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Main, und bald darauf leitet er auch hier wieder<br />
ein Collegium musicum. 1721 schließlich folgt<br />
er einem Ruf nach Hamburg, wo er wiederum<br />
Gelegenheit hat, als Opernkomponist tätig zu<br />
werden, und tritt hier das Amt des Kantors am<br />
Johanneum und Musikdirektors der Hansestadt<br />
und ihrer fünf Hauptkirchen an, das er bis zu<br />
seinem Tode am 25. Juni 1767 verwaltet.<br />
<strong>Telemann</strong>s überaus reiches kompositorisches<br />
Schaffen, der Ertrag eines Dreivierteljahrhunderts,<br />
umfasst nahezu alle Gattungen der Musik und<br />
reicht vom kleinen Cembalostück über Kammersonaten<br />
unterschiedlichster Anlage und Besetzung<br />
bis hin zu Konzert und Orchestersuite und, im<br />
vokalen Bereich, vom Generalbasslied über Kammer-<br />
und Kirchenkantate bis zum Oratorium und<br />
zur Oper. Allenthalben in seinem Werk zeigt sich<br />
<strong>Telemann</strong> als ein fortschrittlicher, dem Neuen<br />
aufgeschlossener und experimentierfreudig nach<br />
neuen Wegen suchender Komponist; nicht zu<br />
Unrecht hat man ihn einen Wegbereiter der Klassik<br />
genannt. Indes macht das kompositorische<br />
Wirken nur einen Teil seiner musikgeschichtlichen<br />
Bedeutung aus: Als Musikverleger, als Autor didaktisch<br />
ausgerichteter Publikationen („Singe-, Spielund<br />
Generalbassübungen“; „Methodische<br />
Sonaten“ mit Verzierungsbeispielen), als Leiter<br />
bürgerlicher Musikvereinigungen und Initiator<br />
öffentlicher Konzerte hat er wesentlich an der<br />
Schaffung auch der äußeren Voraussetzungen für<br />
die folgende, vom musikalisch gebildeten Bürgertum<br />
getragene Epoche der Musik mitgewirkt.<br />
Die neue Epoche hat <strong>Telemann</strong> allerdings rasch<br />
vergessen. Für das 19. Jahrhundert, das die Musik<br />
Bachs wiederentdeckte, verschwanden <strong>Telemann</strong>s<br />
Musik und seine historischen Verdienste ganz hinter<br />
der allesüberragenden Gestalt des Thomaskantors.<br />
Eine Wende bahnte sich erst in den 20er<br />
und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts im Zuge der<br />
allgemeinen Renaissance der Alten Musik an. Das<br />
Interesse galt zunächst vornehmlich der Kammermusik,<br />
wandte sich bald aber auch den übrigen<br />
Bereichen des <strong>Telemann</strong>schen Œuvres zu.<br />
Biografie 3<br />
Dabei hat die Kirchenmusik als letzte begonnen,<br />
sich aus dem Schatten Bachs zu lösen. Es scheint,<br />
dass die Zeit erst reif werden musste für die<br />
Erkenntnis, dass <strong>Telemann</strong>s Musik nicht mit<br />
Bachschen Maßstäben gemessen werden darf<br />
und dass sich in den Kirchenkompositionen Bachs<br />
und <strong>Telemann</strong>s zwei bei mancherlei äußerer Übereinstimmung<br />
doch in ihren Grundlagen verschiedene<br />
Ansätze verwirklichen. Der noch in spätmittelalterlichen<br />
theozentrischen Anschauungen verankerten<br />
Musica sacra Bachs steht bei <strong>Telemann</strong><br />
eine Kirchenmusik aus dem Geist der beginnenden<br />
Aufklärung gegenüber, aus einem Weltbild, das<br />
den Menschen zum Maß und Mittelpunkt nimmt,<br />
Musik, die sich an eine breite, übergemeindliche<br />
Öffentlichkeit richtet und eine mehr und mehr<br />
säkularisierte Welt in deren eigener musikalischer<br />
Sprache – mit all ihren Möglichkeiten und Grenzen<br />
– anzusprechen sucht.<br />
<strong>Telemann</strong> selbst hat der Kirchenmusik in seinem<br />
Schaffen eine zentrale Rolle zugewiesen. „Dieses<br />
aber weiß [ich] wol / daß ich allemahl die Kirchen-<br />
Music am meisten werth geschätzet / am meisten<br />
in anderen Autoribus ihrentwegen geforschet /<br />
und auch das meiste darinnen ausgearbeitet<br />
habe“, schreibt er in seiner Autobiographie von<br />
1718 und erwähnt dann das bis dahin Geschaffene:<br />
Neben einer offenbar beträchtlichen Anzahl<br />
„Communion- und Nachmittags-Stücke / Missen /<br />
Psalmen / Arietten u.s.w.“ sind es fünf vollständige<br />
und zwei nahezu fertige Kantatenjahrgänge –<br />
insgesamt müssen es damals bereits mehr als 500<br />
Kirchenkompositionen gewesen sein; und wohl<br />
mehr als 1000 sind in den fast fünfzig Schaffensjahren,<br />
die <strong>Telemann</strong> noch beschieden sein sollten,<br />
hinzugekommen. Vieles davon ist untergegangen;<br />
doch auch das Erhaltene ist bislang kaum zu<br />
überblicken.<br />
Der vorliegende Katalog möchte zeigen, dass es<br />
auf diesem Felde für die heutige Praxis noch<br />
mancherlei Wertvolles zu entdecken gibt.<br />
Klaus Hofmann