AusderTruhe auf den Tisch
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F O T O : © G E T T Y I M A G E S<br />
Aus der Truhe<br />
<strong>auf</strong> <strong>den</strong> <strong>Tisch</strong><br />
Wenn es beim Kochen schnell gehen soll,<br />
liegt der Griff zur Tiefkühlkost nahe.<br />
Doch wie steht es um deren Qualität?<br />
V O N E L I S A B E T H H U S S E N D Ö R F E R<br />
Packung <strong>auf</strong>, Herd an – in Minuten<br />
ist die Mahlzeit fertig: Tiefkühlkost<br />
ist aus <strong>den</strong> meisten<br />
Haushalten kaum noch wegzu<strong>den</strong>ken.<br />
Allein die Deutschen verzehren heute<br />
über 30 Prozent mehr davon als noch<br />
vor zehn Jahren.<br />
Auch die 41-jährige Andrea Ecke aus<br />
Wendelstein greift seit einiger Zeit<br />
vermehrt zu Tiefkühlware. „Seither<br />
stehe ich weniger unter Druck, dieses<br />
oder jenes am besten heute noch verarbeiten<br />
zu müssen“, sagt die Hausfrau<br />
und Mutter von drei Kindern, die<br />
großen Wert <strong>auf</strong> gesunde Ernährung<br />
legt. „Eines Tages habe ich mich daran<br />
erinnert, dass meine Schwiegermutter<br />
Überschüsse aus ihrem Garten immer<br />
erntefrisch eingefroren hat. Das war<br />
der Moment, in dem ich das erste Mal<br />
<strong>den</strong> Katalog eines Tiefkühlhändlers<br />
bewusst durchgeblättert habe.“<br />
Frisches verliert<br />
schnell an Vitaminen<br />
Wie groß der Verlust an wichtigen<br />
Nährstoffen ist, wenn frisches Obst<br />
und Gemüse in Küche oder Keller la-
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gern, zeigen Untersuchungen. Bereits<br />
nach etwa zwei Tagen im Kühlschrank<br />
reduziert sich beispielsweise der Vitamin-C-Gehalt<br />
von Brokkoli um die<br />
Hälfte. „Viel hängt also davon ab, wie<br />
frisch das als frisch angepriesene Obst<br />
und Gemüse tatsächlich ist und wie<br />
verantwortungsbewusst der Verbraucher<br />
mit der Ware umgeht“, sagt Manfred<br />
Sassen, Geschäftsführer des Deutschen<br />
Tiefkühlinstituts.<br />
Ein Problem, das bei Tiefkühlkost<br />
so nicht existiert. „Die Ausgangsqualität<br />
der Produkte bleibt hier durch die<br />
rasche Verarbeitung und das sofortige<br />
Tiefgefrieren weitgehend erhalten“,<br />
erklärt Professor Jörg Oehlenschläger<br />
vom Max-Rubner-Institut, dem Bundesforschungsinstitut<br />
für Ernährung<br />
und Lebensmittel in Hamburg.<br />
Das belegt eine Studie der Universität<br />
Hamburg und der dortigen Hochschule<br />
für Angewandte Wissenschaft,<br />
für die Forscher frisches Gemüse mit<br />
Tiefkühlgemüse verglichen. Ersteres<br />
wurde am Tag der Ernte untersucht,<br />
Letzteres direkt nach der Verarbeitung<br />
sowie dem anschließen<strong>den</strong> industriellen<br />
Tiefgefrieren – alles noch<br />
am Tag der Ernte. Die Ergebnisse: Ein<br />
Minus beim Vitamin C von nur 5,8 Prozent<br />
beim Tiefkühl-Rosenkohl und<br />
eine fast gleichbleibende Konzentration<br />
desselben Vitamins bei Erbsen.<br />
Bei <strong>den</strong> grünen Bohnen hatte die Tiefkühlware<br />
im Vergleich zum erntefrischen<br />
Angebot sogar die Nase vorn.<br />
Als weiteren Vorteil der Tiefkühlware<br />
nennt Sassen <strong>den</strong> Erhalt sekundärer<br />
Pflanzenstoffe. So sei in tiefgefrorenen<br />
Bohnen und Erbsen noch<br />
nach einem Jahr ein fast vollständiger<br />
Gehalt an Quercetin zu fin<strong>den</strong> – einem<br />
Stoff, der das Krebsrisiko senken<br />
soll. Bei einer Lagerung im Kühlschrank<br />
hingegen sei bereits nach ei-<br />
Schockgefrieren bei<br />
minus 40 Grad schont<br />
das Gefriergut<br />
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nigen Tagen ein 40-prozentiger Verlust<br />
festzustellen. Selbst in Sachen<br />
Aussehen und Aroma von Tiefkühlkost<br />
fiel das Urteil der Hamburger Lebensmittelchemiker<br />
positiv aus: Tiefkühlerbsen<br />
seien „knackiger, zarter<br />
und saftiger“ als frische Erbsen.<br />
Vollreif in die<br />
Tiefkühlpackung<br />
Womöglich liegt das daran, dass die<br />
Tiefkühlindustrie vom Prinzip her<br />
<strong>auf</strong> etwas setzt, was früher völlig<br />
normal war: Obst und<br />
Früchte im vollreifen Zustand<br />
zu ernten. Und<br />
nicht noch grün, wie<br />
heute so oft, um dann<br />
tage- oder wochenlang<br />
<strong>auf</strong> einem Schiff nachzureifen.<br />
Wie entschei<strong>den</strong>d<br />
der richtige Erntezeitpunkt<br />
im Hinblick <strong>auf</strong> Vitamin-<br />
und Nährstoffgehalt ist,<br />
fand ein Forscherteam um Dr. Susanne<br />
Huyskens-Keil von der Berliner Humboldt-Universität<br />
heraus. Die Agraringenieure<br />
wiesen nach, dass Tomaten<br />
umso größere Mengen an wertvollen<br />
Inhaltsstoffen enthalten, je reifer<br />
sie bei der Ernte sind. „Leider<br />
bestimmt frühreif geerntetes Gemüse<br />
das Angebot an Frischware hierzulande“,<br />
bemängelt Huyskens-Keil.<br />
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Wie haltbar ist<br />
Tiefkühlkost?<br />
Je fetthaltiger ein Lebensmittel, desto schneller<br />
wird es ranzig. Das gilt auch für Tiefkühlware.<br />
„Gerade bei Fleisch und fettem Fisch<br />
können sich Hohlräume bil<strong>den</strong>, in die Sauerstoff<br />
eintritt“, erklärt Antje Gahl von der Deutschen<br />
Gesellschaft für Ernährung in Bonn.<br />
„Fette und Eiweiße können sich dann durch<br />
oxidative Prozesse verändern.“ Fettarme Seefischarten<br />
dagegen sind problemlos neun Monate<br />
im Gefrierfach haltbar und bleiben während<br />
dieser Zeit auch von der Konsistenz her<br />
mit Frischfisch vergleichbar. Mageres Rumpoder<br />
Beefsteak kann sogar bis 18 Monate tiefgekühlt<br />
gelagert wer<strong>den</strong>. Obst bleibt eisgekühlt<br />
bis zu 24 Monate haltbar. Für Gemüse<br />
gelten zwölf bis 15 Monate als Richtwert.<br />
Diese Zahlen beziehen<br />
sich <strong>auf</strong> Selbsteingefrorenes.<br />
ZARTER<br />
UND<br />
SAFTIGER<br />
ALS<br />
FRISCHES<br />
Bei industriell erzeugter<br />
Tiefkühlware ist immer<br />
das <strong>auf</strong> der Verpackung<br />
angegebene Mindesthaltbarkeitsdatumentschei<strong>den</strong>d.<br />
EH<br />
„Richtlinien über<br />
Zeiträume zwischen<br />
Ernte und Abpacken gibt<br />
es zwar auch für die Tiefkühlindustrie<br />
nicht“, erklärt Antje Gahl<br />
von der Deutschen Gesellschaft für<br />
Ernährung in Bonn. „Es ist aber Standard<br />
bei <strong>den</strong> Herstellern, dass zwischen<br />
Ernte und Verarbeitung nur wenige<br />
Stun<strong>den</strong> liegen.“ Denn die Abläufe<br />
von Tiefkühlfirmen unterliegen<br />
komplexen logistischen Prozessen.<br />
„Eine Firma, bei der Spinat länger als<br />
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geplant in <strong>den</strong> Regalen liegt, nimmt<br />
nicht nur Qualitätseinbußen beim Produkt<br />
in K<strong>auf</strong>, sondern auch unnötige<br />
Lagerkosten“, erläutert Gahl.<br />
Viele Werke stün<strong>den</strong> mitten in <strong>den</strong><br />
Anbaugebieten, seien von Vertragsbauern<br />
umgeben, die exakt so anliefern,<br />
wie verarbeitet wer<strong>den</strong> könne,<br />
bestätigt auch Jörg Oehlenschläger,<br />
der für die Deutsche Landwirtschafts-<br />
Gesellschaft (DLG) als Bevollmächtigter<br />
die Qualitätsprüfung leitet. „Unter<br />
Umstän<strong>den</strong> wird dann auch mal<br />
nachts geerntet“, erklärt er.<br />
Fertigprodukte –<br />
was steckt drin?<br />
Tiefkühlkost ist nicht gleich<br />
Tiefkühlkost. „Einen wachsen<strong>den</strong><br />
Anteil haben Fertiggerichte<br />
wie Pizzen, Frühlingsrollen<br />
oder Reisgerichte“,<br />
erklärt Antje Gahl von der<br />
Deutschen Gesellschaft für<br />
Ernährung in Bonn. „Sie sind<br />
durch Geschmack gebende<br />
Zusätze wie Käse, Butteroder<br />
Rahmsaucen häufig kalorien-<br />
und fettreicher.“ Werfen<br />
Sie deshalb immer einen<br />
gründlichen Blick <strong>auf</strong> die<br />
Nährwertangaben. Achten Sie<br />
dabei dar<strong>auf</strong>, ob sie sich <strong>auf</strong><br />
<strong>den</strong> gesamten Packungsinhalt<br />
oder nur <strong>auf</strong> Portionen beziehen.<br />
Bei Pizzen gehen<br />
die Hersteller oft von zwei<br />
Portionen pro Stück aus –<br />
nicht aber der Verbraucher.<br />
Vorbildlich die Firma Frosta:<br />
Sie hat bislang als einziger<br />
Tiefkühlhersteller die Nährwertkennzeichnung<br />
in Form<br />
der „Ampel“ eingeführt, mit<br />
deren Hilfe der Verbraucher<br />
erkennen kann, wie viel Fett,<br />
Zucker und Salz in einem Produkt<br />
enthalten ist. In vielen<br />
Tiefkühlfertiggerichten fin<strong>den</strong><br />
sich auch Geschmacksverstärker,<br />
Farb- und Konser-<br />
Beim Einfrieren im Privathaushalt,<br />
wo eine Kerntemperatur der Kühlware<br />
von minus 18 Grad mithilfe handelsüblicher<br />
Gefriergeräte erst nach Stun<strong>den</strong><br />
erreicht wird, bil<strong>den</strong> sich in<br />
Obst und Gemüse große Eiskristalle,<br />
welche die Zellwände beschädigen<br />
können. Nicht so beim industriellen<br />
Schockfrosten: Bei Temperaturen von<br />
bis zu minus 40 Grad bleiben die Eiskristalle<br />
vergleichsweise klein und die<br />
Zellwände erhalten – optimaler Schutz<br />
wichtiger Inhaltsstoffe wie Vitamine<br />
und Mineralstoffe.<br />
vierungsstoffe. „Einige Anbieter<br />
nutzen hier eine legale<br />
Form der Verbrauchertäuschung“,<br />
kritisiert Martin Rücker,<br />
Sprecher der VerbraucherrechtsorganisationFoodwatch<br />
in Berlin. So könne sich<br />
hinter der Bezeichnung „ohne<br />
Geschmacksverstärker“ sehr<br />
wohl die geschmacksverstärkende<br />
Substanz Glutamat verstecken<br />
– zum Beispiel als Bestandteil<br />
von Hefeextrakt. EH<br />
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Richtig umgehen mit<br />
Tiefkühlkost<br />
Wichtig zu wissen ist allerdings: Völlig<br />
zum Stillstand kommen die in Lebensmitteln<br />
abl<strong>auf</strong>en<strong>den</strong> chemischen<br />
Reaktionen durch das Tiefgefrieren<br />
nicht. So bleibt ein Rest Zellflüssigkeit<br />
auch bei großer Kälte ungefroren,<br />
was dazu führt, dass verderbliche Prozesse<br />
in der Nahrung weitergehen.<br />
„Aus diesem Grund sollten Verbraucher<br />
dar<strong>auf</strong> achten, die Tiefkühlkette<br />
nur so kurz wie möglich zu unterbrechen“,<br />
sagt Antje Gahl von der DGE.<br />
„Legen Sie Tiefkühlware immer erst<br />
direkt vor dem Gang zur Kasse in <strong>den</strong><br />
Eink<strong>auf</strong>swagen.“ Transportieren Sie<br />
die Ware in einer Isoliertasche nach<br />
Hause, am besten gleich mehrere Produkte,<br />
die sich gegenseitig kühlen. Besonders<br />
kräftig <strong>auf</strong>s Gaspedal treten<br />
müssen Sie jedoch nicht. Je nach Witterung<br />
ist ein halb- bis einstündiger<br />
Transport kein Problem.<br />
„Unbedingt empfehlenswert ist es<br />
hingegen, Tiefkühlprodukte beim Griff<br />
in die Tiefkühltruhe genau zu überprüfen“,<br />
erklärt Gahl. Leckt die Packung?<br />
Sind irgendwo Druckstellen?<br />
„Gesundheitsschädlich ist der Gefrierbrand<br />
– also helle Verfärbungen<br />
durch ausgetretene Flüssigkeit – nicht,<br />
aber Geschmack und Aussehen lei<strong>den</strong><br />
erheblich.“ Hygienisch be<strong>den</strong>klich da-<br />
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gegen ist Gefrierware, die nicht durchgehend<br />
bei minus 18 Grad gelagert<br />
wurde. „Hersteller und Händler haben<br />
sich <strong>auf</strong> diesen Wert im Rahmen<br />
der Tiefkühlverordnung verpflichtet“,<br />
erläutert die Expertin der DGE. „Trotzdem<br />
ist es sinnvoll, im La<strong>den</strong> zweimal<br />
hinzuschauen: Befin<strong>den</strong> sich die in der<br />
Tiefkühltruhe gelagerten Packungen<br />
wirklich unterhalb der Stapelmarke?“<br />
Beim Weiterverarbeiten der gefrorenen<br />
Lebensmittel zu Hause gibt es –<br />
abgesehen vom Mindesthaltbarkeitsdatum<br />
– wenig zu beachten. „Tiefgefrorenes<br />
Fleisch oder Fisch lässt man<br />
am besten über Nacht im Kühlschrank<br />
<strong>auf</strong>tauen“, rät Gahl. „Bei Geflügel sollten<br />
Sie die Auft<strong>auf</strong>lüssigkeit und die<br />
ursprüngliche Verpackung wegen der<br />
Salmonellengefahr entsorgen.“ Kleine<br />
Fleisch- oder Fischstücke können Sie<br />
direkt aus dem Eis verarbeiten, bei Gemüse<br />
sollten Sie das sogar, <strong>den</strong>n dann<br />
behält es seine Struktur.<br />
„Rein ernährungsphysiologisch<br />
spricht nichts dagegen, sich ausschließlich<br />
von Tiefgefrorenem zu ernähren“,<br />
erklärt Gahl. „Über <strong>den</strong> Wochenmarkt<br />
schlendern, mich vom saisonalen<br />
Erntekalender inspirieren lassen,<br />
frisches Obst und Gemüse riechen<br />
und schmecken, das möchte ich mir<br />
aber – bei allen Vorteilen von Tiefkühlkost<br />
– nicht nehmen lassen.“ ■<br />
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