Textvorlagen zum Ãœben - Ernst Reinhardt Verlag
Textvorlagen zum Ãœben - Ernst Reinhardt Verlag
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<strong>Textvorlagen</strong> <strong>zum</strong> Üben<br />
Diese <strong>Textvorlagen</strong> gehören zu dem Buch von Walburga Brügge<br />
und Katharina Mohs (2011): Verstimmt? Mit klangvoller Stimme gut<br />
ankommen. <strong>Ernst</strong> <strong>Reinhardt</strong>, München/Basel. Sie finden zu den einzelnen<br />
Themenbereichen eines Kapitels eine Auswahl an Textbeispielen. Das<br />
jeweilige Kapitel, in dem der Text als Übungsvorlage vorgestellt wird, ist<br />
in Klammern angegeben.<br />
Korkensprechen (Kap. 4)<br />
Elefanten sind die größten und schwersten Landsäugetiere. Menschen<br />
haben schon vor Urzeiten versucht, ihre Stärke zu nutzen. Sie können<br />
mit Hilfe ihrer Stoßzähne und Rüssel Wasserstellen schaffen, die auch<br />
anderen Tieren das Leben retten. Elefanten sind gutmütige Herdentiere,<br />
die in einem sozialen Geflecht leben. Sie gelten neben Delfinen und<br />
Menschenaffen zu den intelligentesten wildlebenden Tierarten.<br />
Erfahrungen sind dazu da, dass man sie macht. Ob man dadurch, wie der<br />
Volksmund behauptet, klug wird, steht auf einem anderen Blatt. Dafür,<br />
dass Millionen Menschen Tag für Tag Erfahrungen sammeln, gibt es, an<br />
unserem Sprichworte gemessen, zwei Milliarden kluge Leute zu wenig,<br />
und das sollte zu denken geben.<br />
Erich Kästner<br />
<strong>Textvorlagen</strong> <strong>zum</strong> Üben<br />
Brügge/Mohs, Verstimmt? © 2011 by <strong>Ernst</strong> <strong>Reinhardt</strong>, GmbH & Co KG, <strong>Verlag</strong>, München<br />
1
Zungenbrecher (Kap. 4)<br />
• Welcher Metzger wetzt sein Metzgermesser am Wetzstein des<br />
Metzgermeisters?<br />
• Der Leutnant von Leuthen befahl seinen Leuten, die Läuten von<br />
Leuthen nicht eher zu läuten, als dass der Leutnant von Leuthen<br />
seinen Leuten das Läuten der Läuten von Leuthen befahl.<br />
• Der kleine klapprige Kaplan pappt peppige, poppige Pappplakate an die<br />
klappernde Kapellwand.<br />
• Als Schritt für Schritt sie zur Schranke schritt, erscholl des Schreibers<br />
schriller Schreckensschrei.<br />
• Es klapperten die Klapperschlangen, bis ihre Klappern schlapper<br />
klangen.<br />
• Der Flugplatzspatz nahm auf dem Flugblatt Platz. Auf dem Flugblatt<br />
Platz nahm der Flugplatzspatz.<br />
• Tief im dichten Fichtendickicht picken flinke Finken tüchtig.<br />
• Zwischen zwei Zwetschgenzweigen sitzen zwei zwitschernde<br />
Schwalben.<br />
<strong>Textvorlagen</strong> <strong>zum</strong> Üben<br />
Brügge/Mohs, Verstimmt? © 2011 by <strong>Ernst</strong> <strong>Reinhardt</strong>, GmbH & Co KG, <strong>Verlag</strong>, München<br />
2
Präzise Artikulation in Gedichten (Kap. 4)<br />
Pinguine<br />
Auch die Pinguine ratschen, tratschen,<br />
Klatschen, patschen, watscheln, latschen,<br />
Tuscheln, kuscheln, tauchen, fauchen,<br />
Herdenweise, grüppchenweise<br />
Mit Gevattern,<br />
Pladdern, schnattern<br />
Laut und leise.<br />
Schnabel-Babelkabel-Schnack,<br />
Seriöses, Skandalöses, Hiebe, Stiche.<br />
Oben: Chemisette mit Frack.<br />
Unten: lange, enge, hinderliche<br />
Röcke. – Edelleute, Bürger, Pack,<br />
Alte Weiber, Professoren.<br />
Riesenvolk, in Schnee und Eis geboren.<br />
Sie begrüßen herdenweise<br />
Ersten Menschen, der sich leise<br />
Ihnen naht. Weil sie sehr neugierig sind.<br />
Und der erstgesehene Mensch ist neu.<br />
Und Erfahrungslosigkeit starrt wie ein kleinstes Kind<br />
Gierig staunend aus, jedoch nicht scheu.<br />
<strong>Textvorlagen</strong> <strong>zum</strong> Üben<br />
Brügge/Mohs, Verstimmt? © 2011 by <strong>Ernst</strong> <strong>Reinhardt</strong>, GmbH & Co KG, <strong>Verlag</strong>, München<br />
3
Riesenvolk, in Schnee und Eis geboren,<br />
Lebend in verschwiegener Bucht<br />
In noch menschenfernem Lande.<br />
Arktis – Expedition. – Revolverschuß –:<br />
Und das Riesenvolk, die ganze Bande<br />
Ergreift die Flucht.<br />
Joachim Ringelnatz<br />
Umsonst<br />
Immer rascher fliegt der Funke,<br />
jede Dschunke und Spelunke<br />
wird auf Wissenschaft bereist,<br />
jede Sonne wird gewogen<br />
und in Rechnung selbst gezogen,<br />
was noch sonnenjenseits kreist.<br />
Immer höh’re Wissenstempel,<br />
immer richt’ger die Exempel,<br />
wie Natur es draußen treibt,<br />
immer klüger und gescheiter,<br />
und wir kommen doch nicht weiter,<br />
und das Lebensrätsel bleibt.<br />
Theodor Fontane<br />
<strong>Textvorlagen</strong> <strong>zum</strong> Üben<br />
Brügge/Mohs, Verstimmt? © 2011 by <strong>Ernst</strong> <strong>Reinhardt</strong>, GmbH & Co KG, <strong>Verlag</strong>, München<br />
4
Betonung durch Veränderung der Lautstärke (Kap. 5)<br />
so nie sieh geh<br />
holen haben fehlen wundern<br />
leben unglaublich versorgen vergeuden<br />
Lass doch los. Da kommen sie ja. Schau doch mal.<br />
Du wirst es nie finden. Bleiben Sie doch noch. Wir nehmen es jetzt.<br />
Eine Giraffe (keine Ziege)<br />
(Eben aus dem Ei gekrochen)<br />
Pustete sich eine Fliege<br />
Rückwärts von den Wirbelknochen.<br />
Joachim Ringelnatz<br />
Betonung durch Veränderung der Stimmhöhe (Kap. 5)<br />
Lo ben Ha ben Su chen<br />
Von we gen Lei se, ganz lei se<br />
Das kannst du dir nicht vo rstellen<br />
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Brügge/Mohs, Verstimmt? © 2011 by <strong>Ernst</strong> <strong>Reinhardt</strong>, GmbH & Co KG, <strong>Verlag</strong>, München<br />
5
Betonung durch Dehnen der Konsonanten oder Vokale (Kap. 5)<br />
Laaangsam, sonst geht es kaputt.<br />
Der ist vielleicht schl…au.<br />
Von dieser Zutat bitte nur weeeenig verwenden.<br />
Du hast doch kei ne Ahnung.<br />
Einsatz verschiedener Betonungsmöglichkeiten (Kap. 5)<br />
Er ging langsam am Ufer entlang nach Hause. – (Er ging, nicht sie.)<br />
-> Hier Lautstärkeveränderung einsetzen<br />
Er ging langsam am Ufer entlang nach Hause. – (Er rannte nicht.)<br />
-> Hier Veränderung der Stimmhöhe einsetzen<br />
Er ging langsam am Ufer entlang nach Hause. – (Er hatte keine Eile.)<br />
-> Hier Dehnung des /a/ bei „langsam“<br />
Er ging langsam am Ufer entlang nach Hause. – (Er ging nicht die Straße<br />
entlang.)<br />
-> Hier Veränderung der Stimmhöhe bei Ufer einsetzen<br />
Er ging langsam am Ufer entlang nach Hause. – (Er ging nach Hause, nicht<br />
ins Büro.)<br />
-> Hier Lautstärkeveränderung einsetzen<br />
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6
Stimmführung vor Sprechpausen (Kap. 5)<br />
Achtung Autofahrer, hier kommen die aktuellen Staunachrichten.<br />
æ Vorsicht auf der A1 Köln Richtung Euskirchen ä: Zwischen Köln-<br />
Bocklemünd und Köln-Lövenich 4 km stockender Verkehr. æ Auf der<br />
A4 zwischen Kreuz Leverkusen und Leverkusen-Zentrum ä: Fahren<br />
Sie vorsichtig, hier liegen Holzlatten auf der Fahrbahn æ. A45 Gießen<br />
Richtung Hagen ä: Zwischen Lüdenscheid-Süd und Hagen-Süd nach<br />
einem Unfall mehr als 8 km Stau. æ Hier ist der linke Fahrstreifen gesperrt<br />
æ.<br />
Auf das Sprechtempo achten (Kap. 5)<br />
Beispiel 1: Wegbeschreibung<br />
Folgen Sie der Straße bis zur dritten Kreuzung, biegen Sie an der Ampel<br />
rechts ab. Die Straße wird jetzt mehrspurig, ordnen Sie sich links ein,<br />
denn hinter der Unterführung müssen Sie abbiegen, dann...<br />
Beispiel 2: Bedienungsanleitung<br />
Schalten Sie Ihr Fernsehgerät ein. Drücken Sie die TV-Taste auf der<br />
Fernbedienung ca. fünf Sekunden lang, bis die LED zweimal blinkt.<br />
Geben Sie mit den Zifferntasten die fünfstellige Codenummer aus der<br />
Codenummernliste ein. Zweimaliges Blinken der LED zeigt Ihnen an, dass<br />
der Code angenommen wurde. Richten Sie nun die Fernbedienung auf das<br />
TV-Gerät, und drücken Sie die Stand-by-Taste. Wenn sich Ihr Gerät jetzt<br />
ausgeschaltet hat, so wurde der Vorgang erfolgreich abgeschlossen.<br />
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Brügge/Mohs, Verstimmt? © 2011 by <strong>Ernst</strong> <strong>Reinhardt</strong>, GmbH & Co KG, <strong>Verlag</strong>, München<br />
7
Beispiel 3: Rezept<br />
Kochen Sie Milch und Zucker auf, und fügen Sie die anderen Zutaten<br />
dazu. Verrühren Sie alles zu einer geschmeidigen Masse, und lassen Sie<br />
diese abkühlen. Nun wird der Teig geknetet. Die Hefe mit einem Teelöffel<br />
Zucker und fünf Esslöffeln lauwarmer Milch in einer Schüssel verrühren<br />
und 15 Minuten stehen lassen. Mehl in eine Schüssel geben, die übrigen<br />
Zutaten und die angesetzte Hefe dazugeben, und alles zu einem glatten<br />
Teig verarbeiten.<br />
Beispiel 4: Stadtführung<br />
Stellen Sie sich vor, Sie machen eine Stadtführung für eine Gruppe.<br />
Kommen Sie mit mir ein Stück entlang der aurelianischen Mauer,<br />
deren Bau unter Kaiser Aurelian begonnen und später unter Honorius<br />
auf fast elf Meter erhöht wurde. Die Tore wurden im Lauf der Zeit<br />
zu Festungstürmen ausgebaut. Das heute als Engelsburg bekannte<br />
Mausoleum des Kaisers Hadrian wurde ebenfalls als Zitadelle in die<br />
Befestigungsanlagen integriert. Noch heute ist diese Mauer fast<br />
vollständig erhalten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden viele<br />
Anbauten wieder entfernt, um den Urzustand der Mauer wieder<br />
herzustellen. 18 Tore sind noch immer zu besichtigen.<br />
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8
Einsatz und Variation verschiedener sprechdynamischer Mittel<br />
im Text (Kap. 5)<br />
Die unmögliche Tatsache<br />
Palmström, etwas schon an Jahren,<br />
wird an einer Straßenbeuge<br />
und von einem Kraftfahrzeuge<br />
überfahren.<br />
„Wie war“ (spricht er, sich erhebend<br />
und entschlossen weiterlebend)<br />
„möglich, wie dies Unglück, ja –:<br />
daß es überhaupt geschah?<br />
Ist die Staatskunst anzuklagen<br />
In bezug auf Kraftfahrwagen?<br />
Gab die Polizeivorschrift<br />
hier dem Fahrer freie Trift?<br />
Oder war vielmehr verboten,<br />
hier Lebendige zu Toten<br />
umzuwandeln, – kurz und schlicht:<br />
Durfte hier der Kutscher nicht –?“<br />
Eingehüllt in feuchte Tücher<br />
prüft er die Gesetzesbücher<br />
und ist alsobald im klaren:<br />
Wagen durften dort nicht fahren!<br />
Und er kommt zu dem Ergebnis:<br />
„Nur ein Traum war das Erlebnis.<br />
Weil“, so schließt er messerscharf,<br />
„nicht sein kann, was nicht sein darf.“<br />
Christian Morgenstern<br />
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9
Silben kauen (Kap. 6)<br />
mjam mjom mjum mjem mjaum mjeum<br />
Indifferenzlage finden (Kap. 6)<br />
mjom – wo – mjom mjem – wie – mjem mjum – nur – mjum<br />
mjam –wann – mjam mjam – lahm – mjam mjüm – mond – mjüm<br />
Beachten der Resonanzweite in Gedichten (Kap. 6)<br />
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen<br />
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,<br />
die sich über die Dinge ziehn.<br />
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,<br />
aber versuchen will ich ihn.<br />
Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,<br />
und ich kreise jahrtausendelang;<br />
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm<br />
oder ein großer Gesang.<br />
Rainer Maria Rilke<br />
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10
Lied vom Meer<br />
Uraltes Wehn vom Meer,<br />
Meerwind bei Nacht:<br />
du kommst zu keinem her;<br />
wenn einer wacht,<br />
so muß er sehn, wie er<br />
dich übersteht:<br />
uraltes Wehn vom Meer,<br />
welches weht<br />
nur wie für Ur-Gestein,<br />
lauter Raum<br />
reißend von weit herein...<br />
O wie fühlt dich ein<br />
treibender Feigenbaum<br />
oben im Mondschein.<br />
Rainer Maria Rilke<br />
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11
Vokaleinsatz in Silben (Kap. 6)<br />
om on ol of op ok<br />
um ul up ur uf usch<br />
am an al as ap ak<br />
em en ep es ek esch<br />
im in ip if is ik<br />
aum aup aus aut<br />
eim ein eis eip<br />
Vokaleinsatz in Worten (Kap.6)<br />
Ofen oben Ohren Ostern<br />
Oslo Otto Onkel Orgel<br />
Ufer Urlaub Uhu Urkunde<br />
Ulme unten Unkraut Unfall<br />
ölen öde Öse Österreich<br />
öffnen östlich örtlich öffentlich<br />
Übergang Übersicht überraschen überlegen<br />
Eule Europa euch euer<br />
Igel Island ideal Iglu<br />
Insel Imker immer innen<br />
Efeu Esel Elend Ehre<br />
Engel Ente etwas Ebbe<br />
Abend Adler Arbeit Ameise<br />
Amsel Antwort alle Acker<br />
ähnlich Ähre Ära äsen<br />
Auto Auge Auster Aufenthalt<br />
Eimer Eile einsam eiskalt<br />
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12
Vokaleinsatz in Gedichten (Kap. 6)<br />
Nordsee III<br />
Nah ist nur Innres; alles andre fern.<br />
Und dieses Innere gedrängt und täglich<br />
mit allem überfüllt und ganz unsäglich.<br />
Die Insel ist wie ein zu kleiner Stern<br />
welchen der Raum nicht merkt und stumm zerstört<br />
in seinem unbewußten Furchtbarsein,<br />
so daß er, unerhellt und überhört,<br />
allein<br />
damit dies alles doch ein Ende nehme<br />
dunkel auf einer selbsterfundnen Bahn<br />
versucht zu gehen, blindlings, nicht im Plan<br />
der Wandelsterne, Sonnen und Systeme.<br />
Rainer Maria Rilke<br />
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13
Abglanz<br />
Gaben sich zwei einen Abschiedskuß,<br />
Anscheinend zwei Freundinnen.<br />
Stieg die eine in den Omnibus.<br />
Und der Omnibus fuhr von hinnen.<br />
Die im Omnibus saß mir zugewandt.<br />
Und ich sah, daß in ihrem Gesichte<br />
Noch lange ein liebes Lächeln stand;<br />
Das erzählte eine kleine Geschichte.<br />
Joachim Ringelnatz<br />
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14
Wahrnehmen der reflektorischen Atemergänzung (Kap. 7)<br />
fft ppssst sssst scht<br />
Re P T K<br />
Re P T K<br />
SCH SCH SCH SCH<br />
SCH SCH SCH SCH<br />
CH CH CH CH<br />
CH CH CH CH<br />
FT FT FT FT<br />
FT FT FT FT<br />
Reflektorische Atemergänzung mit Worten (Kap.7)<br />
Hopp! Halt! Lass! Komm!<br />
Stopp! Weg! Raus! Los!<br />
Zack! Pack! Schnell! Gleich!<br />
Geh! Ja! Nein! Lauf!<br />
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15
Reflektorische Atemergänzung in Sätzen (Kap. 7)<br />
Das glaub’ ich nicht! Da war doch was!<br />
Pass doch auf! Das war ich nicht!<br />
Bleib mir weg damit! Was machst du da?<br />
Er will nicht! Geh mal weg!<br />
Hör mir zu! Die Geschichte ist alt!<br />
Nein, er kommt! Du, ich weiß was!<br />
Doch, hier war das. Du nicht? Ich schon!<br />
Lass doch gut sein! Auf jeden Fall!<br />
Wohin damit? Keiner hört mich.<br />
Das kann ich nicht. Wer weiß denn das?<br />
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16
Reflektorische Atemergänzung in Gedichten (Kap. 7)<br />
Die zwei Wurzeln<br />
Zwei Tannenwurzeln groß und alt //<br />
Unterhalten sich im Wald. //<br />
Was droben in den Wipfeln rauscht, //<br />
das wird hier unten ausgetauscht. //<br />
Ein altes Eichhorn sitzt dabei //<br />
und strickt wohl Strümpfe für die zwei. //<br />
Die eine sagt: knig. // Die andere sagt: knag. //<br />
Das ist genug für einen Tag. //<br />
Christian Morgenstern<br />
Er ist’s<br />
Frühling läßt sein blaues Band //<br />
Wieder flattern durch die Lüfte; //<br />
Süße, //wohlbekannte Düfte<br />
Streifen ahnungsvoll das Land. //<br />
Veilchen träumen schon, //<br />
Wollen balde kommen. //<br />
– Horch, // von fern ein leiser Harfenton! //<br />
Frühling, // ja du bist’s! //<br />
Dich hab ich vernommen! //<br />
Eduard Mörike<br />
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17
Bei den nachfolgenden Gedichten setzen Sie die Atemzeichen selbst,<br />
wie es Ihnen im Gedicht sinnvoll erscheint. Nicht immer muss eine<br />
Atempause am Zeilenende gemacht werden.<br />
Ein männlicher Briefmark...<br />
Ein männlicher Briefmark erlebte<br />
Was Schönes, bevor er klebte.<br />
Die Trichter<br />
Zwei Trichter wandeln durch die Nacht<br />
Er war von einer Prinzessin beleckt.<br />
Da war die Liebe in ihm erweckt.<br />
Er wollte sie wiederküssen,<br />
Da hat er verreisen müssen.<br />
So liebte er sie vergebens.<br />
Das ist die Tragik des Lebens!<br />
Joachim Ringelnatz<br />
durch ihres Rumpfs verengten Schacht<br />
fließt weißes Mondlicht<br />
still und heiter<br />
auf ihren<br />
Waldweg<br />
u. s.<br />
w.<br />
Christian Morgenstern<br />
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18
Die drei Spatzen<br />
In einem leeren Haselstrauch,<br />
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.<br />
Der Erich rechts und links der Franz<br />
Und mittendrin der freche Hans.<br />
Sie haben die Augen zu, ganz zu,<br />
und obendrüber, da schneit es, hu!<br />
Sie rücken zusammen dicht an dicht.<br />
So warm wie der Hans hat’s niemand nicht.<br />
Die hör’n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.<br />
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.<br />
Christian Morgenstern<br />
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19
Atempausen in Texten (Kap. 7)<br />
Auszug aus: Madame Bovary<br />
Emma legte einen Schal um die Schultern, öffnete das Fenster und<br />
stützte sich auf die Ellenbogen.<br />
Die Nacht war stockfinster. Ein paar Regentropfen fielen. Sie atmete den<br />
feuchten Wind ein, der ihr die Augenlieder kühlte. Die Ballmusik summte<br />
ihr noch in den Ohren, und sie bemühte sich, munter zu bleiben, um die<br />
Illusion dieses luxuriösen Lebens, das sie nun gleich würde aufgeben<br />
müssen, zu verlängern.<br />
Der Morgen graute. Lange betrachtete sie die Fenster des Schlosses und<br />
versuchte zu erraten, welches die Zimmer all derer waren, die sie am<br />
Abend zuvor beobachtet hatte. Sie hätte gern ihr Leben gekannt, wäre<br />
gern darin eingedrungen und darin aufgegangen.<br />
Gustave Flaubert<br />
Genesis – Die Anfänge<br />
1 1 Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde; 2 die Erde aber war wüst und<br />
wirr, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem<br />
Wasser. 3 Gott sprach: Es werde Licht. Und es wurde Licht. 4 Gott sah,<br />
dass das Licht gut war. Gott schied das Licht von der Finsternis 5 und<br />
Gott nannte das Licht Tag und die Finsternis nannte er Nacht. Es wurde<br />
Abend und es wurde Morgen: erster Tag.<br />
Die Bibel, Genesis 1, 1–5<br />
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20
Objektivität der Sinneswahrnehmung<br />
Wir sind von der wirklichen Existenz der von unserer Erkenntnis<br />
aufgefassten Dinge und Erscheinungen in der uns umgebenden<br />
Außenwelt überzeugt. Dieses Dasein der von unserer Wahrnehmung<br />
aufgefassten Dinge nennt man die Objektivität der Sinneswahrnehmung.<br />
Von vielen Seiten wird die Objektivität unserer Sinneswahrnehmung<br />
verneint, indem man sagt, die Sinneswahrnehmungen seien nur in<br />
unserem Inneren vorhanden oder subjektive Zustände; aber wie die Dinge<br />
in der Außenwelt wirklich beschaffen seien, das könnten wir nicht wissen.<br />
Diese Anschauung nennt man die Subjektivität der Sinneswahrnehmung.<br />
[…]<br />
Leonhard Habrich<br />
Die Wichtelmänner<br />
Es war ein Schuster ohne seine Schuld so arm geworden, daß ihm endlich<br />
nichts mehr übrig blieb als Leder zu einem einzigen Paar Schuhe. Nun<br />
schnitt er am Abend die Schuhe zu, die wollte er den nächsten Morgen<br />
in Arbeit nehmen; und weil er ein gutes Gewissen hatte, so legte er sich<br />
ruhig zu Bett, befahl sich dem lieben Gott und schlief ein. Morgens,<br />
nachdem er sein Gebet verrichtet hatte und sich zur Arbeit niedersetzen<br />
wollte, so standen die beiden Schuhe ganz fertig auf seinem Tisch. Er<br />
verwunderte sich und wußte nicht, was er dazu sagen sollte. […]<br />
Brüder Grimm<br />
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21
Zugabe (Hörbeispiel 22)<br />
Johann Wolfgang von Goethe, Faust I – Vor dem Tor<br />
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche<br />
Durch des Frühlings holden, belebenden Blick;<br />
Im Tale grünet Hoffnungsglück;<br />
Der alte Winter, in seiner Schwäche,<br />
Zog sich in rauhe Berge zurück.<br />
Von dort her sendet er, fliehend, nur<br />
Ohnmächtige Schauer körnigen Eises<br />
In Streifen über die grünende Flur.<br />
Aber die Sonne duldet kein Weißes,<br />
Überall regt sich Bildung und Streben,<br />
Alles will sie mit Farben beleben;<br />
Doch an Blumen fehlt’s im Revier<br />
Sie nimmt geputzte Menschen dafür.<br />
Kehre dich um, von diesen Höhen<br />
Nach der Stadt zurückzusehen.<br />
Aus dem hohlen finstern Tor<br />
Dringt ein buntes Gewimmel hervor.<br />
Jeder sonnt sich heute so gern.<br />
Sie feiern die Auferstehung des Herrn,<br />
Denn sie sind selber auferstanden:<br />
Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,<br />
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,<br />
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,<br />
Aus der Straßen quetschender Enge,<br />
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht<br />
Sind sie alle ans Licht gebracht.<br />
Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge<br />
Durch die Gärten und Felder zerschlägt,<br />
Wie der Fluß in Breit und Länge<br />
So manchen lustigen Nachen bewegt,<br />
Und bis <strong>zum</strong> Sinken überladen,<br />
Entfernt sich dieser letzte Kahn.<br />
Selbst von des Berges fernen Pfaden<br />
Blinken uns farbige Kleider an.<br />
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22
Ich höre schon des Dorfs Getümmel,<br />
Hier ist des Volkes wahrer Himmel,<br />
Zufrieden jauchzet groß und klein:<br />
Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!<br />
Jakob van Hoddis – Weltende<br />
Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,<br />
In allen Lüften hallt es wie Geschrei.<br />
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei<br />
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.<br />
Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen<br />
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.<br />
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.<br />
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.<br />
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23
Richard Wagner – Das Rheingold<br />
WOGLINDE<br />
Weia! Waga! Woge, du Welle,<br />
walle zur Wiege! Wagalaweia!<br />
Wallala, weiala weia!<br />
WELLGUNDE<br />
(Stimme von oben)<br />
Woglinde, wachst du allein?<br />
WOGLINDE<br />
Mit Wellgunde wär’ ich zu zwei.<br />
Erich Mühsam – Das war das Fräulein Liebetraut...<br />
Das war das Fräulein Liebetraut,<br />
das an den Folgen einer Traube litt.<br />
Quälend rumorten ihre Triebe laut,<br />
weshalb sie schnell in jene Laube tritt.<br />
Brentano bezog aus dem Klang der Vokale einen symbolischen Sinn:<br />
In dem A den Schall suchen,<br />
In dem E der Rede Wonne,<br />
In dem I der Stimme Wurzel,<br />
In dem O des Todes Odem,<br />
In dem U des Mutes Fluchen<br />
hat er aus dem Bauch geholet.<br />
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24