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AusderTruhe auf den Tisch

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E X T R A : G E S U N D K O C H E N<br />

112 R E A D E R ’ S D I G E S T M o n a t 2 0 0 9 R E A D E R ’ S D I G E S T O k t o b e r 2 0 0 9<br />

113<br />

F O T O : © G E T T Y I M A G E S<br />

Aus der Truhe<br />

<strong>auf</strong> <strong>den</strong> <strong>Tisch</strong><br />

Wenn es beim Kochen schnell gehen soll,<br />

liegt der Griff zur Tiefkühlkost nahe.<br />

Doch wie steht es um deren Qualität?<br />

V O N E L I S A B E T H H U S S E N D Ö R F E R<br />

Packung <strong>auf</strong>, Herd an – in Minuten<br />

ist die Mahlzeit fertig: Tiefkühlkost<br />

ist aus <strong>den</strong> meisten<br />

Haushalten kaum noch wegzu<strong>den</strong>ken.<br />

Allein die Deutschen verzehren heute<br />

über 30 Prozent mehr davon als noch<br />

vor zehn Jahren.<br />

Auch die 41-jährige Andrea Ecke aus<br />

Wendelstein greift seit einiger Zeit<br />

vermehrt zu Tiefkühlware. „Seither<br />

stehe ich weniger unter Druck, dieses<br />

oder jenes am besten heute noch verarbeiten<br />

zu müssen“, sagt die Hausfrau<br />

und Mutter von drei Kindern, die<br />

großen Wert <strong>auf</strong> gesunde Ernährung<br />

legt. „Eines Tages habe ich mich daran<br />

erinnert, dass meine Schwiegermutter<br />

Überschüsse aus ihrem Garten immer<br />

erntefrisch eingefroren hat. Das war<br />

der Moment, in dem ich das erste Mal<br />

<strong>den</strong> Katalog eines Tiefkühlhändlers<br />

bewusst durchgeblättert habe.“<br />

Frisches verliert<br />

schnell an Vitaminen<br />

Wie groß der Verlust an wichtigen<br />

Nährstoffen ist, wenn frisches Obst<br />

und Gemüse in Küche oder Keller la-


E X T R A : G E S U N D K O C H E N<br />

gern, zeigen Untersuchungen. Bereits<br />

nach etwa zwei Tagen im Kühlschrank<br />

reduziert sich beispielsweise der Vitamin-C-Gehalt<br />

von Brokkoli um die<br />

Hälfte. „Viel hängt also davon ab, wie<br />

frisch das als frisch angepriesene Obst<br />

und Gemüse tatsächlich ist und wie<br />

verantwortungsbewusst der Verbraucher<br />

mit der Ware umgeht“, sagt Manfred<br />

Sassen, Geschäftsführer des Deutschen<br />

Tiefkühlinstituts.<br />

Ein Problem, das bei Tiefkühlkost<br />

so nicht existiert. „Die Ausgangsqualität<br />

der Produkte bleibt hier durch die<br />

rasche Verarbeitung und das sofortige<br />

Tiefgefrieren weitgehend erhalten“,<br />

erklärt Professor Jörg Oehlenschläger<br />

vom Max-Rubner-Institut, dem Bundesforschungsinstitut<br />

für Ernährung<br />

und Lebensmittel in Hamburg.<br />

Das belegt eine Studie der Universität<br />

Hamburg und der dortigen Hochschule<br />

für Angewandte Wissenschaft,<br />

für die Forscher frisches Gemüse mit<br />

Tiefkühlgemüse verglichen. Ersteres<br />

wurde am Tag der Ernte untersucht,<br />

Letzteres direkt nach der Verarbeitung<br />

sowie dem anschließen<strong>den</strong> industriellen<br />

Tiefgefrieren – alles noch<br />

am Tag der Ernte. Die Ergebnisse: Ein<br />

Minus beim Vitamin C von nur 5,8 Prozent<br />

beim Tiefkühl-Rosenkohl und<br />

eine fast gleichbleibende Konzentration<br />

desselben Vitamins bei Erbsen.<br />

Bei <strong>den</strong> grünen Bohnen hatte die Tiefkühlware<br />

im Vergleich zum erntefrischen<br />

Angebot sogar die Nase vorn.<br />

Als weiteren Vorteil der Tiefkühlware<br />

nennt Sassen <strong>den</strong> Erhalt sekundärer<br />

Pflanzenstoffe. So sei in tiefgefrorenen<br />

Bohnen und Erbsen noch<br />

nach einem Jahr ein fast vollständiger<br />

Gehalt an Quercetin zu fin<strong>den</strong> – einem<br />

Stoff, der das Krebsrisiko senken<br />

soll. Bei einer Lagerung im Kühlschrank<br />

hingegen sei bereits nach ei-<br />

Schockgefrieren bei<br />

minus 40 Grad schont<br />

das Gefriergut<br />

F O T O : © G E T T Y I M A G E S<br />

nigen Tagen ein 40-prozentiger Verlust<br />

festzustellen. Selbst in Sachen<br />

Aussehen und Aroma von Tiefkühlkost<br />

fiel das Urteil der Hamburger Lebensmittelchemiker<br />

positiv aus: Tiefkühlerbsen<br />

seien „knackiger, zarter<br />

und saftiger“ als frische Erbsen.<br />

Vollreif in die<br />

Tiefkühlpackung<br />

Womöglich liegt das daran, dass die<br />

Tiefkühlindustrie vom Prinzip her<br />

<strong>auf</strong> etwas setzt, was früher völlig<br />

normal war: Obst und<br />

Früchte im vollreifen Zustand<br />

zu ernten. Und<br />

nicht noch grün, wie<br />

heute so oft, um dann<br />

tage- oder wochenlang<br />

<strong>auf</strong> einem Schiff nachzureifen.<br />

Wie entschei<strong>den</strong>d<br />

der richtige Erntezeitpunkt<br />

im Hinblick <strong>auf</strong> Vitamin-<br />

und Nährstoffgehalt ist,<br />

fand ein Forscherteam um Dr. Susanne<br />

Huyskens-Keil von der Berliner Humboldt-Universität<br />

heraus. Die Agraringenieure<br />

wiesen nach, dass Tomaten<br />

umso größere Mengen an wertvollen<br />

Inhaltsstoffen enthalten, je reifer<br />

sie bei der Ernte sind. „Leider<br />

bestimmt frühreif geerntetes Gemüse<br />

das Angebot an Frischware hierzulande“,<br />

bemängelt Huyskens-Keil.<br />

R E A D E R ’ S D I G E S T O k t o b e r 2 0 0 9<br />

Wie haltbar ist<br />

Tiefkühlkost?<br />

Je fetthaltiger ein Lebensmittel, desto schneller<br />

wird es ranzig. Das gilt auch für Tiefkühlware.<br />

„Gerade bei Fleisch und fettem Fisch<br />

können sich Hohlräume bil<strong>den</strong>, in die Sauerstoff<br />

eintritt“, erklärt Antje Gahl von der Deutschen<br />

Gesellschaft für Ernährung in Bonn.<br />

„Fette und Eiweiße können sich dann durch<br />

oxidative Prozesse verändern.“ Fettarme Seefischarten<br />

dagegen sind problemlos neun Monate<br />

im Gefrierfach haltbar und bleiben während<br />

dieser Zeit auch von der Konsistenz her<br />

mit Frischfisch vergleichbar. Mageres Rumpoder<br />

Beefsteak kann sogar bis 18 Monate tiefgekühlt<br />

gelagert wer<strong>den</strong>. Obst bleibt eisgekühlt<br />

bis zu 24 Monate haltbar. Für Gemüse<br />

gelten zwölf bis 15 Monate als Richtwert.<br />

Diese Zahlen beziehen<br />

sich <strong>auf</strong> Selbsteingefrorenes.<br />

ZARTER<br />

UND<br />

SAFTIGER<br />

ALS<br />

FRISCHES<br />

Bei industriell erzeugter<br />

Tiefkühlware ist immer<br />

das <strong>auf</strong> der Verpackung<br />

angegebene Mindesthaltbarkeitsdatumentschei<strong>den</strong>d.<br />

EH<br />

„Richtlinien über<br />

Zeiträume zwischen<br />

Ernte und Abpacken gibt<br />

es zwar auch für die Tiefkühlindustrie<br />

nicht“, erklärt Antje Gahl<br />

von der Deutschen Gesellschaft für<br />

Ernährung in Bonn. „Es ist aber Standard<br />

bei <strong>den</strong> Herstellern, dass zwischen<br />

Ernte und Verarbeitung nur wenige<br />

Stun<strong>den</strong> liegen.“ Denn die Abläufe<br />

von Tiefkühlfirmen unterliegen<br />

komplexen logistischen Prozessen.<br />

„Eine Firma, bei der Spinat länger als<br />

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E X T R A : G E S U N D K O C H E N<br />

geplant in <strong>den</strong> Regalen liegt, nimmt<br />

nicht nur Qualitätseinbußen beim Produkt<br />

in K<strong>auf</strong>, sondern auch unnötige<br />

Lagerkosten“, erläutert Gahl.<br />

Viele Werke stün<strong>den</strong> mitten in <strong>den</strong><br />

Anbaugebieten, seien von Vertragsbauern<br />

umgeben, die exakt so anliefern,<br />

wie verarbeitet wer<strong>den</strong> könne,<br />

bestätigt auch Jörg Oehlenschläger,<br />

der für die Deutsche Landwirtschafts-<br />

Gesellschaft (DLG) als Bevollmächtigter<br />

die Qualitätsprüfung leitet. „Unter<br />

Umstän<strong>den</strong> wird dann auch mal<br />

nachts geerntet“, erklärt er.<br />

Fertigprodukte –<br />

was steckt drin?<br />

Tiefkühlkost ist nicht gleich<br />

Tiefkühlkost. „Einen wachsen<strong>den</strong><br />

Anteil haben Fertiggerichte<br />

wie Pizzen, Frühlingsrollen<br />

oder Reisgerichte“,<br />

erklärt Antje Gahl von der<br />

Deutschen Gesellschaft für<br />

Ernährung in Bonn. „Sie sind<br />

durch Geschmack gebende<br />

Zusätze wie Käse, Butteroder<br />

Rahmsaucen häufig kalorien-<br />

und fettreicher.“ Werfen<br />

Sie deshalb immer einen<br />

gründlichen Blick <strong>auf</strong> die<br />

Nährwertangaben. Achten Sie<br />

dabei dar<strong>auf</strong>, ob sie sich <strong>auf</strong><br />

<strong>den</strong> gesamten Packungsinhalt<br />

oder nur <strong>auf</strong> Portionen beziehen.<br />

Bei Pizzen gehen<br />

die Hersteller oft von zwei<br />

Portionen pro Stück aus –<br />

nicht aber der Verbraucher.<br />

Vorbildlich die Firma Frosta:<br />

Sie hat bislang als einziger<br />

Tiefkühlhersteller die Nährwertkennzeichnung<br />

in Form<br />

der „Ampel“ eingeführt, mit<br />

deren Hilfe der Verbraucher<br />

erkennen kann, wie viel Fett,<br />

Zucker und Salz in einem Produkt<br />

enthalten ist. In vielen<br />

Tiefkühlfertiggerichten fin<strong>den</strong><br />

sich auch Geschmacksverstärker,<br />

Farb- und Konser-<br />

Beim Einfrieren im Privathaushalt,<br />

wo eine Kerntemperatur der Kühlware<br />

von minus 18 Grad mithilfe handelsüblicher<br />

Gefriergeräte erst nach Stun<strong>den</strong><br />

erreicht wird, bil<strong>den</strong> sich in<br />

Obst und Gemüse große Eiskristalle,<br />

welche die Zellwände beschädigen<br />

können. Nicht so beim industriellen<br />

Schockfrosten: Bei Temperaturen von<br />

bis zu minus 40 Grad bleiben die Eiskristalle<br />

vergleichsweise klein und die<br />

Zellwände erhalten – optimaler Schutz<br />

wichtiger Inhaltsstoffe wie Vitamine<br />

und Mineralstoffe.<br />

vierungsstoffe. „Einige Anbieter<br />

nutzen hier eine legale<br />

Form der Verbrauchertäuschung“,<br />

kritisiert Martin Rücker,<br />

Sprecher der VerbraucherrechtsorganisationFoodwatch<br />

in Berlin. So könne sich<br />

hinter der Bezeichnung „ohne<br />

Geschmacksverstärker“ sehr<br />

wohl die geschmacksverstärkende<br />

Substanz Glutamat verstecken<br />

– zum Beispiel als Bestandteil<br />

von Hefeextrakt. EH<br />

F O T O : © F O T O L I A<br />

Richtig umgehen mit<br />

Tiefkühlkost<br />

Wichtig zu wissen ist allerdings: Völlig<br />

zum Stillstand kommen die in Lebensmitteln<br />

abl<strong>auf</strong>en<strong>den</strong> chemischen<br />

Reaktionen durch das Tiefgefrieren<br />

nicht. So bleibt ein Rest Zellflüssigkeit<br />

auch bei großer Kälte ungefroren,<br />

was dazu führt, dass verderbliche Prozesse<br />

in der Nahrung weitergehen.<br />

„Aus diesem Grund sollten Verbraucher<br />

dar<strong>auf</strong> achten, die Tiefkühlkette<br />

nur so kurz wie möglich zu unterbrechen“,<br />

sagt Antje Gahl von der DGE.<br />

„Legen Sie Tiefkühlware immer erst<br />

direkt vor dem Gang zur Kasse in <strong>den</strong><br />

Eink<strong>auf</strong>swagen.“ Transportieren Sie<br />

die Ware in einer Isoliertasche nach<br />

Hause, am besten gleich mehrere Produkte,<br />

die sich gegenseitig kühlen. Besonders<br />

kräftig <strong>auf</strong>s Gaspedal treten<br />

müssen Sie jedoch nicht. Je nach Witterung<br />

ist ein halb- bis einstündiger<br />

Transport kein Problem.<br />

„Unbedingt empfehlenswert ist es<br />

hingegen, Tiefkühlprodukte beim Griff<br />

in die Tiefkühltruhe genau zu überprüfen“,<br />

erklärt Gahl. Leckt die Packung?<br />

Sind irgendwo Druckstellen?<br />

„Gesundheitsschädlich ist der Gefrierbrand<br />

– also helle Verfärbungen<br />

durch ausgetretene Flüssigkeit – nicht,<br />

aber Geschmack und Aussehen lei<strong>den</strong><br />

erheblich.“ Hygienisch be<strong>den</strong>klich da-<br />

R E A D E R ’ S D I G E S T O k t o b e r 2 0 0 9<br />

gegen ist Gefrierware, die nicht durchgehend<br />

bei minus 18 Grad gelagert<br />

wurde. „Hersteller und Händler haben<br />

sich <strong>auf</strong> diesen Wert im Rahmen<br />

der Tiefkühlverordnung verpflichtet“,<br />

erläutert die Expertin der DGE. „Trotzdem<br />

ist es sinnvoll, im La<strong>den</strong> zweimal<br />

hinzuschauen: Befin<strong>den</strong> sich die in der<br />

Tiefkühltruhe gelagerten Packungen<br />

wirklich unterhalb der Stapelmarke?“<br />

Beim Weiterverarbeiten der gefrorenen<br />

Lebensmittel zu Hause gibt es –<br />

abgesehen vom Mindesthaltbarkeitsdatum<br />

– wenig zu beachten. „Tiefgefrorenes<br />

Fleisch oder Fisch lässt man<br />

am besten über Nacht im Kühlschrank<br />

<strong>auf</strong>tauen“, rät Gahl. „Bei Geflügel sollten<br />

Sie die Auft<strong>auf</strong>lüssigkeit und die<br />

ursprüngliche Verpackung wegen der<br />

Salmonellengefahr entsorgen.“ Kleine<br />

Fleisch- oder Fischstücke können Sie<br />

direkt aus dem Eis verarbeiten, bei Gemüse<br />

sollten Sie das sogar, <strong>den</strong>n dann<br />

behält es seine Struktur.<br />

„Rein ernährungsphysiologisch<br />

spricht nichts dagegen, sich ausschließlich<br />

von Tiefgefrorenem zu ernähren“,<br />

erklärt Gahl. „Über <strong>den</strong> Wochenmarkt<br />

schlendern, mich vom saisonalen<br />

Erntekalender inspirieren lassen,<br />

frisches Obst und Gemüse riechen<br />

und schmecken, das möchte ich mir<br />

aber – bei allen Vorteilen von Tiefkühlkost<br />

– nicht nehmen lassen.“ ■<br />

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