11.07.2015 Aufrufe

Mitteilungsblatt Dezember 2013 - NRB

Mitteilungsblatt Dezember 2013 - NRB

Mitteilungsblatt Dezember 2013 - NRB

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

Bund der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwältedezember <strong>2013</strong>mitteilungsblatt


7kum hinzu, die diesen Strafprozess begleiten wollen. Dafür einSensorium zu entwickeln, finde ich sehr wichtig. Das möchteich gern vorantreiben.Das heißt eine höhere Sensibilisierung für Richter undRechtspfleger?Ja, für Gefahrenpotential und auch für Deeskalationsmöglichkeiten.Die Richter und Rechtspfleger müssen wissen, was siein einer gefährlichen Situation machen müssen. Sie sollen sichnicht hilflos der Situation ausgesetzt fühlen. Das ist die scheußlichsteEmpfindung, die man haben kann, und sie ist auch einschlechter Ratgeber.Zwei Fragen noch: Ein Thema, das den <strong>NRB</strong> schon langebeschäftigt, ist die Frage Stellenhebungen. Es gibt einStellenhebungskonzept. Können Sie zum jetzigen Zeitpunktsagen, ob damit vielleicht irgendwann Erfolg erzieltwerden kann?Wir haben schon Vorgespräche geführt mit dem Finanzminister.Das was endgültig dabei herauskommt, kann ich Ihnen nochnicht sagen. Die Haushaltsklausur der Landesregierung stehtunmittelbar bevor. Es gibt Stellenhebungskonzepte nicht nurim Bereich der Justiz, sondern auch in anderen Bereichen. Wirwerden deshalb alle Stellenhebungskonzepte abschließendin der Haushaltsklausur beraten. Ich würde mal so sagen: dieChancen sehe ich nicht so schlecht! (Anm. d. Redaktion: DieLandesregierung hat in ihrer Haushaltsklausur am 2./3. Juli<strong>2013</strong> die Umsetzung des Stellenhebungskonzepts in vollemUmfang beschlossen!).Was möchten Sie am Ende der Legislaturperiode erreichthaben?Ich möchte am Ende der Legislaturperiode etwas erreicht haben,was nicht allein „Stellenhebungskonzept“ oder „mehrSicherheit“ heißt. Ich möchte, dass der Blick auf die Justiz einBlick ist, den man mit dem Begriff Vertrauen assoziiert, nachinnen wie nach außen. Ich möchte, dass Bürger Justiz nichtmit dem Spruch assoziieren „Vor Gericht und auf hoher See istman in Gottes Hand“. Ihr Bewusstsein soll gestärkt sein, dassJustiz etwas unheimlich Kostbares für dieses Land leistet undfür den Zusammenhalt der Gesellschaft wichtig ist. Es ist fürjeden einzelnen wichtig zu wissen: wenn es Konflikte gibt, inder Ehe, mit den Kindern, mit dem Vermieter, mit dem Arbeitgeber,gibt es in diesem Land einen guten Richter. Und diesesBewusstsein möchte ich stärken. Und ich möchte auch gerneine Personalstruktur, eine Führung der Häuser haben, dieeben diese Haltung transportiert. Da wird es keinen 100%igenErfolg geben. Aber die Justiz sollte in ihrem Umgang mit ihremPersonal und in ihrer Wirkung nach außen aktiver um Vertrauenwerben als heute. Wenn ich das erreichen könnte, wäre ichzufrieden.Vielen Dank!Das Interview wurde von DirAG Hanspeter Teetzmann und Dir‘inAGKirstin Seidel geführt.<strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><strong>Mitteilungsblatt</strong>


8wie eine prozesswelle alles überrolltinterview mit der vizepräsidentin des landgerichts göttingen, cornelia marahrensDas Landgericht Göttingen wird „überrollt“ von „Securenta-Verfahren“.Worum geht es dabei eigentlichgrundsätzlich?Paradoxerweise führte die Insolvenz der sog. Göttinger Gruppe(Securenta) in 2007 dazu, dass das Landgericht Göttingen mitVerfahren überschwemmt wurde, nachdem in den Jahren zuvorbereits zahlreiche Anleger – überwiegend erfolgreich – aufRückzahlung der geleisteten Einlagen geklagt hatten. Nacheiner erst kürzlich ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofswird eine große Anzahl dieser Anleger allerdingswegen erfolgreicher Anfechtung durch den Insolvenzverwalterdie ausgezahlten Einlagen wieder zur Insolvenzmasse einzahlenmüssen!Seit 2007 wurden dann nach und nach rund 20 ehemaligeVorstandsmitglieder und andere tatsächlich oder vermeintlichVerantwortliche der sog. Göttinger Gruppe – in unterschiedlichenGruppierungen – von Anlegern unter zahlreichen Gesichtspunktenauf Schadensersatz verklagt. Diesen Klagen liegtdie Geschäftstätigkeit von Beteiligungsgesellschaften der sog.Göttinger Gruppe in einem Zeitraum von mehr als 10 Jahrenzugrunde.Neu hinzu gekommen sind in diesem Jahr bisher allein ca.3.200 Klagen und Klageerweiterungen gegen 2 Wirtschaftsprüfungsgesellschaftenund ein Wirtschaftsberatungsunternehmen,die auf Schadensersatz wegen fehlerhafter BilanzundProspektprüfungen und Unternehmensplanungen in denJahren 1989 bis 1996 in Anspruch genommen werden.Von welcher Zahl an Verfahren sprechen wir denn?Derzeit sind noch über 8.000(!) Verfahren anhängig aus denJahren 2007 und 2008 sowie 2010 bis <strong>2013</strong>.Sind diese alle innerhalb kurzer Zeit zum Landgericht gekommenoder sind die Zahlen langsam gestiegen?Seit 2005 sind mehr als 10.000 Verfahren eingegangen, davonallein in diesem Jahr bisher rund 3.200. Mit Ausnahme einesJahres sind jährlich eine beträchtliche Zahl an Klagen betreffenddie sog. Göttinger Gruppe beim Landgericht Göttingenrechtshängig gemacht worden, meist im vierstelligen Bereich.Nachdem in 2009 überhaupt keine neuen Klagen und in 2010zunächst „nur“ rund 400 neue Klagen zu verzeichnen waren,hatten wir die leise Hoffnung, den Gipfel hinter uns gelassenzu haben. Weit gefehlt! Allein zur Jahreswende 2010/2011gingen mehr als 1.600 neue Klagen ein und in <strong>2013</strong> bishersogar – wie bereits erwähnt – mehr als 3.200, darunter 69Sammelklagen mit insgesamt rund 1.500 Klägern.Wie umfangreich ist denn das einzelne Verfahren imDurchschnitt: 200 Blatt? 500 Blatt?Die in <strong>2013</strong> eingegangenen Klageschriften umfassen jeweilsmehr als 500 Seiten, dazu gehören dann für alle Verfahrenzusammen noch 820 Anlagen in 17 gut gefüllten Leitzordnern!Bei den älteren Verfahren belief sich der Umfang derKlageschriften jeweils auf immerhin knapp 400 Seiten. Dazukommen dann die ausführlichen Klageerwiderungen und weitereSchriftsätze. Teilweise musste für die einzelnen Verfahreninzwischen ein dritter Leitzordner angelegt werden.Wie kann man denn solche Verfahrensberge überhauptlagern?Die alte Gerichtsbibliothek, in der nach einem Umbau bisvor 2 Jahren noch rund 50 Studenten und Referendare ihreKlausuren für die Staatsexamina geschrieben haben und derdavor befindliche Flur sowie ein weiterer Klausurenraum sindumgewidmet und mit Regalen vollgestellt worden. Natürlichmusste vorab die Statik geprüft werden und es gab dezidierteAnweisungen, wo und wie die Spezialregale aufgebaut werdendürfen.Als im Frühjahr dieses Jahres weitere rund 3.000 Verfahrenhinzugekommen sind, stellte sich natürlich die Frage der Auslagerung,die auf die andere Seite der Stadt hätte erfolgenmüssen. Verständlicherweise wollten alle mit diesem Großverfahrenbefassten Mitarbeiter nicht den Kontakt zum Gerichtverlieren, sodass wir stattdessen mehrere Räume im Keller zuAktenlagerräumen umgebaut haben. Das hat den Vorteil, dassdie Sprinter, die die Klagen auf Paletten anlieferten, direktvorfahren und die Paletten mit den Klagen in die Kellerfluregebracht werden konnten. Die zuvor in diesen Kellerräumengelagerten aufbewahrungspflichtigen Akten mussten wiederumin großem Umfang mikroverfilmt werden.Wie viele Richterinnen und Richter sind denn für die Verfahrenzuständig?Derzeit sind in mittlerweile 3 Zivilkammern insgesamt 9 Richterinnenund Richter mit einem Arbeitskraftanteil (AKA) von 6,25mit der Bearbeitung der Verfahren befasst.Und wie viele Kräfte in den Serviceeinheiten?In den Serviceeinheiten sind insgesamt 8 Mitarbeiter mit 6,5AKA tätig, im Wachtmeisterdienst konnte ein weiterer Mitarbeitereingestellt werden. In Stoßzeiten stellen sich dankenswerterweiseweitere Mitarbeiter des Landgerichts und derAmtsgerichte des Landgerichtsbezirks in ausreichendem Maße<strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


9VPräs’inLG Cornelia Marahrens vor den Göttinger Aktenbergen, Foto: Heidi Niemann/pidzur Verfügung, die beim Sortieren und Einheften von Schriftsätzenbehilflich sind. Ansonsten wäre die anfallende Arbeitbereits wegen der körperlichen Belastung für die Mitarbeiterder Serviceeinheiten in einem angemessenen Zeitrahmen nichtzu bewältigen.Nur ein Beispiel: Nach erfolgter Zustellung mussten allein inden neuen Verfahren in diesem Jahr mehr als 3.000 Akten ausden Regalen herausgeholt und rund 8.000 Zustellungsurkundeneingeheftet werden. Und das wiederholt sich dann mitEingang der Verteidigungsanzeige usw.Gibt es technische Hilfsmittel bei so einer Ausnahmesituation,um wenigstens den Überblick zu behalten?Es gibt zum einen die derzeit üblichen technischen Hilfsmittel.So haben die Kammern mithilfe von Excel umfangreiche Verfahrenslistenangelegt, um sich einen Überblick zu verschaffenund diesen zu behalten. In diesen Listen werden alle wesentlichenDaten und Inhalte der Schriftsätze für alle Zukunftfestgehalten. Das bedeutete natürlich, dass sich die Kammernvorher intensiv darüber beraten mussten, was sinnvollerweisein diesen Übersichten enthalten sein sollte. Und dann müssendiese Listen auch noch stets auf dem Laufenden gehalten, abgeglichenund überprüft werden.Aber natürlich gibt es auch bereits getätigte Anschaffungen, z.B.weitere USB-Sticks und einen neuen Hochleistungsdrucker, derin diesen Tagen in Betrieb genommen werden soll. Außerdemsind jetzt in Zusammenarbeit mit dem Justizministerium unddem ZIB Überlegungen im Gange, ob es Möglichkeiten gibt,Excel und Datenbanksysteme dem speziellen Bedarf anzupassen.Für die Arbeit der Serviceeinheiten stellte es sich alsGlücksfall dar, dass eine Mitarbeiterin bereits vertiefte Kenntnisseim Bereich der Serienbriefe hatte.Wie lassen sich solche Aktenberge überhaupt von derMasse her transportieren? Bekommen die Wachtmeisteretwa neue Aktenwagen oder wie bekommt man dieshin?Wenn es mit neuen Aktenwagen getan wäre, das wäre schön!Nein, da gehört eine Unmenge an logistischen Überlegungendazu, um diese Aktenberge in den Griff zu bekommen, aberneue Aktenwagen hat es natürlich auch gegeben. Ganz wichtigwar aber auch ein Hubwagen, da die Klagen mit LKWsund Sprintern auf Paletten angeliefert und so auch ins Hausverbracht wurden. Auch auf Paletten werden die Klagedoppeldann zur Zustellung an die Beklagten einer Spedition übergeben.Man sieht: Hier müssen im logistischen Bereich für einGericht völlig neue Wege beschritten werden, die sich unsereMitarbeiter mit Zuversicht, großem Engagement und viel Kreativitäterschlossen haben.Mithilfe unserer Mitarbeiter haben wir auch dafür gesorgt,dass die Wege so kurz wie möglich gehalten werden. So sindan den verschiedenen Standorten der Akten im Haus Arbeitsplätzeeinschließlich der erforderlichen EDV eingerichtetworden, die auch von den Richtern genutzt werden. Um denArbeitsaufwand gering zu halten, müssen Akten nur in Einzelfällenzur vertieften Bearbeitung noch in die Richterzimmergebracht werden.Können Sie uns Fakten/Zahlen nennen, die den Umfangder Verfahren plastisch darstellen?Gerne doch! Inzwischen lagern wir die Akten auf einerGesamtfläche von 1.000 m 2 in rund 700 lfm Regalen. DieGesamtlänge der Regalböden beläuft sich auf 3 km, angelegtworden sind 36.000 Leitzordner. Eingelagert sind rund 60 t Papier,auf jedes Verfahren entfallen bisher 5 kg.Und wem das noch nicht reicht: Allein im 1. Halbjahr <strong>2013</strong> sind>>><strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><strong>Mitteilungsblatt</strong>


10angesichts der neu eingegangenen Verfahren knapp 60.000EUR für Umbauarbeiten, neue Möbel sowie sonstige Materialienund für Transportkosten ausgegeben worden (z. B. fürneue Leuchten, Regale, Aktenordner, aber auch für Kleinigkeitenwie Stempel, Feuerlöscher, Tritthilfen und Abfallbehälter).Mit weiteren Ausgaben im fünfstelligen Bereich noch in diesemJahr müssen wir rechnen.Lassen sich denn die Verfahren durch einzelne Musterverfahrenvielleicht bewältigen (mit dem Ziel, dass fürdie weiteren Verfahren die Entscheidungen sich darauszwangsläufig ergeben)?Es gab in der Vergangenheit durchaus diverse Versuche, mittelsPilotverfahren die Erledigung der Verfahren insgesamt voranzutreiben.Diese Bemühungen hatten im Ergebnis allerdingsvor dem Hintergrund einer Vielzahl von Ablehnungsgesuchengegen die Richter in mehreren Instanzen mangels Zustimmungaller Beteiligten keinen durchschlagenden Erfolg.Angesichts der seit Ende 2011 erhobenen Verzögerungsrügenin mehreren tausend Verfahren haben die zuständigenKammern sodann in 2012 in rund 4.000 Verfahren verhandeltund im Anschluss daran eine sachverständige Begutachtungdes Anlagekonzeptes beschlossen. Allerdings gestaltet sich dieSuche nach geeigneten Sachverständigen nunmehr äußerstschwierig, nachdem die zuletzt benannten Sachverständigenmit Erfolg wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt wordensind.Gibt es denn wenigstens Personalverstärkungen für dasLandgericht Göttingen?Der Oberlandesgerichtsbezirk Braunschweig hat zunächst auseigenen Mitteln insbesondere zur Aufstockung befristeter Arbeitsverträgeund zur Einstellung eines Wachtmeisters Hilfegeleistet und bis zu 3 Richterarbeitskraftanteile zur Verfügunggestellt. Dafür gilt dem gesamten Bezirk unser Dank.Frau Justizministerin Niewisch-Lennartz hat sich zu unserergroßen Freude alsbald nach ihrem Dienstantritt im April diesesJahres vor Ort selbst ein Bild von der Situation gemacht. SovielAufmerksamkeit hat allen gut getan! Frau Ministerin hat sichdann bei den Haushaltsberatungen im Kabinett vor kurzem erfolgreichfür eine haushaltsmäßige Absicherung von 13 – befristeten– Stellen für alle Dienstbereiche eingesetzt.Verliert man in solcher Situation eigentlich die Hoffnung,die Verfahrensberge zu erledigen? Oder wie kann mandie betroffenen Mitarbeiter im Gericht dazu bringen,weiterhin mit Freude ihrer Arbeit nachzugehen?Wie heißt es so schön: „Die Hoffnung stirbt zuletzt ...“. Spaßbeiseite: Natürlich gibt es ein Auf und Ab in der Stimmungslage,das kann gar nicht anders sein. Seit mehreren Jahrenhaben wir in der Führungsetage deshalb gemeinsam mit denPersonalvertretungen unter dem Stichwort „Gesundheitsmanagement“gerade diesen Gesichtspunkt im Auge. So gibtFrau Marahrens zeigt einen der Kellerräume, in denen die im Frühjahreingegangene neue Klageserie gerade abgelegt worden ist.Foto: Heidi Niemann/pides regelmäßig Workshops mit den Richtern, Mitarbeitern derServiceeinheit und des Wachtmeisterdienstes, in denen sehrkonkret die jeweiligen Situationen und Probleme besprochenund dann gemeinsam einer Lösung zugeführt werden. Das istfür die Stimmungslage sehr hilfreich und schweißt die Kollegenund Mitarbeiter ungemein zusammen. So wird die Lastim Sinne von „Geteiltes Leid ist halbes Leid“ gemeinsam getragen.In diesen quartalsweise stattfindenden Workshops werdenmithilfe externer Moderatoren u. a. Kommunikationsproblemeaufgedeckt, Arbeitsabläufe gemeinsam überprüft, der Bedarfvon Arbeitsmitteln zur Arbeitserleichterung ermittelt sowie derPersonaleinsatz geplant und die Bildung von Teams besprochen.Dazu von mir eine ganz persönliche Anmerkung: Ich bewundereden wirklich hohen Einsatz und die ungebrochene Motivation,die ich bei allen Mitarbeitern und Kollegen der betroffenenKammern immer wieder beobachte, und freue mich natürlichauch darüber. Dazu trägt in einem nicht geringen Umfang auchbei, dass das ganze Haus und der Bezirk hinter den Kammernstehen und ihnen, so gut es geht, Unterstützung zukommenlassen, insbesondere dann, wenn es gilt, Belastungsspitzen abzufangen.Frau Marahrens, vielen Dank für die Antworten!Das Interview führte DirAG Hanspeter Teetzmann<strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


11Foto: ®_by_Susann von Wolffersdorff_pixelio.deder richterwahlausschuss in hamburgvon richter am finanzgericht michael jahns, hamburgDer Autor war sechs Jahre lang Mitglied des hamburgischenRichterwahlausschusses.Wer in Hamburg Richter werden oder als Richter befördertwerden will, muss – wie man hier sagt – durch den Richterwahlausschuss.Das sieht die Verfassung der Freien und HansestadtHamburg so vor. Dort heißt es in Art. 63 Abs. 1: DieBerufsrichterinnen und Berufsrichter werden vom Senat aufVorschlag eines Richterwahlausschusses ernannt. Die Einzelheitenregelt das Hamburgische Richtergesetz in den §§ 14 ff.,zudem hat sich der Richterwahlausschuss eine Geschäftsordnunggegeben.Der Richterwahlausschuss besteht aus drei Mitgliedern desSenats oder Senatssyndici (aktuell sind dies die Justizsenatorinund zwei Staatsräte), sechs von der Bürgerschaft nach Parteiproporzgewählten bürgerlichen Mitgliedern, drei Richterinnenoder Richtern und zwei von der Rechtsanwaltskammer vorgeschlagenenund von der Bürgerschaft gewählten Rechtsanwältinnenoder Rechtsanwälten. Sofern die Arbeitsgerichtsbarkeitoder die Sozialgerichtsbarkeit betroffen ist, wirken statt derRechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von der Bürgerschaftauf Vorschlag der Spitzenorganisationen der Arbeitnehmerund der Arbeitgeber gewählte Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretermit. Jedes Mitglied hat einen Stellvertreter.Eine Besonderheit gibt es bei den richterlichen Mitgliedern.Zwei der drei Richter werden von den Richtern aller HamburgerGerichte gewählt, sie sind bei allen Personalentscheidungenstimmberechtigt, während es sich bei dem dritten stimmberechtigtenRichter jeweils um einen Vertreter des durch diePersonalentscheidung betroffenen Gerichts handelt, der auchnur von den Richtern dieses Gerichts gewählt worden ist.Die Wahlperiode beträgt drei Jahre. Das hat u. a. zur Folge hatsich bei den bürgerlichen Mitgliedern nicht immer die Mehrheitsverhältnissein der Bürgerschaft widerspiegeln, so dassder Senat nicht zwangsläufig eine eigene Mehrheit im Richterwahlausschusshat.Die Justizsenatorin führt den Vorsitz in den Sitzungen. Mindestensdrei Wochen vor der Sitzung leitet sie allen – nicht nurden stimmberechtigten – Mitgliedern und ihren Stellvertreterndie Einladung und die Tagesordnung zu. In der Tagesordnungsind alle Bewerber um die zu besetzende Stelle aufgelistet. Denstimmberechtigten Mitgliedern sowie den Stellvertretern werdendie Personalunterlagen (maßgebliche Informationen ausder Personalakte wie Beurteilungen, Daten über den Lebenslaufund den beruflichen Werdegang sowie die Bewerbungsunterlagenund – soweit bereits vorhanden – die Präsidialratsvoten)der Vorgeschlagenen aber auch der Mitbewerber zugeleitet. Inder Sitzung selbst begründet die Justizsenatorin (bzw. sie bittetihren Amtsleiter, dies zu übernehmen) die jeweiligen Vorschlägeund referiert die Präsidialratsvoten. Im Anschluss wird einweiteres, vorher bestimmtes Richterwahlausschussmitglied alsKorreferent um die Abgabe einer Stellungnahme gebeten. Sodannfolgen eine Aussprache und die geheime Abstimmung.Die Mitglieder des Richterwahlausschusses sind zur Geheimhaltungverpflichtet. Vorschlagsberechtigt ist im Übrigen nicht nur >>><strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><strong>Mitteilungsblatt</strong>


12die Justizsenatorin, vielmehr können alle Mitglieder des Richterwahlausschusses– auch deren Stellvertreter – der Justizsenatorinim Regelfall bis spätestens sieben Tage vor der Sitzungeigene Ernennungsvorschläge unterbreiten, über die dann alssog. Gegenvorschläge in der Sitzung abgestimmt wird.Selbst wenn man über Details der Geschäftsordnung oderauch des Ablaufs der Sitzungen diskutieren kann, sehe ich keinwirklich überzeugendes Argument, das gegen die Einführungvon Richterwahlausschüssen spricht.Durch den Richterwahlausschuss wird sichergestellt, dass dieErnennung und Beförderung von Richtern nicht einzelnen Personenüberlassen bleibt, sondern einem Gremium übertragenwird, in dem alle drei Staatsgewalten sowie die Rechtsanwaltschaftals Organ der Rechtspflege vertreten sind und dem auchein Mitglied des betroffenen Gerichts mit eigener Stimme angehört.Dies erhöht die Gewähr dafür, dass nicht über PersonalentscheidungenEinfluss auf die Rechtsprechung und damitauf die richterliche Unabhängigkeit genommen wird. Gestärktwerden dadurch auch die demokratische Legitimation und dieTransparenz der Personalentscheidungen. Die Leitung der Justizbehördeist gezwungen, ihre Vorschläge in der Sitzung substantiellzu begründen und auch – wie ich das praktisch erlebthabe – kritischen und beharrlichen Nachfragen zu begegnen.Der Richterwahlausschuss ist auch ein wichtiger Baustein derSelbstverwaltung der Gerichte, weil die Richter in besonderemMaße in die Personalauswahl eingebunden sind. Leicht machenkann sich die Behördenleitung eine Personalentscheidung unterdiesen Umständen keinesfalls.Die Annahme, dass in einem solch transparenten und ausgewogenenWahlverfahren getroffene Personalentscheidungenbei den unterlegenen Bewerbern auf eine höhere Akzeptanzstoßen, lässt sich freilich kaum belegen und ist auch eher zweifelhaft.Ob die Einführung von Richterwahlausschüssen auf dieZahl der Konkurrentenverfahren Einfluss hat, dürfte schwerabzuschätzen sein.Insbesondere für die Mitglieder, die stets stimmberechtigt sind,ist der Arbeitsaufwand angesichts der Vielzahl der Personalentscheidungen– beginnend bei der Proberichtereinstellung– beträchtlich. Will man sich wirklich näher mit allen Personalentscheidungenbefassen, setzt dies schon ein großes Engagementvoraus. In Hamburg hat sich bewährt, dass sich dieRichterinnen und Richter zwei Wochen vor der Sitzung treffen,um die Tagesordnung durchzusprechen. Dies dient natürlichdem Informationsaustausch, aber auch der Diskussion übermögliche Gegenvorschläge und allgemeine personalpolitischVorstellungen, die dann auch mit der Justizbehörde kommuniziertwerden. In diesen Besprechungen wird bei Bedarf eingemeinsames Vorgehen abgestimmt. Ich habe es in meinersechsjährigen Mitgliedschaft im Richterwahlausschuss erlebt,dass sich Richter in diesem Kreis zu einem Gegenvorschlag entschlossenhaben, der dann auch erfolgreich war.In den Sitzungen des Hamburger Richterwahlausschussesfindet sich auch immer der Tagesordnungspunkt „Verschiedenes“.Dort besteht dann die Möglichkeit, sich mit der Behördenleitungüber allgemeine Personalfragen auszutauschenoder auch zu personalpolitischen Themen Stellung zu nehmen.Mein Eindruck war immer, dass die Justizbehörde im Richterwahlausschussmehrheitlich artikulierte Meinungen ernstnimmt und bei der Vorbereitung von Personalentscheidungenberücksichtigt.Klar ist natürlich, dass die Mitglieder des Richterwahlausschussesund deren Stellvertreter umfassende Personalkenntnisseauch des eigenen Gerichts erwerben. Insbesondere in kleinenGerichten, in denen sich viele Richterinnen und Richter um diewenigen Beförderungsstellen bewerben, ist dies ein Aspekt,über den man in mancherlei Hinsicht zumindest nachdenkenkann.Unterm Strich spricht weit überwiegendes für die Einrichtungeines Richterwahlausschusses – in Hamburg hat er sich jedenfallsuneingeschränkt bewährt.Der Wert eines Richterwahlausschusses hängt natürlich ganzentscheidend davon ab, wie die Ausschussarbeit von den Mitgliederngelebt wird. Ein Richterwahlausschuss kann zum Abnickvereinfür Vorschläge der Justizbehörde werden, er kannaber auch selbstbewusst Personalentscheidungen gestalten.<strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


13die landesvertreterversammlung in göttingenvon richter am landgericht nicolai stephan, braunschweigAm 1. und 2. März <strong>2013</strong> fand in diesem Jahr wieder eine Landesvertreterversammlung(LVV) des Niedersächsischen Richterbundesstatt. Sowohl die vorbereitende Sitzung des Gesamtvorstandes,als auch die LVV selber tagten am ersten Tag(01.03.) in den Räumlichkeiten des Hotels Eden in Göttingen.Als neues Mitglied des Gesamtvorstandes konnte MarkusRöske, Oberstaatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Verden,begrüßt werden, der die Nachfolge des leider ausgeschiedenenVorsitzenden der Bezirksgruppe Verden Klaus Palm angetretenhat.Im Zuge der Vorbereitung der LVV befasste sich der Gesamtvorstandinsbesondere mit dem nun vorliegenden – äußerstsorgfältig und fundiert erstellten – Bericht der „ArbeitsgruppeBereitschaftsdienst“ unter Vorsitz von Klaus-Dieter Neubert.Im Zentrum der ‹berlegungen stehen die Fragen nach denMöglichkeiten einer Zentralisierung des Bereitschaftsdienstes,einer „Professionalisierung“ und einer Einbeziehung derLandgerichte bzw. Landrichter. Insbesondere zu letzterer Frageentwickelte sich eine lebhafte und zum Teil kontroverse Diskussion.Die LVV begann mit dem Bericht des Kassenwarts ArminBöhm. Die Finanzlage des <strong>NRB</strong> kann weiterhin als sehr gut bezeichnetwerden. Erhöhte Ausgaben für das Jahr 2012 sindzurückzuführen auf die mit hochkarätigen Gästen aus demAusland besetzte Veranstaltung zur Selbstverwaltung, die sehrgut besuchte Podiumsdiskussion zur Landtagswahl und die indieser Form erstmalig durchgeführte Proberichterveranstaltungin Bad Lauterberg (einen Bericht zur Selbstverwaltungsveranstaltungvon DirAG i. R. Klaus Reinhold finden Sie in der JanuarAusgabe des <strong>Mitteilungsblatt</strong>s, http://www.nrb-info.de/uploads/media/130100_<strong>NRB</strong>-<strong>Mitteilungsblatt</strong>_screen.pdf, einBericht zur Podiumsdiskussion enthält die <strong>Dezember</strong>-Ausgabedes Newsletters, http://www.nrb-info.de/uploads/media/2012-12_Newsletter.pdf und ein Bericht über die Proberichterveranstaltungvon der Beirätin für Proberichter, Ri‘inAG Sabrina AitBrahim, befindet sich in der April-Ausgabe des Newsletters,http://www.nrb-info.de/uploads/media/<strong>2013</strong>-04_Newsletter.pdf).Der geschäftsführende Vorstand, v. l. n. r.: Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Ulrich Hübschmann, Richter am Oberlandesgericht FrankBornemann, Direktorin des Amtsgerichts Kirstin Seidel, Vorsitzender Richter am Landgericht Andreas Kreutzer, Oberstaatsanwältin Kirsten Stang,Direktor des Amtsgerichts Armin Böhm>>><strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><strong>Mitteilungsblatt</strong>


14Die Delegierten der Landesvertreterversammlung in GöttingenIm Anschluss berichtete unser Vorsitzender Andreas Kreutzerüber die Ereignisse und Aktivitäten des <strong>NRB</strong> seit der letztenLandesvertreterversammlung im September 2011. Neben denbereits genannten Veranstaltungen berichtete Kreutzer insbesondereüber die zahlreichen Anläufe zur Durchsetzung desStellenhebungskonzepts des <strong>NRB</strong>. Trotz Zustimmung bei denRechtspolitikern sämtlicher im Landtag vertretener Fraktionensei die Durchsetzung des Konzepts letztlich an der Haltungdes damaligen Finanzministers Hartmut Möllring gescheitert(Anm. d. Red.: Zwischenzeitlich hat die neue Landesregierungdie Übernahme des Stellenhebungskonzeptes beschlossen; siehePresseerkläung des <strong>NRB</strong> vom 04.07.<strong>2013</strong>). Darüber hinausverwies Kreutzer auf das zur Vorbereitung der Landtagswahlerstellte Positionspapier des <strong>NRB</strong> sowie die den Fraktionen imVorfeld der Landtagswahl übersandten und von diesen beantwortetenWahlprüfsteine.Weiterer Schwerpunkt des nichtöffentlichen Teils der LVV wardas Thema Besoldung. Besoldungsspezialist Frank Bornemannreferierte hier die aktuellen Entwicklungen. Die Tarifverhandlungenim öffentlichen Dienst stockten, weil die Länder keinAngebot vorgelegt hatten (Anm. d. Red.: Zwischenzeitlich habendie Tarifparteien eine Einigung erzielt, die Gehaltserhöhungenfür das Jahr <strong>2013</strong> – rückwirkend – von 2,65 % und für dasJahr 2014 von 2,95 % vorsieht. Für das Jahr <strong>2013</strong> wurde derAbschluss auf die R-Besoldung übertragen; für das Jahr 2014wird die Erhöhung erst mit Verzögerung zum 01.08.2014 umgesetzt).Bornemann erläuterte weiter, dass allein in den letzten Jahrenein realer Rückstand der Besoldung gegenüber der allgemeinenEinkommensentwicklung um 9 % eingetreten sei.Unter Berücksichtigung der Streichung des Weihnachtsgeldessummiere sich der Besoldungsrückstand auf insgesamt 14 %.Zudem seien die Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnenund Staatsanwälte bereits im Jahr 2012 gegenüber dem Abschlussbei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienstder Kommunen und des Bundes (TVöD) benachteiligt worden.An die Ausführungen Bornemanns schloss sich eine Debattean, wie den Forderungen des <strong>NRB</strong> mehr Nachdruck verliehenwerden könnte. Die ganz überwiegende Mehrheit der Delegiertenstimmte dafür, als Mittel zur Durchsetzung der Forderungenauch die Durchführung von Demonstrationen durchRichterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälteeinzubeziehen.Als nächstes stand das Thema Bereitschaftsdienst auf derTagesordnung. Nach einer kurzen Präsentation der wesentlichenErgebnisse der „Arbeitsgruppe Bereitschaftsdienst“diskutierten die Delegierten intensiv insbesondere über dieFragen der angemessenen Pensenberücksichtigung des Bereitschaftsdienstesund der Belastungsgerechtigkeit zwischenAmtsgerichten und Landgerichten einerseits und größeren undkleineren Amtsgerichten andererseits.Mit großer Mehrheit stimmten die Delegierten schließlich fürfolgende Beschlussfassung:› Der von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen undStaatsanwälten geleistete Bereitschaftsdienst muss als Arbeitszeitanerkannt werden.Der sich hieraus ergebende Personalmehrbedarf muss mitdem Ziel einer Belastung nach PEBB§Y 1,0 gedeckt werden.› Der richterliche Bereitschaftsdienst soll unter Berücksichtigungder individuellen Besonderheiten der Landgerichtsbezirkegebündelt werden.Die Landgerichte und Oberlandesgerichte sollen hieran je-<strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


15denfalls über die Zurverfügungstellung von Arbeitskraftanteilenbeteiligt werden.› Der <strong>NRB</strong> fordert vermehrte Schulungsangebote für die Bearbeitungder im Bereitschaftsdienst vorkommenden Rechtssachen.› Der <strong>NRB</strong> fordert eine Verbesserung der sächlichen Ausstattungdes Bereitschaftsdienstes.› Der <strong>NRB</strong> fordert die Vereinheitlichung der Tages- und Nachtzeitentsprechend § 758a Abs. 4 S. 2 ZPO.Abschließend berichtete Arndt Meinecke, Beirat für Amtsrecht,aus der „Arbeitsgruppe Selbstverwaltung“. Die Arbeitsgruppeplant eine Fragebogenaktion, um eine möglichst breite Beteiligungan der Debatte über mögliche Formen und Umsetzungeiner richterlichen Selbstverwaltung zu erreichen.Am zweiten Tag folgte in den Räumen der alten Mensa amWilhelmsplatz der öffentliche Teil der Landesvertreterversammlung.Der Einladung waren neben Landtagsabgeordneten undhochrangigen Vertretern der Justiz auch die neue NiedersächsischeJustizministerin Antje Niewisch-Lennartz und der Vorsitzendedes Deutschen Richterbundes (DRB) Christoph Frankgefolgt, die jeweils ein Grußwort sprachen.Kreutzer begrüßte, dass erstmals die Spitze des Justizministeriumsaus einer Richterin und einem Richter aus dem aktivenDienst bestehe. Ebenso positiv hob er hervor, dass MinisterpräsidentStefan Weil ihm telefonisch seine Wertschätzung für dieniedersächsische Justiz ausgedrückt habe.Kreutzer erneuerte die Forderungen des NiedersächsischenRichterbundes nach einem Einstieg in den Abbau des Besoldungsrückstandesvon 14 %, einer Personalausstattungentsprechend der allgemein anerkannten Personalbedarfsermittlung(PEBB§Y) von 1,0 sowie umfassenden flächendeckendenEinlasskontrollen.Eine Kommentierung dieser Beschlussfassung von Armin Böhmfinden Sie in der April-Ausgabe des Newsletters (http://www.nrb-info.de/uploads/media/<strong>2013</strong>-04_Newsletter.pdf).Schließlich erinnerte Kreutzer daran, dass sich die Koalitionbei der Umsetzung des Stellenhebungskonzepts „im Wort“befinde.Justizministerin Niewisch-Lennartz hob in ihrem Grußwort alseines ihrer wesentlichen Ziele hervor, dass das Recht für alleBürgerinnen und Bürger weiterhin tatsächlich erreichbar seinmüsse. Sie bezog sich hierbei ausdrücklich auf Reformbestrebungenbeim Prozesskostenhilferecht. Sie sprach sich weiterdafür aus, die Gerichte in der Fläche zu erhalten. Dies finde– auch im Hinblick auf den demografischen Wandel – seineGrenzen jedoch dort, wo die Fallzahlen so niedrig würden,dass die Aufgaben der Justiz nicht mit der erforderlichen Qualitätangeboten werden könnten. Weiter bekräftigte die Ministerindas Erfordernis einer ausreichenden Personalausstattungsowohl im richterlichen als auch im nichtrichterlichen Dienst.Hierzu gehörten auch Spielräume für flexible Reaktionen aufBelastungsspitzen.Zur Besoldung erklärte die Ministerin, sie selbst habe die Landesbesoldung„mit Missvergnügen“ erlebt. Im Hinblick auf diev. l. n. r.: Präsident des Landeskriminalamts Uwe Kolmey, Richterin am Oberlandesgericht Barbara Havliza, Moderator Peter Mlodoch, Weser Kurier,Generalbundesanwalt Harald Range>>><strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><strong>Mitteilungsblatt</strong>


16Schuldenbremse handele es sich hier aber um einen „schwergängigen Untergrund“.Als weiteres wichtiges Ziel formulierte die Ministerin die Verbesserungder Situation von Frauen in der Justiz. Weiterhin seienFrauen in Führungspositionen erheblich unterrepräsentiert.Explizit bezog sie sich hierbei auf erforderliche Veränderungenbei der Möglichkeit der Erprobung in Form von familienfreundlichenHeimerprobungen oder Erprobungen mit Teilzeittätigkeiten.Der Vorsitzende des DRB Christoph Frank betonte in seinemGrußwort die Pflicht des Staates, den Justizgewährungsanspruchin einem sicheren Umfeld zu erfüllen. Kritisch setztesich Frank mit dem Fehlen einer Neuregelung zur Vorratsdatenspeicherungauseinander. Ganze Bereiche von Straftatenblieben so unaufgeklärt. EU-Richtlinien, Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtsund Erfahrungen von Strafverfolgernwürden ignoriert. Schließlich kritisierte Frank auch die nichthinreichende Beteiligung des DRB im Zusammenhang mit derPEBB§Y-Neuerhebung. Wesentliche Daten würden dem DRBnicht zur Verfügung gestellt.Zentraler Tagesordnungspunkt des öffentlichen Teils der LVVwar die hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion zum Thema„Terrorismus kommt von rechts und links – al Quaida undunsere Konzepte“. Generalbundesanwalt Harald Range, VorsitzendeRichterin am Oberlandesgericht Düsseldorf – Staatsschutzsenat– Barbara Havliza und der Präsident des LandeskriminalamtesUwe Kolmey berichteten anschaulich über dieSchwerpunkte und Schwierigkeiten ihrer Tätigkeiten.Range und Kolmey schilderten übereinstimmend, dass derSchwerpunkt aktuell beim rechten und beim islamistischen Terrorliege. Terrorismus aus der linken Szene stelle gegenwärtigkeinen Schwerpunkt dar. Sowohl Kolmey als auch Havliza beschriebeneine zunehmende Radikalisierung von islamistischenEinzeltätern durch das Internet.Äußerst anschaulich berichtete Havliza auch von den praktischenProblemen, die sich im Hinblick auf die Prozessführungdurch den häufigen Auslandsbezug der Taten bzw. Täter ergäben.Die umfangreiche Benennung und ggf. Vernehmungvon Auslandszeugen führe dazu, dass Verfahren in die Längegezogen würden.Kolmey bemängelte, dass aufgrund des Fehlens einer Regelungzur Vorratsdaten-speicherung in einer Vielzahl von Fällennicht mehr ermittelt werden konnte.Herzlichen Dank der Bezirksgruppe Göttingen für die guteOrganisation der diesjährigen LVV!von neuen edv-programmen, druckernund der elektronischen akteinterview mit vors. richter am oberlandesgericht dr. thomas rieckhoff, oldenburgHerr Dr. Rieckhoff, seit dem 1. April <strong>2013</strong> sind Sie in Ihremneuen Amt. Wie nennt sich das jetzt noch genau?Am Klingelschild meines neuen Dienstsitzes steht noch „CEO“als Abkürzung für „Chief Executive Officer“, einer in der Unternehmensweltinzwischen gebräuchlichen Bezeichnung fürden Geschäftsführer eines Unternehmens. Da aber der ZentraleIT-Betrieb Niedersächsische Justiz, kurz ZIB, kein externerDienstleister ist, würde ich mich gerne schlicht als dessen Leiterbezeichnen. Der ZIB ist aus guten Gründen eine justizeigeneEinrichtung, in der auch weiterhin überwiegend Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter tätig sein sollen, die aus der Justiz stammenund daher deren Belange genau kennen.Als Leiter sehen Sie die Justiz jetzt von einer anderen Seite,jedenfalls teilweise. Sind Sie denn in dieser Leitungsaufgabemit vielen EDV-Fachfragen beschäftigt oder ist daseigentlich mehr eine Personalmanagementaufgabe?Beide Bereiche sind nicht scharf voneinander zu trennen, dennEntscheidungen über den Personaleinsatz sind in aller Regelmit den vom ZIB zu erbringenden Aufgaben verknüpft, unddabei handelt es sich durchweg um neue IT-Projekte oder aberdie Erhaltung der Funktionsfähigkeit der im Land vorhandenenHard- und Software. Wenn es also etwa um Neueinstellungenoder die Umsetzung neuer technischer Anforderungenaus den Bezirken geht, sollte ich schon eine zumindest ungefähreVorstellung davon haben, worum es fachlich geht. Esgibt dann aber zum Glück viele kompetente Kolleginnen undKollegen im ZIB, die mir die grundsätzlichen Zusammenhängeallgemeinverständlich zu erläutern versuchen. Die Bewertungund Umsetzung der technischen Details bleibt aber selbstverständlichden wirklichen IT-Experten vorbehalten, dazu bedarfes einer fundierten Ausbildung oder zumindest langjährigerBeschäftigung mit der komplexen Materie. Meine Aufgabe istes, mich für die Belange der rund 240 Mitarbeiterinnen und<strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


17v. l. n. r.: VRiOLG Dr. Thomas Rieckhoff und DirAG Hanspeter Teetzmann. Herr Dr. Rieckhoff ist der neue Leiter des Zentralen IT-Betriebes NiedersächsischeJustiz (ZIB).Mitarbeitern einzusetzen, was in erster Linie bedeutet, dieOrganisationseinheiten personell so auszustatten und zu organisieren,dass der Betrieb in den Gerichten und Behörden auchin Zukunft möglichst störungsfrei funktioniert. Das ist leichtergesagt als getan, denn angesichts immer neuer, anspruchsvollerAufgaben – ich denke insbesondere an den sich am Horizontbereits abzeichnenden elektronischen Rechtsverkehr– droht der ZIB an seine Grenzen zu geraten. Schon jetzt arbeitenviele Kolleginnen und Kollegen an der Belastungsgrenze.Die Problematik ist aber auch dem Ministerium bekannt ist, sodass ich begründete Hoffnung auf neue Stellen haben darf.wichtig, etwa über die neue „Schnellinfo“, die seit April diesesJahres monatlich per E-Mail an alle Nutzer verschickt wird undnützliche Tipps und sogar kleine Lernvideos zur besseren Arbeitmit dem Computer enthält, dem ZIB ein Gesicht zu geben.Damit diese Schnellinfos besser wahrgenommen werden undsofort ins Auge springen, arbeiten wir übrigens noch an einerverbesserten Art und Weise der Übersendung. Daneben wollenwir mittelfristig verstärkt in den Gerichten und Behörden kurzeSchulungen zu den wichtigen IT-Fragen im Arbeitsalltag anbieten,ohne freilich die zentralen Schulungsangebote in Wildeshausenzu beschneiden.Wie weit wird der ZIB ausreichend wahrgenommen?Die meisten Nutzer haben keine genaue Vorstellung von der Arbeitdes ZIB. In unmittelbaren Kontakt mit seinen Bedienstetenkommen sie in aller Regel nur über den Service Desk in Wildeshausen,also wenn es mal ein Problem gibt. Dass allerdingsdie Zahl größerer IT-Störungen seit langem erfreulich niedrigausfällt und die rund 15.000 Nutzer zumeist reibungslos arbeitenkönnen, ist das Werk vieler hoch motivierter, engagierterund sehr gut ausgebildeter Kräfte im ZIB. Ich selbst warerstaunt darüber, welches Maß an Logistik und technischemEinsatz letztlich erforderlich ist, um täglich einen funktionierendenIT-Betrieb zu gewährleisten. Das wird von vielen wieselbstverständlich erwartet, bedeutet aber tatsächlich eine besondereHerausforderung für den ZIB, dessen Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter dafür ein großes Lob verdienen.Aber es gibt halt kein Gebäude, wo der ZIB drauf steht.Der ZIB ist dezentral organisiert, das erschwert sicher seineWahrnehmung. So sind neben der ZIB-Verwaltung in Oldenburg,der IT-Fortbildung und dem Service Desk in Wildeshausensowie dem Technischen Betriebszentrum und der IT-Koordinationin Celle viele weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterüber zahlreiche Standorte im Land verteilt. Deshalb ist es mirFür Richter und Staatsanwälte ist natürlich wichtig, dassdie EDV stabil läuft. Nun soll es aber neue Fachverfahrengeben, die sicher zu Beginn nicht ohne Probleme laufen.Wie sieht es denn etwa mit dem Nachfolgeprogramm fürunser bewährtes Eureka-Zivil aus?Obwohl die Zivilgerichte mit EUREKA nach wie vor gut arbeiten,kommt dessen Architektur inzwischen in die Jahre, so dassmit Blick auf die erheblichen Veränderungen der IT-Landschaftschon seit geraumer Zeit intensiv an einer zukunftsfähigen Justizsoftwaregearbeitet wird. Das zusammen mit der hessischenJustiz entwickelte Programm „NeFa“ läuft im Testbetrieb anden Landgerichten Hildesheim und Kassel inzwischen rechterfolgversprechend und könnte damit irgendwann als niedersächsischerBaustein einer länderübergreifenden Zusammenarbeitin der Softwareentwicklung zum Einsatz kommen. Bisdahin aber wird EUREKA-Zivil selbstverständlich auf dem Laufendengehalten.Kurzfristig wird es nötig sein, in allen ZivilprogrammenUmstellungen vorzunehmen, da der Gesetzgeber unsaufgegeben hat, Rechtsmittelbelehrungen überall durchzuführen.Wann wird das passieren?Die mit Beginn des kommenden Jahres vorgeschriebenen >>><strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><strong>Mitteilungsblatt</strong>


18Rechtsbehelfsbelehrungen werden aller Voraussicht nachrechtzeitig in die von der Vordruckstelle in Celle auszuliefernden„amtlichen“ EUREKA-Vorlagen eingearbeitet.Stichwort moderne Arbeitswelt: Gibt es Bestrebungen,Heimarbeit von Richtern durch entsprechende elektronischeUnterstützung zu fördern? Zum Beispiel könnteman Laptops zur Verfügung stellen, mit denen man sichdirekt auf die Gerichtsprogramme einloggen kann. Dannwäre es auch problemlos möglich, Urteile zu Hause zuschreiben.Die Eröffnung der Möglichkeit mobilen Arbeitens steht geradein der heutigen Zeit, in der wir bereits den elektronischenRechtsverkehr mit einer langfristigen Zurückdrängung der Papieraktein den Blick nehmen, nicht nur nach meiner Überzeugung,sondern auch aus Sicht des Justizministeriums sowieder Personalvertretungen außer Frage. Ein noch laufendes Pilotprojekthat bereits nachgewiesen, dass eine grundsätzlicheNutzung der Fachanwendungen aus der Ferne möglich ist.Der ZIB wird seinen Beitrag dazu leisten, dass, nachdem dietechnischen Voraussetzungen bereits vorliegen, auch die notwendigenSicherheitserfordernisse alsbald umgesetzt werden.In einem ersten Schritt sollen die Kolleginnen und Kollegendie Möglichkeit erhalten, ihren dienstlichen E-Mail-Verkehrund Terminkalender über eine Internetverbindung auch imhäuslichen Bereich einzusehen und zu bearbeiten. Mittelfristigsoll es aber möglich sein, in der gewohnten elektronischen Arbeitsumgebungauch außerhalb der Gerichte zu arbeiten, um,wie von Ihnen angesprochen, etwa zu Hause aus Eureka einRubrum aufrufen, eine Entscheidung fertigen und diese sogleichim Netz abspeichern zu können. Soweit dies aus Gründender Datensicherheit zunächst nur auf dienstlichen Laptopsmöglich sein wird, profitiert davon indes in absehbarer Zeit ausKostengründen nur ein kleiner Nutzerkreis. In Abstimmungmit dem Justizministerium testet der ZIB daher bereits kostengünstigereLösungen, etwa die Einbindung des heimischen PCin das Landesdatennetz mit Hilfe eines speziellen, individuellvorkonfigurierten USB-Sticks.Ein weiterer Punkt, der die praktische Arbeit des Richtersbetrifft, ist die Frage nach der Spracherkennung.Viele meiner Kollegen haben sich jetzt schon privat Spracherkennungsprogrammefür den heimischen Rechnergekauft und diktieren zu Hause über Spracherkennungihre Urteile, weil sie dies als praktisch empfinden. DieseProgramme sollen auch gut funktionieren. Warum wirddas nicht von Seiten der Justiz zur Verfügung gestellt?Nach den bisherigen Erfahrungen ist derzeit nur mit dem Programm„Dragon“ ein reibungsloses Arbeiten möglich. Dafürwerden indes kostenträchtige Lizenzen benötigt. Bereitsjetzt sind aber diverse Richterinnen und Richter mit diesemSpracherkennungssystem ausgestattet. Das Ministerium willkünftig weiteren Kolleginnen und Kollegen diese Möglich-keit eröffnen. Eine flächendeckende Ausstattung sämtlicherArbeitsplätze ist aber aus Kostengründen nicht in Sicht.Ein anderes aktuelles Thema bei Richtern und Staatsanwälten– wie auch bei allen anderen Bediensteten in derJustiz – sind die Druckeremissionen. Wie sieht da die Situationderzeit aus? Was ist da jetzt geplant? Gibt es einenAustausch der als schädlich herausgestellten Drucker inabsehbarer Zeit?Die Lösung dieses Problems steht kurz bevor. Um der Diskussionum eine Gesundheitsgefährdung bestimmter Emissionsgrenzwertebei Laserdruckern künftig zu entgehen, hat sichdas Justizministerium für den Einsatz von Tintenstrahldruckernausgesprochen. Ein entsprechendes für den professionellenEinsatz angebotenes Gerät wird derzeit im ZIB getestet. Soweitsich keine durchgreifenden Probleme zeigen, werden die imFokus stehenden gut 4.000 Samsung-Geräte nach den Sommerferienausgetauscht, wobei aus logistischen Gründen derWechsel jeweils komplett in einem Gericht beziehungsweiseeiner Behörde erfolgt. Bis zum Frühjahr 2014 soll die Aktionabgeschlossen sein.Muss der Richter der Zukunft ein Computerfachmannsein?Nein, ich glaube auch, wenn man das verlangen würde, wäredie notwendige Akzeptanz für neue Entwicklungen gering.Aus diesem Grunde ist es übrigens auch so schwer, neue Programme,etwa das von mir soeben angesprochene „NeFa“, zuentwickeln, denn Ziel ist es natürlich, die tägliche Arbeit zuerleichtern und nicht noch zu verkomplizieren. Wenn Sie vielleichtirgendwann einmal eine Akte nur noch am Bildschirmbearbeiten, darf dies nicht umständlicher und damit zeitraubenderals früher mit Papier und Bleistift sein.Wie hat man sich das mit der elektronischen Akte denngenau vorzustellen? Gibt es dann kein Papier mehr?Nach meiner Überzeugung wird es noch geraume Zeit dauernbis zu einem sogenannten medienbruchfreien elektronischenRechtsverkehr, also dem Verzicht auf Papier vom Eingang einesSchriftstücks bei Gericht bis zum Ausgang der richterlichenEntscheidung. Sie wissen ja, dass in der Vergangenheitimmer dort, wo mithilfe neuer Techniken Papier einspart werdensollte, letztlich noch mehr Papier verbraucht worden ist.Es ist im Übrigen ein Unterschied, ob Sie einen etwa 50 Seitenumfassenden Rechtsstreit am Bildschirm bearbeiten, was ichmir durchaus gut vorstellen könnte, oder aber ein komplexesmehrbändiges Verfahren mit zahlreichen Beiakten. Ungeachtetdessen aber sieht der vom Gesetzgeber auf den Weg gebrachteelektronische Rechtsverkehr einen elektronischen Posteingang,eine papierlose Bearbeitung und schließlich einen elektronischenPostausgang vor. Daher ist schon zu erwarten, dass diedafür zu erarbeitenden technischen Lösungen erhebliche Auswirkungenauf die heute gängigen Arbeitsabläufe in der Justiz<strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


19haben und unbedingt durch organisatorische Maßnahmen begleitetwerden müssen. Die Details werden aber in enger Abstimmungmit den Personal- und Richtervertretungen zu klärensein, und auch technisch gibt es noch viele Fragezeichen.Das bedeutet aber doch auch eine Umstellung für dieProzessbeteiligten, die dann elektronisch kommunizierenmüssen?Ja, das ist natürlich richtig. Die Bundesrechtsanwaltskammerhat bereits für 2016 eine elektronische Korrespondenz derAnwälte in Aussicht gestellt. Vereine, Krankenkassen und Verbändesind oftmals schon jetzt in der Lage, auf elektronischemWege zu kommunizieren, sie sind schon aus Kostengründendaran interessiert, dass sich die Gerichte insoweit anpassen.Dass aber auch Privatpersonen, also die zahlreichen Naturalparteienbei den Amtsgerichten irgendwann dazu verpflichtetwären, sich auf elektronischem Weg an die Gerichte undStaatsanwaltschaften zu wenden, ist mir nicht bekannt. DerenSchreiben müssten gegebenenfalls eingescannt und nach einerelektronischen Bearbeitung des Verfahrens die entsprechendeEntscheidung ausgedruckt werden.Besteht die Gefahr von Hacker-Angriffen? Gab es schonVorfälle in der Vergangenheit? Wie sieht es grundsätzlichmit der Sicherheit unserer Daten aus?Der Umgang mit sensiblen Daten birgt natürlich immer die Gefahrdes Missbrauchs, so dass an die Sicherheit im justizeigenenNetz zu Recht sehr hohe Anforderungen gestellt werden.Dies ist auch ein wesentlicher Grund dafür, dass neue Technikenetwa rund um das mobile Arbeiten, die von vielen Nutzerngewünscht werden und ja auch, wir sprachen schon darüber,grundsätzlich zu begrüßen sind, nicht ohne weiteres eingeführtwerden können, sondern erst eines Sicherheitskonzeptsbedürfen. Damit geht einher, dass Kolleginnen und Kollegengerade bei der dienstlichen Nutzung des Internets und künftigder Verwendung mobiler Geräte in geeigneter Weise über dieRisiken aufgeklärt und zu besonderer Vorsicht im Umgang mitden sensiblen Daten verpflichtet werden müssen. Soweit sichheute jeder Nutzer auf seinem Dienstrechner mit einer eigenenKennung und einem gesonderten Passwort anmelden muss,wird ähnliches auch im Bereich des – wie auch immer gearteten– häuslichen Zugangs zum Landesdatennetz zu verlangensein. In der Vergangenheit konnten Hacker-Angriffe durch diebestehenden Sicherheitsmechanismen, wie etwa Firewalls, dieStandardisierung der Arbeitsplatzrechner oder der zentral gesteuerteEinsatz von Anti-Virensoftware, verhindert werden.Würden Sie sich, nachdem inzwischen fast drei Monatevergangen sind, wieder für das Amt des ZIB-Leiters entscheiden?Ja, ganz sicher. Ich habe zwar immer noch großen Respektvor den mit dem Amt verbundenen Aufgaben und braucheauch sicher noch einige Zeit, bis ich gerade in den technischenFragen hinreichend sattelfest bin. Die Möglichkeit, eine ganzandere Aufgabe innerhalb der Justiz kennenlernen zu dürfen,empfinde ich aber als reizvoll.Das Interview führten Ri’inAG Dr. Maike Aselmann und DirAG HanspeterTeetzmann.zentralisierte bekämpfung der iuk-kriminalitäteine zwischenbilanzvon osta carsten rosengarten und losta’in katrin ballnus, celleHerr Rosengarten ist bei der Generalstaatsanwaltschaft Celle(Zentrale Stelle Organisierte Kriminalität und Korruption) u. a.für den Bereich der IuK-Kriminalität zuständig. Frau Ballnus iststellvertretende Leiterin der Generalstaatsanwaltschaft Celleund hat im Niedersächsischen Justizministerium als Leiterin desReferats 404 die Einrichtung der Zentralstellen verantwortlichbegleitet.Entsprechend der AV des Niedersächsischen Justizministeriumsvom 04.11.2011 1 haben die drei niedersächsischen Schwerpunktstaatsanwaltschaftenzur Bekämpfung der IuK-Kriminalitätam 01.01.2012 offiziell ihre Arbeit aufgenommen. Grundfür die Einrichtung dieser Zentralstellen war die Erkenntnis,dass die Bekämpfung der exponentiell wachsenden IuK-Kriminalitätneue und insbesondere zentralisierte Ermittlungsstrategienerfordert, will der Staat seinen Strafverfolgungsanspruchauch hier durchsetzen. Nachdem die Entscheidung über dasOb und Wie der Einrichtung von IuK-Zentralstellen 2011 gemeinsamvon den Behördenleitern der Staatsanwaltschaften,insbesondere den drei Generalstaatsanwälten, und dem Justizministeriumgetroffen worden war, wurden die Arbeitsplätzein den drei Zentralstellen 2 vom Justizministerium (Referat 103) >>><strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><strong>Mitteilungsblatt</strong>


20Foto: ®_B_by_Martin Berk_pixelio.demit der notwendigen Hard- und Software ausgestattet. Zudemwurden Anfang 2012 unter Federführung der Zentralen Stellezur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität und Korruption(ZOK) bei der Generalstaatsanwaltschaft in Celle intensiveSchulungen und Erfahrungsaustausche durchgeführt.Seit über einem Jahr sind in Göttingen, Osnabrück und Verdenhochengagierte Ermittlerinnen und Ermittler mit fundiertenKenntnissen der Informations- und Kommunikationstechnikentätig, die mit ihrer Arbeit in weiten Teilen tatsächliches undjuristisches Neuland betreten. Neben den hohen Anforderungenan das technische Verständnis für die sich schnell wandelndeelektronische Kommunikation sind die Kolleginnen undKollegen zwangsläufig auch mit einer Vielzahl ungelöster materiell-rechtlicherund prozessualer Fragen konfrontiert, da diebestehenden Normen und Eingriffsinstrumente von der realenin die digitale Welt übertragen werden müssen.RansomwareRansomware wird eingesetzt, um gewerbsmäßig ErpressungsoderComputerbetrugstaten zu begehen: Hierbei werden vonden Tätern über angemietete Serverstationen oder mittelsübernommener und dann ferngesteuerte Drittrechner (Bots)an eine nahezu unendliche Anzahl Geschädigter massenhaftund automatisiert E-Mails versandt, in deren Anhängen sichSchadsoftware verbirgt. Die Adressaten werden beispielsweisemit vermeintlichen Zahlungsverpflichtungen in der Betreffzeilezum Öffnen der E-Mail und damit zur automatischen (Selbst-)Installation des Schadprogramms verleitet. Dies verläuft fürden Anwender unbemerkt. Erst wenn der Zugriff auf denangegriffenen Rechners gesperrt wird, wird offenkundig waspassiert ist. Die Geschädigten werden aufgefordert, einen gewissenBetrag zu zahlen. Für diese Zahlungen werden elektronischeZahlungssysteme genutzt, die ebenfalls anonymisiertablaufen, ohne dass Banken oder andere Stellen eingeschaltetwerden müssen, so dass es keine (klassische) Möglichkeit zurIdentifikation des Empfängers gibt. Die Angriffe mittels Massen-E-Mailserfolgen in sogenannten Wellen und über jeweilskurzfristig wechselnde Wege. Die Schadprogramme werdenzudem in schneller Abfolge modifiziert, um eine Identifikationund Abwehr durch Virenscanner zu verhindern.In den Ermittlungsverfahren müssen alle einzelnen Ermittlungsansätzewegen der Flüchtigkeit von Kommunikationsdaten innerhalbkürzester Zeit auf ihre Werthaltigkeit überprüft werden.Denn ungeachtet der fehlenden Vorratsdatenspeicherungist grundsätzlich aufgrund fehlender Datenkonservierung undfortschreitender Anonymisierung der Faktor Zeit ausschlaggebendfür den Ermittlungserfolg. Dieser zeitliche Druck, bedingtdurch den drohenden unwiederbringlichen Verlust deseinzigen Ermittlungsansatzes, ist ein völlig neues Phänomenund verlangt den Ermittlern einiges ab.Die IuK-Zentralstellen werden von der ZOK unterstützt, derenlandesweiter Beratungs-, Schulungs- und Unterstützungsauftragbereits im Herbst 2011 um den Bereich IuK erweitertworden war 3 . Zentralstellen und die ZOK stehen auch nichtisoliert: Bei allen niedersächsischen Staatsanwaltschaften gibtes kompetente IuK-Ansprechpartner oder IuK-Sonderdezernentinnenund -dezernenten, die einerseits lokal anfallendeVerfahren (ohne Zentralstellenqualität) bearbeiten und andererseitsals Koordinatoren fungieren und z.B. in den Bezirken erkannteneue Phänomene gezielt an die Zentralstellen und dieZOK herantragen können.Erfahrungen und ErkenntnisseDie Umstellung auf eine zentralisierte und spezialisierte Bekämpfungvon IuK-Kriminalität hat neue Kriminalitätsfelderoffenbart. Zudem zeigt sich nach über einem Jahr Erfahrung,welche besonderen Problemstellungen sich in diesem hochtechnisiertenKriminalitätsbereich noch ergeben:Neben den technischen und zeitlichen Herausforderungen istbei den Ransomeware-Verfahren regelmäßig die schiere Massean Einzelfällen problematisch. Die logistische Abwicklung undBeherrschung eines IuK-Zentralstellenverfahrens stellt einebesondere – bislang unbekannte – Herausforderung für diegesamte Behörde dar, denn angesichts der Möglichkeit überdas Internet eine Vielzahl von Opfern zu erreichen, haben entsprechendeStraftaten eine vor kurzem noch nicht vorstellbareDimension angenommen; so sind bei der IuK-Zentralstelle inGöttingen zu dem dort geführten „BKA-Trojanerverfahren“bisher 27.000 Verfahrensakten eingegangen, die administrativund inhaltlich abgearbeitet werden müssen.Underground EconomyEin weiteres neues Kriminalitätsphänomen ist die sogenannteUnderground Economy. Hier wird in strukturierter odergar organisierter Form in teilweise festen Benutzergruppen(Boards) jedwede Art von Waren und Dienstleistungen (von<strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


21Foto: ®_B_by_Antje Delater_pixelio.deKinderpornografie über Rauschgift, Ankauf gefälschter Kreditkarten,Vermietung von Botnetzen, Toolkits zum Selberbauenvon Schadprogrammen bis zum Auftragsmord) aus oder fürverschiedenste Straftaten gehandelt.Es handelt sich um tief im Internet versteckte virtuelle Handelsplätze,zu denen aufgrund technischer SicherungsmaßnahmenUneingeweihte kaum Zugang finden. Ermittlungen in diesemBereich der Internetkriminalität sind sowohl langwierig alsauch zeitintensiv und erfordern neben der notwendigen technischenAnalyse häufig auch den Einsatz besonders geschulterBeamter, ggf. sogar verdeckter Ermittler.Phishing am Beispiel von EmmissionshandelskontenDie Komplexität der Ermittlungen und die Vielfältigkeit möglicherIuK-Verfahren verdeutlicht ein Verfahren der IuK-ZentralstelleOsnabrück. Es handelt sich um das Ausspähen vonZugangsdaten. Vorliegend wurden von den Tätern allerdingskeine Bankdaten von Onlinebanking-Kunden „gephisht“,sondern Firmenaccountdaten zu Emissionshandelskonten. DieTäter richteten allein bzgl. eines Kontos einen Schaden von3 Mio. EUR an. In dem Verfahren ist neben umfassenden IuKspezifischenKenntnissen auch fundiertes Wissen des Emissions-bzw. Handelsrechts erforderlich.Bei allen IuK-Zentralstellen sind in dem vergangenen Jahr nebentatsächlich völlig neuen Kriminalitätsphänomenen weiterekomplexe Verfahren anhängig geworden, in denen systemimmanenteGeschehensabläufe in der Netzwerkkommunikationzur Begehung von Straftaten genutzt werden. Zu nennen sindu.a. die professionelle Einrichtung von Onlineshops zu betrügerischenZwecken, die Übernahme von Accounts und missbräuchlicheNutzung oder auch die Übernahme der Rechnervon Dritten, um hierdurch weitere Schadsoftware zu verteilenoder diese als Proxyserver zu missbrauchen. Weil die Täter beidieser Vorgehensweise die IP-Adressen der Opfer nutzen, ohnedass diese dies bemerken, werden die Opfer unabhängig ihrereigenen Schäden häufig mit Strafverfolgung oder Schadenersatzansprüchenkonfrontiert, weil die Schadsoftware aufihren Rechner hinweist.Nicht zu vernachlässigen ist, dass mittlerweile das Internetauch für althergebrachte Wege der Sprachkommunikation(Voice over IP) genutzt wird, was zusätzlich zu den neuen odersich neu entwickelnden Phänomenen zu einer Verlagerungund Intensivierung klassischer Kriminalitätsformen – beispielhaft„Enkeltrick“, Gewinnversprechen oder Abofallen – in dasInternet führt. Für die Täter sind auch hier die vielfältigen Möglichkeitender Anonymisierung und die zeit- und grenzenloseVerfügbarkeit des Internets und seiner Ressourcen reizvoll.RechtshilfeAllen IuK-Verfahren von Zentralstellenqualität ist gemein, dassregelmäßig (auch) das Ausland betroffen ist oder Spuren insAusland führen. Die notwendigen Rechtshilfemaßnahmenmüssen angesichts der Flüchtigkeit der Datenspuren sowie derpraktisch barrierefreien Möglichkeit für die Täter, ihre Logistikan jedem Ort der Welt mit wenigen Handgriffen am Computeraufzubauen und ebenso schnell weiter zu verlagern, äußerstschnell und mit allem Nachdruck erfolgen. Die gesamte Umsetzungder schriftlich abzuwickelnden Rechtshilfe liegt dabeibereits wegen der notwendigen technischen Sachkenntnis beiden IuK-Zentralstellen selbst. Rechtshilfemaßnahmen sind dabeinicht Ausnahme sondern Regel: Im Verfahren „Windowsverschlüsselungstrojaner“der StA Verden sind bisher über270 Serverbeschlagnahmen bzw. -überwachungen in denNiederlanden, Polen, Schweiz, Rumänien und Russland erfolgt.Zudem haben sowohl die US-amerikanischen als auch kanadischenSicherheitsbehörden Interesse an einer gemeinsamenErmittlungsführung signalisiert.Fazit:Die Einrichtung der IuK-Zentralstellen in Niedersachsen ist einErfolg. Bereits jetzt konnten ungeahnte Ermittlungserfolgeerzielt und erstaunliche Erkenntnisse gewonnen werden. Entgegender Erwartungen hat nur in ganz geringem Maß eineVerschiebung der Verfahrensbearbeitung von den allgemeinenAbteilungen hin zu den Zentralstellen stattgefunden. Überwiegendwerden durch die Zentralstellen neue bzw. bislangnicht erkannte Kriminalitätsphänomene „aus dem Dunkelfeld“bearbeitet. Es steht angesichts der Vielzahl komplexer werdendenVerfahren außer Frage, dass die Strafverfolgungsbehördenin den nächsten Jahren weiter gefordert sein werden. In diesemZusammenhang ist die von der Landesregierung angekündigteVerstärkung der drei IuK-Zentralstellen um insgesamt fünf zusätzlicheR1-Stellen nachdrücklich zu begrüßen, bietet sie dochden Staatsanwaltschaften die Möglichkeit, den erreichten Qualitätsstandardtrotz steigender Anforderungen zu halten.Um den Herausforderungen dauerhaft gewachsen zu sein,müssen zudem die technischen Möglichkeiten zur Verfahrenserleichterungkonsequent genutzt und ausgebaut werden;elektronische Doppelakte und sichere E-Mail-Kommunikationzwischen Polizei und Justiz stehen bereits zur Verfügung. Die >>><strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><strong>Mitteilungsblatt</strong>


22von den Zentralstellen gewünschte digitale Kommunikationsplattformwäre ein weiterer Schritt, die Arbeit sowohl zu erleichternals auch qualitativ zu steigern.Und letztendlich muss die Justiz in die Lage versetzt werden,entsprechende Massenverfahren rein logistisch zu bewältigen.Bevor aber Gesetzesänderungen in Betracht gezogen werden,sind zunächst Kreativität und Initiative der Kolleginnen undKollegen gefragt. So hat die Staatsanwaltschaft Verden bzgl.des bundesweiten Sammelverfahrens zum Windows-Verschlüsselungstrojanerein Formular entwickelt, das es den Staatsanwaltschaftenim Bundesgebiet sehr leicht macht, in Betrachtkommende Verfahren (elektronisch) abzugeben. Gleichzeitigist auf Formalismen verzichtet worden. So wird beispielsweiseeine Übernahmenachricht nicht erteilt.Abzusehen ist bereits jetzt, dass zunehmend auch außerhalbder IuK-Zentralstellen Verfahren zu bearbeiten sein werden,die ein steigendes Mindestmaß an technischem Verständniserfordern. Ein Schwerpunkt muss und wird folglich weiter dieAus- und Fortbildung der Dezernentinnen und Dezernenten(auch in der Fläche) sein, um angesichts der steten Entwicklungin der digitalen Welt nicht den Anschluss zu verlieren. Die Gesellschaftmuss darauf vertrauen können, dass sich das Internetnicht zu einem rechtsfreien Raum entwickelt sondern wir dieStraftäter auch für ihre Taten dort zur Rechenschaft ziehen.Sowohl die intensive Fortbildung und der enge kollegiale Austauschder Zentralstellen untereinander als auch mit den Spezialistender Polizei muss fortgesetzt und weiter intensiviert werden,wobei perspektivisch die Gerichte einzubeziehen sind, umein gleiches Informationsniveau zwischen Staatsanwaltschaft,Polizei und Gericht zu gewährleisten.1AV d. MJ v. 4. 11. 2011 – 3261-404.13 -; VORIS 33210 – Nds. MBl. 2011 Nr. 43, S. 8342sowie die Zentralstelle zur Bekämpfung gewaltdarstellender, pornografischer oder sonst jugendgefährdender Schriften bei der Staatsanwaltschaft Hannover, derenZuständigkeit durch die Einrichtung unberührt blieb3AV d.MJ v. 11. 10. 2012 — 3261-404.7 —VORIS 33200 Nds. MBl. 2012, S. 826justizzentrum hannover auf der zielgeradenvon ministerialrat jan-michael seidel, nds. justizministeriumMein letzter Artikel zum Projekt „Justizzentrum Hannover“ im<strong>Mitteilungsblatt</strong> März 2012 endete mit dem Satz: „Ich würdemich jedenfalls freuen, wenn ich in zwei Jahren an dieserStelle vom Baufortschritt des Projekts … berichten könnte.“Jetzt freue ich mich mitteilen zu können, dass tatsächlich daspassiert, was viele lange nicht für möglich gehalten haben: DasFachgerichtszentrum wird auf dem bisherigen Gerichtsparkplatzneben dem Amtsgericht Hannover gebaut!Wir haben es geschafft, das im September 2011 gestarteteeuropaweite Vergabeverfahren für die Errichtung eines Fachgerichtszentrumsfür alle hannoverschen Fachgerichte imWege einer Investorenmietlösung erfolgreich zum Abschlusszu bringen: Am 28. Juni dieses Jahres konnte der FUBOS BeteiligungsGmbH, einem Unternehmen der LHI Leasing GmbHaus Pullach bei München, der Zuschlag erteilt werden. Am1. Juli hat Frau Ministerin Antje Niewisch-Lennartz den notariellbeurkundeten Erbbaurechts- und Mietvertrag unterzeichnetund dies bei einem symbolischen ersten Spatenstich auf demBaugrundstück verkündet.Doch davor lag für die aus Vertretern des NiedersächsischenJustizministeriums (MJ) und der TaskForce ÖPP/Investorenmaßnahmender Oberfinanzdirektion Niedersachsen – AbteilungBau und Liegenschaften (OFD-BL) zusammengesetzte, als Vergabestellefungierende Projektgruppe „Justizzentrum Hannover“ein hartes Stück Arbeit.Was bisher geschahKurz nach Erscheinen des <strong>Mitteilungsblatt</strong>es März 2012 gingenim April 2012 zwei indikative, d. h. noch nicht verbindliche Angeboteein. Nach Auswertung dieser Angebote wurden beideBieter, darunter auch der heutige, jetzt „Vermieter“ genannteVertragspartner, zu Verhandlungen aufgefordert, die imJuni/Juli 2012 in jeweils drei ganztägigen Bietergesprächen zubaulichen und vertraglichen Fragen stattfanden. WesentlichesErgebnis dieser Verhandlungen war, dass beide Bieter erklärten,ein finales, d. h. verbindliches Angebot, das die – zur Wahrungder Haushaltsneutralität – ausgeschriebene Mietobergrenzevon 1,8 Mio. EUR p. a. nicht übersteigt, nur für den Fall folgenderÄnderungen am abzuschließenden Erbbaurechts- undMietvertrag abgeben zu können (sog. Optionsmodell):› Verlängerung der Erbbaurechtszeit von 32 (2-jährige Planungs-und Bauphase, 30-jährige Mietzeit) auf 62 Jahre(mit entschädigungslosem Erlöschen des Erbbaurechts nachZeitablauf);› 3 Optionen des Landes nach Ablauf der regulären 30-jährigenMietzeit:<strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


23Der symbolische erste Spatenstich, v. l. n. r.: Projektleiter Jan-Michael Seidel, Präsidentin des Verwaltungsgerichts Hannelore Kaiser, Dr. Markus Koch,Vorstand BAM Deutschland AG, Robert Soethe, Geschäftsführer LHI Leasing GmbH, Ministerin Antje Niewisch-Lennartz, Gerhard G. Feldmeyer, GeschäftsführerHPP Architekten, Präsidentin des Sozialgerichts Gabriele Beyer(1) Verlängerung des Mietvertrages um weitere 30 Jahre (biszum Erlöschen des Erbbaurechts),(2) Ankauf des Erbbaurechts (und damit im Ergebnis des Gebäudes)oder(3) Auszug (und ggf. Umzug in eine andere Anmietung).Mit diesem Verhandlungsergebnis war zunächst das Kabinett zubefassen. Das beauftragte das MJ im <strong>Dezember</strong> 2012, das Vergabeverfahrenmit Unterstützung des Niedersächsischen Finanzministeriums(MF) weiterzuführen, und zwar mit der Maßgabe,› aus vergaberechtlichen Gründen auch denjenigen der ausgewähltenBewerber, die keine indikativen Angebote abgegebenhatten, Gelegenheit zu geben, auf der Grundlagedes modifizierten Erbbaurechts- und Mietvertrages nunmehrein Angebot vorzulegen,› zur Risikobegrenzung einen Kostendeckel für den Kaufpreisder Ankaufoption in Höhe der vierfachen Jahressumme derim letzten Mietjahr zu zahlenden Kaltmiete einzuziehen.Nachdem keiner der daraufhin angeschriebenen Bewerberseinen Wiedereinstieg in das Vergabeverfahren erklärt hatte,sind die verbliebenen beiden Bieter am 6. Februar <strong>2013</strong> aufder Grundlage des modifizierten Vertrages zur Abgabe finalerAngebote bis zum 2. Mai <strong>2013</strong> aufgefordert worden.Mit Schreiben vom 15. April <strong>2013</strong> erklärte der nach Auswertungder indikativen Angebote zweitplatzierte der beidenBieter, dass er kein finales Angebot abgeben werde. Alswesentlichen Grund führte er an, dass die – in städtebaulicherund architektonischer Hinsicht in die Angebotswertung einbezogene– Landeshauptstadt Hannover bei der Beurteilungseines Entwurfs die Anforderungen des Bauplanungsrechts(Blockrandbebauung) als nicht erfüllt angesehen hatte. Derenge Rahmen der Mietobergrenze ermögliche ihm aber nurdie Finanzierung eines kompakten Baukörpers.Demgegenüber hat der nach Auswertung der indikativen Angebotebestplatzierte Bieter, der heutige Vermieter, am 2. Mai<strong>2013</strong> fristgemäß ein finales Angebot eingereicht, das allerdingsnoch bis zum 28. Juni <strong>2013</strong> unter Finanzierungsvorbehaltstand. Außerdem hatte dieses Angebot noch das Benehmensverfahrenmit dem erweiterten Hauptpersonalrat und denAusschuss für Haushalt und Finanzen des NiedersächsischenLandtages zu passieren.Für Letzteres war eine abschließende Wirtschaftlichkeitsuntersuchunggemäß § 7 Abs. 2 der Landeshaushaltsordnung vorzulegenund mit dem MF abzustimmen. Die Projektgruppe hat– wie das gesamte Vergabeverfahren – auch diese anspruchsvolleAufgabe ohne Hinzuziehung externer Berater gemeistert.Wir haben dafür fünf verschiedene Beschaffungsvarianten imWege der Kapitalwertmethode und einer Nutzwertanalyse miteinanderverglichen, und zwara) eine Beibehaltung der fünf Anmietungen im Bestand,b) einen Landeseigenbausowie die drei mit den Bietern ausgehandelten Variantenc) Investorenmietlösung mit einer auf 60 Jahre verlängertenMietzeit,d) Investorenmietlösung mit Ankauf des Erbbaurechts nach 30Jahren Mietzeit unde) Investorenmietlösung mit Auszug und Umzug nach 30 JahrenMietzeit. >>><strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><strong>Mitteilungsblatt</strong>


24endlich realisieren zu können und zugleich ein Leuchtturmprojektzu schaffen für das ebenfalls im Koalitionsvertrag verbriefteZiel, Justizzentren zu bilden – in enger Abstimmung mitden Beteiligten vor Ort. Herzlichen Dank dafür!Fotografie des ArchitekturmodellsDieser Vergleich weist die Variante d) Investorenmietlösung mitAnkauf nach 30 Jahren zu dem vom Bieter dafür angebotenenKaufpreis als wirtschaftlichste aller Beschaffungsvarianten aus.Der barwertige Wirtschaftlichkeitsvorteil gegenüber einemEigenbau beträgt eine knappe Mio. EUR, der Wirtschaftlichkeitsvorteilgegenüber einer Fortführung des Status quo ist mit50 Mio. EUR evident.Wir haben diese Wirtschaftlichkeitsuntersuchung frühzeitigauch dem Landesrechnungshof vorgestellt, der sie dem Grundenach auch anerkannte. Nur in zwei Einzelpunkten, die im Ergebnisallerdings dazu führen würden, dass nicht mehr die Investorenmietlösung,sondern der Landeseigenbau leicht vornliegt, konnte keine Einigung erzielt werden. Entscheidend istaber: Selbst wenn man den vom Landesrechnungshof angenommenenleichten Wirtschaftlichkeitsvorteil für den Eigenbauzugrunde legt, sind beide Varianten unter Berücksichtigungdes sehr langen Betrachtungszeitraumes und der Sensitivitätals wirtschaftlich nahezu gleichrangig und eine Fortführungdes Status quo demgegenüber als deutlich unwirtschaftlicheinzustufen. Eine Aufhebung des Vergabeverfahrens wegennachgewiesener Unwirtschaftlichkeit wäre damit nicht zurechtfertigen gewesen.Das hat auch den Haushaltsauschuss überzeugt, der sich damitam 5. Juni <strong>2013</strong> befasste und, obwohl der Landesrechnungshofdort seine Kritik wiederholte und für einen Landeseigenbauplädierte, einstimmig einer Zuschlagsentscheidung zustimmte.Vor dem Hintergrund der Entscheidungsreife des Vergabeverfahrensauf der einen, Baumoratorium und Schuldenbremseauf der anderen Seite sind die Abgeordneten den eingeschlagenenWeg einer Investorenmietlösung trotz der in der neuenKoalitionsvereinbarung auferlegten Zurückhaltung gegenüberprivaten Finanzierungen zu Ende gegangen und haben damitdie einmalige Chance ergriffen, die jahrzehntealten Bemühungenum ein Fachgerichtszentrum auf dem GerichtsparkplatzStichwort BeteiligungBereits vor der Sitzung des Haushaltsausschusses war das Benehmenmit dem erweiterten Hauptpersonalrat über die beabsichtigteZuschlagserteilung hergestellt worden. Dazu wurdedie Entwurfsplanung des finalen Angebots am 15. Mai <strong>2013</strong>dem erweiterten Hauptpersonalrat und am Folgetag dem Projektbeiratpräsentiert. Nach einer gemeinsamen Sitzung mitden örtlichen Richter- und Personalvertretungen im Anschlussan die Präsentation vom 16. Mai <strong>2013</strong> und einer weiterenErörterung mit der Projektgruppe auf der Sitzung des erweitertenHauptpersonalrats am 24. Mai <strong>2013</strong> in Bad Nenndorfhat dieser die Herstellung des Benehmens erklärt. Die Projektgruppehatte zuvor zugesagt, sämtliche Abweichungen desEntwurfs von der Leistungsbeschreibung zu Ungunsten desLandes, insbesondere diejenigen Raumabweichungen, die zuFunktionsbeeinträchtigungen führen können, aber auch alleweiteren Änderungswünsche der Fachgerichte dem Vermietergegenüber geltend zu machen.Dass das Benehmensverfahren trotz der Komplexität derMaterie so gut funktioniert hat, ist u. a. auch einer Vereinbarungmit dem erweiterten Hauptpersonalrat zu verdanken,wonach dieser mit seinem Vorsitzenden JustizoberamtsratHans-Jürgen Weirich und mit Richter am VerwaltungsgerichtAndreas Kleine-Tebbe zwei Vertrauenspersonen entsandte, diedas Verhandlungsverfahren trotz der vergaberechtlichen Geheimhaltungspflichtvollständig als teilnehmende Beobachterbegleiten durften. Das hat erheblich zum Verständnis der Personal-und Richtervertretungen für die Abläufe und Ergebnissedes Vergabeverfahrens beigetragen und eignet sich sicherauch als Modell für künftige vergleichbare Fälle.Fehlte nur noch die verbindliche Finanzierungszusage, für dieder Vermieter eine Frist bis zum 28. Juni <strong>2013</strong> hatte und dieer auch buchstäblich bis zur letzten Minute ausschöpfte. Dafürwar es dem Vermieter aber auch gelungen, mit der GothaerAsset Management AG einen wirklich soliden Financier anBord zu holen.Gebaut wird das von den renommierten Architekten Hentrich-Petschnigg & Partner GmbH & Co. KG (HPP) aus Düsseldorfgeplante Fachgerichtszentrum von der BAM Deutschland AG,mit der das Land bereits beim Bau der JustizvollzugsanstaltBremervörde gute Erfahrungen gemacht hat. Verantwortlichfür die Mietverwaltung wird die LHI Leasing GmbH sein.Und wie wird das Gebäude nun aussehen?Insgesamt handelt es sich nach übereinstimmender Beurtei-<strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


25So wird das neue Fachgerichtszentrum aussehen, Quelle: LHI, BAM, HPP Architekten, Visualisierung: Fa. Sichtvisionlung von MJ, OFD-BL und Landeshauptstadt Hannover um einqualitätsvolles architektonisches Konzept, das die Vorgabe,„die dritte Gewalt in angemessener Bescheidenheit zu repräsentieren“,gelungen umsetzt. Der Entwurf zeichnet sich imWesentlichen durch folgende Merkmale aus:› geschlossene Blockrandbebauung mit zwei Innenhöfen(einer für Parken und Anlieferung, der andere für Erholungund Verweilen);› vier Vollgeschosse und ein Staffelgeschoss sowie ein Untergeschoss;› Anlehnung der Fassadengestaltung an die vertikale Lochfassadedes als Kulturdenkmal ausgewiesenen historischenAmtsgerichts, Außenfassade aus beigegrauen Ziegeln (Zitatder Steinfarbe der Risaliten und Pilaster des historischenAmtsgerichts), Auflockerung durch schräggestellte Blindelementeaus Aluminium in den Fensterlaibungen sowie Einschwenkender Fassade am Haupteingang und an den Treppenkernenanalog zu den Fensterlaibungen, transparentesStaffelgeschoss aus Glas und Metallpaneele, Innenhoffassadenaus Wärmedämmverbundsystem;› direkte Anbindung an den privaten GebäudebestandAugustenstraße 3, 4 / Ecke Ferdinandstraße;› leicht erscheinende und in ihrer Materialität am Staffelgeschossorientierte Brücke vom 2. Obergeschoss des Neubauszum 1. Obergeschoss des historischen Amtsgerichts,die die Flure sowohl des Neubaus als auch des Amtsgerichtsin einer Flucht fortführt;› Entsprechung zwischen der Tiefe des Fußweges vor demNeubau an der Leonhardtstraße und der Tiefe des Vorbereichs(Fußweg und Grünstreifen) vor dem historischenAmtsgericht zwecks denkmalgerechter Einfügung;› großzügiger Haupteingang an der Leonhardtstraße (gegenüberdem historischen Amtsgericht) in unmittelbarer Nähezur Augustenstraße;› Erdgeschoss: gerichtsübergreifender öffentlicher Bereich mitgesichertem Eingangsbereich (Sicherheitsschleuse), Wartezonen,Wachtmeisterei, Poststelle, Rechtsantragsstelle undSitzungssaalbereich;› 1. bis 3. Obergeschoss: nichtöffentlicher, durch eine elektronischeZugangskontrolle gesicherter Bereich der einzelnenFachgerichte (1. OG: Sozialgericht und Arbeitsgerichtin räumlicher Nähe zum Sitzungssaalbereich im EG, 2. OG:Verwaltungsgericht und Teile des Sozial- und Finanzgerichts,3. OG: Finanzgericht und Landesarbeitsgericht in räumlicherNähe zur internen Bibliothek im Staffelgeschoss);› Staffelgeschoss: interne Bibliothek, Fachverfahrensteamdes Zentralen IT-Betriebes Niedersächsische Justiz (ZIB) undTechnikflächen;› Untergeschoss: Aktenarchiv, Tiefgarage und Technikräume.Was ist seit dem Zuschlag passiert?Parallel zur Genehmigungsplanung für den Bauantrag, den>>><strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><strong>Mitteilungsblatt</strong>


26der Vermieter am 22. August <strong>2013</strong> bei der LandeshauptstadtHannover eingereicht hat, hat die Projektgruppe alle Wünscheder Fachgerichte zur Optimierung der Raumverteilung undder Raumzuschnitte gesammelt, mit den Gerichts- und Geschäftsleitungensowie den Vertrauenspersonen des erweitertenHauptpersonalrats im Einzelnen erörtert und sodann invier ganztägigen Planungsbesprechungen mit dem Vermietersoweit wie möglich in die Entwurfsplanung eingearbeitet. Daswar ein anspruchsvoller, aber auch spannender Prozess, beidem die entwurflichen und baukonstruktiven Gegebenheitenauf der einen Seite, die einzelnen Raumanforderungen, aberauch die Funktionalität des Fachgerichtszentrums insgesamtauf der anderen Seite gegeneinander abzuwägen und jeweilszu einem vernünftigen Ausgleich zu bringen waren. Letzteresist zur Freude aller Beteiligten gelungen.Was tut sich auf dem Baugrundstück?Der bisherige Gerichtsparkplatz ist am 1. September <strong>2013</strong> freivon parkenden Fahrzeugen an den Vermieter übergeben worden.Auf dem gegenüberliegenden unbebauten Grundstückentlang des Bahndamms hat die BAM Deutschland AG ihreBaucontainer aufgestellt. Als erster sichtbarer Schritt sind dieseit Jahren leerstehenden Altgebäude Hinüberstraße 11, 11Aund 12 abgerissen worden. Jetzt folgen die Bauphasen Tiefbau/Aushub,Gründung, Rohbau und Ausbau. Als Miet- undNutzungsbeginn ist der 1. Juli 2015 vereinbart.Das Controlling der Bauphase wird von der Projektgruppewahrgenommen, die dabei dankenswerter Weise weiterhinbaufachlich und liegenschaftlich durch die OFD-BL und dasStaatliche Baumanagement Hannover betreut wird. Ohne dieengagierte und professionelle Unterstützung durch die BauundLiegenschaftsverwaltung wäre diese Aufgabe weder sachnochtermingerecht zu bewältigen. Das Staatliche BaumanagementNiedersachsen zeigt sich in diesem Bereich wirklich gutaufgestellt.Was noch zu regeln bleibt, ist die interne Organisation desFachgerichtszentrums und dessen Zusammenwachsen mitAmtsgericht, Landgericht und Staatsanwaltschaft Hannover zueinem großen Justizzentrum. Es ist ausgesprochen positiv zubewerten, dass sich die Fachgerichte in einer gemeinsamen Besprechungmit der Projektgruppe am 23. August <strong>2013</strong> daraufverständigt haben, diese Organisation selbst in die Hand zunehmen und umzusetzen. Sie haben sich dafür in einem Workshopam 6. September <strong>2013</strong> unter Beteiligung der örtlichenRichter- und Personalvertretungen eine eigene Projektstrukturgegeben, deren Projektleiterin, Frau Richterin am FinanzgerichtPetra Hager, dem MJ zugleich als Ansprechpartnerin für alleSchnittstellen zwischen baulichen und organisatorischen Fragenzur Verfügung steht.Grundlage der internen Organisation ist das Gesamtkonzeptdes Justizzentrums, wie es bereits Gegenstand des – das Vergabeverfahrenin Auftrag gebenden – Kabinettsbeschlussesvom 26. Oktober 2010 war und das – im Benehmen mit demerweiterten Hauptpersonalrat – so auch in die ausgeschriebeneLeistungsbeschreibung eingeflossen und damit Teil desErbbaurechts- und Mietvertrages geworden ist. Dieses Gesamtkonzeptgeht von einer Kooperation der Fachgerichte beider Hausverwaltung, der Wachtmeisterei, dem Pforten- undAuskunftsdienst, der Poststelle, der Rechtsantragstelle, demSitzungssaalbereich, der internen Bibliothek und dem Aktenarchiv(außer Finanzgericht) sowie davon aus, dass gemeinsammit der ordentlichen Justiz alle diejenigen Einrichtungen genutztwerden, die dort bereits zentralisiert sind, nämlich diePostabgangsstelle im Amtsgericht sowie die Telefonzentrale,die öffentliche Zentralbibliothek und die Kantine im Landgericht.Das Wie dieser Zusammenarbeit regeln die Gerichteeigenverantwortlich untereinander. Das ist die beste Voraussetzungdafür, dass das Projekt „Justizzentrum Hannover“ nichtnur in vergaberechtlicher und baulicher, sondern auch in organisatorischerHinsicht gelingt.referendarausbildung in niedersachsenvon richterin am amtsgericht dr. andrea tietze, göttingenFrau Dr. Tietze ist Arbeitsgemeinschaftsleiterin für die erstePflichtstation. Ihr folgender Beitrag beschäftigt sich mit derReferendarausbildung in Niedersachsen. Es werden die Ausgestaltungdes Referendariats nach den gesetzlichen Vorschriftenim Überblick erläutert sowie neuste Reformen vorgestellt. Darüberhinaus werden praktische Probleme bei der Umsetzungder Ausbildung und mögliche Lösungsansätze erörtert.Die Ausbildung in StationenDie Ausbildung der Referendare richtet sich nach dem NiedersächsischenGesetz zur Ausbildung der Juristinnen und Juristen(NJAG) in der Fassung vom 27.08.2009 sowie der Verordnungzum Niedersächsischen Gesetz zur Ausbildung der Juristinnenund Juristen (NJAVO) in der Fassung vom 11.09.2009. Danachhaben die Referendare grundsätzlich zunächst fünf Monate beieinem ordentlichen Gericht in Zivilsachen, sodann drei Monate<strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


27bei einer Staatsanwaltschaft und drei Monate bei einer Verwaltungsbehördeabzuleisten. Die Möglichkeit, diese Stationbeim Verwaltungsgericht zu absolvieren, besteht nicht, wasvon nicht wenigen Referendaren bedauert wird. Die Zuweisungzum Einzelausbilder in diesen Stationen erfolgt von Amtswegen.Es schließen sich weitere neun Monate bei einem Rechtsanwaltan, wobei hier die Möglichkeit der Teilung der Stationbesteht. Zuletzt hat der Referendar vier Monate in einem derWahlbereiche Zivil- und Strafrecht, Staats- und Verwaltungsrecht,Wirtschafts- und Finanzrecht, Arbeits- und Sozialrechtoder Europarecht nach seiner Auswahl zu absolvieren. Schwerpunktder Ausbildung stellt damit der rechtsanwaltschaftlicheBereich dar, was auch in den Examensklausuren Niederschlagfindet: Gem. § 37 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 NJAVO sind von vier Aufsichtsarbeitenaus dem Bereich des Zivilrechts zwei Arbeitenmit einer gutachterlich-rechtsberatenden oder gutachterlichrechtsgestaltendenAufgabenstellung anzufertigen. Auch derAktenvortrag am Beginn der mündlichen Prüfung enthält eineanwaltliche Aufgabenstellung.In den Stationen selbst besteht eine Zweiteilung zwischenAusbildung am Arbeitsplatz und Arbeitsgemeinschaft in Kleingruppen,die von den Referendaren in der Regel als sehr positivempfunden wird. Begrüßenswert ist es, wenn die Arbeitsgemeinschaftnur bis zu 15 Referendare hat, denn so ist einemündliche Beteiligung aller Referendare möglich und auchgefordert. Die Zweiteilung bringt den Vorteil mit sich, dass inder Arbeitsgemeinschaft theoretische Grundlagen und die Anwendungdieses Wissens in den Klausuren vermittelt werdenkann, während der Ausbilder am Arbeitsplatz durch Bearbeitungder Akten einen praktischen Bezug herstellt. Der Grundsatzder Zweiteilung wird auch nicht durchbrochen, wenn derReferendar seine Ausbildung am Arbeitsplatz an einem anderenOrt durchläuft. Hier muss er ggf. einmal pro Woche an denOrt der Arbeitsgemeinschaft fahren, was bei längeren Streckenkosten- und zeitintensiv ist. Eine Koordination mit „Fremd-Arbeitsgemeinschaften“ dürfte allerdings schwierig sein, vorallem, wenn andere Bundesländer betroffen sind.Foto: ®_K_B_by_Dieter Schütz_pixelio.deDie Ausbildung von Referendaren, die dem Praktiker zur Ausbildungam Arbeitsplatz zugewiesen sind, läuft in der Regelneben dem normalen Arbeitsalltag des Ausbilders, wird alsomeist nicht gesondert im Pensum ausgewiesen. Die Berücksichtigungeiner Arbeitsgemeinschaft im Pensum bei niedersächsischenAG-Leitern ist dagegen sehr unterschiedlich ausgestaltetund vor allem von der jeweiligen Station abhängig.AG-Leiter der ersten Pflichtstation bei den Gerichten haben inder Regel den Vorteil, dass die Leitung der Arbeitsgemeinschaftim Pensum mit der Hälfte angesetzt ist. Dies führt dazu, dasssowohl für die Vorbereitung des Unterrichts als auch für dieKorrektur der schriftlichen Arbeiten (eine Übungsrelation unddrei Klausuren) ausreichend Zeit zur Verfügung steht, vor allemnach den ersten Durchgängen, wenn bereits ein Grundstockan vorbereiteten Unterrichtsmaterialien zur Verfügung steht.Der AG-Leiter wird in der Regel für einige Jahre eingesetzt undübernimmt zwei Durchgänge pro Jahr.Bei der staatsanwaltschaftlichen Arbeitsgemeinschaft dagegenist es vom Behördenleiter abhängig, ob die Leitung derArbeitsgemeinschaft zusätzlich zum Pensum – ohne weitereVergütung – erfolgt oder ob eine Entlastung vorgesehen ist.Unterschiedlich ist auch, ob die AG-Leitung von Durchgang zuDurchgang wechselt oder ob ein AG-Leiter jahrelang eingesetztbleibt. In der Verwaltungsstation ist eine Entlastung oftebenfalls nicht vorgesehen; es erfolgt dafür eine Vergütung,die aber nur die geleisteten Unterrichtsstunden betrifft undweder Vorbereitungszeit noch Korrekturzeiten mit einschließt.Eine gesonderte Vergütung kommt auch den Rechtsanwältenzugute, wobei hier der Stundenlohn noch von der Rechtsanwaltskammeraufgestockt wird. Dennoch muss realistischerweisefestgestellt werden, dass der insgesamt erreichteStundenlohn nicht ausreichend ist, um einen normalen Kanzleibetriebzu unterhalten, so dass – vor allem im Hinblick aufden sehr breit gefächerten und sehr detaillierten Ausbildungskatalog,den die Rechtsanwälte zu bewältigen haben – durchausIdealismus dahinter stehen muss.Uneinheitlich ist auch die den Ausbildern zur Verfügung stehendeAusbildungsliteratur. Auch hier kann man bei Kollegenaus anderen Fachgebieten starke Unterschiede feststellen; teilweisewerden den Ausbildern nicht einmal Grundlagenkommentaregestellt, was die Arbeitsgemeinschaftsleiter vor gewisseHerausforderungen stellt, wenn sie qualitativ hochwertigenUnterricht abhalten möchten. Auch ob Kommentare für die >>><strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><strong>Mitteilungsblatt</strong>


28Referendare zur Verfügung gestellt werden, ist uneinheitlich.Angesichts der bereits recht hohen Kosten für Gesetze undAusbildungsliteratur und des geringen Einkommens der Referendarekönnte überlegt werden, ob den Referendaren aufWunsch Kommentare zur Verfügung gestellt werden. Wegender geringen Haushaltsmittel des Landes könnte auch davonabgesehen werden, Kommentare in neuster Auflage zu stellen.Ausreichend wären hier für den Zeitraum der Ausbildung auchältere Auflagen, die ggf. bei Gericht bereits aussortiert wurden,aber zum Lernen und Arbeiten noch geeignet sind. Spätestenszu den Examensklausuren wird sich jeder Referendar ohnehinmit den neusten Auflagen der Kommentare versorgen.Die Qualität der Ausbilder – und dies ist sowohl für AG-Leiterals auch für Einzelausbilder der Fall – schwankt stark mit dempersönlichen Engagement des Ausbilders. Es gibt hier keineeinheitlichen Qualitätsstandards, was für Referendare mituntersehr misslich ist. Wünschenswert wären hier – wie es inmanchen OLG-Bezirken auch schon üblich ist – vorgeschriebeneEvaluationen durch die Referendare, die direkt an das OLGübersandt werden.Reform für ErgänzungsvorbereitungsdienstleisterAktuell reformiert wurde die Ausbildung im Rahmen des Ergänzungsvorbereitungsdienstes,d. h. für diejenigen Referendare,die die Examensklausuren nicht bestanden haben. Geltungfindet die Reform seit dem 01.06.<strong>2013</strong>. Es erfolgt – anstelleder Wiederholung von bestimmten Pflichtstationen inklusiveder Teilnahme an den dortigen Arbeitsgemeinschaften – eineeinheitliche Zuweisung zur ersten Pflichtstation für in der Regelvier Monate mit besonderer Arbeitsgemeinschaft in Celle, dieVorrang vor der Ausbildung durch den Ausbilder am Arbeitsplatzhat. Die Arbeitsgemeinschaft ist so ausgestaltet, dass aneinem Tag acht Stunden Unterricht abgehalten wird, der jeweilsauf einen bestimmten Klausurtyp ausgerichtet ist. Am jeweilsnächsten Tag schreiben die Referendare eine solche Klausurunter Examensbedingungen, die am selben Tag besprochenund in der nächsten Woche zurückgegeben wird.Eine Abkoppelung der Ergänzungsvorbereitungsdienstleistervom „normalen“ AG-Betrieb ist sehr sinnvoll. Mitunter wares – gerade wenn die absoluten Grundlagen besprochen werden– nicht leicht, die Ergänzungsvorbereitungsdienstleisterihrem Kenntnisstand nach mit einzubeziehen; letztlich hättedie Zeit oft effektiver zum klausurbezogenen Lernen und vorallem Klausurenschreiben genutzt werden können. Vor allemletzterem wird durch die Neugestaltung Rechnung getragen.Auch das weitere Vorhaben, die Ergänzungsvorbereitungsdienstleisterdarüber hinaus zum gerichtlichen Klausurenkurszu verpflichten, ist sehr begrüßenswert.KlausurenkurseGerade als Vorbereitung auf die Examensklausuren sind Klausurenkurseunerlässlich. Dennoch zeigen sich hier praktischeProbleme. Oft reichen die Räumlichkeiten nicht aus, um dieVielzahl der Referendare unterzubringen, so dass die Empfehlung,die Klausuren an Ort und Stelle niederzuschreiben – mitall der Lärmbelästigung, die von den anderen Referendaren beider Klausurbearbeitung ausgeht – ins Leere geht. Hier sollteAbhilfe geschaffen werden, denn eine Klausur zu Hause zuschreiben, spiegelt die Examenssituation nicht wider. Darüberhinaus sollten die Klausuren thematisch abgestimmt werden.So berichten Referendare, dass Kautelarklausuren selten odergar nicht angeboten werden, obwohl eine Klausur aus diesemBereich im Examen zu erwarten ist. Zur weiteren Übung derReferendare könnten auch alte Klausuren mit Besprechungüber das Internet zur Verfügung gestellt werden. Selbst wennnicht alle Klausuren geschrieben würden, könnten die Referendareweitere Klausuren als Beispielsfälle durchlesen und sich sovergegenwärtigen, wo noch Lücken sind.ExamenDie Aufsichtsarbeiten werden gem. § 37 NJAVO zu Beginn desletzten Monats der letzten Pflichtstation geschrieben. Die Ausbildungam Arbeitsplatz geht bis zum Schluss. Dies veranlasstviele Referendare, schon vorher in Absprache mit dem Ausbilderzu „tauchen“, d. h. nicht am Arbeitsplatz zu erscheinen,um Zeit zum Lernen zu haben. Dieser Wunsch ist verständlichund nachvollziehbar. Zwar kann man bei jeder Akte amAusbildungsplatz viel lernen und sich im juristischen Denkenschulen. Allerdings muss berücksichtigt werden, dass sehr vielmehr Aufgabengebiete und Klausurtypen im Examen zu beherrschensind, als in der letzten Pflichtstation Akten bearbeitetwerden können. Dass Referendare am Ende ihren gesamtenJahresurlaub nehmen, um für die Klausuren lernen zu können,ist nicht Sinn des Erholungsurlaubs. Hier könnte darüber nachgedachtwerden, ob nicht eine Freistellung vor den Klausurenallgemein erfolgen könnte, um unkontrolliertes „Tauchen“einzuschränken und allen anderen Referendaren Zeit zum Lerneneinzuräumen.Die Aufsichtsarbeiten an sich beziehen sich auf die Ausbildungin den Pflichtstationen und bestehen aus vier Aufsichtsarbeitenaus dem Bereich des Zivilrechts, davon zwei Arbeiten mit einergutachterlich-rechtsberatenden oder gutachterlich-rechtsgestaltendensowie jeweils eine Arbeit mit einer zivilgerichtlichenund einer gutachterlichen Aufgabenstellung, einer Aufsichtsarbeitaus dem Bereich des Strafrechts mit einer staatsanwaltschaftlichenAufgabenstellung, zwei Aufsichtsarbeiten ausdem Bereich des Öffentlichen Rechts, davon eine mit einerverwaltungsfachlichen und eine mit einer gutachterlich-rechtsberatendenAufgabenstellung und eine Aufsichtsarbeit nachWahl des Prüflings aus dem Strafrecht mit einer staatsanwaltschaftlichenoder aus dem Öffentlichen Recht mit einer verwaltungsfachlichenAufgabenstellung.<strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


29Die mündliche Prüfung am Ende des Referendariats beginntmit dem freien Aktenvortrag aus dem Wahlbereich des Referendarszu einer anwaltlichen Aufgabenstellung, woran sichein kurzes Vertiefungsgespräch anschließt (§ 39 NJAVO). Fürdie Vorbereitung hat der Prüfling eine Stunde. Die Prüfungsgespräche,die sich dann anschließen und sich entsprechend denvier Pflichtstationen gliedern, dauern bei vier Prüflingen etwadrei Stunden.Für die Ausbilder – gerade AG-Leiter – wäre hier ein Feedbackinteressant, welche Fehler sich bei Referendaren wiederholenund vor allem zum Nichtbestehen der Klausuren führen.Hierauf könnte dann im Rahmen der Arbeitsgemeinschaftenbei der Ausbildung besonderer Wert gelegt werden und auchentsprechend wiederholt werden. Denn wenn man als Arbeitsgemeinschaftsleiternicht gerade selbst Examensklausuren korrigiert,sind nur die Probleme der eigenen Gruppe bekannt.Diese können aber – je nach Kenntnisstand der Gruppe undje nachdem, wie frisch das gerade Gelernte angewendet wird– durchaus von Fehlern im Examen abweichen.Insgesamt ist das Referendariat strukturell und in seiner Ausgestaltungals sinnvoll und positiv zu bewerten. Die Schwerpunktesind in der Ausbildung gut gesetzt; der Referendar hat durchWahl seiner Ausbildungsplätze teilweise die Möglichkeit, seineAusbildung selbst zu beeinflussen. Auch dass theoretischerUnterricht und die Ausbildung am Einzelplatz parallel nebeneinanderlaufen, sollte unbedingt beibehalten werden.frauenpower aus aurichlosta`in kathrin krüger und präs`inlg frauke seewald stellen sich vorKaum hat die neue Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz das Ziel ausgegeben, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, istdies in Aurich gleich im Doppelpack gelungen: Seit Juni <strong>2013</strong> ist Kathrin Krüger Leiterin der Staatsanwaltschaft Aurich. Einen Monatspäter folgte ihr Frauke Seewald als Präsidentin des Landgerichts Aurich. Hier stellen sie sich vor.Leitende Oberstaatsanwältin Kathrin KrügerPräsidentin des Landgerichts Frauke SeewaldFrau Krüger, was sehen Sie als wichtigste Aufgabe in Ihrer Frau Seewald, was sehen Sie als wichtigste Aufgabe inneuen Leitungsstelle an?Ihrer neuen Leitungsstelle an?Ich halte es für meine wichtigste Aufgabe, dafür Sorge zu tragen,dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motiviert, kol-Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als Teil des GanzenIch halte es für sehr wichtig, dass sich alle Kolleginnen undlegial und kompetent zusammenarbeiten, damit die Staatsanwaltschaftihre Aufgaben – auch weiterhin – mit einem hohen fühlt, dass alles „läuft“. Nach den ersten Wochen habe ichsehen und jede/jeder Einzelne sich auch dafür verantwortlichQualitätsstandard erfüllt.den Eindruck, dass dies hier bereits gut umgesetzt ist. Meinewichtigste Aufgabe sehe ich darin, diesen Zustand zu halten>>> >>><strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><strong>Mitteilungsblatt</strong>


30Kathrin KrügerWo sehen Sie für Ihre Behörde derzeit die größten Probleme?Das größte Problem liegt sicherlich in dem Umstand begründet,dass die Staatsanwaltschaft Aurich auf zwei nahezu gleichgroße Häuser verteilt ist. Dies führt unweigerlich zu Reibungsverlustenim Hinblick auf Kommunikation und Kooperationund nicht zuletzt zu Zeitverlusten wegen des zusätzlichenAktentransports. Außerdem befindet sich die sog. Nebenstellein einem baulich unzulänglichen Zustand.Wenn Ihnen ein guter Freund vor 20 Jahren gesagt hätte,Sie würden einmal die Staatsanwaltschaft in Aurichleiten: Was hätten Sie ihm geantwortet?Vor 20 Jahren war ich gerade einmal 9 Monate als Assessorintätig. Dementsprechend wäre meine Antwort zunächst sicherlichgewesen, dass ich mir die Ausübung eines solchen Amtesfür mich gar nicht vorstellen könne. Da ich aber damals eben inAurich gewohnt, gearbeitet und mich sehr wohl gefühlt habe,hätte mein zweiter Satz dann wohl gelautet: Aber schön wäredas schon!Frauke Seewaldund zu verbessern. Modern ausgedrückt heißt das wohl: DieTeamfähigkeit stärken und verbessern.Wo sehen Sie für Ihre Behörde derzeit die größten Probleme?Durch umfangreiche Strafverfahren sind sehr viele Richter gebunden.Um die Kammern ausreichend besetzen zu können,müssen Zivilrichter neben ihrem normalen Zivildezernat auchin Strafkammern tätig sein. Da das Gericht klein ist, kann dieskaum aufgefangen werden und der Geschäftsbetrieb ist nurdurch den vermehrten Einsatz aller aufrecht zu erhalten. Aneinen Abbau der hohen Bestände ist unter diesen Umständenkaum zu denken.Wenn Ihnen ein guter Freund vor 20 Jahren gesagt hätte,Sie würden einmal das Landgericht in Aurich leiten: Washätten Sie ihm geantwortet?„Träum‘ weiter …“.Die Fragen stellte DirAG Hanspeter Teetzmann.leitende oberstaatsanwältin kathrin krügerNach Abitur und Studium begann ich 1992 als Assessorin imBezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg. Ich war zunächstam Landgericht Aurich in einer Berufungskammer für Zivilsachentätig. Daran schloss sich eine Zeit als Straf- und Ermittlungsrichterinbeim Amtsgericht Emden an. Im <strong>Dezember</strong>1993 wechselte ich an das Amtsgericht Bad Iburg, wo ich mitZivilsachen befasst war. Dann erfolgte der Wechsel zur StaatsanwaltschaftOsnabrück. Dort erhielt ich im Oktober 1995eine Planstelle. U.a. war ich lange Jahre im Bereich der OrganisiertenKriminalität und der Kapitaldelikte tätig, bevor ich imJahre 2008 zur Oberstaatsanwältin befördert wurde. Bis zum31.05 <strong>2013</strong> habe ich bei der Staatsanwaltschaft Osnabrückdie Abteilung I (Rechtshilfe, Öffentlicher Dienst und AllgemeineStrafsachen) geleitet. Mit Wirkung zum 03.06.<strong>2013</strong>wurde mir der Dienstposten der Leitenden Oberstaatsanwältinübertragen.präsidentin des landgerichts frauke seewald10.07.1961 in Wittmund geboren, Abitur in Esens, Studiumin Marburg an der Lahn, Referendariat in Oldenburg. Nachwenigen Monaten beim Anwalt: Januar 1990 Richterin aufProbe (Landgericht Oldenburg, Staatsanwaltschaft Oldenburgund Oberlandesgericht Oldenburg, Präsidialassessorin).<strong>Dezember</strong> 1993 Richterin am Landgericht (erstinstanzlicheZivilsachen und Verwaltungsreferentin), Februar 2001 Richterinam Oberlandesgericht (Familiensenat, Zivilsenat undStrafsenat), Juli 2007 Vorsitzende Richterin am Landgericht(Kammer für Handelssachen, Grofle Jugendkammer, Zivilkammer),Juli <strong>2013</strong> Präsidentin am Landgericht Aurich. Wennich das so zusammenfasse, scheint der Juli für mich ein ganzentscheidender Monat zu sein.<strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


31berichte aus den bezirks- und fachgruppenbericht aus der bezirksgruppe braunschweigIm April / Mai <strong>2013</strong> wurde in Erinnerung an den im Dritten Reich verfolgten und auf der Flucht nach Palästina 1940 umgekommenenjüdischen Kollegen Dr. Felix Kopfstein (Oberlandesgerichtsrat 1930-1933 am Oberlandesgericht Braunschweig) an seinemfrüheren Wohnort in Braunschweig, Zeppelinstraße 2, ein sog. Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig verlegt. Die Aktionerfolgte durch den Verein „Stolpersteine für Braunschweig Förderverein e. V.“ und einer Braunschweiger Schulklasse mit Unterstützungder Bezirksgruppe.Zum alljährlichen leckeren Spargelessen traf sich am 5.6.<strong>2013</strong> die Bezirksgruppe Braunschweig in der Gaststätte „Wendenturm“in Braunschweig, diesmal bei perfektem Wetter und in neuer Rekordbeteiligung! Von jungen Assessorinnen und Assessoren bisaltgedienten Pensionären waren alle Generationen vertreten. In unterhaltsamer Atmosphäre entspann sich schnell ein anregenderErfahrungsaustausch zwischen allen Teilnehmern. Essen und Bewirtung waren wieder gut, obwohl etliche weitere „Spargelgruppen“anwesend waren und die Bezirksgruppe deswegen zu Beginn etwas angespannt vom Gastwirt begrüßt wurden („Sie sind ja so viele...“). Der guten Stimmung tat dies aber keinen Abbruch.bericht aus der bezirksgruppe bückeburgDie Bezirksgruppe Bückeburg blickt auf ein ruhiges aber durchaus erfolgreiches Jahr 2012 mit drei neuen Mitgliedern zurück.Am Nikolaustag, dem 6. <strong>Dezember</strong> 2012, besuchten wir das Museum Eulenburg in Rinteln. Unter den Themenschwerpunkten „JuristischeFakultät der Universität Rinteln“ und „Hexenprozesse in Schaumburg“ wurden wir von Museumsleiter Dr. Stefan Meyer durchdiesen Teil des Museums geführt.Während der Regierungszeit des Grafen Ernst III. von Holstein und Schaumburg (1601 – 1622) erlebte die Grafschaft Schaumburg einenwirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung. Nachdem er bereits 1610 ein akademisches Gymnasium in Stadthagen gegründethatte, erhielt er 1619 durch den römisch-deutschen Kaiser das Universitätsprivileg. Die Academia Ernestina wurde in den Räumlichkeitendes ehemaligen Klosters St. Jakobi in Rinteln eingerichtet und am 17. Juli 1621 mit den Fakultäten Theologie, Jura, Medizinund Philosophie eröffnet. Sie war eine der wichtigsten geistigen Zentren in Norddeutschland. Ihre Blütezeit erlebte die Universitätnach dem Dreißigjährigen Krieg. Mit der Gründung der Universitäten Halle/Saale (1694) und Göttingen (1737) verlor die RintelnerHochschule an Anziehungskraft. Während der Napoleonischen Herrschaft wurde sie 1810 geschlossen. Die Bibliothek, die Instrumenteund die Archive gingen an die Universität Marburg.Rinteln hatte gleichzeitig etwa 100 bis 150 Studenten, die von etwa 12 bis 15 Professoren betreut wurden. Professoren und Studentenwaren von Steuern, Militärdienst und Einquartierung befreit. Sie unterstanden nicht der städtischen Gerichtsbarkeit. Diese Vorrechtewurden von den Studenten, die oft erst 15 Jahre alt waren, ausgenutzt; man spricht von „Pennalismus“ (Studententerror).Das Schaumburger Land gehört mit etwa 400 Prozessen zu den Gebieten mit den relativ meisten Hexereiprozessen in Norddeutschland.Die Verfolgungen fanden in Wellen im Zeitalter der Renaissance und des Barock statt, etwa von 1550 bis 1680. Die schwersteVerfolgungswelle im Schaumburger Land datiert in den Jahren 1653 bis 1655.Von den Verfolgungen waren überwiegend randständige Menschen betroffen, die sich gegen Gerüchte und Verdächtigungen nichterfolgreich wehren konnten. Erst die späten Verfolgungswellen erfassten in den Städten auch die bürgerliche Oberschicht. Opfer undDenunzianten waren überwiegend Frauen. Um verdächtigt zu werden genügte es, sich bei einflussreichen Personen verdächtig undunbeliebt gemacht zu haben. Oft wurden die Ankläger später selbst zu Verdächtigen und Opfern.Die vier häufigsten Verbrechen waren der Abfall von Gott, die geschlechtliche Gemeinschaft mit dem Teufel oder der Teufelin inMenschengestalt, die Teilnahme an einem „Hexentanz“ mit anderen und der „Schadenzauber“ an Mensch oder Vieh. Vorgeworfenwurden insbesondere das Vergiften der Nahrung, das Erzeugen von Krankheiten und das Verhexen des Wetters.>>><strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><strong>Mitteilungsblatt</strong>


32Die Prozesse wurden nicht von der Kirche, sondern von Stadtgerichten oder auf dem Lande von den Amtsgerichten – Untergerichtender Landesherrschaft – geführt. Sie folgten formalrechtlichen Prinzipien. Befragungen, richterliche Anordnungen und auch die Folterwurden umfassend protokolliert. Die Anwendung oder zumindest die Androhung der Folter war Ausdruck der Hilflosigkeit einer Justiz,die ein nicht vorhandenes Delikt ahnden sollte und für eine rechtsgültige Verurteilung zwingend ein Geständnis brauchte.Weil insbesondere die aus einer Gruppe von Ratsherren bestehenden Richter der Stadtgerichte in der Regel keine Rechtsgelehrtenwaren, holten sie sich Rechtsrat bei den Jura-Professoren der Universitäten. Sie übersandten diesen ihre Protokolle. Die Beteiligungder Juristen erleichterte das Gewissen der Richter bei der anschließenden Verurteilung und Hinrichtung.Die Rintelner Professoren waren zunächst energische Befürworter der Hexenverfolgungen. Jedoch setzte um 1680 ein frühes undradikales Umdenken bei ihnen ein. Fortan setzten sie sich für die Niederschlagung und Beendigung von Hexereiprozessen ein.Eine Verteidigung der Angeklagten, wie wir sie heute kennen, gab es nicht. Lediglich am öffentlichen „Endlichen Rechtstag“ auf demMarktplatz trat ein „Defensor“ auf, der für die „Begnadigung zum Schwert“ plädierte. Dies wurde in Rinteln stets abgelehnt und esfolgte die Verbrennung der Angeklagten.Um die Beendigung der Hexereiprozesse haben sich der Jesuitenpater Friedrich Spee von Langenfeld (1591 – 1635) und der RintelnerJura-Professor Heinrich Bode (1653 – 1720) besonders verdient gemacht.Abschließend hatten wir noch die Zeit, um uns den übrigen Teil der Ausstellungen des Museums anzusehen, darunter die aktuelleSonderausstellung mit mehr als 120 politischen Karikaturen von Horst Haitzinger. Der 1939 geborene und in München lebendeKarikaturist gehört zweifellos zu den besten Künstlern seines Fachs. Nicht nur der brillante Strich seiner Skizzen, vor allem auch derscharfe Blick für die wesentlichen Aspekte der politischen Themen, sein Witz und seine Treffsicherheit machen ihn unverwechselbar.Die Ausstellung zeigt Zeichnungen von bekannten „Klassikern“ der 80er Jahre bis in die Gegenwart.Danach trafen wir uns im Hotel „Der Waldkater“ in Rinteln. Dort hielten wir unsere jährliche Mitgliederversammlung ab, an der 2/3unserer Mitglieder teilnahmen. Anschließend ließen wir uns bei angeregten Gesprächen mit Leckereien aus der vorweihnachtlichenSpeisekarte verwöhnen.Mit diesem informativen und geselligen Tag, beendete die Bezirksgruppe Bückeburg das Geschäftsjahr 2012.bericht aus der hannoverschen richtervereinigungMitgliederfahrt zur Sonderausstellung: „1933 und das Recht. Der Beitrag der Justiz zurMachtergreifung“ in Bergen Belsen am 07.06.<strong>2013</strong>Am 07.06.<strong>2013</strong> besuchte eine Gruppe von Mitgliedern der Hannoverschen Richtervereinigungdie Sonderausstellung „1933 und das Recht. Der Beitrag der Justiz zur Machtergreifung“ inder Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers in Bergen-Belsen. Die Besuchergruppewurde zunächst begrüßt durch den Leiter der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten, HerrnPD Dr. Habbo Knoch, der zunächst auch einige allgemeine Informationen zu der Geschichte unddem Aufbau der Gedenkstätte gab. Als einer der Mitorganisatoren und Autor der Ausstellungerfolgte durch ihn sodann eine umfassende Vorstellung der Sonderausstellung und der zugrundeliegendenKonzeption im Spannungsfeld zwischen visueller Darstellung der Inhalte und denMöglichkeiten, die Ausstellungsbesucher im Selbstleseverfahren mit den thematischen Inhaltenvertraut zu machen. Die Ausstellung, die bis zum 25.August <strong>2013</strong> in Bergen-Belsen gezeigtwurde, gliedert sich thematisch in vier Themenblöcke. Bei jedem Themenblock erfolgt jeweilsan Arbeitstischen eine exemplarische Einführung. Durch Lesepulte mit der Darstellung beispielhafter Lebensläufe, Verfahrens- undVerwaltungsvorgängen mit kopierten Originaldokumenten wird das jeweilige Thema veranschaulicht, vertieft und ergänzt.Im Anschluss an das Referat von Dr. Knoch hatten die Teilnehmer die Gelegenheit, die Einzelheiten der Ausstellung selbst zu betrachtenund das Material anzuschauen. Dabei wurde den Teilnehmern bewusst, dass die vorhandene Zeit nicht ausreichen könne, um sichumfassend mit der inhaltlich vielschichtigen und abwechslungsreich gestalteten Ausstellung auseinander zu setzen. ÜbereinstimmendeAuffassung war, dass schon die Sonderausstellung einen eigenen Besuch in Bergen-Belsen wert sei.<strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>


33Im Anschluss an den Besuch der Sonderausstellung bekamen die Teilnehmer sodann eine Einführung in die Konzeption der Dauerausstellungdurch Dr. Thomas Rahe, wissenschaftlicher Leiter der Gedenkstätte Bergen-Belsen. Das neue Dokumentationszentrum inBergen-Belsen wurde 2007 eröffnet. Die moderne Ausstellungskonzeption setzt auf die Wirkung historischer Zeugnisse, bei der dieBesucher mit Texten, Fotografien, Dokumenten, Gegenständen und Ausschnitten aus zahlreichen lebensgeschichtlichen Videointerviewsmit Überlebenden über die Geschichte des Ortes Bergen-Belsen informiert werden. Dr. Rahe erläuterte zudem anhand einesLuftbildes vom 20. September 1944 den Aufbau des Freigeländes und die historische Entwicklung des Konzentrationslagers Bergen-Belsen, das als Kriegsgefangenenlager der Wehrmacht, Konzentrationslager und Displaced Persons Camp in der Zeit von 1939 bis1950 eine wechselvolle Geschichte hat.Im Anschluss an eine kurze Kaffeepause in der Cafeteria erkundeten die Teilnehmer sodann imRahmen eines Rundgangs das weitläufige Freigelände der Gedenkstätte. Dr. Joachim Schwind, Mitgliedder Arbeitsgemeinschaft Bergen-Belsen und an der Durchführung zahlreicher internationalerJugend-Workcamps beteiligt, berichtete über die Arbeit der Jugendverbände in Bergen-Belsenund über die internationalen Jugendbegegnungen, die jährlich zum Jahrestag der Befreiung desKonzentrationslagers am 15. April 1945 für eine Woche stattfinden. Dr. Schwind erläuterte denAufbau des Außengeländes und die Geschichte des Umgangs mit dem Gedenkort im Wandel dervergangenen Jahrzehnte.Eine Besonderheit der Gedenkstätte in Bergen-Belsen liegt darin, dass dort von den ehemalsvorhandenen Gebäuden und Baracken aus derNS-Zeit nichts mehr vorhanden ist, sodass der Besuchersich in einer unübersichtlichen Heidelandschaft kaum vorstellen kann, wiedas Konzentrationslager einmal ausgesehen hat. Dieser Umstand, der besondersvon Überlebenden beklagt wird, wird dadurch noch verstärkt, dass ein Großteil derFläche des ehemaligen Lagers in den 1960er Jahren in Anlehnung an eine Gartenlandschaftgestaltet wurde, die die ursprünglichen Wege und die Anlage des Lagersvollständig überdeckt hat. Erst im Zuge der Neugestaltung der Dauerausstellungin dem neu errichteten Dokumentationszentrum in den letzten Jahren wurde diesesThema breiter aufgegriffen. Seit kurzem wird dem Besucher durch Freischnittder alten Hauptlagerstraße und anderer Orientierungspunkte sowie jetzt sichtbarerGrundmauern einiger wichtiger Gebäude des Lagers die Möglichkeit eröffnet, sichdurch große Geländemodelle im Bereich des ehemaligen Konzentrationslagers zuorientieren. Bei dem Rundgang mit fachkundiger Erläuterung über das Freigeländekonnten die Teilnehmer diese Erfahrung selbst nachvollziehen. Der gut vierstündigeBesuch wird für viele Teilnehmer der Mitgliederfahrt der Hannoverschen RichtervereinigungAnlass sein, den Ort Bergen-Belsen noch einmal zu aufzusuchen, um dieumfangreiche neue Dauerausstellung im Dokumentationszentrum zu besuchen.Die Gedenkstätte ist von der A7 ausgeschildert und täglich von 10.00 bis 18.00 Uhr geöffnet.Der Eintritt ist frei.bericht aus der bezirksgruppe verdenDer Vorstand der Bezirksgruppe wurde durch die diesjährige Mitgliederversammlung vom 20.02.<strong>2013</strong> teilweise neu gewählt undbesteht nunmehr aus:OStA Marcus Röske (Vorsitzender),RiLG Daniel Hauschildt (stellvertretender Vorsitzender, Vertreter Landrichter)StA in Dr. Maren Napp (Kassenwartin),OStA Jann Scheerer (Vertreter StA),StA Dr. Frank Böhme (Proberichter und EDV),DirAG Joachim Kost (Vertreter Amtsrichter)>>><strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong><strong>Mitteilungsblatt</strong>


34Den auf eigenen Wunsch vorzeitig ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern Klaus Palm, Joachim Grebe und Ulrike Niewels wurdedurch die anwesenden Mitglieder besonderer Dank für die über viele Jahre hinweg erfolgreich geleistete Arbeit ausgesprochen. Derneue Vorstand hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese Arbeit möglichst nahtlos fortzusetzen. Neben den uns konstant begleitendenverbandsspezifischen Themen wie Besoldung und Belastung werden dabei entsprechend den aktuellen Entwicklungen auch neueThemen in den Fokus rücken. So soll im Hinblick auf die Entwicklung des elektronischen Rechtsverkehrs zeitnah eine gesonderteInformationsveranstaltung stattfinden. Darüber hinaus soll die Zusammenarbeit mit dem örtlichen Anwaltverein in fachspezifischeraber auch in geselliger Hinsicht weiter vertieft werden. Erste Gespräche haben gezeigt, dass daran auf beiden Seiten ein großesInteresse besteht.Der Bezirksgruppe Verden gehören gegenwärtig 96 Mitglieder an, von denen 13 Pensionäre sind. Erfreulich ist, dass es in jüngererVergangenheit gelungen ist, viele der im Bezirk eingesetzten Assessoren für eine Mitgliedschaft zu gewinnen, die auch rege an denVeranstaltungen der Bezirksgruppe teilnehmen. So haben an dem diesjährigen Spargelessen der Bezirksgruppe neben den „üblichenVerdächtigen“ viele junge Kolleginnen und Kollegen teilgenommen und ihren Teil zu der erneut sehr guten Stimmung beigetragen.bericht aus dem bund niedersächsischer sozialrichter„Prekäre“ ArbeitsverhältnisseMein Beitrag zum <strong>Mitteilungsblatt</strong> März 2012 endete mit dem Satz: „Mal sehen, was das neue Jahr an Überraschungen für uns bereithält.“Nun, die bisherige Überraschung des Jahres <strong>2013</strong> war sicherlich die Beteiligung des BNS an öffentlichen Protestaktionen inBremen. Der BNS hat seit der Zusammenlegung der Landessozialgerichte zahlreiche bremische Mitglieder. Gegen die dort verordnetedoppelte Nullrunde bei der Gehaltsanpassung hat der BNS gemeinsam mit den anderen bremischen Richtervertretungen zu öffentlichenAktionen aufgerufen.An den durchgeführten öffentlichen Protestveranstaltungen und Demonstrationen – bis hin zur einer gemeinsamen Erklärung überdie Einschränkung der Nebentätigkeiten beim Landesjustizprüfungsamt – haben neben unserem bremischen Vorstandsmitglied auchetliche Mitglieder teilgenommen. Das hat bedauerlicherweise bislang zwar nicht dazu geführt, dass Senat und Bürgerschaft ihreHaltung geändert hätten, jedoch so viel Staub aufgewirbelt, dass sich die Wiederholungsgefahr wohl in Grenzen halten dürfte. Undfür uns als Verband nebenbei die Erkenntnis gebracht: Auch Richter lassen sich mobilisieren und sind bereit, öffentlich für ihre Rechteeinzutreten!Und in Niedersachsen? Hier geht es uns in finanzieller Hinsicht derzeit etwas besser, wir haben erfreulicherweise weiter steigende Mitgliederzahlenzu verzeichnen und der Vorstand des BNS hatte Anfang Juli ein offenes und atmosphärisch sehr angenehmes Gesprächmit Frau Justizministerin Niewisch-Lennartz. Alles Bestens also? Leider nicht ganz; auch hier sind die Arbeitsverhältnisse „prekär“,wenn auch in anderer Hinsicht.In diesem Jahr haben wir 134 tatsächlich nutzbare Richterstellen in der ersten Instanz. Davon sind allerdings 28, also 21(!)% immernoch befristet. Nun haben Sie sicher gelesen, dass die Sozialgerichtsbarkeit sechs neue Stellen bekommt. Das ist gut und auch richtig,aber, wie so oft, nur der eine Teil der Wirklichkeit. Der andere Teil, der nicht in den Pressemitteilungen steht, ist, dass es sich zwarum neue Stellen handelt, nicht aber um zusätzliche; und dass im Gegenzug Ende <strong>2013</strong> acht Abordnungen aus anderen Gerichtsbarkeitennicht verlängert werden. Erwähnt wird auch nicht, dass die Sozialgerichtsbarkeit bereits Ende 2012 sieben Arbeitskraftanteileverloren hat, weil auslaufende Abordnungen nicht ersetzt wurden. Unter dem Strich wird die Sozialgerichtsbarkeit bis Ende <strong>2013</strong>gegenüber Anfang 2012 also neun Richter verloren haben.Da sich die immer wieder erneute Hoffnung des Justizministeriums auf dauerhaft sinkende Eingänge wieder einmal nicht erfüllt hat,sind die Folgen nicht überraschend. Der weitere Abbau der Altverfahren kommt zum Erliegen und die Bestände beginnen wiederanzusteigen (2010 = 50.110; 2011 = 49.308; 2012 = 48.816; Ende Juni <strong>2013</strong> bereits wieder 48.677). Tatsächlich legen die Eingängewieder deutlich zu und so dürfte der Bestand von 50.000 Verfahren alsbald wieder in Sichtweite sein.Und wir haben jetzt auch unser Pendant zu den Securenta-Verfahren in Göttingen. Im Juli sind beim SG Osnabrück ca. 1.500 Verfahrenanhängig gemacht worden, in denen sich Krankenhäuser und Krankenkassen um die Vergütung der stationären Behandlungvon ca. 1.500 einzelnen gesetzlich Versicherten streiten. Nach unseren bisherigen Erfahrungen erfordern Verfahren dieses Typs einensehr hohen Arbeitsaufwand und die die Urteils- bzw. Berufungsquoten liegen bei über 90%. Sie sehen also, die Arbeitsplätze in derSozialgerichtsbarkeit sind noch auf viele Jahre hinaus gesichert.<strong>Mitteilungsblatt</strong> <strong>Dezember</strong> <strong>2013</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!