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Skript zur ersten Vorlesung Konjunktur und Wachstum - Karl Betz

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<strong>Skript</strong><strong>zur</strong> <strong>ersten</strong> <strong>Vorlesung</strong><strong>Konjunktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Wachstum</strong>vonFrank Raulf03.04.20121


1. Das Bruttoinlandsprodukt als Wohlfahrtsindikator................................................................ 32. Theoretisches <strong>und</strong> empirisches Zustandekommen des BIP ................................................... 32.2 Rechenregeln zu <strong>Wachstum</strong>sraten ............................................................................... 53. Probleme bei der Ermittlung des Index.................................................................................. 54. Das PKE (PCI) ....................................................................................................................... 64.2 Weitere Maßzahlen ...................................................................................................... 65. <strong>Wachstum</strong>sraten berechnen.................................................................................................... 76. Skalerierungen........................................................................................................................ 76.2 Das Geometrische Mittel.............................................................................................. 86.3 Die 70ger Regel............................................................................................................ 87. Zusammenhang <strong>Konjunktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Wachstum</strong>........................................................................ 10Abbildungsverzeichnis ..................................................................................................... 12Tabellenverzeichnis.......................................................................................................... 122


1. Das Bruttoinlandsprodukt als WohlfahrtsindikatorBei dem BIP handelt es sich um einen Wohlfahrtsindikator, der messen soll, wie es um dieWohlfahrt einer Volkswirtschaft bestellt ist.Das BIP zeigt den "Wert aller innerhalb einer Periode in einer Volkswirtschaft neuerstellten Güter <strong>und</strong> Dienstleistungen."• Wert meint hier die Menge mal Preis• innerhalb einer Volkswirtschaft: Im Inland nicht von Inländern, sonst würde es sichum das Nationaleinkommen handeln (BIP/GDP vs. BNP/GNP)• neu erstellt: Nur neu produziertes zählt. Keine Lagerbestände aus dem Vorjahr oderGebrauchtwagen. Bestandserhöhungen der Periode hingegen zählen mit dazu.Beispiel zu "neu" <strong>und</strong> "innerhalb einer Periode":Kaufe ich ein Auto, so tangiert der Preis nur das BIP, wenn das Auto in diesem Jahr(Periode) hergestellt wurde <strong>und</strong> ich Ersteigentümer bin. Ein Weiterverkauf wäre nichtim BIP vorhanden, genau so wie der Kauf des Autos in einem Jahr in dem es nichtproduziert wurde.Das BIP ist nicht unproblematisch zu betrachten, da vgl. Stiglitz viele, die Volkswirtschaftbetreffende Faktoren nicht beachtet werden. Orientiert sich eine Volkswirtschaft nur am BIP,so werden unter umständen andere Faktoren heranwachsen, die trotz steigendem BIP zu einerReduktion der Wohlfahrt führen können.So würde die Missachtung von Umweltschutz zu höherer Produktivität <strong>und</strong> somit zu einemhöheren BIP führen, doch würden die Menschen durch die Umweltschäden unter Umständenstärker beeinflusst, als das BIP-<strong>Wachstum</strong> kompensieren könnte. Volle Gefängnisse führendurch die höheren Staatsausgaben zu einer Steigerung des Bruttoinlandsproduktes, doch sindauch volle Gefängnisse nicht erstrebenswert. Von dem BIP oder der <strong>Wachstum</strong>srate des BIPmüssten diese Werte noch abgezogen werden. Die Frage, die sich hier natürlich stellt, ist dienach der Höhe des Abzugs. Problematisch ist dieser Index besonders in Ländern mitungerechter Einkommensverteilung bzw. bei Ländern, bei denen im Land Produzierte Güterzu Gewinnen Im Ausland führen.Das BIP ist nur einer von vielen Wohlfahrtsindikatoren. Daneben gibt es noch den HumanDevelopment Index (HDI), das Bruttonationalprodukt (GNP), Bruttonationalglück(Happienesindex), PKE (Pro Kopf Einkommen) uvm..In dieser Veranstaltung soll das BIP Gegenstand der <strong>Wachstum</strong>stheorie sein.2. Theoretisches <strong>und</strong> empirisches Zustandekommen desBIPDas Nominale BIP besteht aus Konsum (C), den Investitionen (I), den Staatsausgaben(G)<strong>und</strong> den Nettoexporten (Nx). Kurz:PY = PC + PI + PG + PNx3


"PY" stellt somit die Ausgaben bzw. das Einkommen einer Volkswirtschaft in einerPeriode dar. Des einen Einkommen sind des anderen Ausgaben.Abgekürzt kann man auch schreiben:PY = Preis * MengeFür einen Anstieg des BIP kann also des Preis oder die Menge verantwortlich sein. Weilsteigende Preise nicht unbedingt einen Anstieg der Wohlfahrt repräsentieren ist hier eherdie Mengenentwicklung von Interesse.Beim nominalen BIP existiert das Problem der Vergleichbarkeit aufeinander folgenderPerioden, da das Preisniveau sich verändert haben kann.Wenn das BIP im Jahr 1 einen Wert von 10 * 10 = 100 hat <strong>und</strong> im Jahr darauf einen Wertvon 10 * 10,5 = 105, dann kann das am veränderten Preisniveau liegen. Um diesemProblem entgegen zu kommen, wird das reale BIP bemüht.Das reale BIP wird mit konstante Preisen gemessen. Ein frei wählbares Jahr, was auch dasProblem daran ist, wird <strong>zur</strong> Preisbereinigung herangezogen.Zu obigem Beispiel:Preise von Jahr 1 werden nun <strong>zur</strong> Preisbereinigung herangezogen.Wert des BIP = Menge * Preis hier Y real = 10 * 10 <strong>und</strong> in Jahr 2 gilt dann: Y real = 10 * 10Wie zu sehen ist, hat sich die Menge, die interessiert nicht geändert <strong>und</strong> da hier bei demrealen BIP mit konstanten Preisen gerechnet wurde das BIP auch nicht.Reales BIP = Aktuelle Menge * konstante Preise (aus einem frei gewählten Jahr)(Alternativ zieht man vom BIP die Preissteigerung multipliziert mit der Menge ab)Empirisch z. B. über das statistische B<strong>und</strong>esamt erhält man das BIP durch folgendesVorgehen:Durch die Umsatzsteuer erhält man die Umsätze (<strong>zur</strong> Erinnerung: Umsatz = Menge *Preis), somit hat man das nominale BIP.Die Preise sind auch erhältlich, nun fehlt nur noch die Menge.Y = P * XX = Y / PDer Niveauvergleich bei dem realen BIP ist allerdings, weil die absoluten Zahlen nichtviel aussagen eher uninteressant.Bedeutender ist die Veränderung des BIP zum Vorjahr.___________________________________________________________1) Statistisches B<strong>und</strong>esamt4


Deutschland hatte 2011 ein reales BIP von 2570800000000 € 1 gehabt, doch was sagt das aus?2.2 Rechenregeln zu <strong>Wachstum</strong>sratenWenn ein Produkt aus Faktoren vorliegt, so muss bei den <strong>Wachstum</strong>sraten der Faktoren eineAddition durchgeführt werden, um auf die <strong>Wachstum</strong>srate des Produktes schließen zukönnen.Beispiel:g y = g p + g y ; g = growthDas BIP sei 2010 Y = 100 <strong>und</strong> 2011 Y = 110 <strong>und</strong> der Preis Sei 2010 P = 10 <strong>und</strong> 2011 P = 11.Auf die Menge kommt man durch:2010 => 100 / 10 = 102011 => 110 / 11 = 10Das Mengenwachstum ist also Null.Durch die obige Regel <strong>zur</strong> <strong>Wachstum</strong>srate müsste sich also das gleiche ergeben.BIP <strong>Wachstum</strong> => (110 - 100) / 100 ≙ 10 % von 2010 auf 2011Preiswachstum (Inflation π) => (11 - 10) / 10 ≙ 10 %Eingesetzt in obige Formel ergibt sich:10 % = 10 % + g yg y = 10 % - 10 %g y = 0Das Mengenwachstum des BIP, um das es geht ist also eine Residualgröße.3. Probleme bei der Ermittlung des IndexWie oben schon erwähnt ist das BIP nicht vollständig. Nicht erstrebenswerte Effekte werdennicht abgezogen <strong>und</strong> Leistungen, die nicht über den Markt geregelt werden, sind nichtenthalten. Die Pflege von Angehörigen wurde früher von der Familie übernommen <strong>und</strong>erschien damit nicht im BIP, heute handelt es sich um Dienstleistungen von Altersheimenoder Pflegediensten <strong>und</strong> erscheint im BIP.Bei der Ermittlung des Preisniveaus bzw. der Inflation ist zunächst der Warenkorb selbst dasProblem.5


Welcher Warenkorb soll benutzt werden? CPI, Großhandelspreise ... usw.Wie soll bei Änderung der Güter im Warenkorb der Preis der neuen Güter ermittelt werden,wenn diese noch nicht lange genug existieren? Beispiel: iPad.Wie sollen Qualitätsänderungen z. B. bedingt durch den technischen fortschrittBerücksichtigung finden?Welches Basisjahr soll <strong>zur</strong> Preisbereinigung herangezogen werden?Das reale BIP ist offensichtlich nur ein grober Indikator.4. Das PKE (PCI)Das Pro Kopf Einkommen misst das Einkommen Pro Kopf in einer Volkswirtschaft innerhalbeiner Periode.PKE = Y / BevölkerungsanzahlUnter Hinzunahme der Regel aus 2.2 ergibt sich analog für die <strong>Wachstum</strong>sraten:g PKE = g y - g BevölkerungEin Zu- oder Abnahme der Bevölkerung erhöht oder verringert das PKE.4.2 Weitere Maßzahlen(Ȟ) Output (Einkommen) pro Beschäftigungsst<strong>und</strong>e:Ȟ = Y / Lg Ȟ = g y - g L(w/P) Reallohn = Geldlohnsatz / Preisniveaug (w/P) = g w - g PWenn mehr Menschen Arbeiten, die Produktivität (Steigung der Produktionsfunktion) abergleich bleibt, so steigt das BIP auch. DurchBIP / Beschäftigtelässt sich die höhere Partizipationsrate bereinigen.6


5. <strong>Wachstum</strong>sraten berechnenGrowth = gg = (neu - alt) / alt *100 = ∆ / alt / ∆ Zeit * 100 = (neu / alt -1) * 1006. SkalerierungenBei konstantem Zuwachs handelt es sich um eine lineare Steigung (sofern sie Skala nichtlogarithmisch gewählt ist). (Arithmetisch)Beispiel:BIP steigt pro Jahr um 10. Der Ausgangswert ist 100.BIP (t) = 100 + 10tBei konstanten Zuwachsraten handelt es sich um eine gekrümmte Steigung. (Geometrisch)Beispiel:BIP steigt pro Jahr um 10 %. Der Ausgangswert ist 100.BIP (t) = 100 * 1,1 tAbb 1:150140130120110100901 2 3 4 5(Quelle: Eigene Darstellung)Y(t)=100 x 1,1^tY(t)= 100 + 10tBei einer logarithmischen Darstellung wird hingegen die Ordinate soskaleriert, dass diegeometrische Folge linear dargestellt wird.7


6.2 Das Geometrische MittelUm die durchschnittliche <strong>Wachstum</strong>srate einer geometrischen Folge zu Berechnen, bedientman sich dem Geometrischen Mittel.K n = K 0 * (1+i) n | :K 0 | n √ | -1i = n √( K n / K 0 ) - 1Alternative Schreibweise:i = n √ (1+i 1 * 1+i 2 * 1+i 3 *...*1+i n ) - 1i = n √ (K 1 / K 0 * K 2 / K 1 *...* K n / K n-1 )In der Klammer wird alles außer K n im Zähler <strong>und</strong> K 0 im Nenner weggekürzt. Übrig bleibet:i = n √( K n / K 0 ) - 16.3 Die 70ger RegelWenn ein Wert mit einer Konstanten Rate von g % wächst, dann verdoppelt sich der Wertnach 70 / g Jahren.Beispiel:Das Einkommen wächst um 10 % Jährlich.70 / 10 = 7 JahreNach 7 Jahren hat sich hiernach der Wert verdoppelt.Kontrolle:1,1 n = 2 | log()n * log 1,1 = log 2 | : log 1,1n = log 2 / log 1,1n = 7,27wie man sieht stimmt die 70er Regel ungefähr. Diese Regel ist somit eine Heuristik <strong>zur</strong>vereinfachten Annäherung.8


Tab 1:(Quelle: Maddison, Angus (2008); eigene Berechnungen). (Es wurden nur die Länder ausgewählt, fürdiehinreichend lange Zeitreihen verfügbar waren.) QuelleWie unschwer zu erkennen ist haben die Länder, die schon am Anfang reich waren einegeringere <strong>Wachstum</strong>srate.Falls ein BIP an eine oberen Grenze konvergiert, so ist ein zusätzliches Prozent im oberenBereich leichter erreichbar als im unteren Bereich. Dies könnte eine Begründung für die<strong>Wachstum</strong>sunterschiede zwischen z. B. Finnland <strong>und</strong> UK sein.9


Ist beim <strong>Wachstum</strong> der Nenner am Anfang größer, so ist das <strong>Wachstum</strong> kleiner. Je kleiner derNenner (Ausgangswert), desto größer das <strong>Wachstum</strong>.7. Zusammenhang <strong>Konjunktur</strong> <strong>und</strong> <strong>Wachstum</strong>Die Kurzfristigen Schwankungen des BIP können als <strong>Konjunktur</strong> <strong>und</strong> die Langfristigen als<strong>Wachstum</strong> bezeichnet werden.Hat die <strong>Konjunktur</strong> Einfluss auf das <strong>Wachstum</strong>?Im Falle des Trend reverting nicht. Hierbei ist ein eindeutiger Trend gegeben, der sich trotzkurzfristiger konjunktureller Ausschläge wieder einpendelt. Das <strong>Wachstum</strong> erhöht sich nacheiner kurzen Krise wieder <strong>und</strong> steigt rasant an.Beispiel:Das Einkommen wächst in Jahr 1 um 10 %. Ausgangswert ist 100. In Jahr zwei Fällt es um 10% <strong>und</strong> in Jahr 3 steigt es wieder, aber diesmal rasanter um 34,4 %Tab 2:Abb 2:JAHR BIP Growth1 110 0,12 99 -0,13 133 0,34414013513012512011511010510095901 2 3(Quelle: Eigene Darstellung)10


Beim Mean reverting handelt es sich um einen Effekt, der eintritt, weil bei der<strong>Wachstum</strong>srate im Nenner nicht immer die gleichen Werte stehen.Falls bei dem Beispiel in Jahr 3 die <strong>Wachstum</strong>srate nur wieder, wie vorher, 10 % betragenhätte, würde sich der Trend nicht zu genüge erholen.Wenn das BIP nach einem Sturz nicht mit einer höheren <strong>Wachstum</strong>srate wieder ansteigt, alses vorher gefallen ist, fällt der Trend.Tab 3:Abb. 3:JAHR BIP Growth1 110 0,12 99 -0,13 108,9 0,111511010510095901 2 3(Quelle: Eigene Darstellung)Das Mean reverting ist ein Bruch mit dem Trend <strong>und</strong> stellt eine schwere Krise dar.10 % im <strong>ersten</strong> Jahr führen zu 110. Dieser Wert (110) ist Ausgangsgröße für das zweite Jahr,in dem eine Schrumpfung von 10 % statt findet. Im Jahr darauf wächst das Einkommen zwarwieder wie vorher um 10 %, doch ist die Ausgangsgröße nur noch 99 <strong>und</strong> somit kleiner alsvorher. Bei kontinuierlichen <strong>Wachstum</strong>sraten ist der Trend für immer gebrochen (verringert).11


AbbildungsverzeichnisAbb. 1 Seite 7Abb. 2 Seite 10Abb. 3 Seite 11TabellenverzeichnisTab. 1 Seite 9Tab. 2 Seite 10Tab. 3 Seite 1112

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