11.07.2015 Aufrufe

Prof. Dr. Matthias Meyer-Wittkopf - CMV-Selbsthilfegruppe

Prof. Dr. Matthias Meyer-Wittkopf - CMV-Selbsthilfegruppe

Prof. Dr. Matthias Meyer-Wittkopf - CMV-Selbsthilfegruppe

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Matthias</strong> <strong>Meyer</strong>-<strong>Wittkopf</strong>Neues zur prä – und perinatalen Cytomegalovirus-InfektionZusammenfassung Die kongenitale Cytomegalovirus- (<strong>CMV</strong>-) Infektion ist die weltweithäufigste angeborene Virusinfektion. 85 Jahre nach der Einführung des Begriffes „cytomegal“durch Goodpasture sind dank serologischer Verfahren und quantitativer Nukleinsäureamplifikationstechnikenin der prä- und perinatalen Diagnostik wichtige Fortschritteerfolgt. Antivirale Therapiestrategien für das Neugeborene oder den symptomatisch infiziertenFeten sowie die Hyperimmunglobulingabe für die Schwangere mit gesicherterPrimärinfektion zeigen neue Optionen auf. Zur Prävention der Primärinfektion beiSchwangeren kann derzeit aber bei nicht absehbarer Verfügbarkeit eines Impfstoffesweiterhin nur die Aufklärung durch Gynäkologen, Kinder-, Betriebs- und Hausärzte einenwichtigen Beitrag leisten.Einleitung Das humane Cytomegalovirus (H<strong>CMV</strong>) ist ein Vertreter der Herpesvirusfamilie,verursacht die weltweit häufigste kongenitale Infektion und ist ein wichtiges Pathogenbei immunsupprimierten Patienten nach Organ- und Stammzelltransplantation sowiebei HIVinfizierten Individuen.Beim immunkompetenten Personen bewirkt die persistierendeH<strong>CMV</strong>-Infektion eine lebenslange Interaktion vornehmlich mit T-Zellen, diezwar die Virusreplikation kontrolliert, jedoch das Virus weder eliminieren noch seineTransmission inhibieren kann. Eine H<strong>CMV</strong>-Erkrankung kann sich auch schon pränatalmanifestieren, da speziell das Immunsystem des Feten noch nicht ausreichend entwickeltist, um die Virusreplikation zu kontrollieren. Der epidemiologisch bedeutsamsteMutter-Kind Übertragungsweg ist die postnatale Muttermilch-assoziierte H<strong>CMV</strong>-Transmission. Diese über virushaltige Muttermilch erworbene H<strong>CMV</strong>-Infektion gesunderreifer Neugeborener ist immer asymptomatisch und ohne Langzeit-Folgen [28]. Nahezujede seropositive Mutter reaktiviert während der Laktation H<strong>CMV</strong> und aus Untersuchungenbei Frühgeborenen ist zu über 35 % eine Transmission bekannt [29, 30]. Der zweiteepidemiologisch relevante Weg ist die maternofetale intrauterine Virustransmission nachPrimärinfektion einer seronegativen Schwangeren, die Transmissionsrate wird je nachLiteraturquelle mit 40–50 % angegeben [32, 33]. Daneben gibt es noch die seltene maternofetaleintrauterine H<strong>CMV</strong>-Transmission einer bereits präkonzeptionell H<strong>CMV</strong>seropositivenMutter mit rekurrenter oder Reinfektion während der Schwangerschaft[34]. Dieser Transmissionsweg entspricht der maternalen Sekundärinfektion, nur etwa 1% der Neugeborenen dieser seropositiven Mütter sind kongenital infiziert, nur wenigedavon auch symptomatisch [35], jedoch sind diese wenigen symptomatisch infiziertenNeugeborenen dann gleich schwer (u.a. mit ZNS-Beteiligung) wie diejenigen nach einerPrimärinfektion erkrankt [34, 36, 37 Boppana und neue UOG Arbeit].Den spärlich verfügbaren Studiendaten über eine sub partu H<strong>CMV</strong>-Transmission durchKontakt des Neonaten zu mütterlichem Genitalsekret bei vaginaler Entbindung kommtangesichts der Tatsache das zwei <strong>Dr</strong>ittel der stillenden Mütter das Virus in der Muttermilchreaktivieren keine epidemiologische Bedeutung zu.


Klinik der kongenitalen H<strong>CMV</strong>-Infektion Die überwiegende Zahl der Kinder mitkongenitaler H<strong>CMV</strong>-Infektion (90 %) zeigt zum Zeitpunkt der Geburt keine klinischeAuffälligkeit ( sog. asymptomatische kongenitale H<strong>CMV</strong>-Infektion. Etwa 5 % der Kindermit anfangs asymptomatischer H<strong>CMV</strong>Infektion entwickeln jedoch später eine Mikrozephalieoder neuromuskuläre Defekte, bei 2 % dieser Kinder wird eine Retinitis beobachtet. Von den 10 % der schon bei Geburt symptomatisch infizierten Neugeborenenzeigt etwa die Hälfte der Kinder Hörstörungen, mentale Retardierung mit IQ 8, 9 bis 12 oder mehr als 13Wochen ab Beginn der maternalen H<strong>CMV</strong>Infektion verstrichen sind [39]. Kritischfestzuhalten bleibt, dass auch 13 Wochen nach Beginn des maternalen Primärinfektesmit äußerst sensitiver PCR-Technik keine Sensitivitätssteigerung auf 100 % zu erzielenist und somit eine gewisse Restunsicherheit bei adäquat durchgeführter Pränataldiagnostikbestehen bleibt [39]. Auch aus Fetalblut können H<strong>CMV</strong>-DNA qualitativund quantitativ sowie H<strong>CMV</strong>-IgM aber auch viral induzierte fetale Thrombozytopenienmit unterschiedliche Sensitivität nachgewiesen werden. Der spezifische IgM-Nachweis aus Fetalblut wurde lange Zeit als alleiniger Ansatz zur Pränataldiagnosegenutzt, weist aber ebenfalls nur eine beschränkte Sensitivität auf (20–75 %). Prinzipiellkann aus Fetalblut die H<strong>CMV</strong>Virämie , die virale Antigenämie sowie derNachweis früher H<strong>CMV</strong>-IE-mRNA oder später H<strong>CMV</strong>-pp67-mRNA mittels NASBA(nucleic acid sequence based amplification) geführt werden [39]. Als Standardnachweismethodeist aber aufgrund der höchsten Sensitivität die PCR zu empfehlen.Höhere Viruslast im Blut und mehr infektiöses Virus im Urin bzw Fruchtwasser sprechenbei vorhandenen Ultraschall- oder MRI Auffälligkeiten eher für auch später symptomatischinfizierte Kinder [88]. Hohe Viruslast innerhalb der ersten Lebensmonate ist mitsensorineuronalen Hörstörungen (SNHL) assoziiert. Kinder mit einer Urin-Virusinfektiosität


logon, Foscarnet (Phosphonoameisensäure, PFA, Pyrophosphatanalogon) sowie Cidofovir(CDV, acyclisches Cytosinnukleotidanalogon). Zusätzlich ist seit geraumerZeit der L-Valylester des GCV, Valganciclovir (VGCV) verfügbar. Das InternationaleHerpes-Management- Forum (IHMF) hat derzeit noch keine Therapieempfehlung derkongenitalen oder postnatalen H<strong>CMV</strong>-Infektion erarbeitet [44, 120]. Auch wissenschaftlicheFachgesellschaften in Deutschland haben hierzu noch keine Empfehlungenausgesprochen. Ein wesentliches Argument für die noch fehlenden (multizentrischen)Therapiestudien der kongenitalen H<strong>CMV</strong>Infektion in Deutschland dürfte imToxizitätsprofil der derzeit verfügbaren antiviralen Agenzien sowie dem fehlendenKonsens über die exakte Definition einer potenziellen GCV/VGCV-Behandlungsindikation liegen. Das präklinische Toxizitätsprofil von GCV [121] verweistauf Mutagenität, Teratogenität und Karzinogenität von GCV. In-vitro-Untersuchungen dokumentieren konzentrations- und zeitabhängige gentoxische Effektevon GCV in Form von Einzel- und Doppelstrang- DNA-Brüchen, Apoptose-Induktion und Chromosomenaberration [156]. Im Tiermodell fand man Evidenz fürirreversible Hodenatrophie [120]. Ganciclovir hat in erster Linie myelosuppressiveWirkung (Granulozytopenie, Anämie, Thrombozytämie). Obwohl GCV liquorgängigist, muss man bei allen neuen therapeutischen Optionen [122] berücksichtigen, dasspostnatale GCV-Therapie keinen Einfluss auf intrauterin erworbene neurologischeDefekte hat. Noch liegt wenig Erfahrung über den Einsatz von VGCV im Kontext derkongenitalen H<strong>CMV</strong>-Infektion vor. Somit bleibt unter Berücksichtigung des Risikoprofilsderzeit nur der Einsatz von GCV zur Therapie der kongenitalen und postnatalenH<strong>CMV</strong>-Infektion. Das National Institute of Allergy and Infectious Diseases(NIAID) Collaborative Antiviral Study Group (CASG) in den USA hat die Therapie dersymptomatischen kongenitalen H<strong>CMV</strong>-Infektion in Studien analysiert (. Tabelle 6).Die CASG beschloss aufgrund des GCV-Toxizitätsprofiles, nur Kinder mit GCV zubehandeln, die Evidenz für eine symptomatische H<strong>CMV</strong>-induzierte ZNS-Infektionaufwiesen (Mikrozephalie, intrazerebrale Verkalkung, Hörschädigung, Retinitis) [120Ein verbessertes oder stabiles Hörvermögen zeigten 21/25 (84 %) der GCVbehandeltenKinder mit kongenitaler H<strong>CMV</strong>-Infektion und ZNS-Symptomatik [127].Keines der mit GCV behandelten Kinder zeigte eine Hörminderung, und 63 % allermit GCV behandelten Kinder entwickelten eine Neutropenie Grad 3 oder 4 [127].H<strong>CMV</strong>-Hyperimmunglobulin: eine neue Erfolg versprechende Therapieoption?H<strong>CMV</strong>-Hyperimmunglobulin ist eine gepoolte Immunglobulinpräparation von Blutspendernmit hochtitrigen H<strong>CMV</strong>spezifischen IgG-Antikörpern. Die antivirale Wirkungbasiert auf der Neutralisation der Virusinfektiosität durch Wechselwirkung mitviralen gB-Oberflächenglykoproteinen. Hyperimmunglobuline werden neben antiviralenAgenzien bei Patienten mit Organtransplantation und manifester H<strong>CMV</strong>-Endorganerkrankung Tagen mit 100–150 mg/ kg Körpergewicht an 3 Tagen intravenösverabreicht. Alle 2–4 Wochen wird diese Prozedur bis zum 4. Monat nachTransplantation wiederholt.Bis zum Jahr 2005 gab es nur Fallberichte über den Einsatz von H<strong>CMV</strong>-Hyperimmunglobulin bei Schwangeren mit H<strong>CMV</strong>-Primärinfektion in der Fetalzeit.In einer 2005 publizierten Studie wurden insgesamt 181 Schwangere mit H<strong>CMV</strong>-Primärinfektion ausgewertet, bei 79 von Ihnen wurde eine Amniozentese durchgeführt.Bei55/79 Frauen mit Amniozentese wurde H<strong>CMV</strong> im Fruchtwasser nachge-


wiesen. Die Therapiegruppe von 31/55 Frauen mit Virusnachweis im Fruchtwasserwurde mit Hyperimmunglobulin behandelt, während in der Präventionsgruppe der102 Frauen ohne Amniozentese ebenfalls 37 Frauen Hyperimmunglobulin angebotenwurde. In der Therapiegruppe gebar nur 1/31 Frauen (3 %) ein Kind mit symptomatischerH<strong>CMV</strong>-Infektion, während 14 Frauen mit H<strong>CMV</strong>-Nachweis im Fruchtwasserkeine Hyperimmunglobulintherapie erhielten und 7/14 (50 %) Frauen dieserGruppe kongenital infizierte Kinder gebaren. In der behandelten Präventionsgruppegebaren nur 6 von 37 Frauen ein Kind mit kongenitaler H<strong>CMV</strong>-Infektion, währendin der nicht behandelten Präventionsgruppe 19/47 Frauen (40 %) ein kongenital infiziertesKind gebaren [33]. Diese Befunde demonstrieren eindrucksvoll, dass einepassive Immunisierung in der Schwangerschaft eine effiziente Strategie zur Präventionkongenitaler H<strong>CMV</strong>-Infektion darstellen könnte.Fazit Die kongenitale H<strong>CMV</strong>-Infektion ist mit 0,3–2,5 % aller Lebendgeburten dieweltweit häufigste angeborene Virusinfektion. 10–15 % dieser Kinder können bei Geburtmit zum Teil schwerer klinischer Symptomatik manifest sein. Wesentliche Fortschritteder Virusdiagnostik mittels kombinierter serologischer Verfahren (Avidität, rekombinanteELISA- und Immunoblotverfahren) machen es heute möglich, maternale Primärinfektionenvon rekurrenten Infektionen zu unterscheiden. Neben den klassischenTransmissionswegen (pränatal/postnatal) sind präkonzeptionell und perikonzeptionellerworbene Primärinfektionen mit sehr unterschiedlichen Transmissions- und Schädigungsrisikenassoziiert. Die H<strong>CMV</strong>-DNA-Quantifizierung beim Neu- und Ungeborenenim Urin und Blut hat offensichtlich prädiktiven Wert für die Identifizierung von KIN-DERN mit Risiko zur Entwicklung manifester SPÄTFOLGEN. Im Rahmen der Pränataldiagnostikaus Fruchtwasser und Fetalblut kann man heute über serologischeund Nukleinsäureamplifikationsverfahren Risikoschwangerschaften identifizieren, diemit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem symptomatisch infizierten Kind führen. NeueOptionen zur antiviralen Therapie schließen sowohl kongenital als auch postnatal infizierteKinder mit H<strong>CMV</strong>-Endorganerkrankung ein. Die Kombination einer sensitivenPränataldiagnostik mit darauf folgender passiver Immunisierung von Schwangerenmit dokumentierter H<strong>CMV</strong>-Primärinfektion mit Hyperimmunglobulin könnte sich beiBestätigung zu einer effizienten Präventionsstrategie der kongenitalen H<strong>CMV</strong>Infektionentwickeln.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!