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Leseprobe (631 KB pdf ) - Folio Verlag

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GLöGGLHOF, ST. MAGDALENA/BOZEN<br />

Franz<br />

Gojer<br />

Das Urgestein<br />

Als der liebe Gott in sechs Tagen Südtirol erschaffen<br />

wollte, war er zu seinem Leidwesen am Samstag mit<br />

der Arbeit noch nicht ganz fertig geworden. Es fehlte<br />

noch ein kleiner Hügel in St. Magdalena und er musste<br />

eine Nachtschicht einlegen. So verstieß er unbeabsichtigt<br />

gegen die eigene Ruheverordnung und der<br />

Glögglhof wurde erst am Sonntagmorgen beendet.<br />

Franz Gojer kann diese Anekdote noch nie gehört haben.<br />

Sie wurde für dieses Buch erfunden. Sie liefert<br />

aber eine mögliche Erklärung für das sonnige Gemüt<br />

des Ur-Magdaleners und für die Einzigartigkeit seines<br />

Weinguts, dieses südostexponierten Moränenkegels<br />

am Fuße des Bergs, aus dessen Pergelterrassen auf<br />

sandig-lockerem Boden ein exemplarischer, klassischer<br />

Magdalener kommt und auf dessen Kuppe mit<br />

dem »Rondell« ein großartiger Grand Cru wächst.<br />

»Das Phänomen St. Magdalener besteht darin, dass<br />

er nicht in Mode ist und wir trotzdem im Herbst keine<br />

unverkaufte Flasche mehr im Keller haben«, sagte<br />

mir einmal Georg Ramoser vom Untermoserhof. Ohne<br />

den nur eine Straßenkurve entfernten Gojer hätte<br />

vielleicht die Geschichte des samtig-kräftigen Weins<br />

einen anderen Verlauf genommen. Denn Gojers Hofübernahme<br />

1982 fiel mehr oder weniger mit dem Absatzzusammenbruch<br />

des Magdaleners in die Schweiz<br />

zusammen. Vorher hatten die Produzenten die Vermarktung<br />

den (Schweizer) Weinhändlern überlassen.<br />

Nachher waren sie plötzlich auf sich selbst zurückgeworfen<br />

und gezwungen, den Wein selbst in Flaschen<br />

zu füllen und zu verkaufen. Der 31-jährige Franz Gojer<br />

packte die Gelegenheit beim Schopf und begann sich<br />

mit tiefen Erträgen und klassischer Maischegärung<br />

als Selbstkelterer zu profilieren und spornte seine<br />

ihm kollegial verbundenen Nachbarn mit dem unerschütterlichen<br />

Glauben an die einzigartige Güte des<br />

Magdaleners zu vergleichbaren Taten an.<br />

Mittlerweile ist der Name Gojer in der deutschsprachigen<br />

und italienischen Weinwelt ein Begriff. Der Erfolg<br />

hat den Wein- und Apfelbauer freilich nicht verändert.<br />

Er tritt bescheiden auf wie eh und je. Zunächst<br />

abwartend, wortkarg, ja scheu, fremden Ausführun-<br />

gen mit dem in der Gegend verbreiteten »Ach so«<br />

begegnend. Das signalisiert verhaltenes Interesse<br />

und keineswegs etwa Desinteresse, wie man meinen<br />

könnte. Langsam taut er auf, seine Lebenslust wird<br />

spürbar, seine Begeisterung steckt an.<br />

Bei meinem letzten Besuch strahlt Franz Gojer wie ein<br />

Maikäfer. Er will mir seine Neuerwerbung vorführen,<br />

obwohl er müde vom Apfelspritzen zurückkommt.<br />

Denn 2007 ist ihm ein veritabler Coup gelungen: Auf<br />

einen Tipp von Josephus Mayr hin ersteigerte er in<br />

Karneid auf 600 Meter Höhe relativ preiswert einen<br />

Weinhof mit drei Hektar bestem Rebland. Nun hat er<br />

die ersten 7000 Quadratmeter mit Kerner bestockt –<br />

freimütig räumt er ein, dass ihn die Kerner-Euphorie<br />

des italienischen Markts zur Pflanzung dieser umstrittenen<br />

Sorte bewogen habe.<br />

Wir überqueren im letzten Abendlicht den Eisack und<br />

schlängeln uns auf der gegenüberliegenden Talseite<br />

an Schloss Karneid vorbei den Berg hoch bis zu sanft<br />

geneigten Rebflächen am Rand des Dorfes. Scharf<br />

brechen die Ränder zum Eggental ab. Auf seiner Frau<br />

Maria Luise Bitte hin baute Franz ein langes Geländer,<br />

bevor er mit dem Entfernen der alten Vernatsch-<br />

Anlage und mit der Neupflanzung begann. Am Horizont<br />

versinkt die Sonne, ein kühler Wind frischt auf,<br />

als ob die Natur zeigen möchte, dass wir uns hier in<br />

einem idealen Anbaugebiet für Weißweine befinden.<br />

Franz will Riesling und Sauvignon blanc pflanzen, als<br />

zusätzliche Herausforderung schließlich auch etwas<br />

roten Blauburgunder. Der alte Stadel wird zu einem<br />

Weinkeller umgebaut, so dass Gojers 1986 geborener<br />

Sohn Florian nach Abschluss der Weinbauschule in<br />

Weinsberg in Deutschland optimale Bedingungen für<br />

die praktische Anwendung seines erworbenen Wissens<br />

haben wird.<br />

Noch aber ist Franz Gojer mit 40 000 Flaschen ein<br />

hundertprozentiger Rotweinwinzer und der Glögglhof<br />

eine unversiegbare Quelle von kräftigen, trinkigen,<br />

vergnüglichen Rotweinen. Das beweisen einmal mehr<br />

46 Bozen<br />

Südtir ol s Fr eie Weinbauer n 47

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