.8Dieses Dokument stammt von www.grieppommer.<strong>de</strong>


Gustav Jahn:Jahn war erst 1858 nach Stettin gekommen, als <strong>Wichern</strong>s Reisen eigentlich schonvorüber waren. Er hatte ihn aber kennengelernt, als er im Rauhen Haus in Hamburgsich auf die Übernahme <strong>de</strong>s Vorsteheramtes in Stettin vorbereitete. Inzwischen hatteer 1863 die Anstalt Kückenmühle gegrün<strong>de</strong>t für ”blödsinnige” <strong>und</strong> später auch fürepileptische Kin<strong>de</strong>r.Ganz in <strong>Wichern</strong>s Geist führte ab 1858 in <strong>Pommern</strong> <strong>de</strong>r neue Vorsteher <strong>de</strong>r ZüllchowerAnstalten, Gustav Jahn, die Belange <strong>de</strong>r Inneren Mission. In <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n Jahrengeschah in <strong>de</strong>r Inneren Mission <strong>Pommern</strong>s nichts ohne Gustav Jahn.Aussichtspunkte auf <strong>Wichern</strong>s WegenWenn man auf <strong>de</strong>n Wegen <strong>de</strong>r Vorfahren geht, hält man an markanten Punkten gelegentlichRast <strong>und</strong> macht sich auf Durchblicke <strong>und</strong> Überblicke aufmerksam. Das tueich jetzt auch: Schwerpunkt <strong>de</strong>r Inneren Mission war zunächst nicht Hinterpommern,son<strong>de</strong>rn sehr stark Neuvorpommern mit Rügen <strong>und</strong> Ostvorpommern. Es gab in <strong>Pommern</strong>Werke <strong>und</strong> Vereine <strong>de</strong>r Inneren Mission, bevor <strong>Wichern</strong> kam. Menschen warenim Zuge <strong>de</strong>r Erweckungsbewegung für Tätigkeiten <strong>de</strong>r Nächstenliebe <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Fürsorgegewonnen wor<strong>de</strong>n. Daran hat <strong>Wichern</strong> angeknüpft <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Inneren Mission in<strong>Pommern</strong> neue Anstöße <strong>und</strong> feste Strukturen gegeben.Auffallend sind die vielen Namen adliger Persönlichkeiten <strong>und</strong> Familien. Das ist einZeichen für <strong>de</strong>ren Be<strong>de</strong>utung in unseren Landstrichen, es waren nicht nur Junker<strong>und</strong> Krautbarone, son<strong>de</strong>rn Träger <strong>de</strong>r Kultur, Bildung <strong>und</strong> Fürsorge, manchmal ungerecht<strong>und</strong> hochfahrend, aber meistens aufgeschlossen für Nächstenliebe <strong>und</strong> Verantwortung.Viele Gutsherren stan<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r offiziellen Kirche distanziert gegenüber,in <strong>Pommern</strong> hatten die ”Lichtfre<strong>und</strong>e” viel Sympathie. Die Frauen widmeten sich inbeson<strong>de</strong>rem Maß <strong>de</strong>r Liebestätigkeit in <strong>de</strong>n Vereinen, die <strong>de</strong>r Provinzialkirche näherstan<strong>de</strong>n. So ist es nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass <strong>Wichern</strong> eher in <strong>de</strong>n Gutshäusern als in<strong>de</strong>n Pfarrhäusern Einkehr hielt. An<strong>de</strong>rerseits wird daran <strong>de</strong>utlich, dass <strong>Wichern</strong> in seinemWesen selbst ein konservativer Mann war, <strong>de</strong>r zu diesen Kreisen leicht Zugangfand. Den revolutionären Kräften stand er sehr ablehnend gegenüber. Er wollte nichtdie gesellschaftlichen Verhältnisse durch Umsturz än<strong>de</strong>rn (wie Karl Marx, <strong>de</strong>r zeitgleichim Jahr 1848 sein Kommunistisches Manifest verfasste) , son<strong>de</strong>rn durch Buße,Änn<strong>de</strong>rung <strong>und</strong> Einsicht <strong>de</strong>r Mächtigen <strong>und</strong> Einflussreichen. Auf die wirkte er ein.Auffällig ist, dass <strong>Wichern</strong> überall Brü<strong>de</strong>r zur Hand hatte, die in <strong>Pommern</strong> eine Aufgabeübernehmen konnten. Die ”Brü<strong>de</strong>rsache” ist <strong>Wichern</strong>s beson<strong>de</strong>rer, eigenständigerNeuansatz in <strong>de</strong>r christlichen Liebestätigkeit. Er hat das Elend <strong>de</strong>s Berufsbil<strong>de</strong>s<strong>de</strong>s Pfarrers begriffen, wenn es nur auf <strong>de</strong>m Wissen <strong>de</strong>r Universität aufbaut. Deshalbgriff er auf das altkirchliche Berufsbild <strong>de</strong>r Diakonie zurück, die das Evangeliumausrichten, Menschen erbauen <strong>und</strong> ihnen helfen – als Brü<strong>de</strong>r, die <strong>de</strong>n gleichen Vaterhaben. Der Bru<strong>de</strong>rtitel leitet sich für <strong>Wichern</strong> vom Vater ab.9Dieses Dokument stammt von www.grieppommer.<strong>de</strong>


Und in zweiter Linie ergeben sich daraus die sozialen Verbindungen.Mit <strong>de</strong>r Institution <strong>de</strong>s Bru<strong>de</strong>rs beschrieb er das sozialpädagogische Programm seinerArbeit (wie Fliedner in Bezug auf die Schwestern), die im Geiste <strong>de</strong>s Evangeliumsmenschliche Zuwendung geben <strong>und</strong> nicht nur disziplinarische Besserung bewirkensollten. Die Ausbildung war sehr praxisorientiert.Ich komme noch einmal auf <strong>de</strong>n Begriff ”Bru<strong>de</strong>r” zurück, weil er m.E. ein entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>rGesichtspunkt für <strong>Wichern</strong>s Konzeption ist. Wenn einer Bru<strong>de</strong>r o<strong>de</strong>r Schwesterist, sind die Menschen um ihn herum keine Klienten, K<strong>und</strong>en, Kostenfaktoren,son<strong>de</strong>rn Brü<strong>de</strong>r mit Behin<strong>de</strong>rungen, Schwestern mit Demenzerkrankungen. Was wirmit <strong>de</strong>n hochgestochenen Zielen Integration, Normalisierung, Inklusion beschreiben,ist in Wahrheit nur ein schwaches Abziehbild vom Original: Gottes Ebenbild sind wiralle <strong>und</strong> <strong>de</strong>shalb Brü<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Schwestern in seiner Familie.Ziel war für ihn <strong>und</strong> für die Innere Mission nicht allein die Besserung <strong>de</strong>r Lebensverhältnisse<strong>und</strong> nicht nur die Besserung <strong>de</strong>r Menschen, son<strong>de</strong>rn die Rettung <strong>de</strong>s Menschenzu einem erfüllten Leben. Aus diesem Gr<strong>und</strong>e spricht er oft mit <strong>de</strong>n Begriffenchristlich-sozial u.ä., <strong>und</strong> unterschei<strong>de</strong>t nicht zwischen seelsorgerlich-pastoraler <strong>und</strong>sozialethisch-politischer Dimension, son<strong>de</strong>rn nimmt bei<strong>de</strong> Dimensionen zusammen,<strong>und</strong> zwar mit <strong>de</strong>m inhaltlichen Vorrang <strong>de</strong>r geistlichen Dimension: Der Mensch sollheil wer<strong>de</strong>n von seinem Inneren her.Instrumente dieser Arbeit waren kleine Kreise von Interessenten in Vereinen, kleinefamilienähnliche Wohngemeinschaften in Rettungshäusern, Hausbesuche <strong>und</strong> Schriftenverteilung.Anstalten <strong>und</strong> Krankenhäuser <strong>de</strong>r Inneren Mission entstan<strong>de</strong>n ersteinige Jahre später.Das Verhältnis <strong>Wichern</strong>s <strong>und</strong> <strong>de</strong>r Inneren Mission in <strong>Pommern</strong> zur offiziellen Kirchewar differenziert. <strong>Wichern</strong> wollte unbedingt die Vereine in die Kirche Integriert wissen,aber keinesfalls die Selbständigkeit <strong>de</strong>s Han<strong>de</strong>lns aufgeben. Über die geistlicheTrägheit <strong>de</strong>r Pfarrerschaft war er teilweise entsetzt, einmal nennt er nur 200 von über600 <strong>de</strong>r pommerschen Pastoren ”gläubig”. Vor Auseinan<strong>de</strong>rsetzungen um die Sache<strong>de</strong>r Inneren Mission hat er sich nicht gescheut.Couragiert hat er Bischöfen, Staatsbeamten, Han<strong>de</strong>lsherren <strong>und</strong> Adligen das ”rechteWort zur rechten Zeit” gesagt.10Dieses Dokument stammt von www.grieppommer.<strong>de</strong>


Die 7. (virtuelle) Reise durch <strong>Pommern</strong>Meine Frau <strong>und</strong> ich sind in <strong>de</strong>n vergangenen Monaten die Wege <strong>Wichern</strong>s abgefahren,habe Fotos gemacht, Texte nachgelesen <strong>und</strong> mit Einwohnern gere<strong>de</strong>t. Wir habenuns vorgestellt, er saß hinten mit im Auto <strong>und</strong> schrieb abends eine mail an seine Frau:„Meine liebe Amanda, wie<strong>de</strong>r mal auf nach <strong>Pommern</strong>! Was für eine Verän<strong>de</strong>rung!<strong>Pommern</strong> ist klein gewor<strong>de</strong>n, alles hinter <strong>de</strong>r O<strong>de</strong>r gehört heute zu Polen. Aber dieGrenzen sind durchlässig, sogar zwischen Mecklenburg <strong>und</strong> Neuvorpommern. Morgenin Triebsees.Triebsees, als ”eine heillos verwahrloste Stadt” habe ich sie damals kennen gelernt.Wenig junge Leute leben hier, (sind in West<strong>de</strong>utschland), viele Menschen ohne Arbeit<strong>und</strong> oft ohne Ziel. Alkohol ist wie früher ein Problem.Drechow, am Grab von Familie v. Gadow. Das Gutshaus steht leer <strong>und</strong> verfällt.Semlow, hier wird das Gutshaus genutzt als Gaststätte <strong>und</strong> Amtsverwaltung. Beeindruckend<strong>de</strong>r neue Friedhof! Der größte neugotische Kapellenbau in Europa. Dergroße, wertvolle Schnitzaltar, <strong>de</strong>r seinerzeit in dieser Kapelle stand, ist heute <strong>de</strong>rHauptaltar von St. Marien in Strals<strong>und</strong>.Schlemmin, das Schloss ist zu einem Luxushotel umgebaut wor<strong>de</strong>n.Divitz, es ist wirklich zum Gotterbarmen. Das Wasserschloss ist eine Investruine. VomGrafen Krassow, <strong>de</strong>m Genius loci, keine Spur.Barth, ganz an<strong>de</strong>rs das Adlige Fräuleinstift. Betreute Wohnungen für alte Menschen.Frau von Lilienström hat ein gutes Erbe hinterlassen.Strals<strong>und</strong>, die Stadt war sehr zerstört <strong>und</strong> verfallen. Jetzt wird sie w<strong>und</strong>erbar restauriert.Die großen Kirchen sind prachtvoll, auch durch die neuen Orgeln.Das frühere Rettungshaus war durch Jahrzehnte hindurch Schwesternheimathaus. Esist einem mo<strong>de</strong>rnen Altenzentrum gewichen.Die Alte Superinten<strong>de</strong>ntur ist jetzt eine Wohnung für Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungenGarz auf Rügen, wir haben das Knabenrettungshaus gef<strong>und</strong>en, aber kaum wie<strong>de</strong>rerkannt!Dort ist jetzt eine Ausbildungsstätte für Jugendliche <strong>und</strong> ein Fachkrankenhausfür ernährungsgestörte Kin<strong>de</strong>r <strong>und</strong> Jugendliche. Das Christliche Jugenddorf-Werkhat gera<strong>de</strong> ein schönes neues Gebäu<strong>de</strong> errichtet. Im Internet habe ich die Fotos angesehen,alles unter <strong>de</strong>r Überschrift: Gott spricht: Siehe, ich will ein Neues schaffen,jetzt wächst es auf, erkennt ihr‘s <strong>de</strong>nn nicht? Jesaja 43,19aMagnus Böttger ist noch bei einigen in guter Erinnerung. Ich bin immer wie<strong>de</strong>r dankbarfür viele neue Arbeitsfel<strong>de</strong>r!Pansewitz bei Bergen. Ich weiß nicht genau, ob Krassow mit mir hier gewesen ist. Erhätte hier keine Heimat mehr. Ein herrlicher Park, aber ohne das Gutshaus, das nachKriegsen<strong>de</strong> 1945 verfallen ist. Was war er für ein be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r Mann in <strong>de</strong>r Geschichte<strong>Pommern</strong>s: Landrat, Mitglied <strong>de</strong>s Preußischen Herrenhauses, Ehrenbürger vonStrals<strong>und</strong>, Vorsitzen<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Provinzial-Ausschusses für Innere Mission – ein guterFre<strong>und</strong> <strong>und</strong> Bru<strong>de</strong>r! In <strong>de</strong>n Katendorf für die Gutsarbeiter hatte er ein Hospiz füralt <strong>und</strong> krank gewor<strong>de</strong>ne Männer eingerichtet, das gera<strong>de</strong> als Ferienhaus renoviertwur<strong>de</strong>.11Dieses Dokument stammt von www.grieppommer.<strong>de</strong>


Greifswald, heute waren wir in <strong>de</strong>r alten Universitätsstadt. Sie hat sich in <strong>de</strong>n letztenJahren sehr geschmückt. Mir wur<strong>de</strong> gesagt, dass am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>s letzten Krieges <strong>de</strong>rProvinzialverband für Innere Mission von Stettin hierher umgesie<strong>de</strong>lt wur<strong>de</strong>. Ich habeihn gesucht, aber er heißt jetzt Diakonisches Werk <strong>und</strong> soll <strong>de</strong>mnächst mit Mecklenburgzusammengelegt wer<strong>de</strong>n. Ist Diakonie das gleiche wie Innere Mission?Auch das Konsistorium ist aus Stettin hierher gekommen. Sind Kirche <strong>und</strong> Diakoniegute Nachbarn? Der ”Lichtblick” am Markt ist ein viel besuchter Treffpunkt, in <strong>de</strong>mviele Menschen mit verschie<strong>de</strong>nsten Handicaps arbeiten. Ich geriet in eine Sitzung<strong>de</strong>s Bürgerhafenteams, engagierte ”Seniortrainer” berieten über ihre Projekte.Es soll in Greifwald ein Berufsbildungswerk geben, in <strong>de</strong>m 450 junge Leute ausgebil<strong>de</strong>t<strong>und</strong> geför<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Am Stadtrand steht eine neue Werkstatt für Menschenmit Behin<strong>de</strong>rungen. Ich habe gestaunt, welche guten Neubauten in <strong>de</strong>n Jahren nach1989, das sie das Jahr <strong>de</strong>r Wen<strong>de</strong> nennen, entstan<strong>de</strong>n sind.Ich habe mich gefreut, dass wir noch einen kurzen Abstecher nach Lebbin ( heuteLubin) auf Wollin machen konnten. Während Quistorps Zementfabrik als Ruine dasteht,sind die von ihm errichteten Häuser für seine Mitarbeiter weitgehend erhalten.Von einem grüßte <strong>de</strong>r Herr Christus. Wieviel Gutes haben Unternehmer, die in seinemGeist lebten <strong>und</strong> wirkten, für ihre unmittelbare gesellschaftliche Umgebung gewirkt.Züssow, nur eine halbe St<strong>und</strong>e südlich von Greifswald liegt das kleine Dorf Züssow.Von <strong>de</strong>r Straße aus lese ich plötzlich ”<strong>Wichern</strong>haus”! Hier ist nach <strong>de</strong>m letzten Kriegeine neue Anstalt entstan<strong>de</strong>n, die einzige im Osten Deutschlands. Der erste VorsteherLiesenhoff wird gera<strong>de</strong> 100 Jahre, halb so alt wie ich. Menschen aus Stettin <strong>und</strong> Hinterpommernwur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> aufgenommen. Diakone <strong>de</strong>r Anstalt Züllchowbauten hier ein neues Brü<strong>de</strong>rhaus auf. Es gibt aber keine Diakonenausbildung mehr.Welche Mitarbeiter bekommt die Diakonie heute <strong>und</strong> morgen? Wie prägt sie mit ihnendie Arbeiten?Demmin, damals bin ich nur einmal durchgefahren. In lebhafter Erinnerung sind mirdie Bäcker, die in ihrer Innung beschlossen hatten, sonntags nicht mehr zu arbeiten,weil sie <strong>de</strong>n Sonntag heiligen wollten. An<strong>de</strong>re Handwerker hatten sich ihnen angeschlossen.Was wür<strong>de</strong>n sie sagen, wenn sie an <strong>de</strong>n großen Einkaufsmärkten die Werbunglesen wür<strong>de</strong>n: ”Auch sonntags geöffnet”. Haben die Leute so viel Geld, dasssie es alltags nicht los wer<strong>de</strong>n? Haben sie so viel Arbeit, dass sie werktags nicht zumEinkaufen kommen? Der Kreis Demmin soll einer mit beson<strong>de</strong>rs hohen Arbeitslosenzahlensein. Vielleicht fehlt <strong>de</strong>n Menschen mehr als Arbeit <strong>und</strong> Geld?Aber noch etwas aus Demmin: Die Ev. Gr<strong>und</strong>schule hat in <strong>de</strong>r vorigen Woche ihr10jähriges Jubiläum gefeiert. Du kennst meine Meinung über Schulen: Nicht nurlesen, schreiben <strong>und</strong> rechnen lernen, son<strong>de</strong>rn Christus, seinen Weg <strong>und</strong> seine Art. DieFotos gaben einen guten Eindruck davon.Gültz, da habe ich mich an das schöne Treffen bei Frau v. Maltzahn erinnert. Maltzahnssind wie<strong>de</strong>r in Vorpommern <strong>und</strong> sehr aktiv. Im Gutshaus war ein Hotel, dasinsolvent ging, jetzt steht es leer.In Ducherow steht das Gutshaus von damals nicht mehr, auch <strong>de</strong>r spätere Bau, <strong>de</strong>rinzwischen ein Altersheim war, verfällt.12Dieses Dokument stammt von www.grieppommer.<strong>de</strong>


Gefreut habe ich mich in Erinnerung an <strong>de</strong>n guten Quistorp über das Leben im Bugenhagenstift,wo nach 1945 die Diakonissen von Stettin-Bethanien eine neue Heimat<strong>und</strong> Aufgabe fan<strong>de</strong>n.Busow, Frau von Schwerin wür<strong>de</strong> ihr Schloss nicht wie<strong>de</strong>rfin<strong>de</strong>n, nur zwei Randsteineliegen noch an <strong>de</strong>r alten Auffahrt.Von <strong>de</strong>r Domäne in Bugewitz ist nichts mehr zu sehen, von Herrn Tilo weiß nieman<strong>de</strong>twas. Ich habe heute darüber nachgedacht, dass die Gutshäuser fast alle verfallensind, weil Wohnungen, Konsum, Rat <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> <strong>und</strong> Kin<strong>de</strong>rgarten ausgezogensind <strong>und</strong> die Familien <strong>de</strong>r Gutsbesitzer vertrieben wur<strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r flüchteten.Die Kirchen in allen Dörfern sind sehr gut in Ordnung, auch die Kirchhöfe herum.So ist es, wenn sie genutzt wer<strong>de</strong>n. Sind die Menschen hier zu Hause? Leben sie imGlauben?In Putzar stehen nun zwei SchlossruinenBrüssow, hier fan<strong>de</strong>n wir noch einen Teil <strong>de</strong>s Rettungshauses, an <strong>de</strong>ssen Entstehenich damals mitgewirkt habe. Inzwischen haben sie ein an<strong>de</strong>res Haus für Menschenmit Behin<strong>de</strong>rungen gebaut. Und es gibt noch Leute, die ein Ge<strong>de</strong>nken an unserenBru<strong>de</strong>r Götzky wach halten. 43 Jahre war er dort Hausvater!In Gramzow haben wir noch Teile <strong>de</strong>s alten Rettungshauses gef<strong>und</strong>en, auch Erinnerungenan mein Mitwirken sind noch lebendig. Es hat mich bewegt, dass ein jungerHistoriker aus Jena eine umfangreiche Arbeit über die Rettungshäuser in Brüssow,Gramzow <strong>und</strong> Templin geschrieben hat, in <strong>de</strong>r er die Zeitumstän<strong>de</strong>, örtlichen verhältnisse<strong>und</strong> Persönlichkeiten beschrieben hat. Habe ich viele politische Hintergrün<strong>de</strong><strong>de</strong>r sozialen Fragen wirklich so ausgeblen<strong>de</strong>t, wie er es behauptet?Stettin heißt heute Szczecin. Die Stadt war im Krieg durch Bombenangriffe schwerzerstört <strong>und</strong> das Zentrum wur<strong>de</strong> z.T. mit Plattenbauten hässlich neu bebaut. An manchenStellen wer<strong>de</strong>n historische Gebäu<strong>de</strong> sorgfältig restauriert, auch das Schloss. DieElisabeth-Schule vor <strong>de</strong>m Königstor, in <strong>de</strong>r 1849 <strong>de</strong>r Verein für Innere Mission gegrün<strong>de</strong>twur<strong>de</strong>, ist auch in Schutt <strong>und</strong> Asche versunken. Von <strong>de</strong>n großen Anstalten <strong>und</strong>Krankenhäusern ist, wenn man mit Geduld sucht, mehr zu fin<strong>de</strong>n als man gewöhnlich<strong>de</strong>nkt.Züllchow, von <strong>de</strong>r Anstalt ist nichts mehr zu sehen, auf <strong>de</strong>m Gelän<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>nletzten Jahren Wohnungsbauten errichtet. Schon lange war dies Zentrum <strong>de</strong>r InnerenMission <strong>Pommern</strong>s zusammengebrochen, 1931 wirtschaftlich, 1940 nach Beschlagnahmedurch die Nationalsozialisten, 1944 völlig zerstört bei Bombenangriffen.Kückenmühle hatte mir 1870 beim letzten Besuch in Stettin G. Jahn gezeigt, es hattedanach eine riesige Entwicklung genommen ( 1.500 Patienten). 1940 wur<strong>de</strong> es enteignet<strong>und</strong> fast alle Menschen fielen <strong>de</strong>r Euthanasie zum Opfer. Es hat mich bewegt,dass ihre Häuser alle noch stehen.Krankenhaus Bethanien, das mir 1870 J. Quistorp als ganz neue Einrichtung zeigte,steht wie vor 140 Jahren, es wird heute von <strong>de</strong>r griechisch-orthodoxen Gemein<strong>de</strong> <strong>und</strong>von internationalen Schulen genutzt.In Finkenwal<strong>de</strong> steht die 1903 (als Ersatz für das erste Gebäu<strong>de</strong> von 1850 im Stadtzentrumeingeweihte) neu errichtete Anstalt ”Kin<strong>de</strong>rheil” weiter, wird auch teilweiseals Krankenhaus genutzt.13Dieses Dokument stammt von www.grieppommer.<strong>de</strong>


In Naugard steht immer noch das Gefängnis wie durch alle Zeiten hindurch. Von Außenin Ordnung – wie sieht es innen aus? Im Innern <strong>de</strong>r Gefangenen?In Kulice (Kültz), 5 km vor Naugard, hat im Jahr 2008 eine Tagung stattgef<strong>und</strong>en, diedie Anfänge <strong>de</strong>r Inneren Mission in <strong>Pommern</strong> zum Thema hatte.Meine Liebe, wie sind Am En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Reise:Weiter nach Osten sind wir nicht gekommen. Ich hätte gern Gramenz wie<strong>de</strong>r gesehen,hier nur ein Foto einer befre<strong>und</strong>eten polnischen Historikerin. Es war anstrengend genug,wenn auch etwas bequemer <strong>und</strong> schneller als damals. Vieles mussten wir zusammensuchen.Wenn mein Name genannt wur<strong>de</strong>, konnten nur wenige Menschen etwasdamit anfangen. Sogar die Pastoren w<strong>und</strong>erten sich, als sie hörten, ich wäre schonmal dort gewesen <strong>und</strong> hätte manches in <strong>de</strong>n Dörfern <strong>und</strong> Städten angestoßen. Wennauch vieles nicht mehr steht, es wächst immer wie<strong>de</strong>r etwas Neues zum Heil <strong>und</strong> Wohl<strong>de</strong>r Menschen.Morgen nach Rostock. Sie wollen meinen 200. Geburtstag nachfeiern. Ich hoffe, siegeben Gott die Ehre. Ich will auch re<strong>de</strong>n. Aus <strong>de</strong>m Stehgreif, aber nicht wie<strong>de</strong>r zweieinhalbSt<strong>und</strong>en! Was soll ich ihnen sagen?Vielleicht so: ”Lasst uns tun, was wir bisher nicht getan haben!...Denn die Sache <strong>de</strong>sEvangeliums wächst nicht durch Sprechen über sie, son<strong>de</strong>rn durch Leben in ihr, dasein Leben im Herrn <strong>und</strong> in seinem Dienst sein soll.”.14Dieses Dokument stammt von www.grieppommer.<strong>de</strong>

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